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unglaublich AZB P. P. / Journal CH-4601 Olten Zeitung für Geld und Geist // Nummer 4, 2012 // 21. November 2012 6 UNBEKANNTE HANDELSWEGE Globales Business: Afrika kauft in China 8 KEIN ENDE DER WEGWERFGESELLSCHAFT? Reparatur unmöglich 10 DIE KUNST DES BAUENS Die Kunstwerke aussergewöhnlicher Träumer 16 GLAUBEN AN DEN BöRSENGEWINN Börsenglaube oder die Kolonisierung einer Naturreligion

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Zeitung für Geld und Geist // Nummer 4, 2012 // 21. November 2012

6 UNbekaNNte HaNdelswege Globales Business: Afrika kauft in China

8 keiN eNde der wegwerfgesellscHaft? Reparatur unmöglich

10 die kUNst des baUeNs Die Kunstwerke aussergewöhnlicher Träumer

16 glaUbeN aN deN börseNgewiNN Börsenglaube oder die Kolonisierung einer Naturreligion

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einblick

Am Rande des GlaubhaftenUnwahrscheinliches oder Empörendes ist nicht nur im Film oder in der Literatur die Würze, sondern macht auch unsere Biografie aufregender. Finden wir etwas Erlebtes «unglaublich», reisst uns das aus der verschlafenen Mono-tonie der Voraussehbarkeit. Notfalls müssen wir die- sen Kick dazudichten, damit eine Story spannend, witzig, grotesk oder sogar revolutionär wird. Das ist die Taktik jedes Hochstaplers. Doch auch bei unseren eigenen Schil-derungen ist der Reiz gross, die Grenzen des Glaub- haften auszuloten. Wir wissen schliesslich, dass wir auf eine gewisse Toleranz zählen können: «se non è vero, è ben trovato». Auch der schwarze Humor lebt von Un-glaublichem. So beginnt der Film «Siam Sunset» mit einem Paar, das sich den Traum des eigenen Hauses ver-wirklicht und glücklich im gepflegten Rasen liegt. Da fällt ein Kühlschrank aus einem Flugzeug und erschlägt die Frau. Wenn ihr Mann, der danach an Depressionen leidet, diese Geschichte erzählt, müssen alle wider Willen lachen. Als der Mann letztlich selber einen Lachanfall erleidet, gehts ihm wieder besser.

Diese «moneta»-Ausgabe zeigt, dass die Welt gespickt ist mit Unglaublichem, nicht nur in der Ökonomie, son-dern auch im soziokulturellen Umfeld. In der Kolumne ge-lingt sogar dem Papst eine ganz besondere Nummer.

Dominique Zimmermann | [email protected]

HaupttHema: uNGlaublicH4 fotografieN zUm tHema

von Regula Schaffer

6 UnbekannteHandelswegeGlobales Business: Afrika kauft in China

8 keiN eNde der wegwerfgesellscHaft? Reparatur unmöglich

10 diekUnstdesbaUensDie Kunstwerke aussergewöhnlicher Träumer

14 revidierte ProgNoseN, aber keiNe ProblemlösUNg iN sicHt

Die Bevölkerungsexplosion mutiert zur Konsumbombe

16 glaUbeN aN deN börseNgewiNN   Börsenglaube oder die Kolonisierung einer Naturreligion

17 kolUmNe Fliegen ist schöner

22 kreditPorträtPer Seilbahn ins Kurszentrum

abS-SeiteN19 Neues Mitglied: ABS-Geschäftsleitung19 Was denken Sie über «moneta»?19 Öffnungszeiten 20 ABS-Geldgespräch20 Bankgeheimnis oder

Steuergerechtigkeit20 Generalversammlung21 Bis 14. Dezember auf das

ABS 3-Vorsorgekonto einzahlen 21 Zinsänderungen Kassenobligationen21 Mitwirkung im Verwaltungsrat

23 kleiNaNzeigeN

perSöNlicH 24 vermiscHte meldUNgeN iN deN zeitUNgeN Eine unerschöpfliche Quelle

unglaublicher Geschichten

editorial

moneta zeitUNg fUer geld UNd geist // NUmmer 4 // 21. nOVeMbeR 2012

moneta erscheint mindestens vierteljährlich in deutscher und französischer sprache. geht an alle mitglieder des Herausgeberinnen-vereins moneta. wiedergabe von texten und eigenen illustrationen nur unter Quellenangabe und mit schriftlicher zustimmung der redaktion // Herausgeber Herausgeberinnen-verein moneta // redaktion rené Hornung (leitung), simon rindlisbacher, dominique roten, cathy savioz, anna sax, dominique a. zimmermann // layout und pro duktion clerici Partner design, zürich // titelbild regula schaffer // Druck roPress genossenschaft, zürich // papier rePrint fsc, 50% altpapier, 50% fsc-zerti-fizierte Neufaser // Verlag und redaktionsadresse moneta, c/o alter na tive bank schweiz ag, amthausquai 21, Postfach, 4601 olten, telefon 062 206 16 16, [email protected] // abonnemente Jahres abonne ment fr. 20.–, förder abonnement fr. 50.– // auflage dieser ausgabe 19 900 ex. // beilagen und in serate bei lagen, die nicht von moneta beigelegt werden, entsprechen bezahlten inseraten – diese ein nahmen helfen uns, die Produktionskosten der zeitung zu reduzieren. Wenn Sie als bankkundin/-kunde umziehen, melden Sie uns ihre neue adresse bitte schriftlich oder via e-banking-System.

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4 moneta #4 // 21. November 2012

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6 moneta #4 // 21. November 2012

UNbekaNNte HaNdelswege __china breitet sich in afrika aus, davon spricht jeder. aber viele afrikaner gehen den umgekehrten Weg. Sie fliegen nach china und kaufen dort Hemden, Hosen und Handys ein, um sie dann zu Hause in afrika weiterzuverkaufen. manche Händler haben sich fest in china niedergelassen. Für ihre Geschäfte brauchen sie Glück, Verstand und chinesische partner.

Globales Business: Afrika kauft in China

//__Endlich, die Jeans sind da. Ikechukwu Nwanzi klappt sein Handy zu und dreht sich um. Er schnalzt mit der Zunge. Die drei chinesischen Kofferträger verstehen: Es gibt Arbeit! Sie drücken ihre Zigaretten aus, schieben sie in die Westentasche, für später. Dann folgen sie dem Mann aus Afrika. Ihre Handkarren ziehen sie hinter sich her. Nwanzi kennt den Weg, denn er war schon oft genug hier im Canaan Export Center von Guangzhou (Kanton), im Süden Chinas. Die Elf-Millionen-Einwohner-Stadt liegt etwa eine Zugstunde von Hongkong entfernt und Canaan ist das gelobte Land. Auch für Nwanzi, der in sei-ner Heimat Nigeria die Strassenhändler der Stadt Aba mit Waren versorgt. In China kauft er seine Produkte ein, alle zwei Monate.

Einmal noch um die Ecke gebogen, vorbei an T-Shirts, Hemden, Hosen in allen Farben, Grössen und Designs. Laden 1089 B. Die chinesische Betreiberin wartet schon. «Papa, es ist alles da!», ruft sie dem Kunden aus Nigeria zu. «Mama, das hat zu lange gedauert», entgegnet Nwan-zi. «Du kaufst zu wenig», klagt die Chinesin, und der Ni-gerianer sagt: «Du bist zu teuer!» Über die Jahre hat er für solche Rededuelle genug Chinesisch gelernt.

«Die Papiere, bitte!» Plötzlich ist der Spass zu Ende. Einem Sicherheitsbeamten ist es offenbar zu laut gewor-den. In weisser Uniform, schwarzer Hose und mit einem Gummiknüppel an der rechten Seite baut er sich vor den Händlern auf. Warenkontrolle. Pässe zeigen. Wenn der Offizier einen schlechten Tag hat und etwas beanstanden will, dann ist das Geschäft geplatzt, kurz vor dem Ziel.

in europa unerwünscht – china als zweite chance«Als Afrikaner musst du jeden einzelnen Tag ums Überle-ben kämpfen!» Auch Gloria Osei Kuffur aus Ghana kennt die Schwierigkeiten, die mit einem chinesischen Aben-teuer verbunden sind. «Niemand von uns hat sich China freiwillig ausgesucht», sagt sie. Auch sie hat ihre bestell-ten Jeans bekommen und packt sie gerade in Kartons ein. Eigentlich wäre ja Europa ihr Wunschziel gewesen. Ein Jahr lang lebte sie in der Schweiz, als Flüchtling. Am liebs-ten hätte sie ein eigenes Geschäft aufgemacht. In Ghana war der Markthandel schon immer Frauensache. Doch Gloria bekam keine Anerkennung als Flüchtling. Ghana ist kein Krisengebiet. Dann eben China. Gloria holte sich einen Kredit bei der Bank und kaufte sich ein Flugticket

impressionen aus dem canaan export center in Guangzhou.

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nach Guangzhou. Dort suchte sie andere Afrikaner. In-zwischen kommt sie zusammen mit ihrer Schwester und zwei Freundinnen mehrmals im Jahr für etwa zwei Wo-chen. Gloria betreibt in Kumasi einen kleinen Laden und verkauft Kleidung, Haarteile, Töpfe, Pfannen, Spielzeug – alles «made in China».

«Mit 1000 Dollar kannst du etwa 700 Dollar Gewinn machen», rechnet sie vor. Wenn alles gut geht. Wenn nicht, dann bleibt sie auf ihren Schulden sitzen. Mit den Chinesen, da sei nicht zu spassen, sagt sie: «Wenn wir sie nicht gleich verstehen, dann schlagen sie plötzlich zu.» Als Frau aus Ghana sei sie im Nachteil. «Die Nigerianer sind besser organisiert, die lassen sich nicht so viel ge- fallen wie wir.»

Nigerianer wie Ikechukwu Nwanzi, der soeben vom Sicherheitsmann kontrolliert wurde. Alles in Ordnung, das Visum ist gültig, an der Ware gibt es nichts zu bean-standen. Keine gefälschten Produkte, keine Hehlerware. «Als ob wir Produkte fälschten», raunt ein Afrikaner, der dabeisteht. «Das tun doch nur Chinesen.»

Verbindungsleute machen den Handel einfacherNwanzi hat das gelassen über sich ergehen lassen, denn er weiss, dass er gegen chinesische Behördenwillkür so-wieso machtlos wäre. Sobald alle Chinesen ausser Hör-weite sind, schimpft er leise los. «Die Chinesen tun alles, was ihnen ihre Regierung sagt. Es wird Zeit, dass sie end-lich ihr Hirn entwickeln und selber denken.» Seit zehn Ta-gen ist er nun wieder im Land. Anders als Gloria, hat er sich nicht verschuldet. 5000 US-Dollar trägt er in der Ho-sentasche. Er hat Bestellscheine für Anzüge, Hemden und Jeans ausgefüllt. Viele sind zweisprachig gedruckt, auf einem steht: «Gott schütze Sie und Ihr Geschäft!»

Es ist ein Duell der Glücksritter, mit ständig wechseln-dem Ausgang. Wie es sich für echte Kaufleute gehört, be-klagen sich beide Seiten über ihr jeweiliges Gegenüber. Und doch blüht der afro-chinesische Handel. Geld ist die gemeinsame Sprache, und zur Not genügen die Zifferntas-ten auf dem Taschenrechner, um sich zu verständigen.

