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FACHGEBIET BAUSTATIK Udo Wittek Beitrag zu nichtlinearen Rüdiger Meiswinkel Dimensionierungskonzepten Christian Lang von Flächentragwerken aus Stahlbeton März 2000 Bericht 1 April 2000 Bericht 2 FACHGEBIET BAUSTATIK UNIVERSITÄT KAISERSLAUTERN

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FACHGEBIET BAUSTATIK Udo Wittek Beitrag zu nichtlinearen Rüdiger Meiswinkel Dimensionierungskonzepten Christian Lang von Flächentragwerken aus Stahlbeton April 2000 Bericht 2

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Herausgeber Prof. Dr.-Ing. U. Wittek Fachgebiet Baustatik Universität Kaiserslautern Postfach 3049 67653 Kaiserslautern Telefon: 0631 – 205-2931 Telefax: 0631 – 205-3901 Email: [email protected] 2000 Prof. Dr.-Ing. U. Wittek PD. Dr.-Ing. R. Meiswinkel Dipl.-Ing. C. Lang

Fachgebiet Baustatik Universität Kaiserslautern

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Mit Genehmigung der Autoren ist es gestattet, dieses Heft ganz oder teilweise auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

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Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag für eine nichtlineare Dimensionierung von Flächentragwerken aus Stahlbeton in Anlehnung an die neue Generation von Stahl-betonvorschriften, die nichtlineare Berechnungsverfahren zulassen, aber noch viele Fragen z.B. bezüglich der zweiachsialen Stoffgesetze, der Dimensionierungsstrate-gien oder der Versagenskriterien offen lassen. Zunächst werden in diesem Bericht Stoffgesetze für die Stahlbetonmodellierung von Flächentragwerken vorgestellt, die bei den später durchgeführten nichtlinearen Berechnungen zur Anwendung kommen. Hierzu zählt die Abbildung der verschiedenen Versagensbereiche in Abhängigkeit des zweiachsialen Beanspruchungsverhältnisses sowie die geeignete Erfassung des Tension-Stiffenings. Die Lösung der nichtlinearen Beziehung zwischen der äußeren Belastung und den primären Unbekannten, den Tragwerksverformungen, erfolgt auf der Basis der FE-Methode. Bei den verwendeten Elementen läßt sich die beschrie-bene Stahlbetonmodellierung in einem Schichtenmodell berücksichtigen. Im Anschluß daran werden Vorschläge für zwei unterschiedliche Dimensionierungskon-zepte zur iterativen Bestimmung der Bewehrungsmengen mit nichtlinearen Verfahren vorgestellt. Ein großer Schwerpunkt wird in dieser Arbeit auf Plattentragwerke gelegt. Nachdem das physikalisch nichtlineare Tragverhalten bis zum Systemversagen er-läutert worden ist, werden die vorgestellten Dimensionierungskonzepte angewendet und die nichtlinearen Bemessungsergebnisse kritisch beurteilt. Ebenso werden die Einflüsse diverser Materialparameter auf die berechneten Bewehrungsmengen auf-gezeigt und Vorschläge zu deren Ansatz gemacht. Summary This paper makes a contribution to the practical nonlinear dimensioning of two-dimensional RC structures taking into account the valid codes. Biaxial material laws for reinforced concrete are presented and a practical method for considering the ten-sion-stiffening effect is shown. The solution of the nonlinear relationship between ex-ternal forces and the displacements of the structure is realized with the finite-element-method. Two different design concepts for the iterative calculation of the quantity and the distribution of reinforcement are introduced. After studying the nonli-near load carrying behaviour up to the failure of the structure with special focus on RC plates different application studies are carried out using the described design concepts. The nonlinear design results are discussed, the effects of various material parameters on the calculated reinforcement quantities are shown and advice for the choice of material parameters is given.

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Vorwort Das physikalisch nichtlineare Tragverhalten der Stab- und Flächentragwerke aus Stahlbeton bildet seit vielen Jahren einen Schwerpunkt der Forschungsarbeit am Lehrstuhl für Baustatik der Universität Kaiserslautern. Standen zu Beginn die Ent-wicklung geeigneter Stoffgesetze, Finite–Elemente–Beschreibungen und Lösungsal-gorithmen im Vordergrund des Interesses, so wurden in den letzten Jahren besonde-re Anstrengungen unternommen, um das sich abzeichnende Einführen nichtlinearer Verfahren in der neuen Normengeneration des Stahlbetonbaus mit geeigneten nu-merischen Methoden der Baustatik zu begleiten. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich dabei auf die Anwendung zur nichtlinearen Dimensionierung bzw. auf die An-wendung von nichtlinearen Nachweisverfahren von Flächentragwerken aus Stahlbe-ton, insbesondere der Stahlbetonplatten. Wesentliche Inhalte wurden im Rahmen des mir von der Deutschen Forschungsge-meinschaft bewilligten Forschungsvorhabens „Nichtlineares Dimensionierungskon-zept für Flächentragwerke aus Stahlbeton“ erarbeitet. Für die gewährte Unterstüt-zung gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft mein besonderer Dank. Kaiserslautern, im April 2000 Udo Wittek

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- Inhaltsverzeichnis - Seite 1. Einleitung 1 1.1 Problematik 1 1.2 Zielsetzung 2 1.3 Allgemeine Vorbemerkungen zum nichtlinearen Tragverhalten 2 2. Stoffgesetze für Stahlbeton 5 2.1 Normative Angaben 5 2.1.1 Angaben des EC 2 5 2.1.2 Angaben der DIN 1045 E 2/96 und E 12/98 7 2.2 Zweiachsiales Stoffgesetz für den Beton 8 2.2.1 Versagensbereiche des zweiachsialen Betonwerkstoffgesetzes 8 2.2.2 Stoffgesetz für die Bereiche 1 und 2 (ungerissen) 10 2.2.3 Stoffgesetz für die Bereiche 3 bis 6 (gerissen) 10 2.3 Modellierung des Tension-Stiffenings 12 2.3.1 Mechanik des Rißgeschehens 12 2.3.2 Tension-Stiffening nach EC 2 / DIN 1045 Neuentwürfe 14 2.3.3 Bestimmung der Erstrißspannung σsr im Zustand II 16 2.3.4 Berücksichtigung des Tension-Stiffening-Effektes 18 auf Betonseite 2.3.5 Einfluß der Erstrißspannung σsr auf das Verformungsverhalten 22 eines Einfeldträgers 2.3.6 Vergleich von Versuchsergebnissen mit Nachrechnungen 25 2.3.7 Fazit aus den Überlegungen für das Tension-Stiffening 27 3. Numerische Aspekte 29 3.1 Lösungsalgorithmen für nichtlineare Problemstellungen 29 3.2 Übersicht über die verwendeten Elemente 32 3.3 Querschnittsintegration 32 4. Nichtlineare Dimensionierungskonzepte zur Auslegung von 35 Stahlbetontragwerken 4.1 Allgemeines 35 4.2 Konzept der Schnittgrößeniteration 37

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4.3 Konzept der Traglastiteration 41 4.4 Anwendung der nichtlinearen Nachweiskonzepte in der Baupraxis 45 4.5 Gebrauchstauglichkeitsnachweise 45 5. Physikalisch nichtlineare Berechnung und Anwendung nichtlinearer 49 Dimensionierungskonzepte auf Stahlbetonplatten 5.1 Erläuterung des Tragverhaltens von Stahlbetonplatten 49 5.1.1 Allgemeines 49 5.1.2 Tragverhalten einachsig gespannter Plattenstreifen - 50 Vergleich ohne / mit Behinderung der horizontalen Verschiebungen 5.1.3 Tragverhalten zweiachsig gespannter Platten mit einge- 53 spannten Rändern und horizontaler Unverschieblichkeit 5.1.4 Tragverhalten zweiachsig gespannter Platten mit gelenkig 55 gelagerten Rändern und horizontaler Verschieblichkeit 5.1.5 Auswirkungen des nichtlinearen Tragverhaltens bei der An- 58 wendung von nichtlinearen Dimensionierungskonzepten 5.2 Anwendungsbeispiel einachsig gespannter Plattenstreifen 59 5.2.1 Einachsig gespannter Plattenstreifen mit horizontaler Ver- 59 schieblichkeit der Auflager 5.2.2 Einachsig gespannter Plattenstreifen mit horizontaler Un- 62 verschieblichkeit der Auflager

5.3 Anwendungsbeispiel vierseitig eingespannte Quadratplatte mit 67 Horizontal unverschieblicher Lagerung der Ränder

5.3.1 System und Diskretisierung 67 5.3.2 Schnittgrößeniteration und nichtlineare Dimensionierung 68 5.3.3 Gebrauchstauglichkeit 69 5.3.4 Traglastberechnungen 71 5.3.5 Einfluß des E-Moduls auf die Traglasten 77 5.3.6 Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten 79 5.3.7 Einfluß des Kriechens und Schwindens auf das Tragverhalten 80 5.4 Anwendungsbeispiel Zweifeldplatte mit horizontal verschieblicher 82 Lagerung der Ränder 5.4.1 System und Diskretisierung 82 5.4.2 Schnittgrößen, Bewehrungswahl, Nichtlineare Ergebnisse 83 für die Bemessungslast λ = 1,0 5.4.3 Gebrauchstauglichkeitsnachweise mit reduzierter Bewehrung 85 5.4.4 Traglastberechnungen und Versagensmechanismus 87 5.4.5 Einfluß des E-Moduls auf die Traglasten 94 5.4.6 Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten 96 5.4.7 Einfluß des Tension-Stiffenings auf die Traglasten 98

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5.4.8 Zusammenfassung der Ergebnisse für die Rechteckplatte 100 mit horizontal verschieblicher Lagerung der Plattenränder 5.5 Vergleich des Tragverhaltens der vierseitig eingespannten Quadrat- 102 platte mit der Rechteckplatte 5.6 Zusammenfassung, Fazit der Plattenberechnungen 108 6. Nichtlineares Tragverhalten von Kühlturmschalen aus Stahlbeton und 113 dessen Auswirkungen auf die sichere und dauerhafte Tragwerksaus- legung 6.1 Allgemeines 113 6.2 Nichtlineares Tragverhalten von Kühlturmschalen am Beispiel der 118 Kühltürme des Kraftwerks Schwarze Pumpe 6.2.1 System und Abmessungen 118 6.2.2 Materialdaten und Rechenmodell 120 6.2.3 Lastfallkombinationen 122 6.2.4 Nichtlineares Tragverhalten für LF g + 1,75 w* 123 6.2.5 Einfluß der Zugfestigkeit auf die mit nichtlinearen Verfahren 130 ermittelten Bewehrungsmengen 6.2.6 Traglastberechnungen und Einfluß der Zugfestigkeiten auf 135 die Traglasten für g + λ · w* 7. Zusammenfassung und Ausblick 143 8. Literatur 146

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1. Einleitung 1.1 Problematik Zur Auslegung von Bauwerken aus Stahlbeton sehen die derzeit gültigen techni-schen Regelwerke im allgemeinen lineare Verfahren zur Schnittgrößenermittlung vor und schalten eine Bemessung auf Querschnittsebene in einem diskreten Riß nach, die einen ausreichend großen Sicherheitsabstand der auftretenden Beanspruchung gegenüber dem rechnerischen Bruchzustand eines jeden Querschnitts sicherstellen soll. Jedoch besitzt der Werkstoff Stahlbeton zwei wesentliche physikalische Nichtlineari-täten: Zum einen liegt im Druckbereich eine nichtlineare Spannungs-Dehnungsbeziehung vor, die für eine einachsiale Beanspruchung mit der bekannten Parabelfunktion beschrieben wird. Zum anderen besitzt der Beton nur eine sehr ge-ringe Zugfestigkeit gegenüber seiner Druckfestigkeit, wobei das Verhältnis der Zug-festigkeit zur Druckfestigkeit ungefähr 0,1 beträgt. Der zweite Effekt ist der wesentli-chere der beiden. Der Beton reißt schon bei niedrigen Beanspruchungsstufen auf, die vorhandenen Zugwirkungen müssen durch eingelegte Bewehrungsstäbe aufge-nommen werden. Es liegt also nach dem Aufreißen eine Änderung im Lastabtragme-chanismus vor. Die Vorgehensweise nach der alten DIN 1045 [1] bei der Schnittgrößenermittlung, bei der ein homogener, isotroper und linear elastischer Werkstoff zugrunde gelegt wird, ist somit nicht wirklichkeitsnah, außerdem werden Systemreserven des Tragwerks mit Querschnittsbemessungen nicht ausgenutzt. Mit Einführung des EC 2 [2] werden auch nichtlineare Verfahren zur Schnittgrößenermittlung zugelassen. Damit ist die Möglichkeit einer wirklichkeitsnahen Beanspruchungsermittlung geschaffen, da bei der nichtlinearen Schnittgrößenermittlung eine realistische Steifigkeitsverteilung ein-geht. Einen Schritt weiter gehen die Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4]. Hier wird als nichtlineares Nachweisverfahren ein Nachweis einer rechnerisch definierten „Sys-temtragsicherheit“ zugelassen. Das bedeutet, daß der Nachweis der Tragsicherheit nicht mehr auf Querschnittsebene geführt wird, sondern lediglich ein definierter Ab-stand der einwirkenden Tragwerksbelastung gegenüber der „Systemversagenslast“ sichergestellt werden muß. Dadurch werden Tragfähigkeitsreserven in Form von Systemreserven bei statisch unbestimmten Tragwerken ausgenutzt. Darüber hinaus ist die bisherige Inkonsistenz der Verwendung zweier Werkstoffgesetze – ein Stoff-gesetz zur Schnittgrößenermittlung, ein anderes Stoffgesetz zur Bemessung – besei-tigt. Mit der Einführung der neuen Normengeneration im Stahlbetonbau sind also nun nichtlineare Verfahren zugelassen. Es sind jedoch keine konkreten Konzepte und Strategien zur Bewehrungsermittlung mit nichtlinearen Verfahren enthalten.

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1.2 Zielsetzung Ein wesentliches Ziel des vorliegenden Forschungsvorhabens ist die Entwicklung von Strategien zur Bewehrungsermittlung im Rahmen der nichtlinearen Nachweisverfah-ren. Diese Konzepte beinhalten einen iterativen Prozeß wie an späterer Stelle ge-zeigt wird, da die Menge und Anordnung der Bewehrung direkt die Schnittgrößen bzw. die erreichbare Traglast beeinflußt. Die entwickelten Dimensionierungskonzepte werden auf ausgesuchte Beispiele von Flächentragwerken (Platten und Schalen) an-gewendet und die Änderung des Tragverhaltens im Nichtlinearen gegenüber der li-nearen Lösung diskutiert. Dabei wird auch die Gebrauchstauglichkeit ins Auge ge-faßt, um sicherzustellen, daß bei reduzierten Bewehrungsmengen, die trotzdem noch die Nachweise für die Tragfähigkeit erfüllen, die Beton- und Stahlspannungen sowie die Rißbreiten nicht unzulässig groß werden. In den technischen Regelwerken sind nur einachsiale Betonwerkstoffgesetze zu fin-den. Für die nichtlineare Berechnung von Flächentragwerken sind jedoch zweiach-siale Betonwerkstoffgesetze erforderlich, welche hierzu bereitgestellt werden müs-sen. Weiterhin ist die Modellierung der Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen ein wesentlicher Bestandteil dieses Forschungsberichts. Es werden Lösun-gen aufgezeigt, wie dieser Mitwirkungseffekt im Rahmen der verwendeten Rechen-modelle wirklichkeitsnah bei den nichtlinearen Berechnungen berücksichtigt werden kann. Des weiteren werden die Einflüsse der verwendeten Materialparameter auf das Tragverhalten und das Sicherheitsniveau untersucht. Hierzu sind vor allem der E-Modul des Betons sowie dessen Zugfestigkeit und dessen Mitwirken auf Zug zwi-schen den Rissen zu nennen. Denn während bei einer linearen Tragwerksberech-nung für Lastbeanspruchung nur die Tragwerksgeometrie (System- und Quer-schnittsabmessungen) und die Verhältnisse der E-Moduli in die Schnittgrößenermitt-lung eingehen, sind dies bei einer nichtlinearen Berechnung ungleich mehr Einfluß-parameter. 1.3 Allgemeine Vorbemerkungen zum nichtlinearen Tragverhalten Bis zum Aufreißen verhält sich der Stahlbeton linear. Mit dem Überschreiten der Zug-festigkeit und dem damit verbundenen Aufreißen ändert sich der Lastabtragmecha-nismus gegenüber dem linearen Materialverhalten gravierend. Bei Platten z.B. tritt nach dem Aufreißen des Betons eine Kopplung von Biege- und Membranschnittgrößen auf, denn die horizontalen Verformungen der Plattenmittelflä-che können sich in den meisten Fällen nicht frei einstellen. Die Risse wandern im all-gemeinen über die Mittelfläche des Querschnitts hinaus, so daß die Mittelfläche posi-

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tive Dehnungen erhält. Werden die aus den Dehnungen der Plattenmittelfläche resul-tierenden Verformungen behindert, kommt es zu einem Aufbau von Druckkräften nach dem Aufreißen. Diese nichtlinearen Phänomene bei Stahlbetonplatten und de-ren Auswirkungen auf den Tragwerksnachweis unter Verwendung von nichtlinearen Nachweisverfahren werden im Kapitel 5 ausführlich erläutert werden. Auch beim Tragverhalten von Schalentragwerken treten physikalisch nichtlineare Ef-fekte mit dem Aufreißen des Betons auf. Die Steifigkeitsverteilung im Tragwerk än-dert sich gegenüber der linear elastischen. Als Auswirkung davon sei beispielhaft hierfür die Aktivierung von Ringbiegemomenten unter gleichzeitigem Abbau von Me-ridiankräften bei Kühlturmschalen unter Windbeanspruchung genannt [11]. Auf diese genannten nichtlinearen Effekte bei Platten und Schalen wird in den ent-sprechenden Kapiteln 5 und 6 noch genauestens eingegangen.

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2. Stoffgesetze für Stahlbeton 2.1 Normative Angaben 2.1.1 Angaben des EC 2 Der nichtlineare Nachweis gemäß EC2 [2] sieht eine nichtlineare Schnittgrößenbe-rechnung mit einer anschließenden Querschnittsbemessung vor. Für diese beiden Nachweisschritte sind unterschiedliche Stoffgesetze für den Stahlbeton anzuwenden. Die Ermittlung der nichtlinearen Schnittgrößen hat mit den Werkstoffbeziehungen nach Bild 2.1 mit Materialmittelwerten zu erfolgen.

Bild 2.1 Stoffgesetze nach EC 2 zur Schnittgrößenermittlung Die anzusetzenden Mittelwerte der Werkstoffparameter für die Schnittgrößenermitt-lung betragen: Beton: Druckfestigkeit fcm = fck + 8 MPa Zugfestigkeit fctm = 0,3 · fck 2/3 E-Modul Ecm = 9500 · fcm 1/3 Ec0 = 1,1 · Ecm

σc (< 0)

fcm

Ec0

-εc [‰] (< 0)εcu εc1

fyk ftk

Es

σS

εS [‰] εuk εy

Betonstahl:

[Mittelwerte]

Beton:

[Mittelwerte]

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Parabelgleichung ( ) c

2

c f2k1

k⋅

η−+η−η

=σ mit k = Ec0 · εc1 / fc

εc1 = - 2,2 0/00 η = εc / εc1 Betonstahl: Streckgrenze fym ≈ fyk

E-Modul Es = 200000 MPa

Bild 2.2 Stoffgesetze nach EC 2 zur Querschnittsbemessung

Für die Bestimmung der Grenztragfähigkeiten in den kritischen Bereichen müssen jedoch die Bemessungswerte der Baustoffkenngrößen zugrunde gelegt werden. Be-messungswerte sind dabei die charakteristischen Baustoffwerte (z.B. 5 % Fraktile) dividiert durch die jeweiligen Teilsicherheitsbeiwerte auf der Materialseite. Die für die Bemessung anzusetzenden Werkstoffgesetze sind im Bild 2.2 dargestellt. Die Werkstoffkennwerte für die Querschnittsbemessung betragen: Beton: Druckfestigkeit α · fcd = α · fcd / γc (γc = 1,50) (α = 0,85)

εs [‰]

σc

3,5 [εcu]

fck

2,0 εc [‰]

αγ

⋅fck

c

Bemessungsdiagramm

ftk fyk

fyk

εy 10 εuk 20

σs

Es

mit Verfestigung

ohne Verfestigung

Beton (Druckbereich)

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡γ c

tFraktilwer

Betonstahl

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡γ s

tFraktilwer

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Parabelgleichung σc = 1000 εc (250 εc – 1) α fck / γc (| εc | > 2,00 0/00) Betonstahl: Streckgrenze fyd = fyk / γs (γs = 1,15) E-Modul Es = 200000 MPa Der Faktor α in der Druckfestigkeit des Betons ist ein Abminderungsbeiwert, um die Reduktion der Druckfestigkeit des Betons bei Langzeitbelastungen gegenüber derje-nigen aus dem Druckversuch (Kurzzeitbelastung) zu erfassen. Weiterhin sind für den Beton bei der Querschnittsbemessung vereinfachte Werk-stoffgesetze wie eine bilineare Spannungsdehnungslinie oder ein Spannungsblock zulässig, worauf jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Es ist jedoch offen-sichtlich, daß zwischen den Werkstoffgesetzen für die Schnittgrößenermittlung und denjenigen für die Querschnittsbemessungen eine Diskrepanz besteht. Der Deh-nungszustand, der zu den Schnittgrößen bei der Schnittgrößenermittlung gehört, stimmt nicht mit demjenigen überein, der der Querschnittsbemessung zugrunde ge-legt wird [9]. 2.1.2 Angaben der DIN 1045 E 2/96 und E 12/98 Im wesentlichen decken sich die Angaben der Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4] mit denjenigen des EC 2 bezüglich der Stoffgesetze. Geringfügige Unterschiede beste-hen in der Grenzdehnung des Stahls εuk bei Erreichen seiner Zugfestigkeit, die nach den Neuentwürfen der DIN 1045 mit 25 0/00 festgelegt ist. Weiterhin ist der Unter-schied in der Definition der Bemessungsdruckfestigkeit zwischen EC 2 und den Neu-entwürfen der DIN 1045 zu beachten. Nach DIN 1045 E 2/96 und E 12/98 ist der Faktor α zur Berücksichtigung der Dauerfestigkeit bereits in der Bemessungsfestig-keit fcd = α · fck / γc eingearbeitet, wohingegen nach EC 2 der Faktor α zwar bei der Querschnittsbemessung berücksichtigt werden muß, jedoch nicht in die Bemes-sungsfestigkeit eingeht. Auch die Neuentwürfe der DIN 1045 besitzen hinsichtlich der Wahl der Stoffgesetze wiederum eine Diskrepanz zwischen Schnittgrößenermittlung und Bemessung. Der Nachweis der Tragsicherheit mit nichtlinearen Verfahren nach den Neuentwürfen der DIN 1045 erfolgt jedoch, wie an späterer Stelle ausgeführt wird, vorzugsweise über den Nachweis einer vorhandenen Traglast, so daß die Un-terteilung des Nachweises in Schnittgrößenermittlung und anschließender Quer-schnittsbemessung mit nichtlinearen Schnittgrößen entfällt. Für eine gewählte Be-wehrung wird eine Traglastberechnung mit einem Stoffgesetz durchgeführt, die Un-terscheidung zwischen zwei Stoffgesetzen für Schnittgrößenermittlung und Bemes-

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sung entfällt daher. Dabei werden fiktive Materialrechenwerte verwendet, auf die e-benso bei der Behandlung des Nachweisverfahrens im Kapitel 4 eingegangen wird. 2.2 Zweiachsiales Stoffgesetz für den Beton Für die nichtlineare Berechnung von Flächentragwerken aus Stahlbeton ist die An-wendung eines zweiachsialen Betonwerkstoffgesetzes notwendig. Je nach vorlie-gendem Hauptspannungsverhältnis ergeben sich andere Versagensarten. Dazu bie-tet sich das nichtlinear elastische Werkstoffgesetz von CEDOLIN / MULAS [7] an, je-dem Paar von Hauptdehnungen werden dadurch unabhängig von der Belastungsge-schichte eindeutig Spannungen zugeordnet. Das Werkstoffgesetz selbst basiert auf zweiachsialen Versuchen von KUPFER / HILSDORF / RÜSCH [8]. 2.2.1 Versagensbereiche des zweiachsialen Betonwerkstoffgesetzes Im Bild 2.3 ist das zweiachsiale Betonwerkstoffgesetz in der Hauptspannungsebene mit seinen Versagensbereichen dargestellt. Auch das Vorgehen zur Spannungser-mittlung ist darin enthalten. Zunächst werden die Eigenwerte ε1 und ε2 sowie die Ei-genrichtung des Dehnungstensors, die durch den Winkel ϕ beschrieben wird, ermit-telt. Über diese Hauptdehnungen werden die Hauptspannungen σ1 und σ2 aus dem zweiachsialen Stoffgesetz ermittelt. Dabei wird das zugehörige Teilwerkstoffgesetz des entsprechenden Bereiches an-gewendet. Die berechneten Hauptspannungen werden nun wieder auf das ursprüng-liche Koordinatensystem zurücktransformiert, es wird bei der Transformation Koach-sialität zwischen Hauptspannungen und Hauptdehnungen unterstellt. Das zweiachsi-ale Betonwerkstoffgesetz setzt sich aus 8 Teilgesetzen zusammen, die ebenfalls im Bild 2.3 eingetragen sind. Davon beschreiben die Bereiche 1 und 2 den ungeschä-digten Beton. Der Beton verhält sich in diesen beiden Bereichen isotrop. Er ist weder gerissen, noch liegt ein Druckversagen vor. In den Bereichen 3 bis 6 liegt ein Zugversagen des Betons vor. Das Materialverhal-ten ist orthotrop. Nach Überschreiten der Betonzugfestigkeit können weiterhin Span-nungen übertragen werden, diese Effekte werden als Tension-Softening in unbe-wehrten Bereichen und Tension-Stiffening in bewehrten Bereichen bezeichnet. Das Tension-Softening ist eher von untergeordneter Bedeutung, das Tension-Stiffening hingegen, auf dessen Modellierung an späterer Stelle noch eingegangen wird, übt einen großen Einfluß auf das Tragverhalten von Stahlbetontragwerken aus. Die Bereiche 7 und 8 beschreiben das Druckversagen des Betons. Es können keine Spannungen mehr übertragen werden, alle Steifigkeitswerte werden zu Null.

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Bild 2.3 Nichtlinear elastisches Betonmodell

Hauptdehnungen ε<α> ε<1>, ε<2>

Dehnungen ε<αβ> ε<11>, ε<12>, ε<2>

2211

122arctan21

ε−εε⋅

θ1 θ2

ε<22>

ε<21>

ε<12>ε<11>

ϕ

2 1

Hauptspannungen σ<α> σ<1>, σ<2>

Spannungen σ<αβ> σ<11>, σ<12>, σ<22>

θ1 θ2 σ<22>

σ<21>

σ<12>σ<11>

ϕ

2 1

linear elastisch

nichtlinear elastisch

3

4

5

6

7

2

8

1

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2.2.2 Stoffgesetz für die Bereiche 1 und 2 (ungerissen) Wie bereits erwähnt, liegt in den Bereichen 1 und 2 der ungeschädigte Beton vor. Sein Werkstoffgesetz wird über die zweiachsiale, isotrope Spannungs-Dehnungsbeziehung (2.1) nach [10] beschrieben.

