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Universit¨ at Potsdam, Institut f¨ ur Physik und Astronomie Physikalisches Praktikum f¨ ur Fortgeschrittene 27. Mai 2015 M8 – Ladungstransport in halbleitenden Polymeren 1 Einleitung ahrend anorganische Halbleiter aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken sind, ist das Feld der organischen Elektronik noch vergleichsweise jung. So wurde erst 1987 von C.W. Tang die ers- te D¨ unnschicht-Leuchtdiode auf Basis von Kohlenwasserstoff-Verbindungen vorgestellt [1]. Anfang der 1990er Jahre wurde erstmals Elektrolumineszenz von Polymeren demonstriert [2]. Inzwischen hat sich die organische Elektronik als Fachgebiet zwischen Physik, Chemie und Materialwis- senschaften zu einem dynamischen Feld hoch intensiver Forschung und Entwicklung ausgebildet. Interessant sind die halbleitenden Polymere durch die M¨ oglichkeit, die Vorteile von klassischen“ Kunst- stoffen mit den Eigenschaften von Metallen und anorganischen Halbleitermaterialien zu kombinieren. Dies sind insbesondere die große (mechanische und chemische) Flexibilit¨ at der Materialien, die kosteng¨ unstige Herstellung und Verarbeitung und das geringe Gewicht. Gegenw¨ artig ist die Leistungsf¨ ahigkeit der elektrischen und optoelektronischen Bauteile aus Polymeren allerdings den etablierten Produkten meist noch unterlegen. So liegt der aktuelle Rekord von im Labor gebauten organischen Solarzellen bei einem Wirkungsgrad von ca. 11%. Im Gegensatz dazu liegt dieser bei kristallinen GaAs inzwischen bei knapp 30% [3]. Um die Leistungsf¨ ahigkeit im Hinblick auf Anwendungen zu verbessern und zu optimieren ist es essentiell, die physikalischen Prozesse in den Bauteilen zu verstehen. Diese Prozesse unterscheiden sich – trotz ¨ ahnlicher Effekte – oft deutlich von denen in anorganischen (kristallinen) Halbleitern. Es m¨ ussen daher neue Konzepte entwickelt werden, um Ph¨ anomene wie den Ladungstransport in organischen Halbleitern ad¨ aquat zu beschreiben. Dieser wird durch die sogenannte Beweglichkeit bzw. Mobilit¨ at μ der Elektronen und der L¨ ocher im Material beschrieben. Gegenstand dieses Versuches bildet die Time-of-Flight-Methode (ToF) zur Untersuchung des Ladungs- transportes. Mit dieser Technik k¨ onnen Aussagen ¨ uber die Mobilit¨ at und den Einfluss von verschiedenen Parametern, wie der Temperatur und des elektrischen Feldes, auf μ extrahiert werden. Auf der Grundlage eines geeigneten Modells lassen sich Aussagen zur energetischen und r¨ aumlichen Unordnung im unter- suchten Halbleitermaterial treffen. 1 Die erste Fassung dieser Anleitung stammt von Andreas H¨ unermund, das Programm zur Aufnahme der TOF- Transienten wurde von Daniel Pinkal entwickelt.

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Universitat Potsdam, Institut fur Physik und AstronomiePhysikalisches Praktikum fur Fortgeschrittene27. Mai 2015

M8 – Ladungstransport in halbleitenden Polymeren1

Einleitung

Wahrend anorganische Halbleiter aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken sind, ist dasFeld der organischen Elektronik noch vergleichsweise jung. So wurde erst 1987 von C.W. Tang die ers-te Dunnschicht-Leuchtdiode auf Basis von Kohlenwasserstoff-Verbindungen vorgestellt [1]. Anfang der1990er Jahre wurde erstmals Elektrolumineszenz von Polymeren demonstriert [2].

Inzwischen hat sich die organische Elektronik als Fachgebiet zwischen Physik, Chemie und Materialwis-senschaften zu einem dynamischen Feld hoch intensiver Forschung und Entwicklung ausgebildet.

Interessant sind die halbleitenden Polymere durch die Moglichkeit, die Vorteile von”klassischen“ Kunst-

stoffen mit den Eigenschaften von Metallen und anorganischen Halbleitermaterialien zu kombinieren. Diessind insbesondere die große (mechanische und chemische) Flexibilitat der Materialien, die kostengunstigeHerstellung und Verarbeitung und das geringe Gewicht.

Gegenwartig ist die Leistungsfahigkeit der elektrischen und optoelektronischen Bauteile aus Polymerenallerdings den etablierten Produkten meist noch unterlegen. So liegt der aktuelle Rekord von im Laborgebauten organischen Solarzellen bei einem Wirkungsgrad von ca. 11%. Im Gegensatz dazu liegt dieser beikristallinen GaAs inzwischen bei knapp 30% [3]. Um die Leistungsfahigkeit im Hinblick auf Anwendungenzu verbessern und zu optimieren ist es essentiell, die physikalischen Prozesse in den Bauteilen zu verstehen.

Diese Prozesse unterscheiden sich – trotz ahnlicher Effekte – oft deutlich von denen in anorganischen(kristallinen) Halbleitern. Es mussen daher neue Konzepte entwickelt werden, um Phanomene wie denLadungstransport in organischen Halbleitern adaquat zu beschreiben. Dieser wird durch die sogenannteBeweglichkeit bzw. Mobilitat µ der Elektronen und der Locher im Material beschrieben.

Gegenstand dieses Versuches bildet die Time-of-Flight-Methode (ToF) zur Untersuchung des Ladungs-transportes. Mit dieser Technik konnen Aussagen uber die Mobilitat und den Einfluss von verschiedenenParametern, wie der Temperatur und des elektrischen Feldes, auf µ extrahiert werden. Auf der Grundlageeines geeigneten Modells lassen sich Aussagen zur energetischen und raumlichen Unordnung im unter-suchten Halbleitermaterial treffen.

1Die erste Fassung dieser Anleitung stammt von Andreas Hunermund, das Programm zur Aufnahme der TOF-Transienten wurde von Daniel Pinkal entwickelt.

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1 Aufgaben

Sie erhalten mindestens zwei verschiedenartige Proben, deren Ladungstransporteigenschaften Sie unter-suchen sollen. Die genaue Zusammensetzung der Proben und weitere

”technische Daten“ erfahren Sie am

Versuchsplatz.

• Bestimmen Sie eine geeignete Anregungswellenlange fur die TOF-Experimente und berechnen Siedie Eindringtiefe des Lichtes bei dieser Wellenlange.

• Machen Sie sich anhand einer ersten Probe mit dem Versuchsaufbau vertraut. Klaren Sie denEinfluss der verschiedenen Messparameter und Gerateeinstellungen auf die Stromtransienten.

• Ermitteln Sie die Raumtemperatur-Mobilitat beider Ladungstragersorten in Ihren Proben.

• Nehmen Sie fur eine geeignete Probe und Ladungstragersorte alle Daten auf, die zur Anwendungdes Bassler-Modells notwendig sind. Werten Sie Ihre Daten entsprechend aus und bestimmen siedie Modellparameter.

• Diskutieren Sie ihre Ergebnisse und die Methode qualitativ.

Inhaltsverzeichnis

1 Aufgaben 2

2 Grundlagen 22.1 Konjugierte Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Ladungstransport in konjugierten Polymeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.3 Bedeutung der Mobilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.4 Das Bassler-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.5 Experimentelle Bestimmung der Mobilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.6 Time-of-Flight-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3 Experimentelles Setup 123.1 Probenaufbau und verwendete Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.2 Experimenteller Aufbau und Hinweise zum Experimentieren und Auswerten . . . . . . . . 12

4 Hinweise zu den Aufgaben 154.1 Optische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154.2 Untersuchung der Proben mittels TOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Literatur 18

2 Grundlagen

2.1 Konjugierte Polymere

Damit ein Material elektrische Leitfahigkeit zeigt, bedarf es beweglicher Ladungstrager. Diese sind inPolymeren aufgrund der stark kovalent gepragten Bindungen in der Regel nicht vorhanden. Daher sinddie meisten Kunststoffe elektrische Isolatoren.