Nwanzi kennt sich aus in Asien. Sein nigerianischer Verbindungsmann in China heisst Daddy Taowe. Mit dem knallroten Trainingsanzug sieht man ihn schon von Wei-tem, selbst im Labyrinth des Canaan-Marktes. Taowe ist ein chinesischer Name. Daddy trägt ihn, seit er mit einer

Chinesin verheiratet ist. Er lebt seit acht Jahren in Guang-zhou, gehört zu den 20 000 afrikanischen Einwanderern. Bevor Nwanzi nach China fliegt, ruft er Daddy Taowe an, und der nimmt erste Bestellungen entgegen. Daddys Ge-schäft läuft auf den Namen seiner Frau, denn ohne ein-heimischen Geschäftspartner dürfen Ausländer in China kein Unternehmen gründen.

Seine erste chinesische Freundin war Lehrerin, des-halb ging das mit der Sprache alles ziemlich schnell. Heu-te spricht Daddy perfekt Chinesisch. «Du redest schon genauso viel wie wir», faucht ihn eine Händlerin an, als sie um den Preis für eine Digitalkamera feilschen. Daddy scheint ganz gut in China integriert. Aber er räumt auch ein, dass die Geschäfte schon besser liefen. «Es gibt jetzt einfach zu viele Afrikaner hier.» Zu viel Konkurrenz und vor allem: zu viele Abenteurer, mit wenig Ahnung vom Geschäftsleben, aber mit kühnen Träumen vom schnel-len Reichtum. Sie lassen sich auf windige Deals ein und erregen den Argwohn der Behörden. Tatsächlich wird hier nicht nur mit Hemden und Hosen gehandelt, auch eine Heroin-Schmugglerbande ist kürzlich aufgeflogen.

«morgen kommt der Fahrer» – die Hand draufAuch für den ehrlichen Handel gilt: Die Chinesen profi-tieren von der Präsenz der Afrikaner – sonst würden die Behörden diese Geschäfte gar nicht erlauben. Afrikaner schaffen Arbeitsplätze. Wie für den jungen Road, der mit suchendem Blick durch die Ladenstrassen wandert. Zwi-schen all den gross gewachsenen Nigerianern mit ihren Athletenkörpern wirkt er wie ein Schuljunge. Road streift durch die Handelshäuser auf der Suche nach Kundschaft für Haopeng Cargo, die die Waren nach Afrika spediert. Je mehr Kunden er findet, desto mehr verdient er.

Da vorne! Road erspäht Gloria Kuffur aus Ghana, die noch immer ihre Kartons packt. Die beiden werden sich einig. «Morgen kommt ein Fahrer und holt die Ware ab», verspricht der junge Chinese. Er blickt nach oben, denn Gloria ist mehr als einen Kopf grösser als er und mindes-tens doppelt so kräftig. Die Frau aus Ghana nimmt seine Hand und packt fest zu. «Bis morgen früh!» Die Hand drauf, das Geschäft ist gemacht.__//

Christian Selbherr | [email protected] Fotos: Jörg Böthling | [email protected]

Drehscheibe für den China-Export

Guangzhou (früher Kanton) entwickelte sich zum wichtigen Stützpunkt für den Seehandel. Seit 2001 wird die Stadt von drei Sonderwirtschaftszonen, darunter Shenzen, umgeben. In die-ser «grössten Fabrik der Welt» produzieren Wanderarbeiter aus beinahe allen chinesischen Provinzen billige Massenware,  die China zum Exportweltmeister gemacht hat. Ausländer kau-fen in Trading Centers ein, wo die Händler Produktbeispiele zeigen. Heute sollen sich 100 000 Menschen aus Afrika in der Stadt aufhalten. So schrieb eine chinesische Zeitung über  Guangzhou als «Chocolate City»...

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8 moneta #4 // 21. November 2012

//__Es ist der 28. September 2012. Im Natio-nalrat wird ein Wust von Vorstössen behan-delt. Darunter auch einer der Grünen. Sie be-antragen einen Bericht über Massnahmen gegen die «geplante Obsoleszenz». Was ist damit gemeint? «Das ist eine Strategie zur Erhaltung der Nachfrage, indem die Lebens-dauer der Produkte künstlich verringert wird», sagt die Waadtländer Politikerin Adèle Thorens Goumaz. Sie ist überzeugt, dass viele Verbrauchsgüter gezielt auf einen vorzeitigen Verschleiss hin hergestellt werden. Sie länger haltbar zu machen, wäre kein Problem.

Stimmt das? Was wie eine Verschwö-rungstheorie tönt, hat tatsächlich einen re-alen Hintergrund. Es ist historisch belegt, dass sich nach dem Ersten Weltkrieg Vertre-ter grosser Glühbirnenproduzenten wie Phi-lips, Osram oder General Electric in einem Genfer Hinterzimmer zu einer Absprache tra-fen. Man kam überein, die Lebensdauer einer Glühbirne auf 1000 Brennstunden zu be-schränken. Dies, obwohl schon Edisons erste Glühbirnen im Jahr 1881 mehr als 1500 Stun-den hielten. Die Ingenieure wurden angewie-sen, entsprechende Glühbirnen zu konstruie-ren. Bis in die 1940er-Jahre dauerte es, bis das Kartell die neue Norm durchgesetzt hatte. Wer dagegen verstiess, musste Bussgelder be-zahlen – in Schweizer Franken. Später flog das Kartell auf. Der US-Hersteller General Electric wurde 1953 in einem elf Jahre dau-ernden Prozess wegen illegaler Preisabspra-chen verurteilt. Das Gericht verbot auch künstlich reduzierte Produktlebensdauern (Planned Obsolescence).

Das nützte aber nicht viel. Die Fabrika-tion ging im gleichen Stil weiter. Patente für langlebige Lampen wurden zwar angemeldet, kamen aber nie auf den Markt. Auch andere Hersteller wendeten den Trick an, zum Bei-spiel der Chemieriese DuPont. Er entwickelte Feinstrumpfhosen und änderte die Kunst-stoffmischung nachträglich so ab, dass ver-mehrt Laufmaschen entstanden. Die Strumpf-hosen wurden zwar billiger, aber frau musste sich öfters neue kaufen. Das hielt die Indus-

trie in Schwung. Erst so recht auf Touren kam die Verschleisswirtschaft in den 1950er- und 1960er-Jahren in den USA. Aufgrund des ge-waltigen Produktivitätsschubs entstand die bis dato unbekannte Konsum- und Wohl-standsgesellschaft.

Drucker mit eingebautem ZählerAuch die Kritik liess nicht lange auf sich war-ten. Der Soziologe Vance Packard war mit sei-nem 1957 erschienenen Buch «Die geheimen Verführer» einer der frühesten Kritiker des Konsum- und Wachstumswahns. Drei Jahre später legte er mit «Die grosse Verschwen-dung» noch nach: «Wir sind zu masslos und werden zu dieser Masslosigkeit noch durch Werbung ermuntert», klagte er. Vergeblich.

Packard wurde zwar von linken Gesell-schaftskritikern wie Herbert Marcuse gehört. Aber am Wachstumswahn konnte er kein Jota ändern.

Heute sorgen üble Beispiele von Planned Obsolescence erneut für Aufsehen. Ein Tin-tenstrahldrucker von Epson etwa gibt nach einer bestimmten Zahl von Druckvorgängen ohne ersichtlichen Grund den Geist auf. Wer ihn reparieren will, bekommt im Verkaufsge-schäft zu hören: «Lohnt sich nicht. Kaufen Sie einen neuen, das ist billiger.» Ersatzteile sind – wenn es sie überhaupt gibt – überteu-ert. Nachforschungen deckten nun auf, dass im Chip des Geräts ein Zähler eingebaut war, der den Drucker nach einer bestimmten Men-ge von Druckvorgängen einfach lahmlegte,

keiN eNde der wegwerfgesellscHaft?__Werden produkte absichtlich so hergestellt, dass sie nicht lange halten und durch neue ersetzt werden müssen? Diese Frage zielt ins Herz des auf absatz und Wachstum programmierten Kapitalismus. unter dem titel «planned Obsolesence» hat eine spannende Debatte begonnen.

«Reparatur unmöglich»

Was, wenn nichts mehr geht? Dann hören wir den Satz: «reparieren lohnt sich nicht, kaufen Sie einen neuen.»

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so dass nichts mehr ging. Als dies entdeckt und im Internet bekannt gemacht wurde, dauerte es nicht lange, bis ein russischer Computerfreak eine Software entwickelte, die diesen Zähler auf null zurücksetzt. Man kann sie aus dem Internet herunterladen.

Schwachstellen bewusst eingebautDiese und noch weitere Beispiele sind in dem eindrücklichen Dokumentarfilm «Kaufen für die Müllhalde» von Cosima Dannoritzer auf-geführt. Das Werk wurde auf dem TV-Sender Arte ausgestrahlt und löste beim Publikum ein grosses Echo aus. Die Dokumentation er-scheint jetzt auch in Buchform*. Die Autorin belegt die Aktualität von geplantem ver-

schleiss an spektakulären Fällen. So geriet Apple in den Verdacht, dem Absatz seiner Elektronikgeräte mit unlauteren Mitteln nach-zuhelfen, etwa beim iPod mit einer Lithium-batterie, die nur kurze Zeit hielt. Verärgerte Konsumenten schlossen sich zusammen und reichten gegen Apple eine Massenklage ein. Zu einem Prozess kam es nicht, aber zu einem aussergerichtlichen Vergleich: Apple verlän-gerte die Garantie und richtete einen Aus-tauschservice für die Batterie ein.

Seither kursiert der Verdacht, dass in zahl-reichen Elektro- und Haushaltgeräten oder in Produkten der IT-Industrie bewusst Schwach-stellen eingebaut werden, welche die Lebens-dauer künstlich verkürzen. «Das ist ein Mas-senphänomen», so Christian Kreiss, Professor

an der Hochschule im deutschen Aalen, der sich für eine menschengerechte Wirtschaft einsetzt. Die Unternehmen stünden unter Wettbewerbsdruck und müssten auch in ge-sättigten Märkten die Gewinne hoch halten. «Der Umsatz steigt, wenn die Geräte häufiger gewechselt werden müssen.»

Es liegt auf der Hand, dass gezielter Ver-schleiss ökologisch wie sozial fragwürdig ist. Er fördert nicht nur Verschwendung und Abfallberge, sondern auch den Raubbau an Rohstoffen und gefährdet die Gesundheit der Menschen. Autorin Dannoritzer zeigt in ih-rem Film, wo sich die Elektronikmüllhalden dieser Welt befinden: in Ländern wie Ghana, wo Kinder den Computerschrott durchwüh-len und dann die giftigen Kunststoffe ver-brennen, um letzte Reste von Wertstoffen zu ergattern. Diese werden dann an Händler verkauft. Eine international organisierte Ent-sorgungsmafia besorgt mit falsch deklarier-ten Containern den illegalen Transfer von Elektronikmüll in die Dritte Welt und ver-dient sich damit eine goldene Nase.

