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(Spät-)Aussiedler: (Spät-)Aussiedler: Statistische Statistische Grunddaten Grunddaten Universität Trier 2005 Universität Trier 2005

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(Spät-)Aussiedler:(Spät-)Aussiedler:Statistische GrunddatenStatistische Grunddaten

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Jugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer HeimatJugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer Heimat

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Aussiedler Entwicklung nach Herkunftsländern 1950 - 2003

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

350.000

400.000

450.000

1950

1952

1954

1956

1958

1960

1962

1964

1966

1968

1970

1972

1974

1976

1978

1980

1982

1984

1986

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

sonstige Länder

ehem. Jugoslaw ien

Rumänien

Ungarn

ehem. CSFR

Republik Polen

ehem. UdSSR

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Wohnsitznahmen von Aussiedlern im Wohnsitznahmen von Aussiedlern im Regierungsbezirk Trier 1989-2003Regierungsbezirk Trier 1989-2003

2182 21212425

26603065

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

Stadt Trier TrierSaarburg

Bernkastel-Wittlich

Bitburg-Prüm

Daun

Quelle: eigene Erstellung aus Daten des Ministerium des Inneren (2003)

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Vergleich der Altersstruktur zwischen Einheimischen Vergleich der Altersstruktur zwischen Einheimischen und Spätaussiedlern und Spätaussiedlern (im Jahr 2003)(im Jahr 2003)

6%7%

20%

35%

30%

33%

26%

18%18%

7%

Spätaussiedler Einheimische

65 und älter

45 bis 64 Jahre

25 bis 44 Jahre

6 bis 24 Jahre

0 bis 5 Jahre

Quelle: Infodienst Deutscher Aussiedler 2003 und Bundesamt für Statistik 2003

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Forschungsprojekt an der Forschungsprojekt an der Universität Trier: Universität Trier:

Jugendliche Aussiedler – zwischen Jugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer ethnischer Diaspora und neuer

Heimat Heimat (2003-2005)(2003-2005)

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Jugendliche Aussiedler Jugendliche Aussiedler Netzwerk der Hilfen und FörderungNetzwerk der Hilfen und Förderung

Migrationsdienst Migrationsdienst CaritasCaritas

Bildungsträger Bildungsträger (DEKRA / IBIS)

Städtische / staatliche Städtische / staatliche BehördenBehörden (z.B. Amt für

Statistik, Jugendhilfe, „Arbeitskreis Aussiedler Birkenfeld“)

Arbeitsamt / IHK / Arbeitsamt / IHK / HandwerkskammerHandwerkskammer

Schulen / Schulen / BerufsschulenBerufsschulen

Übergangs-wohnheime

Jugendhäuser

ADD

Kirchen

Aussiedler

Staatliche Organe(Polizei, Justiz, JVA)

Vereine

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Ergänzungsstudie in Sohren (Hunsrück)Ergänzungsstudie in Sohren (Hunsrück)

Forschungsbericht:

Iris Eisenbürger / Markus Gamper: Integration durch soziale Kontakte? Jugendliche Begegnungs- und Beteiligungs-formen in Sohren. Trier 2005.

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Neue Heimat Neue Heimat (in %)(in %) Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

71

21

8

JaTeils-teilsNein

„Ist der Ort, wo du jetzt wohnst, bereits zu einer neuen Heimat für dich geworden?“

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Identität der jungen Aussiedler (in %)Identität der jungen Aussiedler (in %) Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

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als Deutscher

als Fremder

als irgend etwasdazwischen

„Was würdest du sagen, fühlst du dich eher ...?“

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Fremdheit – zwei AspekteFremdheit – zwei Aspekte

a) kulturelle Fremdheit…meint die Unvertrautheit zwischen Menschen aufgrund von unterschiedlichem Wissen, divergierenden Erfahrungen und nicht selten extrem gegensätzlichen Weltanschauungen.

b) soziale Fremdheit … zeigt sich in der sozialen Distanz, die die

Anderen zu einem Menschen außerhalb ihrer Bezugsgruppe halten.

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Rang 1: Einheimische(r)Rang 2: Amerikaner(in)Rang 3: Italiener(in)Rang 4: Schwarzafrikaner(in)Rang 5: Aussiedler(in)Rang 6: Türke/in

Rang 1: Aussiedler(in)Rang 2: Einheimische(r)Rang 3: Amerikaner(in)Rang 4: Italiener(in)Rang 5: Türke/inRang 6: Schwarzafrikaner(in)

Deutsche Aussiedler

„Könntest du dir vorstellen, folgende Leute in deiner Clique zu haben?“

Wahl der Clique nach ethnischer HerkunftWahl der Clique nach ethnischer HerkunftBefragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

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Lebenssituation von Aussiedlerjugendlichen: Lebenssituation von Aussiedlerjugendlichen: „Desintegrations-Perspektive“„Desintegrations-Perspektive“

• MentalitätsunterschiedeMentalitätsunterschiede• SprachdefiziteSprachdefizite• BildungsbenachteiligungBildungsbenachteiligung• Eigengruppenbezug („ethische Cliquen“) Eigengruppenbezug („ethische Cliquen“) • räumliche Segregationräumliche Segregation• DelinquenzDelinquenz

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Mentalitätsunterschiede

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Männerbild: Vater als Beschützer der FamilieMännerbild: Vater als Beschützer der Familie

86

48

18

10

85

78

54

40

0 20 40 60 80 100

Ein richtiger Mann ist stark undbeschützt seine Familie

Ein Mann sollte bereit sein, Frau undKinder mit Gewalt zu verteidigen

Man sollte sich mit körperlicher Gewaltgegen jemanden durchzusetzen, der

schlecht über die Familie redet

Männern sollte es erlaubt sein,Schusswaffen zu besitzen, um Familie

und Eigentum zu beschützen

AussiedlerDeutsche

Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

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Sprachdefizite

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Familiensprache jugendlicher AussiedlerFamiliensprache jugendlicher Aussiedler

36

61

52

37

122

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Beide Eltern deutschstämmig Nur ein Elternteil deutschstämmig

DeutschDeutsch und RussischRussischQuelle: Dietz/Roll 1998

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Interviewauszug: SprachdefizitInterviewauszug: Sprachdefizit

„Der [jugendliche Aussiedler] saß immer nur alleine in der letzten Bank. Ein halbes Jahr saß er da und hat kein Wort verstanden. Irgendwann kam er dann nicht mehr.“ (Hauptschullehrer)

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Bildungsbenachteiligung

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Bildung nach Nationalität Bildung nach Nationalität (in %)(in %)Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

11

5052

33

3717

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Einheimische Aussiedler

GymnasiumRealschuleHauptschule

n = 102

Quelle: eigene Erhebung 2004

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PISAPISA15-jährige nach Migrationshintergrund der Familie 15-jährige nach Migrationshintergrund der Familie

und Bildungsgang ohne Sonderschüler (in %)und Bildungsgang ohne Sonderschüler (in %)

0

10

20

30

40

50

60

Beide Eltern inDeutschland

geboren

Ein Elternteil inDeutschland

geboren

Kein Elternteilin Deutschland

geboren

Hauptschule /BerufsschuleRealschule

Gymnasium

IntegrierteGesamtschule

Quelle: Pisa 2000

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Tätigkeit nach Nationalität/HerkunftTätigkeit nach Nationalität/HerkunftStudie: „Jugend im Stadt-Land-Vergleich“Studie: „Jugend im Stadt-Land-Vergleich“

618

14

32

20

67

13

80

50

0

20

40

60

80

100

Einheimische Aussiedler Ausländer

Beruf mitAbschlussBeruf ohneAbschlussarbeitslos

n = 414 (Jugendliche in Erwerbsarbeit, Alter: 14-25 Jahre)

Quelle: Jugendstudie 2001, Vogelgesang

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Eigengruppenbezug(„ethnische Cliquen“)

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Freundeskreis / CliqueFreundeskreis / Clique

„Ich habe nur russische Freunde. Ich glaube, wir verstehen uns untereinander einfach besser. Wir kommen alle aus Russland, sprechen die gleiche Sprache. Mit den Deutschen komme ich nicht so gut klar.“ (Swetlana, 17 Jahre)

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Jugendhäuser und -zentrenJugendhäuser und -zentren