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡εε

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡ν

νν−

=⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡σσ

><

><

><

><

2

1

s

s2s

s

2

1

11

1E (2.1)

Dabei wird nochmals zwischen den Bereichen 1 und 2 bei der Ermittlung der beiden Werkstoffparameter Es und νs unterschieden. Im Bereich 1 liegt lineare Elastizität vor. Der Sekantenemodul des Betons Es ist gleich dem Ursprungsemodul E0, die Sekan-tenquerdehnzahl νs ist gleich der Ursprungsquerdehnzahl ν0, die bei Beton im allge-meinen 0,20 beträgt. Der Bereich 2 wird durch ein nichtlinear elastisches, isotropes Werkstoffgesetz be-schrieben. Für Es und νs sind nun Sekantengrößen einzuführen. Diese werden in Ab-hängigkeit der Hauptdehnungen ε1 und ε2 sowie der Betondruckfestigkeit fc nach [7] bestimmt. Um ein isotropes Werkstoffverhalten zu beschreiben, werden zwei Werkstoffparame-ter benötigt. Hier sind der Elastizitätsmodul und die Querdehnzahl gewählt worden, das Gesetz hätte jedoch gleichwertig mit dem Kompressions- und Schubmodul for-muliert werden können. 2.2.3 Stoffgesetz für die Bereiche 3 bis 6 (gerissen) In diesen Bereichen liegt ein Zugversagen des Betons entweder in beiden Hauptrich-tungen (Bereich 3) oder in nur einer Hauptrichtung vor. Das Zugversagen ist vom Druckversagen durch die Gerade σ1 / σ2 ≈ -0,1 abgegrenzt. Zur Beschreibung des Betonverhaltens im Nachrißbereich wird ein orthotropes Werkstoffgesetz verwendet [10], das in Gleichung (2.2) wiedergegeben ist.

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡εε

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

⋅⋅ν

⋅ν

⋅ν−

=⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡σσ

><

><

><

><

2

1

2o

21o

o

21o1

2o

212o

2

1

EE

EEE

EEE

EEE1

1 (2.2)

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Dabei sind E0 und ν0 wieder die Ursprungsgrößen des Elastizitätsmoduls und der Querdehnzahl. Je Hauptspannungsrichtung werden nun einachsiale Stoffgesetze (Druckgesetz, Tension-Stiffening bzw. Tension-Softening) herangezogen, wobei das Tension-Softening bei baupraktisch üblichen Stahlbetonquerschnitten von unterge-ordneter Bedeutung ist. Dadurch werden jeweils die Sekantenemoduli E1 und E2 für die beiden Hauptrichtungen bestimmt, die im Gesetz (2.2) verwendet werden. Näher wird hierauf nicht eingegangen, es sei an dieser Stelle auf [10], [11] verwiesen.

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2.3 Modellierung des Tension-Stiffenings 2.3.1 Mechanik des Rißgeschehens [12] In diesem Abschnitt soll kurz das Phänomen des Tension-Stiffenings, auch Mitwir-kung des Betons auf Zug zwischen den Rissen genannt, beschrieben werden, bevor auf dessen numerische Umsetzung eingegangen wird. Es wird ein Stahlbetonstab unter einer zentrischen Zugkraft N betrachtet. Bei gerin-gen Beanspruchungen liegt die Zugkraft unter der Rißnormalkraft Nr. Der Beton und die Bewehrung erfahren im ungerissenen Zustand die gleiche Dehnung. Die Beton-spannung beträgt

cec

c AN

))1(1(AN

≈ρ⋅−α+⋅

=σ (2.3)

In Gleichung (2.3) beschreiben Ac die Fläche des Betonzuggliedes, αe das Verhältnis des Stahlelastizitätsmoduls Es zum Betonelastizitätsmodul Ec sowie ρ den geometri-schen Bewehrungsgrad As / Ac. Bei Steigerung von N wird die Rißschnittgröße Nr er-reicht, sobald an der schwächsten Querschnittsstelle die Betonspannung nach (2.3) gleich der Betonzugfestigkeit fct ist. Im Riß trägt jetzt allein der Bewehrungsstahl die Schnittgröße Nr. Es kommt also zu einem Spannungssprung im Betonstahl an der Rißstelle beim Übergang vom ungerissenen Bereich in den gerissenen. Die Stahl-spannung unmittelbar vor dem Reißen unter der Rißschnittgröße Nr beträgt nach (2.4) cte

Isr f⋅α=σ (2.4)

Unmittelbar nach dem Reißen berechnet sich die Stahlspannung im Riß nach (2.5), denn jetzt trägt im Riß nur noch der Stahlquerschnitt.

( )( )ρ

≈ρ⋅−α+⋅ρ

=σ cte

ctIIsr

f11f (2.5)

Der Spannungssprung im Betonstahl beim Reißen des Zuggliedes berechnet sich aus der Differenz zwischen (2.5) und (2.4). An der Rißstelle erreichen die Stahlspan-nungen ihren Höchstwert, während die Betonspannungen Null sind. In der Nachbar-schaft des Risses werden aufgrund dieser Unverträglichkeit zwischen der Dehnung des Stahls und derjenigen des Betons hohe Verbundspannungen aktiviert, die über die Einleitungslänge Anteile der Stahlzugkraft in den Beton zurückleiten. Dabei wird mit wachsender Entfernung von der Rißstelle die Stahlspannung II

srσ im Zustand II

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wieder auf die Stahlspannung im Zustand I Isrσ reduziert. Die Betonspannung wächst

innerhalb dieser Einleitungslänge von Null im Riß wieder auf ihre Zugfestigkeit an. Unter der Rißlast Nr bilden sich an anderen Stellen weitere Risse. (Genaugenommen muß dazu die Beanspruchung um ein geringes Maß erhöht werden, da die Betonzug-festigkeit über die Stablänge streut, und der erste Riß an der Stelle mit der gerings-ten Zugfestigkeit eintritt.) Der Abstand eines Risses zum Nachbarriß beträgt mindes-tens den Wert der Einleitungslänge, denn erst an deren Ende wird im Beton wieder die Betonzugfestigkeit fct erreicht. Auf dem Niveau der Rißschnittgröße bilden sich solange weitere Risse, bis die Betonspannung an keiner Stelle mehr fct erreicht. Die-ser Zustand, der im Bild 2.4 mit den Beton- und Stahlspannungen dargestellt ist, wird als abgeschlossenes Erstrißbild bezeichnet.

le < a < 2 le le : Einleitungslänge

σs (Stahlspannungen)

Nr Nr

αe · σc (αe – fache Betonspannungen)

σsrII

σsr = αe · fctI

Bild 2.4 Abgeschlossenes Erstrißbild mit Spannungsverteilungen Nach der Ausbildung des abgeschlossenen Erstrißbildes wachsen die Spannungen in der Bewehrung bei Steigerung der Belastung weiter an, und die Breite der vorhan-denen Risse nimmt zu. Örtlich kann an einzelnen Stellen die Betonzugfestigkeit nochmals erreicht werden, wodurch sich Zwischenrisse einstellen. Diese Phase wird als sukzessive Rißbildung bezeichnet. Die maximalen Stahlspannungen II

sσ werden nur im Riß erreicht, während zwischen den Rissen Anteile der Zugkraft in den Beton zurückgeleitet werden. Somit liegt die mittlere Stahldehnung unterhalb der Werte des reinen Zustands II, bei dem nur der Betonstahl alleine ohne Mitwirkung des Betons angesetzt ist. Mit weiterer Laststeigerung wird im Stahl an den Rißstellen die Streck-grenze erreicht, eine weitere Laststeigerung ist bei Vernachlässigung des Stahlver-festigungsbereiches nicht möglich.

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Die Spannungsdehnungslinie eines zentrisch beanspruchten Stahlbetonstabes im Vergleich zu einem nackten Stahlstab ist im Bild 2.5 dargestellt. Als Spannung ist dabei die Normalkraft dividiert durch die reine Stahlquerschnittsfläche definiert.

Bild 2.5 Spannungsdehnungslinie eines Stahlbetonzugstabes Man erkennt bei einer konstanten Spannung die Dehnungsminderung beim Stahlbe-tonzugstab gegenüber einem nackten Bewehrungsstab. Der Beton trägt zwischen den Rissen auf Zug mit und vermindert somit die mittleren Dehnungen. Die Spannungs-Dehnungslinie kann aber auch dahingehend gedeutet werden, daß bei einer konstanten Dehnung das Stahlbetonzugglied eine größere Spannung be-sitzt als der nackte Stahl. Dies wird bei der Umrechnung des Tension-Stiffening-Effekts auf die Betonseite angewendet, was an späterer Stelle in diesem Kapitel er-läutert wird. Die Rißbildung bei Biegung verläuft im Prinzip analog wie bei zentrischem Zug. Nur werden jetzt die einzelnen Querschnittsfasern unterschiedlich beansprucht, und die Risse durchdringen den Querschnitt nur bis zur Nullinie. 2.3.2 Tension-Stiffening nach EC 2 / DIN 1045 Neuentwürfe Der EC 2 [2] wie auch die Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4] enthalten Angaben, wie die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen bei Anwendung nichtlinea-rer Berechnungsverfahren berücksichtigt wird. Dabei werden Spannungs-Dehnungslinien auf Stahlseite vorgegeben. Im Bild 2.6 ist die Beziehung nach DIN 1045 E 2/96 und E 12/98 angegeben.

fy

IIsrσ

Zustand I

Zustand II (nackter Stahlstab)

∆εs

σs

εsm , εs b a c d

Bereich a: ungerissen Bereich b: Erstrißbildung Bereich c: sukzessive Rißbildung Bereich d: Stahlfließen

∆σs

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βt = 0,40 (Kurzzeitbelastung) δ = 0,8, ξ = 1,00 (DIN 1045 E 12/98) βt = 0,25 (andauernde Last) δ = 0,7, ξ = 0,85 (DIN 1045 E 2/96) Bild 2.6 Tension-Stiffening nach DIN 1045 E 2/96 [3] und E 12/98 [4]

β1 = 1,0 (Rippenstähle) / 0,5 (glatte Stähle) β2 = 1,0 (Kurzzeitlast) / 0,5 (andauernde Last) Bild 2.7 Tension-Stiffening nach EC 2 [2] Das Tension-Stiffening nach DIN 1045 E 12/98 stimmt dabei mit demjenigen des CEB-FIP MC 90 [13] überein. Das Gesetz entspricht von seinem Verlauf demjenigen aus Bild 2.5, es werden wiederum die Bereiche ungerissener Zustand, Erstrißbildung, sukzessive Rißbildung und Stahlfließen unterschieden. Die Streuung der Zugfestig-keit bei der Einstellung des Erstrißbildes ist dadurch berücksichtigt worden, daß der

ft

fy

1,3 σsr

εsuεsmuεsyεsmyεsr2εsr1

εs

σsr

σs

βt (εsr2 - εsr )

Es

εsrn

( )

( )

( )sysuy

srsmysmu

1sr2srtsysmy

1sr2srts

srsrn

s

sr2sr

0c

ct1sr

f1

E3,1

E,

Ef

ε−ε⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ σ⋅ξ−⋅δ+ε=ε

ε−εβ−ε=ε

ε−εβ−σ⋅

σ=ε=ε

∆εs

ft

fy

εsuεsmyεsr

εs

σsr

σs

εsy

εsm

sms

ss

2

s

sr21

s

ssrsm

0c

ctsr

E

1E

Ef

ε−σ

=ε∆

⎟⎟

⎜⎜

⎛⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛σσ

ββ−σ

+ε=ε

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Bereich der Erstrißbildung leicht von σsr auf 1,3 · σsr ansteigt. Auch im Fließbereich wird Tension-Stiffening berücksichtigt, die mittlere Dehnung bei Erreichen der Stahlstreckgrenze wird dadurch von εsy auf εsmy herabgesetzt, die mittlere Dehnung bei Erreichen von εsu wird auf εsmu reduziert. Dies bedeutet also, wenn im Riß die Stahldehnung εsu erreicht ist, dann beträgt die mittlere Stahldehnung über einen gan-zen Bereich „verschmiert“ betrachtet aufgrund der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen erst εsmu. Im Bild 2.7 ist das Tension-Stiffening Gesetz nach EC 2 [2] angegeben. Der Ansatz des EC 2 unterscheidet sich von den Neuentwürfen der DIN 1045, die Dehnungs-minderung ∆ε wird im Bereich der sukzessiven Rißbildung nach EC 2 nicht konstant angesetzt. Des weiteren sind keine Angaben für das Tension-Stiffening im Stahlfließ-bereich gemacht. Bei beiden Werkstoffgesetzen wird jedoch deutlich, daß die Erstrißspannung σsr einen sehr großen Einfluß auf den Verlauf der Gesetze haben wird. Je höher die Erstrißspannung im Zustand II ist, desto mehr trägt der Beton auf Zug zwischen den Rissen mit. Eine wesentliche Aufgabe bei der Ermittlung des Ten-sion-Stiffening-Gesetzes wird es also sein, die Erstrißspannung zu bestimmen. 2.3.3 Bestimmung der Erstrißspannung σsr im Zustand II Die Erstrißspannung σsr im Zustand II wird aus einer Gleichgewichtsbetrachtung im Riß aus den Rißschnittgrößen NRiß und MRiß ermittelt. NRiß und MRiß sind dabei genau die Schnittgrößen, unter denen sich der Erstriß einstellt. Der Zustand für ein vorge-gebenes M/N Verhältnis führt zu einer eindeutigen Lösung für die Druckzonenhöhe x und den inneren Hebelarm z. Dabei wird für den Beton im Druckbereich und den Be-tonstahl ein linear elastisches Gesetz angewendet, was bei diesen geringen Bean-spruchungen beim Reißen im Gebrauchsbereich zulässig ist. Ist der innere Hebelarm z bekannt, so läßt sich die Erstrißspannung nach Gleichung (2.6) bestimmen.

( )⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

−⋅−=σ Riß

RißRiß

ssr N

z2/hdNM

A1 (2.6)

Für den Sonderfall der reinen Biegung bei einseitig bewehrten Rechteckquerschnit-ten sind in [14] Beziehungen zur Bestimmung der Betondruckzonenhöhe x aufge-führt. Das Rißmoment errechnet sich dabei nach Gleichung (2.7), die Druckzonenhö-he x und der innere Hebelarm z werden für diesen Sonderfall nach den Gleichungen (2.8) und (2.9) bestimmt. Damit kann nach (2.6) die Erstrißspannung berechnet wer-den, wobei für den Sonderfall der reinen Biegung NRiß natürlich Null beträgt. cctRiß WfM ⋅≈ (2.7)

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⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅α⋅⋅

++−⋅⋅α=se

se A

db211bAx (2.8)

3/xdz −= (2.9) Die Erstrißspannung σsr kann für reine Biegung bei Rechteckquerschnitten verein-facht über die Gleichung (2.10) bestimmt werden, ohne die genaue Berechnung des inneren Hebelarms durchzuführen. Dabei wird der innere Hebelarm z im Zustand II mit 0,85 h abgeschätzt. zFs ⋅ = ctc fW ⋅ (Gleichgewicht beim Reißen des Betons)

h85,0Assr ⋅⋅⋅σ = ct2 fhb

61

⋅⋅⋅

ρ

⋅=σ ctsr

f2,0 (2.10)

Für zentrischen Zug, wie er z.B. bei einem Membranbeanspruchungszustand bei Schalentragwerken auftritt, ist die Erstrißspannung σsr gleich der gesamten Rißnor-malkraft NRiß dividiert durch die Stahlquerschnittsfläche As. Für eine kombinierte Beanspruchung aus Biegemoment und Normalkraft soll das Vorgehen zur Ermittlung der Erstrißspannung nur kurz skizziert werden. Zunächst werden die Rißschnittgrößen MRiß und NRiß so bestimmt unter Beibehaltung eines konstanten Verhältnisses von M/N, daß am stärker gezogenen Querschnittsrand ge-rade die Zugfestigkeit des Betons erreicht wird. Für diese Rißschnittgrößen wird am gerissenen Querschnitt Gleichgewicht formuliert (Momentengleichgewicht und Kräf-tegleichgewicht in horizontaler Richtung). Aus diesen beiden Gleichungen können die beiden Unbekannten des zu den Rißschnittgrößen gehörigen Dehnungszustandes bestimmt werden (Schwerachsendehnung und Querschnittskrümmung). Dies ge-schieht im allgemeinen mit iterativen Verfahren. Sind die Querschnittsverzerrungen für die Rißschnittgrößen bekannt, kann daraus die Druckzonenhöhe und der innere Hebelarm bestimmt werden, durch Anwendung von Gleichung 2.6 wird damit die Er-strißspannung berechnet. Nach Mehlhorn [27] ergibt sich die Erstrißspannung für einen Zugstab nach Glei-chung (2.11).

1srsr

cts

c

sceff

s

ctsr EfA

EEA

Af

ε⋅+ρ

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+⋅=σ (2.11)

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Gleichung (2.11) stellt lediglich eine reine Gleichgewichtsbeziehung bei reiner Zug-beanspruchung dar, die Betonzugzone wird dabei durch ein fiktives Zugglied mit der Fläche Aceff ersetzt. Von wesentlicher Bedeutung für eine wirklichkeitsnahe Bestim-mung der Erstrißspannung ist die richtige Bestimmung der Fläche Aceff und somit der effektiven Mitwirkungshöhe heff. Wird die effektive Höhe gemäß EC 2 [2] oder DIN 1045 [3], [4] mit heff = 2,5 (h-d) pauschal ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Beanspruchungszustandes festgelegt, so weicht gerade bei reiner Biegung die ermit-telte Erstrißspannung doch erheblich von der tatsächlichen ab [23]. Abschließend sei noch angemerkt, daß die Erstrißspannung nur berechnet werden kann, wenn das Verhältnis von Biegemoment zu Normalkraft, das in die Ermittlung des inneren Hebelarms des Querschnitts nach dem Aufreißen eingeht, bekannt ist. Bei einer physikalisch nichtlinearen Berechnung muß jedoch das Werkstoffgesetz zur Schnittgrößenermittlung schon im Vorfeld bekannt sein. Daher muß ein Näherungs-verfahren zur Berechnung der Erstrißspannung angewendet werden:

a) Das M/N – Verhältnis zur Berechnung der Erstrißspannung geht für jeden Quer-schnitt aus einer linearen Berechnung hervor und bleibt im Verlauf der nichtlinea-ren Berechnung konstant.

b) Das M/N – Verhältnis des jeweils vorangehenden Lastschritts wird für den jeweils aktuellen Lastschritt herangezogen. Eine Änderung von M/N beim Übergang des Tragverhaltens ins Nichtlineare kann somit näherungsweise berücksichtigt wer-den. Diese Möglichkeit ist wesentlich aufwendiger als Möglichkeit a), bei den durchgeführten Berechnungen wird die Erstrißspannungen über lineare Verfahren ermittelt, wobei von einem konstanten M/N – Verhältnis ausgegangen wird.

2.3.4 Berücksichtigung des Tension-Stiffening-Effektes auf Betonseite Die Berücksichtigung des Tension-Stiffenings auf Stahlseite wirkt sich nachteilig auf das Auffinden von Gleichgewichtszuständen bei der Anwendung eines inkrementell iterativen Lösungsalgorithmus zur Lösung nichtlinearer Problemstellungen aus [17]. Mit dem Aufreißen des Betons fällt die Betonspannung in den einzelnen Schichten schlagartig auf Null ab, wohingegen bei den Stahlspannungen ein Spannungssprung auf die Erstrißspannung im Zustand II erfolgt. Diese Steifigkeitssprünge und der schlagartige Ausfall von Schichten des Betonquerschnitts erschweren die Gleichge-wichtsfindung ungemein. Um dieses Problem aus dem Weg zu räumen, wird ein an-derer Weg bei der numerischen Modellierung des Tension-Stiffenings beschritten: Wie man in den Bildern 2.5, 2.6 und 2.7 erkennt, wird durch das Tension-Stiffening die mittlere Dehnung eines Stahlbetonzugstabes gegenüber der Dehnung eines nackten Stahlstabes um ein Maß ∆ε bei konstanter Spannung in beiden Stäben ver-

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ringert. Man kann den Effekt aber auch anders deuten: Bei einer gleichen aufge-brachten mittleren Dehnung am Stahlbetonstab und am nackten Stahlstab herrscht im einbetonierten Stab eine höhere Spannung als im nackten Stahlstab. Bei der nu-merischen Modellierung des Tension-Stiffenings wird also so verfahren, daß als Stahlkennlinie diejenige des nackten Stahls angesetzt wird und dem Beton die Span-nungsdifferenz aus dem Tension-Stiffening-Effekt zugewiesen wird [17]. Die Span-nungserhöhung gegenüber der nackten Stahlspannung II

sσ läßt sich nach Gleichung (2.12) beschreiben. sss

IIss

TSTs E ε⋅−σ=σ−σ=σ (2.12)

Bei der Umrechnung der Differenzstahlspannung TST

sσ auf Betonspannungen TSTcσ

muß für den Beton eine effektive Mitwirkungshöhe angesetzt werden. Soll im Tensi-on-Stiffening Gesetz des Betons nach dem Reißen kein Spannungssprung auftreten, so ist die effektive Mitwirkungshöhe nach Gleichung (2.13) zu berechnen. Diese be-schreibt die Gleichgewichtsbeziehung für die effektive Mitwirkungshöhe heff, so daß unmittelbar nach dem Reißen die umgerechnete Betonspannung aus Tension-Stiffening gleich der Zugfestigkeit ist.

( )bf

AEhct

sssrsreff ⋅

⋅⋅ε−σ= (2.13)

Vernachlässigt man die Spannung im Stahl vor dem Reißen (εsr · Es) und setzt die Erstrißspannung für den Fall der reinen Biegung nach Gleichung (2.10) an, so ergibt sich für diesen Sonderfall der reinen Biegung eine effektive Mitwirkungshöhe von heff = h/5 [15].

( ) h2,0bf

A/f2,0hct

scteff ⋅=

⋅⋅ρ⋅

= (2.14)

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Mitwirkungshöhe des Betons frei zu wäh-len, z.B. gemäß dem Kapitel Rißbreitenbeschränkung des EC 2 [2] mit heff = 2,5 (h-d). Dadurch ist aber im allgemeinen eine Unstetigkeit im Werkstoffgesetz des Tensi-on-Stiffenings vorgegeben. Für die Umrechnung des Stahlwerkstoffgesetzes nach EC 2 auf Betonseite sei auf [17] verwiesen. Die Umrechnung des Stahlwerkstoffge-setzes nach DIN 1045 E 12/98 [4], das im Bild 2.6 dargestellt ist, wird im folgenden vorgeführt.

Punkt 1: ε = εsr1 = c

ct

Ef

srs σ=σ rsrTSTc ρ⋅σ≈σ (Vernachlässigung von εsr1 · Es ≈ 0) (2.15)

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Punkt 2: ε = εsrn = ( )1sr2srts

sr

E3,1

ε−ε⋅β−σ⋅

s

sr2sr E

σ=ε

srs 3,1 σ⋅=σ ( ) rssrnsrTSTc E3,1 ρ⋅⋅ε−σ⋅=σ (2.16)

Punkt 3: ε = εsmy = ( )1sr2srts

y

Ef

ε−ε⋅β−

ys f=σ ( )[ ] rs1sr2srtTSTc E ρ⋅⋅ε−ε⋅β=σ (2.17)

Punkt 4: ε = εsy = s

y

Ef

0TSTc ≈σ (2.18)

Das Tension-Stiffening im Fließbereich wird hier vereinfachend vernachlässigt, mit dem Erreichen von εsmy laufen die umgerechneten Betonspannungen TST

cσ bis εsy auf

Null zurück. Mit den Beziehungen (2.14) bis (2.17) ist es nun möglich, das Tension-Stiffening auf Stahlseite nach DIN 1045 E 12/98 in äquivalente Betonspannungen zu überführen.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50

EC 2

DIN 1045 E 12/98

abfallende Gerade

TSTcσ

εc [0/00]

[MPa]

as = 6,54 cm²/m 18

3

Querschnitt:C 25 / 30fctm = 2,6 MPaEc0 = 33550 MPa

β1 = 1,0 β2 =1,0 (EC 2)βt = 0,4 (DIN 1045 E 12/98)

heff = 3,6 cm (h/5)ρr = 1,817 %

ρ = 0,363 %

σsr = 0,2 · 2,6 MPa / 0,363 · 10-2

= 143 MPa

Bild 2.8 TST-Gesetze auf Betonseite mit heff = h / 5

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0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50

EC 2

DIN 1045 E 12/98

abfallende Gerade

TSTcσ

εc [0/00]

[MPa]

as = 6,54 cm²/m 18

3

Querschnitt:C 25 / 30fctm = 2,6 MPaEc0 = 33550 MPa

β1 = 1,0 β2 =1,0 (EC 2)βt = 0,4 (DIN 1045 E 12/98)

heff = 7,5 cm ( 2,5(h-d) )ρr = 0,872 %

ρ = 0,363 %

σsr = 143 MPa

Bild 2.9 TST-Gesetze auf Betonseite mit heff = 2,5 (h-d) Im Bild 2.8 sind die von den Stahlkennlinien des EC 2 und der DIN 1045 E 12/98 auf die Betonseite umgerechneten Werkstoffgesetze des Tension-Stiffenings für einen konkreten Stahlbetonquerschnitt dargestellt. Die Mitwirkungshöhe des Betons ist hierbei mit h/5 angesetzt, so daß sich aus der Gleichgewichtsbeziehung beim Aufrei-ßen kein Spannungssprung ergibt. Im Bild 2.9 sind für den gleichen Querschnitt die Tension-Stiffening-Gesetze auf Be-tonseite umgerechnet worden. Dabei wird aber eine Mitwirkungshöhe von heff = 2,5 (h-d) angesetzt. Diese bewirkt den konstanten Spannungssprung unabhängig vom verwendeten Gesetz beim Reißen des Betons. Die Erstrißspannung des Stahls im Zustand II unmittelbar nach dem Reißen muß nun auf die angesetzten Betonfasern umgerechnet werden. Die Betonspannung springt beim Reißen von der Zugfestigkeit des Betons fct = 2,60 MPa auf TST

cσ = 1,25 MPa (143 MPa · 0,872 %). Weiterhin wird deutlich, daß der linear abfallende Ast anstelle der TST-Beziehungen, die von den nach EC 2 und DIN 1045 vorgegebenen Stahlkennlinien auf Betonseite umgerechnet worden sind, eine brauchbare Näherung darstellt [11]. Der wichtigste Parameter zur Beschreibung des Tension-Stiffening Werkstoffgeset-zes ist die Erstrißspannung des Stahls. Bei reiner Biegung wird die effektive Mitwir-kungshöhe des Betons mit h/5 vorgegeben, daraus ergibt sich automatisch unab-hängig vom Bewehrungsgrad die Erstrißspannung näherungsweise nach Gleichung (2.10), und es können die Werkstoffgesetze nach Bild 2.8 angewendet werden. Wei-

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terhin besteht die Möglichkeit, eine andere Mitwirkungshöhe zu wählen, dann muß aber auch die Erstrißspannung für die Berechnung vorgegeben werden. Es wird dann mit den Werkstoffgesetzen nach Bild 2.9 gerechnet, die den Spannungssprung berücksichtigen. Für Plattentragwerke wird die erste Variante vorgeschlagen, denn so wird unabhängig von der Bewehrungsmenge (Stütz- oder Feldbereich) ein einheit-licher Wert heff = h/5 angesetzt, aus dem programmintern die Erstrißspannung ermit-telt wird. Bei direkter Vorgabe von σsr muß jedoch zwischen den unterschiedlich be-wehrten Bereichen unterschieden werden (σsr abhängig vom Bewehrungsgrad). 2.3.5 Einfluß der Erstrißspannung σsr auf das Verformungsverhalten eines Ein-

feldträgers In diesem Abschnitt wird der Einfluß der Erstrißspannung σsr auf das Tension-Stiffening anhand des Last-Verformungsverhaltens eines Einfeldträgers untersucht. Das System mit seiner Belastung und seinen Werkstoffkennwerten ist im Bild 2.10 dargestellt.

Beton C 25/30

Betonstahl S 500

q = 11,0 kN/m (GZG)

6,0 m 100 cm

20 173

As = 12,8 cm²/m (∅ 14, s = 12 )

fcm = 33 MPa fctm = 2,60 MPa Ec0 = 33550 MPa

fy = 500 MPa Es = 200000 MPa

Bild 2.10 System, Einwirkungen und Werkstoffkennwerte Zunächst wird die Erstrißspannung unter Verwendung der Gleichung (2.11) unter Be-rücksichtigung einer Mitwirkungshöhe des Betons von 2,5 (h-d) = 7,5 cm ermittelt.