Widerstand regt sichImmer mehr Konsumentinnen und Konsu-menten wollen das nicht mehr kritiklos hin-nehmen. In Deutschland hat sich im vergan-genen Februar um den Berliner Betriebswirt Stefan Schridde eine neue Bewegung gebil-det. Schridde betreibt eine Website namens «Murks? Nein danke!». Er fordert: «Zahllose Produkte gehen kurz nach Ablauf der Garan-tie kaputt. Dieser Murks muss aufhören!» Wer einschlägige Erfahrungen gemacht hat, kann sie dort melden. Die Liste ist schon ziemlich lang und umfasst vom Kaffeeauto-maten bis zur Waschmaschine alles Mög-liche. Schridde hat mit seiner Initiative eine schnell wachsende Community ins Leben ge-rufen, die eifrig nach neuen Produkten mit vorzeitigem Verfalldatum fahndet.

Im offiziellen Diskurs der Schweiz ist das Thema noch wenig beleuchtet. Aber die Auf-merksamkeit steigt. Beim Schweizer Konsu-mentenschutz (SKS) ist man überzeugt, dass geplante Obsoleszenz bei Massengütern eine Rolle spielt. Selbst der Bundesrat mag das nicht in Abrede stellen: «Dass eine Mehrheit der Produzenten die Lebensdauer ihrer Pro-dukte gezielt willkürlich verkürzt, ist eine An-nahme, welche schwierig nachzuweisen ist», schreibt er vorsichtig in der Stellungnahme zum Vorstoss der Grünen. Klar ist aber auch für die Landesregierung, dass das Phänomen im Widerspruch zu einer effizienten und res-sourcenschonenden Wirtschaft steht.

Unter Ökonomen wird der beabsichtigte Zerfall oft rationalisiert. Der amerikanische Marketing-Professor Philip Kotler etwa sagt: «Vieles an der sogenannten geplanten Obso-leszenz ist nichts anderes als das Werk der technologischen Entwicklung in einer freien Gesellschaft, die zu verbesserten Gütern und

Dienstleistungen führt.» Er meint bessere Software und schnellere Computer, vielleicht auch die Mode, die jedes Jahr wechselt. Für solche Produkte sei Langlebigkeit gar kein er-strebenswertes Ziel, für andere jedoch schon. Teure Uhren von Patek Philippe etwa, die mit dem Slogan beworben werden, sie seien erst für die nächste Generation so richtig wert-voll. In Marketingseminaren wird die «künst-liche Veralterung» unter verschiedenen As-pekten diskutiert. Als verwerflich gilt nur jene, die auf eine Qualitätsminderung zum schnelleren Verschleiss abzielt. Wo besseres Design oder neue Technik herausschaut, ist schnelle Veralterung akzeptiert.

längere GewährleistungsfristWie können sinnlose Verschleisspraktiken eingedämmt werden? Die Grünen verlangten im Parlament, dass alle Produkte mit einer Angabe zur Lebensdauer versehen werden müssen und dass eine Mindestgarantiezeit festgelegt wird. Ein Schritt in diese Richtung ist mit einer Gesetzesänderung getan, die im letzten März beschlossen wurde. Danach wird die allgemeine Verjährungsfrist für Ge-währleistungsansprüche (Art. 210 OR) auf zwei Jahre verlängert. Damit allein dürfte der Logik des masslosen Konsums aber kaum beizukommen sein. Wachstumskritiker wie der französische Ökonomieprofessor Serge Latouche fordern eine «Wachstumsrücknah-me»: Um Verschwendung und Überproduk-tion zu stoppen, müsse die Wirtschaft auf einen Kreislaufprozess nach dem Vorbild der Natur umgestellt werden. Dort gibt es keine Abfälle, sondern nur Nährstoffe, aus denen wieder Neues entsteht.

Latouche erinnert an die berühmte Dia- g nose des Club of Rome und meint: «An ein grenzenloses Wachstum auf einer endlichen Erde glauben nur Verrückte und Ökonomen.» Und eine Mehrheit des Schweizer Parlaments in Bern? Sie lehnte den Vorstoss der Grünen diskussionslos ab.__//

Ralph Hug | [email protected]

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Bücher/Filme zum Thema

–   *Jürgen Reuss, Cosima Dannoritzer: Kaufen für die Müllhalde. Das Prinzip der Geplanten Obsoleszenz, Verlag Orange Press, 224 Seiten, CHF 29.90 

–   www.murks-nein-danke.eu 

–   Der auf Arte ausgestrahlte Film  «Kaufen für die Müllhalde» von  Cosima Dannoritzer ist auf  www.youtube.com zu finden.

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10 moneta #4 // 21. November 2012

die kUNst des baUeNs__Sie widmeten ihren Werken Jahrzehnte ihres lebens und bauten in der einsamkeit ihre paläste, Kathedralen und Dörfer: es sind Werke von aussergewöhnlichen menschen, viele davon träumer. ihre zweckfreie architektur finden wir weit verstreut in der Schweiz, in Frankreich, in Finnland, in den uSa. Doch viele Werke dieser «baumeister» sind heute in Gefahr.

Die Kunstwerke aussergewöhnlicher Träumer

//__In einer ehemaligen Kiesgrube in Neuvy-Deux-Clo-chers nahe bei Bourges in Frankreich hat Jean Linard (1931–2010) eine Kathedrale unter offenem Himmel ge-baut. Zurzeit ist das Grundstück zum Verkauf ausge-schrieben. Weil man es keiner Zone zuordnen kann, wur-de es als «Umgebung singulärer Kunst» inseriert. Linard war von Beruf Töpfer und baute seit 1983 ein Ensemble von Tempelchen und Häuschen aus Backsteinen, verklei-det mit vielfarbigen emaillierten Scherben. Die Bilder zi-tieren die Namen der Weisen dieser Welt. Linard las jeden Tag in der Bibel und suchte nach der Aussöhnung der Re-ligionen, in einer sehr persönlichen Art.

Im Juli 2012 formierte sich ad hoc ein Verein, der die-se Kathedrale retten will, und inzwischen steht der Bau im Inventar der historischen Monumente. Wer immer das Areal nun auch kaufen wird, der neue Besitzer wird das Werk nicht zerstören dürfen. Der Verein hatte die Erben von Linard auch angefragt, ob das Werk für einen Som-mer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kön-ne. Die Erben stimmten zu, und es kamen 3000 Besucher. An einem extra organisierten Kongress nahm ausserdem die amerikanische Organisation Spaces (Saving and Pre-serving Arts and Cultural Environments) teil. Sie ist die Pionierorganisation, die versucht, solche Fantasiebauten zu retten, und verfügt über eine grosse fotografische Sammlung solcher Werke.

Auch die Collection de l’Art Brut in Lausanne verfolgt genau, was mit solchen Kunstwerken geschieht. «Im Mu-seum können wir sie natürlich nicht aufbewahren, aber wir zeigen sie, und wir haben schon Ausflüge organisiert», sagt die Direktorin der Sammlung, Sarah Lombardi. Ex-perten stellen ein grosses Interesse fest: Bis zu 30 000 Besucherinnen und Besucher fahren jedes Jahr zu den verschiedenen Freiluftkunstwerken. Leute, die so etwas lieben, besuchen oft mehrere Monumente.

tausende besucher – gefährdete WerkeDer ideale Palast von Ferdinand Cheval in Hauterives in Frankreich ist auch so ein Platz. Das Palais ist inzwischen hundert Jahre alt. 140 000 Besucher zählt man dort jedes Jahr, und der Bau verdankt sein Überleben dem Surrea-lismus. Das französische Kulturministerium hat gegen starke Opposition des beratenden Gremiums 1969 das Der briefträger cheval baute sich vor hundert Jahren sein «palais idéal».

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Palais zum Denkmal erklärt. Ferdinand Cheval, der Brief-träger, der bei seinen täglichen Touren eines Tages auf ei-nen bizarren Stein gestossen ist, entschied sich, daraus die Ecke eines Palastes zu bauen. Er arbeitete ganz allei-ne, sammelte mit dem Schubkarren interessante Steine. Ohne Plan baute er während 33 Jahren weiter. Sein Palast ist 23 Meter lang und 11 Meter hoch.

«Ich glaube, dass es meine Leidenschaft für Gaudí und den Briefträger Cheval war, die Jean zum Entwurf des Kopfes animierte», erzählte Niki de Saint Phalle im «Aven-ture Suisse» (Benteli Verlag 1998). Seit den 1950er-Jahren

links:Jean linard baute sich seine Kathedrale.

rechts:chomo errichtete Fach-werkbauten mitten im pinienwald.

unten:bruno Weber baute sein leben lang an seinem Skulpturengarten in Spreitenbach aG.

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Bruno Weber: Die Kraft der Fantasie

Er hat es nicht mehr erlebt, und doch atmet alles seinen Geist: Ende Mai 2012 ist der grosse Wassergarten im Bruno Weber Skulpturenpark in Sprei-tenbach AG eröffnet worden. Damit hat dieses Gesamtkunstwerk einen vor-läufigen Höhepunkt gefunden. Sein Schöpfer ist im Oktober 2011 kurz  nach seinem achtzigsten Geburtstag verstorben. Fünfzig Jahre lang hat er in seinem Park gelebt und gebaut und gewerkt, zusammen mit seiner Frau Mariann Weber-Godon. 105 Meter lang sind die Flügelhunde, hingezogen um den See, auf luftiger Höhe begehbar. In ihrem Maul kann man stehen und über den Wassergarten blicken. Davor ragt der Eulenmensch 23 Meter in die Höhe. Darum herum der Skulpturenpark. Hier sind Träume Stein  geworden. Natur und Kunst verschmelzen. Umspielt von Bäumen und Ge-wässern wachsen Gestalten und Gebäude, Fabelwesen und Schlingge-wächse. Zumeist sind sie aus Beton geformt und mit Mosaiksteinen bezo-gen. Die Anregungen zum eigenen Universum stammen aus allen Welt- gegenden und aus den unterschiedlichsten Kulturen. Bruno Weber war gelernter Lithograf und Grafiker. Ab 1962 baute er sein Haus und sein Atelier zum fantastischen Wunschschloss um, dann wucherte seine Produktivität in den umgebenden Wald aus. Zu Beginn geschah das nicht immer zur Freude der Behörden, die Bauvorschriften anmahnten; aber mittlerweile wird der Park als unersetzliches Kulturgut anerkannt.  Nach mehrjähriger Arbeit ist der Wassergarten jetzt vollendet. Hier kom-men viele Gestalten aus dem ganzen Park zusammen. Daneben steht  der grosse Saal mit 56 verschiedenen Sternenleuchten an der Decke und  den Gestalten, die Bruno Weber wichtig und teuer waren: Till Eulenspiegel, Harlekin, Musikant und Pan.  Mariann Weber-Godon hat das Werk ihres Mannes unermüdlich mitgetra-gen, bewahrt und jetzt das Vermächtnis gesichert. Getragen wird der  Skulpturenpark von einer Stiftung, unterstützt wird er von einer Freundes-vereinigung.  Den grössten Skulpturenpark der Schweiz, der auch inter- national bekannt ist,  muss man gesehen haben.  www.bruno-weber-skulpturenpark.ch  Buchhinweis: «Bruno Weber. Die Kraft der Fantasie – ein Lebenswerk».  Hirmer Verlag. München 2011.