Eine Ausnahme bilden die sogenannten konjugierten Polymere, die sich durch alternierende Doppel- undEinfachbindungen auszeichnen. Abbildung 2.1 zeigt einige Stoffe, die derzeit fur technische Anwendungengenutzt bzw. erforscht werden.

Quantenmechanische Rechnungen bezuglich der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen in π-kon-jugierten Systemen zeigen, dass das Bild der lokalisierten Doppel- und Einfachbindungen falsch ist. Dieπ-Orbitale der Doppelbindungen uberlappen, so dass die entsprechenden Elektronen entlang der gesamten

2

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2 GRUNDLAGEN 3

Abbildung 2.1: Ubersicht uber einige wichtige konjugierte Polymere. Sehr haufig basieren dieMonomere auf aromatischen und heteroaromatischen Grundbausteinen, wie Benzolderivaten oderThiophenen.(1) Poly[2-methoxy-5-(2’-ethyl-hexyloxy)-1,4-phenylen-vinylen]; (2) Poly(9,9-dialkylfluoren); (3)Poly(3-alkylthiophen); (4) “ladder-type“ poly(para-phenylen): R=H LPPP, R=CH3: Me-LPPP;(Abbildungen aus [4]) (5) Poly(9,9-dioctylfluoren-co-benzothiadiazol)(Abb. aus [5]).

Kette delokalisieren konnen. Entsprechend der Heisenbergschen Unscharferelation kann damit im zeitli-chen Mittel die kinetische Energie gesenkt werden. Wenn der Abstand zweier benachbarter Polymerkettenklein genug ist und deren jeweilige konjugierte π-Systeme uberlappen, konnen die Elektronen in einemelektrischen Feld makroskopische Distanzen zurucklegen und so durch das Material transportiert werden[6].

Um die Energie der Zustande in einem System zu ermitteln, ist die Schrodingergleichung fur das Systemzu losen. Selbst fur das einfachste denkbare Molekul, das Wasserstoffmolekulion H+

2 , kann diese jedochohne Naherungen nicht analytisch gelost werden. Fur großere Molekule mit vielen Kernen und Elektronenist dies dementsprechend noch weniger moglich. Aufgrund dieser Tatsache wurden im Laufe der Zeit eineReihe von Ansatzen eingefuhrt, die das Losen der Schrodingergleichung ermoglichen sollen. Eine sehrerfolgreiche und intuitiv leicht zugangliche Methode ist die der Linearkombination von Atomorbitalen2.

Die Idee dieses Ansatzes besteht darin, (Atom-)orbitale der beteiligten Bindungspartner linear zu kom-binieren. Kombiniert man beispielsweise die p-Orbitale zweier Kohlenstoffatome, so gibt es dabei zweiMoglichkeiten: in Phase oder in Gegenphase. Aufgrund des großeren konstruktiven Uberlapps der inPhase angeordneten Orbitale liegt dieser Zustand energetisch gunstiger und ist damit bindend. Der ge-genphasige Zustand hingegen erhoht die Gesamtenergie des Systems und ist damit antibindend (sieheAbbildung 2.2(a)).

Bei einem Molekul aus n Atomen sind mindestens n Atomorbitale3 linear zu kombinieren. Man erhalteine entsprechende Anzahl an Molekulorbitalen, welche nach den Prinzipien von Pauli und Hund be-setzt werden. Dieses Vorgehen wird sehr schnell sehr rechenaufwandig, weshalb insbesondere fur dasqualitative Verstandnis Naherungen angebracht sind. In Abbildung 2.2(b) sind als Beispiel die in derHuckel-Naherung berechneten Molekulorbitale von 1,3-Butadien gezeigt. In dieser Naherung werden nurdie nicht hybridisierten pz-Atomorbitale der Kohlenstoffatome berucksichtigt. Bei einem Polymer, dasaus einigen tausend Atomen besteht, erhalt man eine entsprechend große Zahl an Zustanden im Molekul.Diese liegen dann so dicht aneinander, dass man sie zu einem

”Band“ zusammenfassen kann (siehe Ab-

bildung 2.2(c)). Dieses Band entspricht allerdings nicht exakt den Bandern in anorganischen Halbleitern(siehe auch Abschnitt 2.2).

Im Bild der vollstandigen Elektronen-Delokalisierung wurde das delokalisierte Molekulorbital in Abbil-dung 2.2(c) mit einem Elektron pro Wiederholungseinheit halb besetzt sein. In Analogie zum Bandermo-

2engl.: linear combination of atomic orbitals (LCAO)3Abgesehen von Wasserstoff und Helium bringt jedes Atom mehr als ein Elektronenorbital in das Molekul ein.

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2 GRUNDLAGEN 4

C (sp )2 ethene butadiene hexatriene poly-ene

E

ζ*n

(c)

Abbildung 2.2: (a) LCAO von zwei p-Orbitalen (”Ethen“). Die Linearkombination ergibt ein

bindendes und ein antibindendes Orbital. Werden diese mit Elektronen nach dem Pauli-Prinzipaufgefullt, ist der neue Zustand insgesamt energetisch gunstiger. (b) Huckel-Molekulorbitale von1,3-Butadien. Durch die Linearkombination der 4 beteiligten Atomorbitale entstehen 4 Mole-kulorbitale (Abbildungen aus [7]). (c) Energieniveaus in einer eindimensionalen Kette von N[CH]-Einheiten. Der Abstand zwischen besetzten und unbesetzen Zustanden wird mit steigenderAnzahl der C-Atome immer kleiner, bis die Zustande im Polymer quasi kontinuierlich liegen undzu einem Band zusammen gefasst werden konnen.

dell wurde dies ein halb besetztes Band bedeuten. Demnach wurde sich die Kette wie ein ein-dimensionalesMetall verhalten, welches jedoch nach dem Peierls-Theorem [8] nicht existieren kann. Eine Strukturan-derung in der Kette, bedingt durch die Elektron-Phonon-Kopplung, fuhrt zu einer Dimerisierung derπ-Orbitale. Dadurch verdoppelt sich die Lange der Wiederholeinheit.4 Dabei entsteht ein voll besetztesπ-Band und ein komplett leeres π∗-Band im Molekul. Da die Bandlucke Egap = E(π∗) − E(π) in derRegel nur einige eV betragt, kann man diese Stoffe als Halbleiter einordnen.[9]

Abbildung 2.3: Peierls-Ubergang. Ubergang von vollstandig delokalisierten zum dimerisierenSystem. Dies fuhrt zu einem vollstandig besetzten π-Band und einem komplett leeren π*-Band(Abbildung aus [9]).

Uberschussladungstrager und damit einen elektrischen Stromfluss bei angelegtem Feld kann man nundurch Injektion von Ladungstragern von außen in das Material oder durch den inneren Fotoeffekt erhalten.Ebenso wie bei anorganischen Halbleitern bewirkt auch die Anwesenheit von ionisierten Fremdatomen5

eine endliche Leitfahigkeit bei Raumtemperatur.

4der sogenannte Peierls-Ubergang, siehe auch Abbildung 2.3.5Im Fall einer gezielten Zugabe solcher Fremdatome spricht man von

”Dotierung“.

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2 GRUNDLAGEN 5

2.2 Ladungstransport in konjugierten Polymeren

Wie eingangs erwahnt, sind viele Modelle aus dem Bereich der kristallinen Festkorper fur polymereSysteme nicht mehr oder nur sehr eingeschrankt anwendbar.

In Kristallen, also Systemen mit hoher Nah- und Fernordnung, konnen die Elektronen mathematischals delokalisierte Blochwellenpakete beschrieben werden. Das periodische Potential der ionisierten Gitter-atome fuhrt zur Ausbildung von Bandern, die durch verbotene Zustande (die Bandlucken) voneinandergetrennt sind. Bewegliche Ladungstrager konnen sich in diesen Bandern mit einer im Vergleich zur Gitter-konstanten hohen mittleren freien Weglange bewegen. Der elektrische Widerstand des Kristalls entstehtdurch Defekte im Gitter oder Wechselwirkungen mit Gitterschwingungen (Phononen) [10].

Dieses Konzept, welches auf einer periodischen, regelmaßigen Anordnung von identischen Grundbaustei-nen im Raum beruht, ist fur Polymere nicht gultig.