MPa8,1678,1255,33

2001005,78,12

60,2sr =⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅+⋅⋅=σ

Weiterhin wird die Erstrißspannung aus den Beziehungen (2.6-2.9) bestimmt.

cm39,48,1296,5

17100211100

8,1296,5x =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅⋅⋅

++−⋅⋅=

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cm5,153/39,417z =−=

m/kNm33,1710006/2,06,2M 2Riß =⋅⋅≈

MPa5,8710155,08,12

33,17sr =⋅

⋅=σ ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛=

⋅⋅=σ MPa3,81

)20100/(8,1260,22,0sr

Die Näherungsformel (2.10) liefert ausreichend genaue Werte für die Erstrißspan-nung bei reiner Biegung. Man erkennt aber die großen Diskrepanzen in den Erstriß-spannungen, wenn diese über einen Zugstab mit der Höhe 2,5 (h-d) berechnet wird. Im Bild 2.11 sind die sich daraus ergebenden Tension-Stiffening Gesetze nach DIN 1045 E 2/97 [3b] auf Stahlseite dargestellt. Je größer die Erstrißspannung ist, desto größer ist auch die Spannungsdifferenz zum nackten Stahlstab.

0

100

200

300

400

500

600

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0

σ sr =167,8 MN/m²

σ sr = 87,5 MN/m²

reiner Zustand II

εs [0/00]

σs [MPa]

Bild 2.11 TST-Gesetze auf Stahlseite nach DIN 1045 E 2/97 [3b] Die Berechnungen sind mit dem FE-Programm VTRGW2 [6] auf der Basis von phy-sikalisch nichtlinearen 2D-Balkenelementen durchgeführt worden. In Abhängigkeit der Erstrißspannung ergeben sich dabei für die Belastung 11,0 kN/m im Gebrauchs-zustand GZG folgende Mittendurchbiegungen: Erstrißspannung: σsr1 = 167,8 MPa Mittendurchbiegung f = 2,54 cm Erstrißspannung: σsr1 = 87,5 MPa Mittendurchbiegung f = 3,21 cm

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Die zugehörigen Lastverformungskurven sind im Bild 2.12 dargestellt. Das Tension-Stiffening ist dabei auf Stahlseite angesetzt worden, dem Beton werden somit nach dem Reißen keine Spannungen mehr zugewiesen.

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0

Mittendurchbiegung w [cm]

Last

fakt

or λ

σsr = 87,5 MPa

σsr = 167,8 MPa

Bild 2.12 Lastverformungskurven für unterschiedliche Erstrißspannungen Je größer die angesetzte Erstrißspannung ist, desto größer ist der Tension-Stiffening Effekt, desto steifer verhält sich der Balken. Die Mittendurchbiegung bei einer Erst-rißspannung von 167,8 MPa beträgt deutlich weniger als diejenige mit einer Erstrißspannung von 87,5 MPa. Für eine realistische Verformungsberechnung ist al-so der Ansatz einer möglichst genauen Erstrißspannung unabkömmlich. Weiterhin erkennt man, daß die Lastverformungskurven bei großen Lastfaktoren zusammen-laufen werden. Das Tension-Stiffening hat keinen Einfluß auf die Traglast dieses Trägers, lediglich der Verlauf der Last-Verformungskurve bis zur Traglast ist bei hö-herer Erstrißspannung steifer. Die Ermittlung der Erstrißspannung unter Annahme eines Zugstabes der Höhe 2,5 (h-d) führt zu unrealistischen Verformungen. Im Bild 2.13 sind die Lastverformungskurven für die Erstrißspannung σsr = 87,5 MPa zum einen mit Tension-Stiffening auf Stahlseite und zum anderen mit Tension-Stiffening auf Betonseite angegeben. Für den Beton ist dabei als effektive Mitwir-kungshöhe 2,5 (h-d) angesetzt worden. Dies führt natürlich zu einem Spannungs-sprung im TST-Gesetz auf Betonseite gemäß Bild 2.9. Es ist also für das Berech-nungsergebnis unrelevant, ob mit Tension-Stiffening auf Stahl- oder Betonseite ge-rechnet wird. Lediglich der Ansatz der richtigen Erstrißspannung und damit die Um-

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rechnung der Beziehungen auf die Betonseite ist für die Ermittlung von realistischen Verformungen von Bedeutung.

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0

Mittendurchbiegung w [cm]

Tension-Stiffening Betonseiteheff = 2,5 (h-d)

Tension-Stiffening Stahlseite

Last

fakt

or λ

Bild 2.13 Lastverformungskurven TST auf Beton- und auf Stahlseite

2.3.6 Vergleich von Versuchsergebnissen [19] mit Nachrechnungen Zum Abschluß der Betrachtungen zum Tension-Stiffening wird eine Versuchsnach-rechnung eines Einfeldplattenstreifens unter einer Einzellast nach [19] durchgeführt. System, Werkstoffkennwerte und Belastung sind Bild 2.14 zu entnehmen. Eine genaue Bestimmung der Erstrißspannung liefert σsr = 272,4 MPa, auch die Nä-herung nach Gleichung (2.10) liefert ausreichend genaue Werte. Eine Bestimmung der Erstrißspannung nach Gleichung (2.11) mit einer effektiven Betonmitwirkungshö-he von heff = 2,5 (h-d) = 5,75 cm liefert viel zu hohe Werte von 493 MPa. Der Tensi-on-Stiffening Effekt würde mit einer Erstrißspannung von 493 MPa viel zu steif ange-setzt werden. Für die numerische Berechnung mit VTRGW2 [6] wird das Tension-Stiffening zunächst auf Betonseite mit einer effektiven Mitwirkungshöhe von heff = 2,5 (h-d) angesetzt. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß das Tension-Stiffening Gesetz über Vorgabe der wirklichen Erstrißspannung von 272,4 MPa auf die vorge-gebene Mitwirkungshöhe umgerechnet wird. So kommt es wieder zu dem im Bild 2.9 dargestellten Spannungssprung nach dem Reißen. Im Bild 2.15 sind die Versuchs-kurve und die nachgerechnete Kurve eingetragen. Die Traglasten können sehr gut

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abgebildet werden. Auch der Verlauf der Lastverformungskurve, der durch das Ten-sion-Stiffening nachhaltig geprägt wird, stimmt gut überein. Der Ansatz des Tension-Stiffenings auf Betonseite mit den beschriebenen Umrechnungen gibt das Last-Verformungsverhalten somit gut wieder.

P

1,01,0

2,0

80

As = 2,31 cm² = 6 Ø 7 (R257)

1613,7

2,3

Beton Betonstahl

Ec [MPa] 32100 Es [MPa] 200000

fcm [MPa] 30,4 fy [MPa] 634,0

fctm [MPa] 2,4 ft [MPa] 656,0

εsu [‰] 22,5

Werkstoffkennwerte:

σsr = 272,4 MPa ( 266 MPa nach Gl. (2.10) )

MRiß = 8,19 kNm PRiß = 16,40 kN Bild 2.14 System, Einwirkungen und Werkstoffkennwerte Des weiteren ist der Einfluß der angesetzten Mitwirkungshöhe des Betons untersucht worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß nur die Lage der Zugkraftresultierenden durch die Wahl der Mitwirkungshöhe beeinflußt wird, vorausgesetzt natürlich, daß die Umrechnung des TST-Gesetzes auf Betonseite über die richtige Erstrißspannung er-folgt ist. Für die durchgeführte Versuchsnachrechnung ist es unbedeutend, mit wel-cher Mitwirkungshöhe auf Betonseite gerechnet wird. Von wesentlicher Bedeutung ist nur die korrekte Vorgabe der Erstrißspannung.

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0.0

10.0

20.0

30.0

40.0

50.0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0 11,0 12,0

Mittendurchbiegung w [mm]

gemessene Last-Verformungskurve

Versuchsnachrechnung mit VTRGW2 [6]

Kra

ft [k

N]

Bild 2.15 Last-Verformungskurven Versuch und Nachrechnung 2.3.7 Fazit aus den Überlegungen für das Tension-Stiffening Die Steifigkeit von bewehrten Betonbauteilen im Nachrißbereich wird wesentlich beeinflußt durch das Mitwirken des Betons auf Zug zwischen den Rissen. Für wirk-lichkeitsnahe nichtlineare Berechnungen ist es von großer Bedeutung, die Erstrißspannung des Stahls σsr im Zustand II genau zu bestimmen, denn sie stellt den Haupteinflußparameter für das Last-Verformungsverhalten dar. Mit dem derzeiti-gen Wissensstand wird empfohlen, für wirklichkeitsnahe Berechnungen, falls dabei in erster Linie die Verformungen interessieren, im Fall der reinen Biegung eine Mitwir-kungshöhe von h/5 anzusetzen, was einer Erstrißspannung nach Gleichung (2.10) entspricht. Der Vorteil davon besteht darin, daß diese Mitwirkungshöhe unabhängig vom Bewehrungsgrad vorgegeben wird. Für zentrischen Zug, wie er z.B. bei Schalen unter Membranbeanspruchung auftritt, beträgt die Mitwirkungshöhe h/2 für jede Be-wehrungslage. Weiterhin muß aber hervorgehoben werden, daß das Tension-Stiffening auf die Traglasten von Platten keinen Einfuß haben wird, wie im Kapitel 5 noch gezeigt werden wird, so daß für die Anwendung nichtlinearer Dimensionie-rungskonzepte zum Nachweis des Grenzzustandes der Tragfähigkeit die Art des an-gesetzten Tension-Stiffenings von untergeordneter Bedeutung ist.

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3. Numerische Aspekte 3.1 Lösungsalgorithmen für nichtlineare Problemstellungen Für die durchgeführten numerischen Untersuchungen von Flächentragwerken ist das Programmsystem ROSHE3 [5] verwendet worden. Dieses basiert auf der FE-Methode unter Verwendung von Weggrößenmodellen. Das Prinzip der virtuellen Ar-beit besagt, daß für einen Gleichgewichtszustand die Summe aus innerer und äuße-rer Arbeit verschwindet. 0AAA ia =δ+δ=δ (3.1) Unter Einführung der kinematischen Beziehungen und der konstitutiven Gesetze in (3.1) ergibt sich die nichtlineare statische Steifigkeitsbeziehung (3.2) mit den Weg-größen V als primäre Unbekannte. ( ) PVKKK gue =⋅++ (3.2)

Dabei stellt Ke die elastische Steifigkeitsmatrix, Ku die Anfangsverformungsmatrix, Kg die Anfangsspannnungs- oder geometrische Steifigkeitsmatrix, V den Verformungs-vektor und P den Vektor der äußeren Knotenkräfte dar. Die Gleichung (3.2) gilt so-wohl auf Element- wie auch auf Systemebene. Durch Zusammenbau der einzelnen Elementmatrizen unter Transformation der Freiheitsgrade in ein globales Koordina-tensystem ergeben sich die globalen Systemmatrizen. In dem Verformungsvektor V finden sich die als Freiheitsgrade eingeführten unbekannten Knotenverformungen. Die innerhalb der Elemente auftretenden Verformungen lassen sich daraus mit Hilfe der gewählten Elementansatzfunktionen bestimmen. Die auftretenden Nichtlinearitäten finden sich in den Grundgleichungen Gleichge-wicht und Kinematik (geometrische Nichtlinearität) sowie in den konstitutiven Bezie-hungen (physikalische Nichtlinearität) wieder. Sie sind in den Matrizen Ku und Kg (geometrische Nichtlinearität) sowie Ke (physikalische Nichtlinearität) enthalten. Das Gleichungssystem (3.2) gilt es nun zu lösen, um die unbekannten Knotenver-formungen zu bestimmen. Dies kann nicht direkt erfolgen, denn die Matrizen Ke, Ku und Kg sind von den Knotenverformungen abhängig. Es besteht ein nichtlinearer Zu-sammenhang. Zu dessen Lösung bieten sich inkrementell iterative Algorithmen wie das Newton/Raphson-Verfahren oder das Riks/Wempner/Wessels-Verfahren an. Der vorgegebene Lastzustand P wird in einzelne Lastschritte unterteilt, für jeden Lastzu-wachs wird die Gleichgewichtsbeziehung (3.2) linearisiert, so daß sich die inkremen-telle Gleichgewichtsbeziehung (3.3) ergibt.

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( ) igue PPVKKK −⋅λ=⋅+++

(3.3)

+

V ist hierbei der Vektor der inkrementellen Knotenverformungen, Pi ist der Vektor der inneren Knotenkräfte. Gleichung (3.3) stellt somit die Aussage dar, daß Gleich-gewicht für einen Lastschritt erreicht ist, wenn die äußeren Knotenkräfte λ·P gleich den inneren Knotenkräften Pi sind [10]. Die linearisierte Beziehung wird nun für jeden Lastschritt iterativ gelöst, bis das angestrebte Lastniveau erreicht ist.

Pi

λ · P

λ · P

VV0

∆P = λ · P - Pi

V1 V2 Vn

V+

KT

inkrementell iteratives Lösungsverfahren(Newton / Raphson, Riks / Wempner / Wessels)

Last

schr

itt

Verformung Bild 3.1 inkrementell iterative Lösung der nichtlinearen Steifigkeitsbeziehung Im Bild 3.1 ist der iterative Lösungsprozeß nach dem Newton/Raphson Verfahren für einen Lastschritt dargestellt. Ausgehend von einem Gleichgewichtszustand bei V0 wird die äußere Belastung nun auf λ·P erhöht. Dann wird die Beziehung (3.3) gelöst. Es ergeben sich die aktuellen Verformungen V1. Aufgrund des nichtlinearen Zusam-menhangs zwischen Verformungen und Knotenkräften liegt nun aber eine Differenz zwischen den äußeren und den inneren Knotenkräften vor, die als Ungleichgewichts-kräfte ∆P bezeichnet wird. Im nächsten Iterationsschritt des aktuellen Lastschrittes wird wiederum die Beziehung (3.3) gelöst, wodurch die aktuellen Verformungen auf V2 verbessert werden und die Ungleichgewichtskräfte schon deutlich geringer ausfal-len als im Iterationsschritt zuvor. Diese Iteration wird jetzt solange fortgesetzt, bis ein Gleichgewichtszustand gefunden ist, der mit Vn bezeichnet ist, wobei n die Anzahl der benötigten Iterationen für diesen Lastschritt bezeichnet. Kennzeichnend für die-

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sen Punkt ist, daß die Differenz aus den äußeren und inneren Knotenkräften ver-schwindet. Die Last wird nun in einem neuen Lastschritt weiter gesteigert, und der Vorgang der iterativen Lösung des neuen Lastschrittes beginnt von vorne. Die Last-steigerung wird solange fortgesetzt, bis entweder das gewünschte Lastniveau er-reicht ist oder Systemversagen stattfindet, so daß kein weiterer Gleichgewichtszu-stand mehr aufgefunden werden kann.

ROSHE 3 Schalenelemente

Elementname

ROSH27/30

ROSH36/39

ROSH54/57

ROSH63

ROSH48/52

El.-Typ Nr.

2627/30

2636/39

2654/57

2663

2648/52

vλ Polynome

v3

kubisch

kubisch

quintisch

⎫ ⎬ quintisch ⎭

⎫ ⎬ quintisch ⎭

⎫ ⎬ kubisch ⎭

Freiheitsgrade

vi vi,α

vi vi,α v3,αβ

vi vi,α vi,αβ

vi vi,α

vi,αβ vi,ν

vi vi,α vi,12

Freiheitsgr./ Knoten

9

12

18

18+3

12

Freiheitsgr./ Element

27

36

54

63

48

Flächeninte-grationspunkte

Verschiedene Integrationsgrade 4 bis 25 Punkte

bis 7 x 7

Querschnitts-integration

Schichtenmodell: Spannungsintegration in jedem Flächenintegrationspunkt

Nichtlineare Schalentheorie

geometrisch nichtlinear: • DONELL/MARGUERRE-Näherung • Theorie mäßig großer/kleiner Rotationen • Theorie mäßig großer Rotationen physikalisch nichtlinear: • nichtlinear elastisches Stahlbetonmodell

Tabelle 3.1 ROSH- Schalenelemente des FE Programms ROSHE3 [5]

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3.2 Übersicht über die verwendeten Elemente Tabelle 3.1 gibt eine Übersicht über die im FE-Programm ROSHE3 [5] enthaltenen Schalenelemente. Es handelt sich dabei um reine Weggrößenelemente. Von beson-derem Interesse ist das Viereckselement ROSH48/52, das für die nichtlineare Be-rechnung von Plattentragwerken zum Einsatz kommt. Dieses besitzt 12 Freiheitsgra-de je Knoten, so daß mit insgesamt 48 Elementfreiheitsgraden kubische Ansätze für die Verformungen v1 und v2 in der Schalenmittelfläche sowie für v3 senkrecht zur Schalenmittelfläche gemacht werden. Als Freiheitsgrade werden die Verschiebungen v1, v2 und v3 und die Verdrehungen w1 und w2 sowie die Verschiebungsableitungen v1,1 , v1,2 , v2,1 , v2,2 , v1,12 , v2,12 und v3,12 je Knoten verwendet. Den Elementen liegen nichtlinear elastische Stoffgesetze zugrunde. Es wird von ei-nem Ebenbleiben der Querschnitte nach der Deformation ausgegangen. Die Anteile aus Querschub an der Formänderungsenergie werden vernachlässigt. Als weitere Einschränkung ist anzumerken, daß bei der Herleitung der ROSH-Elementfamilie von orthogonalen Basisvektoren ausgegangen wird. Dies bedeutet, daß die gemischten Metrikterme zu Null werden. Für rechtwinklige Platten oder Rota-tionsschalen ist diese Forderung jedoch erfüllt, so daß diese Elemente trotz der Ein-schränkung für die numerischen Untersuchungen verwendet werden können. Die Integration über die Elementfläche erfolgt numerisch mit Hilfe der Gaußschen Quadratur, voreingestellt für das Rechteckelement ROSH 48/52 sind 4x4 Integrati-onspunkte. In den einzelnen Gaußintegrationspunkten muß eine Spannungsintegra-tion über die Elementdicke erfolgen, denn die Werkstoffgesetze werden für die Spannungsberechnung schichtenweise ausgewertet und anschließend zu resultie-renden Schnittgrößen aufintegriert. 3.3 Querschnittsintegration Bei der Stahlbetonmodellierung wird im allgemeinen ein Schichtenmodell angewen-det [11]. Zusätzlich zur Diskretisierung der Geometrie des Tragwerks findet nun eine Diskretisierung in Dickenrichtung statt. Der Stahlbetonquerschnitt wird in einzelne Beton- und Stahlschichten unterteilt. Man spricht von einem 2½-D Modell. Die nichtli-nearen Stoffgesetze des Stahlbetons führen im allgemeinen zu einer nichtlinearen Spannungsverteilung über den Querschnitt. Je Schicht werden aus den Verzerrun-gen durch Anwenden der im Kapitel 2 vorgestellten Werkstoffgesetze die Spannun-gen ermittelt. Die Spannungen werden pro Schicht als konstant angenommen. Als numerisches Integrationsverfahren wird die Trapezregel verwendet. Die mittlere Spannung einer Faser wird danach mit der Faserfläche multipliziert, so daß sich dar-

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aus die Faserkraft ergibt. Die Integration wird durch eine Summation über alle Fasern in Dickenrichtung ersetzt.

-

h/2

h/2

i =1

2

3

45

6

7

8

j =1

2 -

++

-

Stahlbeton-querschnitt

Schnitt-größen

Verzerrungen Beton-spannungen

Stahl-spannungen

ks Anzahl der Stahlschichtenkc Anzahl der Betonschichten

z mαβ nαβ

εαβ = ααβ + z·βαβ σc αβ σs αα

js

ic

k

1j

ijs

js

2/h

h/2-ss

k

1i

iic

2/h

h/2-ccsc

js

2/h

h/2-

k

1=j

jsss

2/h

2/h

k

1i

icccsc

s

c

s

c

z a dz z m

zz dz z m :m m m

a dz n

z dz n : n n n

αα

αβ

=ααααααα

=αβαβαβαβαβαβ

ααααααα

− =αβαβαβαβαβαβ

σ

σ

⋅σ=⋅σ=

⋅σ∆=⋅σ=+=

σ=σ=

σ∆=σ=+=

∑∫

∑∫

∫ ∑

∫ ∑

Betonspannungen in Schichtmitte

Stahlspannungen in Schichtmitte ( σs 12 = σs 21 = 0 )

+

TSTcσ

h eff

Bild 3.2 Stahlbetonquerschnitt – numerische Integration

Im Bild 3.2 ist die Auswertung der Werkstoffgesetze für einen Stahlbetonquerschnitt nochmals grafisch erläutert. Für den Beton werden im allgemeinen zweiachsiale Stoffgesetze verwendet, so daß sich nach Transformation der berechneten Haupt-spannungen σ1 und σ2 auf die gewählten Koordinatenrichtungen die Normalspan-nungen σ11 und σ22 , sowie die Schubspannungen σ12 = σ21 ergeben. Diese werden zu Normalkräften n11 und n22 , Schubkräften n12 = n21 , Biegemomenten m11 und m22 und Drillmomenten m12 = m21 aufintegriert. Für den Stahl gelten jeweils einachsiale Spannungs-Dehnungsbeziehungen in den Richtungen der eingelegten Bewehrungs-stäbe. Durch Anwendung der einachsialen Stahlwerkstoffgesetze auf die verschmier-

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ten Stahlschichten werden deswegen auch nur Normalspannungen σ11 und σ22 er-rechnet, die wiederum in die Integration der Gesamtschnittgrößen eingehen. Im all-gemeinen sind 20 Schichten für die Querschnittsdiskretisierung vollkommen ausrei-chend.

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4. Nichtlineare Dimensionierungskonzepte zur Auslegung von Stahlbeton-tragwerken

4.1 Allgemeines Die Dimensionierung eines Tragwerks oder Bauteils soll zum einen einen ausrei-chenden Abstand gegenüber einem Versagen sicherstellen, zum anderen soll die Gebrauchstauglichkeit (Rißbreiten, Spannungen, Durchbiegungen) gewährleistet werden. Die nichtlinearen Dimensionierungskonzepte, die in diesem Kapitel vorge-stellt werden, zielen auf eine Auslegung für den Grenzzustand der Tragfähigkeit ab. Für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit sind Sekundäruntersuchungen not-wendig. Diese Nachweise (Rißbreiten und Spannungen) können aber im allgemeinen mit linearen Verfahren geführt werden, denn in den meisten Fällen liegt im Ge-brauchszustand noch lineares Verhalten vor [29], die Rißbildung ist noch nicht weit fortgeschritten. Der Nachweis der Durchbiegungen wird vereinfachend über die Ein-haltung von Grenzschlankheiten geführt, die auch das Kriechen und Schwinden des Betons berücksichtigen. Die alte Normengeneration der DIN 1045 [1] basiert auf einem globalen Sicherheits-konzept für den Nachweis der Tragsicherheit. Hierin ist eine Schnittgrößenermittlung mit linearen Verfahren vorgesehen, im Anschluß daran erfolgt eine Querschnittsbe-messung mit den linear ermittelten Schnittgrößen. Dabei muß ein globaler Sicher-heitsfaktor γ, der zwischen 1,75 und 2,10 in Abhängigkeit des Dehnungszustandes beim Versagen (Stahlversagen oder Betonversagen) liegt, zwischen den einwirken-den Schnittgrößen eines Querschnittes und den rechnerischen Bruchschnittgrößen eingehalten werden. Die zentrale Nachweisgleichung für den Grenzzustand der Trag-fähigkeit lautet demnach für Biegung mit Längskraft: (γ · N , γ · M) ≤ ( Nu , Mu ) γ = 1,75 - 2,10 (4.1) Nichtlineare Verfahren zur Tragwerksdimensionierung sind in der alten DIN 1045 [1] im allgemeinen nicht vorgesehen, nur bei Stützen mit großen Schlankheiten ist der Nachweis der Tragsicherheit nach Theorie II. Ordnung unter zusätzlicher Berücksich-tigung der physikalischen Nichtlinearität des Betons (Aufreißen) zu erbringen. Es be-steht lediglich bei Bauteilen des üblichen Hochbaus die Möglichkeit einer begrenzten Momentenumlagerung von bis zu 15 % gegenüber den linear ermittelten Biegemo-menten unter Einhaltung der Gleichgewichtsbedingungen. Mit den neuen Normengenerationen des Eurocode 2 [2] und der Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4] ist ein neues Sicherheitskonzept, das Teilsicherheitskonzept, einge-führt worden. Es werden nun Teilsicherheitsbeiwerte sowohl auf Seite der Einwirkun-gen γG und γQ wie auf der Seite des Materials γc und γs definiert. Mit diesen Teilsi-cherheitsbeiwerten ergeben sich aus den jeweiligen charakteristischen Werten die

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Bemessungswerte der Einwirkungen Sd und die Bemessungswerte auf der Seite des Materialwiderstandes Rd. Der Nachweis wird dann auf der Ebene von Bemessungs-größen (erhöhte charakteristische Einwirkungen und reduzierte charakteristische Ma-terialfestigkeiten) geführt. Das Format für einen Querschnittsnachweis ist in Glei-chung (4.2) wiedergegeben, dabei können die Beanspruchungen Sd mit linearen oder nichtlinearen Verfahren ermittelt werden:

)f

,f(R)QG(Ss

yk

c

ckdkQkGd γγ

⋅α≤⋅γ+⋅γ (4.2)

Charakteristische Größen sind hierbei Fraktilwerte einer stochastisch verteilten Grö-ße, z.B. die 5 % Fraktile der Betondruckfestigkeit. Nur 5% aller Stichproben aus der Grundgesamtheit aller Betonproben besitzen dann eine geringere Druckfestigkeit als die 5 % Fraktile. Die 5 % Fraktile der Grundgesamtheit einer normalverteilten Größe ist über die stochastischen Kennwerte Mittelwert und Standardabweichung der Ver-teilung festgelegt. Die Größe der Teilsicherheitsbeiwerte richtet sich nach der Vertei-lung der Zufallsgrößen und wird mit stochastischen Methoden bestimmt. Streut z.B. die Streckgrenze des Stahls sehr stark um ihren Mittelwert, muß ein höherer Sicher-heitsbeiwert γs eingeführt werden als bei einer sehr geringen Streubreite. Weiterhin wird nach den Neuentwürfen der DIN 1045 der Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit über den Nachweis einer ausreichenden Systemtraglast gestattet. Dabei muß nachgewiesen werden, daß die einwirkenden Bemessungslasten einen ausreichend großen globalen Sicherheitsabstand γR gegenüber dem Grenzzustand der Tragfähigkeit besitzen. Als Materialwerte sind dabei Materialrechenwerte für die Betondruckfestigkeit und die Streckgrenze anzusetzen, was im Kapitel 4.3 noch ge-nau erläutert wird. Das Nachweisformat lautet demnach:

)f,f(R1)QG(S yRcRR

kQkGd γ≤⋅γ+⋅γ (4.3)

R bezeichnet in Gleichung (4.3) nun den Systemwiderstand (Versagenslast) des Tragwerks, gegenüber dem der globale Sicherheitsfaktor von γR einzuhalten ist. Im folgenden sind die nach den neuen Normengenerationen [2], [3], [4] zulässigen Verfahren für die Schnittgrößenermittlung stichpunktartig angegeben: • Lineare Verfahren • Lineare Verfahren mit begrenzter Momentenumlagerung ( bis zu 30 % ) • Plastizitätstheorie • Nichtlineare Verfahren

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Die ersten beiden Verfahren entsprechen denjenigen nach der alten DIN 1045 [1], wobei die maximal zulässige Momentenumlagerung, die von der bezogenen Druck-zonenhöhe abhängig ist, auf 30 % erhöht worden ist. Auch nach den neuen Normen-generationen werden weiterhin lineare Verfahren als Standardverfahren zur Schnitt-größenermittlung verwendet. Neu aufgenommen worden sind darüber hinaus Verfah-ren nach der Plastizitätstheorie wie die Fließgelenk- oder Bruchlinientheorie [20] so-wie nichtlineare Verfahren. Den nichtlinearen Verfahren soll im folgenden eine be-sondere Beachtung geschenkt werden. Das Hauptproblem bei der Anwendung die-ser Verfahren besteht darin, daß die nichtlinearen Tragwerksantworten von der Men-ge und Lage der eingelegten Bewehrung abhängig sind. Zur Nachrechnung beste-hender Bauwerke können die nichtlinearen Verfahren also relativ einfach angewen-det werden, denn die eingelegte Bewehrung ist im allgemeinen bekannt. So kann z.B. eine vorhandene Bewehrung für bestehende Bauteile im Rahmen einer Nut-zungsänderung mit nichtlinearen Verfahren nachgewiesen werden. Anders sieht dies bei einer Neudimensionierung aus. Die Schnittgrößen oder Systemtraglasten stellen sich in Abhängigkeit der gewählten Bewehrungsmenge und Bewehrungsanordnung ein. Die nichtlineare Dimensionierung erfordert daher einen iterativen Prozeß. Für den nichtlinearen Nachweis auf Schnittgrößenebene nach Gleichung (4.2) und den nichtlinearen Nachweis über den Nachweis der Systemtraglast nach Gleichung (4.3) sind nichtlineare Dimensionierungskonzepte entwickelt worden, die in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden. Diese beinhalten den iterativen Prozeß der Beweh-rungsermittlung. 4.2 Konzept der Schnittgrößeniteration Gemäß der Gleichung (4.2) wird ein Nachweis auf Querschnittsebene durchgeführt. Dabei darf der Bemessungswert der einwirkenden Schnittgrößen den Bemessungs-wert des Querschnittswiderstandes in keinem Querschnitt überschreiten. Für die Er-mittlung der Schnittgrößen werden nun nichtlineare Verfahren unter Berücksichtigung des wirklichen Materialverhaltens des Stahlbetons und gegebenenfalls geometrischer Nichtlinearitäten verwendet. Nach Eurocode 2 [2] wird das Nachweisformat (4.2) un-ter Zugrundelegung nichtlinear ermittelter Schnittgrößen ausdrücklich erlaubt, aber auch im Rahmen der Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4] kann es angewendet wer-den, obwohl diese als nichtlineares Nachweisformat einen Nachweis einer ausrei-chenden Systemtraglast verwenden. Im folgenden wird der Ablauf der iterativen Bewehrungsermittlung im Rahmen der Schnittgrößeniteration erläutert, der im Bild 4.1 grafisch dargestellt ist.