Stefan Howald | [email protected]

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einen Film über diesen Ort. Denn Kino, TV oder Fotogra-fie machen diese in Einsamkeit erschaffenen Werke erst bekannt, und manchmal können die Berichte einen Ret-tungsprozess einleiten. Danchin hat schon in Paris Aus-stellungen organisiert und rund 2000 Werke gesammelt und gesichert. Aber von Chomo stehen noch die kleine-ren Fachwerkbauten verlassen im Pinienwald, hergestellt aus Holz und alten Flaschen. Sie stehen rund um jenen Pavillon ohne Heizung und fliessend Wasser, in dem der Künstler Chomo lebte, Frau und Kinder in Paris zurück-lassend. Chomo war eine sehr kultivierte Persönlichkeit, aber im sozialen Umgang auch sehr schwierig. Er lebte unter anderem von seiner Bienenzucht.

«Im Unterschied zu den Künstlern in den Ateliers sind diese Baumeister, die draussen ihre Fantasiebauten auf-stellten, Persönlichkeiten, um die sich Legenden ranken. Ihr Charisma überträgt sich auf folgende Generationen, denn sie lassen Orte zurück, die zum Träumen anregen, und die junge Generation ist hier sehr sensibel», so Kunst-kritiker Laurent Danchin. Er ist auch bemüht, die Werke zu retten, und sucht das dafür nötige Geld bei verschie-denen Stiftungen. Und er rät zu Partnerschaften unter den verschiedenen Trägern, denn damit wird vielleicht mög-lich, was in Finnland realisiert werden konnte: Ein Mäzen hat dort die 500 Skulpturen von Veijo Rönkkönen ge-kauft und lässt sie heute unterhalten.__//

Cathy Savioz | [email protected]

reifte bei Jean Tinguely spielerisch die Idee eines globalen Werkes. Jean Tinguely beschrieb, dass die Gruppe wäh-rend der Arbeit am Zyklop von einer Utopie träumte und gerade ob der eigentlich nutzlosen Arbeit sehr glücklich war – sofern sie dabei nicht gestört wurden. So entstand zwischen 1969 und 1994 das riesige Werk zusammen mit den Künstlerfreunden Bernhard Luginbühl, Rico Weber, Daniel Spoerri, César, Eva Aeppli. Diese monumentale Skulptur ist 22 Meter hoch und beschützt kleinere Werke, die Töne erzeugen. Ein automatisiertes Theater, gekrönt von einem Eisenbahnwagen.

Gut bewachter ZyklopDas Werk war oft von Vandalen heimgesucht worden, was die Künstler entmutigte. Sie überlegten bereits, den Zyklop an einen anderen Ort zu bringen. Schliesslich schenkten sie das Werk dem französischen Staat. Doch der Wandel zum Tourismusort behagte Tinguely dann doch nicht. Aus dem wilden Werk sei ein Aushängeschild geworden, sehr chic, schön bemalt, gut unterhalten mit Toiletten, Klimaanlage, Heizung, Alarmsystem und Bewa-chung. Für ihn war es eine Konzession, um die Fertigstel-lung zu garantieren, aber auch den weiteren Unterhalt des 350 Tonnen schweren Kolosses.

Der Zyklop ist eine Erfolgsgeschichte, aber auch eine Ausnahme. Ein paar Kilometer davon entfernt, in Achères-la-Forêt, ist das Werk von Chomo (1907–1999) in Gefahr. Laurent Danchin, Schriftsteller und Kunstkritiker, plant

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revidierte ProgNoseN, aber keiNe ProblemlösUNg iN sicHt__bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf neun milliarden menschen anwachsen. Doch weil das mittelständische Familien- modell in der Dritten Welt auf dem Vormarsch ist, sinken die Geburtenraten. Gleichzeitig lässt die Kauflust der neuen mittelschichten den Konsum in den Schwellenländern explodieren. Die Folge sind steigende rohstoffpreise.

Die Bevölkerungsexplosion mutiert zur Konsumbombe

//__Der berühmteste aller Demografen irrte sich. Nach Tho-mas Robert Malthus hätten Hunger und Seuchen die Weltbe-völkerung längst dezimieren müssen: «Wer sich nicht ernäh-ren kann, dem gebietet die Natur abzutreten», verkündete der Vater der Bevölkerungswissenschaft vor über 200 Jahren. Doch entgegen dem drakonischen Verdikt hat sich die Menschheit seither auf sieben Milliarden versiebenfacht. Bis 2050 sollen weitere zwei Milliarden hinzukommen, für die Wende zum nächsten Jahrhundert sagt die Uno zehn Milli-arden Erdenbürgerinnen und -bürger voraus. Hinter dieser Expansion stehen nicht nur Verbesserungen in Hygiene und Medizin. Auch die globale Nahrungsmittelproduktion nahm, entgegen der Prognose von Malthus, stets stärker zu als die Zahl der Menschen.

Dennoch hat das Schlagwort von Überbevölkerung und Bevölkerungsexplosion weiter Hochkonjunktur. Dabei mahnte schon Friedrich Engels mit Blick auf die Hungerpro-blematik, «dass überzählige Bevölkerung stets mit überzäh-ligem Reichtum, überzähligem Kapital und überzähligem Grundbesitz verknüpft» sei. Diese Kritik hat nicht an Aktuali-tät eingebüsst, wie der Landwirtschaftsexperte der entwick-lungspolitischen Organisation Erklärung von Bern, François Meienberg, betont: «Die weltweite Nahrungsmittelprodukti-on ist fast doppelt so gross wie die globale Nachfrage. Hunger ist somit primär eine Frage des Zugangs zu Nahrungsmitteln – auch bei einer zukünftigen Weltbevölkerung von über neun Milliarden.» Verschärft werde die Situation durch die Produktion von Agrotreibstoffen: «Die Folge sind steigende Lebensmittelpreise und vielfältige Umweltprobleme, die Mil-lionen von Menschen in den Hunger treiben.» Ähnlich kata-strophale Auswirkungen habe der zunehmende Futtermit-telanbau für die Tiermast.

In der Tat werden heute bereits 40 Prozent der weltweiten Getreideproduktion an Tiere verfüttert. Daher könnten die satten Länder wie die Schweiz schon mit einer Halbierung ihres Fleischkonsums genügend Getreide produzieren, um den Welthunger zu beseitigen, wie der Uno-Sonderbericht- erstatter für Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, unlängst monierte. Dieser rechnerische Überschuss entlarvt die viel beschworene Ernährungs- und Bevölkerungskrise als reines Verteilungsproblem.

trends: tiefe Geburtenzahlen, mehr mobilitätDie bereits erwähnte Zehn-Milliarden-Prognose der Uno liegt markant tiefer als die Voraussagen von 1975. Grund für die-se Verlangsamung der Bevölkerungsdynamik ist der welt-weite demografische Übergang zu kleineren Familien: Wach-sender Wohlstand, verbunden mit «Mittelstandisierung», motiviert die Menschen zu einer effizienten Geburtenpla-nung – sei es, um selbst mehr zu konsumieren, sei es, dass man den Kindern eine standesgemässe Ausbildung mit so- zialen Aufstiegschancen ermöglichen will.

Das schlägt sich in den Geburtenzahlen nieder. In Brasi-lien liegt die Zahl der jährlichen Geburten pro 1000 Einwoh-ner noch bei 15. In China zählt man noch 12 Geburten pro 1000 Einwohner und Jahr, was fast dem tiefen Niveau der Schweiz entspricht. Aufstieg in den Mittelstand bedeutet nicht nur weniger Kinder, sondern auch eine markante Stei-gerung des Konsums. Dadurch mutiert die vermeintliche de-mografische Explosion zur Konsumbombe, wie ein Blick auf die Entwicklung der Automobilität zeigt: Zurzeit zirkulieren in China 30 Privatwagen pro 1000 Einwohner, während das wirtschaftlich fortgeschrittenere Malaysia bereits die zehn-fache Fahrzeugdichte erreicht hat. In der Schweiz kommen auf 1000 Einwohner 520 private Autos, im krisengeplagten Italien sind es 600. Aber der Rückstand von China schwindet: Noch vor Ende dieses Jahrzehnts dürften dort mehr Autos verkehren als in den USA.

afrika zwischen Wachstum und KorruptionDa sich die Ölförderung im Gegensatz zum globalen Fahr-zeugbestand nur noch langsam steigern lässt, droht die Ben-zinversorgung zum Nadelöhr auf der Fahrt ins Mittel-standsparadies zu werden. Denn würden auf den Strassen Chinas, Indiens, Indonesiens, Vietnams und Thailands gleich viele Autos pro Kopf zirkulieren wie im Westen, brauchte al-lein die Automobilität dieser Drei-Milliarden-Bevölkerung die weltweite Ölproduktion komplett auf. Schon jetzt treibt dieser gigantische Nachfrageschub aus Asien und anderen boomenden Schwellenländern die Benzinpreise in die Höhe. Nebst fossiler Energie hat die Nachfrageexplosion längst auch Stahl, Kupfer, Nickel, Platin, Lithium und Uran ergriffen. Dadurch ist vor allem im bisher nur schwach in die Weltwirt-

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Die Bevölkerungsexplosion mutiert zur Konsumbombe

schaft integrierten Afrika ein wildes Gerangel zwischen Chi-na und dem Westen um die Erschliessung der dort schlum-mernden Bodenschätze in Gang gekommen.

Ob der plötzliche Rohstoffboom dem schwarzen Konti-nent allerdings die erhoffte Wende hin zu langfristigem Wachstum und Wohlstand beschert, ist fraglich. Denn ganz abgesehen von der Umweltzerstörung, die mit Ölförderung und forciertem Bergbau einhergeht, tragen Rohstoffeinnah-men in vielen afrikanischen Ländern nur sehr begrenzt zur Armutsminderung bei. «Ein erheblicher Teil dieser Gelder versickert im Staatsapparat und fliesst oft auch via Kapital-flucht in den Westen», erklärt Rolf Kappel, Leiter des Nachdi-plomstudiums für Entwicklungsländer an der ETH Zürich. Doch gebe es durchaus auch ermutigende Beispiele. «Insbe-sondere in Botswana ist es gelungen, effiziente und stabile staatliche Institutionen zu schaffen, die den Rohstoffreich-tum in Wirtschafts- und Wohlstandswachstum ummünzen.»

alterung und rentenproblematik in europaWährend die Mittelschichten Afrikas, Asiens und Lateiname-rikas zahlenmässig expandieren und wirtschaftlich zuneh-mend prosperieren, kämpfen die reichen Länder nicht nur demografisch mit Stagnation. Wegen des hohen Verbrauchs-niveaus fliessen zudem immer grössere Geldsummen für Rohstoffkäufe ab. Selbst die Handelsbilanz des Exportgi-ganten Japan rutschte im Gefolge der Fukushima-Katastro-phe und der zeitweisen Abschaltung sämtlicher Atomkraft-werke wegen der vermehrten Einfuhr teurer fossiler Energie temporär in die roten Zahlen. Sind die Importe auf Dauer

grösser als die Exporte, kann eine Volkswirtschaft die Lücke zwar eine Zeit lang mit öffentlicher und privater Auslandver-schuldung schliessen. Doch am Ende kommt es zwangswei-se zur Drosselung des Konsums.

Dies lässt sich zurzeit nicht nur in Südeuropa, sondern auch in Irland und im rezessions- und inflationsgeplagten Grossbritannien beobachten. Zum sukzessiven Kaufkraftver-lust scheint auch die in ganz Europa bereits weit fortgeschrit-tene demografische Transformation beizutragen: Die tiefen Geburtenraten lassen die arbeitende Bevölkerung im Ver-gleich zu den Rentnern schrumpfen. Dies kann bei sinkender Wirtschaftsleistung zum Wertzerfall der Pensionskassenanla-gen und zu rückläufigen Beitragszahlungen führen.

Deshalb von einem «demografischen Untergang des Abendlands» zu munkeln, hält der Zürcher Bevölkerungs- forscher und Soziologe François Höpflinger allerdings für Nonsens. Gerade die Schweiz beweise, dass sich tiefe Geburten raten durch Einwanderung kompensieren liessen: «Die Immigration von Arbeitskräften brachte der Schweiz in den letzten Jahrzehnten eine Verjüngung der Bevölkerung sowie wirtschaftliche Prosperität, indem sie die Produktions- und Konsumbasis ausweitete», bilanziert Höpflinger.__//

Elias Kopf | [email protected]

BuchhinweisJean Ziegler: «Wir lassen sie  verhungern. Die Massen  - vernichtung in der Dritten Welt», Bertelsmann, 2012.

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16 moneta #4 // 21. November 2012

glaUbeN aN deN börseNgewiNN__Der Kapitalismus ist immer mit der Hoffnung auf Zins und Gewinn verknüpft. Dazu wird das Vertrauen missbraucht. ist es im sozialen leben dazu da, um Zuverlässigkeit zu garantieren, erhält es an der börse die gegenteilige bedeutung: Hoffnung aufs unvorhersehbare und Grossartige. eine radikale Demokratie müsste die «Naturreligion» Kapitalismus kolonialisieren.

Börsenglaube oder die Kolonisierung einer Naturreligion

nünftige über sich hinausschiesst. Das nor-mal menschliche Streben nach Gewinn schlägt um in den pseudoreligiösen Willen zur Bestrafung derjenigen, die daran nicht teilnehmen: die risikoscheuen Angestellten oder die Arbeitslosen.

Grenzenloses VertrauenGenauso übermotiviert erscheint im Gegen-zug das grenzenlose Vertrauen, das der Herr den anderen Dienern entgegenbringt, indem er sie fortan für grössere Aufgaben einsetzen

will. Erinnert uns dies nicht an den aktuellen Prozess gegen den englischen UBS-Banker Kweku Adoboli, der fast ohne Kontrolle spe-kulieren konnte und ein Milliardenloch in die Kasse riss? In der Sphäre der sozialen Be-ziehungen ist grenzenloses Vertrauen etwas, das sich erst über eine lange Kontinuität von vertrauensbildenden Erfahrungen einzustel-len pflegt. In der religiös aufgeladenen Sphä-re der Gewinnerwartung ist das Vertrauen schneller zu haben.

Im «Rumpelstilzchen» wird die Müllers-tochter bereits nach drei Nächten, in denen sie Stroh zu Gold spinnt, Königin. Der Bör-senbroker Adoboli erhält die unbegrenzte Handlungsvollmacht nach einigen erfolg-reichen Transaktionen. Die Funktion des Ver-trauens wird dadurch völlig umgewertet. Ist es im sozialen Leben dazu da, um Berechen-barkeit und Erwartbarkeit zu garantieren, er-hält es an der Börse die gegenteilige Bedeu-tung der Hoffnung aufs Unvorhersehbare und Grossartige.

Man könnte sagen, dass die durch den heiligen Paulus in die Welt gebrachte ur-christliche Überzeugung über die befreiende Wirkung eines festen Glaubens gerade an der Börse zur Geltung kommt. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Euphorie unter den Brokern entspräche dann exakt der sprich-wörtlich spontanen Heiterkeit eines Chris-tenmenschen.

Die Abkoppelung von den realen Verhält-nissen, die ein solcher Glaube zur Folge hat, ist ein zweideutiger, unentschiedener Pro-

zess. Zumindest befreit die unrealistische Hoffnung an die Selbstvermehrung des Geldes durch Zins die Menschen aus den Zwängen ihrer eingeschränkten Lebensum-stände. Denn Zins gibt es nur dort, wo Kredit ist, und Kredit kommt von Credo und heisst nichts anderes als der Glaube, dass die Kre-ditnehmer das Glücksversprechen, das der Eigentümer mit seinem Geld verbindet, ein-lösen können.

marx nennt sie «Glücksritter»Von Karl Marx «Glücksritter» genannt, haben sie die Fähigkeit, mit dem Geld ganz anders zu Werke zu gehen «als der ängstlich die Schranken seines Privatkapitals erwägende Eigentümer». Erst in fremden Händen entwi-ckelt das Kapital die Dynamik, die zum Welt-markt führt und damit auch zur bürgerlichen Idee der Freiheit des Individuums, die ohne die Ersetzung von persönlichen Bindungen durch Geldbeziehungen nicht denkbar wäre. So ist zum Beispiel die Popularisierung der

//__Unübertroffen ist die Beschreibung des Börsenkapitalismus im Matthäusevangelium. Ein Herr geht auf Reisen und vertraut seinen Dienern sein Vermögen an, je nach Fähigkeit dem einen fünf, dem anderen zwei, dem Drit-ten einen Teil. Während die ersten zwei ihre Anteile verdoppeln und mit satten Boni be-lohnt werden, vergräbt der Dritte sein Geld in der Erde und wird mit folgenden Worten zu-rechtgewiesen: «Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und samm-le, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten.» Und der Herr be-fiehlt, den Diener hinauszuwerfen, und zwar «in die äusserste Finsternis». Dabei spricht er jene berühmten Worte, die nirgends besser passen als an der Börse: «Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss ha-ben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.»

Selbstvermehrung des GeldesWunderschön ironisiert ist in dieser Ge-schichte die Lehre von der Selbstvermehrung des Kapitals: Das in die Erde «gepflanzte» Geld trägt eben gerade keine Früchte. Der Gipfel des Unrechts aber ist die Bestrafung desjenigen, der sich als Einziger ans biblische Wucherzinsverbot hält. Besonders irritierend ist die Heftigkeit, mit der der zwar ängstliche, aber ehrliche Diener beschimpft wird.

Wir haben es hier offensichtlich mit einer klassischen Überreaktion zu tun, die uns einen tieferen Blick in das Wesen der Geldökono-mie erlaubt. Was ist es, das den Herrn so wüten lässt? Doch nichts anderes als das Vergehen gegen seine Gewinnerwartung. Wenn aber die Nichtvermehrung des Geldes Sünde ist, dann hat die Gewinnforderung einen religi-ösen Charakter. Das irrationale Moment in der Bestrafung des Dieners zeigt an, dass dem Handeln des Herrn eine tiefe Glaubens-überzeugung zugrunde liegt. Denn Glauben liegt immer da vor, wo das sogenannt Ver-

In der Sphäre der sozialen Beziehungen ist grenzenloses Vertrauen etwas, das sich erst über eine lange Kontinuität von vertrauensbildenden Erfahrungen einzustellen pflegt. In der religiös aufgeladenen Sphäre der Gewinn- erwartung ist es schneller zu haben.

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Börse durch Pensionskassengelder und den Einzug der Massen ins Aktiengeschäft keine Perversion, sondern nur eine logische Folge dieser Gesetzmässigkeit. Ein Anlageinstru-ment wie der Publikums-Fonds hat näm- lich die Kraft, die gesammelten Glückshoff-nungen der Kleinanleger zu bündeln, die ihr Kapital in die Fremde schicken und es – wundersam in Gewinn verwandelt – wieder zurückerwarten. Von ihm erhoffen sie die Ausweitung ihrer eigenen kleinbürgerlichen Enge. Sinnbilder für moderne «Entfremdungs-prozesse» sind neue Börsenprodukte wie bei-spielsweise die vor dem Finanzcrash 2008 über sieben Ecken gehandelten Sub prime-Kredit-Schuldscheine. Oder die Hedgefonds, bei denen die Herkunft des Kapitals völlig unkenntlich wird. Diese Hoffnungen werden positiv bewertet, aber natürlich handelt es sich dabei gleichzeitig um jenen Exzess der Kapitallogik, der die fatale, aber an der Börse so wichtige Gleichsetzung von Ahnen und Glauben mit Wissen zur Folge hat.

Die Doppeldeutigkeit des KapitalismusViele weitere Überlegungen liessen sich hier anfügen, die alle zeigen könnten, dass der Ka-pitalismus immer ein religiöses Potenzial hat. Durch das Aufdecken des religiösen Charak-ters wird nun aber vor allem die nicht auf-lösbare Doppeldeutigkeit des Kapitalismus offenbar. Das heisst, kapitalistische Prozesse sind genauso wie die religiösen immer zu-gleich rational und irrational, formend und

zerstörend, vielversprechend und enttäu-schend usw. Diese Aussage scheint zwar ba-nal, und in der Tat hören wir Ähnliches auch vom liberalen Zyniker, der daraus die finale Rechtfertigung für den Kapitalismus, dieses sogenannt «beste aller schlechten Systeme», zieht. Und trotzdem ist sie wichtig, um dem platten Antikapitalismus entgegenzutreten, der in der Linken nicht totzukriegen ist. Denn den Kapitalismus aus der Welt zu schaffen, hiesse beispielsweise die Möglichkeit von in-dividueller Freiheit und den demokratischen Rechtsstaat zu gefährden.

Den Kapitalismus «kolonialisieren»Doch weil der Kapitalismus uns als eine Art Naturreligion erscheint – fetischistisch, ma-gisch und irgendwie natürlich –, schlage ich vor, mit ihm gleich zu verfahren wie die gros-sen imperialistischen Reiche mit den Natur-religionen der eroberten Völker. Was dort ein Verbrechen war, ist hier das rechte Mittel: Die demokratische Gesetzgebung soll te sich dem Kapitalismus gegenüber so verhalten, als wä-re er eine rückständige, aber an Rohstoffen reiche Kultur, die durch Disziplinierung zum Fortschritt gezwungen und durch Ausbeu-tung nutzbar gemacht werden muss.

Die Bekehrungsbotschaft an die Anhän-ger des Kapitalismus müsste also lauten: Du musst jede deiner öffentlichen Handlungen den demokratischen Institutionen vorlegen und vor der demokratischen Inquisition rechtfertigen. Wenn du willst, behalte den

alten Glauben, aber gleichzeitig musst du öffentlich den neuen bezeugen.

Entscheidend aber, um die Macht eines religiösen Glaubens zu brechen, ist die Ent-machtung der Toten und das Verbot des To-tenkultes; anders ausgedrückt der Grabraub oder die Enteignung der Toten. Zum Beispiel mit einer umfassenden Erbschaftssteuer, die die Gesellschaft von der Übermacht des to-ten Kapitals bewahrt und den Kapitalisten davon befreit, über das Erbe wieder in den Bann der alten Familienbanden und Sippen-bräuche zu geraten. Instrumente wie die Erb-schaftssteuer bewahren den Kapitalismus davor, seine eigenen Errungenschaften zu unterlaufen und sich so selber zu zerstören. Sie garantieren dessen Fortschritt, indem sie ihn in ein neues System überführen.

Dieses neue System nennen wir heute radikale Demokratie. Deren unvernünftiger Überschuss aber, der sie erst zu einem schlag-kräftigen Glauben macht, heisst noch immer Sozialismus. Dafür, dass dieser zur Koloni-alisierung des Kapitalismus führt und nicht zur Unterdrückung unserer Wünsche, sorgt die alles versöhnende Bewegung der System-vermischung. Denn sie war schon immer die beste Versicherung gegen die Zumutungen der Religion.__//

Rolf Bossart | [email protected]

Rolf Bossart ist Theologe und Redaktor der Monatsschrift«Neue Wege, Beiträge zu Religion und Sozialismus».

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kolumne

Fliegen ist schöner//__Auf seinem «Flyer» drehte der Papst ein paar Runden im herbstlichen Park. Sonnenbebrillte Schweizergar-disten checkten ihre Mails auf den Smartphones, Blätter taumelten zu Boden, eine fahle Sonne schien durchs Ge-äst von Ahornbäumen. Weiter vorn sang ein Mittelschü-ler mit fussligem Bart «Imagine» zur Gitarre. Sanft und lei-se glitt Joseph Ratzinger die Hauptallee entlang, es war ihm fast, als wäre er ein Pilot auf der Startbahn, bereit abzuheben. «Kuck mal, Papi, der alte Mann mit dem ko-mischen Hut, der kann ja nicht mal richtig Velo fahren», sagte ein Knirps mit Kickboard zu seinem Vater, beide mussten lachen. Irgendwo krächzte ein Rabe, irgendwie machte sich das päpstliche Elektrovelo selbstständig: Schneller und schneller bretterte der Herr Ratzinger durch den Park, er duckte sich auf dem Sattel und hielt seinen hohen Hut mit einer Hand fest. Ein Eichhörnchen husch-te an einem Stamm hinauf. Einer vom Tiefbauamt in oranger Arbeitskleidung war im Begriff, mit dem Vierkant-schlüssel einen Abfallkübel aus der Halterung zu lösen. Spät erst hörte er das Knirschen der Veloräder auf dem

Kiesweg und konnte sich mit einem Satz in eine Blumen-rabatte im letzten Moment in Sicherheit bringen. Die päpstlichen Bodyguards waren aufgesprungen, sie rann-ten hektisch hin und her und fummelten an ihren Head-sets. «Imagine all the people, living life in peace…», un-vermittelt brach auch Mister Fusselbart sein Lied ab, ein ganzer Schwarm Raben flog auf, im krächzenden Durch-einander. Das Kickboard des Rotzbengels lag am Boden, sein Vater hatte die Tasche abgestellt, beide schauten mit offenen Mündern zu, wie der «Flyer» des Papstes seinem Namen Ehre machte und einfach abhob. Ein weisses Glit-zern, wie Sternenstaub, umgab den fliegenden Herrn Rat-zinger, und ein Tönen wie von kleinen Glasglöckchen, als er ein paar Schlaufen zog über dem Park und den stau-nenden Menschen dort unten zuwinkte. Das immerhin war er sich ja gewohnt. Irgendwann war der Akku leer. Die Landung war holprig, er kriegte sie irgendwie instink-tiv hin. Unglaublich? Aber genau so wars.__//

Jürg Odermatt | [email protected]

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18 moneta #4 // 21. November 2012

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Schulerneuerung jetzt!Jede Schule werde ein Kompetenzzentrum fürinnovative PädagogikAls Pädagoginnen und Pädagogen wollen wiruns aufmachen, unsere Schulen zu den Lebens-und Gemeinschaftsorten zu machen, die die Kinder heute brauchen. Der Umbau von der Belehrungsschule des 19. Jahrhunderts hin zurSchule als Lern- und Lebensraum des 21. Jahr-hunderts muss jetzt, im Kleinen und bei uns allen beginnen. Eine hochkarätige Auswahl praxisnaher DozentInnen vermittelt uns das nötige Rüstzeug und verbreitet ansteckende Begeisterung.Zeitrahmen: März 2013 bis April 2014Neun Wochenendmodule und eine Intensivwoche an verschiedenen Kursorten. Mehr Infos: Freier Pädagogischer Arbeitskreis FPAChristian Wirz-Niklaus, Blümlimattweg 23, 3600 Thun, Tel. 0041 (0)33 534 31 [email protected], www.arbeitskreis.ch

iNserate

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abs-seite

Öffnungszeiten über die Feiertage

Olten 24. Dezember 2012 Bürozeiten:  8.00 – 12.00 UhrSchalteröffnungszeiten:  9.00 – 12.00 Uhr 

25. und 26. Dezember 2012 geschlossen

Am 27. und am 28. Dezember 2012  sind wir wie gewohnt für Sie da.

31. Dezember 2012 Bürozeiten: 8.00 – 12.00 UhrSchalteröffnungszeiten: 9.00 – 12.00 Uhr 

1. und 2. Januar 2013 geschlossen

Ab Donnerstag, 3. Januar 2013,  sind wir wieder wie gewohnt für Sie da.

lausanne24. Dezember Bürozeiten: 8.30 – 12.00 UhrDer Schalter bleibt geschlossen.

25. und 26. Dezember 2012 geschlossen

Am 27. und am 28. Dezember 2012  sind wir wie gewohnt für Sie da.

31. Dezember 2012 Bürozeiten: 8.30 – 12.00 UhrDer Schalter bleibt geschlossen.

1. und 2. Januar 2013 geschlossen

Ab Donnerstag, 3. Januar 2013,  sind wir wieder wie gewohnt für Sie da.

Zürich24. – 26. Dezember 2012 geschlossen

27. und 28. Dezember 2012: 9.00 – 12.00, 13.30 – 17.00 Uhr

31. Dezember 2012 – 2. Januar 2013 geschlossen

Ab Donnerstag, 3. Januar 2013,  sind wir wieder wie gewohnt für Sie da.

Und was denken Sie über «moneta»?

michael Diaz wurde vom Verwaltungsrat in die Ge-schäftsleitung der abS ge-wählt. per 1. Januar 2013 übernimmt er von edy Wal-ker die Verantwortung für das anlage- und privatkun-dengeschäft.

Michael Diaz studierte Wirtschaftswissenschaf-ten und angewandte Ethik an der Universität Zürich. Der 40-jährige Zürcher arbeitete seither unter anderem für die Credit Suisse, den sozia- len und ökologischen Vermögensverwalter Care Group und die Nachhaltigkeitsrating-Agentur Inrate. Dort war er von 2009 bis 2011 Mitglied der Geschäftsleitung.

«Michael Diaz ist bestens vertraut mit dem Geschäftsmodell und den Werten der Alterna-tiven Bank Schweiz. Wir sind überzeugt, dass er mit seiner Erfahrung im Bereich der nachhal-tigen Anlagen einen bedeutenden Beitrag an den Ausbau und die Weiterentwicklung des Anlage-geschäfts der ABS leisten wird», äussert sich Eric Nussbaumer, Präsident des ABS-Verwaltungs-rates, zur Wahl.

Edy Walker, der bis Ende Jahr den Bereich Anlegen leitet, wechselt in die neu geschaffene Gruppe «Strategie, Nachhaltigkeit und Spezial-finanzierungen».

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: zvg

Michael Diaz neu in der ABS-Geschäftsleitung

Wollen Sie einen Beitrag an ein zukunftsorientiertes, sozial und ökologisch ausgerichtetes Bankwesen leisten?

Für unser operatives Kerngeschäft suchen wir eine

Leiterin Finanzieren, Mitglied der Geschäftsleitung, 80 – 100 %

welche zusammen mit einem motivierten Team die Alternative Bank Schweiz im Markt positioniert und das Aktivgeschäft der Bank erfolgreich weiterentwickelt. Wir wenden uns in erster Linie an weibliche Führungskräfte mit mehrjähriger Führungserfahrung im Bereich des Kredit- und Firmenkundengeschäftes und einem ausgewiesenen Interesse an gesellschaftspolitischen Fragestellungen rund um die Rolle der Banken in der Schweiz.

Mehr Informationen über diese spannende Stelle finden Sie auf unserer Website www.abs.ch/stellen.

Wir freuen uns, Sie kennenzulernen. Alternative Bank Schweiz AGAmthausquai 21Postfach, 4601 Oltenwww.abs.ch

Ausschreibung GL-Mitglied Finanzieren

Jetzt mitmachen und gewinnen Unter den Teilnehmenden verlosen wir eine Übernachtung für zwei Personen im Kurhaus Bergün (www.kurhausberguen.ch).

Die Meinungen zu «moneta», zum Heft, das Sie eben in der Hand halten, gehen weit auseinan-der. Das zeigen die Reaktionen von Leserinnen und Lesern: Für die einen ist die Zeitschrift inspi-rierende Lektüre zum Thema Geld und Geist. Für die anderen eine Ansammlung von linkem und feministischem Geschwurbel. Was finden Sie?

«moneta» wird bis Mitte 2013 überarbeitet. Mit einer Umfrage soll auch die Meinung der Leserinnen und Leser ins neue Konzept einflies-sen: Blättern Sie «moneta» bloss durch, oder le-sen Sie das Heft intensiv? Kommen wichtige Themen zur Sprache? Sind die Texte kompetent? Ist «moneta» in gedruckter Form noch zeitge- mäss? Wären Sie als Leserinnen und Leser bereit, dafür zu bezahlen?

Bringen auch Sie sich in die Neukonzeption von «moneta» ein. Senden Sie den in der Mitte eingehefteten Fragebogen bis am 31. Dezember 2012 ausgefüllt zurück. Ihre Meinung zählt!

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abs-seite

20 moneta #4 // 21. November 2012

Die Schweiz ist unter Druck: im Namen der Steuer- gerechtigkeit wird die aufhebung des bankgeheim-nisses gefordert. bisher hielt sie dem Druck stand. mehr oder weniger.

Seit den 1990er-Jahren wurden die internationa-len Bemühungen zur engeren Zusammenarbeit in Steuerfragen kontinuierlich ausgebaut. Dies geschah parallel zur Globalisierung der Finanz-märkte. Denn mit der Entstehung des grenzüber-schreitenden und liberalisierten Kapitalverkehrs haben auch die Fälle von Steuerhinterziehung und -vermeidung zugenommen.

Treibende Kraft hinter den Bemühungen um eine engere Zusammenarbeit war und ist die Forderung nach Steuergerechtigkeit. Aufgestellt wird sie von Bürgerinnen und Bürger, die sich korrekt veranlagen lassen und dank der kri-tischen Medienöffentlichkeit wissen, wie reiche Individuen und Unternehmen Steueroasen nut-zen, um genau dies zu vermeiden.

In den letzten Jahren ist daher der Druck be-sonders auf Länder wie die Schweiz, welche an-deren Staaten die nötigen Informationen für die korrekte Besteuerung ihrer Bürgerinnen und Bürger vorenthalten, gewachsen. Verlangt wird der automatische Informationsaustausch. Ein Mechanismus, der den Behörden den Zugang zu jenen Bankinformationen ermöglicht, die sie be-nötigen, um im Ausland angelegte Vermögen im Herkunftsland korrekt zu besteuern. Um den au-

tomatischen Informationsaustausch einzufüh-ren, müsste die Schweiz das Bankgeheimnis auf-geben, mindestens soweit es sich dabei um ein «Steuerhinterziehungsgeheimnis» handelt. Lan-ge hat sie ein solches Verständnis des Bank- geheimnisses geschützt. Seit einigen Jahren bröckelt aber die Festung: Mit dem Zinsbesteue-rungsabkommen mit der EU von 2005 hat die Schweiz erstmals die Möglichkeit geschaffen, dass steuerrelevante Informationen zu Bank- aktivitäten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern in deren Wohnsitzländer geliefert werden können. Die Kundschaft kann aber entscheiden ob die Bank die Zinserträge offen meldet oder eine Steu-er auf den Erträgen erhebt und anonym dem Wohnsitzland übermittelt. Zudem sind nur Zins-erträge von Vermögensanlagen von natürlichen Personen betroffen.