Ein Polymer ist ein Makromolekul, welches aus der periodischen Wiederholung einer oder mehrererGrundbaueinheiten, dem/den Monomer(en) besteht. Im Gegensatz zum Kristall, wo die Grundbausteineperiodisch und regelmaßig im Raum angeordnet sind, bewirkt die Entropie, dass sich das Molekul zu-sammen knault. Durch die nun nicht mehr vorhandene periodische Anordnung der Monomere im Raumverliert man die hohe Fernordnung im System. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von amorphenFestkorpern.

Der Unterschied zwischen amorph und kristallin wird durch den Vergleich von Beugungsbildern ver-deutlicht. Abbildung 2.4 zeigt (idealisierte) Beugungsbilder (a) eines kristallinen und (b) eines amorphenFestkorpers. In dieser Darstellung ist die radiale Verteilungsfunktion ρ(r) aufgetragen. Diese gibt die mitt-lere Zahl der Atome pro Langeneinheit im Abstand r von einem festen Ursprung an. In einem perfekten

Abbildung 2.4: Beugungsbild eines (a)kristallinen und (b)amorphen Festkorpers. a ist die Git-terkonstante im Kristall (Abbildung aus [11]).

Einkristall sieht man im Diagramm unendlich hohe, unendlich scharfe, diskrete Peaks in bestimmtenAbstanden vom gewahlten Ursprung. Diese kommen daher, dass man um jeden Punkt im Gitter ande-re Atome nur in bestimmten Abstanden findet und sich diese regelmaßige Anordnung auch bei großenAbstanden vom Ursprung nicht andert. Im amorphen Festkorper hingegen erkennt man eine ahnlicheStruktur nur bei sehr kleinen Abstanden vom Ursprung. Bei großeren Entfernungen sind uberhaupt keinediskreten Peaks mehr erkennbar. In diesem System ist noch eine gewisse Nahordnung vorhanden, jedochexistiert keinerlei Fernordnung mehr.

Die Knaulung des Polymers und die damit verbundene unperiodische Anordnung der Monomere bewirktnun aber auch Unterbrechungen im konjugierten π-System. Ursache fur diese Bruchstellen konnen auchDefekte oder Verunreinigungen im Material sein. Diese stammen z.B. aus der Synthese des Materials oderaus der Praparation der Proben. Man erhalt also nicht ein π-System entlang der Kette, sondern eine Viel-zahl konjugierter Untereinheiten (engl.: sites), die sogenannten Chromophore (siehe Abbildung 2.5). DieLange der Chromophore ist dabei statistisch verteilt. Oft wird hierbei eine gaußformige Langenverteilungangenommen.

Die energetische Struktur der konjugierten Untereinheiten kann man mit dem quantenmechanischen”Teil-

chen im Kasten“-Modell beschreiben. Die Lange des Kastens entspricht hierbei gerade der Lange des

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Abbildung 2.5: Darstellung eines konjugierten Polymers. Aufgrund von Defekten wird die Delo-kalisierung der π-Elektronen unterbrochen und die Konjugation zerfallt in einzelne Chromophor-Einheiten (Abbildung aus [12]).

Chromophors. Durch die bekannte Beziehung zwischen Energie und Lange

En ∝n2

L2

bewirkt die raumliche Unordnung demnach auch eine Verteilung der energetischen Zustande.

Der Transport von (Uberschuss-) Ladungstragern findet also nicht mehr in den Bandern statt, sondernwird maßgeblich durch die Verteilung und Lage der lokalisierten Zustande beeinflusst [13]. Abbildung 2.6zeigt einen moglichen Weg eines Ladungstragers uber diese lokalisierten Zustande.6 Aus der Darstellungwird deutlich, dass bei der Bewegung des Ladungstragers sowohl die energetische, als auch die raumlicheUnordnung in Betracht gezogen werden muss.

Abbildung 2.6: Schematische Darstellung eines moglichen Weges eines (Uberschuss-) Ladungs-tragers in einem elektrischen Feld uber lokalisierte Zustande verteilt in (a) Raum, (b) Energieund (c) Raum und Energie (Abbildung aus [13])

Ein Ladungstrager, der sich durch das Material bewegt, muss zwischen den lokalisierten Zustanden”hup-

fen“, um voran zu kommen. Dieser Prozess wird auch als hopping transport bezeichnet. Begunstigt wirddas Hupfen durch die thermische Energie und Wechselwirkungen mit Phononen. Dies hat zur Folge, dassdie Mobilitat mit steigender Temperatur zunimmt. Im Gegensatz dazu nimmt die Beweglichkeit beimBandtransport in geordneten Systemen bei ausreichend hohen Temperaturen ab7.

Die Grenze zwischen Band- und Hupftransport ist jedoch nicht scharf definierbar. Im Allgemeinen uber-wiegt der Hopping-Charakter, wenn die mittlere freie Weglange auf die Großenordnung einer Wiederhol-einheit schrumpft.

2.3 Bedeutung der Mobilitat

Die Beweglichkeit der Ladungstrager ist von entscheidender Bedeutung fur die Leistungsfahigkeit einesBauteils. Dabei ist der Transport der Ladungstrager im Material bei großerer Ladungstragermobilitateffektiver.

6An dieser Stelle soll auf die Doppelbedeutung des deutschen Begriffs”Zustand“ hingewiesen werden. Im Englischen wird

zwischen states als Losungen des Schrodingergleichung sowie sites als den Positionen, zwischen denen sich Ladungstragerbewegen, unterschieden. Im Deutschen ist fur beides der Begriff

”Zustand“ ublich. Wenn im Folgenden von energetisch oder

raumlich verteilten Zustanden die Rede ist, sind damit die englischen sites gemeint.7hier behindert die Elektron-Phonon-Wechselwirkung den Transport

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2 GRUNDLAGEN 7

Mathematisch wird die Mobilitat µ durch das Verhaltnis zwischen der mittleren Driftgeschwindigkeit vDder Ladungstrager und dem elektrischen Feld F definiert,

vD = µF. (2.1)

Mit steigender Mobilitat wachst also die mittlere Driftgeschwindigkeit der Ladungstrager. Damit erhohtsich beispielsweise die Schaltgeschwindigkeit von Feldeffekttransistoren oder es konnen fotogenerierteLadungstrager in Solarzellen schneller abtransportiert werden.

Weiterhin bildet das Produkt aus Mobilitat, Ladungstragerdichte und Ladung die spezifische elektrischeLeitfahigkeit σj = qnµ. Die Leitfahigkeit ist der Proportionalitatsfaktor im

”geometriefreien“ Ohmschen

Gesetz j = σjF mit der Stromdichte j. Eine hohere Mobilitat bewirkt also, bei festgehaltenen anderenGroßen, eine Verbesserung der Leitfahigkeit und damit verbundene geringere elektrische Verluste imBauteil.

Die Effektivitat des Ladungstransports, und damit die Große von µ, hangt von vielen Parametern ab. EineRolle spielen dabei die energetische und raumliche Unordnung, die Temperatur, das elektrische Feld, dieeffektive Masse der Ladungstrager, die Ladungstragerdichte, die Anwesenheit von Fallenzustanden etc.

Als Fallen(zustande) gelten (energetische) Zustande im Material, beispielsweise von Verunreinigungenaus der Materialsynthese oder der Probenpraparation, die den Ladungsfluss behindern. Die Dichte derFallenzustande ist dabei deutlich kleiner als die der

”normalen“ Leitungszustande. Fur ein Elektron ware

eine Falle ein einzelner Zustand, der energetisch tiefer als das eigentliche Transportniveau liegt. Dieserwurde von einem freien Elektron besetzt werden, damit dieses seine Energie minimieren kann. In diesemZustand ist es dann aber sozusagen gefangen, weil Energie aufgewendet werden muss, damit wieder daseigentliche Transportlevel erreicht werden kann. Gleichzeitig ist der nachstliegende Fallenzustand raumlichzu weit entfernt fur einen direkten Ubergang. Je nach Tiefe der Falle und Große der thermischen Energieergibt sich somit eine gewisse Verweilzeit fur das Elektron in diesem Zustand (siehe Abbildung 2.7).

E

DOS

Leitungs-zustände

-

1

2

4

Fallen-zustände

3a 3bx

Abbildung 2.7: Mogliche Bewegung(en) eines Elektrons durch das Material bei Anwesenheitvon Fallenzustanden. Transport uber lokalisierte Leitungszustande (1). Einfangen des Elektronsdurch energetisch gunstigeren Fallenzustand (2). Falls Fallendichte hoch(und damit der Abstandder Fallen klein), kann Transport zwischen Fallen stattfinden (3a). Ist deren Abstand allerdingsvergleichsweise groß, ist der Ladungstrager im Zustand gefangen (3b). Detrapping aus Fallenzu-standen durch thermische Aktivierung (4).

Aufgrund der zahlreichen Einflusse verschiedenster Parameter ist die Mobilitat insbesondere in ungeord-neten Systemen keine klassische Materialkonstante. Sie gilt vielmehr fur einen Stoff in einem bestimmtensetting.

2.4 Das Bassler-Modell

Ein Modell fur die Beschreibung der Mobilitat in ungeordneten Systemen wurde von Bassler et al. ent-wickelt [14][15][16]. Im Folgenden wird das Grundkonzept des Modells kurz vorgestellt.

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2 GRUNDLAGEN 8

Der Ladungstransport erfolgt uber lokalisierte Zustande. Die energetische Zustandsverteilung (DOS)8 dersites wird dabei durch eine Gaußfunktion

DOS(E) =1√2πσ

exp

{− E

2

2σ2

}approximiert, wobei σ die Breite der Verteilung ist und als Parameter der energetischen Unordnungbezeichnet wird. Oft wird die energetische Verteilung auch diagonale Unordnung genannt.

Weiterhin entscheidend sind die Hupfraten zwischen den lokalisierten Zustanden. Der Transfer von Zu-stand i nach j hangt dabei vom raumlichen Abstand Rij und dem energetischen Abstand Ej − Ei ab,

Wij =

{ν0 exp {−2αRij} exp

{−Ej−Ei

kBT

}Ej > Ei

ν0 exp {−2αRij} Ej < Ei.

Der erste Exponentialterm beschreibt den (raumlichen) Tunnelprozess, der durch den Uberlapp der Wel-lenfunktionen (charakterisiert durch α) ermoglicht wird. Der zweite Exponentialterm berucksichtigt dasthermisch aktivierte

”Aufwarts“- Hupfen zwischen den sites. Der Vorfaktor ν0 beschreibt die

”Sprungfre-

quenz“ der Ladungstrager zwischen den Zustanden.

Ebenso wie die energetische Verteilung wird auch die raumliche Verteilung der Zustande als statistischangenommen und durch eine Gaußverteilung beschrieben. Deren Breite Σ entspricht der raumlichen oderauch nebendiagonalen Unordnung9.

Analytisch kann das Problem nicht gelost werden. Bassler et al. fuhrten deshalb eine Monte-Carlo-Simula-tion durch. Dabei wurde eine Probe durch ein 70× 70× 70-Gitter simuliert, wobei Ladungstrager unterEinfluss eines elektrischen Feldes F durch das Gitter migrierten. An die numerischen Ergebnisse zurAbhangigkeit der Mobilitat von T und F bei hohen Feldern wurde die Funktion

µ = µ0 exp

{−(

2

3

σ

kBT

)2}

exp

{C0

[(σ

kBT

)2

− Σ2

]√F

}(2.2)

angepasst.10 Hierbei ist T die Temperatur, kB die Boltzmannkonstante, F das elektrische Feld, σ dieenergetische Unordnung, Σ die raumliche Unordnung, C0 eine empirische Konstante und µ0 die Mobilitatin einem perfekt geordneten System bei T →∞ und F → 0.

Mit Hilfe der Gleichung 2.2 und einer experimentell bestimmten Temperatur- und Feldabhangigkeit derMobilitat lassen sich die Parameter der raumlichen und energetischen Unordnung bestimmen.[14]

2.5 Experimentelle Bestimmung der Mobilitat

Die Bewegung von delokalisierten Ladungstragern in Bandern fuhrt zu deutlich hoheren Mobilitaten alsdas Hupfen zwischen lokalisierten Zustanden, wie in Abbildung 2.8 dargestellt.

In anorganischen Halbleitern wird die Mobilitat ublicherweise uber Leitfahigkeitsmessungen oder Messun-gen der Hallkonstanten ermittelt [10]. Aufgrund der sehr viel geringeren Mobilitat sind diese Messungenin polymeren Systemen nicht moglich. Hier existiert jedoch eine Vielzahl verschiedener anderer Methoden.

Das Grundprinzip aller dieser Methoden ist es, im Halbleiter Uberschussladungstrager zu generieren undderen Bewegung unter dem Einfluss eines angelegten elektrischen Feldes zu beobachten. Die Generierungder Uberschussladungstrager kann hierbei z.B. durch den inneren Fotoeffekt, durch elektrische Felder oderInjektion von außen in das Material erfolgen.

Im Folgenden wird kurz die Bestimmung der Mobilitat uber organische Feldeffektransistoren (OFET) vor-gestellt, um exemplarisch auf einige Besonderheiten aufmerksam zu machen. Feldeffektransistoren werden

8Akronym fur engl.: density of states9Die Gaußverteilung beinhaltet nicht nur eine reine Abstandsvariation, sondern beschreibt vielmehr den Beitrag einer

site zur Variation des Uberlapps zweier Zustande, die auch durch unterschiedliche raumliche Orientierung der sites zustandekommen kann. Es wird also das – dimensionslose – Produkt αRij als gaußverteilt angenommen.

10Ziel war dabei, das experimentell gefundene”Poole-Frenkel-artige“ Verhalten µ(F ) ∝ exp

{−β√F}

sowie die expe-

rimentell beobachtete Temperaturabhangigkeit zu erklaren. Außerdem sollten die Simulationsparameter σ und Σ sinnvollzuruckgewonnen werden.

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2 GRUNDLAGEN 9

Mobilität in cm²/Vs1E-6 1E-4 1E-2 1 1E2 1E4 1E6

OLEDs(h)

OFETs(h)

GaAs(e)Ge (e,h)

CarbonNanotubesPolykristallines

Si (e,h)

amorphes Si (e,h)

Abbildung 2.8: Ubersicht uber die Mobilitat verschiedener Stoffe/Systeme. Das (e) steht hierfur Elektronen und (h) fur Locher (eigene Darstellung nach [17])

als Schalter in elektrischen Schaltkreisen eingesetzt. Sie bilden das Grundlage aller heutigen Informati-onsverarbeitung, da sie schnell schalten, dabei wenig Leistung verbrauchen und mit kleinen Abmessungenhergestellt werden konnen. Abbildung 2.9 zeigt die prinzipielle Struktur eines solchen Bauteils.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

+ + + + + + + + + + + + ++Source Drain

Gate

+ -

+-

ISDIsolator

Halbleiter

Abbildung 2.9: Querschnitt und prinzipielle Funktionsweise eines (O)FET. Zwischen derGate(

”Tor“)-Elektrode und der Halbleiterschicht mit der Source(

”Quelle“) und Drain(

”Senke“)-

Elektrode befindet sich eine Isolatorschicht. Durch eine angelegte Gate-Spannung kann der Strom-fluss zwischen Source und Drain gesteuert werden.

Bei einem FET wird mit einer angelegten Spannung am Gate der Stromfluss zwischen Source und Draingesteuert bzw. geschaltet. Wird am Gate beispielsweise eine negative Spannung11 angelegt, werden sichpositive Ladungstrager an der Halbleiter/Isolator-Grenzschicht ansammeln. Damit bildet sich ein dunner,leitfahiger Kanal zwischen Quelle und Senke aus. Durch eine moderate Spannung (0>VDrain>VGate) amDrain konnen Ladungen durch diesen Kanal transportiert werden, und es fließt ein Strom. Es lasst sichalso uber Variation der Gate-Spannung ein Stromfluss an- und wieder ausschalten12. Aus einer experi-mentell aufgenommenen Drainstrom-Drainspannung-Charakteristik lasst sich die Mobilitat ermitteln[18].Die erhaltenden Werte fur µ sind dabei haufig einige Großenordnungen hoher als in anderen Messungen(siehe auch Abbildung 2.8). Ursache fur diese Unterschiede ist die sehr hohe Ladungstragerdichte n imleitfahigen

”Kanal“ der FET. In elektrischen Bauteilen wie OLEDs oder organischen Solarzellen ist diese

allerdings deutlich geringer. Deshalb sind fur die Beschreibung des Ladungstransportes in solchen devi-ces Methoden geeigneter, in denen eine ahnlich niedrige Ladungstragerdichte vorliegt. Dies gilt z.B. furTime-of-Flight-Messungen, welche den Kern der experimentellen Arbeit in diesem Versuch darstellen.

2.6 Time-of-Flight-Methode

Der Aufbau der TOF-Proben entspricht dem eines Kondensators mit dem Polymer als Dielektrikum13

zwischen den Elektroden. Von diesen muss mindestens eine semi-transparent sein, damit Photonen in dasMaterial eindringen konnen.

Bei der TOF-Methode werden Elektron-Loch-Paare fotogeneriert. Die Anregung erfolgt dabei durch einenLaserpuls. Die Schichtdicke d des Polymers sollte dabei deutlich großer sein als die idealerweise infinitesi-mal dunne Schicht dz der fotogenerierten Ladungstrager[17]. Die Wellenlange des verwendeten Laserlichtssollte demnach so gewahlt werden, dass das zu untersuchende Material bei dieser Wellenlange einen hohenAbsorptionskoeffizienten besitzt14. Eine hohe Absorption hat nach Lambert-Beer eine geringe Eindring-

11Traditionell wird bei Feldeffekttransistoren die Source-Elektrode als Bezugspotential verwendet.12Dieser fur organische FET typische Operationsmodus heißt

”Akkumulationsregime“.

13Da organische Halbleiter ublicherweise nicht dotiert sind, weisen sie auf Grund der hohen Bandlucke nur eine sehrgeringe intrinsische Ladungstragerdichte auf – sie sind also fast Isolatoren.

14Dementsprechend muss die Anregungsenergie großer als die Bandluckenenergie EG sein.

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2 GRUNDLAGEN 10

tiefe zur Folge. Entsprechend werden die generierten Elektronen und Locher nur in einer sehr dunnenSchicht nahe der Oberflache erzeugt.

Abbildung 2.10: Schematischer Aufbau eines TOF-Experiments. Der einfallende zeitlich δ-formige Lichtimpuls erzeugt nahe der semi-transparenten Elektrode einen Film von Ladungstra-gern der Dicke dz. Je nach Polung der angelegten Gleichspannung driften Elektronen oder Locherdurch das Material (Abbildung aus [19]).

An die beiden Elektroden wird eine Gleichspannung angelegt. Dies hat zur Folge, dass eine Ladungs-tragersorte direkt in die halbtransparente Elektrode extrahiert wird, wohingegen die entgegengesetztgeladenen Ladungstrager als dunner Film durch das Material zur Gegenelektrode driften und diese nacheiner bestimmten Zeit τ , der so genannten Transitzeit, erreichen. Durch einfaches Umpolen der anliegen-den Spannung lasst sich jeweils die Drift der Locher oder der Elektronen beobachten. Das elektrische Feldin der Probe wird dabei als homogen angenommen. Daher ist es wichtig, dass die Ladung in der dunnenSchicht q viel kleiner ist als die Ladung Q auf den Elektroden (den

”Kondensatorplatten“).

Die Injektion weiterer Ladungstrager durch die Elektroden muss vermieden werden. Daher muss zwischenden Austrittsarbeiten der Kontakte und den Transportniveaus des Halbleiters eine ausreichend hohe Ener-giebarriere bestehen. Abbildung 2.11 zeigt, was dies fur die Lage der Fermienergie bzw. die Austrittsarbeitder Elektrodenmaterialien bedeutet. Das hochste besetzte Molekulorbital (HOMO15) kann mit dem Va-lenzband in kristallinen Halbleitern verglichen werden. Da man bei TOF-Experimenten nur den Transportder fotogenerierten Ladungstrager untersuchen will, durfen keine Locher in das HOMO injiziert werden,demzufolge muss die Fermienergie der Elektroden energetisch ausreichend hoher liegen als das HOMO.Der umgekehrte Fall gilt fur Elektronen und das LUMO16. Fur eine Untersuchung beider Ladungstra-gertypen in der gleichen Probe sollten beide Elektrodenmaterialien eine Austrittsarbeit in der Mitte derBandlucke des zu untersuchenden Materials besitzen.

Messgroße ist der Fotostrom als Funktion der Zeit. Typische TOF-Transienten sind in Abbildung 2.12gezeigt.

Wie man in Abbildung 2.12(a) erkennt, steigt der Fotostrom am Anfang sehr stark an (1), fallt dann aufeinen relativ konstanten Wert ab (2), um dann nach einer gewissen Zeitdauer wieder auf das Niveau desDunkelstroms zu fallen (3). Dieser prinzipielle Verlauf der Kurven kann aus den vorherigen Beschreibungenerklart werden.

Der Peak am Anfang (1) stammt von der Ladungstragersorte, die an der semi-transparenten Elektrodedirekt nach der Erzeugung extrahiert wird. Danach driften die verbleibenden Ladungstrager (der anderenArt) durch das Material, was einen konstanten Verschiebungsstrom von einer Elektrode zur anderenbewirkt. Da sich idealerweise eine konstante Ladungstragerzahl mit konstanter Geschwindigkeit bewegt,ergibt sich ein konstanter Strom, der sogenannte Plateaubereich (2). Erreichen die ersten Ladungen dieGegenelektrode, fallt der Fotostrom kontinuierlich ab, bis alle Ladungstrager extrahiert sind (3). Bei derim Modell angenommenen Drift der unendlich dunnen Schicht von Ladungstragern musste dieser Abfallunendlich schnell sein, da alle Teilchen zur selben Zeit extrahiert werden. Die Transitzeit τ entsprachedann genau diesem Extraktionszeitpunkt. In realen Systemen werden die Ladungstrager jedoch nie allezugleich extrahiert.

15Akronym fur engl.: highest occupied molecular orbital16Akronym fur engl.: lowest unoccupied molecular orbital

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2 GRUNDLAGEN 11

IP EA

E

ΔEe

ΔEh

φ2φ1

Elektrode 1 Polymer Elektrode 2

LUMO

HOMO

Vakuumniveau

Abbildung 2.11: vereinfachtes Energieniveauschema fur TOF-Proben. ϕ1,2 ist die Austritts-arbeit der Metallelektroden, IP das Ionisatonspotential und EA die Elektronenaffinitat des zuuntersuchenden Polymers. Die Fermilevel der Kontakte sollten moglichst mittig in der Bandluckeliegen. Durch die dann ausreichend großen energetischen Abstande von HOMO bzw. LUMO∆Ee,h kann Injektion von Ladungstragern durch die angelegte Spannung verhindert werden. DieBandverbiegung bei Kontakt der Niveaus ist aus Grunden der Einfachheit nicht mit dargestellt.

Abbildung 2.12: (a) nicht-dispersiver Transport und (b) dispersiver Transport, kleines Fensterdoppelt-logarithmische Darstellung. Die Transitzeit τ ist der Schnittpunkt der Fitgeraden vonPlateaubereich(2) und Abfall des Fotostroms(3)

Erste, unvermeidliche Ursache ist die Diffusion der fotogenerierten Ladungstrager. In der idealerweise un-endlich dunnen Ladungstragerschicht ist die Ladungstragerkonzentration entsprechend (unendlich) hoch,wahrend sie außerhalb der Schicht Null sein sollte. Aufgrund dieses Konzentrationsunterschiedes werdendie Ladungstrager also aus der dunnen Schicht herausdiffundieren, das Paket verbreitert sich. In der Fol-ge kommen die Ladungstrager zu leicht unterschiedlichen Zeiten an der Gegenelektrode an und werdenextrahiert, so dass sich eine endliche Extraktionszeit ergibt17.

Zweite Ursache ist die Dispersion der Ladungstrager. Sie wird unter Anderem durch die Natur des Hupf-Transports bedingt. Die Ladungstrager werden beim Hupfen zwischen den sites Zustande bevorzugen,die energetisch gunstiger liegen. Diese befinden sich aber am Rand der Gaußverteilung, wo die Zustands-dichte geringer ist (siehe auch Abbildung 2.7). Somit werden die Ladungstrager im Laufe der Zeit im-mer immobiler[19]. Auch die Anwesenheit von Fallenzustanden im Material bewirkt eine Dispersion derSchicht.

Aufgrund der Dispersion verringert sich die Mobilitat der Ladungstrager. Damit verbreitert sich der ur-sprunglich gedachte dunne Film im Laufe der Zeit (siehe Abbildung 2.13) und die einzelnen Ladungstragererreichen zu verschiedenen Zeiten die Gegenelektrode. Um die Transitzeit τ aus den Transienten zu be-stimmen, werden ublicherweise Tangenten an den Plateaubereich und den Abfall des Stroms gelegt. DieZeitkoordinate des Schnittpunktes der Tangenten wird als Transitzeit verwendet (Abbildung 2.12).

Haufig ist gerade in ungeordneten Systemen der Dispersionsgrad so hoch, dass der Ubergang vom Plateau

17Das gleiche gilt naturlich auch fur die real generierten, endlich breiten Ladungstragerpakete. Zu beachten ist, dass dieserEffekt auch bei Mobilitaten zu beobachten ist, die nicht von der Ladungstragerdichte bzw. der Form der DOS abhangen.

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3 EXPERIMENTELLES SETUP 12

Abbildung 2.13: Verteilung der Ladungstrager als Funktion des Ortes ` zu verschiedenen Zeitent. G(`, t) ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass sich ein Ladungstrager zur Zeit t am Ort ` befindet.Im Laufe der Zeit verbreitert sich die Verteilungsfunktion (Abbildung aus [16]).

in den abfallenden Bereich der Kurven nur noch in der doppelt-logarithmischen Darstellung auszumachenist (siehe Abbildung 2.12(b)). Der Transport in diesen Systemen wird dementsprechend auch als dispersivbezeichnet. Zu beachten ist, dass diese Transitzeit bei einem anderen Wert liegt als die aus der linearenDarstellung bestimmte.

Kennt man nun τ , lasst sich mit den bekannten Großen U und d nach Gleichung 2.1 die Mobilitatbestimmen.

3 Experimentelles Setup

3.1 Probenaufbau und verwendete Materialien

Das Substrat der im Praktikum verwendeten Proben besteht aus Glas. Es dient im Wesentlichen alsmechanischer Trager fur die folgenden Schichten. Auf dem Glassubstrat befinden sich strukturierte semi-transparente ITO18-Elektroden. Es folgt eine Schicht des zu untersuchenden Materials19 Den Abschlussbildet die Deck-Elektrode aus Aluminium20. Die gesamte Praparation findet in einer inerten Stickstof-fatmosphare statt. Um die Proben vor Sauerstoff und Wasser zu schutzen, werden sie mit einen dunnenGlasplattchen verkapselt(siehe Abbildung 3.1). Dadurch wird eine Oxidation der Elektroden und derungesattigten Kohlenwasserstoffverbindungen durch den Luftsauerstoff verhindert.

3.2 Experimenteller Aufbau und Hinweise zum Experimentieren und Aus-werten

Abbildung 3.2 zeigt schematisch den verwendeten Messaufbau.

Bei der verwendeten Laserquelle handelt es sich um einen Stickstofflaser (MNL 305, LaserTechnik Berlin)mit gekoppeltem Farbstofflaser (UDL 200).

18engl. Akronym fur Indium-Zinn-Oxid19Die meisten Polymere losen sich gut in organischen Losungsmitteln wie Chloroform, Toluol und Chlorbenzol. Die Losung

wird auf das Substrat getropft und dieses in Drehbewegungen versetzt. Bei diesem sogenannten Aufschleudern verdampftdas Losungsmittel, so dass eine dunne Polymerschicht auf dem Substrat verbleibt. Die Filme werden anschließend auf einerHeizplatte getrocknet.

20Diese wird im Hochvakuum durch thermisches Verdampfen aufgebracht.

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3 EXPERIMENTELLES SETUP 13

### ###e c a

f d bAbbildung 3.1: Schematischer Probenaufbau. Blaue Flachen stellen die semitransparenten ITO-Elektroden dar, graue Flachen die Aluminiumelektroden. Der Polymerfilm (gelb) ist in der Drauf-sicht weggelassen. Die gepunktete Linie gibt etwa den Bereich der Verkapselung an. In den Sei-tenansichten sind die Schichtdicken stark uberhoht. Es gibt zwei Varianten mit unterschiedlicherITO-Verteilung und entsprechend angepassten Aluminiumelektroden.

Laser Probe

Oszilloskop

Photodiode Verstärker

Spannungsquelle

Abbildung 3.2: schematischer experimenteller Aufbau

Der Stickstofflaser ist ein Superstrahler. Die Emission von Licht erfolgt durch Gasentladung in Folgeeines Hochspannungspulses. Das Besondere am Stickstofflaser ist seine Einfachheit - er kann prinzipiellmit Stickstoff aus der Luft betrieben werden21 und funktioniert ohne kompliziertere (und teure) Bauteilewie z.B. Resonatorspiegel. Die Lichtemission findet bei einer Wellenlange von 337,1 nm, also im UV-A-Bereich, statt. Die Pulse haben eine zeitliche Halbwertsbreite von 3 ns. Die maximale Pulsenergie desLasers betragt 80 µJ. Damit betragt die mittlere Strahlungsleistung bei einer Pulswiederholrate von 50 Hzzwar nur 4 mW, die Spitzenleistung im Puls liegt aber uber 25 kW.

Der im Farbstoffmodul verwendete Farbstoff bestimmt dessen Ausgangswellenlange, die in einem Bereichvon ca. 20-50 nm variiert werden kann. Dazu ist einer der

”Resonatorspiegel“ des Moduls als per Mi-

krometerschraube verstellbares Reflexionsgitter ausgefuhrt. Abbildung 3.3 zeigt den Zusammenhang vonMikrometerschrauben-Einstellung und Ausgangswellenlange. Derzeit wird Coumarin 307 eingesetzt, daseinen durchstimmbaren Wellenlangenbereich von 495-540 nm erlaubt.

Der Laser wird uber einen externen Pulsgenerator (PeakTech 4055) getriggert. Der Pulsgenerator wirdbeim Einschalten immer auf seine Standardeinstellungen gesetzt. Diese mussen vor dem Einschaltendes Lasers angepasst werden. Dazu steht ein kleines Programm (FuncGenControl) zur Verfugung.Der Laser selber wird uber einen schaltbaren Zwischenstecker ein- und ausgeschaltet.

Das Laserlicht wird uber Spiegel auf den zu messenden Pixel gelenkt. Dabei sollte eine moglichst großeAusleuchtung des Pixels angestrebt werden. Fur die Messung wird der Zeitpunkt des Laserpulses als Zeit-nullpunkt definiert. Dazu wird mittels eines Strahlteilers ein Teil des Anregungslichtes auf eine (schnelle)Photodiode gelenkt. Deren Stromsignal dient zum Festlegen des Triggerpunktes22 am Oszilloskop. Im

21Der MNL 305 verwendet eine eingebaute, geschlossene Stickstoffkuvette.22Der Trigger sorgt bei einem periodischen Signal dafur, dass die einzelnen Signalperioden ubereinander gezeichnet werden

(also auf einen Zeitpunkt getriggert werden) und so ein”stehendes“ Bild am Oszilloskop entsteht.

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3 EXPERIMENTELLES SETUP 14

17.0

17.2

17.4

17.6

17.8

18.0

18.2

18.4

4 6 04 8 05 0 05 2 05 4 05 6 05 8 06 0 0 D a t e n p u n k t e

2 3 2 9 . 6 - 1 0 1 . 3 3 x

Wellen

länge

[nm]

S k a l a [ m m ]Abbildung 3.3: Abhangigkeit der Ausgangswellenlange von der Mikrometerschraubenstellungdes UDL 200

Strahlengang befindet sich weiterhin ein reflektiver Graukeil zur Strahlabschwachung.

Als Spannungsquelle dient ein Keithley 2410 SourceMeter, das die Probe mit einer Gleichspannung ver-sorgt. Der zu messende Pixel sowie die Polaritat werden durch Wahl der passenden Anschlusse am Pro-benhalter ausgewahlt. Der Fotostrom kann (und sollte) je nach Probe verstarkt werden, um anschließendam Oszilloskop auswertbar dargestellt werden zu konnen.

Als einstellbarer Verstarker steht ein Femto DHPCA-100 zur Verfugung. Bitte achten Sie auf das overload-Lampchen. Blinkt dieses oder leutet es sogar kontinuierlich, ist die Verstarkung unbedingt zu verkleinern!Generell sollte die Verstarkung so klein wie moglich gewahlt werden, auch weil die Bandbreite des Verstar-kers23 mit zunehmender Verstarkung sinkt. Die Schalter am Verstarker sollten auf folgenden Positionenstehen, um den Verstarker mit dem Messprogramm steuern zu konnen:

• Der Drehschalter auf Remote

• Die Kippschalter auf

– GND (Masse)

– FBW (volle Bandbreite)

– DC (Gleichstrom)

Beachten Sie, dass die Proben mit relativ hohen Gleichspannungen versorgt werden (bis zu 1100V beikleinen Stromen). Rufen sie sich die Sicherheitsbelehrung noch mal in den Kopf.

Die Kurven konnen mittels eines Messprogramms aufgenommen werden. Mit dieser Software konnen sieu.a. die angelegte Spannung, die Verstarkung sowie die Anzahl der Mittelungen fur Hell- und Dunkelmes-sung wahlen. Die horizontale und vertikale Auflosung des Oszilloskops sowie die Lage des Triggerpunktesmussen direkt am Gerat eingestellt werden. Das Oszilloskop ist ein Yokogawa DLM2054.

Die am Computer aufgenommenen Kurven sollten umgehend nach der Messung in ein geeignetes Ta-bellenkalkulationsprogramm (z.B. Origin) geladen und dort analysiert werden. Ist das Ergebnis nichtzufriedenstellend, sollte mit den Parametern wie der Verstarkung des Signals, der angelegten Spannungund der Auflosung am Oszilloskop gearbeitet werden, bis auswertbare Transienten aufgenommen werdenkonnen. Generell sollten die Transienten das Oszilloskopbild moglichst vollstandig ausfullen.

Das Signal/Rausch-Verhaltnis kann mitunter relativ ungunstig sein, so dass das Finden der passendenEinstellungen fur quantitative Aussagen eine Hauptaufgabe sein wird.

Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Kurven immer mit der großtmoglichen Anzahl an Mittelungen(1024) aufgenommen werden, um das Signal/Rausch-Verhaltnis zu verbessern. Bei einer Laserpulsfrequenzvon 50 Hz dauert dementsprechend jede Messung ca. 20 s. Das Finden gunstiger Einstellungen kann esdeshalb gunstig sein, die Messung ohne Computerkontrolle kontinuierlich laufen zu lassen.

23Diese ist fur jeden Verstarkungsfaktor auf dem Gehause aufgedruckt.

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4 HINWEISE ZU DEN AUFGABEN 15

Wenn der Messplatz fur langere Zeit verlassen wird, sollten der Laser sowie die Proben-spannung abgeschaltet werden.

Die (umfangreichen) Messdaten sollten Sie (auch) auf ihrem Netzlaufwerk in der Praktikums-Domaneablegen, damit Sie dem Betreuer zur Verfugung stehen. Die Rohdaten sind in dieser Form Teil desMessprotokolls.

4 Hinweise zu den Aufgaben

In dieser Anleitung stehen mit voller Absicht keine konkreten Angaben zu den zu untersuchenden Materia-lien. Die Materialien sowie weitere

”technische Daten“ finden Sie auf einem Handzettel am Versuchsplatz.

Sie konnen davon ausgehen, dass es sich bei den zu untersuchenden Materialien um konjugierte Poly-mere bzw. Mischungen mit/aus konjugierten Polymeren handeln wird. Sie erhalten mindestens 2 Probenunterschiedlicher Zusammensetzung, deren Eigenschaften zu vergleichen sind.

4.1 Optische Eigenschaften

Bestimmen Sie eine geeignete Anregungswellenlange fur die TOF-Experimente und berech-nen Sie die Eindringtiefe des Lichtes bei dieser Wellenlange.

Die Auswahl einer geeigneten Wellenlange erfolgt anhand eines zu messenden Absorptionsspektrums.Die

”echten“ TOF-Proben haben Schichtdicken uber 1 µm. Bei diesen Schichtdicken ist die Transmission

so gering24, dass keine sinnvolle Absorptionsmessung mehr moglich ist. Aus diesem Grund erhalten Siezusatzliche Proben, bei denen die gleichen Materialien bzw. Mischungen als dunnere Schicht auf einemGlassubstrat vorliegen.

Fur die Schwachung von elektromagnetischer Strahlung beim Durchgang durch Materie gilt das Lambert-Beersche Gesetz

I(x) = I0 exp {−α(λ)x}

mit I0 als einfallender Intensitat, I(x) als Intensitat am Ort x sowie dem Absorptionkoeffizienten α(λ).

Das Absorptionsspektrum wird mit einem Zwei-Strahl-Spektrometer Lambda 2 von Perkin-Elmer aufge-nommen. Im vorderen Strahl steht die zu untersuchende Probe und im hinteren eine Referenz (hier einreines Glassubstrat). Durch die Aufnahme einer sogenannten Baseline sind vor der Messung Unterschiedezwischen den beiden Strahlengangen zu korrigieren. Diese Baseline-Messung wird leider nicht dargestellt,aber fur die anschließenden Messungen automatisch berucksichtigt.

Als Ordinate ist zweckmaßigerweise”A“ wie

”Absorbance“ zu wahlen. Dann wird die (dekadische) Ex-

tinktion25 Eλ ausgegeben. Es gilt: Eλ = log10( I0I ). Dabei ist I0 die im Referenzstrahlengang gemesseneIntensitat und I die Intensitat im Probenstrahlengang. Alternativ kann

”T“ wie

”Transmission“ gewahlt

werden, dann wird der prozentuale Anteil des transmittierten Lichtes T = II0· 100% ausgegeben. Beide

Großen konnen selbstverstandlich ineinander umgerechnet werden.

Eine ausfuhrlichere Bedienungsanleitung liegt am Gerat.

Aus dem aufgenommenen Spektrum lasst sich bei bekannter Schichtdicke die Eindringtiefe der Strahlungbei der jeweiligen Wellenlange bestimmen. Berechnen sie im Protokoll die Eindringtiefe, bei der dieeinfallende Intensitat auf 10% abgefallen ist.

4.2 Untersuchung der Proben mittels TOF

Machen Sie sich anhand einer ersten Probe mit dem Versuchsaufbau vertraut. Klaren Sieden Einfluss der verschiedenen Messparameter und Gerateeinstellungen auf die Stromtran-sienten.

24Das ist ja gerade eine Grundvoraussetzung der TOF-Methode.25manchmal auch als Optische Dichte OD bezeichnet

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4 HINWEISE ZU DEN AUFGABEN 16

Ziel dieser Aufgabe ist es, sich mit dem Messaufbau vertraut zu machen. Variieren Sie die einstellbarenParameter wie Probenspannung, Messbereich und Zeitbasis am Oszilloskop, Anzahl der Mittelungen unddie Vorverstarkung solange, bis sie auswertbare Kurven erhalten und verstanden haben, wie die einzelnenEinstellungen deren Form beeinflussen. Beobachten Sie auch, welchen Einfluss die Lichtintensitat auf dieKurvenform hat.

Sie sollten sich fur diese Aufgabe die notige Zeit nehmen, um den Aufbau zu verstehen, da dieses Ver-standnis unerlasslich dafur ist, die weiteren Aufgaben zu bearbeiten. Dazu kann es hilfreich sein, gezieltArtefakte bzw.

”falsche“ Transienten zu erzeugen. Wenn Sie der Meinung sind, artefaktfreie Messkurven

aufgenommen zu haben, sollten Sie das uberprufen. Moglich sind beispielsweise eine erneute Aufnahmemit kleinerer Verstarkung oder geringerer Lichtintensitat.

Beschaftigen sie sich parallel mit der Auswertung der Kurven. Die in Abbildung 2.12 eingezeichnetenTangenten lassen sich z.B. mit Origin manuell an die Transienten legen. Es steht Ihnen naturlich frei,eine passende automatische Fitroutine zu entwickeln.

Ihr Hauptwerkzeug wird das Oszilloskop sein. Um elektrische Storungen, die v.a. vom Laser stammen,zu minimieren, werden die Daten als Differenz zwischen beleuchteter26 und unbeleuchteter27 Probe auf-genommen. Diese Differenzbildung birgt ihrerseits die Gefahr von Artefakten. Es bietet sich an, dieseArtefakte wahrend der Einarbeitung gezielt zu erzwingen, um ihre Auswirkungen kennenzulernen.

Fur den untersuchbaren Spannungsbereich ergeben sich zwei technische Grenzen: Die niedrigste Span-nung ergibt sich aus der Tatsache, dass auswertbare Transienten v.a. in Bezug auf das Grundrauschenaufgenommen werden mussen. Die obere Grenze ist die Zerstorschwelle der Proben: Der unvermeidbareLeckstrom sollte erstens so klein wie moglich sein und zweitens zeitlich moglichst konstant bleiben. Einsteigender Leckstrom bei konstanter Spannung deutet auf die beginnende Zerstorung der Probe hin. DieGrenzen sind fur jeden Proben- und Ladungstragertyp neu zu bestimmen, auch zwischen den einzelnenPixeln einer Probe kann es dabei Unterschiede geben. Fur Auswertung und Diskussion28 kann es hilfreichsein, die Leckstrome zu notieren.

Diskutieren sie in der Auswertung die Form der Transienten und ziehen sie Schlusse uber die Art desTransports fur die jeweilige Ladungstragerart. Uberprufen sie weiterhin die fur das Modell notwendige Be-dingung, dass die fotogenerierte Ladung q deutlich keliner ist als die Ladung Q = CU auf den Elektroden.Nehmen Sie fur die Dielektrizitatszahl des zu untersuchenden Materials εr ≈ 3 an.

Ermitteln Sie die Raumtemperatur-Mobilitat beider Ladungstragersorten in Ihren Proben.

Sie bekommen mindestens zwei Proben mit unterschiedlicher Zusammensetzung. Die genauen Probenar-ten erfahren Sie am Messplatz. Sie werden hier voraussichtlich stark unterschiedliche Ergebnisse fur dieeinzelnen Proben erhalten. Es ist zu empfehlen, sich vorher zu uberlegen, welche Proben vermutlich dieam besten auszuwertenden Transienten liefern werden, und diese zuerst zu untersuchen. Das macht dieSuche des Plateaus in den Transienten bei den anderen Proben leichter. Diskutieren sie ihre Ideen mitdem Versuchsbetreuer.

Es ist durchaus moglich, dass Sie nicht in jedem Fall auswertbare Transienten aufnehmen konnen. GebenSie jedoch nicht zu schnell auf. Auch wenn sie keine

”brauchbaren“ Transienten bekommen, sollten Sie

diese dokumentieren und ins Protokoll aufnehmen.

Diskutieren Sie die Veranderung der Mobilitaten in Abhangigkeit von der Probenzusammensetzung quali-tativ. Geben Sie außerdem die von Ihnen aus den Transienten extrahierten Transitzeiten und Mobilitatentabellarisch an29. Bieten Sie auch Erklarungsversuche an, wenn Sie einzelne Transienten nicht quantitativauswerten konnen30.

Nehmen Sie fur eine geeignete Probe und Ladungstragersorte alle Daten auf, die zur An-

26Hier sind sowohl Probenstrom als auch Storung enthalten.27In diesem Signal ist nur die Storung sowie der Leckstrom durch die Probe enthalten.28sowie im Interesse einer vollstandigen Messprotokollierung29Alternativ genugt das Ablegen einer entsprechenden Textdatei in ihrem Ordner in der Praktikumsdomane sowie ein

entsprechender Hinweis im Protokoll.30Diese sollten sich nicht auf

”schlechte Probe“ oder

”ungunstige Messparameter“ beschranken.

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4 HINWEISE ZU DEN AUFGABEN 17

wendung des Bassler-Modells notwendig sind. Werten Sie Ihre Daten entsprechend aus undbestimmen sie die Modellparameter.

Diese quantitative Untersuchung ist fur mindestens eine Probe und eine Ladungstragersorte durchzu-fuhren. Entscheiden Sie anhand der vorherigen Messungen, welche Probe sich am Besten eignet unddiskutieren Sie Ihre Auswahl mit dem Betreuer.

Nehmen sie fur mindestens 7 verschiedene Temperaturen Daten fur jeweils etwa 10 verschiedene Span-nungen auf. Der zugangliche Temperaturbereich beginnt bei Raumtemperatur, die obere Grenze ist pro-benspezifisch.

Fur diese Messung verbinden sie den Probenhalter mit dem Heizer OLH06. Mit den entsprechendenKippschaltern konnen sie die Probe heizen oder zur schnelleren Abkuhlung auf Raumtemperatur einenLufter zuschalten. Betreiben sie Heizer und Lufter nicht gleichzeitig. Die Zieltemperatur kann durchDrucken des Sternchen-Knopfes * gefolgt von den Pfeiltasten geandert werden. Wenn kein Knopf gedrucktist, zeigt die obere Zeile die Ist-Temperatur und die untere Zeile die Soll-Temperatur an.

Die am Heizer eingestellte Temperatur stimmt nicht exakt mit der auf dem Substrat uberein. In Abbildung4.1 finden sie einen Vergleich der eingestellten Sollwerte mit der tatsachlich auf der Probe vorherrschendenTemperatur31.

Soll- Ist-TemperaturTemperatur am Pixel

[◦C] [◦C]29 29,050 46,875 65,9

100 86,4125 109,1150 123,5 2 0 4 0 6 0 8 0 1 0 0 1 2 0 1 4 0 1 6 0

2 04 06 08 0

1 0 01 2 01 4 01 6 0

H e i z e r P r o b e n m i t t e P r o b e n r a n d m i n P r o b e n r a n d m a x 4 . 4 4 + 0 . 8 5 2 x

Ist [°C

]

S o l l [ ° C ]Abbildung 4.1: Soll- und Isttemperaturen des Probenheizers sowie Streuung uber die Flacheeiner

”Probe“ (Glassubstrat).

Stellen Sie im Auswerteprotokoll die Mobilitat in Abhangigkeit vom elektrischen Feld bei den von Ihnengemessenen Temperaturen grafisch dar. Auch diese Transitzeiten und/oder Mobilitaten sollten tabellarischbzw. in einer Textdatei angegeben werden.

Die Parameter im Bassler-Modell (2.2) sind die energetische Unordnung σ, die raumliche Unordnung Σ,der Vorfaktor µ0 sowie die Konstante C0. Uberlegen Sie eine fur die Auswertung geeignete Darstellungund Aufbereitung ihrer Daten und der Bassler-Formel. Stellen Sie die Graphen dar, die Sie benotigen,um die gesuchten Parameter zu ermitteln. Beschreiben Sie den Weg, diese zu bestimmen und geben derenGroßen an.

Diskutieren Sie ihre Ergebnisse und die Methode qualitativ.

Diskutieren Sie zum Abschluss des Protokolls Ihre Ergebnisse (und die Methode). Wo liegen Starken undSchwachen, wo sind Abweichungen und Fehler in den ausgewerteten Daten und was sind deren Ursachen?Trennen Sie dabei nach methodischen Ursachen und dem Einfluss Ihrer speziellen Proben.

31Gemessen auf der Oberflache eines Glassubstrates

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LITERATUR 18

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[16] M. Schwoerer and H. C. Wolf. Organische Molekulare Festkorper. WILEY-VCH Verlag GmbH &Co. KGaA, Weinheim, 2005.

[17] S. Tiwari and N. Greenham. Charge mobility measurement techniques in organic semiconductors.Optical and Quantum Electronics, 41:69–81, 2009.

[18] P. Pingel. P-halbleitende teilkristalline und amorphe Schichten fur organische Feldeffekttransistoren.Diplomarbeit, Universitat Potsdam, 2008.

[19] S. Bange. Transient Optical and Electrical Effects in Polymeric Semiconductors. Dissertation,University of Potsdam, 2009.

Zur Vor- und Nachbereitung sowie zum Anfertigen des Protokolls sind die Publikationen von Borsenbergeret al. [14] und Tessler et al. [13] sowie auch das Buch von Schwoerer und Wolf [16] empfehlenswert. DasBuch finden Sie in der Universitatsbibliothek, die Publikationen auf den Seiten des PPF.