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Bild 4.1 Ablauf der Schnittgrößeniteration zur Bewehrungsermittlung as

NL

Als Startbewehrung s

0a für den iterativen Bemessungsgang wird die Bewehrung L

sa angesetzt, die aus einer Bemessung mit linear ermittelten Schnittgrößen SL resultiert. Mit dieser Bewehrung wird eine nichtlineare Berechnung durchgeführt, die zu nichtli-nearen Schnittgrößen SNL führt. Mit den nichtlinear ermittelten Schnittgrößen wird nun wiederum eine Bemessung durchgeführt. Dabei ist noch von Interesse, welches Lastniveau für die Bemessung gewählt wird. Zum einen können die Schnittgrößen für das Lastniveau γ = 1,0 angesetzt werden. Bei diesem Niveau ist der Grenzzustand

Nichtlineare Berechnung

→ NLdS⋅γ ( s

0a )

( ) dNLd RS1

≤⋅γγ

→ s

1a

Lineare Berechnung → LdS

dLd RS ≤ → L

sa

nein

ja

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛γγ

⋅α=s

yk

c

ckdd

f,fRR

α = 0,85 γc = 1,50

γs = 1,15

Schnittgrößen Iteration

Querschnittsbemessung

Varianten:

S1 γ = 1,0

S2 γ = γs = 1,15

Lss

0aa =

s

1?

s

0aa =s

1

s

0aa =

s

1NLs aa =

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der Tragfähigkeit jedoch noch nicht erreicht. Deswegen kann der Faktor γ höher als 1,0 gewählt werden, um die Nichtlinearität bei höheren Laststufen auszunutzen. In [11] wird ein Faktor von γ = 1,15 vorgeschlagen. So groß ist genau die Sicherheit des Betonstahls gegenüber einem Versagen. Dadurch soll der Bemessung eine Schnitt-größenverteilung zugeführt werden, die sich näher am Versagenszustand befindet. Die für die Bemessung maßgebenden Schnittgrößen müssen selbstverständlich wie-der durch den angesetzten Wert γ dividiert werden, da ja sonst die Sicherheiten bei der Bemessung doppelt berücksichtigt werden würden. Ist das Bemessungsergebnis der nichtlinearen Berechnung gleich der Ausgangsbe-wehrung, so kann schon an dieser Stelle abgebrochen werden. Dies ist im allgemei-nen aber nicht so. Mit der im ersten Schritt mit nichtlinearen Schnittgrößen ermittel-ten Bewehrung wird nun eine zweite nichtlineare Berechnung durchgeführt, wobei mit

den Schnittgrößen wiederum bemessen wird. Wenn die erforderliche Bewehrung s

1a ,

die mit den Schnittgrößen eines nichtlinearen Rechenlaufes bestimmt wird, gleich

derjenigen Bewehrung s

0a ist, die der nichtlinearen Berechnung zugrunde gelegt

worden ist, wird die Iteration abgebrochen, die gesuchte nichtlineare Bewehrung NLsa

liegt damit mit der Bewehrung des letzten Iterationsschrittes fest. Das Verfahren der Schnittgrößeniteration zeichnet sich durch seine Anschaulichkeit auf Schnittgrößenebene aus. Trotz der Anwendung von nichtlinearen Strukturanaly-sen bleibt weiterhin das bekannte Nachweisformat (4.2) bestehen: Die einwirkenden Schnittgrößen dürfen in keinem Querschnitt die aufnehmbaren Schnittgrößen über-schreiten. Weiterhin werden wirklichkeitsnähere Steifigkeiten bei der Berechnung er-faßt. Bei zweiachsig gespannten Platten z.B. reduzieren sich die Stützmomente deut-lich, da durch das Reißen Steifigkeit verloren geht und die Beanspruchung in be-nachbarte Bereiche verlagert wird, so daß die Verteilung der Stützmomente völliger wird, wie im Kapitel 5 an Beispielen gezeigt wird. Auch werden Zwangsbeanspru-chungen, die direkt von der Steifigkeit abhängig sind, auf diese Art wirklichkeitsnah erfaßt. Der numerische Rechenaufwand hält sich bei der Anwendung des Konzeptes der Schnittgrößeniteration in Grenzen. Die nichtlineare Berechnung muß nicht bis auf Traglastniveau geführt werden, sondern kann beim Lastfaktor λ = 1,0 bzw. λ = 1,15 abgebrochen werden, denn es interessieren nur die Schnittgrößen auf diesem Ni-veau. Im allgemeinen genügen wenige Iterationsschritte, bis eine Konvergenz er-reicht ist. Folgende Kritikpunkte sind am Konzept der Schnittgrößeniteration anzubringen: Zum einen werden unterschiedliche Materialparameter und Materialgesetze für die beiden Schritte Schnittgrößenermittlung und Querschnittsbemessung angewendet. Die nicht-lineare Schnittgrößenermittlung erfolgt gemäß EC 2 [2] mit den Mittelwerten der Ma-terialgrößen wie fcm, fctm, Ecm, fym, denn diese bilden das Tragverhalten im Mittel am

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besten ab, die anschließende Querschnittsbemessung wird mit sicherheitsbehafteten Bemessungswerten der Materialwerte durchgeführt. Für die Schnittgrößenermittlung wird das Parabelgesetz für den Beton nach Bild 2.1 verwendet, die Querschnittsbe-messung wiederum basiert auf dem bekannten Parabelrechteckdiagramm nach Bild 2.2. Weiterhin wird die nichtlineare Schnittgrößenermittlung mit Berücksichtigung des Mitwirkens des Betons auf Zug zwischen den Rissen durchgeführt, um das Tragver-halten möglichst genau abzubilden, die Querschnittsbemessung erfolgt hingegen an einem diskreten Riß, in dem die Zugfestigkeit des Betons vernachlässigt wird und al-le Zugwirkungen dem Stahl zugewiesen werden. Die Querschnittsbemessung legt also den ungünstigsten Fall zugrunde, wohingegen bei der Schnittgrößenermittlung von einem mittleren Materialverhalten ausgegangen wird. Diese Inkonsistenzen bei der Verwendung der Werkstoffgesetze müssen beim Konzept der Schnittgrößenitera-tion in Kauf genommen werden. Allerdings treten die gleichen Inkonsistenzen in den Werkstoffgesetzen ebenso bei einer linearen Schnittgrößenermittlung auf. Eventuell vorhandene Systemtragreserven werden mit diesem Konzept nicht berück-sichtigt, so daß die Traglasten, die sich für die ermittelte Bewehrung aus der Schnitt-größeniteration ergeben, im allgemeinen höher als die vorhandenen Querschnittssi-cherheiten liegen. Wesentlich für die Schnittgrößenverteilung in einem Tragwerk un-ter reiner Lastbeanspruchung sind die Verhältnisse der Steifigkeiten der einzelnen Tragwerksbereiche zueinander. In [11] ist ein einachsig gespannter Plattenstreifen mit dem Verfahren der Schnittgrößeniteration dimensioniert worden, dabei sind die Änderungen gegenüber der linearen Bewehrung kaum nennenswert. Bei zweiachsig gespannten Platten jedoch treten nach dem Reißen des Betons Druckkräfte auf, wie im Kapitel 5 ausführlich erläutert wird. Durch deren Berücksichtigung im Rahmen ei-ner Querschnittsbemessung mit nichtlinearen Schnittgrößen werden die erforderli-chen Bewehrungsmengen erheblich reduziert, denn Druckkräfte entlasten die Be-wehrung. So wird zum einen Kriechen und Schwinden einen nicht unerheblichen Einfluß auf das nichtlineare Bemessungsergebnis der Schnittgrößeniteration haben, zum anderen ist auch entscheidend, für welches Lastniveau die Schnittgrößen für die nichtlineare Querschnittsbemessung herangezogen werden, denn der Lastabtragme-chanismus ändert sich im Verlauf der Laststeigerung. So ist bei zweiachsig gespann-ten Platten für den Bemessungslastfaktor λ = 1,0 im allgemeinen ein Druckgewölbe vorhanden, das sich aber mit höheren Laststufen wieder abbaut und sogar in eine Zugmembran umschlägt, wie im Kapitel 5 gezeigt wird. Bei Kühlturmschalen wird auch die angesetzte Zugfestigkeit einen nicht unwesentli-chen Einfluß auf das mit einer Schnittgrößeniteration erzeugte nichtlineare Bemes-sungsergebnis haben. Die Schnittgrößenverteilung ist von den Steifigkeitsverhältnis-sen abhängig, je nachdem, wie weit die Rißbildung fortgeschritten ist, lagern sich die Schnittgrößen um.

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4.3 Konzept der Traglastiteration Das Konzept der Traglastiteration geht von einem Nachweis der Tragfähigkeit auf Systemebene aus. Gemäß Gleichung (4.3) muß ein gewisser globaler Sicherheitsab-stand γR der Einwirkungen Sd gegenüber der aufnehmbaren Systemtraglast R ein-gehalten werden. Die Systemtraglast muß also größer als die erforderliche globale Sicherheit γR sein, dann ist der Nachweis der Tragsicherheit erfüllt. Dieses nichtlinea-re Nachweisverfahren ist nur in den Neuentwürfen der DIN 1045 [3], [4] erlaubt, der EC 2 [2] läßt dieses derzeit nicht zu. Ein wesentliches Problem besteht darin, einen konstanten globalen Sicherheitsbeiwert γR festzulegen, denn Beton und Betonstahl besitzen unterschiedliche Teilsicherheitsbeiwerte γc = 1,50 und γs = 1,15. Dieses Problem wird dadurch umgangen, daß der Traglastanalyse Rechenwerte für die Be-tondruckfestigkeit fcR nach Gleichung (4.4) und für die Streckgrenze des Stahls fyR nach Gleichung (4.5) zugrunde gelegt werden. fcR = 0,85 · α · fck (4.4) α = 0,85 nach DIN 1045 E 12/98 [4] α = 1,00 nach DIN 1045 E 2/96 [3a] α = 1,00 nach DIN 1045 E 2/97 [3b] fyR = 1,10 · fyk (4.5) In den älteren Ausgaben der Neuentwürfe der DIN 1045 [3] bleibt der Beiwert α, der das Verhältnis der Langzeitfestigkeit des Betons im Bauteil zu seiner Kurzzeitfestig-keit im Druckversuch beschreibt, unberücksichtigt. Die Rechenwerte ergeben sich dadurch, daß eine globale Sicherheit von γR = 1,30 gefordert wird. Der Beiwert 0,85 bei der Rechenfestigkeit des Betons berechnet sich aus dem Verhältnis γR / γc = 1,30/1,50 ≈ 0,85, analog geschieht dies für den Beiwert der Stahlstreckgrenze γR / γs = 1,30 / 1,15 ≈ 1,10. Man kann sich nun die folgende Querschnittssicherheit bestim-men: Es werden die rechnerisch aufnehmbaren Schnittgrößen eines Querschnitts zum einen mit den Rechenwerten der Materialparameter berechnet und zum anderen mit den Bemessungswerten der Materialparameter. Das Verhältnis dieser aufnehm-baren Schnittgrößen zueinander ist die vorhandene Querschnittssicherheit, also die-jenige Reserve, die ein Querschnitt nach Erreichen der Bemessungsschnittgrößen noch besitzt. In [28] wird gezeigt, daß die Querschnittssicherheit (also das Verhältnis Mu (fcR, fyR) / Md (fcd, fyd) ) für die gewählten Rechenwerte der Materialparameter (4.4) und (4.5) in Abhängigkeit des Bewehrungsgrades annähernd konstant etwas unter 1,30 verläuft. Die Materialwerte für Stahl und Beton sind über ihre Rechenwerte so angepaßt worden, daß sie beide gegenüber ihren Bemessungswerten den glei-

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chen Sicherheitsabstand besitzen, so daß auch die Querschnittssicherheit konstant bleibt.

275,150,185,0/f

f85,0ff

cck

ck

cd

cR =⋅=γ⋅α⋅α⋅

= ≈ 265,115,110,1/f

f10,1ff

syk

yk

yd

yR =⋅=γ

⋅= (4.6)

Es muß also nachgewiesen werden, daß die globale Systemtraglast größer als γR = 1,30 ist. Nach den Neuentwürfen der DIN 1045 wird jedoch nicht die rechnerische Systemtraglast herangezogen, sondern es werden drei Versagenskriterien definiert, die einzuhalten sind. Demnach ist die nach Norm anzusetzende Traglast erreicht, wenn a) die mittlere Grenzdehnung des Stahls εsmu überschritten worden ist, b) die Grenzdehnung des Betons von εcu überschritten worden ist, c) der kritische Zustand der Stabilität erreicht ist. Punkt a) soll sicherstellen, daß im diskreten Riß die Stahldehnungen nicht größer als 25 0/00 werden. Wie im Kapitel 2 gezeigt worden ist, besitzen die Stahlspannungen und Dehnungen im Riß ihren Maximalwert, die nichtlineare Berechnung jedoch wird mit verschmierten mittleren Dehnungen durchgeführt, so daß die mittlere Dehnung auf εsmu zu begrenzen ist, um zu verhindern, daß im Riß eine Dehnung von 25 0/00 erreicht wird. Der Wert εsmu ist von der Größe des Tension-Stiffening-Effektes und somit vom eingelegten Bewehrungsgrad abhängig. Je größer der Bewehrungsgrad, desto geringer fällt die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen aus, desto grö-ßer wird εsmu werden. Punkt b) soll verhindern, daß in einem Querschnitt ein Betondruckbruch stattfindet, die Grenzstauchung des Betons ist dabei mit 3,5 0/00 festgelegt für die üblichen Beto-ne bis C 50/60. Die Forderungen a) und b) werfen in das Traglastkonzept doch wieder ein Quer-schnittsdenken ein, denn ein Versagen eines einzelnen Querschnittes soll mit diesen Forderungen verhindert werden. In wieweit die Festlegungen a) und b) bei Flächen-tragwerken sinnvoll erscheinen, wird im Kapitel 5 bei der Anwendung der nichtlinea-ren Konzepte auf Plattentragwerke diskutiert.

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Bild 4.2 Ablauf der Traglastiteration zur Bewehrungsermittlung as

NL Auch bei Anwendung des Traglastkonzeptes ist ein iteratives Vorgehen zur Beweh-rungsermittlung erforderlich, denn wie bereits erläutert muß für die nichtlinearen Traglastberechnungen die Bewehrung bekannt sein. Zur Bewehrungsermittlung bie-tet sich das Konzept der Traglastiteration an, das im Bild 4.2 dargestellt ist. Es wer-den dabei prinzipiell 2 Varianten unterschieden, die beide das gleiche Ziel verfolgen, nämlich eine Bewehrung zu finden, die eine Traglast von mindestens γR = 1,30 liefert. Es werden dabei nur unterschiedliche Startbewehrungen gewählt. Im linken Teil des Bildes 4.2 ist der Ablauf der iterativen λu – Erhöhung dargestellt. Ausgehend von ei-ner linear ermittelten Startbewehrung wird eine Traglastberechnung durchgeführt.

Traglast - Iteration

Systemtraglast γR

(γR = 1,3)

Lss

0aa =

Startbewehrung(Mindestbew.)

Startbewehrung (lineare Bew.)

ss

0amina =

ja

Bewehrungs-Erhöhung

Bewehrungs-Reduzierung

iterative λu - Reduzierung

iterative λu - Erhöhung

)a( suλ

Traglast- berechnung

Traglast- berechnung

R

?

u γ>λ R

?

u γ<λ

)a( suλ

ja

nein nein (γR = 1,3)

)(aa RusNLs γ≈λ=

)(aa RusNLs γ≈λ=

MaterialrechenwertefcR = 0,85 · α · fck fyR = 1,10 · fyk

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Die erzielte Traglast wird dabei im allgemeinen größer als γR = 1,30 ausfallen. Für das Lastniveau λ = 1,30 werden nun die Stahldehnungen überprüft. In Tragwerksbe-reichen, in denen noch kein Stahlfließen vorliegt, ist die Bewehrung mit einem Faktor ∆ zu reduzieren [11], der z.B. mit ∆ = 0,90 angenommen werden kann, und in Trag-werksbereichen, in denen deutlich die Stahlfließdehnungen überschritten werden, ist die Bewehrung mit dem Faktor 1/∆ zu erhöhen. Analog läuft der Prozeß für die iterative λu – Erhöhung ab. Als Startbewehrung wird dabei eine Mindestbewehrung gewählt, die in der Regel Traglasten kleiner als die vorgeschriebene Systemsicherheit γR = 1,30 liefern wird. Nun muß hier die Beweh-rung in den Fließbereichen so lange erhöht werden, bis die gewünschte Systemsi-cherheit eingehalten ist. Ein wesentlicher Nachteil der iterativen λu – Erhöhung ge-genüber der iterativen λu – Reduzierung ist die Tatsache, daß eine vollständige und auch aufwendige Traglastanalyse bis zum Systemversagen durchgeführt werden muß, da man sich ja von unten an die einzuhaltende Systemsicherheit γR annähert. Ein wesentlicher Vorteil dieser Traglastkonzepte gegenüber dem Konzept der Schnittgrößeniteration besteht in dem planmäßigen Ausnutzen von Systemreserven. Der Nachweis besteht lediglich darin, daß eine vorhandene Systemsicherheit ge-genüber der einwirkenden Belastung nachgewiesen wird. Gerade bei hochgradig in-nerlich statisch unbestimmten Flächentragwerken wie Platten mit ihrem physikalisch nichtlinearen Lastabtrag, der im Kapitel 5 ausführlich erläutert wird, kann man sich mit dieser Art des Tragsicherheitsnachweises Systemreserven zunutze machen. Auch hier ist eine genaue Kenntnis des nichtlinearen Tragverhaltens und des Versagensmechanismus des untersuchten Systems zur Beurteilung der Ergebnisse und der Einflüsse von Materialparametern auf die Traglasten von großer Bedeutung. Bei der Anwendung dieses Konzeptes ist nur die Anwendung jeweils eines Werk-stoffgesetzes für Beton und Stahl erforderlich, denn die Bemessung auf Quer-schnittsebene mit Design-Werten entfällt völlig. Kritik ist an der Verwendung von Ma-terial-Rechenwerten fcR und fyR zu üben, die eingeführt worden sind, um einen kon-stanten Sicherheitsfaktor γR zu erhalten. Traglastberechnungen sollten nach [9] mit Materialmittelwerten durchgeführt werden, denn diese geben das Tragverhalten im Mittel am besten wieder. Probleme diesbezüglich aber bereitet die Festlegung eines globalen Sicherheitsfaktors. Ansätze hierzu finden sich in [28] und werden zur Zeit bearbeitet. Auch bei Zwangseinwirkungen oder bei Effekten nach Theorie II. Ord-nung, die bei Plattentragwerken jedoch eine untergeordnete Rolle spielen, haben die Materialrechenwerte einen Einfluß auf das Trag- und Verformungsverhalten.

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4.4 Anwendung der nichtlinearen Nachweiskonzepte in der Baupraxis Im allgemeinen wird der Aufwand einer iterativen Bemessung oder Traglastbestim-mung in der Baupraxis nicht gerechtfertigt sein. Die Bemessung mit linearen Schnitt-größen wird wohl auf absehbare Zeit weiterhin der Standardfall im Stahlbetonbau bleiben. Im Rahmen von Umnutzungen wie z.B. Lasterhöhungen können nichtlineare Nachweisverfahren herangezogen werden, um ein bestehendes Bauteil oder Bau-werk mit der vorhandenen Bewehrung ohne Verstärkungsmaßnahmen trotzdem noch nachweisen zu können. Bei einem Neuentwurf ist die folgende Vorgehensweise denkbar: Ausgehend von einer linearen Schnittgrößenermittlung wird zunächst die mit linearen Schnittgrößen erforderliche Bewehrung bestimmt. Diese soll aus kon-struktiven oder aber auch wirtschaftlichen Gründen nicht in ihrer vollen Höhe einge-legt werden. Deswegen erfolgt eine gezielte Bewehrungsmanipulation gegenüber der linearen Bewehrung, die nun natürlich nicht mehr mit linearen Verfahren nachgewie-sen werden kann. Der Nachweis der Tragsicherheit der gewählten Bewehrung wird nun vorzugsweise über den Nachweis der Systemtraglast geführt. Damit ist es mög-lich, für willkürlich gewählte Bewehrungsmengen und Bewehrungsanordnungen ei-nen Tragsicherheitsnachweis ohne die Durchführung eines aufwendigen Iterations-prozesses zu führen. Bei der willkürlichen Bewehrungswahl muß aber immer die Gebrauchstauglichkeit im Auge behalten werden. Deswegen werden im nächsten Abschnitt noch kurz die Gebrauchstauglichkeitsnachweise erläutert. Diese sollten dazu verwendet werden, eine untere Schranke der Bewehrungsmenge festzulegen. 4.5 Gebrauchstauglichkeitsnachweise Sowohl der EC 2 [2] wie auch die Neuentwürfe der DIN 1045 [3], [4] enthalten kon-krete Anforderungen im Gebrauchszustand wie die Einhaltung von Spannungen, Rißbreiten und Verformungen. Nachfolgend sind beispielhaft die Forderungen der DIN 1045 E 12/98 angegeben, wobei die Festlegungen des EC 2 ähnlich sind. Aus den Einwirkungen werden verschiedene Kombinationen gebildet, nämlich selte-ne Kombinationen, nicht-häufige Kombinationen, häufige Kombinationen und quasi-ständige Kombinationen. Diese Kombinationen stellen unterschiedliche Lastniveaus im Gebrauchszustand dar. Für eine Beanspruchung aus Eigengewicht Gk und einer einzigen Verkehrslast Qk wird die Bildung der Kombinationen nun vorgeführt: • seltene Kombination: kki,ki,0j,ki,k QGQQG +=ψ++ ∑∑ (4.7)

• nicht-häufige Kombination: kki,ki,1j,kj,1i,k Q8,0GQQG ⋅+=ψ+ψ+ ∑∑ (4.8)

• häufige Kombination: kki,ki,2j,kj,1i,k Q8,0GQQG ⋅+=ψ+ψ+ ∑∑ (4.9)

• quasi-ständige Kombination: kki,ki,2i,k Q5,0GQG ⋅+=ψ+ ∑∑ (4.10)

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Folgende Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit müssen nach DIN 1045 E 12/98 eingehalten werden: • Begrenzung der Betondruckspannungen für die seltene Kombination σc < 0,6 fck (nur für die Umweltklassen XD, XF und XS) (4.11) Durch diese Forderung soll eine Längsrißbildung unter zu hohen Betondruckspan-nungen vermieden werden. Dieser Nachweis ist nur für die Umweltklassen XD (chlo-ridinduzierte Korrosion), XF (Frost–Tauwechsel–Angriff) und XS (chloridinduzierte Korrosion aus Meerwasser) zu führen und wird somit für allgemeine Hochbauplatten nicht maßgebend. • Begrenzung der Betondruckspannungen für die quasi-ständige Kombination σc < 0,45 fck (4.12) Durch die Begrenzung der Betondruckspannungen unter quasi-ständigen Einwirkun-gen auf 0,45 fck sollen überproportionale Kriechverformungen vermieden werden. Beide Nachweise der Betondruckspannungen brauchen an Zwischenauflagern nicht geführt werden, wenn gewisse konstruktive Regeln eingehalten worden sind. • Begrenzung der Stahlspannungen für die seltene Kombination: σs < 0,80 fyk (4.13) • Begrenzung der Rißbreite für die quasi-ständige Kombination i.a. wk < 0,30 mm (4.14) (aggressive Umweltklassen XA 3, XD 3 oder XF 4 besondere Maßnahmen) Die Begrenzung der Verformung auf l / 250 unter quasi-ständigen Einwirkungen kann durch ein Einhalten einer Mindestschlankheit sichergestellt werden, ohne genauere Nachweise zu führen. Für die Schnittgrößenermittlung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit können mit hinreichender Genauigkeit lineare Verfahren angewendet werden, denn der Ge-brauchszustand kann mit Hilfe der Elastizitätstheorie in einfacher Weise zutreffend beurteilt werden [29]. Insbesondere der Nachweis der Stahlspannung (4.13) für die seltene Kombination wie auch der Nachweis der Rißbreiten (4.14) unter quasi-

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ständigen Lasten können für eine Bestimmung einer unteren Bewehrungsgrenze he-rangezogen werden. Die Ermittlung der Stahlspannungen ist im Zustand II durchzu-führen, denn im allgemeinen ist bei der seltenen Beanspruchungskombination die Rißlast des Betons schon überschritten. Dazu muß der innere Hebelarm im Ge-brauchszustand bestimmt werden, was für reine Biegung im Kapitel 2 vorgeführt worden ist. Die erforderliche Bewehrung ist dann so festzulegen, daß unter der Be-anspruchung der seltenen Kombination gerade die Stahlspannung 400 MPa (ent-spricht 0,8 fyk bei fyk = 500 MPa) eingehalten ist. Die Betonspannungen unter der quasi-ständigen Kombination sind entweder im Zustand I oder im Zustand II zu bestimmen, je nachdem, ob die Rißlast überschritten ist oder nicht. Die so mit den Nachweisen der Gebrauchstauglichkeit festgelegte Bewehrung sollte als eine untere Schranke bei der Anwendung der nichtlinearen Dimensionierungsverfahren eingehal-ten werden. Wird sie unterschritten, wird der Iterationsprozeß der Bewehrungsermitt-lung abgebrochen.

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5. Physikalisch nichtlineare Berechnung und Anwendung nichtlinearer Di-mensionierungskonzepte auf Stahlbetonplatten

5.1 Erläuterung des Tragverhaltens von Stahlbetonplatten 5.1.1 Allgemeines In diesem Abschnitt werden einige grundlegende Aussagen zum Tragverhalten von Stahlbetonplatten gemacht. Stahlbetonplatten sind innerlich statisch unbestimmte Flächentragwerke. Ihr Lastabtrag bei linear elastischem Werkstoffverhalten sowie un-ter Annahme geometrischer Linearität wird durch die allgemein bekannte Plattendiffe-rentialgleichung ∆∆w = P/B der Kirchhoffschen Plattentheorie beschrieben. Am Last-abtrag beteiligt sind also nur die Biegemomente mx und my sowie die Drillmomente mxy. Die Scheibenbeanspruchungen sind von den Biegewirkungen völlig entkoppelt und treten im Fall der Belastung senkrecht zur Plattenmittelfläche nicht auf. Wie bereits mehrfach angeführt, besteht die wesentliche Nichtlinearität beim Werk-stoff Stahlbeton im Aufreißen des Betons in der Zugzone aufgrund sehr geringer Zugfestigkeiten. Das lineare Werkstoffverhalten wird schon bei relativ kleinen Belas-tungen verlassen. Die Risse, die sich einstellen, reichen weit über die Plattenmittel-fläche hinaus, was auch schon im Kapitel 2 bei der Berechnung der Druckzonenhöhe und des inneren Hebelarms zum Ausdruck gekommen ist. Dadurch erfährt die Plat-tenmittelfläche positive Dehnungen. Diese Dehnungen bewirken im Integral über ge-rissene und ungerissene Bereiche Verformungen der Plattenmittelfläche. Können sich die Verformungen ungehindert einstellen, so wird keine Normalkraft aktiviert. Im allgemeinen können sich diese Verformungen jedoch nicht frei einstellen, eventuelle Auflagerbedingungen und die innerliche statische Unbestimmtheit behindern die freie Verformung. Zweiachsig gespannte Platten sind grundsätzlich innerlich statisch un-bestimmt, bei Platten mit einem Seitenverhältnis größer 1 : 1,5 werden Druckkräfte nach dem Aufreißen unabhängig von den horizontalen Auflagerbedingungen aktiviert [21], es bildet sich in den Außenbereichen ein Zugring aus, der mit den Gewölbe-druckkräften im Gleichgewicht steht. Mit dem Aufreißen und somit dem Übergang zum physikalisch nichtlinearen Tragver-halten liegt also im allgemeinen eine Kopplung der Biege- und Membranwirkungen beim Lastabtrag vor. Bei der Anwendung nichtlinearer Dimensionierungskonzepte auf Plattentragwerke aus Stahlbeton ist daher eine genaue Kenntnis des nichtlinearen Tragverhaltens un-umgänglich. Bei der im Kapitel 4 vorgestellten Schnittgrößeniteration wird eine Be-messung mit nichtlinear ermittelten Schnittgrößen durchgeführt. Beim Bemessungs-lastniveau sind die erwähnten Druckkräfte vorhanden. Sie entlasten die Zugwirkun-gen in der Bewehrung, wodurch sich kleinere Bewehrungsmengen gegenüber einer

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Bemessung mit linearen Schnittgrößen ergeben. Des weiteren haben die gewählten horizontalen Plattenrandbedingungen einen wesentlichen Einfluß auf das physika-lisch nichtlineare Tragverhalten von Stahlbetonplatten. Im allgemeinen bildet sich bei sehr großen Verformungen, die ungefähr die Hälfte der Plattendicke betragen, das Druckgewölbe zurück, und es stellt sich eine Zugmembranwirkung ein [20]. Das Druckgewölbe hat somit keinen Einfluß mehr auf den Traglastgrenzzustand, dieser ist nur durch eine kinematische Versagensfigur gekennzeichnet, bei der eine weitere Laststeigerung unmöglich ist. Bei Platten mit horizontal unverschieblichen Randbe-dingungen tritt diese Zugmembran möglicherweise jedoch nicht auf. Hier wird nach dem Reißen das Druckgewölbe bevorzugt aktiviert, da die Gewölbedruckkräfte direkt auf die starren Auflager abgesetzt werden können und sich zu deren Ausbildung kein innerer Zugring ausbilden muß. Noch bevor die Verformungen so groß werden, daß die Druckmembran in eine Zugmembran umschlägt, findet ein Betondruckversagen in weiten Auflagerbereichen statt. Wie man anhand dieser Vorbemerkungen schon erkennt, hat der nichtlineare Lastab-tragmechanismus nach dem Reißen eine unmittelbare Auswirkung auf die nichtlinea-ren Dimensionierungskonzepte. Deswegen ist dessen genaue Kenntnis für eine An-wendung der Konzepte von großer Bedeutung. Eine große Rolle werden dabei die vorhandenen Randbedingungen spielen. Auch die Auswirkungen der Mate-rialparameter wie E-Modul, Zugfestigkeit, Tension-Stiffening bei Anwendung von nichtlinearen Dimensionierungskonzepten läßt sich nur mit einer genauen Kenntnis des nichtlinearen Tragverhaltens erklären. Bildet sich im Traglastgrenzzustand eine Zugmembran aus, so werden E-Modul, Zugfestigkeit und Tension-Stiffening keinen Einfluß auf die Traglast haben, wie an späterer Stelle gezeigt werden wird. Zunächst wird zum besseren Verständnis der Phänomene daher das nichtlineare Tragverhalten anhand von drei verschiedenen Plattentypen, einem einachsig ge-spannten Plattenstreifen, einer zweiachsig gespannten Platte mit horizontal ver-schieblichen Randbedingungen und einer zweiachsig gespannten Platte mit horizon-tal unverschieblichen Randbedingungen, qualitativ beschrieben. Anschließend wird die Anwendung nichtlinearer Dimensionierungskonzepte anhand von konkreten Plattenbeispielen durchgeführt. 5.1.2 Tragverhalten einachsig gespannter Plattenstreifen – Vergleich ohne /

mit Behinderung der horizontalen Verschiebungen In diesem Abschnitt wird der Einfluß der horizontalen Randbedingungen auf das nichtlineare Tragverhalten eines einachsig gespannten Einfeldplattenstreifens aus Stahlbeton aufgezeigt. Beide Auflager sind zwar starr eingespannt und vertikal un-verschieblich gelagert, im ersten Fall ist der Träger aber horizontal verschieblich und

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im zweiten Fall horizontal unverschieblich gelagert. Es stellt sich im Nichtlinearen ein völlig anderes Tragverhalten ein, das im folgenden beschrieben wird: Unterhalb der Rißlast liegt in beiden Fällen ein linear elastisches Verhalten vor. Die Spannungen und Dehnungen verlaufen linear über die Querschnittshöhe, wobei die Nullinie in der Plattenmittelfläche liegt. Die Plattenmittelfläche ist frei von Dehnungen und erfährt somit auch keine Verschiebungen in ihrer Ebene. Gleich mit Beginn des Reißens ändert sich dieser Zustand. Die Zugwirkungen müssen alle vom Beweh-rungsstahl aufgenommen werden, wobei sich die Nullinie zum gedrückten Quer-schnittsrand hin verschiebt. Für die Plattenmittelfläche bedeutet dies, daß hier nun mit dem Reißen Dehnungen auftreten. Im Fall von horizontal verschieblichen Auflagern können sich diese aus den Dehnun-gen resultierenden horizontalen Verformungen der Plattenmittelfläche frei einstellen. Der Lastabtrag kann über ein Fachwerkmodell beschrieben werden. Es ergeben sich im übrigen in den Rißbereichen an der Stütze und im Feld jeweils konstante Rißtie-fen. Bei horizontal unverschieblichen Auflagern können sich diese Verformungen nicht frei ausbilden. Es wird an den Auflagern eine Druckkraft aktiviert, die diesen entge-genwirkt, so daß die Plattenmittelfläche insgesamt keine Verlängerung erfährt. Es stellt sich aufgrund der unterschiedlichen Druckzonenhöhen, die sich infolge der dort wirkenden Biegemomente kombiniert mit der konstanten Normalkraft ergeben, ein Druckbogen ein. Die maximalen Rißtiefen an der Stütze und im Feld bleiben mit der Laststeigerung konstant, lediglich die Größe der Drucknormalkraft wächst an. Im Bild 5.1 ist der Unterschied im Lastabtrag für die beiden erläuterten Fälle darge-stellt. Hierbei wird nochmals deutlich, welch großen Einfluß die gewählten Randbe-dingungen in horizontaler Richtung auf das Lastabtragverhalten nach dem Aufreißen besitzen, obwohl im linearen Fall das Tragverhalten völlig identisch ist. Die statische Unbestimmtheit dieses einachsig gespannten Plattenstreifens (Stab-tragwerk) kommt lediglich durch die gewählten Auflagerbedingungen zustande. Bei zweiachsig gespannten Platten, die innerlich hochgradig statisch unbestimmt sind, stellen sich die beschriebenen Druckwirkungen auch bei horizontal verschieblichen Auflagerbedingungen aufgrund der hochgradigen innerlichen statischen Unbe-stimmtheit ein. Zur Erläuterung des nichtlinearen Tragverhaltens von zweiachsig ge-spannten Stahlbetonplatten sollen deshalb die beiden nächsten Abschnitte dienen.

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lineares Tragverhalten(N = 0)

Phys. nichtlineares Tragverhaltenmit N < 0horizontaler Unverschieblichkeit

S.A. S.A.

Phys. nichtlineares Tragverhaltenmit N = 0 horizontaler Verschieblichkeit

S.A.

veränderliche Druckzonenhöhe konstante Druckzonenhöhe

S.A.

Druckbogen Fachwerkmodell

σc σc

Stütze Feld

Stütze Feld Stütze Feld

Bild 5.1 Vergleich des Lastabtrags nach dem Aufreißen für unterschiedliche Auflagerbedingungen

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5.1.3 Tragverhalten zweiachsig gespannter Platten mit eingespannten Rän-dern und horizontaler Unverschieblichkeit

Dieser Plattentyp stellt eine Erweiterung des einachsig gespannten Plattenstreifens mit beidseitiger Einspannung und horizontaler Unverschieblichkeit dar. Es könnte sich dabei um ein Platteninnenfeld als Teil eines Deckensystems handeln. Der Last-abtrag erfolgt jetzt aber zweiachsial in beide Plattentragrichtungen. Auch hier liegt vor dem Reißen wieder ein reiner Biegezustand vor. Die Verformungen der Plattenmittel-fläche nach dem Aufreißen werden durch die starren horizontalen Auflagerbedingun-gen behindert. Es stellen sich wieder Druckwirkungen aufgrund der Verformungsbe-hinderung ein, die jetzt wegen des zweiachsialen Lastabtrags nicht mehr als Druck-bogen, sondern als Druckgewölbe zu deuten sind. Im Bild 5.2 ist eine Lastverfor-mungskurve qualitativ für diesen Plattentyp angegeben, die im Anschluß daran erläu-tert wird.

Durchbiegung w in Plattenmitte

Risse Stütze

Risse Feld

Stahlfließen Stütze

Beginn Betonbruch Stütze

Systemtraglast λu

w < h/2u

Last

fakt

or λ

Bild 5.2 Qualitative Lastverformungskurve Schon bei niedrigen Laststufen beginnt der Beton zu reißen, zuerst an der Stütze, dann im Feld. Mit dem Reißen wollen sich positive Dehnungen in der Plattenmittelflä-che einstellen, die jedoch durch die gewählten Randbedingungen behindert werden. Es bildet sich mit dem Aufreißen ein Druckgewölbe aus. Der Lastabtrag erfolgt von nun an über eine kontinuierliche Steigerung der Druckkräfte bei gleichbleibenden Rißtiefen. Es kommt zum Stahlfließen an den eingespannten Auflagern und an-

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schließend zum Betonbruch im höchst beanspruchten Querschnitt in der Mitte des eingespannten Auflagers. Trotz eines Querschnittversagens kann die Last noch wei-ter gesteigert werden, denn die benachbarten Querschnitte können jetzt aushelfen. Der Betonbruch weitet sich immer weiter über die Stützenbreite aus. Es kommt schließlich zum Systemversagen, da nun ungefähr 40 % des gesamten Auflagers gebrochen sind und dort keine Druckkräfte mehr aufgenommen werden können. Die Verformungen wu, die zum Versagenszustand gehören, liegen weit unter der Hälfte der Plattendicke h. Im Bild 5.3 ist eine Prinzipskizze des Zustands bei Erreichen der Systemtraglast λu der Platte dargestellt.

Betondruckversagen

Bild 5.3 Zustand beim Versagen der eingespannten Platte

Folgende wesentliche Eigenschaften des Versagens dieses Plattentyps sollen fest-gehalten werden: Die Systemtraglast wird durch die Tragfähigkeit des Druckgewöl-bes begrenzt. Das Druckgewölbe hat sich im Traglastgrenzzustand nicht abgebaut, die zugehörigen Verformungen sind kleiner als die Hälfte der Plattendicke. Die Riß-tiefen reichen nicht wesentlich über die Plattenmittelfläche hinaus. Dieses Verhalten stellt einen Sonderfall des Plattentragverhaltens dar. Deswegen wird im nächsten Abschnitt das Tragverhalten von zweiachsig gespannten Platten mit horizontal verschieblichen Auflagerbedingungen allgemein dargestellt.

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5.1.4 Tragverhalten zweiachsig gespannter Platten mit gelenkig gelagerten Rändern und horizontaler Verschieblichkeit Aufgrund der innerlichen statischen Unbestimmtheit besitzen zweiachsig gespannte Platten gegenüber den einachsig gespannten Plattenstreifen deutlich mehr Möglich-keiten zum Lastabtrag. Auch bei horizontal verschieblichen Auflagern können sich hier die erwähnten Druckwirkungen in Form eines Druckgewölbes einstellen, da sich die Verformungen der Plattenmittelfläche nach dem Aufreißen nicht frei ausbilden können.

1

2

3

4 5

Druckmembranq [ kN / m²]

Verformungen in der Plattenmitte w [m]

0,00 0,01 0,02 0,03 0,04≈ h/2

0,05 0,0

20,0

40,0

60,0

80,0

lx / ly / h = 3,16 m / 2,16 m / 8,7 cm

ρy = 0,64 % ρy / ρx ≈ 5

lx

ly

Zugmembran

Stahlfließen

Druckmembran

w

Bild 5.4 Lastverformungskurve einer gelenkig gelagerten Rechteckplatte Im folgenden wird das Tragverhalten allgemein erläutert. Dazu wird die Lastverfor-mungskurve einer allseitig gelenkig gelagerten Rechteckplatte, die im Bild 5.4 darge-stellt ist, diskutiert. Die Lastverformungskurve entstammt einem Versuch, der an der Universität Hannover durchgeführt worden ist [20]. Bis zum Punkt 1 liegt ein lineares Verhalten vor. Der Beton ist noch ungerissen. Bei Überschreiten von Punkt 1 treten die ersten Risse auf. Am Punkt 2 ist die Erstrißbil-dung infolge der streuenden Zugfestigkeit im wesentlichen abgeschlossen. Mit dem Auftreten von Rissen bildet sich nun ein Druckgewölbe aus. Die positiven Dehnun-gen, die sich bei einer horizontal verschieblich gelagerten, zweiachsig gespannten Platte nach dem Reißen in der Plattenmittelfläche einstellen wollen, können zwar nicht durch die horizontal verschieblichen Auflagerbedingungen behindert werden. Jedoch bildet sich ein Zugring in den Randbereichen der Platte aus, der als Widerla-ger für das Druckgewölbe fungiert. Die Verschiebungen der Plattenmittelfläche, die

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aufgrund der Rißbildung auftreten würden, werden nicht durch die Auflagerbedingun-gen behindert, sondern durch die innerliche statische Unbestimmtheit des Tragwerks. Im Bild 5.5 ist die Ausbildung des Druckgewölbes bei einer zweiachsig gespannten Platte mit horizontal verschieblichen Auflagern grafisch dargestellt.

Bild 5.5 Ausbildung der Druckmembran bei verschieblichen Auflagern Bei horizontal unverschieblichen Auflagern stellt sich das Druckgewölbe natürlich be-vorzugt ein, da die starren Auflager wiederum den gesamten Horizontalschub aus der Gewölbewirkung aufnehmen. Bei Punkt 3 im Bild 5.4 kommt es zum Stahlfließen. Die Last kann weiter gesteigert werden, denn es werden benachbarte Querschnitte für den Lastabtrag aktiviert. Bei zunehmender Laststeigerung und Verformung wird im Fall der zweiachsig gespann-ten Rechteckplatte mit horizontal verschieblichen Auflagern das Druckgewölbe abge-baut, es folgt ein weitgehend normalkraftfreier Zustand, und das Tragverhalten schlägt bei sehr hohen Laststufen in eine Zugmembran um. Dies geschieht am Punkt 4 im Bild 5.4. Die zugehörige Mittendurchbiegung, ab der sich diese Zugwirkungen einstellen, beträgt ungefähr die Hälfte der Plattendicke, in dem konkreten Fall dieser Versuchsplatte also ca. 4 cm. Die Platte reißt über ihren gesamten Querschnitt auf und trägt ihre Lasten über Zugkräfte in den Bewehrungsnetzen ab. Es bildet sich in den Plattenaußenbereichen ein Druckrahmen aus, der die Zugwirkungen aufnimmt [20]. Dieser Zustand ist schematisch im Bild 5.6 dargestellt.

Druckkräfte

Zugring

horiz. verschieb- liches Auflager

Zugr

ing

A

A

Sch

nitt

A-A

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Symmetrieachse

Bild 5.6 Ausbildung der Zugmembran bei großen Mittendurchbiegungen

Bild 5.7 Versagensmuster der gelenkig gelagerten Rechteckplatte

Ahoriz. verschieb- liches Auflager

Zugmembran

Bruchfigur Rißmuster

Druckrahmen

A

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Aus der Abfolge der einzelnen Zustände (Reißen, Druckmembran, Zugmembran, Versagen) geht auch hervor, daß bei Platten, die gelenkig gelagert oder nur durch Randträger oder Wände unterstützt sind, die in Richtung der Plattenebene nur eine geringe Steifigkeit aufweisen, die Druckmembran keine Auswirkungen auf die Grenz-tragfähigkeit hat. Das Versagen im Punkt 5 stellt sich durch das Ausbilden einer ki-nematischen Bruchfigur ein. Die Last kann nicht weiter gesteigert werden, da das System sonst kinematisch wird. Die Bruchfigur dieser allseitig gelenkig und horizontal verschieblich gelagerten Rechteckplatte ist im Bild 5.7 schematisch dargestellt. Ent-lang der eingetragenen Linien ist die Bewehrung bei weitem im Fließen. Auch das zugehörige Rißbild auf der Plattenunterseite belegt die geschilderte Versagensart. Bei den für Platten üblichen geringen Bewehrungsgraden kann im allgemeinen ein Versagen des äußeren Druckrahmens, der den Zugkräften der Bewehrung aus der Membranwirkung entgegenwirkt, ausgeschlossen werden. 5.1.5 Auswirkungen des nichtlinearen Tragverhaltens bei der Anwendung von

nichtlinearen Dimensionierungskonzepten Für die Anwendung nichtlinearer Dimensionierungskonzepte auf Plattentragwerke aus Stahlbeton ist eine genaue Kenntnis deren Tragverhalten unabkömmlich. Die letzten Abschnitte sollten das Tragverhalten qualitativ erläutern. Die vorweggenom-menen Ergebnisse werden im nächsten Abschnitt an konkreten Einzelbeispielen bes-tätigt. Bei der Anwendung des Konzeptes der Schnittgrößeniteration, die im Kapitel 4 be-schrieben worden ist, wird iterativ eine Bewehrungsermittlung mit nichtlinear ermittel-ten Schnittgrößen durchgeführt. Dafür ist von großer Bedeutung für die Ergebnisse, wie stark die Druckkräfte zum einen überhaupt aktiviert werden, und bei welcher Laststufe zum anderen die Schnittgrößeniteration durchgeführt wird, denn der Last-abtragmechanismus ändert sich im Verlauf der Laststeigerung, wie erläutert worden ist. Bei einer nichtlinearen Tragwerksanalyse gehen eine Vielzahl von Werkstoffparame-tern wie z.B. E-Modul Beton, Zugfestigkeit und Tension-Stiffening in die Berechnung ein. Zur Beurteilung des Einflusses dieser Parameter auf die Systemtraglasten beim Nachweis der Tragsicherheit mit Traglastkonzepten muß ebenfalls eine genaue Kenntnis des nichtlinearen Tragverhaltens und des Versagensmechanismus voraus-gesetzt werden.

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5.2 Anwendungsbeispiel einachsig gespannter Plattenstreifen 5.2.1 Einachsig gespannter Plattenstreifen mit horizontaler Verschieblichkeit

der Auflager Zunächst wird ein einachsig gespannter Plattenstreifen aus Stahlbeton unter einer Gleichstreckenlast qd = 24,0 kN/m² untersucht, dessen Enden zwar starr einge-spannt, aber dennoch horizontal verschieblich gelagert sind. Die Feldlänge l beträgt 10 m, die Querschnittshöhe h 30 cm. Die Berechnungen sind mit Mittelwerten der Materialparamter durchgeführt worden. Alle weiteren Angaben sind Bild 5.8 zu ent-nehmen.

Bild 5.8 Eingespannter Einfeldträger – System und Diskretisierung Eine lineare Berechnung dieses Systems ergibt ein Stützmoment von mStü = -ql²/12 = -200 kNm/m und ein Feldmoment von mF = ql²/24 = 100 kNm/m. Eine Biegebemes-sung mit den linear ermittelten Biegemomenten führt zu erforderlichen Bewehrungs-mengen von asSt = 20,23 cm²/m an der Stütze und asF = 9,58 cm²/m im Feld. Mit dieser eingelegten Bewehrung wird nun eine nichtlineare Berechnung durchge-führt. Der Träger reißt an der Stütze und im Feld aufgrund der Überschreitung der Zugfestigkeit auf, und es stellt sich eine neue Biegemomentenverteilung ein, die ge-ringfügig von der linear ermittelten abweicht. Die Biegemomentenverteilung ist ab-hängig von den Steifigkeitsverhältnissen zwischen Stütze und Feld. Da an der Stütze mehr Biegezugbewehrung eingelegt worden ist als im Feld und somit die Steifigkei-ten im gerissenen Zustand an der Stütze größer als diejenigen im Feld sind, ver-größern sich die Stützmomente vom Betrage her geringfügig, wobei sich die Feld-momente aus Gleichgewichtsgründen reduzieren. Es sei noch angemerkt, daß der Träger natürlich auch nach dem Aufreißen frei von Normalkräften ist.

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50 10 · 0,60 m 0,50

0,45

0,40

0,35

0,30

10 m

qd = 24 kN/m²

20,23 cm²/m

9,58 cm²/m

C 25/30 S 500

4 4

22

1,0 m

horiz. verschieblich

fcm = 33 MPa , fctm = 2,60 MPa , Ec0 = 33550 MPa fym = 500 MPa

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-22,4 MPa -15,7 MPa

-12,4 MPa-8,8 MPa

-13,3 MPa -8,5 MPa -0,5 MPa

-4,1 MPa -6,7 MPa

S.A.

lineare Spannungsverteilung q =24,0 kN/m²d

S.A.

S.A.

l / 2 = 5,0 m

System (Ausnutzung der Symmetrie)

S.A.

nichtlineare Spannungsverteilung q = 24,0 kN/m²d

Risseverteilung

Stütze Feld

Bild 5.9 Vergleich Spannungen und Risseverteilungen linear – nichtlinear Im Bild 5.9 ist der Unterschied zwischen physikalisch linearem und nichtlinearem Tragverhalten für den untersuchten Träger mit horizontal verschieblichen Auflagern anhand von Spannungsverteilungen und Rißverteilungen über die halbe Trägerlänge dargestellt. Mit einer linearen Spannungsermittlung ergeben sich maximale Biegespannungen von 13,3 MPa, die weit über der Zugfestigkeit des Betons von fctm = 2,60 MPa liegen.

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Des weiteren wird deutlich, daß die Nullinie der Spannungs- und somit auch Deh-nungsverteilungen immer in der Plattenmittelfläche liegt. Somit erfährt die Plattenmit-telfläche bei der linearen Lösung keine Verzerrungen. Ganz anders liegt der Sachverhalt bei einer wirklichkeitsnahen Spannungsberech-nung unter Berücksichtigung des Aufreißens des Betons. Im Stütz- und Feldbereich ist der Beton gerissen, dazwischen liegen im Bereich des Momentennullpunkts unge-rissene Bereiche vor. Die Risse im Stütz- und Feldbereich besitzen jeweils eine kon-stante Rißtiefe, die im wesentlichen nur vom Bewehrungsgrad abhängig ist. Die Tiefe der Risse reicht deutlich über die Plattenmittelfläche hinaus. Dies bedeutet, daß die Plattenmittelfläche nun nicht mehr wie im linearen Fall verzerrungsfrei ist, sondern in den Rißbereichen Zugdehnungen erfährt.

S.A.

S.A.

εxm = 0εxm > 0 εxm > 0

Nullinie

Nullinie

Plattenmittelfläche

Plattenmittelfläche

nichtlineare Spannungsverteilung

zugehörige Risseverteilung

Verzerrungen derPlattenmittelfläche

keine Verzerrungender Plattenmittelfläche

Verzerrungen derPlattenmittelfläche

Bild 5.10 Verzerrungen in der Plattenmittelfläche In den ungerissenen Bereichen erhält die Plattenmittelfläche keine Verzerrungen, da hier die Spannungs- und somit auch die Dehnungsnullinie mit der Plattenmittelfläche wie im linearen Fall zusammenfällt. Im Bild 5.10 ist dies nochmals grafisch darge-stellt. Das Integral über die Verzerrungen εxm entlang der Plattenmittelfläche liefert die re-sultierende Verschiebung der Plattenmittelfläche am freien Auflager, die sich bei den gewählten Randbedingungen frei einstellen kann. Es treten keine Normalkräfte in der Platte auf. Aus diesem Grund stellt sich bei einer Festhaltung der Randbedingungen in der Plattenebene bei dem sonst völlig identischen einachsigen Plattenstreifen ein völlig anderes Tragverhalten ein, welches im folgenden Abschnitt untersucht wird.

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5.2.2 Einachsig gespannter Plattenstreifen mit horizontaler Unverschieblich-keit der Auflager

In diesem Abschnitt wird das Tragverhalten des bereits vorgestellten einachsig ge-spannten Plattenstreifens untersucht, mit dem einzigen Unterschied, daß jetzt zu-sätzlich zur Einspannung der beiden Enden eine horizontale Festhaltung angesetzt wird. Das System ist im Bild 5.11 dargestellt.

Bild 5.11 Eingespannter Einfeldträger – System und Diskretisierung Die linearen Schnittgrößen stellen sich bei diesem System genau wie bei demjenigen aus Abschnitt 5.2.1 ein. Das Tragverhalten im Nichlinearen ändert sich jedoch auf-grund der horizontalen Auflagerbedingung gravierend. Bei der Bemessungslast qd stellen sich an der Stütze Schnittgrößen von mSt = -193 kNm/m und nSt = -608 kN/m und im Feld von mF = 117 kNm/m und nF = -605 kN/m ein. Auffällig sind hierbei die großen Drucknormalkräfte, die, von numerischen Ungenauigkeiten abgesehen, kon-stant über die gesamte Trägerlänge verlaufen. Eine Biegebemessung mit diesen nichtlinear ermittelten Schnittgrößen liefert eine erforderliche Stützbewehrung von 13,7 cm²/m und eine erforderliche Feldbewehrung von 4,38 cm²/m, was gegenüber der linear ermittelten Bewehrung eine erhebliche Reduktion darstellt. Zwei weitere untersuchte Diskretisierungen haben das erzielte Ergebnis bestätigt. Diese hohen Drucknormalkräfte können nur aus der horizontalen Festhaltung der beiden Trägerenden resultieren. Ohne diese Festhaltung würde der Träger wie im Abschnitt 5.2.1 beschrieben aufreißen. In der Plattenmittelfläche würden sich auf-grund des Aufreißens über die Plattenmittelfläche hinaus positive Dehnungen εx in selbiger einstellen, die eine horizontale Verschiebung des freien Trägerendes zur Folge haben würden. Diese Verschiebung kann sich bei einer horizontalen Festhal-tung der Trägerenden nicht ausbilden, so daß resultierende Druckkräfte in der Platte entstehen, die über die Auflager aufgenommen werden.

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50 10 · 0,60 m 0,50

0,45

0,40

0,35

0,30

10 m

qd = 24 kN/m²

20,23 cm²/m

9,58 cm²/m

4 4

22

1,0 m

horiz. unverschieblich

C 25/30 S 500

fcm = 33 MPa , fctm = 2,60 MPa , Ecm = 33550 MPa fym = 500 MPa

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Im Bild 5.12 ist die Entwicklung der Normalkräfte mit dem Verlauf der Laststeigerung aufgetragen. Dabei ist bereits eine nach dem Verfahren der Schnittgrößeniteration ermittelte, ausiterierte Bewehrung von asSt = 12,73 cm²/m und asF = 3,79 cm²/m zugrunde gelegt.