Der historische Kurswechsel von 2009Mit der Übernahme des Artikels 26 des OECD-Musterabkommens im Jahr 2009 verpflichtete sich die Schweiz zum «Informationsaustausch auf Anfrage» mit Staaten, mit denen sie Doppel-besteuerungsabkommen abgeschlossen hat oder abschliessen wird. Damit hat sie eingewilligt, auch in Fällen von Steuerhinterziehung Amtshil-fe zu leisten. Gegenüber den USA gewährt die Schweiz Amtshilfe nicht nur im Einzelfall, son-dern auch für Gruppen von Steuerpflichtigen. Die Einführung all dieser Mechanismen zeigt

Bankgeheimnis oder Steuergerechtigkeit?ABS-Geldgespräche: Die Krankheiten des Finanzsektors

montag, 3. Dezember, 17.45 – 19.15 Uhr,  anschliessend Apéro im Hauptsitz der  Alternativen Bank Schweiz, Amthausquai 21, Olten, 4. Stock.

Die Finanzkrise hat sich wie eine  Pandemie entwickelt. Das System scheint ausser Kontrolle geraten zu sein, weil die Finanzinnovation zu wenig  der Realwirtschaft dient, sondern Systemrisiken erzeugt. Der Bankensektor scheint immer weniger in der Lage, der Realwirtschaft zu dienen. 

Marc Chesney, Professor am Institut für Banking und Finance der Uni Zürich und Vorstand von Finance Watch  Brüssel, stellt in seinem Referat Behan-lungsmöglichkeiten vor.

Das Geldgespräch wird von der ABS gemeinsam mit der Schweizer Studien-stiftung www.studienstiftung.ch ver- anstaltet. Für die Teilnahme ist eine An- meldung über www.abs.ch erwünscht.

Vorankündigung

22. ordentliche Generalversammlung der alternativen bank Schweiz, Freitag, 24. mai 2013, in der Salle Grenette in Fribourg

Die Generalversammlung 2013 findet am Frei tagnachmittag, 24. mai 2013, in der Salle Grenette in Fribourg statt. Die abS lässt den aktionärinnen und aktionären rechtzeitig eine persönliche einladung mit der detaillierten tagesordnung zukommen. Die Doku-mente werden am 30. april 2013 verschickt.

Aktionärinnen und Aktionäre sollen folgende statutarische Fristen  beachten:

–   Kandidatinnen und Kandidaten, welche die Aktionärinnen  und Aktionäre an der Generalversammlung zur Wahl in die  Ämter vorschlagen möchten, müssen dem Verwaltungsrat bis  spätestens am 24. März 2013 (Poststempel) gemeldet werden.  Kandidaturen, die nach dem 24. März 2013 gemeldet werden,  

können nur berücksichtigt werden, wenn sie vom Verwaltungsrat vorgeschlagen werden.

–  Anträge von Aktionärinnen und Aktionären müssen ebenfalls  bis zum 24. März 2013 (Poststempel) schriftlich dem Verwaltungs-rat eingereicht werden. Traktandiert werden ausschliesslich  Angelegenheiten, die gemäss Art. 9 der ABS-Statuten in die Zu-ständigkeit der Generalversammlung fallen.

Ihre Fragen zur Generalversammlung beant worten wir gerne.  Sie erreichen uns mit E-Mail unter [email protected], per Post unter  Alternative Bank Schweiz AG, Postfach, 4601 Olten oder  telefonisch unter 062 206 16 16.

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abs-seite

Zinsänderungen Kassenobligationen und ABS 3 - Vorsorgekonto

–   Die ABS hat per 1. Oktober 2012  die Zinsen bei den Kassenobligatio-nen angepasst: Für Laufzeiten  von 5 bis 6 Jahren beträgt der Zins neu 0,5 Prozent. Zudem werden  nur noch Kassenobli gationen mit Laufzeiten von 5 bis 8 Jahren an-geboten. Für Laufzeiten von 2 bis 4 Jahren empfiehlt die ABS, Förder- Kassenobligationen zu zeichnen.

 –   Auch der Zins für das ABS 3 -Vorsorge-

konto wurde per 1. Oktober 2012 an-gepasst: Er beträgt neu 1 Prozent.

Bis 14. Dezember auf das ABS 3 - Vorsorgekonto einzahlen!

Bis zum Jahreswechsel bleibt Ihnen nur noch wenig Zeit, eine Einzahlung auf  Ihr ABS 3-Vorsorgekonto vorzunehmen. Wir bitten Sie, einen allfälligen Vergü-tungsauftrag bald abzuschicken. Für das Jahr 2012 gelten folgende Maximalbei-träge für die Säule 3a:

–   Unselbstständig Erwerbende, also  Personen, die einer Pensionskasse  angeschlossen sind, können bis zu 6682 Franken einzahlen.

–   Selbstständig Erwerbende bzw.  Personen, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind, können bis  zu 33 408 Franken einbezahlen. Der Betrag darf aber nicht höher sein  als 20 Prozent des Erwerbsein-kommens.

Einzahlungen zum Jahresende

Schriftliche Zahlungsaufträge, die bis Ende 2012 erledigt sein sollen, müssen spätestens am 27. Dezember bei der  ABS eintreffen. Bitte beachten Sie, dass auch die Post über die Feiertage aus- gelastet ist – eine frühzeitige Aufgabe Ihres Zahlungsauftrages erspart  Ärger und Unsicherheiten.

zwar eine gewisse Öffnung der Schweiz. Mehr als eine Aufweichung des Bankgeheimnisses sind sieaber nicht. Ein spontaner oder automatischer Informationsaustausch wird vom Bundesrat im-mer noch bekämpft.

Was bringt die abgeltungssteuer?Auch im Rahmen der neusten Steuerabkommenmit Deutschland, Grossbritannien und Öster-reich wird der automatische Informationsaus-tausch nicht eingeführt. Die Schweiz lenkt aber soweit ein, dass sie im Umgang mit Vermögen der Kundschaft aus den Vertragsländern neben einer anonymen Quellenbesteuerung auch ein offenes Meldeverfahren anbietet.

Die Verträge sehen einerseits die Bewältigung der Vergangenheit vor: Die Schweizer Banken ziehen den Kundinnen und Kunden aus den Ver-tragsstaaten einen Betrag auf bestehende Ver-mögen ab und leiten diesen anonym an deren Wohnsitzland weiter. Für die Kontoinhaberin-nen und -inhaber sind damit alle alten Steuer-forderungen abgegolten, daher der Begriff «Ab-geltungssteuer». Dazu kommen soll eine Abgabe für künftige Kapitalerträge und -gewinne. Auch diese ziehen die Banken direkt ein und überwei-sen sie dem Wohnsitzland der Kundschaft. Als Alternative können die Kontoinhaberinnen und -inhaber sich auch regulär veranlagen lassen: In diesem Fall werden die Angaben zu bestehen-den Vermögen und künftigen Erträgen von den Banken offen dem Wohnsitzland gemeldet. Wer sowohl die freiwillige Meldung als auch die anonyme Quellenbesteuerung ablehnt, muss die Konten und Depots in der Schweiz schliessen.

Die Forderung nach dem automatischen In-formationsaustausch bleibt also auch mit den neuesten Abkommen bestehen. Mit Grossbritan-nien und Österreich sind die Verträge bereits ab-geschlossen. In Deutschland fehlt die Zustim-mung des Bundesrates. Wie er sich entscheiden wird, lässt sich bisher nur schwer abschätzen. Was geschieht, wenn das Abkommen in Deutsch-land nicht ratifiziert wird? Heute lehnt die Schweiz jede Nachverhandlung ab. Die jüngsten Entwicklungen zeigen aber: der Druck für einen sauberen Schweizer Finanzplatz wird so schnell nicht nachlassen.

Die ABS versteckt kein Geld

Die ABS unterstützt alle Bemühungen, damit die in der Schweiz angelegten Vermögen korrekt versteuert werden. Sie begrüsst, dass die Entwicklung der inter-nationalen Standards auf den automatischen Infor-mationsaustausch abzielt. Weder Steuerhinterzie-hung noch Steuerbetrug lassen sich mit dem sozialen und ökologischen ABS-Geschäftsmodell vereinbaren. Wenn die Politik anstelle des automatischen Infor-mationsaustausches die bilaterale Abgeltungssteuer wählt, so schränkt diese zwar die Steuerflucht ein. Für die ABS ist das Konzept dennoch kein gangbarer Weg: Wie bei der Zinsbesteuerung mit der EU wird die ABS allen ihren ausländischen Kundinnen und Kunden aus den Vertragsstaaten nur das freiwillige offene Meldeverfahren anbieten. Wenn sie dafür nicht gewonnen werden können, wird die Geschäfts-beziehung aufgehoben oder nicht eingegangen.

Die Alternative Bank Schweiz hat mit ihrer sozial-ökologischen Ausrichtung eine anerkannte Positionierung als ethisch verlässliche Schweizer Bank. Mit dem revidierten Leitbild und der Strategie entwickeln wir die ABS-Vision weiter. Wir möchten ab 2013 unseren Verwaltungsrat mit Persönlichkeiten verstärken, die diese Vision teilen.

Mitwirkung im Verwaltungsrat Für die Mitwirkung im Verwaltungsrat suchen wir ab Mai 2013 eine bis zwei im Anlagegeschäft oder in den Bereichen strategische Unternehmensführung, finanzielle Unternehmensführung oder Compliance erfahrene Persönlichkeiten, welche die weitere Entwicklung unseres Unternehmens mitgestalten wollen. Es wird Ihr Auftrag sein, über strategische Massnahmen mitzubestimmen, die Oberaufsicht zu wahren und Ihre speziellen Kenntnisse in die Verwaltungsratsarbeit und allen-falls in den Kredit- oder Prüfungsausschuss des Verwaltungsrates unserer Bank einzubringen. Sie gehen generalistisch an Fragestelllungen heran, kommunizieren offen, haben rasch den Überblick und sind klar im strategischen Denken. Sie haben Erfahrung in der Banken- oder Finanzbranche oder bringen Führungserfahrung und Verständnis für die Funktionsweise und Entwicklungs-schritte eines KMU mit. Sie verknüpfen Ethik und Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichem Handeln und verstehen Argumente auch auf Französisch.

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktnahme oder die elektronische Zusendung Ihrer Bewerbung mit Lebenslauf an die Assistenzdienste des Verwaltungsrates ([email protected]). Verwaltungsrats-präsident Eric Nussbaumer beantwortet auch gerne allfällige Fragen ([email protected]). Die zeitliche Beanspruchung liegt bei etwa 12 Arbeitstagen/Jahr. – Bewerbungsfrist: 21. Dezember 2012.

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22 moneta #4 // 21. November 2012

die abs eNgagiert sicH im calaNcatal__braggio liegt auf 1320 meter über meer auf einer terrasse über dem calancatal. erschlossen wird es mit einer automatischen Seilbahn. Die Familie berta hat hier ihr agrotourismus-angebot «azienda raisc» mithilfe der abS um einen mehrzwecksaal erweitern können.

Per Seilbahn ins Kurszentrum

Romano und die Schwägerin Daniela – hel-fen immer mit, wenn es sie braucht. Und das wird noch vermehrt der Fall sein, denn nun geht es darum, den erweiterten Agrotouris-musbetrieb auszulasten.

mehr platz, neue HerausforderungenDas ist eine Herausforderung, die Agnese Ber-ta gerne annimmt. Sie will die Gäste dazu motivieren, auch dann ins Calancatal zu kommen, wenn nicht Wandersaison ist. Und sie verweist auf den «feinen Genuss von sai-sonalen und regionalen Produkten». Dabei ist sie sicher, «dass unsere Leidenschaft an-steckt.» Die Übernachtungszahlen geben ihr recht: Bereits hat Braggio viele Stammgäste, «und die sorgen auch dafür, dass wir noch be-kannter werden», so Agnese Berta.

Mit einem Kursangebot soll die Nebensai-son besser ausgelastet werden – ein Tanzkurs wird schon für Ende Februar 2013 ausge-schrieben. Und zusätzlich soll ein beschei-dener Seminartourismus aufgebaut werden. Die Voraussetzungen sind geschaffen. Die Infrastruktur ist gebaut, und die Website für die Werbung ist dank Unterstützung der Ge-schäftsstelle des Agrotourismus Graubünden aufgeschaltet – integriert im Erscheinungs-bild von Graubünden Tourismus.__//

René Hornung | [email protected] www.braggiotourismus.ch

//__«Jetzt haben wir im Neubau einen hohen Raum, in dem man durchatmen kann», freut sich Agnese Berta. Die Landwirtin und Gast-geberin ist in Wetzikon ZH aufgewachsen, lebt und arbeitet aber seit 1981 im Südbünd-ner Dorf Braggio. «Die alten Häuser hier sind charmant, aber klein und niedrig. Der Neu-bau schafft Raum zum Atmen», sagt sie.

Angefangen hatte Agnese mit einer klei-nen Ziegenzucht. Einige Jahre nach der Hei-rat mit dem einheimischen Seilbahnmit-arbeiter und Landwirt Luciano Berta legte sie ihren kleinen Betrieb mit dem ihrer Schwie-gereltern zusammen. Und aus den ersten Gäs-tebetten, die sie im fast autofreien Dorf seit 1996 angeboten hatte, ist die «Azienda Raisc» geworden, mit inzwischen 22 Betten in vier zum Teil dazugemieteten Häusern. Der Name «Raisc» leitet sich von einem lokalen Flurna-men ab. Raisc heisst im Braggio-Dialekt Wur-zel, auf Italienisch: «radice».

Neubau mit GemeinschaftsraumSeit ein paar Wochen gehört zur «Azienda Raisc» nun auch der Neubau mit dem Ge-meinschaftsraum und einem Seminarraum. Diesen hat die ABS mit einer Hypothek von 225 000 Franken unterstützt. «Die ABS kann-te ich schon lange», so Agnese Berta, die auch langjähriges VCS-Mitglied ist.

Kaum waren die Bauleute weg, fand im Juni ein grosses Fest statt, und im September war ein Chor für eine ganze Probewoche im Dorf. Agnese Berta hatte alle Hände voll zu tun: «Zum ersten Mal haben wir den Leuten Vollpension angeboten, und dank der neuen Infrastruktur hat das auch bestens funktio-niert.» Im Neubau gibt es eine moderne Kü-che und eine Wäscherei. Für Bertas war dieser Start «unvergesslich».

Die Familie kümmert sich aber um weit mehr als um ihre Gäste. Der Bio-Landwirt-schaftsbetrieb mit Kühen, Rindern, Schafen und Schweinen braucht täglich den Einsatz aller. Dazu kommt ein Schaugarten und der Verkauf der hofeigenen Produkte. Ohne den Einsatz der ganzen Familie ginge das nicht. Tochter Aurelia ist nach ihrer Ausbildung im Hotelfach zurück nach Braggio gekommen – sie ist entschlossen, hier zu bleiben und die Eltern zu unterstützen. Weitere Familienmit-glieder – auch der auswärts wohnende Sohn

kreditporträt

unten: agritourismus im calancatal: Die Gäste der «azienda raisc» wohnen dezentral, in verschiedenen Häusern.

Oben: Der Neubau in braggio beherbergt die ver- besserte infrastruktur und einen Gemein-schaftsraum. Dahinter die renovierten Häuser der pension.

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Die nächste moneta erscheint am 13. märz 2013

Das Kleininserat senden Sie bitte bis spätestens 13. Februar 2013  an [email protected] oder per  Post an: HerausgeberInnen-Verein  moneta, c/o Alterna tive Bank Schweiz AG, Postfach, 4601 Olten.  Telefon 062 206 16 16.

Page 24: unglaublich · unglaublich AZB P.P. / Journal CH-4601 Olten Zeitung für Geld und Geist // Nummer 4, 2012 // 21. November 2012 6 UNbekaNNte HaNdelswege Globales Business: Afrika kauft

24 moneta #4 // 21. November 2012

persönlich

Wie würden Sie das Genre der vermischten meldungen beschreiben?Vermischte Meldungen stellen in erster Linie einen Bruch dar. Sie überraschen, und je grös-ser der Bruch ist, desto unglaublicher findet man eine solche Meldung. Sie erzählen Ge-schichten über gewöhnliche Menschen, die jeder auch ohne Vorkenntnisse verstehen kann. Interessant sind sie für uns, weil sie von der Norm abweichen. Der Fall Fritzl in Österreich beispielsweise brach Tabus und verletzte zahlreiche Gesetze: Inzest, ein Kind sterben lassen, jemanden gefangen halten …

Was fasziniert Sie an vermischten meldungen?Vermischte Meldungen sind ein Gradmesser der Werte und Anliegen einer Gesellschaft. Berichte über tragische Ereignisse sorgen um-so mehr für Aufsehen, je mehr sie einem ge-sellschaftlichen Trend folgen. Geschichten, die gewöhnliche Menschen zu einem öffent-lichen Thema machen, liegen im Trend. Es geht um «Extimität» – die öffentliche Ver-

Eine unerschöpfliche Quelle unglaublicher GeschichtenvermiscHte meldUNgeN iN deN zeitUNgeN__in ihrem büro in der universität von Genf ist Soziologieprofes-sorin annik Dubied weg vom lärm der Strasse und vom medienrummel. Das hindert sie jedoch nicht daran, sich in ihren Forschungen mit der regenbogenpresse und den vermischten meldungen zu befassen.

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: zvg

annik Dubied (*1971)ist Professorin am soziologischen Institut der Uni-versität Genf. Im Rahmen eines Nationalfondspro-jekts forscht sie über Klatsch und Tratsch, Sex  and Crime und «Vermischte Meldungen». Sie hat auch ein Buch veröffentlicht: «Les dits et les scènes du fait divers», Verlag Droz, Paris/Genf 2004.

breitung privater Informationen. Vermischte Meldungen sind aber nicht immer düster: In der frankophonen Kultur liest man zuweilen auch Amüsantes oder Ausgefallenes. Das mag in der deutschsprachigen Kultur anders sein. In der englischsprachigen Welt geht es in den «crime news» nur um Meldungen über Ver-brechen. Wie auch immer: Vermischte Mel-dungen stellen die Gesellschaft nicht auf den Kopf. Der Medienwirbel hat nur selten län-gerfristige soziale Konsequenzen.

ist die polanski-affäre ein paradebeispiel dafür?Diese Affäre ist interessant, weil sie eine Mi-schung zwischen vermischter Meldung und Promi-News war – ein weiteres Thema mei-ner Forschung. Regisseur Roman Polanski wurde in der Schweiz wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen verhaftet, doch die Tat lag Jahre zurück und geschah in den USA. Soziologinnen und Soziologen wurden durch den Medienwirbel, den diese Meldung aulös-te, aufgeschreckt. Wir waren drei Forschende – je eine Person in der Schweiz, in Frankreich und in Polen –, die die Berichterstattung zu diesem Fall analysierten.

und warum hat der Fall so viel Staub aufgewirbelt?Weil sich daran eine Diskussion über gesell-schaftliche Fragen entzündete, über die Gren-ze zwischen Moral und Unmoral oder die Verjährbarkeit von sexuellen Straftaten. Ich untersuchte die Meldungen in den Klatsch-spalten und war über die ersten Reaktionen der Promis höchst erstaunt: VIPs, die nicht persönlich mit Polanski befreundet waren, machten das Werk des Regisseurs und seine Zugehörigkeit zur Kunstszene geltend, um Straffreiheit für ihn zu fordern. Die Forderung nach einem Sonderstatus war aber nicht von Dauer. Ganz offensichtlich waren solche Ar-gumente nicht akzeptabel.

ist die Situation je nach land unterschiedlich?In Frankreich sind Massenblätter mit ver-mischten Meldungen gross geworden. Das be-kannteste historische Beispiel ist wohl das

«Petit Journal». Dank der «Affäre Troppmann» konnte diese Zeitung 1869 innert eines Jahres die Auflage von 50 000 auf 500 000 Exem-plare steigern. Troppmann war der Name eines jungen Mannes, der des Mordes an einer Familie angeklagt und zum Tod verurteilt wurde. Die Auflage ging auch nach Abschluss dieser Affäre nicht zurück. Das «Petit Journal» hatte sein Publikum gefunden.

Das waren Zeiten ohne Daten- und persönlich-keitsschutz. Heute haben wir hier strengere Vorschriften?Bei den vermischten Meldungen oder den Promi-News besteht immer ein Spannungs-feld zwischen der Meinungsfreiheit, die in den angelsächsischen Ländern dominiert, und dem Schutz der Privatsphäre, die in Frank-reich Priorität hat. Allerdings gibt es unter-dessen eine Angleichung. Einige Prominente verlangen übernationale restriktivere Rege-lungen. Sie wollen das Recht am eigenen Bild und die Privatsphäre international schützen.

Das Gebiet der mediensoziologie ist sehr breit. Weshalb interessieren Sie sich ausgerechnet für die vermischten meldungen?Mich faszinierte die Tatsache, dass sich viele literarische und paraliterarische Werke wie etwa Krimis auf eine vermischte Meldung ab-stützen. Dies gilt etwa für «Rot und Schwarz» von Stendhal, «Die Zofen» von Jean Genet, die Romane von Truman Capote und Edgar Allan Poe und viele mehr. Ich fand es para-dox, dass sich die Literatur just an dem journalistischen Genre inspiriert, das den schlechtesten Ruf hat. Zudem war ich für Re-cherchen in Belgien, als der Fall Dutroux ak-tuell war. Als das ganze Ausmass dieser Affä-re bekannt wurde, wollten Gesellschaft und Politik das Geschehene verstehen. Die Me-dien befragten deshalb viele Forscherinnen und Forscher, und es flossen Gelder in unse-re Projekte. Weitere Personen beschäftigten sich mit dem Genre. Es gab eine wahre Flut von Kolloquien und Publikationen – und es gibt nach wie vor viel zu entdecken!

Interview: Cathy Savioz | [email protected]