„Wenn wir Disco im Haus haben und die russischen Jugendlichen hier sind, dann kommen die anderen nicht. Oder sie kommen rein, sehen die russischen Jugendlichen und gehen wieder. Wenn wir Konzerte gemacht haben, dann sind die russischen Jugendlichen nicht rein gegangen.“ (Erzieherin)

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Räumliche Segregation

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Räumliche Segregation: Räumliche Segregation: Aussiedler in der NachbarschaftAussiedler in der Nachbarschaft

Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“Befragung Jugendlicher im Teilprojekt „Aussiedlerjugendliche in Sohren“

16

5739

2645

17

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Einheimische Aussiedler

keineAussiedler

einigeAussiedler

viele Aussiedler

n = 102

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Zwei Aspekte des räumlichen Zwei Aspekte des räumlichen Zusammenwohnens („Russenviertel“)Zusammenwohnens („Russenviertel“)

1) Freiwilliger Rückzug in Aussiedlerviertel1) Freiwilliger Rückzug in AussiedlerviertelGründe: z.B. Familienzusammenführung, gegenseitige Hilfe

und Sicherheit „Man muss bedenken, dass für die Aussiedler die Familie und

auch die Großfamilie der Ort ist, wo man Sicherheit bekommt in diesen unsicheren Zeiten.“

(Mitarbeiterin Übergangswohnheim Osthofen)

 

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2) „erzwungenes“ Wohnen in Aussiedlervierteln2) „erzwungenes“ Wohnen in Aussiedlervierteln

Gründe: z.B. durch Gesetze (WoZuG), Verwaltung, finanzielle Lage, Diskriminierung

 „Staatliche Leistungen bekommen sie nur in dem

Bundesland, zu dem sie offiziell zugeteilt worden sind.“ (Mitarbeiter des Übergangswohnheim Osthofen)

 

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Delinquenz

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Sonderauswertung der Polizeistatistik Sonderauswertung der Polizeistatistik (Rheinland-Pfalz)(Rheinland-Pfalz)

Aussiedler bis 30 Jahre stellen 8,7 % aller Tatverdächtigen landesweit

11,7%

10,10%8,7%

5,4%

18,4%

11,7%

9,0%

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

16%

18%

20%

Straftaten in Prozent

Straftaten gegen das Leben

Diebstahl ohne erschwerende Umstände

Diebstahl unter erschwerenden Umständen

Rohheitsdelikte und Straftatengegen die persönliche Freiheit

Strafrechtliche Nebengesetze

Sonstige Straftaten gemäß StGB

Straftaten gegen die sexuelleSelbstbestimmung

Vermögens- undFälschungsdelikte

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Aussiedlern und DrogenAussiedlern und Drogen„Da ist der Unterschied zu den Deutschen. Sie

fangen klein an. Die Russlanddeutschen starten von Null auf Hundert, haben eine gewisse Brutalität und Aggressivität. Vielleicht müssen sie sich zuhause anders durchsetzten, als es bei uns der Fall ist. Im Rauschgiftbereich fangen sie auch nicht erst an, ein Pfeifchen zu rauchen oder sich durch andere Drogen langsam bis zu den harten Drogen hinaufzusteigern, sie fangen auch nicht mit Bier oder Likörchen an, sondern sie greifen sofort zum Wodka“ (Polizist, Aussiedlerexperte)

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Erstes Fazit: Erstes Fazit: Aussiedler und das „eherne Gesetz der Migration“Aussiedler und das „eherne Gesetz der Migration“

• Marginalisierungserfahrungen Rückzug in eigenethnische Gruppen und Räume.

• Marion Gemende (2002) spricht in diesem Zusammenhang von der Neuorientierung vieler Aussiedler in „interkulturellen Zwischenwelten“.

• Man könnte auch sagen: Wenn ihnen in der neuen Heimat etwas Halt bietet, dann ist es die alte. Die Sicherheit gebenden Binnenstrukturen reichen dabei vom Familienverband über Jugendgruppen („Russencliquen“) und Wohnghettos („Russenviertel“) bis zu Nischenökonomien.

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ReligionReligionZwischen Integration und Zwischen Integration und

SegregationSegregation

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Konfession der 2004 zugewanderten Konfession der 2004 zugewanderten Aussiedler Aussiedler (in Prozent)(in Prozent)

46

17

19

4

14

evangelischrömisch-katholischr/g orthodoxjüdischkein Bekenntnis

Quelle: Bundesverwaltungsamt, 2004

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Religion als „Standortfaktor“Religion als „Standortfaktor“

• Reinhardt Henkel (1994, S. 449):„Für viele russlanddeutsche Zuwanderer ist das Vorhandensein einer Kirchengemeinde neben der Nähe zu den Verwandten (beides hängt sehr oft zusammen) ein bedeutenderer ‚Standortfaktor’ bei der Wahl eines Wohnsitzes als ein Arbeitsplatz oder eine günstige Wohnung.“

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Anteil der „Freikirchler“Anteil der „Freikirchler“ (Baptisten, Mennoniten, Pfingstler, Adventisten, Stundisten u.a.) (Baptisten, Mennoniten, Pfingstler, Adventisten, Stundisten u.a.)

ca. 15-25% der Aussiedler rechnen sich zu den Freikirchlergemeinden(lt. Auskunft des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden)

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„„Geschlossene“ religiöse GruppenGeschlossene“ religiöse Gruppen(erste Hinweise)(erste Hinweise)

Jochen Welt (ehemaliger Ausländerbeauftragte):„Bestimmte religiöse Gruppierungen wie Baptisten und andere freikirchliche Gemeinden grenzen sich durch ihre Lebensweise von der Gesamtgesellschaft ab und entwickeln eine Art ‚Bunkermentalität‘.“

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„„Geschlossene“ religiöse GruppenGeschlossene“ religiöse Gruppen(erste Hinweise)(erste Hinweise)

Ernst Wagner (1982):„Besondere Schwierigkeiten bereitet den traditionell am Rande der Amtskirche stehenden pietistisch orientierten Russlanddeutschen das Einleben in örtliche evangelische Kirchengemeinden. Die Entstehung russlanddeutscher evangelischer Sondergemeinden (z.B. der so genannten Stundenbrüder) birgt die Gefahr einer längerfristigen Abkapselung und der Entstehung eines religiösen Minderheitenstatus in sich.“

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„„Geschlossene“ religiöse GruppenGeschlossene“ religiöse Gruppen(Faktum)(Faktum)

Ob es sich dabei um die mennonitische ‚Karagandinski Kerch’ im schwarzwäldischen Lahr oder die baptistischen ‚Bethäuser’ in Orten in Ostwestfalen oder der Eifel handelt, sie repräsentieren einschlägige Beispiele für einen starken Trend unter den Russlanddeutschen, ihre freikirchliche Tradition auch in Deutschland fortzuführen.

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Das wichtigste Erziehungsziel ist dieDas wichtigste Erziehungsziel ist die„innere und äußere Keuschheit“„innere und äußere Keuschheit“

1.) „ein schlichtes Äußeres“ für Mädchen bedeutet dies, dass sie nur lange Röcke und Kleider tragen dürfen, jedoch keine Hosen, ebenso verboten sind Schmuck, Make-up oder das Färben der Haare, die im Übrigen nur lang und als Zopf zu tragen sind; für die Jungen existiert ein striktes Bartverbot, ebenso untersagt ist das Tragen von Jeans oder offenen Hemden;

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Das wichtigste Erziehungsziel ist dieDas wichtigste Erziehungsziel ist die„innere und äußere Keuschheit“„innere und äußere Keuschheit“

2.) Verzicht auf weltliche Vergnügungen

kein Fernsehen und Kino, keine Disko- und Kneipenbesuche, auch Vereinsmitgliedschaften sind nicht gestattet;

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Das wichtigste Erziehungsziel ist dieDas wichtigste Erziehungsziel ist die„innere und äußere Keuschheit“„innere und äußere Keuschheit“

3.) einen christlichen Bekanntenkreis

untersagt ist der Umgang mit unchristlichen Spielkameraden oder Nachbarn; Heiraten ist nur zwischen Gemeindemitgliedern erlaubt;

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Das wichtigste Erziehungsziel ist dieDas wichtigste Erziehungsziel ist die„innere und äußere Keuschheit“„innere und äußere Keuschheit“

4.) absolut sittlicher Lebenswandel

d.h. vor allem kein vorehelicher Sex, wobei es Gemeinden gibt, die stichprobenartig Atteste verlangen, die die Jungfräulichkeit beweisen soll;

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„„Der Jungfräulichkeits-Kult“Der Jungfräulichkeits-Kult“

„Sex, Aufklärung, ja sogar Händchenhalten, alles ist tabu. Man ist für einen Jungen vorbestimmt, sagte mir meine Mutter. Daran glaube ich zwar nicht, aber ich soll den Jungen heiraten, den mir Gott vorbereitet hat. […] Und wenn man vorher einen Freund hatte, muss man vor der Hochzeit alles auspacken, bis ins intimste Detail, und das ist oft peinlich. Und wenn du da rein kommst und keine Jungfrau mehr bist, darfst du auch keinen Schleier tragen. Dann ist für jedermann sichtbar, dass du vorher schon mal mit jemandem was hattest. So als Strafe, weil du deine Perle verloren hast. Und dein Mann wird immer denken, ich hab’ mich so lange aufbewahrt für dich, aber ich bin nicht der Erste. Es kann einem eigentlich nichts Schlimmeres passieren.“ (Baptistin, 21 Jahre)

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Patriarchale Ordnung freikirchl. GemeindenPatriarchale Ordnung freikirchl. Gemeinden

väterliche Autorität in der Familie (incl. Züchtigung)

männliche Herrschaft in der Gemeinde(Nur Männer können in den Ältestenrat gewählt werden, nur

sie dürfen predigen, Taufzeremonien, Bußrituale und Lebens-Beichten, die heiratswillige Paare ablegen müssen,

durchführen. Die Ältesten sind in Personalunion Priester, Gelehrte und Patriarchen.)

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Moralische und räumliche ParallelweltenMoralische und räumliche Parallelwelten

„Ein ganz krasses Beispiel ist eine Pfingstgemeinde, die haben ihre Gemeinde in der Gemeinde gebaut, mit eigener Kirche und allem und haben da vollkommen alleine gelebt. Die wollten eigentlich von niemand etwas wissen. Das ging sogar soweit, dass Lehrer hier angerufen und gefragt haben: Was sollen wir denn mit den Kindern den ganzen Tag machen? Die laufen mit dem Kopftuch rum, machen im Sportunterricht nicht mit, ziehen keinen Badeanzug an, die Eltern haben auch teilweise die entsprechenden Seiten aus dem Biologiebuch heraus gerissen, damit das Kind auch bloß nicht verdorben wird.“ (Mitarbeiterin, Landesüber-gangswohnheim in Osthofen)

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Zwischenfazit: Zwischenfazit: Die Familie und Gemeinde als „Bollwerk“ gegen den Die Familie und Gemeinde als „Bollwerk“ gegen den moralischen Zerfallmoralischen Zerfall

• Mit einer strikten Verbotspolitik, die den Verzicht auf Medien ebenso einschließt wie Kontaktverbote mit ungläubigen Kindern oder die Weigerung, ihre Kinder an bestimmten Schulveranstaltungen – und zwar von Klassenfahrten bis zum Sexualkundeunterricht – teilnehmen zu lassen, versuchen sie eine Insel-Situation zu schaffen, „ein Bollwerk,“ so ein Mitglied des Ältestenrates einer Baptistengemeinde in der Eifel, „damit das Chaos und der Sündenpfuhl da draußen nicht an das Herz der Kinder dringen.“

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Jugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer HeimatJugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer Heimat

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Reaktionsweisen der JugendlichenReaktionsweisen der Jugendlichen(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)

1.) die Frommen„Manche Jugendliche sind einfach fanatisch. Oder wie soll man das sonst nennen, wenn ein junger Mensch drei Tage fastet, vier Tage fastet, nur morgens was trinkt und ansonsten nur betet. Dann gibt es welche, die lachen kaum, sind immer todernst. Alles was ein bisschen mit Witz zu tun hat, also jede kleine Berührung mit der normalen Welt, wird so angesehen, als hättest du gerade etwas Schreckliches begangen. Diese Blicke können töten. Sie beten mehrmals am Tag, lesen ständig die Bibel, haben keinen Kontakt mit anderen. Sie werfen nie einen Blick auf Frauen.“ (Baptistin, 19 Jahre)

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Reaktionsweisen der JugendlichenReaktionsweisen der Jugendlichen(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)

2.) die Pragmatiker

„Einige verknallen sich und behaupten dann, Gott hätte es ihnen offenbart. Das sind die schlauen Leute.“ (Baptist, 24 Jahre)

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Reaktionsweisen der JugendlichenReaktionsweisen der Jugendlichen(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)

3.) die Aussteiger„Diese Gefühl, in zwei Welten zu sein, das nagt in dir. […] Das war wirklich hart für mich, ich wusste nicht mehr, wohin ich gehöre. […] Eine Mitte gibt es nicht. Also bin ich gegangen.“ (Baptistin, 22 Jahre)

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Reaktionsweisen der JugendlichenReaktionsweisen der Jugendlichen(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)(auf die religiösen und lebensweltlichen Totalitätsansprüche)

4.) die Überforderten„Wir beobachten leider immer wieder, dass sie später Probleme bekommen werden. Wenn sie sich ganz an ihre Religion halten, haben sie Schwierigkeiten, dass sie Kontakt bekommen mit anderen, und wenn sie aus dem Elterhaus raus gehen oder raus gegangen werden, dass sie auf die schiefe Bahn geraten, weil sie mit der neu gewonnen Freiheit nicht klar kommen. Von einem Schüler weiß ich, dass er heute im Gefängnis sitzt. Der hat Freiheit mit Regellosigkeit verwechselt.“ (Leiterin, Hauptschule)

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Konfliktfelder: Kindergarten und SchuleKonfliktfelder: Kindergarten und Schule

„Manche von uns haben versucht ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken, aber dann bekommen sie eine Erziehung, sie benehmen sich ganz anders, die Erzieherinnen lassen die Kinder alles machen, was sie wollen. Deswegen, ehrlich gesagt, habe ich Angst meine Kinder dahin zu schicken. Ich habe es zwar einmal versucht, aber dann habe ich selber gesagt nein“(Baptist)

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Konfliktfelder: Kindergarten und SchuleKonfliktfelder: Kindergarten und Schule

„Die Baptistenfamilien haben auch ihre Kinder überwiegend nicht geschickt, wenn wir Feste hatten: Osterfeier, Weihnachtsfeier, aber auch weltliche Feiern wie Fastnacht, St. Martin.“

(Kindergärtnerin)

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Konfliktfelder: Familie / Schule / GemeindeKonfliktfelder: Familie / Schule / Gemeinde„Spirale der Selbstausgrenzung“„Spirale der Selbstausgrenzung“

a) Familie „religiöse Gefängnisse“Patriarchale Ordnung: absolute Dominanz des MannesErziehung: Anpassung/Unterwerfung autoritäres vs autonomes IchVerunsicherungen / Identitätskrisen („Ausbruch als Befreiung“)

b) Schule „Einfallstor des Teufels“Eltern beanspruchen ‚ausschließl. Erziehungsgewalt‘ (bei allen Themen)Grundsatzkonflikt: allg. Schulpflicht vs Glaubens- und Gewissensfreiheitreligiöse begründete Schulverweigerung radikale Ablehnung einer inter-religiösen und inter-kulturellen Öffnung .

a) Gemeinde „Bunkermentalität“‚Brüdergemeinden‘ = gegenmoderne Welt Schutz vor PluralismusKonfessionelle Apartheit: Elite, Auserwähltsein, ‚bessere Menschen‘Fundamentalistische Züge: Radikalisierung religiös-kultureller Zugehörigkeit / Totalitätsanspruch (‚Kontrolle der ganzen Person‘)

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Lena Klasen: Himmel, Hölle, Welt Lena Klasen: Himmel, Hölle, Welt (2001)(2001)

„Ich stelle die Behauptung auf, dass es weniger um gelebtes Christsein als um eine aus einer Diktatur hinübergerettete Tradition geht – um eine christliche Sekte, die ihren Mitgliedern dermaßen strenge Verhaltendregeln auferlegt, wie sie niemand, der in einer Demokratie aufgewachsen ist, der in einer durchschnittlichen deutschen Familie erzogen wurde, auf sich nehmen würde oder könnte, ohne daran zu zerbrechen“ (S. 199).