Bild 5.12 Entwicklung der Normalkräfte im Verlauf der Laststeigerung Es wird deutlich, daß die Normalkräfte sich erst ab einem bestimmten Lastfaktor λ ≈ 0,32 entwickeln, der zwischen der Rißlast an der Stütze und der Rißlast im Feld liegt. Ab diesem Lastfaktor vergrößern sich die Normalkräfte in etwa proportional zur auf-gebrachten Belastung. Um diese Ursache zu klären, ist im Bild 5.13 die zugehörige Entwicklung der Risse aufgetragen.

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9

-800 -700 -600-500-400-300-200 -100 0 N [kN/m]

Lastfaktor

λ = 0,2 Riß Stütze

λ = 0,38 Riß Feld

1,0

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λ = 0,70

λ = 1,30

λ = 0,30

λ = 0,40

λ = 0,34

λ = 1,00

Symmetrie(x = 5,0 m)

Bild 5.13 Rißentwicklung im Verlauf der Laststeigerung

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Bis zum Lastfaktor λ = 0,20 befindet sich die gesamte Platte im ungerissenen Zu-stand. Die Dehnungen in der Plattenmittelfläche betragen über die gesamte Feldlän-ge Null, es liegt ein lineares Tragverhalten vor. Zwischen den Lastfaktoren λ = 0,34 und λ = 0,40 überschreiten die Rißtiefen die Plattenmittelfläche an der Stütze, wo-hingegen die übrigen Bereiche ungerissen sind. Dies bedeutet aber wiederum, daß in diesen Rißbereichen die Plattenmittelfläche positive Dehnungen erfährt. Die zugehö-rige horizontale Verformung kann sich jedoch aufgrund der gewählten Auflagerbe-dingungen nicht frei einstellen, so daß ab diesem Lastschritt Druckkräfte aktiviert werden, die der Rißbildung, die sich bei verschieblicher Lagerung der Trägerenden frei einstellen würde, und der damit verbundenen Verformung der Plattenmittelfläche entgegenwirken. Ab einem Lastfaktor von λ = 0,70 verändern sich die maximalen Rißtiefen im Feld und an der Stütze nicht mehr. Sie bleiben mit weiterer Laststeigerung konstant, wo-bei sich die Drucknormalkraft kontinuierlich erhöht. Trägt man die Betonspannungen in einzelnen Querschnitten über die Trägerlänge auf, wie dies im Bild 5.14 für die Bemessungslast qd bei λ = 1,0 geschehen ist, so erkennt man deutlich die veränder-liche Druckzonenhöhe und damit die veränderliche Lage der resultierenden Beton-druckkraft in den einzelnen Schnitten.

-23,2 MPa -10,3 MPa -2,0 MPa

-2,5 MPa -7,0 MPa -14,3 MPa

S.A.

Stütze Feld

Bild 5.14 Betonspannungsverteilung beim Lastfaktor λ = 1,0 Der aufgezeigte Lastabtragmechanismus entspricht demjenigen eines Druckbogens. Bei Laststeigerung erhöhen sich die Druckkräfte, wobei die Druckzonenhöhen und damit das Lastabtragsystem sich nicht ändert, wie an der Entwicklung der Rißtiefen aus Bild 5.13 hervorgeht. Bei dem einachsig gespannten Plattenstreifen stellt sich also bei Behinderung der horizontalen Verformung in der Plattenebene ein völlig anderer Lastabtragmecha-nismus ein als ohne diese Randbedingung. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Bewehrungsermittlung mit nichtlinear ermittelten Schnittgrößen im Rahmen einer

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Schnittgrößeniteration. Während im Fall von horizontal verschieblichen Auflagern sich die nichtlinearen Schnittgrößen und somit auch die Bewehrung kaum gegenüber der linearen Lösung ändern, reduziert sich die Bewehrung im Fall der horizontal un-verschieblichen Lagerung erheblich, und zwar an der Stütze von 20,2 cm²/m auf 12,7 cm²/m und im Feld von 9,6 cm²/m auf 3,8 cm²/m.

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5.3 Anwendungsbeispiel vierseitig eingespannte Quadratplatte mit horizon-tal unverschieblicher Lagerung der Ränder [23]

5.3.1 System und Diskretisierung In diesem Abschnitt wird das Tragverhalten einer vierseitig eingespannten Quadrat-platte mit horizontal unverschieblichen Auflagern untersucht. System, Belastung und Diskretisierung sind im Bild 5.15 angegeben.

Symmetrieachse

Symmetrieachse

Plattenmitte (Knoten 169)

eingespannter Rand1 2

144

Element 144

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

24

36

48

60

72

84

96

108

120

132

Bild 5.15 System und Diskretisierung der eingespannten Quadratplatte

g = 14,0 kN/m2 p = 14,0 kN/m2

10,0 m

Baustoffe: Beton C 25/30

fcm = 33 MPa, fct = 2,6 MPa

Ecm = 33550 MPa

Betonstahl S 500

Es = 200000 MPa Bemessungslast: qd = 39,9 kN/m²

10,0

m

22

4 4

30 asSt

asF

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Bei der Diskretisierung ist von den beiden Symmetrieachsen des Systems Gebrauch gemacht worden, so daß alle Betrachtungen lediglich am Viertelsystem durchgeführt werden müssen. 5.3.2 Schnittgrößeniteration und nichtlineare Dimensionierung Die linear erforderliche Bewehrung beträgt für diese Platte an der Stütze asSt = 21,99 cm²/m (mSt = -207,1 kNm/m) und im Feld asF = 8,27 cm²/m (mF = 84,6 kNm/m). Es wird mit der linearen Bewehrung als Startbewehrung eine Schnittgrößeniteration durchgeführt, deren Verlauf in der Tabelle 5.1 wiedergegeben ist.

Tabelle 5.1 Schnittgrößeniteration und Bemessung Die bemessungsrelevanten Druckkräfte führen im Vergleich zur linearen Bemessung zu stark verminderten erforderlichen Bewehrungsquerschnitten. Der Iterationsprozeß wird in diesem Fall nach 3 Schritten abgebrochen, denn die nach diesem Iterations-schritt erforderliche Bewehrung stimmt mit der gewählten Bewehrung überein. Im Bild 5.16 sind die nichtlinear ermittelten Schnittgrößen dargestellt. Man erkennt zum ei-nen die beachtlichen Drucknormalkräfte, zum anderen die Umverteilung der nichtli-near ermittelten Biegemomente gegenüber der linearen Lösung. Die Stützmomen-tenverteilung wird unter Abbau ihres Extremwertes völliger.

q = 39,9 kN/m²

mF [kNm/m]

nF [kN/m]

gew. asF [cm²/m]

mSt [kNm/m]

nSt [kN/m]

gew. asSt

[cm²/m]

linear

84,6

0 8,27 (∅10/s=9,5 cm)

-207,1

0 21,99 (∅14/s=7 cm)

1. Schritt

90,4

-321,5 8,27 (∅10/s=9,5 cm)

-178,3

-388,2 21,99 (∅14/s=7 cm)

2. Schritt

90,2

-338,2 4,62 (∅10/s=17 cm)

-177,6

-485,8 13,99 (∅14/s=11 cm)

3. Schritt

90,2

-341,5 4,36 (∅10/s=18 cm)

-177,9

-501,5 12,83 (∅14/s=12 cm)

4. Schritt

90,2

-341,5 4,36 (∅10/s=18 cm)

-177,9

-501,5 12,83 (∅14/s=12 cm)

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Bild 5.16 linear / nichtlinear ermittelte Schnittgrößen ( λ = 1,0 ) 5.3.3 Gebrauchstauglichkeit Die Bemessungslast für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit wird mit qGZG,qs = 21,0 kN/m² ( ≈ 1,0 g + 0,50 p → quasi-ständige Kombination) angesetzt. Dabei er-geben sich folgende Größen für die Betonspannung, Rißbreite und Durchbiegung: Stütze: Schnittgrößen: mSt = -86,5 kNm/m nSt = -82,4 kN/m Betonspannung: σc = -10,1 MPa Rißbreite: wk = 0,27 mm Feld: Schnittgrößen: mF = 48,6 kNm/m nF = -35,6 kN/m Betonspannung: σc = -3,1 MPa Rißbreite: wk = 0,28 mm max. Durchbiegung: w = 0,4 cm Die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit nach EC 2 werden mit der nichtli-near ermittelten Bewehrung für die quasi-ständige Kombination gerade noch erfüllt: • Begrenzung der Betonspannungen ( σc ≤ 0,45 ⋅ fck = 11,25 MPa )

m11 [kNm/m]

S.A. S.A.

θ2

m11 -177,9 (-207,1)

90,2 (84,6)

θ1

nichtlinear

(linear) -

+

-

S.A.

-341,5 (0)

n11

-501,5 (0)

θ1

S.A.

nichtlinear

-

-

θ2

n11 [kN/m]

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• Begrenzung der Rißweite ( wk ≤ 0,3 mm ) • Beschränkung der Verformungen ( w ≤ l/250 = 40 mm ) Weiterhin muß die Begrenzung der Stahlspannungen im Gebrauchszustand unter der seltenen Einwirkungskombination nachgewiesen werden. Die Stahlspannungen dürfen dabei den Grenzwert 0,8·fyk nicht überschreiten. Als seltene Einwirkungskom-bination wird qGZG,s = 28,0 kN/m² (1,0 g + 1,0 p) angesetzt. Folgende Schnittgrößen und Spannungen, die direkt der nichtlinearen Berechnung entnommen worden sind, ergeben sich für den Lastfaktor λ = 0,7 , der einer Belastung von 27,9 kN/m² ent-spricht und somit geringfügig über dem Lastniveau der seltenen Einwirkungskombi-nation liegt. Stütze: Schnittgrößen: mSt = -121 kNm/m nSt = -225 kN/m Stahlspannung: σs = 229,7 MPa Feld: Schnittgrößen: mF = 65 kNm/m nSt = -116 kN/m Stahlspannung: σs = 17,4 MPa Die geringen Stahlspannungen im Feld sind dadurch zu erklären, daß durch die ge-ringen vorhandenen Betondehnungen am Zugrand (εc = 0,12 0/00) noch recht hohe Betonspannungen aus Tension-Stiffening dort vorhanden sind (σc = 2,2 MPa). Der Querschnitt ist zwar schon gerissen, doch sind die Dehnungen noch sehr gering. Es liegt durch die Mitwirkung des Betons nach dem Reißen noch annähernd ein linearer Spannungsverlauf vor. Gerade bei der Ermittlung der Stahlspannungen im Gebrauchszustand sollten jedoch die Betrachtungen bei Überschreiten der Zugfestigkeit an einem diskreten Riß durch-geführt werden. Auch muß bedacht werden, daß durch Kriechen und Schwinden die günstigen Drucknormalkräfte abgebaut werden. Deswegen wird vorgeschlagen, die erforderliche Bewehrung zur Begrenzung der Stahlspannungen im Gebrauchszu-stand mit linear ermittelten Biegemomenten, oder unter Vernachlässigung der Druck-normalkräfte mit nichtlinear ermittelten Biegemomenten zu bestimmen, um so die völligere Verteilung an der Stütze auszunutzen. Stütze: Schnittgrößen (linear): mSt = - 0,7 · 207,1 = 145 kNm/m

Stahlspannung: MPa4711083,1224,0

145,04s =

⋅⋅=σ −

Feld:

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Schnittgrößen (linear): mF = 0,7 · 90,2 = 63 kNm/m

Stahlspannung: MPa5781036,425,0

063,04s =

⋅⋅=σ −

Die Stahlspannungen im Gebrauchszustand im Zustand II unter Zugrundelegung der linearen Schnittgrößen überschreiten bei weitem die zulässigen 400 MPa. Es er-scheint deshalb sinnvoll, im Vorfeld der nichtlinearen Dimensionierung eine untere Schranke der Bewehrung über die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit festzule-gen. Bei Annahme eines inneren Hebelarms von 24 cm ergibt sich für den Nachweis der Stahlspannungen mit linear ermittelten Schnittgrößen eine Mindestbewehrung von asSt 15,1 cm²/m= und asF = 6,6 cm²/m. Trotzdem wird dieses Beispiel mit der reduzierten Bewehrung aus der Schnitt-größeniteration fortgeführt, weil hieran wesentliche Effekte des nichtlinearen Trag-verhaltens aufgezeigt werden können. 5.3.4 Traglastberechnungen In diesem Abschnitt wird das Ergebnis der Traglastberechnungen für drei unter-schiedliche Bewehrungsmengen dargestellt. Die Berechnungen sind mit Mittelwerten der Materialparameter durchgeführt worden und sollen einen Aufschluß über das Si-cherheitsniveau des Systemversagens gegenüber den Bemessungslasten geben. Dabei werden die

a) lineare Bewehrung: asStü = 21,99 cm²/m, asF = 8,27 cm²/m b) Bewehrung aus Schnittgrößeniteration: asStü = 12,83 cm²/m, asF = 4,36 cm²/m c) keine Bewehrung: asStü = asF = 0 cm²/m,

zugrunde gelegt. Es zeigt sich, daß auch bei der Platte ohne Bewehrung die Last bis zum Lastfaktor λ = 1,73 gesteigert werden kann. Der Lastabtrag geschieht wieder aufgrund der festgehaltenen horizontalen Randbedingungen über ein Druckgewölbe. Die Platte will nach Überschreiten der Zugfestigkeit aufreißen. Die Plattenmittelfläche würde wieder positive Dehnungen aufgrund der Rißtiefen, die sich ohne Verfor-mungsbehinderung einstellen würden, erhalten. Nun sind jedoch die horizontalen Randbedingungen gesetzt. Diese verhindern das tiefe Aufreißen. Es wird sofort eine Druckkraft aktiviert, die der Rißbildung entgegenwirkt und die Verformung der Plat-

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tenmittelfläche unterdrückt. Die Last wird nach dem Einstellen dieses Systems über eine kontinuierliche Erhöhung der Drucknormalkräfte bis zum Versagen gesteigert.

as,St

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0

Last

fakt

or λ

λu = 2,89

λu = 2,51

λu = 1,73

Durchbiegung w [cm] in Plattenmitte

as,F

as,St

as,F

Bild 5.17 Traglastkurven und Versagenszustände der Quadratplatte Im Bild 5.17 sind die Lastverformungskurven mit den zugehörigen Versagenszustän-den angegeben. Das Versagen wird bei allen drei Bewehrungsmengen durch einen Betonbruch an der Stütze eingeleitet. Auffällig ist, daß bei einer Reduktion der Be-wehrung von der linear ermittelten auf diejenige aus der Schnittgrößeniteration ledig-

keine Bewehrung

nichtlineare Bewehrung:

as,F = 4,36 cm² / m as,St = 12,83 cm² / m

lineare Bewehrung:

as,F = 8,27 cm² / m as,St = 21,99 cm² / m

Erstrißlast Stütze:

0,2

0,2

0,2

Erstrißlast Feld:

0,6

0,6

0,6

Stahlfließen Stütze:

-

1,60

2,19

Betondruckbruch Stütze:

1,55

2,27

2,73

Systemtraglast:

1,73

2,51

2,89

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lich eine Traglastreduktion von knapp 14 % eintritt, obwohl die Bewehrungsmenge fast auf die Hälfte von derjenigen aus linear ermittelten Schnittgrößen reduziert wor-den ist.

Stütze FeldSchnitt A - A( Rißtiefe )

5,0 m

30 cm

Bild 5.18 Rißverteilung und Rißtiefen bei Bemessungslast λ = 1,0 Auch die Traglastberechnung ohne eingelegte Bewehrung zeigt das Phänomen des Auftretens der Druckkräfte nochmals. Ohne die horizontal unverschieblichen Auflager könnte die Last nie soweit über die Rißlast gesteigert werden. Sobald die Risse je-doch in ihrer Tiefe über die Plattenmittelfläche hinaus wandern wollen, was mit posi-tiven Dehnungen und somit Verschiebungen der Plattenmittelfläche verbunden ist, werden am Auflager Druckkräfte aktiviert, die der Rißbildung entgegenwirken, so daß die maximale Rißtiefe konstant gehalten wird. Im Bild 5.18 ist die Rißverteilung beim Lastfaktor λ = 1,0 unter der Bemessungslast dargestellt. Der Schnitt durch die Plat-tendicke zeigt, daß sich die Risse in Feld und Stütze nicht viel tiefer als bis zur Plat-tenmittelfläche einstellen und bestätigt somit die gemachten Aussagen. Im folgenden wird nun die Art des Versagens näher untersucht, und zwar exempla-risch für die Quadratplatte mit der Bewehrung aus der Schnittgrößeniteration. Bei ei-nem Lastfaktor von 2,27 tritt der erste Betondruckbruch an der Stütze in der Symmet-rieachse auf. Von diesem Punkt aus kann die Last trotz Bruch noch weiter gesteigert

A A

S.A.S.A.

Oberseite

A A

S.A.S.A.

Unterseite

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werden, da von nun an die benachbarten Querschnitte und Betonfasern aushelfen können. Der Bruch breitet sich also immer weiter vom Stützquerschnitt in der Sym-metrieachse zu den Seitenbereichen hin entlang der Unterstützung aus, bis bei ei-nem Lastfaktor von 2,51 ungefähr 40 % der Länge des gesamten Auflagers gebro-chen ist. Über diesen Punkt hinaus kann kein Gleichgewicht mehr gefunden werden. Die Druckkräfte, die bis zu diesem Lastschritt für den Lastabtrag verantwortlich ge-wesen sind, können nicht mehr vom Auflager aufgenommen werden, da große Teile davon gebrochen sind. Im Bild 5.19 sind die Rißverteilungen mit Rißtiefen für die un-tersuchte Quadratplatte im Versagenszustand dargestellt.

Plattenoberseite RisseS.A.

S.A.

Plattenunterseite RisseS.A.

S.A. Werte in % der Wanddicke

Bild 5.19 Rißverteilung und Rißtiefen im Versagenszustand λ = 2,51 Bei der Laststeigerung von λ = 1,0 bis zum Versagenszustand λ = 2,51 haben sich die Rißtiefen nicht deutlich vergrößert, lediglich die Rißbereiche im Feld sind völliger geworden. Auch dies bestätigt wieder die Tatsache, daß sich die Risse in ihrer Tiefe nicht uneingeschränkt über die Plattenmittelfläche hinaus ausbilden können. Auf-grund der Verformungsbehinderung durch die horizontal unverschieblichen Auflager und somit aufgrund der entstehenden Druckkräfte werden die Risse in ihrer Rißtiefe begrenzt.

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Plattenoberseite ε1 Plattenoberseite ε2

Plattenunterseite ε1 Plattenunterseite ε2

Stahlfließen

Betonbruch

S.A.

S.A.

Werte in /000

Bild 5.20 Hauptdehnungen im Versagenszustand λ = 2,51 Bild 5.20 zeigt die Hauptdehnungen der Quadratplatte im Versagenszustand bei λ = 2,51. Auf der Plattenunterseite erkennt man im Dehnungsplot für die Hauptdehnun-gen ε2 deutlich die Bereiche, in denen ein Betondruckbruch vorliegt. Dieser erstreckt

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sich wie bereits beschrieben über ungefähr 40 % des gesamten Seitenrandes und führt letztendlich zum Systemversagen. Des weiteren ist der Lastabtrag sehr deutlich über das ausgebildete Gewölbe zu erkennen. Auf der Plattenoberseite liegen die maximalen Druckdehnungen in Plattenmitte vor, die sich zu den Auflagern hin ab-bauen und in Zugdehnungen übergehen. Auf der Plattenunterseite erkennt man in der Darstellung für die Hauptdruckdehnungen ε2, wie sich die Druckkräfte auf das Auflager abstützen und in den am stärksten beanspruchten Bereichen zu einem Be-tondruckversagen führen. Diese Dehnungen ε2 nehmen zur Feldmitte hin ab und ge-hen in Zugdehnungen über, denn die resultierende Gewölbedruckkraft wandert in den oberen Plattenbereich. Senkrecht zu den Dehnungspfaden ε1 auf der Platten-oberseite und ε2 auf der Plattenunterseite, die den Lastabtragweg zu den Auflagern hin darstellen, liegt auf der Plattenoberseite Druck für ε2 und auf der Plattenunterseite Zug für ε1 vor. In den markierten Bereichen um den Momentennullpunkt herum liegen sowohl auf der Plattenoberseite wie auf der Plattenunterseite negative Hauptdeh-nungen vor, was ebenfalls auf Druckkräfte schließen läßt. Zusammenfassend wird für diesen Plattentyp also festgehalten, daß im Verlauf der Laststeigerung nur einmal nach dem Reißen des Betons sich ein Sytemwechsel ein-stellt, nämlich von einer reinen Biegebeanspruchung vor dem Reißen hin zu einem Lastabtrag über Membrandruckkräfte nach dem Reißen. Im weiteren Verlauf der Laststeigerung wird dieser Lastabtragmechanismus beibehalten. Aufgrund der Rißbildung erfährt die Plattenmittelfläche Dehnungen und will sich ver-längern. Diese Verlängerung wird durch die Randbedingungen unterbunden, und es kommt zu einer Aktivierung von Druckkräften. Der Lastabtrag findet über eine Steige-rung der Druckkräfte statt, bis im Versagenszustand das Auflager in großen Berei-chen auf Betondruckbruch versagt hat und die Druckkräfte nicht mehr aufgenommen werden können. Der Lastabtrag mitsamt seinem Versagenszustand entspricht somit genau demjenigen, der im Bild 5.3 bereits angegeben worden ist. Die Verformungen, die sich beim Versagen einstellen, liegen nach Bild 5.17 bei etwa 6 cm. Dies ent-spricht einem Fünftel der Höhe des Plattenquerschnitts. Eine Zugmembran bildet sich erst ab Durchbiegungen von ungefähr der Hälfte der Querschnittshöhe [20] aus. Nachdem der Lastabtragmechanismus der vierseitig eingespannten Quadratplatte nun eingehend beleuchtet worden ist, soll in den folgenden Abschnitten der Einfluß von Werkstoffparametern, insbesondere der des Betonelastizitätsmoduls und der Zugfestigkeit, auf die Systemtraglasten untersucht werden, um traglastmindernde Einflüsse aufzudecken.

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5.3.5 Einfluß des E-Moduls auf die Traglasten Die Traglastberechnungen des vorhergehenden Abschnitts sind mit einem Mittelwert von Ecm = 33550 MPa durchgeführt worden. Diese Berechnung wird mit einem ab-geminderten E-Modul von EcR = 26310 MPa durchgeführt. Der E-Modul EcR ist dabei über den Rechenwert der Betondruckfestigkeit gemäß der Beziehung EcR = 9500 · ( fcR ) 1/3 angesetzt worden. Den Traglastberechnungen liegt wiederum die Bewehrung aus der Schnittgrößeniteration zugrunde (asSt = 12,83 cm²/m, asF = 4,36 cm²/m). Im Bild 5.21 sind die beiden Traglastkurven für den Mittelwert des E-Moduls sowie den redu-zierten Wert des E-Moduls dargestellt.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0

Durchbiegung w [cm] in Plattenmitte

Last

fakt

or λ

E = 33550 MN/m²cm

E = 26310 MN/m²cR

λu = 2,51

λu = 2,09

Bild 5.21 Traglastkurve mit reduziertem E-Modul

Es ist offensichtlich, daß eine Abminderung des E-Moduls bei diesem Plattentyp eine Traglastreduzierung von ca. 20 % zur Folge hat. Beim Nachweis der Tragsicherheit dieser Platte unter Anwendung eines Traglastnachweises müßte dieser gravierende Einfluß des E-Moduls in die Sicherheitsüberlegungen mit einfließen. Im folgenden werden die Ursachen für diesen Traglastabfall ergründet.

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Bei einem gleichen Lastniveau verformt sich die Platte mit reduziertem E-Modul na-türlich stärker, was aus Bild 5.21 zu entnehmen ist. Die aktivierten Spannungen, die aus den Dehnungen über das Werkstoffgesetz σ = E · ε berechnet werden, und da-mit auch die Normalkräfte entsprechen sich für beide Platten. Des weiteren wird im Bild 5.21 deutlich, daß sowohl die Platte mit dem Mittelwert des E-Moduls wie auch diejenige mit dem reduzierten E-Modul bei einer gleichen Mittendurchbiegung von w = 5,5 cm versagen. Daher liegt die Vermutung nahe, daß der Dehnungszustand, der sich beim Versagen einstellt, in beiden Fällen nahezu identisch ist.

Betonbruch

Werte in /000

Dehnungen Plattenunterseiteim Traglastzustand = 2,09

(reduzierter E-Modul)

ελ

2Dehnungen Plattenunterseiteim Traglastzustand = 2,51

(Mittelwert E-Modul)

ελ

2

Betonbruch

Bild 5.22 Vergleich der Dehnungen im Versagenszustand

Im Bild 5.22 sind exemplarisch die Hauptdehnungszustände ε2 auf der Plattenunter-seite für den Mittelwert sowie den reduzierten Wert des E-Moduls bei Erreichen der Systemtraglasten dargestellt. Die aufgestellte Vermutung bestätigt sich, beide Platten versagen in einem nahezu identischen Dehnungszustand. Dies gilt auch für die rest-lichen Dehnungen, die hier nicht dargestellt sind. Auch die Versagensart, nämlich Be-tondruckbruch in weiten Bereichen an der Stütze, ist gleich. Die Traglastminderung bei der Platte mit reduziertem E-Modul kann nur daher rühren, daß die Membran-druckkräfte nicht zu ihrer vollen Höhe wie in der Rechnung mit dem Mittelwert des E-Moduls aktiviert werden können. Bei dieser Platte, die nach dem Reißen aufgrund der Verformungsbehinderung der Plattenmittelfläche ein Druckgewölbe ausbildet, er-folgt die Laststeigerung durch eine kontinuierliche Erhöhung der Druckkräfte bis zum

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Versagen. Die Normalkräfte im Versagenszustand untermauern diese Aussage. Für die Platte mit dem Mittelwert des E-Moduls beträgt die Normalkraft n11 in Plattenmitte bei Systemversagen λu = 2,51 n11 = -1875 kN/m, für die Platte mit reduziertem E-Modul bei λu = 2,09 n11 = -1446 kN/m. Das Verhältnis der beiden Traglasten zuein-ander entspricht ungefähr dem Verhältnis der aktivierten Normalkräfte. Somit resultiert bei diesem Plattentyp durch die Reduktion des E-Moduls ein nicht zu vernachlässigender Abfall in der Systemtraglast. Beim Nachweis der Platte im Rah-men eines Traglastnachweises müßte dieser Effekt aus Sicherheitsgründen beachtet werden. 5.3.6 Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten Weiterhin wird der Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten untersucht. Den Be-rechnungen ist wiederum die aus der Schnittgrößeniteration ermittelte Bewehrung zugrunde gelegt. Die Zugfestigkeit wird dabei in folgenden Grenzen variiert: a) Mittelwert der Zugfestigkeit fctm = 2,6 MPa b) Rechenwert der Zugfestigkeit fctR = 2,3 MPa ( 0,3 · ( fcR )2/3 ) c) Hälfte der Zugfestigkeit fctR

* = 1,3 MPa

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0

Durchbiegung w [cm] in Plattenmitte

Last

fakt

or λ

λu = 2,43λu = 2,49

λu = 2,51

f = 2,60 MPactm

f = 2,30 MPactR

f = 1,30 MPactR*

Bild 5.23 Traglastkurven mit reduzierten Zugfestigkeiten

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Im Bild 5.23 sind die Traglastkurven für die Platten mit den drei unterschiedlichen Zugfestigkeiten eingetragen. Trotz einer Reduktion auf die Hälfte ihres Mittelwertes besitzt diese bei der untersuchten Quadratplatte offensichtlich keinen nennenswerten Einfluß auf die Systemtraglast aufgrund des beschriebenen Lastabtragmechanismus über Druckmembrankräfte bis in den Grenzzustand bei Erreichen der Systemtraglast. Ebenso wie die Zugfestigkeit hat auch der Tension-Stiffening Ansatz sowie die Erst-rißspannung keinen Einfluß auf die Systemtraglasten [23], was an dieser Stelle nicht weiter dargestellt werden soll. Es wird also festgehalten, daß bei diesem Plattentyp der vierseitig eingespannten Quadratplatte mit horizontal unverschieblicher Lagerung der Plattenränder der E-Modul des Betons die wesentliche Einflußgröße auf die Traglasten darstellt, da sich mit dem Reißen der Lastabtrag wie beschrieben einstellt. 5.3.7 Einfluß des Kriechens und Schwindens auf das Tragverhalten Bei der vorliegenden vierseitig eingespannten, horizontal unverschieblich gelagerten Platte hat sich herausgestellt, daß der Lastabtrag nach dem Überschreiten der Be-tondruckfestigkeit durch den Aufbau eines Druckgewölbes erfolgt, wobei die Druck-kräfte bis zum Versagenszustand kontinuierlich gesteigert werden. Das Tragverhal-ten schlägt nicht in eine Zugmembran um, die Verformungen, die zum Versagenszu-stand gehören, sind nicht groß genug. Die Tatsache, daß der E-Modul des Betons einen gravierenden Einfluß auf die aktivierten Druckkräfte und somit die Traglasten bei diesem Plattentyp ausübt, läßt darauf schließen, daß ebenso Kriechen und Schwinden auf das Tragverhalten dieses Plattentyps einen großen Einfluß haben werden. In [18] ist ein Verfahren entwickelt worden, wie die durch das Kriechen und Schwin-den erzeugten Dehnungszustände bei der nichtlinearen Tragwerksanalyse berück-sichtigt werden können. Sie stellen den aktuellen Stand der Forschung dar. Das Ver-fahren ist im Programmsystem ROSHE 3 [5] implementiert worden. In [18] ist die vorgestellte Quadratplatte bezüglich des Kriechens und Schwindens untersucht wor-den, es sei an dieser Stelle nur hierauf verwiesen. Die aus dem Kriechen und Schwinden resultierenden Phänomene seien im folgen-den zusammengestellt. • Änderung der bemessungsrelevanten Schnittgrößen • Reduktion der Membrantragwirkung • Deutliche Zunahme der Tragwerksverformungen • Ausweitung der Rißbereiche

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• Sensibilität der Membrankräfte auf Kriech- und Schwindneigung Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Kriechen und Schwinden sich ungünstig auf die Ausbildung eines Druckgewölbes auswirken. Wie in den Kapiteln 5.1.3 und 5.1.4 über das allgemeine Tragverhalten zweiachsig gespannter Platten erläutert worden ist, liegt auf dem Bemessungslastniveau λ = 1,0 im allgemeinen un-abhängig von den gewählten Randbedingungen ein Druckgewölbe vor. Bei Anwen-dung einer Schnittgrößeniteration, die auf diesem Lastniveau stattfindet, zur nichtli-nearen Dimensionierung wird das Bemessungsergebnis natürlich maßgeblich durch Kriechen und Schwinden beeinflußt, da ja die Schnittgrößen bei λ = 1,0 sich ändern und insbesondere die Membrandruckkräfte abgebaut werden. Bei höheren Laststu-fen wird aber das Druckgewölbe im allgemeinen abgebaut, es bildet sich eine Zug-membran aus, die zugehörigen Verformungen der Platte betragen dabei ungefähr die Hälfte der Plattendicke. Das Ergebnis der Schnittgrößeniteration wird deshalb auf je-den Fall durch Kriechen und Schwinden ungünstig beeinflußt. Bildet sich das Druckgewölbe jedoch nicht zurück, wie dies bei der hier vorliegenden Quadratplatte der Fall ist, da es zu einem Betondruckbruch am Auflager infolge der hohen Druckbeanspruchung kommt, so darf das Kriechen und Schwinden bei der nichtlinearen Bemessung, sei es mit Schnittgrößeniteration oder Traglastkonzepten, nach [18] nicht vernachlässigt werden. Die untersuchte Quadratplatte stellt hinsicht-lich ihres nichtlinearen Tragverhaltens einen Sonderfall dar.

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5.4 Anwendungsbeispiel Zweifeldplatte mit horizontal verschieblicher Lage-rung der Ränder [24]

5.4.1 System und Diskretisierung Die in diesem Abschnitt untersuchte Rechteckplatte ist im Bild 5.24 dargestellt. Es handelt sich dabei um eine Zweifeldplatte unter Vollast, bei der die Symmetrie an der Einspannstelle und in Feldmitte durch das Setzen der entsprechenden Randbedin-gungen bei der Berechnung ausgenutzt wird, so daß nur ein Viertel der Platte für den Lastfall Vollast abgebildet werden muß. Für die Teillast wird die gesamte untere Hälf-te des Platte betrachtet.

Bild 5.24 System und Diskretisierung der Zweifeldplatte

Als Materialparameter sind die Rechenwerte fcR für die Betondruckfestigkeit und fyR für die Streckgrenze des Stahls entsprechend DIN 1045 E 2/97 [3b] berücksichtigt worden. Der E-Modul des Betons und dessen Zugfestigkeit sind zunächst mit ihren Mittelwerten angesetzt worden, wobei deren Einfluß auf die Traglasten in den folgen-den Abschnitten untersucht wird. Tension-Stiffening wird über einen linear abfallen-den Ast auf Betonseite berücksichtigt. Als Mitwirkungshöhe ist die komplette Zugzo-ne angesetzt worden.

S.A.

5,5 mx

y

5,5 m

3,5 m

3,5 m

S.A.

Feld 1 Feld 2

g = 6,0 kN/m²p = 7,0 kN/m²

Beton C 25/30 Betonstahl S 500

GZT : q = 1,35·g + 1,50·p = 8,1 + 10,5 = 18,6 kN/m² q‘ = 1,35 g = 8,1 kN/m² 18 12

3

3

horiz. unverschieblich

S.A.

S.A.

fcR = 21,25 MPa fctm = 2,60 MPa Ecm = 33550 MPa fyR = 550 MPa

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5.4.2 Schnittgrößen, Bewehrungswahl, nichtlineare Ergebnisse für die Be-messungslast λ = 1,0 Eine lineare Schnittgrößenberechnung ergibt ein vom Betrage maximales Stützmo-ment von mSt = -57,1 kNm/m für den Lastfall Vollast und ein maximales Feldmoment für den Lastfall Teillast (qlinks = 18,60 kN/m² und qrechts = 8,10 kN/m²) von mF = 30,5 kNm/m. Die zugehörige lineare Bewehrung beträgt asSt = 9,82 cm²/m und asF = 4,79 cm²/m. Die gewählte Bewehrung ist im übrigen abgestuft eingelegt (Feldbewehrung unten in der gesamten Platte, Stützbewehrung oben in x-Richtung über der Symmet-rieachse x = 5,50 m mit l = 1,80 in jedem Feld, Drillbewehrung oben in den Ecken konstruktiv in einem Bereich von 0,3 lx = 1,65 m). Zum Nachweis der gewählten Be-wehrungen soll das nichtlineare Nachweisverfahren der Traglastiteration nach den Neuentwürfen der DIN 1045 [3], [4] angewendet werden. Die lineare Bewehrung wird Traglasten liefern, die deutlich über der geforderten Systemsicherheit von γR = 1,3 liegen werden, da Systemtragreserven bei der linearen Bemessung nicht ausgenutzt werden. Aus diesem Grund wird eine reduzierte Bewehrung gewählt, die mit dem nichtlinearen Nachweisverfahren der Neuentwürfe der DIN 1045 nachgewiesen wer-den soll, denn der Aufwand einer Traglastiteration ist im allgemeinen nicht gerecht-fertigt. Für Beispiele mit Durchführung der Traglastiteration wird auf [11] und [25] verwiesen. Die reduzierte gewählte Bewehrung beträgt asSt = 6,54 cm²/m und asF = 4,19 cm²/m. Dabei können mit der reduzierten Stützbewehrung gerade einmal 70 % des linearen Stützmomentes von 57,1 kNm/m abgedeckt werden. Im Bild 5.25 sind die nichtlinear ermittelten Biegemomente in der Symmetrieachse für die reduzierte Bewehrung und die Risseverteilungen auf der Ober- und Unterseite der Platte für die beiden Lastfälle dargestellt. Während die Feldmomente im wesentlichen gleich blei-ben, wird das Stützmoment doch merklich abgebaut, und zwar beim Lastfall Vollast von –57,1 kNm/m auf –41,2 kNm/m. Dies ist damit zu erklären, daß die Verteilung des Stützmoments senkrecht zur betrachteten Schnittrichtung in y-Richtung nun völ-liger wird. Die Stützbewehrung wird also gleichmäßiger über die lange Seite ausge-nutzt. Des weiteren treten bei der nichtlinearen Schnittgrößenermittlung Drucknor-malkräfte auf. Wie man anhand der Rißbilder erkennt, sind bei der Bemessungslast die Feld- und Stützbereiche schon weit aufgerissen. Aufgrund der hochgradigen in-nerlichen statischen Unbestimmtheit können sich die Verformungen der Plattenmittel-fläche nicht frei einstellen, es kommt zu einer Aktivierung von Membrandruckkräften. Diese betragen für den Stützquerschnitt nSt = -43,9 kN/m (Vollast) und für den Feld-querschnitt nF = -18,6 kN/m (Teillast).

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-41,2 (...) : linear(...) : linear

(-57,1)

-33,9(-40,9)

27,0(28,8)

27,6(30,5)

11,3(11,0)

+ + +- -

Risse Plattenoberseite Risse Plattenoberseite

S.A.S.A.S.A.S.A.

Risse Plattenunterseite Risse Plattenunterseite

S.A.S.A.S.A.S.A.

Bild 5.25 Schnittgrößen und Risseverteilungen

Vollast Teillast

q = 18,60 kN/m² q´ = 8,10 kN/m² q = 18,60 kN/m²

18

Bewehrung linear: asSt = 9,82 cm²/m, asF = 4,79 cm²/m Bewehrung reduziert: asSt = 6,54 cm²/m, asF = 4,19 cm²/m

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5.4.3 Gebrauchstauglichkeitsnachweise mit reduzierter Bewehrung Die Gebrauchstauglichkeit muß auch mit den reduzierten Bewehrungsmengen noch erfüllt sein. Der Nachweis wird mit linearen Schnittgrößen geführt, denn das Bemes-sungslastniveau für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit GZG liegt gerade unter dem Auftreten von ersten Rissen im Feld (quasi-ständige Kombination), so daß für die Schnittgrößen noch keine Änderungen gegenüber der linearen Lösung vorlie-gen. Als Bemessungslast für den GZG (quasi-ständige und seltene Kombination) werden angesetzt: qGZG,qs =1,0 · g + 0,5 · p = 6,0 + 3,5 = 9,5 kN/m² (→ λGZGqs = 9,5 / 18,9 ≈ 0,50) qGZG,s = 1,0 · g + 1,0 · p = 6,0 + 7,0 = 13,0 kN/m² (→ λGZGs =13,0 / 18,9 ≈ 0,70) MRiß ≈ 2,60 · 0,18² / 6 = 14,0 kNm/m λRißSt ≈ 14,0/57,1 = 0,25 λRißF ≈ 14,0/28,8 = 0,49 Die Rißbreitennachweise werden nach DIN 1045 E 12/98 geführt, gegenüber den früheren Neuentwürfen [3a], [3b] haben sich die Beziehungen zur Ermittlung der Ri-ßabstände geändert. mSt = 0,50 · 57,1 = 28,55 kNm/m

96,533550200000

e ==α

cm05,3²cm54,696,5

cm15cm100211cm100

²cm54,696,5x =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅⋅⋅

++−⋅⋅= z = 14 cm

MPa82,311m/²m1054,6m14,0

m/MNm1055,284

3

s =⋅⋅

⋅=σ −

⎩⎨⎧

=−=⋅

=cm0,53/cm)05,318(cm5,7cm0,35,2

heff

%31,1cm0,5

m/²cm54,6eff ==ρ

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( )

3

22

cmsm 1013,1MPa200000

1031,196,511031,1MPa60,24,0MPa82,311

−−

⋅=⋅⋅+⋅

⋅⋅−

=ε−ε

⎩⎨⎧

=⋅⋅=⋅⋅

=−

mm333)MPa60,26,3/(mm10MPa82,311mm212)1031,16,3/(mm10s

2

maxr

wk = 212 mm · 1,13·10-3 = 0,24 mm < 0,30 mm Die Rißbreite ist mit wk = 0,24 mm noch gegenüber dem Grenzwert von wk = 0,3 mm eingehalten. Unter Zugrundelegung der linear ermittelten Stützbewehrung asSt = 9,82 cm²/m beträgt die Rißbreite wk = 0,10. Durch die starke Reduzierung der Stützbe-wehrung ergeben sich größere Stahlspannungen und somit Dehnungen im nackten Zustand II, was natürlich auch die mittleren Stahldehnungen und somit die Rißbreiten erheblich beeinflußt. Der Nachweis der Betondruckspannungen im Gebrauchszustand für die quasi-ständige Kombination muß nur im Feld geführt werden, um überproportionale Kriech-verformungen zu vermeiden. An der Mittelstütze darf nach DIN 1045 E 12/98 [4] 11.1.2 (3) auf diesen Nachweis verzichtet werden, wenn gewisse konstruktive Fest-legungen eingehalten sind. Für den Nachweis der Betondruckspannungen in Feldmit-te wird dabei Zustand I und Zustand II betrachtet, denn bei einem Lastfaktor von λ = 0,50 beginnt hier gerade die Rißbildung. mF = 0,5 · 28,8 kNm/m = 14,4 kNm/m σcF = -14,4 · 10-3 / ( 0,182/6) = - 2,7 MPa (Zustand I) x = 2,5 cm z = 14,2 cm σcF = - 2 · 14,4 · 10-3 / ( 0,142 · 0,025) = - 8,11 MPa (Zustand II) Die Betonspannungen im Feld unter Zugrundelegung der reduzierten Bewehrung sind in jedem Fall eingehalten (zul σcF = 0,45 · fck = 0,45 · 25 = 11,25 MPa). Weiterhin müssen die Stahlspannungen im Gebrauchszustand unter der seltenen Kombination auf 0,8 fyk beschränkt werden. Die Nachweise an der Stütze und im Feld werden zunächst mit linear ermittelten Schnittgrößen geführt.

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mSt,L = 0,7 · 57,1 kNm/m = 40,0 kNm/m x = 3,0 cm z = 14,0 cm σsSt = 40,0 · 10-3 / ( 0,14 · 6,54 · 10-4 ) = 437 MPa > 400 MPa nicht erfüllt ! mF,L = 0,7 · 28,8 kNm/m = 20,2 kNm/m x = 2,5 cm z = 14,2 cm σsSt = 20,2 · 10-3 / ( 0,142 · 4,19 · 10-4 ) = 340 MPa < 400 MPa Im Feld ist der Nachweis der Stahlspannungen im Gebrauchszustand erfüllt, an der Stütze werden die zulässigen Spannungen um knapp 10 % überschritten. Führt man den Nachweis an der Stütze jedoch mit nichtlinear ermittelten Schnittgrößen im Gebrauchszustand und nutzt somit den Abbau des Maximalwertes des Stützmomen-tes durch die Rißbildung aus (Bild 5.25), so gelingt der Nachweis der Stahlspannun-gen. mSt,NL = 23,7 kNm/m nSt,NL vernachlässigt x = 3,0 cm z = 14,0 cm σsSt = 23,7 · 10-3 / ( 0,14 · 6,54 · 10-4 ) = 260 MPa Die Durchbiegung im Gebrauchszustand unter quasi-ständigen Lasten beträgt für beide Bewehrungen 0,2 cm, dieser Wert kann durch Anwendung von Tafelwerken (z.B. Czerny) bestätigt werden. Um jedoch realistischere Verformungen zu erhalten, muß zum einen Kriechen und Schwinden berücksichtigt werden, zum anderen muß ein wirklichkeitsnäherer Tension-Stiffening Ansatz gewählt werden. Der Nachweis der Durchbiegungen ist jedoch allein durch die Begrenzung der Biegeschlankheit li/d = 0,8 · 5,5 / 0,15 = 29,3 < 35 nach DIN 1045 E 12/98 [4] erfüllt. 5.4.4 Traglastberechnungen und Versagensmechanismus Es werden Traglastberechnungen für die linear ermittelte und die reduzierte Beweh-rung mit dem nichtlinearen Nachweisverfahren, wie es der Neuentwurf der DIN 1045 E 2/97 [3b] vorsieht, durchgeführt und die gewählten Bewehrungsmengen somit

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nachgewiesen. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich alle auf den maßge-benden Lastfall Vollast. Im Bild 5.26 sind die Traglastkurven für die linear ermittelte und für die reduzierte Bewehrung dargestellt. Die Systemtraglast für die lineare Bewehrung beträgt λu = 1,93 und für die reduzierte Bewehrung λu = 1,64. Dabei muß jedoch beachtet wer-den, daß die DIN 1045 zwei Kriterien zur Traglastbegrenzung vorsieht, zum einen darf in keinem Querschnitt die Grenzstauchung des Betons überschritten werden, zum anderen darf die mittlere Stahldehnung nicht bis 25 0/00 ausgenutzt werden, sondern muß auf eine mittlere Stahlgrenzdehnung εsmu begrenzt werden. Dadurch wird gewährleistet, daß die maximale Stahldehnung im Riß die Grenzdehnung von 25 0/00 nicht überschreitet. Dies liegt daran, daß durch das Mitwirken des Betons auf Zug zwischen den Rissen die mittleren Stahldehnungen gegenüber der maximalen Stahldehnung im Riß reduziert werden. Maßgebend für die Traglast nach DIN 1045 ist also in diesem Fall das Erreichen von εsmu. Für das System mit linear ermittelter Bewehrung beträgt die Traglast unter Berücksichtigung der normativen Grenzkrite-rien λu =1,65 und für das System mit reduzierter Bewehrung λu = 1,41. Auch bei die-sem Plattentyp werden Membrandruckkräfte trotz der verschieblichen Randbedin-gungen nach dem Reißen aktiviert, die jedoch bei weitem nicht die Größe derjenigen der vierseitig eingespannten Quadratplatte erreichen, wie im späteren Vergleich der beiden Systeme noch gezeigt wird.

Bild 5.26 Traglastkurven für die lineare und reduzierte Bewehrung

as,red : Stütze 6,54 cm²/m, Feld 4,19 cm²/m Erstriß Stütze

λu =

λu =

Betonbruch Ecke

Durchbiegung im Feld wmax [cm]

Lastfaktor λ

Stahlfließen Feld Stütze

Erstriß Feld

3,0 2,0 1,0

γR = 1,3

2,0

1,5

1,0

0,5

0,0 0,0 7,06,05,04,0 11,010,0 9,0 8,0

λu =

λu =

as : λu = 1,65 (Erreichen von εsmu Feld)

as,red : λu = 1,41 (Erreichen von εsmu Feld)

as : Stütze 9,82 cm²/m, Feld 4,79 cm²/m GZG

h/2

-

-

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Den Lastabtrag über das Druckgewölbe muß man sich bei dieser Platte folgender-maßen vorstellen: Mit dem Aufreißen des Betons wollen sich in der Plattenmittelflä-che wieder positive Dehnungen und damit Verformungen einstellen. Die Behinderung derer erfolgt jetzt nicht durch die horizontalen Auflagerbedingungen, sondern durch die innerliche statische Unbestimmtheit der Platte. Die Druckkräfte werden von einem Zugring am Plattenrand aufgenommen und zur Mittelstütze zurück gehängt. Mit wei-terer Laststeigerung werden diese Druckwirkungen aber abgebaut, und die Platte er-hält Zugwirkungen, wie zu Beginn dieses Kapitels qualitativ erläutert worden ist. Im Bild 5.27 ist die Entwicklung der Normalkräfte n11 über den Verlauf der Laststeige-rung für die Platte mit der reduzierten Bewehrung angegeben. Beim Lastfaktor λ = 1,0 erkennt man, wie sich in der Symmetrieachse die Drucknormalkräfte n11 bis zu ihrem Maximalwert an der Mittelstütze aufbauen. Die Druckkräfte werden über die Plattenaußenbereiche über Zugwirkungen zur Mittelstütze zurück gehängt, denn in jedem Schnitt parallel zur Mittelstütze (d.h. x = konstant) muß Gleichgewicht herr-schen, das Integral über die Normalkräfte n11 entlang eines Schnittes x = konstant muß verschwinden. Wertet man den exemplarisch im Bild 5.27 angegebenen Schnitt aus, so bestätigt sich dies. Bei weiterer Laststeigerung auf λ = 1,33 sind die ange-sprochenen Normalkräfte immer noch vorhanden. Mit zunehmenden Verformungen (≈ h/2 = 9 cm) jedoch bauen sich die Druckkräfte ab, und es bilden sich Zugwirkun-gen aus. Diese sind für den Lastfaktor λ = 1,53 kurz vor Erreichen der Systemtraglast λ = 1,64 dargestellt. Auch hier muß selbstverständlich das Gleichgewicht der Nor-malkräfte über die Plattenbreite erfüllt sein, die Zugwirkungen werden durch einen äußeren Druckring in den Plattenaußenbereichen aufgenommen. Dieser Druckring ist ebenso im Bild 5.27 in den Plattenaußenbereichen erkennbar. Des weiteren sind im Bild 5.28 die Hauptdehnungen und im Bild 5.29 die Risse im Versagenszustand auf der Plattenober- und auf der Plattenunterseite angegeben. Man erkennt sehr schön den sich einstellenden Bruchmechanismus. Auf der Platten-unterseite erstrecken sich Fließzonen aus allen Ecken bis in die Feldmitte. Auf der Plattenoberseite liegt eine sehr lange Fließzone entlang der Einspannung vor, dar-über hinaus ist der Beton auf der Plattenunterseite an der Einspannung in weiten Be-reichen gebrochen. Durch die Ausbildung dieser Fließzonen hat sich eine kinemati-sche Kette eingestellt, die Last kann darüber hinaus nicht weiter gesteigert werden. Die Rißtiefen betragen in weiten Bereichen über 90 % der Plattendicke.

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Bild 5.27 Entwicklung der Normalkräfte n11 über die Laststeigerung

-50,58 kN/m

+68,81 kN/m

x = 4,13 m

n11 [kN/m]

λ = 1,04

n11 [kN/m]

λ = 1,53

x = 3,00 m

52,38 kN/m

-265,24kN/m

-600

-500

-400

-300

-200

-100

0

100

200

0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00 4,50 5,00 5,50

λ = 1,04

λ = 1,53

Symmetrieachse

x = 3,00 m

x = 4,13 m

5,50 m

7,00 m

n11 [kN/m]

λ = 1,33

Druckring w ≈ 8 cm ≈ h/2

Zugring

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Plattenoberseite ε1 Plattenoberseite ε2

Plattenunterseite ε1 Plattenunterseite ε2

S.A. S.A.

Werte in /000

S.A. S.A.

Bild 5.28 Hauptdehnungen im Versagenszustand λu = 1,64

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Plattenunterseite RissePlattenoberseite Risse

S.A.

Werte in % der Wanddicke

S.A.

Bild 5.29 Risse im Versagenszustand λu = 1,64 Die vorhandene Bruchfigur stimmt mit derjenigen kinematischen Kette qualitativ ü-berein, die bei einer Berechnung der Platte mit der Plastizitätstheorie angenommen wird. Diese kinematische Kette ist im Bild 5.30 für das untersuchte System nochmals vereinfacht dargestellt.

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FließbereicheA A

B

B

Schnitt A-AS

chni

tt B

-B

Bild 5.30 Kinematische Versagensfigur der Rechteckplatte In den folgenden Abschnitten wird für diese Platte der Einfluß der Materialparameter E-Modul und Zugfestigkeit sowie der Einfluß des Tension-Stiffening Ansatzes auf das Tragverhalten und die Traglasten untersucht.

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5.4.5 Einfluß des E-Moduls auf die Traglasten Für den E-Modul ist in den Traglastberechnungen des vorigen Abschnitts dessen Mit-telwert angesetzt worden. Es soll nun geklärt werden, welchen Einfluß eine Redukti-on des E-Moduls auf die Traglasten ausübt, denn bei der Quadratplatte aus Abschnitt 5.3 hat dieser eine wesentliche Rolle gespielt. Für die Berechnung wird nun der Re-chenwert des E-Moduls angesetzt, der sich aus der Druckfestigkeit wie folgt ergibt. EcR = 9500 · ( fcR ) 1/3 = 9500 · 21,25 1/3 = 26313 MPa Der Tangentenwert des E-Moduls wird noch mit dem Faktor 1,1 multipliziert. Im Bild 5.31 sind die Lastverformungskurven für die linear ermittelte Bewehrung dargestellt, im Bild 5.32 für die reduzierte Bewehrung.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12

Rechenwert EcR

Mittelwert Ecm

Bewehrung linearaso = 9,82 cm²/masu = 4,79 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,47

Lastfaktor λ

Durchbiegung im Feld [m]

StahlfließenFeld λ = 1,52

λ = 1,93

λ = 1,92

StahlfließenStütze λ = 1,43

StahlfließenFeld λ = 1,53

εsmu Feldλ = 1,65

Bruch Eckeλ = 1,68

Bruch Ecke / Stützeλ = 1,69

Erstriß Stützeλ = 0,24

Erstriß Feldλ = 0,50

εsmu Feldλ = 1,65

Bild 5.31 Traglastkurve mit reduziertem E-Modul, lineare Bewehrung

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0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10

StahlfließenStütze λ = 1,29

Rechenwert EcR

Mittelwert Ecm

Bewehrung reduziertaso = 6,54 cm²/masu = 4,19 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,34

εsmu FeldBruch Eckeλ = 1,41

Lastfaktor λ

Durchbiegung im Feld [m]

StahlfließenFeld λ = 1,36

StahlfließenFeld λ = 1,35

εsmu Feldλ = 1,41

λ = 1,64

λ = 1,60

Erstriß Stützeλ = 0,24

Erstriß Feldλ = 0,50

Bruch Eckeλ = 1,46

Bild 5.32 Traglastkurve mit reduziertem E-Modul, reduzierte Bewehrung

Es ist offensichtlich, daß der E-Modul bei diesem Plattentyp lediglich einen zu ver-nachlässigenden Einfluß auf die Traglasten und das Tragverhalten hat. Die System-versagenslasten stimmen gut überein, weiterhin werden die gleichen Versagenszu-stände durchlaufen, wobei auch die nach der Norm anzusetzende Grenzlast nicht wesentlich beeinflußt wird (λu =1,65 bzw. λu = 1,41). Der reduzierte E-Modul macht sich nur in der Anfangssteifigkeit der Lastverfor-mungskurve bemerkbar, die gegenüber derjenigen, die mit dem Mittelwert des E-Moduls berechnet worden ist, flacher geneigt ist.

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5.4.6 Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten Der Einfluß der Zugfestigkeit auf die Traglasten soll in diesem Abschnitt untersucht werden. Dazu wird eine reduzierte Zugfestigkeit angesetzt, die sich aus der rechneri-schen Betondruckfestigkeit über die Beziehung fctR = 0,3 · ( fcR ) 2/3 = 0,3 · 21,25 2/3 = 2,3 MPa ergibt. Im Bild 5.33 sind die Lastverformungskurven für die linear ermittelte Beweh-rung dargestellt, im Bild 5.34 für die reduzierte Bewehrung.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12

Rechenwert fctR

Mittelwert fctm

Bewehrung linearaso = 9,82 cm²/masu = 4,79 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,47

Lastfaktor λ

Durchbiegung im Feld [m]

StahlfließenFeld λ = 1,52

StahlfließenStütze λ = 1,45

StahlfließenFeld λ = 1,50

εsmu Feldλ = 1,65

Bruch Eckeλ = 1,68

Erstriß Stützeλ = 0,22 / 0,24

Erstriß Feldλ = 0,45 / 0,52

λ = 1,93

λ = 1,92

εsmu FeldBruch Eckeλ = 1,67

Bild 5.33 Traglastkurve mit reduzierter Zugfestigkeit, lineare Bewehrung

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0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10

Rechenwert fctR

Mittelwert fctm

Bewehrung reduziertaso = 6,54 cm²/masu = 4,19 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,34

Lastfaktor λ

Durchbiegung im Feld [m]

StahlfließenFeld λ = 1,36

εsmu Feldλ = 1,41

λ = 1,64

λ = 1,62

Bruch Eckeλ = 1,46

StahlfließenStütze λ = 1,24

StahlfließenFeld λ = 1,31

εsmu Feldλ = 1,42

Bruch Ecke / Stützeλ = 1,45

Erstriß Stützeλ = 0,22 / 0,24

Erstriß Feldλ = 0,45 / 0,52

Bild 5.34 Traglastkurve mit reduzierter Zugfestigkeit, reduzierte Bewehrung

Auch die Zugfestigkeit besitzt auf die Systemversagenslasten keinen Einfluß. Die Versagenszustände werden ebenfalls völlig analog durchlaufen. Das Reißen findet bei reduzierter Zugfestigkeit natürlich früher statt als bei den Berechnungen mit Mit-telwerten der Zugfestigkeiten. Ebenso tritt das Stahlfließen bei einem früheren Last-faktor ein. Durch die reduzierte Zugfestigkeit fallen auch die Steifigkeiten des Tensi-on-Stiffening Ansatzes (linear abfallende Gerade) geringer aus. Dadurch erhält der Bewehrungsstahl bei gleichen Laststufen größere Dehnungen, da die Mitwirkung des Betons auf Zug durch die reduzierte Zugfestigkeit nicht so steif ausfällt. Die nach Norm anzusetzende Grenzlast bei Betonbruch oder Erreichen von εsmu wird nicht we-sentlich beeinflußt. Bei Ansatz einer geringeren Zugfestigkeit werden die höheren Stahldehnungen dadurch kompensiert, daß ein höheres εsmu erlaubt ist, denn je ge-ringer die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen ist, desto größer fällt die Grenzdehnung εsmu aus. Je größer die Zugfestigkeit, desto größer ist auch die Erstrißspannung, desto stärker wird auch die Dehnungsminderung des Stahls durch den Beton nach dem Reißen.

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5.4.7 Einfluß des Tension-Stiffenings auf die Traglasten In diesem Abschnitt wird der Einfluß des Tension-Stiffenings auf die Traglasten un-tersucht. Dazu werden zwei unterschiedliche Ansätze gewählt. a) linear abfallende Gerade über die volle Zugzonenhöhe, jedoch Zug- festigkeit auf die Hälfte (1,3 MPa) und Tension-Stiffening Grenz- dehnung auf die Hälfte (1,25 0/00 ) reduziert b) Umrechnung der Spannungsdifferenz im Betonstahl nach dem Reißen auf eine Mitwirkungshöhe des Betons von h/5 (wirklichkeitsnahes σsr) ge- mäß Gleichung (2.10) Die Ergebnisse der Traglastuntersuchungen sind in den Bildern 5.35 und 5.36 darge-stellt, wobei den Berechnungen in beiden Fällen die lineare Bewehrung zugrunde ge-legt worden ist.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12

0,5 fctm , 0,5 εTST

Mittelwert fctm

Bewehrung linearaso = 9,82 cm²/masu = 4,79 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,47

StahlfließenStütze λ = 1,07

StahlfließenFeld λ = 1,20

εsmu Feldλ = 1,65

Bruch Eckeλ = 1,68

λ = 1,95

λ = 1,93

εsmu Feldλ = 1,72

StahlfließenFeld λ = 1,52

Bruch Stützeλ = 1,56εc = -3,1 0/00

Verlust TST (εc > 1,25 0/00)λ = 0,70

Erstriß Stütze λ = 0,12

Erstriß Feld λ = 0,20

Erstriß Stütze λ = 0,24

Erstriß Feld λ = 0,52

Durchbiegung im Feld [m]

Bruch Stützeλ = 1,60εc = -3,5 0/00

Bild 5.35 Traglastkurve mit reduziertem TST (fct und εTST), lineare Bewehrung

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0

0,5

1

1,5

2

0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 0,12

abf. Ast (ges. Zugzone)

Bewehrung linearaso = 9,82 cm²/masu = 4,79 cm²/m

StahlfließenStütze λ = 1,47

StahlfließenStütze λ = 1,17

StahlfließenFeld λ = 1,21

εsmu Feldλ = 1,65

Bruch Eckeλ = 1,68

λ = 1,95

λ = 1,93

εsmu Feldλ = 1,66

StahlfließenFeld λ = 1,52

Bruch Stützeλ = 1,55εc = -2,9 0/00

Erstriß Stütze λ = 0,24

Erstriß Feld λ = 0,50abf. Ast (3,80 cm ≈ h/5)

Durchbiegung im Feld [m]

Bruch Stützeλ = 1,64εc = -3,6 0/00

Bild 5.36 Traglastkurve mit reduziertem TST (heff aus σsr), lineare Bewehrung Bei einer Reduktion der Zugfestigkeit auf die Hälfte ihres Mittelwertes und gleichzeiti-ger Halbierung der TST-Grenzdehnung verstärkt sich der im vorangehenden Kapitel bei reduzierter Zugfestigkeit beschriebene Effekt nochmals. Durch diese erhebliche Abminderung der Zugfestigkeit wird natürlich auch die Erstrißspannung stark herab-gesetzt. Beim Reißen des Betons muß bei einer geringeren vorhandenen Zugfestig-keit weniger Zugkraft auf den Betonstahl umgelagert werden. Dadurch werden die nach DIN 1045 zulässigen Grenzdehnungen für εsmu jedoch erhöht, da ja das Mitwir-ken des Betons auf Zug zwischen den Rissen geringer ausfällt. Das Stahlfließen fin-det aufgrund größerer Stahldehnungen früher statt. Als Versagenskriterium wird noch vor Erreichen von εsmu der Betonbruch an der Stütze maßgebend. Die nach Norm anzusetzende Traglast unterschreitet diejenige mit Ansatz der vollen Zugfestigkeit um 5 %, falls der erste auftretende Bruch an der Stütze bei λ = 1,56 angenommen wird. Nutzt man die Grenzstauchung des Betons bis 3,5 0/00 aus, so ergibt sich eine Grenzlast von λ = 1,60. Die erreichten Systemtraglasten stimmen sehr gut überein, der Tension-Stiffening Ansatz hat keinen Einfluß auf die numerische Grenzlast. Bei einer Berechnung mit einem wirklichkeitsnäheren TST-Werkstoffgesetz (d.h. ab-fallender Ast, jedoch Berechnung einer Mitwirkungszone heff aus der Erstrißspannung σsr, so daß fct · heff · b ≈ σsr · As) treten ähnliche Effekte auf wie bei der Reduktion der Zugfestigkeit und der TST-Grenzdehnung auf jeweils die Hälfte ihrer Werte. Maßge-bend als Versagenskriterium für die Grenztragfähigkeit nach DIN 1045 wird der Be-

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tondruckbruch an der Stütze. Die numerische Systemtraglast bei Abbruch der Be-rechnung wird wiederum sehr gut erreicht (λ = 1,95), die normative Grenzlast beim ersten Auftreten des Bruches weicht jedoch um 6 % von der Berechnung mit dem ursprünglichen TST-Ansatz ab, wobei der Betonbruch an der Stütze maßgebend wird anstelle eines Erreichens der Grenzdehnung des Stahls. Auch hier kann die Grenz-stauchung des Betons bis 3,5 0/00 ausgenutzt werden, so daß als maßgebende nor-mative Traglast λ = 1,64 betrachtet werden kann. Probleme bei der Berechnung während der Gleichgewichtsiteration ergeben sich bei einem Lastfaktor von λ = 0,80 : Der Querschnitt im Feld reißt bis auf 80 % der Plat-tendicke in diesem Lastschritt auf (davor 20 % der Plattendicke), so daß die gesam-ten mittleren Fasern im Querschnitt auf Zug ausfallen und nur noch die in der Mitwir-kungszone angesetzten Betonfasern am Zugrand Spannungen übertragen. 5.4.8 Zusammenfassung der Ergebnisse für die Rechteckplatte mit horizontal

verschieblicher Lagerung der Plattenränder Zunächst muß festgehalten werden, daß bei der untersuchten Rechteckplatte bei al-len Berechnungen die numerische Grenzlast (Abbruch der Berechnung) in guter Ü-bereinstimmung erreicht worden ist. Das Versagen hat in allen Fällen durch die im Bild 5.30 dargestellte Bruchfigur stattgefunden: Es haben sich charakteristische Be-wehrungsfließzonen an der Stütze und im Feld ausgebildet, die eine kinematische Kette beschreiben. Die „Traglasten“ unter Beachtung der nach DIN 1045 E 12/98 [4] maßgebenden Versagenskriterien (Erreichen der Stahldehnung εsmu oder Betondruckbruch) stim-men ebenfalls gut überein für die Rechenläufe mit reduziertem E-Modul des Betons und reduzierter Betonzugfestigkeit. Bei einer Reduktion der Steifigkeiten des Tensi-on-Stiffening Gesetzes entweder über eine Reduktion der Zugfestigkeit auf ihre Hälf-te verbunden mit einer Reduktion der Grenzdehnung εTST oder über einen Ansatz des linear abfallenden Astes lediglich über h/5 vom äußeren Querschnittsrand aus verringern sich die nach Norm maßgebenden Grenzlasten um bis zu 6 %, wobei jetzt vor einem Erreichen von εsmu ein Betondruckbruch an der Stütze eintritt. Die Be-tonstauchungen an der Stütze dürfen bis 3,5 0/00 ausgenutzt werden, denn hier liegt eine einachsiale Beanspruchung vor. Der Ansatz des Tension-Stiffenings mit einem abfallenden Ast über die gesamte Zugzonenhöhe der Platte mit voller Zugfestigkeit ist nicht wirklichkeitsnah. Es hat sich aber gezeigt, daß der Tension-Stiffening Ansatz keinen Einfluß auf die System-versagenslasten hat. Die maßgebende normative Traglast wird ein wenig über-schätzt. Des weiteren wird bei Ansatz des linear abfallenden Astes über die gesamte

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Zugzonenhöhe das Kriterium Erreichen der kritischen Stahldehnung maßgebend an-stelle eines Betondruckbruches.

Bewehrungsstahl

Riß

Verbundspannungen

0,2

h

Bild 5.37 Hauptspannungstrajektorien zwischen zwei Rissen Hinsichtlich der Tension-Stiffening Modellierung für Platten besteht noch For-schungsbedarf: Der Ansatz von Tension-Stiffening als linear abfallende Gerade auf Betonseite über die volle Zugzonenhöhe mit voller Zugfestigkeit liefert zu steife Er-gebnisse. Ein Ansatz lediglich der unteren Fasern über h/5 liefert zwar realistische Steifigkeiten (Kapitel 2.3 Versuchsnachrechnung), erscheint aber verbesserungswür-dig, wenn man sich den Verlauf der Hauptspannungstrajektorien nach [21], der im Bild 5.37 dargestellt ist, vor Augen hält. Außerdem führt dies zu Problemen bei der Schnittgrößenermittlung durch Spannungsintegration über den Querschnitt. Ein Schritt in die richtige Richtung könnte der Ansatz eines linear abfallenden Astes auf Betonseite über die volle Zugzonenhöhe sein, wobei die Zugfestigkeit auf ihre Hälfte und die TST-Grenzdehnung auf die Hälfte der Stahldehnung reduziert werden, wie dies im Abschnitt 5.4.7 geschehen ist. Die Reduktion der Zugfestigkeit würde genau den Effekt des Spannungssprunges nach dem Reißen, der im Bild 2.9 dargestellt ist, wiedergeben, so daß auch auf diese Art und Weise realistischere Verformungen be-rechnet werden können. Die Lastverformungskurven der Bilder 5.35 und 5.36 decken sich gut.

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5.5 Vergleich des Tragverhaltens der vierseitig eingespannten Quadratplatte mit der Rechteckplatte Um die Tragverhalten der beiden unterschiedlichen Platten miteinander vergleichen zu können, werden auf den Querschnitt bezogene dimensionslose Schnittgrößen n und m verwendet, die die Größe der Membran- und Biegebeanspruchungen wieder-spiegeln sollen.

cdfhb

Nn⋅⋅

= (5.1)

cd

2 fhbMm

⋅⋅= (5.2)

Tabelle 5.2 Bezogene Schnittgrößenverhältnisse für die beiden Platten Diese sind für die beiden Platten für die Bemessungslast (λ = 1,0) in Tabelle 5.2 für den Feld- und den Stützquerschnitt dargestellt. Ein bezogenes Schnittgrößenverhält-nis von n/m = 0 liegt bei reiner Biegemomentenbeanspruchung vor (n = 0) , für eine reine Normalkraftbeanspruchung befindet sich der Grenzwert für n/m im Unendlichen (m = 0). Bei der Quadratplatte liegen sowohl für den Feld- wie auch für den Stützquerschnitt große Verhältnisse n/m im Gegensatz zu den Rechteckplatten vor. Dies bedeutet demnach, daß eine sehr hohe Beanspruchung durch Drucknormalkräfte hier auftritt.

Feld

Quadratplatte

Rechteckplatte

m

6,01·10-2 (90,2 kNm/m)

5,00·10-2 (27,0 kNm/m)

n

-6,83·10-2 (-341,5 kN/m)

-0,68·10-2 (-20,5 kN/m)

n/m

1,14

0,14

Stütze

Quadratplatte

Rechteckplatte

m

12·10-2 (177,9 kNm/m)

7,63·10-2 (41,2 kNm/m)

n

-10·10-2 (-501,5 kN/m)

-1,46·10-2 (-43,9 kN/m)

n/m

0,84

0,19

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Der Hauptteil der Belastung wird daher über das sich einstellende Druckgewölbe ab-getragen. Der Unterschied zur Rechteckplatte beträgt ungefähr eine Größenordnung (Faktor 10). Durch eine Abminderung des E-Moduls wird das Tragverhalten der vierseitig einge-spannten Quadratplatte stark beeinflußt. Das Druckgewölbe wird weicher und ent-zieht sich dem Lastabtrag. Die beiden Dehnungszustände, die in den jeweils letzten Lastschritten (mit Mittelwert und Rechenwert des E-Moduls) erreicht werden, sind nahezu identisch. Lediglich die aktivierten Druckkräfte fallen bei der Berechnung mit reduziertem E-Modul um ein beachtliches Maß geringer aus. Das Versagen der Quadratplatte geschieht über ein Versagen des Betons auf Druck an den einge-spannten Auflagern. Hier können keine Druckkräfte aus der Gewölbewirkung mehr abgesetzt werden. Die Abminderung des E-Moduls auf das Tragverhalten der Rechteckplatte wirkt sich im Gegensatz dazu nicht gravierend aus. Zum einen geht aus den bezogenen Schnittgrößenverhältnissen hervor, daß die Druckkräfte am Gesamtlastabtrag bei λ = 1,0 nur einen geringen Anteil besitzen, zum anderen werden diese bis zum System-versagen abgebaut. Ein weiterer Aspekt, um die Art des Lastabtrags zu beschreiben, ist die Traglastbe-rechnung ohne Bewehrung. Die Traglast der Quadratplatte ohne Bewehrung erreicht ungefähr 70 % derjenigen mit der angesetzten Bewehrung aus der Schnittgrößenite-ration. Dies bedeutet, daß die gesamte Last mit Einsetzen des Reißens im Feld bei λ = 0,60 bis zum Versagen λu = 1,73 über das Druckgewölbe abgetragen werden muß, wobei eine Laststeigerung nach dem Eintreten von Rissen im Feld auf das 2,9-fache möglich ist (λu / λRiß Feld = 1,73 / 0,60 = 2,9). Bei einer Berechnung der Rechteckplatte ohne Bewehrung stellt sich dies nicht ein. Die Last kann nur sehr geringfügig über die Rißlast im Feld (λ = 0,52) bis λ = 0,70 gesteigert werden (λu / λRiß Feld = 0,70 / 0,52 = 1,35). Diese Kennwerte sind in Tabelle 5.3 enthalten.

~

~

~

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Quadratplatte Rechteckplatte

λ Riß Stütze 0,20 0,24

λ Riß Feld 0,60 0,52

λu (as-nl) 2,51 1,64

λu (as = 0) 1,73 0,70

λu / λRiß Feld 2,90 1,35

~

~

Tabelle 5.3 Traglastberechnung ohne Bewehrung für die beiden Platten Das Auffinden von Gleichgewicht nach dem Reißen im Feld bei der Rechteckplatte ohne Bewehrung ist verbunden mit großen numerischen Problemen, wobei eine sehr grobe Genauigkeitsschranke für die Berechnung gewählt werden mußte, um über-haupt noch einen Gleichgewichtszustand aufzufinden, Der Systemkennwert λu / λRiß einer Platte gibt somit ebenfalls einen Anhaltspunkt, wie stark das Druckgewölbe am Gesamtlastabtrag nach dem Reißen an der Stütze und im Feld beteiligt ist. Je höher die Last der Platte ohne eingelegte Bewehrung nach dem Reißen gesteigert werden kann, desto stärker kann sich ein Druckgewölbe ausbilden, desto höher fällt somit das Verhältnis λu / λRiß aus. Die gesamte Laststei-gerung bis λu nach dem Reißen an der Stütze und im Feld bei einer Traglastberech-nung ohne Bewehrung geschieht also durch die beschriebenen Druckwirkungen und ist somit durch eine Abminderung des E-Moduls stark beeinflußbar. Die Hauptdehnungen ε1 und ε2 und die Rißbilder der Quadratplatte und Rechteckplat-te im letzten Lastschritt bei Erreichen der Traglast geben ebenso einen Aufschluß über das jeweilige Tragverhalten im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Bei der Quad-ratplatte ist in den Dehnungsplots (Bild 5.20) für ε1 auf der Plattenoberseite und ε2 auf der Plattenunterseite das Vorhandensein eines Druckgewölbes zu erkennen. Im Bereich der Momentennullpunkte liegen sowohl auf der Plattenober- wie auch auf der Plattenunterseite Druckdehnungen vor; diese Bereiche sind im Bild 5.20 markiert. Auf der Plattenoberseite liegen die maximalen Druckdehnungen in Plattenmitte vor, die sich zu den Auflagern hin abbauen und in Zugdehnungen übergehen. Auf der Plat-tenunterseite erkennt man in der Darstellung für die Hauptdruckdehnungen ε2, wie sich die Druckkräfte auf das Auflager abstützen und in den am stärksten beanspruch-ten Bereichen zu einem Betondruckversagen führen. Die Druckdehnungen ε2 neh-

~

~ ~

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men zur Feldmitte hin ab und gehen in Zugdehnungen über, denn die resultierende Gewölbedruckkraft wandert in den oberen Plattenbereich. Auch an den Risseplots für die Quadratplatte (Bild 5.19) wird die Gewölbetragwir-kung wiederum deutlich. Man erkennt, wie die Risse auf der Plattenunterseite in ihrer Rißtiefe von Feldmitte zum Auflager hin abnehmen und sich an der Einspannung auf der Plattenoberseite einstellen. Auffällig dabei ist, daß die Rißbereiche auf der Plat-tenober- und Unterseite nur in einem eng abgegrenzten Bereich zum eingespannten Eck hin zusammenfallen. Die Risse im Eckbereich verlaufen orthogonal zueinander und sind aufgrund der dort herrschenden Drillbeanspruchung entstanden. Die Rißtie-fen liegen in den meisten Bereichen zwischen 40 % und 70 % der Plattendicke, so daß zur Übertragung der Druckkräfte aus der Gewölbewirkung noch eine ausrei-chende Druckzonenhöhe verbleibt. Die Rißbilder auf Plattenober- und Unterseite be-einflussen sich also nicht, sondern die Rißtiefen bauen sich von Feldmitte her auf der Plattenunterseite systematisch auf Null ab und nehmen dann auf der Plattenobersei-te zum Auflager hin von Null an zu. Bei einer reinen Biegebeanspruchung lägen die Rißtiefen deutlich höher, außerdem würden sie nicht kontinuierlich anwachsen und abfallen, wie dies im vorliegenden Beispiel der Fall ist. Anders sieht der Dehnungs- und Rissezustand bei der Rechteckplatte aus (Bild 5.28 und Bild 5.29). Es liegen hier Zugdehnungen ε1 auf nahezu der gesamten Platteno-ber- und Plattenunterseite vor. Im Systemversagenszustand findet der Lastabtrag nicht über ein Druckgewölbe statt. Das Versagen der Rechteckplatte geschieht nicht durch einen Betonbruch in weiten Auflagerbereichen wie bei der Quadratplatte, so daß keine Druckkräfte aus der Gewölbewirkung auf die Auflager abgesetzt werden können. Vielmehr treten mit großen Verformungen Zugmembranwirkungen auf, und die Stützbewehrung beginnt von der Stützenmitte an zu reißen. Auffällig an den Hauptdehnungen ε1 der Rechteckplatte sind die ausgeprägten Fließbereiche auf der Plattenoberseite entlang des gesamten eingespannten Randes sowie auf der Plat-tenunterseite verlaufend von beiden Eckbereichen bis in die Plattenmitte. Die Last kann über diesen Zustand hinaus nicht weiter gesteigert werden, da sich aufgrund der vorhandenen Fließzonen und dem Beginn des Stahlreißens eine kinematische Kette ausgebildet hat. Der Verlauf der Hauptdruckdehnungen ε2 auf der Plattenober-seite entspricht demjenigen der Hauptzugdehnungen ε1 auf der Plattenunterseite. Auch hier sind die größeren Betondehnungen im Bereich der Bruchlinien erkennbar. Die Rißbilder der Rechteckplatte bei Erreichen der Traglast geben ebenso den sich einstellenden Versagensmechanismus deutlich wieder. Auf der Plattenoberseite ver-laufen die Risse entlang der Bruchlinie am eingespannten Rand, an der Plattenunter-seite entlang der Bruchlinien aus den beiden Plattenecken zur Feldmitte. Die Rißtie-fen betragen in sehr großen Bereichen zwischen 80 % und 100% der Plattendicke, was eine sehr stark eingeschnürte Betondruckzone zur Folge hat. In den Eckberei-chen laufen die Risse auch teilweise durch die gesamte Plattendicke.

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10,0

0 m 30

44

22

- Schnittgrößen für die Bemessungslast qd = 39,9 kN/m² (λ = 1,0)

Feld: MF = 90,2 kNm/m NF = -341,5 kN/m

C 25/30S 500 asSt = 12,83 cm²/m

asF = 4,36 cm²/m

mF = 5,1/253,0

102,902

3

⋅⋅ −

= 6,01·10-2 nF = 5,1/253,0

105,341 3

⋅⋅− −

= -6,83·10-2

mn

= 2

2

1001,61083,6

⋅⋅

= 1,14

(x = y = 5 m)

Stütze: MSt = -177,9 kNm/m NSt = -501,5 kN/m

mSt = 5,1/253,0

109,1772

3

⋅⋅ −

= 0,119 nSt = 5,1/253,0

105,501 3

⋅⋅− −

= -0,100

mn

= 119,0100,0

= 0,84

(x = 0 m, y = 5 m)

- Traglasten

(aus Schnittgrößeniteration)

10,00 m

u~λ = 1,73 ohne Bewehrung λu = 2,51 mit Bewehrung

Traglast ohne Bewehrung liegt sehr weit über der Rißlast im FeldVersagensform (ohne Bewehrung): Betondruckbruch Stütze

- Merkmale der Last- Verformungskurve

- kein ausgeprägtes Fließplateau nach Erreichen der Stahlstreckgrenze- Einflüsse der Zugfestigkeit und der unterschiedlichen TST-Ansätze

auf die Traglasten sind gering- Einflüsse der Zugfestigkeit und der unterschiedlichen TST-Ansätze

im Bemessungslastbereich (λ = 1,0) sind gering- großer Einfluß des E-Moduls auf die Traglast (Reduzierung des E-

Moduls um 22 % bewirkt Traglastminderung von 17 %)

- Lastabtrag - vornehmlich als Druckmembran (begünstigt durch die Wahl der Rand-bedingungen → starre Lagerung der Ränder gegen Verschiebung inPlattenebene)

FeldRiß

u~

λλ

= 60,073,1

= 2,9

Bild 5.38 allseitig eingespannte Quadratplatte: Ergebniszusammenfassung

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7,00

m 312

- Schnittgrößen für die Bemessungslast qd = 18,6 kN/m² (λ = 1,0)

Feld: MF = 27,0 kNm/m NF = -20,5 kN/m

C 25/30S 500 asSt = 6,54 cm²/m

asF = 4,19 cm²/m

mF = 5,1/2518,0

100,272

3

⋅⋅ −

= 5,00·10-2 nF = 5,1/2518,0

105,20 3

⋅⋅− −

= -6,83·10-3

mn

= 2

3

1000,51083,6

⋅⋅

= 0,14

(x = 2,06 m, y = 3,50 m)

Stütze: MSt = -41,2 kNm/m NSt = -43,9 kN/m

mSt = 5,1/2518,0

102,412

3

⋅⋅ −

= 7,63·10-2 nSt = 5,1/2518,0

109,43 3

⋅⋅− −

= -1,46·10-2

mn

= 2

2

1063,71046,1

⋅⋅

= 0,19

(x = 5,50 m, y = 3,50 m)

- Traglasten

(reduzierte Bewehrung)

5,50 m

u~λ = 0,70 ohne Bewehrung λu = 1,64 mit Bewehrung

Traglast ohne Bewehrung liegt nur geringfügig über Rißlast im FeldVersagensform ohne Bewehrung: Durchreißen an der Stütze

- Merkmale der Last- Verformungskurve

- ausgeprägtes Fließplateau nach Erreichen der Stahlstreckgrenze- Einflüsse der Zugfestigkeit und der unterschiedlichen TST-Ansätze

auf die Traglasten sind gering- Einflüsse der Zugfestigkeit und der unterschiedlichen TST-Ansätze

im Bemessungslastbereich (λ = 1,0) sind groß- E-Modul hat einen vernachlässigbaren Einfluß auf das Last-

Verformungsverhalten

- Lastabtrag - vorwiegend über Biegewirkungen, geringer Beitrag von günstigenDruckwirkungen, Druckwirkungen werden im Traglastbereichabgebaut, umschlagen in Zugmembran

3

18

FeldRiß

u~

λλ

= 52,070,0

= 1,35

Bild 5.39 einseitig eingespannte Rechteckplatte: Ergebniszusammenfassung

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Einen wesentlichen Einfluß auf die Ausbildung eines Druckgewölbes haben die ge-wählten Plattenrandbedingungen. Bei einer linearen Schnittgrößenberechnung müs-sen nur die Verschiebungen senkrecht zur Plattenmittelfläche v3 sowie die zugehöri-gen Verdrehungen w1 und w2 (Einspannungen) vorgegeben werden, da im Linearen die Normalkräfte und Biegemomente entkoppelt sind und sich nur ein reiner Biege-zustand einstellt. Bei einer nichtlinearen Berechnung müssen zusätzlich die Ver-schiebungen in der Plattenebene v1 und v2 sowie ihre Ableitungen vorgegeben wer-den. Die Wahl dieser Randbedingungen hat ebenfalls einen entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung eines Druckgewölbes und somit auf das Gesamttragverhalten der Platte. Bei einer Festhaltung von v1 und v2 können sich die Druckkräfte bevorzugt auf die Auflager absetzen. Diese Randbedingungen v1 und v2 sind bei der untersuchten Quadratplatte im Gegensatz zu der Rechteckplatte gesetzt. In den Bildern 5.38 und 5.39 sind die Unterschiede im Tragverhalten der Quadratplat-te und der Rechteckplatte zusammengefaßt. 5.6 Zusammenfassung, Fazit der Plattenberechnungen Die Auswirkungen der physikalischen Nichtlinearität des Stahlbetons auf das Trag-verhalten von zweiachsig gespannten Stahlbetonplatten sind anhand von zwei An-wendungsbeispielen untersucht worden. Dabei hat sich ein völlig unterschiedliches Tragverhalten und letztendlich auch eine völlig unterschiedliche Versagensart einge-stellt, was in erster Linie auf die angesetzten Randbedingungen zurückzuführen ist. Auch die unterschiedlichen Auswirkungen einer Reduktion des E-Moduls auf die Traglasten und das Tragverhalten sind darauf zurückzuführen. Der Neuentwurf der DIN 1045 [3], [4] sieht ein nichtlineares Nachweiskonzept vor, das auch auf Plattentragwerke angewendet werden darf. Dabei ist ein globaler Si-cherheitsfaktor gegenüber einem Systemversagen von mindestens γR = 1,3 einzuhal-ten. Für die Druckfestigkeit des Betons und die Streckgrenze des Stahls sind der Traglastberechnung die in DIN 1045 definierten Rechenwerte zugrunde zu legen.

fcR = 0,85 · α · fck ≈ ckf5,13,1

⋅α⋅ α = 1,0 [3a], [3b] α = 0,85 [4]

fyR = 1,10 · fyk ≈ ykf15,13,1

Über weitere Materialwerte ist keine Aussage vorhanden. