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Universität Bremen, Fachbereich 3, Studiengang Informatik Diplomarbeit von Jörn Ketelsen, Dezember 2002 Gutachter: Frieder Nake und Hans-Jörg Kreowski

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Universität Bremen, Fachbereich 3, Studiengang Informatik

Diplomarbeit von Jörn Ketelsen, Dezember 2002

Gutachter: Frieder Nake und Hans-Jörg Kreowski

Diplomarbeit

„Zwischen Algorithmus und Ästhetik. Zur Entzifferung algorithmischer Bilder”

Universität Bremen

Fachbereich 3, Studiengang Informatik

Jörn Ketelsen

Matrikel-Nummer: 1179403

Karl-Marx-Str.58

28279 Bremen

[email protected]

Dezember 2002

Gutachter: Frieder Nake und Hans-Jörg Kreowski

Erklärung

Ich versichere, die Diplomarbeit ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen und

Hilfsmittel benutzt. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen entnommen sind, sind als solche kenntlich

gemacht.

Bremen, den 20.12.2002

Jörn Ketelsen

Inhaltsverzeichnis

I Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

II Zum algorithmische Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

II.1 Das traditionelle Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

II.2 Bild und Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

II.3 Das technische Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

II.4 Anschauen und Hinschauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

III Das Berechenbare im Schönen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

III.1 Ornament und Proportion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

III.2 Maßwerk und Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

III.3 Impression und Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

III.4 Die äußersten Grenzfälle der Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

III.5 Vom Abstrakten zum Konkreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5

Inhaltsverzeichnis

IV Das Schöne im Berechenbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

IV.1 Die Rückkehr von der äußersten Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

IV.2 Bilder aus dem Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

IV.3 Die Originalität des algorithmischen Bildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

V Konstruktivistisches Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

VI Ein ästhetisches Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

VI.1 Eine fiktive Benutzungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

VI.2 Eine Klasse von Algorithmen für einfache Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

VI.3 Sichtweisen auf Algorithmen und Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

VI.3.1 Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

VI.3.2 Graph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

VI.3.3 Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

VI.3.4 Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

VI.3.5 Serie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

VI.3.6 Zoom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

VI.4 Entwurf von algorithmischen Bildern mit dem Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

VI.4.1 Zeichnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

VI.4.2 Gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

VI.4.3 Verorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

VI.4.4 Modifizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

VI.4.5 Ausführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

VI.5 Zur Implemetierung und Unerwartetem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

VI.6 Eine tatsächliche Benutzungssituation und ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

VII Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

VIII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

IX Bildquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

6

I Einleitung

„Computer haben keine Bilder.”

(Claus Pias)

„Zwischen Algorithmus und Ästhetik”, so der Titel dieser Arbeit.

Scheinbar zwei unvereinbare Gegensätze: einerseits das Bere-

chenbare, strengen Regeln gehorchend, und andererseits das

Schöne und Überraschende, das so weit von jedem starren Re-

gelsystem entfernt zu sein scheint.

Zwei verschiedene Blickweisen auf die Erlebenswelt des Men-

schen, möchte man meinen.

Die Beschäftigung mit Algorithmischen und Ästhetischem war

ein Kernthema des viersemestrigen studentischen Projektes „Il-

lusion&interface” und ich ein Teilnehmer dieses Projekts. Nichts

lag also näher, als dieses Thema im Rahmen einer Diplomarbeit

zu vertiefen.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, das „Dazwischen” von Algorith-

mus und Ästhetik genauer zu betrachten. Was trennt und was

verbindet diese beiden Kategorien, speziell im Fall des algorith-

mischen Bildes am Computer?

Großen Raum einnehmen wird dabei die Betrachtung der hi-

storischen Entwicklung der beiden Kategorien bis zum digitalen

Bild, eine Betrachtung, die allerdings in keinem Fall als umfas-

sende Kulturgeschichte angelegt ist und auch nicht als solche

verstanden werden sollte. Es sollen Schlaglichter geworfen wer-

den auf die Entwicklung des Schönen und des Berechenbaren,

häufig in knapper Form, manchmal weiter ausgreifend.

Aus dieser Betrachtung heraus stellt sich die Frage nach der

7

Inhaltsverzeichnis

Entzifferung von algorithmischen Bildern. Wie kann sie stattfin-

den und wie kann man diesen Vorgang eventuell unterstützen.

Das Ästhetische erscheint in dieser Arbeit immer in Form der

Ästhetik von Bildern; andere ästhetische Objekte – Musik, Text

oder Skulptur – finden keine Betrachtung.

Wie sich die beiden Pole des Berechenbaren und des Schö-

nen historisch zueinander verhalten und auf welche Weise sie

sich unterscheiden und ähneln, das soll in Kapitel 3 beschrieben

werden. Kapitel 4 wagt den Versuch einer Beschreibung, wie aus

den Problemen, auf die die sich mit dem Schönen und dem Bere-

chenbaren beschäftigenden Disziplinen stoßen, unter anderem

der Computer und das digitale Bild hervorgehen.

„Zur Entzifferung algorithmischer Bilder”, endet der Titel und

deutet darauf hin, dass der Blick auf ein digitales Bild vielleicht

ein anderer ist, als auf ein gewöhnliches. Vilém Flusser liefert ein

Modell, das deutlich macht, dass das tatsächlich der Fall ist und

darüberhinaus, auf welche Weise solche Bilder anders erschei-

nen. Was Bilder dieser Art ausmacht und was ihre Entzifferung

dann bedeutet, darauf soll Kapitel 2 eingehen.

Aus dem Drang des Informatikers heraus, praktisch tätig zu

sein, etwas zu programmieren, entstanden im Verlauf des Pro-

jektes „Illusion&interface” mehrere sogenannte „Labore”: klei-

ne Softwarestücke, häufig Prototypen, die alle gemeinsam hat-

ten, dass sie Lernumgebungen für Algorithmisches und Ästheti-

sches sein sollten.

Auch im Verlauf dieser Diplomarbeit entstand ein solches

Lernlabor. Nicht als ihr wesentlicher Bestandteil, aber immer

wieder in Punkten die theoretische Arbeit beeinflussend und

umgekehrt. Diesem Labor soll Kapitel 6 gewidmet sein. Die Aus-

führlichkeit seiner Dokumentation wird dabei dem Raum ent-

sprechen, den es in dieser Arbeit einnimmt. Beschrieben werden

die Funktionalität des Labors und die wesentlichen Gedanken,

die zu seiner Implementierung führten. Ebenfalls dokumentiert

ist eine exemplarische Benutzungssituation.

Lernlabor, hieß es. Wie ein solches Lernen, d.h. der Aufbau

von Wissen, stattfinden kann und inwiefern dabei Software zum

Einsatz kommen kann, darum soll es in Kapitel 5 gehen.

„Zwischen Algorithmus und Ästhetik” oder „Zwischen Baum

und Borke”, wie einer der Gutachter dieser Arbeit sagte. Das

kann man als Bild für eine Zwangslage betrachten; man muss es

aber nicht. In diesem „Dazwischen” lebt der Baum, auf die Bor-

ke folgt der Bast, das Kambium, das Splint- und schließlich das

Kernholz. Verlassen wir dieses Bild an dieser Stelle. Klar ist, dass

die Betrachtung von Aspekten des Verhältnis zwischen Algorith-

mischem und Ästhetischem auch im relativ kleinen Rahmen ei-

ner Diplomarbeit nur durch einen interdisziplinären Ansatz er-

folgen kann. Und wie keine andere Disziplin scheint die Infor-

matik mit ihren Wurzeln in Ingenieurs-, Natur- und Geisteswis-

senschaften gleichermaßen die Möglichkeit zu bieten, solchen

Ansätzen nachzugehen.

Die Diplomarbeit kann dann der Rahmen sein, in dem so et-

was stattfindet. Ein Rahmen, der dem Nachweis der Fähigkeit

8

Inhaltsverzeichnis

des wissenschaftlichen Arbeitens dienen soll: Der interessierte

Blick muss also mit Bedacht und Sorgfalt etwas tiefer unter die

Baumrinde gehen, als das im Haupt- und Grundstudium des Di-

plomanden der Fall war.

Nähern wir uns also zunächst vorsichtig dem Thema, indem

wir mit Vilém Flusser einen Blick auf algorithmische Bilder wer-

fen.

9

II Zum algorithmische Bild

Algorithmische Bilder sind solche, die ihre Erzeugung der Aus-

führung eines durch explizite Regeln festgelegten effektiven Re-

chenverfahrens1 – eines Algorithmus – durch eine Maschine ver-

danken.

Als derart elektronisch synthetisierte Bilder fallen sie in Vilém

Flussers Kategorie der „technischen Bilder”, die auch Fotografi-

en und Fernsehbilder umfasst2, eine Art von Bildern, die sich sich

radikal von traditionellen Bildern unterscheidet, so Flusser3.

Warum, auf welche Weise, unterscheiden sie sich, kann man

Fragen. Der Brockhaus verzeichnet unter Bild: „Darstellung von

etwas oder jemandem auf einer Fläche.”4 Diese flächige Vertei-

lung gilt natürlich für ein traditionelles Bild, sagen wir ein Ölge-

1Bußmann, H. (1990), S. 67.2Flusser, V. (1999), S.7.3ebd.4vgl. Brockhaus (1996).

mälde, anscheinend aber auch für Fotografien (flächig auf dem

Fotopapier), sowie Fernseh- und Computerbilder (über die Flä-

che des Bildschirms verteilt). Wo liegt der Unterschied?

Man muss ihn in der Darstellung vermuten. Bringt man die

Semiotik ins Spiel, dann wird diese Behauptung verständlicher.

Wir nehmen eine Darstellung – ein Bild – als Zeichen war.

Im Folgenden sollen kurz zwei Zeichentheorien umrissen wer-

den. Beide werden in diesem und den folgenden Kapitel in un-

terschiedlichem Maße Erwähnung finden.

Ein gegenständliches Bild ist laut Winfried Nöth „der Prototyp

des ikonischen Zeichens”5. Nöth bezieht sich dabei auf die Zei-

chentheorie von Charles S. Peirce, die ihre Wurzeln in Erkennt-

nistheorie und Logik6 hat.

Peirce geht vom Zeichen als einer dreistelligen Relation aus:5Nöth, W. (2000), S.193.6ebd., S.59.

11

Zum algorithmische Bild

„Now a sign, as such, has three references: first, it is a sign to so-

me thought which interprets it; second, it is a sign for some object

to which in that thought it is equivalent; third, it is a sign, in some

respect or quality, which brings it into connection with its object.”7

Zusammenfassend findet sich dafür bei Max Bense: Ein Zeichen

ist eine

„triadische Relation, die aus dem Zeichen als Mittel [...], dem bezeich-

neten Objekt [...] und dem interpretierenden Bewußtsein, dem Inter-

preten [...] besteht. [...]

Formal kann diese Zeichenrelation charakterisiert werden als:

Z = R ( M, O, I )”8

Das „ikonische Zeichen” ist dabei eine spezielle Form eines Zei-

chens, die sich grob charakterisieren lässt durch eine Ähnlich-

keitsbeziehung9 zwischen Zeichenmittel und Objekt, also bei-

spielsweise dem Bild eines Baumes und einem Baum.

Im Gegensatz zur Peirceschen Zeichentheorie mit ihren drei-

stelligen Zeichenrelationen verwendet die linguistisch orientier-

te Zeichentheorie Ferdinand de Saussures eine zweistellige. Das

Zeichen besteht hier aus signifiant – dem Bedeutendem – und

signifié – dem Bedeutetem. Beispielsweise die sprachliche Äu-

ßerung „Baum” mit der Bedeutung Baum. Das Zeichenmodell

Saussures bezieht sich auf sprachliche Zeichen10, Nöth schreibt

7Peirce, C. S. (1868), S.169.8Bense, W. und Walther, E. (1973), S.126.9Nöth, W. (2000), S. 193.

Nöth schreibt an dieser Stelle allerdings einschränkend, dass für Peirce die„Ähnlichkeit des Zeichens zu seinem Objekt eher ein sekundäres Kriterium” seiund führt im Folgenden auch Ecos Kritik an diesem „,naiven’ Similaritätskriteri-um” an, ebd., S. 196.

Hier soll dieses Kriterium allerdings reichen.10Nöth, W. (2000), S. 73.

allerdings, dass eine „Übertragbarkeit des Modells auf andere

Zeichen [...] grundsätzlich nicht ausgeschlossen”11 ist.

Diese strukturalistische Zeichentheorie verwendet nun Flus-

ser12, um den Unterschied zwischen traditionellen und techni-

schen Bildern zu fassen.

Flusser unterscheidet zunächst fünf Phasen13 der Entwicklung

von Bildlichkeit, die im Folgenden kurz dargestellt werden sol-

len. Flussers Modell, von dem er selbst schreibt, dass es selbst-

verständlich nicht „die Kulturgeschichte schematisieren soll”14,

beschreibt dabei Schritt für Schritt eine weitere Abstraktion vom

Konkreten der Lebenswelt, vom Körper zur Hand zum Auge zu

den Fingern zur Fingerspitze, vom vierdimensionalen bis zum

Nulldimensionalen, oder anders: vom Existieren über das Behan-

deln über das Anschauen über das Begreifen zum Einbilden.

Die erste Phase stellt die Situation des Frühmenschen dar. Der

Mensch ist wie das Tier „in die Lebenswelt gebadet”15. Es steht

das konkrete Erleben im Vordergrund, keine anthropogene Bild-

lichkeit ist zu verzeichnen.

II.1 Das traditionelle Bild

Phase zwei, die Flusser zwischen -2 Millionen und -40000 Jah-

ren anlegt, sei gekennzeichnet durch die Handlung, das „Aus-

11ebd.12vgl. Flusser, V. (1999), Kap. 6 passim.13ebd., S.10.14ebd., S.11.15ebd., S.10.

12

Zum algorithmische Bild

strecken der Hand gegen die Welt”16, zum Zwecke des Fest-

haltens und Verstehens. Durch diese Handlungen löst sich der

Mensch aus der ihn umgebenden Lebenswelt und grenzt sich

gegen die Welt der „zufassenden Gegenstände, der zu lösen-

den Probleme”17 ab. Dies, so Flusser weiter, hat den Beginn der

Kultur zur Folge.

Die dritte Phase beginnt mit dem Auftauchen der ersten Höh-

lenmalereien. Das schon einen Schritt von der konkreten Erle-

benswelt zurückgetretene menschliche Subjekt tritt noch weiter

zurück, um ein Objekt zu betrachten, ohne es mit den Händen

tatsächlich zu begreifen. Neben den Händen gewinnen nun die

Augen und gewinnt die Koordination von Hand und Auge an

Bedeutung.

„Zwar sehen die Augen nur die Oberflächen der zu behan-

delnden Objekte”18 und können auch trügen und die Hände

zum Danebenfassen verleiten, aber sie erfassen – besser über-

blicken – einen breiteren Bereich und können Zusammenhän-

ge erkennen. Diese wahrgenommenen Oberflächen liefern erste

Bilder, „symbolische Sachverhalte”19, die als Vorlage für Hand-

lungen dienen sollen. Sie sind immer subjektiv, denn sie entste-

hen vom konkreten Standpunkt eines Subjekts aus, sollen sie al-

so verständlich sein, und das müssen sie, wenn sie als Vorlage

für andere dienen sollen, dann müssen sie bestimmte Anforde-

rungen erfüllen. Sie müssen publiziert werden und sie müssen

16ebd., S.12.17ebd.18ebd., S.13.19ebd., S.17.

sich dabei der „Symbole eines Gesellschaftscodes”20 bedienen,

um überhaupt entschlüsselt werden zu können.

Jedes Bild ist dabei in der Lage, etwas Neues in den Gesell-

schaftscode einzuschreiben, diesen damit zu verändern und so-

mit ein neues „Original”21 zu sein – solange es sich nicht um eine

genaue Kopie eines vorangegangenen handelt. Ist das letztge-

nannte der Fall, geht es nicht um die Weitergabe von Informati-

on, sondern um die möglichst ungetrübte Weitergabe einer Tra-

dition22.

Zusammengefasst werden in dieser ersten Phase, in der man

tatsächlich von Bildern, d.h. „traditionellen Bildern”23, sprechen

kann, subjektive Anschauungen zwecks Publikation in gesell-

schaftliche Codes gefasst. Sie verändern dabei den Code und in-

formieren so die Gesellschaft.

Nun ist zwischen den konkreten Umstand und das handelnde

Subjekt ein „Vermittler”, ein Medium getreten: das Bild. Durch

und anhand von Bildern soll gehandelt werden. Anhand? Wie

sollen die zweidimensionalen Bilder „erfasst” werden? Flusser

nennt hier die Finger als grundlegend zum Verständnis24. Diese

können das Bild abtasten, es in Zeilen zerlegen, es „begreifen”

und erklären.

Durch diese Handlung entsteht laut Flusser „das konzeptuel-

20ebd.21ebd.22ebd.23ebd., S.11.24ebd., S.13

13

Zum algorithmische Bild

le Universum der Texte”25. Diese Erklärung von Vorstellungen

durch Begriffe macht den Weg frei für die Beschreibung von

Umständen ohne den Weg über die Bildvermittlung.

II.2 Bild und Text

Dies ist nach Flusser die vierte Phase. Nicht Bilder, sondern Texte

beschreiben Umstände, halten Geschichtliches fest und ermög-

lichen die modernen Wissenschaften. Allerdings halten sie den

konkreten Umstand genauso wenig fest wie das Bild. Der Um-

stand erscheint durch die Regeln der Textbildung. Mehr noch,

die Textstruktur wird dem Umstand aufgedrückt, wie das auch

bei der Bildstruktur der Fall ist – nur dort eben offensichtlicher.

Jedem Betrachter von René Magrittes „La Trahison des

images”26 von 1929 ist klar, was zu sehen ist. Es ist natürlich

keine Pfeife, sondern nur das Bild einer Pfeife. Der Umstand

„Pfeife” wird vermittelt durch die Bildstruktur, scheint nur durch

sie durch. Der Umstand „dies ist keine Pfeife” wird vermittelt

durch die Bildunterschrift „Ceci n’est pas une pipe”, die ihrer-

seits strukturiert ist durch die Grammatik der französischen Spra-

che. Beispielsweise durch die Abfolge der Satzteile und die Form

der Verneinung auf Seiten der Syntax, sowie durch die irgendwo

zwischen Semantik und Pragmatik angesiedelte Funktion des

deiktischen „ceci” als Zeiger auf das Bild der Pfeife. Die Struk-

tur könnte auch eine völlig andere sein, aber nur durch sie und

25ebd.26vgl. Abb. II.1.

Abb. II.1: René Magritte: „La Trahison des images”.

gebunden an sie wird der Umstand „auf dieser Fläche befindet

sich ein Bild einer Pfeife und nicht die Pfeife selbst und ich bin

der Satz der darauf hinweist” sichtbar – wie beim Bild. Für die-

ses Gefangensein in der Struktur einer Sprache findet der Be-

gründer der Informationstheorie Claude E. Shannon, bezogen

auf das Englische, sogar Werte:

„The redundancy of ordinary English [...] is roughly 50%. This means

when we write English half of what we write is determined by the

structure of the language and half is chosen freely.”27

In dieser vierten Phase sind nun Texte die primären Vermittler

zwischen Lebenswelt und Subjekt.

Dienten sie zunächst zur Bilderklärung, erklären sich Text und

Bild bald gegenseitig oder erklärt das Bild den Text.

Man denke beispielsweise an die Emblembüchern des Barock.

Die darin abgebildeten Embleme bestehen aus drei Teilen, dem

Lemma, d.h. der Überschrift, dem Icon, d.h. dem Bild und dem

Epigramm, d.h. einer ausführlichen Bildunterschrift28. Bild und

27Shannon, C. E. (1948), S.24.28Vgl. Henkel, A. und Schöne, A. (1967).

14

Zum algorithmische Bild

Abb. II.2: Bild und Text in Comenius’ „Orbis sensualium pictus”.

Überschrift erklären sich dabei gegenseitig, unterstützt durch

das Epigramm, und bilden so eine Art Rätsel, dem Aufbau nach

dem oben genannten Gemälde von Magritte nicht ganz unähn-

lich. Spätestens seit Johann Amos Comenius’ „Orbis sensuali-

um pictus” von 1658 wird versucht, Schülern das Lesen anhand

der Gegenüberstellung29 von Wörtern und mit deren Bedeu-

tung korrespondieren Bildern beizubringen. In einem solchen

Fall dient das Bild nur der Beschreibung der Bedeutung des Wor-

tes, beziehungsweise Textes.

Das vielleicht schönste Beispiel30 für die Erläuterung der Be-

deutung eines Wortes durch ein Bild stammt vom Begründer des

französischen Strukturalismus Ferdinand de Saussure selbst, zu

29vgl. Abb. II.2 und Comenius, J. A. (1970).30vgl. Abb. II.3.

Abb. II.3: Bild und Text in Saussures „Cours de linguisticgénérale”.

finden im „Cours de linguistic générale”31. Dort wird, gerade zur

Erläuterung des Begriffspaares signifiant und signifié, zunächst

das lateinische Wort arbor dem französischen «arbre» gegen-

übergestellt – die Anführungsstriche sollen andeuten, dass es

sich um die Bedeutung Baum handelt, nicht um das Wort Baum.

Und zur Verdeutlichung dessen findet sich als Beschreibung von

«arbre» das Bild eines Baumes. Sowohl Bild als auch Text verän-

dern nun also die gesellschaftlichen Codes und definieren diese

darüber hinaus – über sich selbst.

Der jeweils beschriebene Umstand erscheint durch diese Codes

oder Regeln durch, trägt deren Struktur und ist auch nur auf

diese Weise vermittelbar.

Allerdings:

„[...] wir beginnen erst in jüngster Zeit festzustellen, daß wir diese

Regeln nicht etwa im Umstand entdecken (zum Beispiel in Form von

Naturgesetzen), sondern daß sie von unseren wissenschaftlichen Tex-

ten selbst hineingetragen wurden. [...] Wir erkennen in ihnen [d.h.

den Regeln] Spielregeln, die auch anders sein könnten, und mit die-

ser Erkenntnis kollern die Begriffe auseinander. Und zwar zerfällt der

zu beschreibende Umstand zu einem Schwarm von Informationsbits,

31Eine Zusammenfassung von Mitschriften zu mehreren Vorlesungen Saussu-res zwischen 1906 und 1911. 1916 posthum von seinen Schülern C. Bally und A.Sechehaye veröffentlicht.

Vgl. Saussure, F. de (1967), S. 149.

15

Zum algorithmische Bild

Entscheidungsmomenten und Aktomen. Übrig bleiben dimensionslo-

se Punktelemente, die weder faßbar noch vorstellbar, noch begreifbar

sind – unzugänglich für Hände, Augen und Finger.”32

In dieser Situation befinden sich viele wissenschaftliche Diszipli-

nen spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts. „Im Kern des

Universums wollen die Partikel den Leitfäden nicht mehr ge-

horchen (zum Beispiel den Kausalketten), und sie beginnen zu

schwirren.”33 Die Physik stellt fest, dass es in diesem „Kern des

Universums” Erscheinungen gibt, die entweder nicht beliebig

genau messbar sind, oder sich gar nicht erfassen lassen. Die Ma-

thematik erkennt mit Gödel, dass es Probleme gibt, die nicht

entscheidbar sind und mit Turing, dass es Probleme gibt, die sich

nicht berechnen lassen.

Was bleibt sind laut Flusser die nulldimensionalen Punkte,

die Tropfen, die Bits. Diese müssen „gerafft” werden, damit

sie überhaupt wieder begreiflich, vorstellbar und behandelbar

sind34.

Dies ist Flussers fünfte Phase.

II.3 Das technische Bild

Diese Raffung von Punkten kann stattfinden durch Apparate,

Flusser nennt Fernsehen, Fotokamera und Computer.35

Gerade die Disziplinen, die am stärksten mit Nichtdetermini-

32Flusser, V. (1999), S.14.33ebd., S.20.34ebd.35vgl. ebd., passim.

stischem und dem Verlust von Kausalbeziehungen zu kämpfen

haben – Physik und Mathematik – tragen bei zur Entwicklung

einer Vorrichtung, die wie keine andere diese Aufgabe der Raf-

fung bewältigt: dem Computer.

Mit diesem können die „kalkulierbaren Haufen” der Punkte36

komputiert werden, mit ihm werden aus Punkten scheinbare

Oberflächen.

In dieser durch das Kalkulieren und Komputieren gekenn-

zeichnete fünften Phase ist

„Die Einbildungskraft [...] jene Kraft, welche darauf ausgeht, dem ab-

strakten und absurden Universum, in das wir stürzen, einen konkre-

ten Sinn zu geben.”37

Denn hier sieht Flusser einen der wesentlichen Unterschiede zur

traditionellen Bildlichkeit: Diese will von einem angenommenen

konkreten Umstand in Richtung einer tatsächlichen Oberfläche

abstrahieren, die Raffung von Punktelementen hingegen sei ei-

ne Konkretisierung von Unsichtbarem in Richtung einer nie zu

erreichenden Fläche, die Rückkehr „von der äußersten Abstrak-

tion zum Vorstellbaren”38.

Eine solche „blindlings konkretisierte Möglichkeit, ein blind-

lings sichtbar gewordenes Unsichtbares”39 nennt Flusser „tech-

nisches Bild”.

Technische Bilder ermöglichen dabei nicht nur nie geahnte

Möglichkeiten zur Bilderzeugung, sie bringen auch laut Flus-

36ebd., S.37.37ebd., S.43f.38ebd., S.26f.39ebd., S.21.

16

Zum algorithmische Bild

ser eine „Umkehrung in der vorangegangenen Einstellung des

Menschen zum Universum”40 mit sich.

Diese Aussage wird begreiflich, wenn man fragt, was techni-

sche Bilder bedeuten. Traditionelle Bilder bemühen sich in der

Lebenswelt einen Sinn zu sehen und diesen abzubilden, nach

der „Enttäuschung, die wir gegenwärtig an allem Erklären, In-

terpretieren, Lesen der Welt erleben”41 ändert sich diese Ein-

stellung: Die technischen Bilder weisen auf die Welt zu, um ihr

einen Sinn zu geben. Sie stellen nicht dar, sie projizieren.

Mit dieser „Umkehrung der Bedeutungsvektoren”42 sind aber

auch die Saussureschen Kategorien signifié und signifiant in Fra-

ge gestellt. Denn das Bedeutete beim technischen Bild ist erst in

der Welt, nach dem es entworfen wurde, eben eine blindlings

sichtbar gewordene Möglichkeit. Daher muss laut Flusser die

Frage nach der Bedeutung eines technischen Bildes nicht „Was

bedeutet das?” lauten, sondern die Frage danach sein, „woher”

das Bild bedeutet43.

Und damit stellt Flusser fest:

„Ein technisches Bild entziffern heißt nicht, das von ihnen Gezeigte

entziffern, sondern ihr Programm aus ihnen herauszulesen.”44

Was ist hier mit Programm gemeint? Ein Computerprogramm?

Der erzeugende Algorithmus? Der Inhalt des Speichers ab einer

bestimmten Adresse?

40ebd., S.51.41ebd., S.52.42ebd., S.53.43ebd.44ebd.

Wenn das so wäre dann wären beispielsweise die ASCII

Zeichenkette „8cVR”, die PowerPC Assembler Instruktion

„ADDI r3,r3,22098” und ein halbdurchscheinendes türkises Grau

in RGBA Kodierung synonym: Sie alle „bedeuten” die vier Byte

lange Folge 00111000 01100011 01010110 01010010.

Flusser führt als Beispiel für das Verständnis eines „von Ap-

paraten programmgemäß erzeugten” Bildes einen Fernsehzu-

schauer an, der das Fernsehprogramm der nächsten paar Wo-

chen und damit die zu erwartenden Bilder mehr oder weni-

ger voraussehen kann45. Mit „Programm” ist hier wahrschein-

lich eher ein Ablauf von Ereignissen innerhalb eines bestimmten

Systems mit all seinen Komponenten gemeint.

Mit solchen Systemen und den Abläufen darin befasst sich die

Systemtheorie. Niklas Luhmann, einer ihrer bekanntesten Ver-

treter, nennt, bezogen auf ein soziales System, eine „Sequenz

konkreter Ereignisse” die von einem Zustand eines Systems in

einen anderen mündet einen „Prozeß”46 und diese Definition

ist so allgemein gehalten, dass man sie wohl auch auf das sozio-

technische System Fernsehen anwenden kann.

Das Verständnis darüber, wie Prozesse im System „Fernsehen”

gemeinhin ablaufen, ermöglicht es Flussers Fernsehzuschauer ei-

nerseits das Fernsehprogramm der nächsten Wochen grob vor-

auszusehen und andererseits eine Erklärung dafür zu finden,

warum zum Beispiel eine bestimmte Sendung gerade zu diesem

Zeitpunkt gesendet wird.

45ebd., S.23.46Luhmann, N. (1985), S.74.

17

Zum algorithmische Bild

Man könnte dann weiterhin für technische Systeme eine ähn-

liche Annahme treffen.

Nimmt man beispielsweise die Turingmaschine als einfaches

Modell für einen Computer, dann wird schnell klar, dass es sich

bei Prozessen hier tatsächlich um Programme, um Algorithmen

handelt:

Bei John Hopcroft und Jeffrey Ullman findet sich folgende De-

finition einer einfachen Turingmaschine47, bestehend aus einem

Eingabeband und einem Bandkopf:

Sei TM = (Q,S, G, d, q0, B, F) eine Turingmaschine mit

- Q, einer endlichen Anzahl von Zuständen,

- G, einem endlichen Alphabet,

- B, einem Sonder- bzw. Leerzeichen aus G,

- S, einer Menge von Eingabesymbolen S ⊆ G − {B},

- d, einer Übergangsfunktion, d.h. einer Abbildung

Q× Γ → Q× Γ × {L, R},

- q0 ∈ Q einem Anfangszustand und

- F ⊆ Q, einer Menge von Endzuständen.

Es existieren desweiteren Zustandsbeschreibungen a1qa2 mit

q ∈ Q und dem Bandinhalt a1a2 ∈ G∗.

Sei X1X2...Xi−1qXi...Xn eine solche Zustandsbeschreibung.

Wenn d(q,Xi) = (p, Y, L), dann:

47Hopcroft, J. und Ullman, J. (1990), S.159.

X1X2...Xi−1qXi...Xn → X1X2...Xi−2pXi−1YXi+1...Xn, Xi wird

gelesen und ersetzt, der Bandkopf bewegt sich nach links.

Wenn d(q, Xi) = (p, Y, R), dann:

X1X2...Xi−1qXi...Xn → X1X2...Xi−1YpXi+1...Xn, Xi wird gele-

sen und ersetzt, der Bandkopf bewegt sich nach rechts.

Ist nun q = q0 und q ′ ∈ F, dann kann man Anwendungen der

Übergangsfunktion sodass

a1qa2∗→d

a ′1q ′a ′

2 als den Ablauf eines Programms vom Start

bis zur Terminierung verstehen. Sie sind damit aber auch der Ab-

lauf einer Sequenz konkreter Ereignisse in einem System und

damit ein Prozess. Das entspricht auch der informatischen Defi-

nition eines Prozesses als Programm in Ausführung48.

Bei Jacques Lacan49 findet sich, bezogen auf eine universale

Maschine, folgende Aussage:

„Die Zeichenwelt funktioniert, und sie hat überhaupt keine Bedeu-

tung. Was ihr ihre Bedeutung gibt, ist der Moment, wo wir die Ma-

schine anhalten.”50

Auch hier findet sich wieder die Betonung auf das Prozessua-

le, das (ohne Flussers Umkehrung der Bedeutungsvektoren) die

Bedeutung erzeugt und zwar in dem Moment, in dem die Ma-

schine stoppt.

Die vorgenommene Unterscheidung in soziale bzw. soziotech-

nische Systeme einerseits und technische Systeme andererseits,

soll darauf hinweisen, das mit „Programm” bei Flusser nicht

48vgl. Siegert, H.J. (1989), S.15.49der sich laut Nöth auf die Saussuresche Zeichentheorie stützt, vgl. Nöth, W.

(2000), S. 49.50Lacan, J. (1980), S.361.

18

Zum algorithmische Bild

zwangsläufig die Formulierung eines bilderzeugenden Algorith-

mus gemeint ist, sondern vielleicht eher ein Prozess in einem

soziotechnischen System. Auf jeden Fall aber schwindet dieser

Unterschied beim technischen Subsystem Computer.

Auf der technischen Seite können wir also zur Entzifferung

technischer Bilder tatsächlich die Algorithmen und Programme

die diese Algorithmen formulieren betrachten, mit besonderem

Augenmerk auf ihre Ausführung, das Prozesshafte.

II.4 Anschauen und Hinschauen

Tatsächlich findet eine Entzifferung technischer Bilder auf diese

Weise selten statt. Vom Betrachter wird verlangt, das er „einbil-

det”. „Hinschauen ist Anstrengender als Anschauen, was erklärt,

daß wir über alles Anschauungen und in beinahe nichts Ein-

blicke haben”, schreibt Flusser51, was nicht so kritisch gemeint

scheint, wie es klingt, denn „technische Bilder sind überhaupt

erst Bilder, wenn man sie oberflächlich anschaut”52. Jedes Hin-

schauen bringt nur Einblicke in das zugrunde liegende Punktu-

niversum.

Jemand mag beim Betrachten eines Computerbildes die Bild-

elemente erkennen und wissen, dass er es mit Lichtpunkten auf

dem Schirm einer Kathodenstrahlröhre zu tun hat, von denen

jeder einzelne mit dem Inhalt einer Adresse im Grafikspeicher

korrespondiert, der zuvor durch eine entsprechende Instruktion

51Flusser, V. (1999), S. 3952ebd. S.41

gesetzt wurde. Aber erfasst durch dieses Hinschauen nicht das

Bild. Dazu muss er entsprechend schielen, er muss oberflächlich

anschauen.

Bei Peirce findet sich, bezogen auf ein Gemälde, sprich ein

traditionelles Bild, eine daran erinnernde Aussage, fast als Be-

dingung an ein ikonisches Zeichen:

„So in contemplating a painting, there is a moment when we lose

the consciousness that it is not the thing, the distinction of the real

and the copy disappears, and it is for the moment a pure dream – not

any particular existence, and yet not general. At that moment we are

contemplating an icon.53

Allerdings muss der Betracher beim technischen Bild nicht nur

vergessen, dass er es mit einem Bild von etwas zu tun hat (also

den Umstand auf den Magrittes obengenanntes Gemälde an-

spielt), sondern er muss sich zusätzlich auch der Illusion hinge-

ben, er hätte es nicht mit einer gerafften Punktmenge, sondern

mit einem Bild zu tun.

Das alles erinnert an Marcel Duchamps „Ce sont les regardeurs

qui font les tableaux”54. „Regadeurs” ist ein Wort, das zwar kor-

rekt gebildet ist, eine Subjektivierung des Verbes „regarder”,

d.h. anschauen55 – im Französischen allerdings wird es nicht ver-

wendet und findet sich in keinem gebräuchlichen Wörterbuch.

Für die Betrachter von Bildern sind eher die Wörter „observa-

teur”, „contemplateur” oder „spectateur” gebräuchlich.

Duchamp verwendet dieses Kunstwort vermutlich, um auf

53Peirce, C. S. (1885), Bd.3, S.211.54Schuster, J. (1957), S.144.55„anschauen, (be)schauen, ansehen, in Augenschein nehmen” nach Grappin,

P. et al. (1999).

19

Zum algorithmische Bild

einen ähnlichen Umstand wie den oben geschilderten hinzuwei-

sen: Der unbeteiligt Schauende macht das Bild.

Über eine solche Betrachtung eines Gegenstandes ohne Inter-

esse an seiner Beschaffenheit schreibt Kant:

„Geschmack ist das Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes oder

einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen, oder Mißfallen, ohne

alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt

schön.”56

Das Anschauen führt uns also bei technischen Bildern zum Schö-

nen, zum Einbilden, zur Illusion; das Hinschauen zum Wahren,

laut Flusser zum Bedeuteten, dem Berechenbaren.

56Kant, I. (1968), S.288.

Um Einblick zu nehmen, um ein technisches Bild entziffern

zu können, muss man sich also die Herkunft dieser „blindlings

sichtbar gewordenen Möglichkeit” aus dem Berechenbaren vor

Augen führen, man kann versuchen die Rechenschritte nachzu-

vollziehen, die zu diesem oder jenem Bild führten, man kann

versuchen, das Berechenbare im Schönen zu finden.

20

III Das Berechenbare im Schönen

„Das Aufsuchen von Beziehungen zwischen Mathematik und

Kunst ist uralt”, schreibt Max Bense1. Spätestens seit der An-

tike lässt sich dieses Bestreben, Berechenbares im Schönen zu

finden, zeigen. Hier soll nun nicht der Versuch unternommen

werden, in aller Breite die Beziehung zwischen Kunst und Wis-

senschaft, speziell Mathematik, zu untersuchen. Das würde den

Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen und mag auch im

Versuch schon absurd erscheinen. Im Folgenden werden Schlag-

lichter geworfen auf Entwicklungen der Kunst und Mathematik,

die stellvertretend für die Beziehungen zwischen beiden stehen

sollen.

1Bense, M. (1939), S.62.

III.1 Ornament und Proportion

Beginnen wir beispielsweise bei der ägyptischen Ornamentik:

Hier werden Elemente der Natur – sagen wir Blumen – an-

hand von geometrischer Regelmäßigkeiten stilisiert, die Verein-

fachungen von in der Natur vermuteten Gesetzmäßigkeiten dar-

stellen2. Blütenblätter werden so symmetrisch um einen Mittel-

punkt angeordnet.

Hier wird nicht das Naturvorbild abgebildet, sondern „das von

ihm abstrahierte Gesetz”3 und Bense spricht von der Geschichte

und Analyse der Ornamentik als einem

„der reizvollsten Kapitel der mathematischen Geistesgeschichte über-

haupt, weil sie an den Ursprung der ästhetischen Reduktion der

Mathematik oder der Geburt der Mathematik aus dem Geist der

2Worringer, W. (1918), S.66ff.3ebd., S.77.

21

Das Berechenbare im Schönen

Ästhetik heranführt.”4

Man könnte vermuten, dass das Feststellen von solchen Gesetz-

mäßigkeiten zumindest seit Erfindung der Schrift fast zwangs-

läufig stattfindet. „Die Zeile [...] reißt die Dinge aus der Szene,

um sie neu zu ordnen, nämlich sie zu zählen, zu kalkulieren”, so

Flusser5. Beschreibt man derart ein Bild, isoliert man die betrach-

teten Bildelemente während dieses „Erzählens” und kann die

Beziehungen zwischen ihnen – beispielsweise Größenverhältnis-

se oder die Lage zweier Elemente zueinander – nur textuell ver-

mitteln. Dazu muss man ihre Lage zueinander und die Struktur

des Bildes erkennen – also hinschauen.

Im antiken Griechenland nennt Platon im „Philebos” die Sym-

metrie als Anzeichen von Schönheit und über die Proportion fin-

det sich im „Timaios” folgendes:

„Zwei Dinge allein aber ohne ein Drittes wohl zusammenzufügen

ist unmöglich, denn nur ein vermittelndes Band kann zwischen bei-

den die Vereinigung bilden. Von allen Bändern ist aber dasjenige das

schönste, welches zugleich sich selbst und die durch dasselbe verbun-

den Gegenstände möglichst zu einem macht. Dies aber auf das schön-

ste bewirken, ist die Proportion da.”6

Diese Haltung fand ihren Ausdruck in vielen Werken der Kunst

der griechischen Klassik, genannt sei hier Polyklet, der neben

Phidias wohl meistgenannte Bildhauer dieser Epoche.

Er formulierte im „Kanon” seine Lehre von den idealen Pro-

portionen, die in seiner praktischen Arbeit Anwendung fand,

4Bense, M. (1949), S.70.5Flusser, V. (1997), S.25.6Platon (1940), S.110.

beispielsweise im vielfach abgebildeten „Speerträger”.

Die Kunst des Römischen Reiches übernimmt diese Proporti-

onslehre, allen voran Vitruv, der einzige antike Autor, der im

Bezug auf die Proportionslehre konkrete Zahlen nennt7.

In der kaum veränderten Tradierung eines solchen „Codes”

zur Bildherstellung sieht Flusser den Gegensatz zum Informie-

ren durch Bilder, dem Einschreiben von neuen Symbolen in den

Code8.

Mit dem Untergang des römischen Reiches geht zunächst auch

das Wissen um die Proportionslehre zum größten Teil unter. Das

heißt natürlich nicht, dass keine Beziehungen zwischen Kunst

und Mathematik mehr festzustellen wären.

Ich habe mich bei meiner Betrachtung bisher arrogant auf den

sogenannten „abendländischen Kulturraum” beschränkt und

werde das auch weiterhin tun. Angemerkt sei allerdings mit

Worringer, dass zumindest die linear-geometrische Verzierungs-

form, d.h. eine Art von Ornamentik, „in der Kunst fast aller Völ-

ker eine [...] große Rolle spielt”9.

Auch Luhmann weist auf die Bedeutung des Ornaments hin:

„Was für die Evolution der Gesellschaft die Evolution von Sprache be-

deutet hatte, ist für die Evolution des Kunstsystems die Evolution des

Ornamentalen.”10

Erwähnt sei an dieser Stelle auch das islamische, abstrakt-

geometrische Ornament: „Arabesken sind das Ergebnis höchst

7v. Steuben, H. (1973), S.68.8Flusser, V. (1999), S.17. Vgl. auch Kapitel II.1, S.13.9Worringer, W. (1918), S.67.

10Luhmann, N. (1999), S.349.

22

Das Berechenbare im Schönen

komplizierter mathematischer Formeln”, schreibt Annemarie

Schimmel11. In der Tat ist die Mathematik des Orients im Mittel-

alter der des Westens um Jahrhunderte vorraus, als Beispiel seien

hier die Werke Abu Ja’far Mohammed ibn Mûsâ al-Khowârizmis

genannt. Nicht ohne Grund, denn die Verballhornung des Na-

mens „al-Khowârizmi” führte schließlich zum Wort „Algorith-

mus” für ein klar definiertes, endliches und effektives Rechen-

verfahren12.

Bense sieht die Araber und Perser als Erben der Ägypter in Be-

zug auf die Ornamentik, und spricht in diesem Zusammenhang

von „der Höhe ihres mathematischen Bewusstseins”13.

III.2 Maßwerk und Perspektive

Zur Zeit al-Khowârizmis, also um 82514, befindet sich Euro-

pa kunsthistorisch noch vor der Romanik. Die mittelalterliche

Kunst, besonders die Baukunst, kann nicht mehr auf die römi-

schen Traditionen zurückgreifen, oder, um es positiver auszu-

drücken, „hat sich [...] vom römischen Vorbild freigemacht und

neue Wege gesucht”15.

Auch hier lassen sich „tiefe Verbindungen von Mathematik

und Kunst”16 finden. Das wird besonders in der Gotik deutlich,

die die Romanik etwa ab dem 12. Jahrhundert ablöst. Dabei

11Schimmel, A. (2001), S.31.12Knuth, D. E. (2002), S.1ff.13Bense, M. (1949), S.70.14Knuth, D. E. (2002), S.1.15Braun, H. (1960), S.51.16Bense, M. (1949), S.71.

geht es nicht, wie man vermuten könnte, um die notwendige

Mathematik für die Statik einer Kathedrale – hier wurde eher

intuitiv gearbeitet, Last und Druck der Gewölbe werden durch

Spitzbogen und Strebesysteme abgefangen17; gemeint ist der

mathematische Charakter des ornamentalen Fensterschmucks

der Gotik: des Maßwerks, „das schon durch seinen Begriff die

Verknüpfung des ästhetischen und mathematischen Willens ver-

rät.”18

Dabei kommt der mathematische Charakter des Maßwerks

laut Bense besonders durch die „völlige Ungegenständlichkeit

des Ornaments”19 zum Ausdruck. Die jeweiligen Elemente sind

dabei in verschiedensten Symmetrien und Proportionen ange-

ordnet, denen einfache geometrische Figuren wie Quadrat und

gleichseitiges Dreieck zugrunde liegen.

Erst die Renaissance erinnert sich wieder der Mathematik und

Kunst der Antike – buchstäblich:

Übersetzungen und Drucke griechischer und römischer Ma-

thematiker und Philosophen erscheinen und ihre Rezeption

schlägt sich nieder im Schaffen der Künstler und Ingenieure20.

Leonardos bekannte Proportionsstudie eines Menschen ist

beispielsweise eine Veranschaulichung der bei Vitruv gefunde-

nen Angaben21.

Neben der Wiederaufnahme der antiken Proportionslehre ist

17Braun, H. (1960), S.76f.18Bense, M. (1949), S.76.19ebd.20ebd., S.82.21v. Steuben, H. (1973), S.69.

23

Das Berechenbare im Schönen

die Perspektive Charakteristikum der Renaissance Kunst. Mit der

Wiederentdeckung der griechischen Mathematik wird auch Eu-

klid neu gelesen, dessen Lehrsätze die mathematischen Grund-

lagen der Perspektive umfassen22.

Damit ermöglicht eine Technik, die in einer exakten, mathe-

matischen Auffassung von Kunst wurzelt der nachahmenden

Kunst, die sich als „Mimesis einer Wirklichkeit” versteht23 ganz

neue Möglichkeiten.

Mit der Perspektive lag nun ein bildnerisches Werkzeug vor,

das es ermöglichte, auf einer Fläche die Illusion der Tiefe hervor-

zurufen und damit „realistischere” Abbilder von Erscheinungen

der Welt zu erzeugen.

Die Renaissance geht über in das Zeitalter des Barocks; auch

das Zeitalter einer „Mathesis Universalis”, einer generalisierten

Mathematik, „die auch nichtmathematische Gegenstände ein-

bezieht”24, vertreten durch Descartes, Pascal und Leibniz. Dieser

philosophisch-mathematische Ansatz wurzelt in der Renaissance

Mathematik, stärker noch in den antiken Vorbildern und geht

über sie hinaus, indem er die Axiomatik der Antike verfeinert

und ordnet und eine ebenfalls präzise, axiomatische Formulie-

rung der anderen Wissenschaften fordert25. Es geht um eine

Universalwissenschaft, die im Bezug auf die Kunst die Auffas-

sung vertritt, „daß auch die Natur dem ästhetischen System un-

22Bense, M. (1949), S.78.23Tomberg, F. (1968), S.5.24Bense, M. (1949), S.12.25ebd., S.94.

terworfen werden könne”26. Aufgeworfen wird damit auch die

Thematik der Darstellung:

[...] so ist es klar, daß zwischen dem Gedachten und dem Zeichen, das

das Gedachte ,repräsentiert’, eine umkehrbare eindeutige Beziehung

bestehen muß. [...] Es ist weiterhin selbstverständlich, daß dann und

nur dann eine umkehrbar eindeutige wirkliche ,Repräsentation’ des

Gedachten durch ein Zeichen vorliegt, wenn die Zeichen so beschaf-

fen sind, daß sie in Bestandteile zerlegt werden können, die selbst

wieder ,Darstellungen-Repräsentationen’ der Bestandteile sind, in die

das Gedachte zerlegt werden kann.”27

So etwas findet sich beispielsweise in der Fusion von Geometrie

und Arithmetik in Form der cartesischen Geometrie – durch die

„Darstellung” von geometrischen Kurven durch Gleichungen28.

Das Barock Zeitalter träumt noch von einer „Christianopo-

lis”29, einem utopischen Staat, indem die Häuser der Mathema-

tik und der Malerei Wand an Wand liegen, und dieser Traum

von einem „Bündnis zwischen Kunst und Technik bleibt bis ins

achtzehnte Jahrhundert intakt”30.

Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts weicht die reine Theo-

rie mit Newton und Huygens der Anwendung31, „die Mathema-

tik hat sich unter dem Eindruck des Interesses für die universel-

le Mechanik fortlaufend von der Philosophie emanzipiert.”32 In

dieser Zeit des „Newtonismus”33 wird der Proportionalzirkel zur

26ebd., S.96.27ebd., S.99.28ebd.29Bredekamp, Horst (1991), S.278.30ebd.31Bense, M. (1949), S.132.32ebd., S.137.33ebd., S.112.

24

Das Berechenbare im Schönen

Konstruktion perspektivischer Zeichnungen populär, ein Instru-

ment, „mittelst dessen jeder, auch der Zeichen-Kunst unerfah-

rene, ohne weiteren Unterricht, nach der Natur alles geschwind

und pünctlich zu zeichnen vermag.”34

Sicherlich war dieses Werkzeug nicht dazu geeignet „Zeichen-

Kunst unerfahrenen” dieselbe zu vermitteln; aber es ermöglich-

te einer breiteren Masse die Mathematik, die hinter der perspek-

tivischen Darstellung steht, zu handhaben, durch die Gerinnung

der notwendigen (Rechen-) Operationen in einem Werkzeug.

III.3 Impression und Abstraktion

Nach Bense erreicht das Zeitalter dieser „Mathesis mechanica”

Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Ende35. Dominierte mit Pois-

son, Fourier und Cauchy36 noch zu Beginn des Jahrhunderts die

physikalisch-technische Mathematik, so gewinnt die Mathema-

tik gegenüber der Mechanik wieder Selbständigkeit37. Bense

nennt hier die Namen Galois38 für die Gruppentheorie, Rie-

mann39 für nichteuklidische Problemkreise und Cantor40 für die

Mengenlehre.

34Aus dem Titel von Johann Leonhard Hoffmann, Rechtschreibung folgt demOriginal: „Anweisung zur Verfertigung und Gebrauch des allgemeinen Zeichen-Instruments ohne Gläser mittelst dessen jeder, auch der Zeichen-Kunst unerfah-rene, ohne weiteren Unterricht, nach der Natur alles geschwind und pünctlichzu zeichnen vermag”. Zit. nach: ebd., S. 117.

35Bense, M. (1949), S.153.36ebd., S.148f.37ebd., S.153.38ebd.39ebd., S.156.40ebd.

Laut Bense verursachten diese Entwicklungen eine Grundla-

genkrisis in der Mathematik41: Die Mengenlehre zeigte Wider-

sprüche in der Arithmetik auf; die nichteuklidische Geometrie

konnte der Anschaulichkeit der euklidischen nicht folgen und

war damit nur schwer auf die Erlebenswelt anzuwenden.

McLuhan erwähnt, dass Oswald Spenglers umfassende Kultur-

kritik „Der Untergang des Abendlandes”, deren erster Teil 1918

erschien, zu großen Teilen in der Beschäftigung Spenglers mit

der modernen Mathematik wurzelt42, insbesondere der nicht-

euklidischen Geometrie und dem „Aufkommen von Funktionen

in der Zahlentheorie”43 – also eben die Felder, die laut Bense die

Grundlagenkrisis der Mathematik auslösen.

In der Kunst der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts tritt der

Impressionismus in Erscheinung: Sich lösend von den „im Halb-

dunkel der Ateliers”44 gewonnenen Gemälden der akademi-

schen Ateliermalerei bemüht er sich, die flüchtige Erscheinung,

den Eindruck, die Impression festzuhalten. Dies geht einher mit

dem aus dem Pleinarismus übernommenen Malen in der freien

Natur und der großen Bedeutung des Lichts für diese Form der

Malerei.

Dies führt zu einer Bildlichkeit, die die dargestellten Szenen

ohne klare, geometrische Konturen abbildet und sich derart in

einer Situation befindet, „die genau der der Mathematik Rie-

41ebd.42McLuhan, M. (1992), S.132.43ebd.44Braun, H. (1960), S.175.

25

Das Berechenbare im Schönen

manns entspricht”.45 Statt das Bild durch Linien, Rundungen

und Flächen im Atelier zu konstruieren, stellt das impressionisti-

sche Bild den erlebten Augenblick durch schnellen, skizzenhaf-

ten Farbauftrag dar. Farbkontraste spielen hier die wesentliche

Rolle, und dieser Mannigfaltigkeit der Farben liegt laut Bense

ein arithmetisches Schema zu Grunde, kein euklidisch, geome-

trisches46 und er bezieht dies auf die bei Descartes begonnene

und nun vollendete „Arithmetisierung der Mathematik”47.

Mit dem Spätimpressionismus, besonders aber mit Cézanne

kommt über die Farbigkeit durch die wieder Hintertür die Geo-

metrie ins Spiel.

Für Cézanne ist Farbe „nicht mehr Mittel zum Modellieren des

Körperrunden, sondern Mittel der Zeichnung, durch das [...] die

Oberfläche ,moduliert’ wird”48.

Dabei verzichtet Cézanne auf das Unwesentliche der darzu-

stellenden Szene, abstrahiert so und findet zur „großen Form”

und zur „Gesetzhaftigkeit der Natur”49:

„[...] man behandle die Natur gemäß Zylinder, Kugel und Kegel und

bringe das Ganze in die richtige Perspektive, so daß jede Seite eines

Objekts, einer Fläche, nach einem zentralen Punkt führt”50

Damit lässt sich „Cézannes Auswirkung auf die Kunst der Mo-

derne [...] kaum überblicken”51, er scheint einen so prägenden

45Bense, M. (1949), S.157.46ebd., S.157f.47ebd., S.158.48Braun, H. (1960), S.192.49ebd.50Cézanne, P. (1962), S.281.51Boehm, G. (1999), S.10.

Einfluss auf die Malerei des 20. Jahrhundert zu haben, wie kaum

ein anderer Künstler des 19. Jahrhunderts.

Picasso und Braque analysieren52 das malerische Konzept

Cézannes und gelangen so zu einer neuen Auffassung von Ma-

lerei: dem Kubismus. Mehr noch: Picasso sagt, er und Braques

„hätten jeden Quadratzentimeter der Malerei Cézannes sozu-

sagen verschlungen” und fügt hinzu: „Cézanne, c’était notre

père.”53

Im analytischen Kubismus ist nun die dargestellte Szene

grundlegend verändert, hat ihre Perspektive verloren und sich

in geometrische Flächen verwandelt, indem Cézannes Ansätze

konsequent weiterführt werden: das „Nadelöhr Kubismus”54 als

Zugang zur Abstraktion. „An diesem Punkt war (um 1911) der

abstrakte Kubismus erreicht und der Weg zur ,absoluten’, ge-

genstandslosen Malerei frei.”55

Im selben Jahr erscheint Wassily Kandinskys „Über das Geisti-

ge in der Kunst” und löst damit, wie Max Bill nahelegt56, die

völlige Loslösung vom Naturvorbild aus. Kandinsky selbst sieht

schon im Kubismus die völlige Vernichtung des materiellen Zu-

sammenhanges angelegt: ausgelöst durch das Suchen einer ma-

thematischen Formel, die das Kompositionelle eines Bildes aus-

drückt57.

52Gaul, W. (1976), S.244.53Fondation Beyeler (1999), S.103.54Brüderlin, M. (2001), S.20.55Braun, H. (1960), S.195.56Kandinsky, W. (1952), S.14.57Kandinsky, W. (1973), S.43.

26

Das Berechenbare im Schönen

Kandinsky selbst sagt über sein Erleben der Zeit, in der „Über

das Geistige in der Kunst” erschien:

„Das Zerfallen des Atoms war in meiner Seele dem Zerfall der gan-

zen Welt gleich. Plötzlich fielen die dicksten Mauern. Alles wurde un-

sicher, wackelig und weich. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn

ein Stein vor mir in der Luft geschmolzen und unsichtbar geworden

wäre. Die Wissenschaft schien mir vernichtet: ihre Basis war nur ein

Wahn, ein Fehler der Gelehrten, die nicht im verklärten Licht mit ru-

higer Hand ihr göttliches Gebäude Stein für Stein bauten, sondern in

Dunkelheit aufs Geratewohl nach Wahrheiten tasten und blind einen

Gegenstand für einen anderen hielten.”58

Diese „weitere Teilung des Atoms”59 ist ein Beispiel für die im-

mer weiter voranschreitende Abstraktion, Analyse und Atomi-

sierung der Erlebenswelt, die bis zum zum Beginn des 20. Jahr-

hundert nahezu jede wissenschaftlichen Disziplin und die Kunst

erfasst, um dann schließlich gezwungenermaßen an ihre Gren-

zen zu stoßen.

III.4 Die äußersten Grenzfälle derAbstraktion

Als vielleicht deutlichsten Endpunkt der Abstraktion in der Kunst

sei hier Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat” genannt, hier

ist „der äußerste Grenzfall der Abstraktion”60 erreicht.

Malewitsch schreibt dazu in „Die gegenstandslose Welt”:

„Als ich im Jahre 1913 in meinem verzweifelten Bestreben, die Kunst

von dem Ballast des Gegenständlichen zu befreien, zu der Form des

58zit. nach: ebd., S.11.59ebd.60Braun, H. (1960), S.196.

Quadrates flüchtete und ein Bild, das nichts als ein schwarzes Quadrat

auf weißem Feld darstellte, ausstellte, seufzte die Kritik und mit ihr

die Gesellschaft: ,Alles, was wir geliebt haben ist verloren gegangen:

Wir sind in einer Wüste... Vor uns steht ein schwarzes Quadrat auf

weißem Grund!”61

Aber die Kunstkritik steht nicht alleine da: Wolfgang Welsch

spricht von einer Grundlagenkrisis der „harten” Wissenschaften

und nennt Einstein, Heisenberg und Gödel62. Einstein wohl für

die spezielle Relativitätstheorie, deren Einfluss auch Max Bill be-

tont63, sicher aber auch für die Quantentheorie, die er entschei-

dend prägt.

Die Beiträge des ebenfalls genannten Werner Heisenbergs zur

Quantentheorie in Form der Unschärferelation stellen in der

Physik wohl den Endpunkt einer praktischen Analyse der Erle-

benswelt auf elementarster Ebene dar: Heisenberg stellt fest,

dass es auf atomarem Niveau Erscheinungen gibt, die sich prin-

zipiell nicht erfassen und nicht genau messen lassen.

Der als Dritter genannte Kurt Gödel nun veröffentlicht 1931

in den „Monatsheften für Mathematik und Physik” den Artikel

„Über formal unentscheidbare Sätze der ,Principia mathematica

und verwandter Systeme I”.

Darin untersucht er die beiden umfassendsten damaligen for-

malen Systeme, das System der „Principia mathematica” von

Whitehead und Russell und das Axiomensystem der Mengenleh-

re, im Hinblick auf die Vermutung,

61Malewitsch, K. (1980), S.66.62Welsch, W. (1990), S.265.63Kandinsky, W. (1952), S.11.

27

Das Berechenbare im Schönen

„daß diese Axiome und Schlussregeln dazu ausreichen, alle mathe-

matischen Fragen, die sich in den betreffenden Systemen überhaupt

formal ausdrücken lassen, auch zu entscheiden”64

Er kommt zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass es

sogar „relativ einfache Probleme aus der Theorie der gewöhn-

lichen ganzen Zahlen gibt, die sich aus den Axiomen nicht ent-

scheiden lassen”65

Der zugehörige Satz lässt sich wie folgt zusammenfassen:

„Alle widerspruchsfreien axiomatischen Formulierungen der Zahlen-

theorie enthalten unentscheidbare Aussagen.”66

Und damit nicht genug, denn Gödels Beweis gilt für alle axio-

matischen Systeme, die mit den beiden obengenannten „ver-

wandt” sind, also sich ähnliche Ziele setzten67, eine formale Zah-

lentheorie enthalten68.

Der Beweis für den obengenannten ersten Unvollständigkeits-

satz sei hier grob dargestellt:

Für Gödel besteht das formale System zunächst aus einer Men-

ge von Grundzeichen; aus deren Zusammensetzung entsteht im

formalen System dann eine Formel oder entstehen Folgen von

Formeln, wobei eine solche Folge von Formeln ein Beweis sein

kann69.

Der entscheidende Schritt ist nun die Konstruktion eines Sat-

zes, der eine Aussage über sich selbst treffen kann, und zwar

64Gödel, K. (1931), S.144.65ebd.66Hofstadter, D. E. (1985), S. 19.67ebd., S. 21.68Ketelsen, C. (1994), S.58.69Gödel, K. (1931), S.146.

derart, dass ein Widerspruch entsteht, der, wie Gödel erwähnt70,

an die Lügner Antinomie erinnert, deren bekanntestes Beispiel

wohl der Satz eines Kreters ist: „Alle Kreter lügen”.

Nun ist es in der natürlichen Sprache relativ leicht solche Aus-

sagen wie „Der Satz, den ich gerade ausspreche, ist unwahr”

zu konstruieren. Allerdings ist die Sprache des von Gödel ver-

wendeten formalen Systems nicht „semantisch universal”71, ein

Begriff, den Alfred Tarski72 geprägt hat und der die Eigenschaft

einer Sprache beschreibt, über ihre eigene Semantik Aussagen

tätigen zu können.

Um nun solche metasprachlichen Aussagen machen zu kön-

nen, ordnet Gödel Zeichen, Formeln und Folgen von Formel ein-

eindeutig Primzahlen und Produkte von Primzahlen zu. So ist

jedes Element des formalen Systems eindeutig referenzierbar.

Ein Beweis einer Formel y ist dann eine Folge von Zahlen x, die

den einzelnen Beweisschritten, also Formeln entsprechen, und

deren letztes Glied, sozusagen die letzte Zeile, die Gödelnum-

mer der zu beweisenden Formel ist.

Nun kann man sich Formeln denken, die vermittels dieser

Nummerierung Aussagen über sich selbst treffen können. Gö-

del wählt hier keine semantische Aussage der Art „ich bin nicht

wahr”, sondern formuliert einen Satz y, der sich mit „es gibt

kein x, dass ein Beweis für y ist” umschreiben lässt. Damit ist die

Aussage im Prinzip eine syntaktische, da die Eigenschaft „be-

70ebd., S.146.71Breuer, T. (1997), S.34.72vgl. Tarski, A. (1935), S.71.

28

Das Berechenbare im Schönen

weisbar” die Existenz eines Beweises voraussetzt, und dieser ist,

wie oben erwähnt, die syntaktische Abfolge von Formeln.

Allerdings gewinnt diese Aussage semantische Qualität durch

die Vorraussetzung, dass eine beweisbare Formel mit ihrer Be-

weisbarkeit auch wahr sind.

Nun muss man feststellen, das weder y noch seine Negation

beweisbar sind.

Denn nimmt man an, es gäbe ein x, das y beweisen würde,

dann wäre y auch wahr und es gäbe in der Tat kein „x, das ein

Beweis für y ist”, was der Annahme widerspricht.

Nimmt man andererseits an, die Negation von y wäre beweis-

bar, dann ist die Negation nach Vorraussetzung auch wahr, sagt

also aus „es gibt ein x, das ein Beweis für y” ist. Nun kann aber

in einem konsistenten System nicht gleichzeitig ein Satz y und

seine Negation beweisbar sein. Man steht also wieder vor einem

Widerspruch.

Da somit weder y noch dessen Negation beweisbar ist, ist die-

ser Satz formal unentscheidbar und die Beweisfähigkeit des be-

trachteten System unvollständig.

Was bedeuten die Gödelschen Unvollständigkeitssätze für das

Hilbertprogramm, das David Hilbert Anfang des 20. Jahrhun-

derts ins Leben ruft und damit eine Metamathematik zur Un-

tersuchung von Formeln, Axiomen und Beweisen der Mathema-

tik zwecks Beweis der Widerspruchsfreiheit73 fordert? Denn ei-

ne solche Metamathematik liefert ja die „Gödelisierung”. Gödel

73Ketelsen, C. (1994), S.37.

selbst sieht das Hilberprogramm nicht bedroht und schreibt sein

Satz stünde „in keinem Widerspruch zum Hilbertschen formali-

stischen Standpunkt”, da die Existenz von finiten Beweisen, die

sich im formalen System nicht darstellen lassen denkbar wäre.74

Allerdings stellte sich mit Gödel heraus, dass „sich das Problem

der Widerspruchsfreiheit eines formalen Systems nicht mit den

Mitteln des Systems beweisen läßt.”75

In solchen Problem der Selbstreferenz sieht Thomas Breuer in

„Quantenmechanik: ein Fall für Gödel?” den Zusammenhang

zwischen der Krisis der Physik und derjenigen der Mathema-

tik, denn in beiden Fällen verhindere diese den Zugang zu einer

„universell gültigen Theorie”76. Die Physik muss die Unmöglich-

keit eines absoluten Betrachters einer absoluten Natur feststel-

len und die Mathematik die Unmöglichkeit, mit den Regeln des

Systems die Widerspruchsfreiheit des selben Systems zu bewei-

sen.

Was dem Abendland von Spengler prophezeit worden wäre,

wenn er Gödel gelesen hätte, kann man sich denken.

Gödel und Heisenberg: die großen erkenntnistheoretischen

Grenzsetzer77.

Übrig bleiben Flussers „dimensionslose Punktelemente, die

weder fassbar, noch vorstellbar, noch begreifbar sind”78.

74Gödel, K. (1931), S.194.75Ketelsen, C. (1994), S.75.76Breuer, T. (1997), S.77.77von Foerster, H. (1997), S.65.78Flusser, V. (1999), S.14.

29

Das Berechenbare im Schönen

III.5 Vom Abstrakten zum Konkreten

Kunst und Wissenschaft, besonders die Mathematik, begleiten

sich über die Jahrhunderte, wie wir gesehen haben. Herbert W.

Franke schreibt:

Die Fähigkeit und das Bestreben des Menschen, Gesetzmäßigkeiten

zu erkennen, haben sich als Vorraussetzung dessen erwiesen, was wir

Kunst nennen.79

Und weiter, diese „Kenntnisse sind aber auch die Basis der Wis-

senschaft”.

Diese Verwandtschaft drückt sich schon in der Sprache aus:

Bense weist auf die Entsprechung des griechischen „rhyth-

mos” und des lateinischen „numerus” hin80, Flusser auf das grie-

chische Äquivalent des lateinischen „ars”, nämlich „techné”, „al-

so auch mechané techné”81.

Und das griechische „aisthesis” findet sich sowohl als Wahr-

nehmung, als auch als Kenntnis übersetzt82.

Sowohl Kunst als auch Wissenschaft lassen sich zurückführen auf

das Bestreben des Menschen seine Umwelt fassbar zu machen,

sie zu analysieren. Beide standen in den jeweiligen Epochen vor

ähnlichen Auffassungen von der Natur.

Folgerichtig stehen nun also sowohl Kunst, als auch Wissen-

schaft vor den selben Problemen. Die Abstraktion ist bis zu dem

Punkt geführt worden, an dem weitere Abstraktion keinen Sinn

79Franke, H.W. (1967), S.24.80Bense, M. (1949), S. 14.81Flusser, V. (1997), S.77.82vgl. Frisk, H. (1970).

mehr macht.

Aber mit der vielleicht nicht abgeschlossenen, aber zumindest

bis ins Extrem getriebenen Analyse steht der Kunst – in Form

der isolierten „atomaren” Bildelemente und der Beziehungen

zwischen ihnen – das Repertoire zur Verfügung, um völlig neue

Bildwelten zu synthetisieren. „Proun komponiert nicht, sondern

konstruiert”83 sagt El Lissitzky, wie Kandinsky und Malewitsch

ein weiterer Vertreter der russischen Avantgarde, des Konstruk-

tivismus. Friedrich Tomberg spricht von der abstrakten Kunst als

„eigener Wirklichkeit”, die neue unerhörte Anblicke schaffe84.

Malewitsch selbst sagt:

„Ein Künstler, der nicht imitiert, sondern schafft – bringt sich selbst

zum Ausdruck; seine Werke sind keine Spiegelbilder der Natur, son-

dern neue Tatsächlichkeiten, die nicht weniger bedeutend sind als die

Tatsächlichkeiten der Natur selbst.”85

All das erinnert schon stark an Flussers These von den Bilder als

Sinngebern der Welt86 und speziell an die schon oben genannte

Behauptung:

„Die Einbildungskraft ist jene Kraft, welche darauf ausgeht, dem ab-

strakten und absurden Universum, in das wir stürzen einen konkreten

Sinn zu geben.”87

Eben dieses Erzeugen einer Kunstwelt, die den selben Anspruch

hat real zu sein wie die Naturwelt bewegt Kandinsky dazu, den83zit. nach: Simons, K. (1993), S.55. Proun steht dabei als Abkürzung für „Pro

Unowis”, kurz für „Pro utwerschdenije nowychform iskusstwa”, d.h. grob „Pro-jekt für neue Formen in der Kunst”; eine Referenz an Malewitsch, der diesenBegriff geprägt haben soll, vgl. ebd., S.27f.

84Tomberg, F. (1968), S.7.85Malewitsch, K. (1980), S.28.86Flusser, V. (1999), S.52f.87vgl. Kapitel II.3, S.16.

30

Das Berechenbare im Schönen

Begriff „konkrete” Kunst dem der „abstrakten” Kunst vorzuzie-

hen88.

88Kandinsky, W. (1973), S.225.

Nach der ans Ende gelangten Analyse ist der Weg frei zur Syn-

these aus den gewonnen Elementen.

31

IV Das Schöne im Berechenbaren

Im vorhergehenden Kapitel wurde der Versuch gewagt, die sich

begleitende Geschichte der Kunst und der Wissenschaften bis ins

20. Jahrhundert zu skizzieren.

Sowohl Kunst als auch Wissenschaften haben in den ersten

Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Abstraktion ihrer jewei-

ligen Betrachtungsgegenstände bis ins Extrem vorangetrieben.

Diese Entwicklung wird begleitet von den großen gesellschaft-

lichen, politischen und wirtschaftlichen Konflikten dieser Zeit,

von den ersten Anzeichen elektronischer Massenmedien, von

der Ästhetisierung von Politik und der Politisierung von Ästheti-

schem.

Es gäbe viel zu sagen darüber, wie die Kunst sich in diesen

Jahren verhält, gerade zur Technik verhält. Der im vorangegan-

genen Kapitel genannte Konstruktivismus1, Futurismus und Vor-

1vgl. Kapitel III.5, S.30.

tizismus, wie auch Dada und der Surrealismus wären Stilrichtun-

gen, die dabei Betrachtung finden müssten. Dies soll an dieser

Stelle nicht geschehen.

IV.1 Die Rückkehr von der äußerstenAbstraktion

Zwei Erfindungen, die wie keine anderen das Weltgeschehen

prägen sollten, haben in dieser Zeit, der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts, ihren Ursprung.

„Die durch Abstraktion aller Leitfäden in Punktelemente zerfallene

Welt soll geballt werden, um wieder erlebbar, erkennbar und behan-

delbar zu werden.”2

Da ist zum einen die Nutzbarmachung der Energie der durch die

Physik postulierten Elementarteilchen in Form der Atombombe.2Flusser, V. (1999), S.28.

33

Das Schöne im Berechenbaren

Aus dem kaum zu fassenden, winzig kleinen Universum der

Punktelemente übersetzt sie mit unvorstellbarer Gewalt ins Ge-

biet menschlicher Dimensionen.

Zum anderen sind da die „großen mathematischen Maschi-

nen”3 und sie, „nicht die Erfindung der Atombombe” stellen

laut Max Bense die entscheidende technischen Entwicklung un-

serer Epoche dar.

Shannon schreibt über die Computer:

„In atomic energy it has been suggested we have a bear by the tail.

In the development of computing machinery we have something like

a very active an rapidly growing cub by the tail.”4

Die durch „cub” angedeutete Verwandtschaft des Computers

mit dem Bären Atomenergie kommt nicht von ungefähr. Die

von-Neumann-Architektur heutiger Rechner wurde von John

von Neumann erdacht, um mit den Problemen der Berechnung

seines Implosions-Konzeptes für die Zündung der Atombombe

umgehen zu können5.

Berechnungen dieser Art sprengten die durch ihre Architek-

tur gegeben Grenzen der damaligen Rechner, namentlich die

des ENIAC. Und so kommt es, dass in den Schutzgräben von Los

Alamos beim Test der ersten Bombe auch Computerpioniere lie-

gen6: unter anderem Vannevar Bush und John von Neumann.

Vorgedacht durch Pascal, Leibnitz und Babbage und auch

teilweise in Form von mechanischen Rechenmaschinen reali-

3zit. nach: Gunzenhäuser, R. (1991), S.18.4Shannon, C.E. (1953), S.691.5Hagen, W. (1994), S.141.6ebd.

siert, entstehen in den Dreißiger und Vierziger Jahren des 20.

Jahrhunderts die ersten programmgesteuerten elektromechani-

schen und elektronischen Rechenmaschinen: die Rechner von

Zuse, Howard Aikens MARK, der britische Colossus und Eckert

und Mauchlys ENIAC.

Von Neumann übernimmt7 für die von ihm vorgeschlagene

Architektur einer Rechenmaschine das Konzept binärer Grun-

dentscheidungen von der Turingmaschine und stellt Daten und

Programm gleichberechtigt in einen sequentiellen Adressraum,

den Speicher, der allerdings im Gegensatz zu Turings theoreti-

schem Modell endlich ist. Auch kann von Neumann nicht von ei-

ner Nullzeit zwischen der Verarbeitung einer Operation und der

nächsten ausgehen. Ein diskreter Takt von Zeitfenstern für die

einzelnen Instruktionen gibt die Verarbeitungsgeschwindigkeit

der Rechner der von-Neumann-Architektur vor.

Von Neumann selbst stellt fest, dass mit der Röhrentechnik

diese Verarbeitungsgeschwindigkeit noch bis in die fünfziger

Jahre der von elektromechanischen Rechnern unterlegen ist.8

Neben der Entstehungszeit, den beteiligten Personen und

den Gründen der Entstehung legt auch noch etwas anderes die

Verwandtschaft des Computers mit der Atombombe nahe: das

obengenannte Übersetzen aus den Dimensionen der Punktele-

mente.

Denn auch der Digitalrechner leistet genau diese „Über-

setzung” aus dem Bereich quantenmechanischer Ereignisse in

7ebd.8vgl. ebd.

34

Das Schöne im Berechenbaren

menschlich erfahrbare Dimensionen.

Ähnlich wie in der Physik mit der Energie des Atoms entsteht

hier durch Ingenieurtum aus einer Krisis der Wissenschaft ein

Apparat. Die Abstraktion und Formalisierung in beiden Diszipli-

nen stellt die reine Wissenschaft vor Probleme, aber das, was an

praktisch Anwendbarem abfällt, wird auch verwandt.

Von Neumanns Rechnerarchitektur entsteht in Kenntnis9 der

Arbeiten seines Princetoner Kollegen Turing.

Und Turings gedankliche Maschine, die er 1936 in seinem Auf-

satz „On Computable Numbers with an Application to the Ent-

scheidungsproblem” vorstellt, ist Teil der Krisis der Mathematik

zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie Gödel beschäftigte sich Tu-

ring mit dem Hilbertprogramm, in seinem Fall speziell mit der

Frage, ob eine gegebene logische Formel in einem formalen Sy-

stem erfüllbar10 ist oder nicht: dem sogenannten Entscheidungs-

problem.

Um für eine gegebene Formel ein Verfahren anzugeben, das

das Entscheidungsproblem löst, bedurfte es zunächst einer ge-

naueren Definition, was unter einem solchen Verfahren zu ver-

stehen sei, der Begriff des Algorithmus musste präzisiert wer-

den11.

Turing tut das in seinem Aufsatz, indem er den intuitiven Be-

griff der Berechenbarkeit in ein formales System überträgt –

9Beide waren zwischen 1936 und 1938 längere Zeit in Princeton, vgl. ebd.10Zum Entscheidungsproblem als Teil des Hilbertprogramms vgl. Ketelsen, C.

(1994), S.37; zum Entscheidungsproblem als Suche nach einem Verfahren zurEntscheidung der Erfüllbarkeit vgl. ebd., S.100.

11Ketelsen, C. (1994), S.101.

das der Turingmaschine. Er konstruiert aus dem Vorgehen ei-

nes rechnenden Menschen eine gedankliche Maschine, die die-

ses Vorgehen abbildet:

„The behaviour of the computer at any moment is determined by

the symbols which he is observing, and his „state of mind” at that

moment.”12

Das genannte Verhalten eines Rechners äußert sich dann in ele-

mentaren Operationen, die zu einer Veränderung des Zustandes

– des „state of mind” – und der Symbole, die er betrachtet führt.

Formal resultiert das in einer Definition einer Turingmaschine

wie der oben13 angegebenen. Mit einer solchen einfachen Tu-

ringmaschine ist der Satz von Bammé et al. verständlich: „Der

Algorithmus ist die Maschine”14.

Turing stellt ebenfalls eine universelle Turingmaschine15 vor,

die durch eine Art „Gödelisierung”16 einer anderen Turingma-

schine in der Lage ist, diese zu simulieren und damit beliebig neu

programmiert werden kann. Damit ist der Algorithmus dann Teil

der Maschine und wird wie ein Datum gehandhabt – wie bei der

von-Neumann-Architektur. Mit Hilfe dieser universellen Turing-

maschine ist Turing wie Gödel in der Lage, Aussagen über Bere-

chenbares, in diesem Fall andere Turingmaschinen, zu machen

und kommt zum Schluss12Turing, A.M. (1936), S.250.13vgl. Kapitel II.3, S.18.14Bammé, A. et al. (1983), S.154.15Turing, A.M. (1936), S.241.16Turing bezieht sich im Text unter anderem auf Gödel, um auf die bloße ober-

flächliche Ähnlichkeit mit dessen Arbeit hinzuweisen, vgl. ebd., S.230. Allerdingskann man annehmen, dass Turing „in der Entwicklung seines Codierungungsver-fahrens von Gödel beinflusst wurde”, vgl. Ketelsen, C. (1994), S.112.

35

Das Schöne im Berechenbaren

„that there can be no general process for determing whether a given

formulae A of the functional calculus K is provable, i. e. that there can

be no machine which, supplied with any one A of these formulae, will

eventually say wether A is provable.”17

Damit ist das Entscheidungsproblem in diesem Zusammenhang

nicht lösbar – wie schon Gödels Arbeit ein Problem für das Hil-

bertprogramm und für die Mathematik.

Aber auf den Negativbeweis, dass ein allgemeiner Algorith-

mus zu Lösung mathematischer Fragen nicht angegeben werden

kann, folgt der Positivbeweis, dass berechenbar ist, was algorith-

misch notierbar ist18.

Man kann die in Turings Arbeit beschriebene universelle Tu-

ringmaschine als Prototyp eines Allzweck-Computers19 auffas-

sen – Boris Trakhtenbrot geht soweit von Turing als Propheten

der Ära des digitalen Computers zu sprechen20.

Und so geht aus den jeweiligen Krisen der Wissenschaften der

digitale Computer hervor. Physik und Mathematik liefern die

Modelle der Berechenbarkeit, die Ingenieurstechnik die Spei-

cherentwicklung und -adressierung sowie die Nachrichtentech-

nik21.

Die Verbreitung der elektronischen Rechner nimmt zunächst

nur langsam zu: Die Kosten sind enorm und der Bedarf scheint

nicht vorhanden. Man denke an die Worte des IBM Chefs Tho-

mas Watson von 1943, „I think there is a world market for maybe

17Turing, A.M. (1936), S.259.18vgl. Hagen, W. (1997), S.37.19vgl. Ketelsen, C. (1994), S.107.20Trakhtenbrot, B.A. (1988), S.604.21vgl. Hagen, W. (1997), S.37.

five computers”.

Einen weiteren Grund für die zunächst langsame Verbreitung

stellen sicherlich die technischen Hürden dar, die bewältigt wer-

den mussten, wollte man einen Großrechner der damaligen Zeit

instruieren. So steht denn die Öffentlichkeit der fünfziger Jahre

staunend, bewundernd und sicherlich auch distanziert vor den

„Elektronengehirnen”.

Und sicherlich auch vor der „Abstrakten Kunst” – ein Wort,

dass in der Kunst wahrscheinlich einen genauso seltsamen Bei-

geschmack hat wie das Wort „Elektronengehirn” in der Informa-

tik. Kandinsky zum Beispiel sprach lieber, wie oben22 erwähnt,

von einer Konkreten Kunst.

Die Avantgarde der fünfziger Jahre stellte sicher das Informel

dar, ein Oberbegriff für Kunstrichtungen, die je nach Interessen-

schwerpunkt Abstrakter Expressionismus, Action Painting oder

Tachismus heißen23.

„Das Informel war vom Anfang des 20. Jahrhundert weltweiten ein-

setzenden Abstraktionsbestreben in der Kunst, an das man nach 1945

in Deutschland wieder anzuknüpfen suchte, vorbereitete worden.”24

Es geht, über das Abstraktionsbestreben am Anfang des Jahr-

hunderts hinausgehend, nicht nur um die Loslösung vom Gege-

ständlichen, sondern auch um die Loslösung von der Form als

solcher25 – Informel: formlos. Darüberhinaus geht es um Akti-

on, wie Mensch durch eine körperliche Handlung mit Farbe und

22vgl. Kapitel III.5, S.31.23Posca, C. (1997), S.8.24ebd., S.10.25ebd., S.11.

36

Das Schöne im Berechenbaren

Leinwand ein Bild erzeugt. Pollock und de Kooning, die grossen

Namen, die man nennen könnte, betonen laut Winfred Gaul im-

mer wieder „den Vorgang des Machens – also das Prozeßhafte

der Malerei”26. Mit Harold Rosenberg heißt das: „Nicht das ge-

machte Objekt ist das eigentliche Werk, sondern die Evidenz des

Tuns”27.

Auf wenig Gegenliebe stieß das Informel, als zu unanschaulich

erschien es:

„Eher tat man sich schwer mit den neuen Phänomenen, die selbst

ein fortschrittlich denkendes Publikum ablehnte. Allenthalben wurde

das schwer domestizierbare Kind verhöhnt, sprach man, wie bisweilen

heute noch, von reiner Willkür, dem bloßen Abladen von Gefühlen

oder einer leeren Gestik.”28

„Informel, das geht schnell” und „Jack the Dripper” als Spitzna-

me für Pollock waren die Worte, die man fand.

Zu de Kooning geht nun Robert Rauschenberg, „der Vater der

amerikanischen Pop Art”29 mit folgendem Anliegen: de Koo-

ning möge ihm doch bitte eine Zeichnung schenken, die er aus-

radieren dürfe30.

De Kooning weiß wohl, was die tiefere Bedeutung dieser Ak-

tion sein soll, denn er gibt Rauschenberg tatsächlich eine seiner

Zeichnungen, die dieser dann mühevoll ausradiert und mit „Era-

sed De Kooning Drawing” betitelt. Wir werden später nochein-

mal auf dieses Bild zurückkommen.

26Gaul, W. (1976), S.242.27zit. nach: ebd.28ebd., S.13.29Tesch, J. und Hollmann E. (1997), S.128.30Raap, J. (1998), S.383.

Es sei dahingestellt, ob man dies nun als Lösung von einem

Vorbild, „Ausradieren” des Abstrakten Expressionismus oder

Symbol für die beginnende Pop Art verstehen möchte.

Allerdings kann man feststellen, dass die Bedeutung des Ab-

strakten Expressionismus schwindet, vom Action Painting bleibt

die Action, die sich in der Performance und im Happening mani-

festiert31. Fluxus und Neodada sind weitere Erben.

Die jetzt aufblühende Pop Art ist dem Gegenständlichen nä-

her: Die Bilder der Pop Art sind in beliebig vielen Bedeutung des

Wortes Ikonen. Sie entstehen durch das Herausreißen von häu-

fig bekannten Formen aus anderen Zusammenhängen und sind

im Falle Warhols vom Charakter der Massenproduktion geprägt.

Ungefähr zeitgleich entsteht die vom Namen her ähnliche Op

Art, die „Optical Art”.

Als ihr „Vater”32 gilt Victor Vasarely, der wieder direkt auf die

Krisis der Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein-

geht: seine Bilder seien Antworten „auf die durch die Physik rät-

selhaft gewordene Welt”33.

Er vertritt dabei die Meinung:

„Idee und Technik der Kunst können sich von jetzt an nur noch Hand

in Hand mit dem Denken und den fortschrittlichsten Techniken der

Zeit weiterentwickeln.”34

Die Bilder der Op Art spiegeln diesen technischen Aspekt

wider: Streng geometrisch sind sie aufgebaut, nach festen

31Schmied, W. (2002), S.15.32Tesch, J. und Hollmann E. (1997), S.140.33ebd.34ebd.

37

Das Schöne im Berechenbaren

mathematischen Regeln.

IV.2 Bilder aus dem Computer

Die Frage drängt sich spätestens jetzt auf, warum man diese Re-

geln nicht von einem Computer ausführen lassen soll.

Und warum auch nicht? Das Malen und das Programmieren

scheinen zumindest nicht soweit auseinander zu liegen, dass

man nicht die selbe Metapher für sie verwenden könnte, wie

wenig aussagekräftig das auch sein mag:

Kandinsky schreibt unter der Überschrift „Berechnung”:

„Was sind Kochrezepte? Eine Aufzählung von ,Elementen’ und eine

Angabe der Proportion. Dazu der Werdegang der Zubereitung. [...]

Ein Bild ist auch eine ,Speise’, die aus proportionierten Elementen be-

steht und eine genaue ,Zubereitung’ verlangt. [...] Elemente, Propor-

tionen, Zusammenstellungen, die sich zahlenmäßig ausdrücken las-

sen.”35

Das gleiche sprachliche Bild verwendet Donald Knuth im Be-

zug auf einen Algorithmus, auch wenn er es gleich wieder ein-

schränkt:

„Let us try to compare the concept of an algorithm with that of a

cookbook recipe. A recipe presumably has the qualities of finiteness

(although it is said that a watched pot never boils), input (eggs, flour,

etc.), and output (TV dinner, etc.), but it notoriously lacks definiteness.

[...] Nevertheless a computer programmer can learn much by studying

a good recipe.”36

Die Hardware der elektronischen Rechner hat sich bis in die

sechziger Jahre grundlegend weiterentwickelt: Auf Röhren fol-

35Kandinsky, W. (1973), S.159.36Knuth, D.E. (2002), S.6.

gen Transistoren, auf Transistoren dann später die integrierten

Schaltkreise.

Viel entscheidender für ihre voranschreitende Verbreitung

aber war, was der Gewinn an Speicher und Geschwindigkeit mit

sich brachte: die Entwicklung von Programmiersprachen. War

die Programmierung von Rechenanlagen in den fünfziger Jah-

ren „eine schwarze Kunst, eine eher private Arkanpraxis” wie

John Backus feststellt37, so machten die ersten Programmier-

sprachen wie Shortcode, das konzeptionell aus dem ENIAC Team

hervorgeht und FORTRAN von Backus selbst, das Programmieren

einem weiteren Anwenderkreis zugänglich.

Wolfgang Hagen sieht hier die Entwicklung des medialen

Aspektes des Computers angedeutet:

„Meine These ist: Es war beim Archestrukt der von-Neumann-

Maschine über Jahrzehnte nicht erkennbar, daß es sich um mehr als

eine neue Rechenmaschine handeln sollte, um mehr als ein mächti-

ges Kopfarbeitszeug, nämlich um ein Medium der Kommunikation.

Die Entwicklung von FORTRAN zeigt überdeutlich, wie der Kommuni-

kationsimperativ gleichsam von allen Seiten an die Maschine heran-

wuchs. Nur im Archestrukt der Maschine war er offensichtlich nicht

zu entdecken.”38

Hinzukommt, das jetzt Ausgabegeräte zur Verfügung stehen,

die die Ausgabe von Grafiken zulassen. Gab es bereits in den

frühen fünfziger Jahren grafische Erzeugnisse mit Hilfe von Os-

zillographen und Rechnern, entstanden im Verlauf dieses Jahr-

zehnts die ersten Plotter, unter anderem der Graphomat Z64 von

Zuse.37zit. nach: Hagen, W. (1997), S.58.38ebd., S.66.

38

Das Schöne im Berechenbaren

Damit stand das Werkzeug zu Verfügung, um mittels „höchst

einfachen Gesetzmäßigkeiten”39 Computergrafiken zu erzeu-

gen – auch solche mit künstlerischem Anspruch, wenn auch Hei-

ke Piehler darauf hinweist, wie zurückhaltend die Pioniere der

Computerkunst mit den Begriffen „Kunst” und „Künstler” um-

gingen40.

In den Anfängen waren das tatsächlich manchmal Bilder, die

an Werke der obengenannten Op Art angelehnt waren41. Hei-

ke Piehler nennt ein Werk Kurd Alslebens, dem man noch A.

Michael Nolls „Waveform” hinzufügen könnte: ein Werk, das

von seinem Vorbild, d.h. Bridget Rileys „Current” kaum zu un-

terscheiden ist.

Aus unterschiedlichen Zwecken entstanden Anlehnungen an

Werke der Pop Art, Mondrians oder Klees; allerdings war die

bloße Kopie von Bestehendem nicht das Charakteristikum der

frühen Computerkunst. Sie entsteht, so Herbert W. Franke, aus

dem

„Impuls, mit geometrischen Gebilden frei zu experimentieren, über

die technischen und naturwissenschaftlichen Aufgaben hinauszuge-

hen und die Möglichkeiten der Apparate auch im freien Spiel der

Imagination zu erproben.”42

In Deutschland fußt und wurzelt43 die Computerkunst in der

Informationsästhetik und kann als ihr „synthetischer, generati-

39Franke, H.W. (1993), S.10.40Piehler, H. M. (2002), S.335.41ebd., S.341.42zit. nach: ebd., S.342.43ebd., S.188f.

ver Zweig”44 angesehen werden. Die Informationsästhetik, auch

„exakte Ästhetik” entsteht Ende der fünfziger Jahre mit dem

Ziel, ästhetische Zustände mittels Zeichenklassen und Zahlen-

werten zu erfassen – gerade auch im Bezug auf die abstrakte

Kunst der Moderne45.

Nach Max Bense, dem Begründer der deutschen Informations-

ästhetik ist dabei unter einer generativen Ästhetik

„die Zusammenfassung aller Operationen, Regeln und Theoreme zu

verstehen, durch deren Anwendung auf eine Menge materialer Ele-

mente, die als Zeichen fungieren können, in diesen ästhetische Zu-

stände (Verteilungen bzw. Gestaltungen) bewußt und methodisch er-

zeugbar sind.”46

Damit ist ein derart erzeugtes Werk – z.B. ein Bild – immer zu se-

hen als etwas, das seine Existenz der Ausführung eines Algorith-

mus über einem festgelegten Zeichenrepertoire verdankt und

das Neue an der Computerkunst „nicht das Zeichnen oder Ma-

len, sondern die Art wie das geschieht, daß Bilder mit sprach-

lichen Mitteln erzeugt werden können, aus einem ,Nichts’, als

Konkretisierungen bestimmter Ideen.”47

Wenn Schrift sich laut Flusser aus dem Versuch der Beschrei-

bung von Bildern entwickelt hat48, dann kann man das als einen

analytischen Vorgang betrachten. Nun aber steht ein System zur

Verfügung, das es ermöglicht Bilder das erste Mal in ihrer Ge-

schichte formal zu beschreiben und aufzuschreiben und damit

44ebd.45vgl. ebd., S.185f.46Bense, M (1965), S.333.47Kiwus, W. (1993), S.32.48vgl. Kapitel II.1, S.13 und Kapitel III.1, S.22.

39

Das Schöne im Berechenbaren

ihre Synthetisierung aus dem „Nichts” möglich macht.

Das hat Folgen für den künstlerischen Schaffensakt, denn der

Gestalter muss zunächst das „Kochrezept” vollständig und mit

der nötigen „definiteness” formulieren, inklusive aller Entschei-

dung über die Erscheinung makro- und mikroästhetischer Ein-

zelheiten. D.h. alle lokalen Bildentscheidungen müssen in ir-

gendeiner algorithmischen Form bereits vor der Entstehung des

Bildes getroffen sein.

Über Universitäten und Institute nimmt die Verbreitung von

Computern im Verlauf der sechziger Jahre weiter zu und all-

mählich stehen sie auch Menschen zur Verfügung, die keinen

„technischen und naturwissenschaftlichen Aufgaben” nachge-

hen und die die ihnen zugänglichen Rechner nur zum Zwecke

der Auslotung konkreter ästhetischer Problemstellungen nutzen

– als Werkzeug um Ergebnisse zu erzielen, die ohne Rechner

nicht möglich gewesen wären.

Das Hervortreten des medialen Charakters des Computers, das

ja laut Wolfgang Hagen schon mit der Entwicklung der Program-

miersprachen begonnen hat, setzt sich fort: mit der langsam ein-

setzenden Vernetzung der Computer und mit der Entwicklung

der ersten Personal Computer in den siebziger Jahren. Mit den

Personal Computern wird die digitale Bearbeitung, Erzeugung

und Verbreitung von Bildmaterial schließlich zum Standard in

Wissenschaft, Wirtschaft und Unterhaltung. Der Name „Perso-

nal Computer” wird am Entwicklungslabor PARC der Firma Xer-

ox geprägt, die 1973 einen ersten solchen Rechner vorstellt: den

noch unerschwinglich teuren „Alto”.

Dieser Computer verfügt, wie die Generationen von Personal

Computern nach ihm, über einen Rastergrafik basierten Bild-

schirm zur Ausgabe.

Damit liegt die Form fest, in der Bilder heute am Computer

erscheinen: als Flussersche Raffung von quantenmechanischen

Effekten in den Chips und am Bildschirm und weiter als zwei-

dimensionales Mosaik einer algorithmischen erzeugten Reihung

von Bits.

Hier erscheint die am Anfang des Kapitels erwähnte „Über-

setzung”: Im Computer wird ein System von quantenmecha-

nischen Ereignissen in der Hardware mit den kleinstmöglichen

logisch-mathematischen Unterscheidungen, den binären Grun-

dentscheidungen überbaut.

Auch das ist menschlichen Dimensionen noch nicht wirkliche

nahe. Die Übersetzung aus diesen rein logischen Punktelemen-

ten erfolgt durch Hierarchien von Programmiersprachen und un-

terschiedlichste Interpretationen von Bitfolgen. Das führt dann

auch zu der oben49 genannten Synonymie, die natürlich keine

ist.

Aus einem Potentialtopf vertriebene Elektronen haben kei-

ne Bedeutung. Auch die sie repräsentierenden Bits sind bedeu-

tungslos, aber sie können interpretiert werden. Das geschieht

durch einen Prozess:

„Wenn sich etwas schreibt, das funktionieren soll, z.B. ein Programm-

listing, muß man es auf dem System laufen lassen. [...] Programme

49vgl. Kapitel II.3, S.17.

40

Das Schöne im Berechenbaren

sind Folgen aus definierten Rekursionen, also etwas, was sich an die

Schrift hält, die sich nur an ihr Schreiben hält.”50

Um ein Beispiel zu geben, auf welche Weise Bilder aus dem Com-

puter anders wirken und anders zu betrachten sind, sei auf Ge-

orge Pusenkoff verwiesen, der laut Jürgen Raap analysiert, wie

„Informationsverarbeitung im Computer – ihre Fraktalität, wie

sie Vilém Flusser beschrieben hat”51 – stattfindet.

Fast fünfzig Jahre nach der oben erwähnten Begegnung zwi-

schen de Kooning und Rauschenberg nimmt sich Pusenkoff noch

einmal dieses Werkes an: Er scannt das Bild komplett mit allen

Radierspuren ein und überträgt das so gewonnene Rasterbild

auf die Leinwand. Dem Ganzen gibt er den Titel „Erased Rau-

schenberg” bzw. „Twice Erased Drawing De Kooning”52.

Bis hierhin scheint es, als wolle Pusenkoff eine Kopie von Rau-

schenbergs „Radierung” anfertigen, sogar bis zum Anspruch,

ein Vorbild gelöscht zu haben.

Er hätte diese Löschung vielleicht noch total machen können,

indem er allen Pixeln des Rasterbildes die Farbe Weiß zugewie-

sen hätte. Damit wäre dann die letzte Spur von Rauschenberg,

von de Kooning und einer wie auch immer gearteten Bedeu-

tung verschwunden und das Bild wäre identisch mit allen ande-

ren komplett weißen Bildern dieser Auflösung. Ein Ausdruck der

„unmenschlich kühlen Klarheit”53, die laut Pusenkoff am Com-

puter herrscht. Aber Pusenkoff macht etwas anderes: Er über-

50Schreiber, J. (1994), S.102.51Raap, J. (1998), S.383.52vgl. Abb. IV.1.53zit. nach: ebd.

Abb. IV.1: George Pusenkoff: „Twice Erased de Kooning/ErasedRauschenberg”.

41

Das Schöne im Berechenbaren

trägt das gescannte Bild mit den Radierspuren von Rauschen-

berg mit Acrylfarbe auf die Leinwand, ohne das Bild entschei-

dend mehr zu verändern, als das schon durch das Scannen pas-

siert ist. Und dann malt er als Bilderrahmen um das Bild den

Fensterrahmen der grafischen Oberfläche eines Computers.

Dieses Einrahmen setzt das Bild in seinen Kontext: So sehen

Bilder am Computer aus. Alle haben einen irgendwie gearteten

Rahmen und bestehen aus einer endlichen Menge von Bildpunk-

ten.

Sie sind das Ergebnis eines Prozesses, der sie schließlich inner-

halb dieses Rahmens darstellt. Ohne einen solchen Kontext ist

ein Rasterbild mit ein paar weißen und ein paar schwarzen Pi-

xeln – und erst recht eines, das ausschließlich weiß ist – völlig

belanglos. Das genannte Werk Pusenkoffs kann man sicherlich

nicht als Computerkunst im engeren Sinne betrachten und auch

nicht als algorithmisches Bild. Es spielt aber mit den Charakteri-

stiken eines solchen Bildes und weist auf sie hin.

Ein algorithmisch erzeugtes Bild kann man als einen mögli-

chen sinnlich – z.B. am Monitor – wahrnehmbaren Endpunkt ei-

nes technisch-symbolischen Prozesses verstehen. Angelegt wird

es im Algorithmus. Stellt man sich tatsächlich die Frage nach dem

Berechenbaren im Schönen wie oben54 angedeutet, so ist das die

Frage nach dem bilderzeugenden Algorithmus.

54vgl. Kapitel II.4, S.20.

IV.3 Die Originalität desalgorithmischen Bildes

Der Zusammenhang zwischen Algorithmischem und Ästheti-

schem ist eng, wie wir in den vorangegangenen Kapiteln ge-

sehen haben, und seit der Verbreitung des Digitalcomputers

als Medium allgegenwärtig, wenngleich auch selten sichtbar.

Wenn, dann häufig im Loblied auf eine Technik, die eine noch

beeindruckendere Mimesis einer Wirklichkeit zulässt. Und je

machtvoller diese Mimesis, die Illusion wird, desto einfacher

scheint das „oberflächliche”55 Anschauen zu sein, das damit

häufig die Existenz des zugrunde liegenden Algorithmischen

verdeckt. Digitale Bilder mit photorealistischem Anspruch sind

von dieser Art.

In anderen Zusammenhängen kann davon geredet werden,

dass die Möglichkeiten der digitalen Bilderzeugung dem Men-

schen neue Möglichkeiten der Kreativität bieten, da er nun

von langweiliger Routinearbeit befreit werde. Ein Argument mit

Tendenz zur Technikgläubigkeit und eines, das an die obenge-

nannte56 Werbung für das Werkzeug Proportionalzirkel erin-

nert: ein Instrument „mittelst dessen jeder, [...] nach der Natur

alles geschwind und pünctlich zu zeichnen vermag.”

In diesen beiden Sichtweisen auf digitale Bilder ist vom Algo-

rithmus nur die Rede, um auf die jeweilige Effizienz beim Er-

reichen eines bestimmten Zieles hinzuweisen. Die Frage danach,

55vgl. Kapitel II.4, S.19f.56vgl. Kapitel III.2, S.25.

42

Das Schöne im Berechenbaren

wo die Ästhetik sich verbirgt, wo das digitale Bild selbst existiert

und wie es um dessen Originalität bestellt ist, wird nicht berührt.

Auch Pusenkoff umgeht die Frage nach der Existenz und der

Originalität des Bildes durch seinen Akt der Übertragung auf die

materielle Leinwand. Wo existiert das digitale Bild? Exisitiert es

überhaupt? „Computer haben keine BIlder”57, schreibt Claus Pi-

as provokativ. Selbstverständlichen haben Computer keine „Bil-

der” als Umschreibung von Ideen von Dingen. Aber sie scheinen

auch ansonsten keine Bilder zu haben. Das, worüber sie verfü-

gen sind Bilddateien oder Bitmuster, die durch Pixelmengen am

Bildschirm sichtbar gemacht werden können und vom Beobach-

ter als Bilder interpretiert werden. Sie existieren also nur als In-

terpretation eines technischen Prozesses.

Ein Bitmuster im Computer ist dann nichts weiter als jede an-

dere dort mögliche Kombination von Bits, völlig beliebig. Wo

steckt dann das Original des Bildes? Wenn Pusenkoff Rauschen-

bergs Bild einscannt und ausradiert, dann arbeitet er auf einer

digitalen Kopie dieses Bildes, von der es beliebige weitere Kopi-

en gibt, aber eben kein Original.

Kann man zu einem gegeben Bild einen Algorithmus bestim-

men? Die Antwort muss sofort ja lauten, denn einen Algorith-

mus der eine Funktion f : Q ⊂ N2 → C ⊂ N berechnet, muss sich

immer finden lassen. Eine solche Funktion kann man als Dar-

stellung eines digitalen diskreten Bildes auffassen58, ihre Werte

sind dabei natürliche Zahlen zur Farbkodierung. Es existiert im-

57Pias, C. (2001), S.65.58vgl. Nake, F. (1974), S.106ff.

mer eine Abbildung f mit |Q| = n, Q = {q0, q1, ..., qn−1} sowie

Farbkodierungen ci ∈ C :

f(q) =

c0 für q = q0

c1 für q = q1

...

cn−1 für q = qn−1

Das ist dann in dieser Form im Prinzip nichts weiter als die Bele-

gung des jeweiligen Grafikspeichers und in jedem Fall aufwen-

dig und verschwenderisch59.

Vernachässigt wird die Tatsache, dass für beliebige qi, qj

f(qi) = f(qj) gelten kann, es also Mengen von Bildpunkten gibt,

die die gleiche Farbe besitzen.

Das führt zu einer kompakteren Bilddarstellung60: Angenom-

men im Bild sind r unterschiedliche Farben enthalten, dann

ist {c0, c1, ..., cr−1} die Menge dieser Farben und f beschreibbar

durch (c0, C0), (c1, C1), ..., (cr−1, Cr−1), wobei Ci = [f = ci] =

{(x, y) : f(x, y) = ci}.

Mit Funktionen solcher Art ist jedes beliebige digitale Bild

vollständig beschreibbar. Seine Entzifferung ist so die Frage nach

seiner Bezifferung, oder genauer: die Bezifferung im Bitmuster,

das am Monitor als Bild wirkt.

Nun ist aber ein solcher analytischer Blick auf digitale Bil-

der immer einer „von oben”, soll heißen vom Bild aus auf

59ebd., S.108.60ebd., S.110.

43

Das Schöne im Berechenbaren

die Beliebigkeit der zugrunde liegenden Flusserschen Punkt-

elemente. Ein eigenes Erzeugen digitaler Bilder mit einem sol-

chen vorangehenden Bilck führt in die Richtung gängiger Paint-

Programme.

Die Frage nach dem Original oder der Ästhetik ist damit nicht

angesprochen. Vielleicht kann man sich daraus retten, indem

man die Originalität nicht im beliebigen und beliebig kopierba-

ren Bitmuster sucht, sondern im Algorithmischen. Nicht in dem

einen Algorithmus, der diese oder jene Bilder zu erzeugen ver-

mag, sondern in der Idee für den Algorithmus. Im Reiz, den

eine bestimmte Art von Algorithmen haben kann, bis zu dem

Punkt, an dem man von einem ästhetischen Algorithmus spre-

chen kann. Nicht, weil er effektiv ist oder syntaktisch schön, son-

dern weil die Idee, die zu ihm führt als schön oder reizvoll wahr-

genommen werden kann.

Damit wäre eine solche Idee eines Algorithmus das Original,

die originelle Idee, und auch gleichzeitig etwas, an dem wir Äs-

thetik festmachen könnten. Will man das algorithmisch Ästheti-

sche herausstellen und diesen Zusammenhang vermitteln, dann

macht es wahrscheinlich Sinn, bei einer solchen Idee eines Algo-

rithmus zu beginnen.

Man könnte dann weiter einschränken, dass Bilder, die zum

Zwecke dieser Vermittlung erzeugt werden, idealerweise über

ein gewisses Maß an Abstraktheit verfügen sollten, mit dem Hin-

tergedanken, dass damit der Algorithmus dahinter vielleicht ein-

facher nachvollziehbar sein könnte.

Abb. IV.2: Georg Nees: „Schotter”.

44

Das Schöne im Berechenbaren

Nimmt man dann solche reduzierten Ästhetiken, dann sollte

es machbar sein, Beziehungen zu finden zwischen gegeben Bil-

dern und einem hypothetischen, sie erzeugenden Algorithmus

einerseits und einem selbstentworfenen Algorithmus anderer-

seits, der eine Klasse Bilder erzeugt, die den gegebenen ähneln;

um sich so „von unten”, konstruierend dem digitalen Bild zu nä-

hern.

Nehmen wir als Beispiel ein Bild eines Vertreters der frühen

Computerkunst, Georg Nees’ „Schotter”61. Man sieht leicht, dass

es sich um eine Verteilung von 12 × 22 Quadraten handelt. Das

Bild besteht also aus einer Verteilung von 264 elementaren Zei-

chen, den Quadraten. Dabei scheint jedes Quadrat je nach Höhe

im Bild in seiner Position verrückt und ebenfalls in Abhängigkeit

zur Höhe rotiert zu werden. Nehmen wir das als Hypothese für

den erzeugenden Algorithmus.

Jetzt könnte man einen auf dieser Idee basierenden Algorith-

mus schreiben, der dann wiederum eine Menge von Bildern als

Erzeugnis liefern kann. Im ständigen Vergleich vom Gegebenen

mit dem Selbsterzeugten liegt eventuell die Möglichkeit, sich

dem Verhältnis vom Algorithmus und Ästhetik am Computer,

beim digitalen Bild zu nähern.

61vgl. Abb. IV.2.

Ein Versuch, so etwas zu ermöglichen, soll das unten62 behan-

delte Software-Beispiel darstellen.

An dieser Stelle sei auf ein Zitat von Donald Knuth hingewie-

sen:

„It has often been said that a person does not really understand so-

mething until he teaches it to someone else. Actually a person does

not really understand something until he can teach it to a computer,

i.e., express it as an algorithm.”63

Es liegt nahe, auf die Bedeutung des Algorithmus für das di-

gitale Bild hinzuweisen, indem man jemandem vor die Aufgabe

stellt, selbst einen solchen Algorithmus zu entwerfen.

Dieses Lernen durch Handeln, nämlich das selbständige

Entwerfen eines Algorithmus zum Verständnis algorithmisch-

ästhetischer Prozesse, führt direkt zum konstruktivistischen Ler-

nen, auf das im nächsten Kapitel kurz eingegangen werden soll.

62vgl. Kapitel VI, S.53.63Knuth, D.E. (1974), S.327.

45

V Konstruktivistisches Lernen

Der Konstruktivismus ist eine Wissenstheorie, die den Menschen

allein für sein Wissen und Handeln verantwortlich macht1.

„Der Konstruktivismus ist keine Theorie des Seins, formuliert keine

Aussagen über die Existenz der Dinge an sich, sondern ist eine Theo-

rie der Genese des Wissens von Dingen, eine genetische Erkenntnis-

theorie.”2

Eine Konstruktion von Wissen kann dabei nur durch Aktion

stattfinden, der Konstruktivismus trägt der Einsicht Rechnung,

dass „Erkennen und Wissen nicht der Niederschlag eines passi-

ven Empfangens sein können, sondern als Ergebnis von Hand-

lungen eines aktive Subjekts entstehen.”3

Die Erkenntnis der Unmöglichkeit eines wahren Wissens über

die reale Welt ist nicht erst mit dem Konstruktivismus in der

1vgl. von Glasersfeld, E. (1984), S.17.2Schulmeister, R. (1997), S.73.3von Glasersfeld, E. (1984), S.30.

Welt: Ernst von Glasersfeld nennt Xenophanes4, die Skeptiker

um Pyrrhon5 und Giambattista Vico6, die alle auf ihre Weise die

Konstruktion des Wissen über die Welt durch den Menschen be-

schreiben. Ansätze solcher Art wurden allerdings „häufig nicht

beachtet” , ihre Autoren „im besten Fall als Sonderlinge links

liegengelassen.”7

Aber dieser Verzicht auf eine objektive, ontologische Wirk-

lichkeit8 ist anscheinend unausweichlich nach den Ergebnis-

sen der harten Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhun-

derts, dem Schwinden von Kausalbeziehungen und Determini-

stischem. Ernst von Glasersfeld zitiert den schon erwähnten Wer-

ner Heisenberg:

4von Glasersfeld, E. (1997), S.59.5ebd.6ebd., S.29.7ebd., S.57.8vgl. von Glasersfeld, E. (1984), S.23.

47

Konstruktivistisches Lernen

„Auch in der Naturwisschenschaft ist also der Gegenstand der For-

schung nicht mehr die Natur an sich, sondern die der menschlichen

Fragestellung ausgesetzte Natur, und insofern begegnet der Mensch

auch hier wieder sich selbst.”9

Das alles erinnert stark an die schon oben zitierte Feststellung

Flussers, dass wir die Regeln, denen die Erlebenswelt scheinbar

gehorcht, „nicht etwa im Umstand ,entdecken’ (zum Beispiel in

Form von Naturgesetzen), sondern daß sie von unseren wissen-

schaftlichen Texten selbst hineingetragen wurden.”10

Der Konstruktivismus wurzelt unter anderem in der Kyber-

netik11, diese wiederum hat ihre Ursprünge mit Norbert Wie-

ner in der Mathematik; mit der kybernetischen Wurzel geht es

nach dem Begreifen der Erlebenswelt als eine völlig ordnungslo-

se und chaotische Welt12 darum, „begrenztes Wissen bestmög-

lich zu nutzen.”13 Statt weiter abstraktes Wissen von einer em-

pirisch nachweisbaren realen Welt sammeln zu wollen, nun ein

verstärktes Betonen des Konkreten anstelle des Abstrakten14.

Dieser Paradigmenwechsel in der Erkenntnistheorie lädt zu ei-

ner Menge von Assoziationen ein, von denen hier zwei genannt

werden sollen: zum einen die – schon durch den Namen nahelie-

gende – mit dem russischen Konstruktivismus15: Auch dort geht

es um das Konkretisieren von Neuem durch Konstruktion und

den Verzicht auf die Abbildung von „Wirklichkeit”.

9von Glasersfeld, E. (1997), S.53.10vgl. Kapitel II.2, S.15.11vgl. Hejl, P. M. und Schmidt, S. J. (1997), S.167.12vgl. von Glasersfeld, E. (1984), S.35.13Papert, S. (1994), S.198.14vgl. Papert, S. (1994), S.162ff.15vgl. Kapitel III.5, S.30.

Zum anderen liegt der Bezug zu Flusser nahe: „Die Einbil-

dungskraft ist die Kraft des Konkretisierens von Abstraktem.”16

Das „schwirrende Punktuniversum”17 soll mit einem „Schleier

von Maya”18 umhüllt werden: durch Tastendruck und Program-

mablauf zu konkreten, unwahrscheinlicheren, entropieärmeren

Zuständen gebracht werden, die wieder erfahrbar sind19. Es ist

der Abschied vom „historischen Menschen”20, der sich vor der

Welt verbeugt:

„Die Welt bedeutet dem Menschen etwas. Alles in der Welt ist ein

Zeichen für etwas. Und der Mensch muß eine Einstellung zur Welt

finden, die ihm erlaubt, diese riesenhafte Menge von Zeigern, von

Zeichen, von Anzeichen zu entziffern, zum Beispiel: die sogenannten

Naturgesetze aus der Welt herauszulesen. Der Mensch muß sich über

die Welt wie über einen Text beugen. Diese sich vor der Welt verbeu-

gende Einstellung [...] ist die Art, wie der historische Mensch in der

Welt ist.”21

Diesen Abschied vom historischen Menschen kann man als den

Abschied von einem „metaphysischen Realismus”22 und die be-

wusste oder unbewusste Hinwendung zum Konstruktivistischen

betrachten.

Die von Flusser genannte Überführung des „schwirrenden

Punktuniversums” in unwahrscheinlichere Zustände lässt natür-

lich auch an Claude E. Shannon denken. Shannon23 definiert die

16Flusser, V. (1999), S.44.17ebd., S. 43.18ebd., S.45.19vgl. ebd., S.43f.20Flusser, V. (1999), S.51.21ebd.22von Glasersfeld, E. (1984), S.1823vgl. Shannon, C. E. (1948), S.20.

48

Konstruktivistisches Lernen

Entropie eines Satzes von Wahrscheinlichkeiten p1, p2..., pr als

H = −

r∑i=1

pild pi.

Allerdings: Diese Entropie H – auch Informationsmaß genannt –

beschreibt dabei nur

„den den Grad an Ungewissheit, der ausgeräumt wird, wenn wir eine

(Elementar-) Nachricht empfangen, von der wir wissen, daß sie eine

von r möglichen Nachrichten ist.”24

Die Entropie wird hier also über die Wahrscheinlichkeit „of oc-

curence of the object in some universe of possible objects.”25

definiert. Ist dieses „Universum der Möglichkeiten” unbekannt

oder nicht zu bestimmen, wie das der Fall für Flussers Gedan-

kenmodell eines vagen „Punktuniversums” der Fall sein dürfte,

dann wird es zumindest schwierig, die Formel richtig anzuwen-

den.

Im Falle Flussers erzeugt das Schaffen von Ordnungszustän-

den „Sinn” in einer sinnlosen Welt, in der Informationstheorie

kann ein solcher Übergang höchstens Information vermitteln.

Max Bense unterscheidet dabei zwei Arten der Bildung von Ord-

nungszuständen, die an das oben26 genannte Einbeschreiben

neuer Symbole in einen Gesellschaftscode erinnert: Zum einen

die „kommunikative Ordnung”, die als „wahrscheinliche Ord-

nung” bezeichnet werden kann und deren Information „durch

24Nake, F. (1974), S.166.25Stiny, G. und Gips J. (1978), S.109.26vgl. Kapitel II.1, S.13 und Kapitel III.1, S.22.

ihre Redundanz gegeben”27 ist: das Bilden eines Stils, das Tra-

dieren der Symbole eines Codes.

Zum anderen die „kreative Ordnung”, die „,unwahrscheinli-

che Ordnung’, die ihre Information als ,Innovation’ liefert”28:

das Einschreiben von neuen Symbolen in den Gesellschaftscode.

Mit dem allgegenwärtigen Medium Computer finden nun bei-

de Arten der Bildung von Ordnungszuständen durch die Erzeu-

gung digitaler Bilder massenweise zu jedem Zeitpunkt statt.

Digitale Bilder sind Erzeugnisse von Computern, also „nicht-

trivialen Maschinen”, wie Heinz von Foerster sie nennt29 – in

Anlehnung an Turings gedankliche Maschinen. Laut von Foer-

ster sind triviale Maschinen synthetisch determiniert und ana-

lytisch determinierbar; nicht-triviale Maschinen sind hingegen

zwar synthetisch determiniert, müssen das auch sein, allerdings

sind sie analytisch unbestimmbar30. Das bedeutet, dass sich die

Maschine, oder sagen wir das Programm, dass auf ihr abläuft,

nicht ausschließlich mit Hilfe ihrer Ausgaben experimentell iden-

tifizieren lässt31.

Von Foerster zitiert an dieser Stelle Piaget:

„Fünfzig Jahre von Erfahrung haben uns gelehrt, daß Kenntnis, Wis-

sen und Verstehen nicht lediglich aus einem Registrieren von Beob-

achtung erwächst, ohne daß nicht gleichzeitig eine strukturierende

Aktivität des Subjekts stattfindet. Eine Epistemologie [...] kann nur

auf einem Konstruktivismus basieren, mit einer sich stets erneuern-

27Bense, M. (1986), S.29.28ebd.29von Foerster, H. (1997), S.66.30vgl. ebd., S. 62ff.31vgl. ebd., S.65.

49

Konstruktivistisches Lernen

den Auswertung neuer Operationen und Strukturen.”32

Von Foerster bezieht diese „Zirkularität kognitiver Prozesse”33

auf den erwähnten Formalismus der Maschinen, überträgt ihn

auf den Menschen und schlägt vor, die „Kette Ursache/Wirkung

zu einem Kreis”34 zu schließen, indem man die „Maschine” mit

ihrer eigenen Ausgabe füttert. Das bedeutet Rekursion.

Wenn wir also annehmen, ein Betrachter kann aus einer Men-

ge gegebener Bilder nicht ohne weiteres auf das sie Erzeugen-

de schließen, dann können wir ihm die Möglichkeit geben die-

sen Zusammenhang zu konstruieren. Rolf Schulmeister weist auf

den Unterschied zwischen dem Konstruktivismus und dem Con-

structionism des schon oben zitierten Seymour Papert hin: Pa-

perts Betonung läge auf Lernsituationen, die ein aktives Kon-

struieren erlauben35.

Im Fall Algorithmus und Ästhetik könnte man sich dann ein

bilderzeugendes Stück Software vorstellen, mit dessen Hilfe ein

Benutzender Bilder herstellt, die er dann wiederum mit einer

Menge gegebener Bilder vergleichen kann.

Diese ständige Rückkopplung, verbunden mit der Möglichkeit

des Vergleichs von Erwartetem und Erfahrenem, ist die Vorraus-

setzung für die Brauchbarkeit von Wissen:

„Ganz allgemein betrachtet ist unser Wissen brauchbar, relevant, le-

bensfähig [...], wenn es der Erfahrungswelt standhält und uns be-

32zit. nach: ebd., S.69.33ebd., S.70.34ebd.35vgl. Schulmeister, R. (1997), S.79.

fähigt, Vorhersagen zu machen und gewisse Phänomene [...] zu be-

werkstelligen oder zu verhindern.”36

Die Feedback-Schleife aus Aktion und Perzeption besteht im

Fall des Umgangs mit der oben genannten bilderzeugenden

Software zwischen dem Benutzenden, der eine Maschine auf ei-

ne wie auch immer geartete Weise programmiert, und einer Ma-

schine, die auf diese Eingabe hin ästhetische Ausgaben erzeugt,

die dann wiederum zu neuer Aktion seitens des Benutzenden

einladen. Solche weiteren Aktionen können z.B. Vergleiche mit

Gegebenem, Modifikationen des Programms oder der komplet-

te Neuanfang sein. Im Prinzip eine Schleife aus Analyse und Syn-

these, aus Kritik und neuem Schaffen: die Suche nach dem Be-

rechenbaren im Schönen und die Formulierung des Schönen im

Berechenbaren.

Wie kann eine solche „Einladung” ausgesprochen werden?

Rolf Schulmeister weist auf die mit dem Konstruktivismus auf-

gekommene Frage nach alternativen Lernumgebungen hin37.

Er nennt weiter J.S. Brown und dessen Betonung auf das Ler-

nen als Prozess. Brown nun sähe als Mittel solche Lernprozes-

se zu fördern z.B. „empowering learning environments” – die

genannten Lernumgebungen – und „games” zum Zwecke der

Motivation38.

Die Idee des Lernens durch Spielen gibt es spätestens

seit der „Schola Ludus” des schon oben39 genannten

36von Glasersfeld, E. (1984), S.22.37Schulmeister, R. (1997), S.7938ebd.39vgl. Kapitel II.2, S.15.

50

Konstruktivistisches Lernen

Johann Amos Comenius – dort besonders im Hinblick auf

schulische Theaterstücke40.

Ein Grund für den Reiz und die Motivation beim Spielen

und beim Umgang mit dem Computer ist sicherlich die relati-

ve „Sanktionsfreiheit der Interaktion”41, ein Umstand auf den

auch Sybille Krämer hinweist:

„(1) ,spielen’ vollzieht sich in der Region des Als-ob; es ist ein symbo-

lisches Handeln [...]; (2) ,spielen’ ist reglementiert, doch gelten nicht

die moralischen und juridischen Regeln unserer Alltagswelt, sondern

eben Spielregeln. (3) ,spielen’ ist ein interaktives Geschehen [...]; das

ganze Spielgeschehen ist die partikulare Realisierung einer von un-

endlich vielen Konfigurationen, welche ein abstraktes System anneh-

men kann.”42

Das Spiel bietet so die Möglichkeit, Handlungsstrategien zu er-

proben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Nehmen wir

also an, dass ein in diesem Sinne spielerischer Umgang mit einer

Lernumgebung dem Lernprozess förderlich ist. „Spielregeln”, in-

nerhalb deren Grenzen die Aktionen des Benutzenden stattfin-

den, muss es also geben, obschon sie den Benutzenden vielleicht

nicht allzu streng auf einen vorgezeichneten Weg fixieren soll-

ten. Ob diese Regeln an Stellen gebrochen werden können –

also betrogen werden kann – sei dahingestellt.

Der Motivation förderlich ist sicherlich auch die Wahl einer ge-

eigneten thematischen Ausrichtung der Bilder. Unterstellen wir

hier, dass die Beschäftigung mit Bildern, die nicht zwangsläufig

einem Zweck dienen, sagen wir Gegenstandslose Kunst, einla-

40vgl. Comenius, J. A. (1888).41Schulmeister, R. (1997), S.49.42Krämer, S. (1998), S.35.

dender ist als die Beschäftigung mit Bildern, die nur für einen

bestimmten Zweck exisitieren, z.B. technische Zeichnungen.

Dementsprechend legen wir für die Art der erzeugbaren Bil-

der fest: Sie sollen wie oben43 erwähnt über ein gewisses Maß

an Abstraktheit verfügen und sie sollen darüberhinaus weitest-

gehend bedeutungs- bzw. wertfrei sein. Anbieten würden sich

Werke der Gegenstandslosen Kunst oder solche der früehen

Computerkunst – letztgenannten Werke bieten sich schon durch

den inhaltlichen Zusammenhang und die Verwandtschaft bei

den Mitteln der Produktion an.

Was für Bilder tatsächlich erzeugt werden, bleibt im Rahmen

der Spielregeln dem Benutzenden überlassen.

Erhoffen kann man sich von einer solchen Lernumgebung für

algorithmische Bilder sicherlich nicht, dass sie dem Benutzenden

tiefschürfende Einsichten in das Verhältnis von Algorithmus und

Ästhetik vermittelt. Allerdings ist da die These,

„daß wir die Welt, die wir erleben, unwillkürlich aufbauen, weil wir

nicht darauf achten – und dann freilich nicht wissen –, wie wir es tun.

Diese Unwissenheit ist alles andere als notwendig.”44

Übertragen wir das auf die oben45 genannten Kategorien des

Anschauens und Hinschauens, kann man sich von einer solchen

Lernumgebung zumindest erhoffen, dass sie, wenn sie diese bei-

den Kategorien in geeigneter Form bedient, dem Benutzenden

zumindest die Möglichkeit gibt zu erkennen, dass es immer eben

diese zwei Blickweisen auf ein algorithmischen Bild gibt.43vgl. Kapitel IV.3, S.44.44von Glasersfeld, E. (1984), S.17.45vgl. Kapitel II.4, S.19f.

51

VI Ein ästhetisches Labor

Im Verlauf des zweijährigen studentischen Projektes „Illusi-

on&interface” entstanden einige sogenannte Labore: Lernorte

für ausgewählte algorithmische Elemente von Werken der frü-

hen Computerkunst. Für alle galt, dass sie es einem Benutzenden

ermöglichen sollten, Zusammenhänge zwischen einem algorith-

mischen Bild und dem erzeugenden Algorithmus zu erkennen –

durch eigenes Handeln in dem jeweiligen Labor.

Es gab das „Mohrlabor”, welches sich mit einer Werkphase

des Künstlers Manfred Mohr beschäftigte. Die Interaktion mit

dem Programm war direktmanipulativ, soll heißen, der Benut-

zende manipuliert bestimmte sichtbare Elemente per Maus, das

erzeugte bzw. so veränderte Bild ist sofort sichtbar.

Das Labor „random01” ging einen anderen Weg: Hier wur-

de vom Benutzer verlangt, per Mausklick eine zufällige Bitfolge

zu erzeugen, die dann per berechnetem Zufall neu angeordnet

wurde. Danach wurde das so gewonnene Bitmuster als Beschrei-

bung eines Bildes interpretiert: Jede Zeile stand für einen Befehl,

der Code wurde Zeile für Zeile abgearbeitet, am Ende erschien

das fertige Bild.

Stand bei diesen beiden Laboren entweder die Beschäftigung

mit einem bestimmten Künstler, hier Mohr, oder einem be-

stimmten algorithmischen Thema, hier Zufall, im Vordergrund,

so verfolgten zwei weitere Labore eine andere Idee: Im „Nees

Labor”1und im daraus hervorgegangenen „algoLabor” sollte

das Thema „Algorithmus und Bild” allgemeiner angegangen

werden. In beiden Fällen standen bestimmte elementare Bild-

elemente zur Verfügung, die durch eine Auswahl von algorith-

mischen Strukturen zu einem kleinen Programm verknüpft wer-

1Der Name legt es nahe: Ursprünglich war dieses Labor Werken von GeorgNees gewidmet, schlug dann aber einen allgemeineren Weg ein. Der Nameblieb.

53

Ein ästhetisches Labor

den konnten. Elemente waren dabei beispielsweise Linien oder

Kreise, Strukturen while-Schleifen oder if-Konstrukte.

Die Darstellung des Algorithmus’ erfolgte im „Nees Labor”

über ein Flussdiagramm, im „algoLabor” über ein Pseudocode-

Listing. Im Fall des „algoLabors” stand dem Benutzenden dar-

überhinaus eine Arbeitsfläche zur Verfügung, in denen einige

geometrische Eigenschaften der grafischen Elemente manipu-

lierbar waren – mit Auswirkung auf den Code.

In beiden Fällen konnte das Programm dann zur Ausführung

gebracht und so ein Bild erzeugen werden.

Dieser allgemeinere Zugang zum Thema erschien reizvoll: Der

Benutzende war nicht so sehr gefangen in einer streng vorgege-

benen Ästhetik nur eines Künstlers oder einer bestimmten The-

matik, sondern konnte sich spielerisch eine eigene schaffen – so-

weit das die vorgegebenen Elemente zuließen.

Dies brachte allerdings deutlicher als zuvor das Problem der

Visualisierung des jeweiligen Algorithmus mit sich. Beim „Nees

Labor” wurde wie gesagt der Versuch gemacht, diesen durch ein

Flussdiagramm abzubilden, wobei sich herausstellte, dass diese

Darstellungsweise wohl nicht sehr intuitiv und nur schwer ma-

nipulierbar ist; und darüber hinaus den eigentlichen Code ver-

schleiert.

Die textuelle Codedarstellung, die dann folgerichtig als Dar-

stellung des Algorithmus verwandt wurde, erschien dann aber

nicht ausreichend – vor allem für Benutzende mit wenig Vorwis-

sen.

Zudem war die Auswahl und Manipulierung der algorithmi-

schen Elemente häufig zu kompliziert, um eine zügige, ziel-

gerichtete und vor allem spielerische Interaktion mit dem Pro-

gramm zu ermöglichen.

Mit diesem Vorwissen ging es an die Entwicklung eines wei-

teren Labors. Was dabei vom Vorhaben, die oben erwähn-

te Darstellungs- und Interaktionsprobleme auszuräumen umge-

setzt wurde wird sich im Folgenden nicht abschließend klären;

allerdings sollen weiter unten2 die Benutzungserfahrungen ei-

ner einzelnen Person mit dem entstandenen ästhetischen Labor

dokumentiert werden.

Zunächst aber sei eine Benutzungssituation beschrieben, wie

sie in einem Szenario im Vorfeld der Entwicklung dieses Labors

hätte stehen können.

Insofern ein nachträgliches Szenario, das hier als erster über-

blick über die Funktionalität des Labors und den Umgang damit

dienen soll.

Sei A ein fiktiver Benutzender.

2vgl. Kapitel VI.6.

54

Ein ästhetisches Labor

VI.1 Eine fiktive Benutzungssituation

Abb. VI.1: Zdenek Sýkora: „Lines Nr.63”

Vor A liegt ein Bild des Malers Zdenek Sýkora, der sich unter

anderem des Computers zur Erzeugung seiner Bilder bedient. Es

handelt sich um das Bild „Lines Nr.63” von 19893.

A hat die Aufgabe, ein in diesem Stil gehaltenes BIld zu erzeu-

gen, mit den Mitteln, die ihm das ästhetische Labor, vor dem er

am Computer sitzt, bietet. Diese korrespondieren auf verschie-

dene Weise mit den Elementen eines Algorithmus.

Ein kurzer Blick auf ein Werk von Sykora liefert bereits einiges

3vgl. Abb. VI.1.

an Vermutungen über den kompositorischen Aufbau:

Man sieht verschieden dicke und verschieden farbige Linien,

die sich unterschiedlich gebogen und scheinbar zufällig über die

Leinwand verteilen, fünf an der Zahl.

Auf dem Bildschirm sieht A einen leeren Rahmen, die Lein-

wand und einen mit „Leinwand” markierten Knoten daneben.

Das Basiselement des Bildes scheint eine unregelmäßig gebo-

gene Linie zu sein.

A gibt sich Mühe, eine solche Form mit der Maus zu entwer-

fen – das so entworfenen Element ist auf der Leinwand sichtbar

und erscheint erscheint als Unterknoten unter „Leinwand”, mit

„Form” benannt: eine Idee für ein Bildelement.

Ein Blick auf das Pate stehende Werk hatte ergeben, dass die

grundlegenden Linien verschieden dick und verschieden farbig

sind. Ein Druck auf die Leertaste ruft ein Auswahlwerkzeug auf:

Eine Tabelle lässt die Auswahl verschiedener Farbtönungen

zu. Durch Klick auf eine auszuwählende Farbe wird dem aus-

gewählten Knoten – hier der Form – eine Materialeigenschaft in

Form eines Materialknotens mit dem Unterpunkt „Farbe” hin-

zugefügt. Der Form-Knoten selbst wandelt sich durch die Aus-

führung dieser Aktion in einen mit „Gestalt” benannten, eine

Vorlage für eine konkrete, sichtbare Form4. Durch Klick auf wei-

tere Farben werden die farbigen Möglichkeiten der auf dieser

Gestalt basierenden Bildelemente vergrößert.

Klicks auf die unterhalb der Tabelle angebrachten Pfeilsymbo-

4vgl. Abb. VI.2.

55

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.2: Eine gezeichnete Form hat sich durch Auswahl vonFarben in eine Gestalt verwandelt. Links oben dasAuswahlwerkzeug. Die senkrechte, gestrichelte Linieentspricht der Platzierung.

le blättern durch die verschiedenen Tabellen des Auswahlwerk-

zeugs. A wählt diejenige Tabelle, die für die Linienstärke zustän-

dig ist.

Er trifft auch hier wieder seine Auswahl, ein Knoten mit dem

Namen „Linienbreite” erscheint im Materialknoten.

Nun soll die Linie gebogen sein. Jedes auf dieser Gestalt ba-

sierende Bildelement soll sich unterschiedlich winden: Zunächst

wird ein sogenannter Verteilen-Knoten ausgewählt.

Die Linien sollen weich und geschwungen sein, deshalb wird

zusätzlich ein Biegen-Knoten eingefügt.

Damit sind die Eigenschaften für diese Gestalt festgelegt.

Die Bildelemente im Bild Sýkoras verteilen sich scheinbar zu-

fällig in der unteren Hälfte der Leinwand. Diesen Ort entwirft A

mit der Maus auf die selbe Weise, wie er zuvor ein Bildelement

entworfen hat. Es wird eine Form gezeichnet, die die horizonta-

le Verteilung der Linien im Bild andeuten soll: eine vertikale Li-

nie in der unteren Hälfte der Leinwand. Im durch die Einfügung

neuer Knoten aus dem initialen Leinwand-Knoten sukzessiv ent-

standenen Baum erscheint ein weiterer Form-Knoten.

Damit ist A fast fertig: Er nimmt den den neuen Knoten durch

leichtes Rupfen daran aus dem Baum und lässt ihn über der Ge-

stalt fallen: Dort wird er als Beschreibung eines Ortes verstanden

und führt zu Erzeugung eines „Platzierung” genannten Knotens

in der Gestalt.

A stellt fest, dass hier eine Form also als nicht als die noch

abstrakte Idee einer Gestalt verstanden wird, sondern als – in

diesem Fall mit „in der unteren Leinwandhälfte” vage – Bestim-

mung eines Ortes.

Nun sind auf Sýkoras Bild fünf Linien vorhanden. Um diese

Anzahl zu erhalten, wählt A den Gestalt-Knoten aus und fügt

mit dem Auswahlwerkzeug einen Kopier-Knoten in den Baum

ein, der den Gestalt-Knoten aufnimmt.

Jetzt kann mit der so gewonnen Bildbeschreibung ein Bild

generiert werden: Ein Druck auf die Return-Taste erzeugt eine

Instanz5 der durch Baum und Skizze beschriebenen Bildklasse,

weiteres Drücken auf die Returntaste erzeugt neue, andere In-

stanzen.

A will sich das Zusammenspiel von mehreren Bildern dieser

5vgl. Abb. VI.3.

56

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.3: Der Algorithmus, dargestellt durch den Baum rechterHand, ist ausgeführt worden und erzeugte ein Bild.

Klasse ansehen. Ein Druck auf die Tastenkombination ALT-Enter

führt zu Erzeugung von neun einander gegenübergestellten Bil-

dern6.

Durch das Halten der SHIFT-Taste lässt sich A eine textuelle

Repräsentation seines Algorithmus anzeigen7. Er sieht eine Art

Pascal Quellcode.

Ein Klick in das erzeugte Bild wird gefolgt von einem Zoom

auf den derart ausgewählten Bildpunkt. Die vergrößerte Dar-

stellung dieses Punktes und der ihn umgebenden acht Punkte

bleibt sichtbar, der Rest des Bildes verschwindet zunächst.

Die so fokussierten Pixel bewegen sich und reihen sich hin-

tereinander. Ist diese lineare Anordnung abgeschlossen, erschei-

6vgl. Abb. VI.5.7vgl. Abb. VI.4.

nen Zahlen, die den Bildpunkten gegenübergestellt werden8:

zunächst solche im Hexadezimal-Code, dann solche im Binär-

Code. A vergleicht, was er bis jetzt getan hat. Er stellt Bild und

Abb. VI.6: Der Zoom auf einen ausgewählten Bildpunkt ist abge-schlossen. Seine Umgebung wird dargestellt durch dieneun Quadrate im oberen Teil. Der ausgewählte Pixelentspricht dem mittleren Quadrat. Darunter folgt dieEntsprechung der Farbwerte hexadezimal und binärkodiert.

Skizze, Baum und Code, Code und vergrössertes Bild einander-

gegenüber. Vieles bleibt ihm rästelhaft. Aber er erkennt auf die-

se Weise zum Beiepiel, dass das Kopieren von Objekten im Baum

die Erzeugung eines FOR i:=x TO y DO BEGIN... END-Blocks aus-

löst und dass die in der vergrößerten Darstellung erscheinenden

Zahlen denen im Code den einzelnen Elementen zugewiesenen

Farben zu entsprechen scheinen.

8vgl. Abb. VI.6.

57

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.4: Ein Blick auf die textuelle Repräsentation des Algorithmus in Form eines PASCAL Codes.

VI.2 Eine Klasse von Algorithmen füreinfache Bilder

Will man das Augenmerk auf das konstruktive, prozesshafte der

algorithmischen Bilderzeugung richten, bietet es sich an „un-

ten”, soll heißen bei den weiter oben9 genannten Punktelemen-

ten zu beginnen.

Weiterhin könnte man ein digitales Bild zunächst mit aller

Vorsicht als ästhetisches Objekt, also als Superzeichen10 begrei-

fen, das sich aus Hierarchien von Subzeichen zusammensetzt. Als

9vgl. z.B. Kapitel II.3, S.16, Kapitel IV.1, S.34 und Kapitel IV.3, S.44.10Nake, F. (1974), S.59.

58

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.5: Eine Serie von neun durch den gleichen Algorithmus erzeugten Bildern.

zwangsläufig elementarste Ebene kann das Bit das Vorhanden-

sein eines Bildpunktes ausdrücken, im Prinzip der Punkt, von

dem der Computer anfängt „etwas” im Sinne von Flusser zu

projizieren11, die Grenze zum Abstrakten und Unfassbaren. Ein

ziemlich eingeschränktes Repertoire für ein Bild. Erzeugbar sind

das digitale Schwarze und das Weiße Quadrat.

11vgl. Kapitel II.3, S.17.

Aus diesen elementarsten Zeichen eines digitalen Bildes lassen

sich nun mit geeignete Operationen komplexere Zeichen erzeu-

gen, nennen wir sie ein Repertoire von „Formen”. Diese sind

Reihungen oder Adjunktionen12 von simpleren zu komplexeren

Zeichen.

Seien diese Formen fn Elemente eines Repertoires R und n die

12vgl. Bense, W. und Walther, E. (1973), S.11.

59

Ein ästhetisches Labor

Breite einer solchen Form. Dann ist das elementarste Repertoire

R0 = {01, 11}, in dem 1 ∈ fn das Vorhandensein eines Punktes am

Bildschirm ausdrücken soll.

Denken wir uns als nächst komplexeres Zeichen eine einfache

Linie. Nach Kandinsky ist die Linie die „Spur des sich bewegen-

den Punktes”13. Diese Spur ist beim digitalen Bild leicht zu fas-

sen: Der Punkt kann sich bei jedem Schritt nur in eine von acht

möglichen Richtungen bewegen.

Ein komplexeres Repertoire, das sich aus R0 erzeugen ließe,

wäre dann z.B. R1 = {01, 11, 11112, 11114}, ein Repertoire, das zu-

sätzlich über eine kurze waagerechte Linie und ein kleines Qua-

drat verfügt.

Nennen wir Funktionen, die aus R0 komplexere Repertoires Ri

erzeugt DRAW und schränken DRAW wie folgt ein:

length(fn) sei im Gegensatz zur Breite n die Länge einer Form

fn, also length(fn) = n · m, mit m der Höhe der Form. Dann

soll für alle fn in den mit DRAW erzeugbaren Repertoires R mit

2 ≤length(fn)−1∑

i=0

xi und xi ∈ fn gelten:

Für alle xi = 1 ∈ fn existiert ein xj = 1 ∈ fn und i 6= j mit

|dist(xi, xj)| ∈ {1, n, n − 1, n + 1}. Wobei dist(a, b) die Entfernung

zwischen zwei Zeichen a und b in einem fn liefere. Es sollen also

nur Formen fn zugelassen werden, die zusammenhängend sind,

sich ohne Abzusetzen zeichnen lassen.

Denkt man sich nun eine weiße Hintergrundfläche – nennen

wir sie eine Leinwand – vor der die Zeichen erscheinen, hat man

13Kandinsky, W. (1969), S.57.

im Prinzip eine weitere Form aus dem erzeugbaren Repertoire,

nämlich 00...0︸ ︷︷ ︸n·m

n bei einer Leinwand mit Breite n und Höhe m.

Gleichzeitig stellt dieser Hintergrund eine Art Kontext für die

Zeichen im Bild dar und es stellt sich damit die Frage nach der

Lage dieser Zeichen zueinander, also die Frage nach Orten. Ein

Ort innerhalb der durch die Abmesungen der Leinwand festge-

legten Rahmens lässt sich leicht durch o = (x, y) mit x, y ≥ 0

beschreiben.

Auch einen solchen Ort o kann man als Form aus dem Reper-

toire interpretiern, sodass o = 00...0︸ ︷︷ ︸n·y+x

10...0n. Tut man das, lassen

sich Ortsangaben vage fassen, sodass sich o ′ = 00...0 11...1︸ ︷︷ ︸n

n als

„am unteren Bildrand” interpretiern ließe. Nennen wir Formen,

die auf diese Weise interpretiert werden PLACE.

In eine ähnliche Kategorie wie PLACE würden Beschreibun-

gen wie ROTATE und SCALE fallen. Auch sie verändern die Situ-

iertheit einer gegebenen Form durch Rotation oder Skalierung.

Fassen wir PLACE, ROTATE und SCALE unter SITE zusammen.

Führen wir eine Funktion COLOR : R × C → G ⊇ R zur Substi-

tution ein, so ist es leicht Farbeigenschaften c ∈ C auszudrücken

und aus Formen des Repertoires anders farbige zu erzeugen

und sie einem komplexeren Repertoire hinzuzufügen. So wäre

COLOR(10012, 2) = 20022.

Wie bei PLACE können wir uns weitere Operationen den-

ken, die die scheinbare Materialität einer Form beeinflussen:

TEXTURE, eine Operation, die, statt einer Farbe, einer Form ein

60

Ein ästhetisches Labor

bestehendes Bild als Quelle von Farbigkeit zuweist, WIDTH, ei-

ne Operation, die die Breite einer durch eine Form fn beschrie-

benen Linie beeinflusst, oder eine Operation TRANSPARENCY,

die angibt, ob Formen von den Farbeigenschaften der Bild unter

ihnen liegenden Elemente beeinflusst werden. Seien diese vier

Materialeigenschaften unter MATTER zusammengefasst.

„Nennen wir ein so beschriebenes Element eines Repertoires eine

Superisation eines anderen, d.h. die Zusammenfassung „einer Men-

ge von einzelnen Zeichen zu einer ,Gestalt’, einer ,Struktur’ oder

einer ,Konfiguration’ oder auch die zusammenfassende, ganzheitli-

che Wahrnehmung eines Ensembles von Elementen als invariante Ge-

samtheit.”14

Im Folgenden soll eine Form mit Materialeigenschaften kurz

„Gestalt” heißen. Eine solche bedarf nicht zwingend eines Ortes

zu seiner Definition15, kann ihm aber mittels SITE zugewiesen

werden.

Aus der „invarianten Gesamtheit” einer Gestalt lassen sich

wieder neue Gestalten erzeugen, indem man die ihnen zugrun-

de liegende Form modifiziert: Vorstellbar sind Operationen, die

für rechte Winkel in der Gestalt sorgen (SQUARE), solche, die

die Gestalt abrunden (BEND) oder mit Hilfe von Zufallswerten

verzerren (RANDOM).

Ein konkretes Bild ist dann die Definition eines Repertoires

von Formen mit Hilfe von DRAW und die Abfolge von Operatio-

nen über diesem Repertoire. Diese kleine Sammlung von Opera-

14ebd., S.106.15vgl. Nake, F. (1974), S.63: „Wir sehen somit, daß die Zeichen eines Repertoires

nach der Benseschen Auffassung ein in der Regel überflüssiges Unterscheidungs-merkmal mit sich führen, nämlich den ,Ort’ ihres Auftretens.”

tionen von DRAW über SITE bis zu den möglichen Modifika-

tionen soll als Basis für eine Klasse von Algorithmen verstanden

werden, die sich mit dem Labor erzeugen lässt.

VI.3 Sichtweisen auf Algorithmen undBilder

Will man das Verhältnis von Bild und Algorithmus herausstellen,

so müssen sowohl Bild als auch Algorithmus auf irgendeine Art

und Weise abgebildet werden. Wir können grob den Algorith-

mus der oben16 genannten Kategorie des Hinschauens, das Bild

der des Anschauens zuordnen.

Will man es einem Benutzenden nun ermöglichen, diese bei-

den Aspekte aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, um

verschiedene Einblicke und Vergleiche zu gestatten, so kann es

nicht ausreichen, nur einen Algorithmus, sagen wir als Quellco-

de, und ein dazugehöriges Bild darzustellen.

Im Rahmen dieses Labors wurde eine Auswahl solcher Sicht-

weisen zur Verfügung gestellt, die jeweils andere Einblicke ver-

mitteln sollen. Bild und Algorithmus können auf die folgenden

sechs Weisen betrachtet werden:

- Das Bild als Kompositionskizze

- Ein Strukturgraph des Entwurfs

- Das Bild, wie es durch den Algorithmus erzeugt wurde

16vgl. Kapitel II.4, S.19f.

61

Ein ästhetisches Labor

- Der Algorithmus in Textform

- Eine durch den Algorithmus erzeugte Serie

- Ein Zoom auf eine Position im Bild

VI.3.1 Skizze

Die sogenannte Kompositionskizze ist sozusagen die Arbeitsflä-

che des Labors. Auf ihr soll ein Bild möglichst frei entworfen

werden können.

Sie besteht initial aus einem frei verschieb- und skalierbaren

Rahmen, der die Leinwand repräsentieren soll. Die Dimensionen

dieses Rahmens bestimmen somit die Größe des zu erzeugenden

Bildes und den Bildausschnitt, indem sich die Leinwand wie der

Sucher einer Kamera über die Arbeitsfläche bewegen lässt.

Die Gesamtheit der entworfenen Elemente ergibt eine Art

Kompositionsskizze der zu generierenden Bilder. Geometrische

Eigenschaften von Elementen, der Ort, mögliche Rotationen

und Skalierungen sind direktmanipulativ zu editieren.

Diese Skizze bildet weniger das Aussehen eines Bildes ab, als

vielmehr bestimmte Gemeinsamkeiten der Bilder einer durch die

jeweilige Skizze angelegte Bilderklasse.

VI.3.2 Graph

Der Strukturgraph sammelt die erzeugten Elemente für das Bild

auf. Ist zunächst, wie auf der Arbeitsfläche, nur die Leinwand zu

sehen, werden alle folgenden Elemente zunächst in Reihenfolge

ihrer Erzeugung unter der Leinwand als neuer Knoten in den

Graphen eingefügt.

Später eingefügte Elemente überdecken dabei im erzeugten

Bild die früheren. Um diese Überdeckung steuern zu können

sind die Elemente im Graphen frei verschiebbar, indem man sie

aus ihrer bisherigen Position entfernt und an anderer Stelle ein-

fügt.

Form-Knoten entstehen durch das Zeichnen einer Form, wei-

tere Knoten, die Formen Farbeigenschaften, Texturen, Transpa-

renzen und Linienbreiten zuweisen, können mit Hilfe eines Aus-

wahlwerkzeuges eingefügt werden.

Darüberhinaus lassen sich mit dem Auswahlwerkzeug die mo-

difizierenden Knoten „Abrunden”, „Verschieben” und „Win-

keln” sowie Kopier-Knoten, die für eine Vervielfältigung der ih-

nen untergeordneten Knoten sorgen, einfügen.

Steht die Skizze näher am Bild, so ist der Graph als eine erste

Annäherung an einen Algorithmus zu verstehen.

Diese ersten beiden Sichtweisen sind für den Entwurf des Bil-

des bestimmt: Beide sollen sich gegenseitig stützen und das Ent-

worfene jeweils auf die ihnen eigene Art und Weise darstellen.

VI.3.3 Bild

Die folgenden vier Kategorien sind solche, die einen Blick auf

ein fertiges Bild oder eine Bildserie ermöglichen.

Das Bild, wie es vom Algorithmus erzeugt wird, zu zeigen ist

naheliegend. Im Fall dieser Software wird der den Bildentwurf

62

Ein ästhetisches Labor

enthaltene Rahmen mit dem fertigen Bild gefüllt17.

VI.3.4 Code

Die textuelle Repräsentation des Algorithmus soll den diametra-

len Gegensatz zum Bild darstellen. Ausgehend von diesen bei-

den Extremen sollen alle anderen hier genannten Betrachtungs-

weisen helfen, Beziehungen zwischen diesen beiden zu knüp-

fen.

Ist der Benutzende in der Lage, zwischen Bild und der Kompo-

sitionsskizze einen Zusammenhang zu erkennen, so sollte ihm

die Konstruktion eines ähnlichen Zusammenhangs zwischen Co-

de und Strukturgraphen ebenfalls möglich sein. Die Abfolge

der Codezeilen korrespondiert eng mit der Struktur des Gra-

phen, die Definitionen der grafischen Elemente tauchen in Form

von Variablendefinitionen wieder auf, die Kopier-Knoten sind in

Form von FOR-Schleifen erkennbar.

Weitere Zusammenhänge sollten sich beim Benutzen erschlie-

ßen: Die hexadezimale Notation der RGB Farbwerte taucht bei-

spielsweise im Code genauso auf, wie im gezoomten Bild. Die

Farbe als solche wiederum im Bild und im Graphen.

Im Gegensatz zum „algoLabor” wurde hier kein Pseudoco-

de verwandt, sondern stattdessen ein der Pascal-Syntax entspre-

chender Code. Dieser sollte auch bei Existenz der von diesem

Code eingeforderten Units kompilier- und ausführbar sein.

Der Schritt weg vom Pseudo-Code soll die Beziehung zur Ma-

17vgl. Abb. VI.3.

schine betonen: Es handelt sich nicht um eine beliebige Anord-

nung von vage beschriebenen Anweisungen, sondern um ein

auf einer Maschine ausführbares Programm. Pascal wurde ge-

wählt, weil es im Vergleich zu, sagen wir, C um eine klarer er-

kennbare Struktur verfügt, als Beispiel seien hier die Anwei-

sungsblöcke genannt, die deutlich durch BEGIN und END ge-

klammert sind.

VI.3.5 Serie

Eine Serie18 von Bildern zu einem gegebenen Algorithmus zu

zeigen soll vor allem das Augenmerk des Benutzenden auf fol-

gendes lenken: Das Bild ist eine Instanz einer Klasse von Bildern,

die vom Algorithmus definiert wird. Alle Bilder dieser Klasse

weisen gewisse Ähnlichkeiten auf, beispielsweise in der Farbig-

keit oder der Form der Elemente.

Durch Vergleich der Bilder der entstandenen Serie sollten sich

Rückschlüsse auf den Algorithmus ziehen lassen.

Bei einem einzelnen Bild sind solche Rückschlüsse und Vermu-

tungen ebenso möglich, im direkten Vergleich von Bildern in-

nerhalb der Serie sollten sich diese Vermutungen aber schneller

widerlegen oder bestätigen lassen.

VI.3.6 Zoom

Der Zoom auf einen kleine Gruppe von Bildpunkten soll den Be-

nutzenden schließlich darauf hinweisen, dass es sich eben nicht

18vgl. Abb. VI.5.

63

Ein ästhetisches Labor

um ein Bild handelt, sondern um eine Anordnung von Ziffern

entsprechenden Punkten19: Ist der Ausschnitt ausgewählt und

entsprechend vergrößert, werden die RGB Farbwerte in Form

von hexadezimalen Zahlen angezeigt und diese dann im näch-

sten Schritt als Binärzahlen.

VI.4 Entwurf von algorithmischenBildern mit dem Labor

Das Labor sollte so angelegt sein, dass ein spielerischer Umgang

mit ihm möglich ist. Das bedeutet hier zunächst, dass ein frei-

es Experimentieren ohne offensichtliche Beschäftigung mit dem

nötigen algorithmischen Hintergrund stattfinden kann. Dieser

Hintergrund ist immer da und soll durch die gegeben Struktu-

ren und besonders durch die genannten Sichweisen auf das Bild

durchscheinen.

Der Entwurf eines solchen Bildes soll zügig von statten ge-

hen, die wesentlichen Bildelemente schnell entworfen und erst

in spätern Schritten ausdifferenziert und mit Erwartungen oder

Anforderungen abgeglichen werden können.

Der Ablauf wird im Wesentlichen bestimmt durch den Entwurf

von elementaren Formen, dem Treffen der Entscheidungen, wie

mit diesen weiter verfahren werden soll, und der Anordnung

dieser zu Strukturen.

19vgl. Abb. VI.6.

VI.4.1 Zeichnen

Die grafischen Elemente, die das Bild ausmachen werden, sind

nicht vorgegeben, sie werden vom Benutzer frei entworfen und

in ihrem ersten Stadium „Formen” genannt. Dieser Entwurf von

Formen implementiert das oben genannte20 DRAW.

Die Eingabe solcher Formen findet durch ein „zeichnerisches”

Bewegen der Maus statt. Jede der so eingegebenen Formen

wird dann beschrieben durch einen n-Tupel p0, p1, ..., pn−1, bei

dem jedes pi für einen Punkt auf dem durch die Mausbewegung

beschrieben Pfad steht. Nach Abschluss der Zeichnung, d.h. in

dem Moment, in dem der Mausknopf losgelassen wird, wird für

je drei aufeinanderfolgende Punkte pi−1, pi, pi+1 geprüft, ob sie

nahezu kollinear sind. Ist das der Fall, dann wird der mittlere

Punkt pi gelöscht. Dieses Vorgehen „vergröbert” die Form ge-

ringfügig, ist aber angebracht, um den Speicherbedarf bei um-

fangreicheren Bildentwürfen mit vielen Formen in Grenzen zu

halten.

Diese Formen lassen sich nach ihrer Art in drei Klassem eintei-

len: Punkte, Linien und Flächen.

Ein Punkt ist dabei natürlich kein geometrischer Punkt, son-

dern ein Bildschirmpunkt, ein Pixel; ein „Punkt kann als die

kleinste Elementarform bezeichnet werden”21 und entsteht hier

durch einen Mausklick.

Die Linie als zweite Formenklasse ist mit dem schon oben ge-

20vgl. Kapitel VI.2, S.60.21Kandinsky, W. (1969), S.26.

64

Ein ästhetisches Labor

nannten Kandinsky Zitat22 die „Spur des sich bewegenden Punk-

tes” und entsteht durch „von außen kommende Kräfte, die den

Punkt zur Linie verwandeln”23. In diesem Fall ist das Ausüben

einer Kraft das Bewegen der Maus bei gedrückter Maustaste.

Die Fläche als drittes entsteht durch das Zusammenbringen

des Anfangs- und Endpunkt einer Linie, „Anfang und Ende flie-

ßen ineinander und verschwinden im selben Augenblick spur-

los”24 und erzeugen so die Fläche.

Eine derart erzeugte Form soll als „Idee” eines daraus ableit-

baren Elementes verstanden werden. Als abstrakte Definition ei-

nes Etwas mit den durch diese Form bestimmten geometrischen

Eigenschaften.

Ausgehend von einer solchen Form lassen sich zwei Gruppen

von Elementen erzeugen: die der Gestalten und die der Platzie-

rungen.

Beide bedürfen einer Form, wobei die Gestalt sie als Beschrei-

bung ihres Umriss ihrer Figur versteht, die Platzierung hingegen

als Beschreibung eines Ortes.

VI.4.2 Gestalten

Um von einer Form ausgehend ein sichtbares Bildelement zu er-

halten, muss diese – bildlich gesprochen – „Gestalt gewinnen”

oder „gestaltet werden”. Das soll unter Zuhilfenahme von Ma-

terialeigenschaften geschehen. Die Zuweisung solcher soll dem

22vgl. Kapitel VI.2, S.60.23ebd., S.57.24ebd., S.87.

oben genannten25 MATTER entsprechen. Unterscheiden wir die-

se in primäre und sekundäre Materialeigenschaften. Sekundäre

seien dabei Linienbreite und Transparenz, primäre Farben und

Texturen. Wenigstens eine der primären Materialeigenschaften

muss einer Form zugewiesen werden, um eine Gestalt zu erhal-

ten.

Sind mehrere Eigenschaften eines Typs ausgewählt, werden

sie als Möglichkeiten betrachtet. Vier ausgewählte Farben für

einen Materialknoten bedeuten, dass die Gestalt im erzeugten

Bild eine dieser Farben annehmen wird. Hier taucht das erste

Mal der Zufall auf.

Texturen, im Graphen „Bildfragmente” genannt, sollen als

Entsprechung zu Elementen in Collagen verstanden werden: Bil-

der, die aus Zusammenhängen gerissen wurden, um in einen

neuen „eingeklebt” zu werden. Sind sowohl Farben, als auch

Bildfragmente ausgewählt, werden die Farbwerte im Bildfrag-

ment mit der ausgewählten Farbe moduliert.

Die sekundären Materialeigenschaften können benutzt wer-

den, um weitere Eigenschaften der Gestalt zu benennen. Die

Linienbreite bezieht sich dabei natürlich auf die Breite der Um-

risslinie der Gestalt, die Transparenz legt fest, in wie weit die

Gestalt durchsichtig sein soll.

Alle neu gewonnenen Gestalten rücken zunächst in die Mitte

der Leinwand; um sie anderweitig zu Positionieren, muss ihnen

ein Ort zugewiesen werden.

25vgl. Kapitel VI.2, S.61.

65

Ein ästhetisches Labor

VI.4.3 Verorten

Ein Ort entsteht ebenfalls aus einer Form. Wenn einer bestehen-

den Gestalt eine Form zugewiesen wird, wird das als die Zuwei-

sung eines neuen Ortes für diese Gestalt betrachtet, im Sinne

des oben genannten26 SITE.

Durch eine solche Zuweisung entsteht im jeweiligen Gestalt-

knoten ein Unterknoten mit dem Namen „Platzierung”. Dieser

enthält zum einen den Unterknoten „Ort”, zum anderen aber

auch die Knoten „Drehung” und „Größe”. Der Ort ist nun genau

die eingebene Form. Ist die Form ein Punkt, so ist die Ortsanga-

be absolut, in allen anderen Fällen ist sie vage und wird, je nach

Art der Form, als „entlang eines Pfades” oder „innerhalb eines

Polygons” aufgefasst. Auch hier erscheint wieder der Zufall.

Über „Größe” lässt sich die entsprechende Gestalt skalieren,

über „Drehung” sind Rotationen der Gestalt anzugeben. In bei-

den Fällen wird dem entsprechenden Knoten ein Wert zugewi-

sen, indem die Repräsentation des Platzierungsknotens in der

Skizze manipuliert wird. Der so eingegebene Wert wird als ma-

ximal möglicher Wert für die jeweiligen Eigenschaft angesehen.

Ist beispielsweise für die Drehung 90°angegeben worden, wird

die Gestalt im fertigen Bild zwischen 0°und 90°gedreht erschei-

nen. Ein weiteres Mal ein zufälliger Einfluss.

Im Wesentlichen ist es mit der bis jetzt genannten Funktiona-

lität möglich, einfache Bilder zu erzeugen. Einige weitere Mög-

licheiten der Einflussnahme auf die Bildstruktur sollen allerdings

26vgl. Kapitel ??, S.??.

noch genannt werden.

VI.4.4 Modifizieren

Die Abfolge der Gestalten im Bildelemente hat implizit Einfluss

auf die Struktur des späteren Bildes, dadurch, dass es zu Über-

deckungen kommt.

Einfluss auf mikroästhetische Strukturen haben desweiteren

die Funktionen „Verteilen”, „Biegen” und „Runden”. Alle drei

können einer Gestalt zugewiesen werden und beeinflussen die

dieser zugrunde liegende Form. „Verteilen”27 bewegt jeden

Abb. VI.7: „Verteile” bewirkt die zufällige Verschiebung derPunkte pi einer Gestalt. Jeder neue Punkt p ′

i wird er-zeugt innerhalb eines Kreises um ein pi.

Punkt pi der Form einer Gestalt an einen neuen Ort p ′i, der sich

27vgl. Abb. VI.7.

66

Ein ästhetisches Labor

innerhalb eines Kreises mit konstantem Radius um pi befindet.

Hier erscheint erneut der Zufall. Mit Hilfe dieser Funktion wird

aus einer Gestalt in jedem neuen Bild ein geringfügig anders er-

scheinendes Bildelement, das der zeichnerisch eingegeben aber

vage ähnelt.

„Winkeln”28 erzeugt aus den vorhandenen Punkten

p0, p1, ..., pn−1 einer Form einen m-Tupel p ′0, p ′

1, ..., p ′m−1 mit

m = 2n − 1, wobei für die p ′i mit geradem Index i gilt: p ′

i = p i2

.

Für die p ′i mit ungeradem Index wird jeweils ein neuer Punkt

p ′i mit dem Ortsvektor ~p ′

i =(

xi−1yi+1

)aus den Koordinaten der

Ortsvektoren ~p ′i−1 =

(xi−1yi−1

)und ~p ′

i+1 =(

xi+1yi+1

)zweier Punk-

te p ′i−1 und p ′

i+1 erzeugt.

Die so veränderte Form der Gestalt besteht dann ausschließ-

lich aus horizontalen und vertikalen Linien, alle Winkel sind

rechte Winkel.

„Biegen”29 erzeugt aus den ursprünglichen Punkten

p0, p1, ..., pn−1 der einer Gestalt zugrunde liegenden Form

zunächst einen m-Tupel von Kontrollpunkten ki für quadrati-

sche Bézierkurven mit m = 2n − 1. Dabei ist ki = p i2

für alle ki

mit geradem Index i.

Die ki mit ungeradem Index werden wie folgt erzeugt:

Der Ortsvektor des Punktes k1 ist

~k1 = ~p0 +~p1 − ~p0

2,

28vgl. Abb. VI.8.29vgl. Abb. VI.9.

Abb. VI.8: „Winkeln” sorgt dafür, dass alle Winkel in einer Ge-stalt rechte Winkel sind.

für alle anderen ki ist

~ki = ~ki−1 +||~ki+1 − ~ki−1||

~ki−1 − ~ki−2

||~ki−1 − ~ki−2||.

Je drei Punkte ki, ki+1, ki+2 dienen dann als Kontrollpunkte

für ein Kurvensegment, eine quadratische Bézierkurve. Pro Seg-

ment werden dann mit

Pi(t) = (1 − t)2 · ki + 2 · t · (1 − t) · ki+1 + t2 · ki+2,

t ∈ [0, 1], i < m − 2, i = 2k, k ≥ 0

Punkte p ′ ∈ Pi(t) erzeugt, die die veränderte Form beschreiben.

Es wird also versucht, eine Kurve zu erzeugen, die grob ent-

lang der ursprünglichen Form verläuft, allerdings an vielen Stel-

67

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.9: „Biegen” sorgt für eine Kurve, die grob entlang dereingegeben Form verläuft.

len ausbricht.

Die drei erwähnten Möglichkeiten der Modifikation einer ei-

ner Gestalt zugrunde liegenden Form entsprechen den oben ge-

nannten30 RANDOM, SQUARE und BEND.

Eine letzte Möglichkeit das Bild zu strukturieren, besteht

durch das Einfügen eines Kopier-Knotens. Wird ein solcher ein-

gefügt, nimmt er die zuvor ausgewählte Gestalt auf und sorgt

im zu erzeugenden Bild für eine einstellbare Anzahl von Instan-

zen dieser Gestalt.

Mit dem Zeichnen, Gestalten und Modifizieren von Formen ist

die Makro- und Mikroästhetische Struktur des entstehenden Bil-

des beschrieben. Diese wird beim Ausführen nur noch an den

30vgl. Kapitel VI.2, S.61.

Stellen beeinflusst, an denen Zufall auftaucht; das geschieht an

den Stellen, auf die weiter oben hingewiesen wurde: bei meh-

reren gleichartigen Materialeigenschaften, vagen Ortsbeschrei-

bungen oder einem Verteile-Knoten.

VI.4.5 Ausführen

Ist wenigstens eine Gestalt im Entwurf vorhanden, kann ein

Bild erzeugt werden. Dies geschieht durch Drücken der RETURN-

Taste. Jeder weitere Druck führt zu einem neuen Bild.

Ein Druck auf die RETURN-Taste bei gehaltener SHIFT-Taste

geht einen Schritt weiter: Ein neues Bild wird angezeigt, zusätz-

lich aber auch der Algorithmus in Form des PASCAL-Quellcodes.

Wird RETURN gedrückt während die ALT-Taste gehalten wird,

bekommt der Benutzende eine ganze Serie angezeigt, beste-

hend aus neun Bildern.

Im wiederholten und sich aufeinander beziehenden Entwer-

fen und Ausführen eines Bildes/Algorithmus kann der Benut-

zende versuchen, sich einer vorgegebenen Ästhetik zu nähern

oder eine eigene zu erzeugen, um dabei Einblicke in das Zusam-

menspiel der von ihm entworfenenen bildlichen und algorithmi-

schen Elemente zu gewinnen.

68

Ein ästhetisches Labor

VI.5 Zur Implemetierung undUnerwartetem

Das Labor wurde implemetiert in C++ unter Benutzung von

OpenGL und der OpenGL Utility Library. Im Nachhinein war das

nicht die beste Entscheidung, in jedem Fall brachte sie einiges

an Unerwartetem mit sich.

Plattformunabhängig sollte das Labor sein, weshalb die Imple-

metierung in Java zunächst nahe lag. Allerdings schien eine Java

Applikation nicht schnell genug, um zum Beispiel eine Vielzahl

von Linien darzustellen.

Also wurde C++, OpenGL und GLUT gewählt. Weitestgehend

Plattformunabhängig und durch direkten Zugriff auf Grafik-

hardware sehr schnell, erschien diese Kombination als Ideallö-

sung.

Allerdings ist OpenGL nicht wirklich für 2D-Anwendungen

vorgesehen, viele wesentliche Funktionen fehlen dafür, bei-

spielsweise das sogenannte Joining von Linien die breiter sind

als ein Pixel zu einem Linienzug. Das hieß daher viel eigene Im-

plemetierung von Funktionen, die in anderen Bibliotheken zum

Standard gehören.

Aus vielen dieser Eigenimplementierungen ergaben sich für

mich neue Blicke auf Algorithmisches und Ästhetisches, die zu

grafischen Effekten im Labor führen, die dort eigentlich nicht

vorgesehen waren, es dem Benutzenden aber eventuell ermög-

lichen können, die Maschine hinter dem Labor zu ahnen. Zwei

Beispiele sollen hier genannt werden:

Zum einen ist da das Problem des Antialiasings von Polygo-

nen. Viele Grafikkarten unterstützen diese Funktionalität leider

nicht, wohl aber das Antialiasing von Linien. Ohne Antialiasing

wirken dann Polygone aber nicht so wie die Linien, bei denen

ein solches stattfindet. Um dies zu umgehen, wird jede darge-

stellte Fläche mit ihrem Umriss überzeichnet, um auf diese Weise

ein Antialiasing zu erzwingen.

Nun kann mittels der Materialeigenschaften aber einer Flä-

che ein Alphawert zugewiesen werden. Geschieht dies, so wer-

den die Polygone, die diese Fläche ausmachen zu einem gewis-

sen Grad transparent. Da die Umrisslinie aber genau über dem

Rand der Fläche liegt und den gleichen Alphawert wie die Flä-

che bekommt, wird die Farbe der Linie mit der darunterliegen-

den Fläche gemischt – die Linie tritt dann dunkler hervor als die

Fläche31. Dieser Effekt entspricht natürlich nicht der Erwartung

und ließe sich durch Verzicht auf die Umrisslinie oder ein Ver-

schieben dieser, sodass sie die Fläche umschließt, statt auf ihr zu

liegen, leicht beheben. Allerdings wurde dieser Effekt als ästhe-

tisch reizvoll empfunden, er erinnert entfernt an Aquarelle oder

Gouache Bilder. Derart lässt sich die Maschine „Überlisten”, soll

heißen, es lässt sich ein Effekt erzeugen, der so nicht vorgesehen

war: „Das heißt, daß die „wirkliche” Welt sich ausschließlich dort

offenbart, wo unsere Konstruktionen scheitern.”32

Desweiteren ist da das genannte Problem des Joinings von Li-

31vgl. Abb. VI.10.32von Glasersfeld, E.(1984), S.37.

69

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.10: Werden einer Fläche Transparenzeigenschaften zu-gewiesen, erscheint eine solche Fläche umrandet.

nienzügen, deren Linien breiter als ein Pixel sind. Es gibt in den

oben genannten Bibliothek keine vorgegebene Funktionalität,

um Übergänge an den Gelenken zu erzeugen. Gelöst wurde die-

ses Problem wie folgt: Jede Linie eines Linienzuges wird durch

ein Rechteck beschrieben, an den Gelenkstellen wir ein ausge-

füllter Kreis gezeichnet. Bei der Zugabe eines Alphawertes führt

das aber zu einem Effekt, der dem im vorigen Absatz beschriebe-

nen entspricht. In diesem Fall zeigt er deutlich, wie dieses Kop-

peln von Linien zu einem Linienzug stattfindet: Sowohl die Krei-

se, als auch die einzelnen Linien treten deutlich hervor33.

Dieser Effekt, der wieder offensichtlich nicht den Erwartun-

gen entspricht, blieb ebenfalls erhalten. Auch er besitzt ein ge-

wisses ästhetisches Potential, vor allem weist er deutlich dar-

auf hin, wie das Bildelement, bei dem er in Erscheinung tritt,

33vgl. Abb. VI.11.

Abb. VI.11: Durch Zuweisen von Tranzpareneigenschaften aneinen breiteren Linienzug erscheinen die Gelenke ei-nes solchen.

gezeichnet wird.

Eine weitere Möglichkeit, die Maschine zu Überlisten besteht

durch eine Art der Flächenbildung, die jeder Zeichner kennt, die

aber nicht der obengenannten des Schließens eines Linienzuges

entspricht. Gemeint ist die Schraffur. Reizvolle Effekte entstehen

dann, wenn einer solchen Form eine Textur zugewiesen wird34.

VI.6 Eine tatsächlicheBenutzungssituation und ein Fazit

Im Folgenden sollen die Auffälligkeiten einer stattgefundenen

Benutzungssituation geschildert werden. Dabei wurde eine Per-

son – nennen wir sie B – mit dem Labor konfrontiert. B hat wenig

Kenntnisse im Umgang mit Computern und Bildern am Compu-

34vgl. Abb. VI.12.

70

Ein ästhetisches Labor

Abb. VI.12: Ein Beispiel für eine durch Schraffur erzeugte textu-rierte Fläche.

ter; die Beschäftigung mit dem Labor dauerte etwa zwei Stun-

den.

Die folgende Schilderung soll nicht als exemplarisch verstan-

den werden, sondern auf Mängel in der Schnittstellengestaltung

hinweisen und an einigen Stellen zeigen, ob zumindest dort die

den Elementen zugewiesene Bedeutung bemerkt werden kann.

Zunächst wurde B Freiraum gelassen, um sich mit den Funktio-

nen des Labors vertraut zu machen. Im Anschluss daran wurde,

analog zur fiktiven Benutzung durch einen Benutzenden A, die

Aufgabe gestellt, das Bild „Lines Nr.63” Zdenek Sýkoras nach-

zuahmen.

Beim Heranführen an das Labor wurde so wenig Hilfestellung

wie möglich gegeben, B sollte versuchen, die Bedeutung der

einzelnen Funktionen soweit wie möglich selbst zu erschließen.

Wo das nicht möglich war, wurden Hinweise und Erklärungen

gegeben.

B wurde darum gebeten, seine Entscheidungen zu begründen

und seine jeweiligen Gedanken zu äußern.

Zunächst sah B also die leere Leinwand. Sie wird als „Feld”,

„Zaun” und „Begrenzung” aufgefasst und akzeptiert.

Das geht soweit, dass der umgebende, freie und als Arbeits-

fläche konzipierte Bereich häufig unberührt bleibt. Das Zeich-

nen findet ausschließlich im durch die Leinwand beschriebenen

Rahmen statt.

Der Reiz, der von dem roten „X” in der linken unteren Ecke

des Programmfensters ausgeht, scheint sehr groß zu sein: Mit

als erste Aktion getätigt, führte ein Klick auf dieses zum Löschen

der bis dahin eingegebenen Formen. Eine weniger auffällige Po-

sition und Farbgebung scheint angebracht.

Das Schließen eines Linienzuges durch das Zurückführen des

End- auf den Anfangspunkt scheint nach zweimaligem Auspro-

bieren verständlich. Allerdings kommt es unvermutet, dass die

durch den Schnitt einer gebogenen Linie entstandene Fläche

nicht als solche interpretiert wird.

Die Wandlung von Form zu Gestalt scheint verständlich. Auf

die Frage an B, was mit der Form passiert sei, wurde die Vermu-

tung geäußert, dass etwas „im Kopf vorhandenes” eine „Idee”

durch die Hinzugabe von Farbe „Gestalt annimmt”.

Allerdings ist das durch das nicht Vorhandensein einer Plat-

zierung bedingte Rücken einer neu erzeugten Gestalt in den

Mittelpunkt der Leinwand ohne weitere Erklärung offenbar

71

Ein ästhetisches Labor

unverständlich.

Überraschenderweise ist das Ziehen eines Formknotens in eine

Gestalt – zwecks Erzeugung einer Platzierung – für diese für B

schnell verständlich. Beim Entwickeln erschien es im Gegensatz

dazu in der Anfangsphase einleuchtender, die Baumstruktur als

Szenengraphen aufzufassen, in dem ein Ort eine Gestalt auf-

nimmt, ein Ansatz, der auch die Platzierung mehrerer Gestalten

an ein und demselben Ort ermöglicht hätte. Bei der Verortung

der Gestalt auf die implementierte Weise wird der Ort von B als

„Eigenschaft”, als Attribut der Gestalt aufgefasst, eine Sichtwei-

se, die man vielleicht objektorientiert nennen kann.

Die darauf eingehende Nachfrage, ob es nicht einsichtiger wä-

re, einen Gegenstand X an einen Ort Y zu legen und nicht umge-

kehrt einen Ort Y einem Gegenstand X zuzuweisen wurde ver-

neint. Als Grund wurden unter anderem ästhetische35 Gesichts-

punkte angeführt:

Das Erzeugen von neuen Formen verlängert den Baum nach

unten, erzeuge „Gewusel”. Es scheint beruhigend zu sein, die-

se in vorhandene Knoten einzuhängen und so „Ordnung” zu

schaffen.

Die mit der Maus ausführbare Kopieren-Einfügen-Aktion schi-

en in diesem Fall intuitiv einsichtig. Anstatt den bis zu ei-

nem gewissen Grad beweglichen Knoten ohne Abtrennung von

seiner gegenwärtigen Position über die neue Position zu zie-

hen, wurde dieser zunächst „abgerupft” und dann an die neue

35wörtlich: „aus ästhetischen Gründen”.

Position bewegt.

Auf Nachfrage wurde als Begründung angegeben, dass ein

Gegenstand, um von einem Ort an einen zweiten zu gelangen,

zunächst vom ursprünglichen Ort entfernt werden müsse.

Probleme gab es beim Vermischen von „drawing” und „pain-

ting”: Die vorhandenen Erfahrungen mit digitalen Bildern ent-

stammten offensichtlich aus „paint”-Programmen. So wurde zu-

nächst erwartet, dass die Zuweisung von Farbe an eine nicht

geschlossene Form die Leinwand im Sinne eines „paint bucket”

oder „food fill” komplett mit Farbe füllt.

Beim Zuweisen von mehreren Farben zu einer Gestalt wurde

die Genetik als Vergleich herangezogen: man wisse die Farben,

sozusagen die Erbanlagen der Gestalt. Im Gegensatz zur biologi-

schen Vererbung, bei der man z.B. mit den Mendelschen Verer-

bungsregeln abschätzen könne, wie sich diese Erbanlagen dann

in einer Gestalt, einem Lebewesen ausprägen, könne man dies

hier nicht tun, da hier Zufall im Spiel sei: „Man weiß nicht, was

rauskommt.”

Zu Unverständnis führte das Erzeugen eines Kopier-Knotens:

denn bei dessen Einfügen erscheint dieser als neuer Knoten, der

die zuvor markierte Gestalt aufnimmt.

Erwartungskonformer sei aber die Aufnahme des Kopier-

Knotens in den jeweiligen Gestaltknoten als „Anmerkung” zu

dieser, als Attribut. Ob diese objektorientierte Erwartungshal-

tung im bis dahin bemerkten Aufbau des Baumes oder in per-

sönlichen Vorlieben wurzelt war nicht feststellbar.

72

Ein ästhetisches Labor

Was offensichtlich fehlt, ist eine Funktion, die eine Umbenen-

nung von Knoten zulässt und so die Vergabe eigener Namen

an die Knoten ermöglicht. Eine solche Funktion sei laut B sinn-

voll, um sich bei einem umfangreicheren Baum noch erinnern zu

können, welcher Knoten welcher sei.

Die nach Abschluss der Eingabe eines Linienzuges stattfinden-

de Vereinfachung derselben durch Löschen von Zwischenpunk-

ten wurde nicht als störend empfunden, anscheinend auch an-

fangs nicht bemerkt.

Ein Blick auf den erzeugten Code führte zu Missfallensäuße-

rungen, er gefiel nicht. Darüber hinaus wurde geäußert, er wir-

ke „kurz”.

Die Bedeutung des Algorithmus für ein Bild wurde wie folgt

beschrieben: er sei eine Beschreibung, was in welcher Reihenfol-

ge zu machen sei. Der Vergleich mit dem Malen wurde herange-

zogen: man brauche die „Vorraussetzungen” Leinwand, Farbe,

Pinsel etc., also „das was man braucht”, womit dann im Folgen-

den „etwas passiere”. Das bezog sich primär auf die – unver-

ständlich erscheinenden – Variablendeklarationen im Code.

Die Prozeduraufrufe selbst – von B „Protokoll” genannt – wa-

ren nach einigem Rätseln schon eher verständlich. Die meisten

konnten den jeweiligen Knoten im Baum zugeordnet werden.

Dabei fiel sogar ein Fehler auf: Die Zählervariable einer FOR-

Schleife war nicht deklariert.

Überaschenderweise wurde die Sequenz des Zoomens auf 3x3

Pixel, die Zuordnung der hexadezimalen RGB-Farbwerte und de-

ren Übersetzung in Binärzahlen auf Anhieb verstanden. Was

weiterhin völlig überraschend kam, war die Aussage, die Abfol-

ge der Nullen und Einsen sei „sehr entspannend”, „schön” oder

„ästhetisch” durch die Hintereinanderstellung der „gegensätzli-

chen” Nullen und Einsen und erinnere an eine Matrix.

Nach diesem erstem Probieren wurde nun die Aufgabe ge-

stellt, das Bild „Lines Nr.63” von Zdenek Sýkora nachzuahmen.

Es sollte ein Bild erzeugt werden, das im Stile des gegebenen

ausgeführt ist, keine exakte Kopie. B stellte fest, dass sei ohne-

hin nicht möglich, da die Bildelemente im Bild Sýkoras teilweise

verschlungen erscheinen36, ein Effekt, der mit den gegebenen

Werkzeugen nicht nachahmbar sei.

Es wurde dann zunächst festgestellt, dass es sich beim gegebe-

nen Bild um eines mit fünf gebogenen Linien mit drei verschie-

denen Breiten und fünf verschiedenen Farben handle.

Danach wurden fünf unterschiedliche Formen erzeugt, mittels

der entsprechenden Farben und Linienbreiten in Gestalten ver-

wandelt und entsprechend platziert.

Erst auf die Frage, ob sich dies auch schneller bewerkstelli-

gen ließe und nach einigem Überlegen kam die Antwort, dies

sei auch möglich, wenn man eine Form „vorzeichne” und an-

schließend mit einem Kopier-Knoten fünfmal kopiere, um da-

nach diese Formen mit entsprechenden Materialeigenschaften

und Modifikatoren „individuell” zu gestalten.

Die zwar bekannte Möglichkeit des Einfügens eines Kopier-

36vgl. Abb. VI.1. Gemeint sind die in der Tat verschlungenen beiden oberenLinien.

73

Ein ästhetisches Labor

Knotens war offensichtlich vergessen worden.

Die Darstellung einer 3x3 Bilder enthaltenden Bildserie wurde

benutzt, um sich das Bild herauszusuchen, welches am meisten

gefällt.

Sýkoras Bild war nach der Übungszeit im Vorfeld relativ

schnell nachgeahmt.

Zusammenfassend scheint es einige Haken bei der Benutzung

des Labors zu geben. Manche lassen sich an der Gestaltung der

Schnittstelle festmachen, andere resultieren aus der Erwartung,

die Handhabung des Labors ähnele der eines Paint-Programms.

Abgesehen davon mag eine gezielte Nachahmung von beste-

hendem mit den Mitteln des Labors möglich sein, allerdings

scheint es bei weitem reizvoller zu sein, durch Probieren und

Verändern eigene Bilder zu erzeugen.

Einige Zuordnungen von Elementen des Labors und der Bilder

zu ihren algorithmischen oder technischen Grundlagen schienen

möglich.

Natürlich kann aus einer Betrachtung des Umgangs einer ein-

zigen Person nichts Wesentliches abgeleitet werden. Zumindest

aber führt so etwas zu Anregungen und neuen Einblicken.

74

VII Fazit

Kunst und Wissenschaft begleiten sich über die Zeiten. Beide

konstruieren auf ihre Weise immer neue und immer komplexe-

re Zeichensysteme, um eine angenommene Wirklichkeit zu un-

tersuchen oder abzubilden. Beide erreichen spätestens in den

zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen jeweiligen

Punkt, an dem weitere Abstraktion keinen Sinn macht und an

dem man sich eingestehen muss, dass das wahre, objektive Wis-

sen von einer realen Welt niemals zu erreichen ist, sondern im-

mer nur in den selbstproduzierten Zeichen lag.

Nur im Verzicht auf große umfassende Ontologien und enge

Kausalbeziehungen kann harte Wissenschaft anscheinend wei-

ter funktionieren.

Die Kunst hat es leichter, sie kann spielerisch mit „dem Ab-

strakten”, mit den durch Abstraktion von Bekanntem gewonne-

nen Elementen, umgehen, sie z.B. neu anordnen.

Das ist nie ein beliebiges Anordnen, sondern folgt, wenn auch

meist nicht ausdrücklich genannten, häufig intuitiven Regeln. In

der Mathematik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts findet

eine Auseinandersetzung mit Regeln statt. Der Begriff des Be-

rechenbaren, des Algorithmus soll geklärt werden. Aus der Er-

kenntnis, dass kein allgemeiner Algorithmus zur Lösung mathe-

matischer Fragen gefunden werden kann, folgt, dass dasjenige,

das algorithmisch fass- auch berechenbar ist. Speziell auch für

Maschinen berechenbar ist.

Und damit taucht aus der Beliebigkeit der Punktelemente

Flussers ein Mittel hervor, das wie kein anderes dazu in der La-

ge ist, aus Abstraktem zu konkretisieren und Neues zu konstru-

ieren: der Computer. Mit ihm überbaut man die Welt des be-

deutungslosen Kleinsten mit Schichten von Zeichen und Spra-

chen und schafft so zunächst das Werkzeug Computer, dann das

75

Fazit

Medium Computer.

Statt tiefstgehender Analyse einer Lebenswelt folgt nun die

Konstruktion. Von Bildern zum Beispiel, seit jeher mächtige Zei-

chen. Beim technischen, algorithmischen Bild aber ist nun, be-

dingt durch ihre Herkunft, das Ästhetische wie auch das Algo-

rithmische allgegenwärtig.

Es gibt immer zwei Blicke auf das algorithmische Bild: den

oberflächlichen Blick des interesselosen Wohlgefallens, des An-

schauens, der die Illusion des Bildes erzeugt und zur Ästhetik

führt. Und den des Hinschauens, der das Bild verschwinden lässt

und zum Algorithmus führt.

Beide können wir uns im Wort „Entziffern” vorstellen: Durch

das Anschauen findet wörtlich eine Entzifferung des algorith-

mischen Bildes statt. Der Algorithmus, die Ziffern verschwinden

und der Eindruck des Bildes bleibt zurück, das Ergebnis einer

Konstruktion.

Andererseits muss das Entziffern im Sinne eines Dechiffrierens

zu einem Code führen, sonst gäbe es nichts zu entziffern. Dieser

Code ist auf der technischen Seite der Algorithmus, und diesen

kann es gelten zu entziffern, mit der Frage nach dem „Wie” der

Konstruktion.

Der Blick auf das digitale Bild ist häufig genug nur der an-

schauende. Mit den gleichen Mitteln, die am Computers ein sol-

ches Bild erzeugen, sollte es auch möglich sein, den anderen

Blick zu ermöglichen und so dem Benutzenden beim Betrach-

ten algorithmischer Bilder das Hinschauen gleichberechtigt dem

Anschauen zur Seite zu stellen.

Mit der Allgegenwart des digitalen Bildes ist die Auseinander-

setzung mit diesem unvermeidlich. Ohne das digitale Bild ist die

Welt buchstäblich unvorstellbar geworden.

In der Suche nach der Antwort auf die Frage wie diese Bilder

bedeuten kann dann eine Vorraussetzung für den bewussten,

konstruktiven Umgang mit ihnen liegen.

Oder, mit zwei Zeilen aus Paul Celans „Engführung”:

”Lies nicht mehr – schau!

Schau nicht mehr – geh!”

76

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• Abb. II.3: http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/LitWiss/KunstWiss/forschung/bogen/ring2.htm. Stand: 19.12.2002.

• Abb. IV.1: Raap, J. (1998), S.383.

• Abb. IV.2: Piehler, H. (2002), S.455.

• Abb. VI.1: Sýkora, Z. (1995), S.84.

• Abb. VI.2-12: Screenshots vom Labor und eigene Zeichnungen.

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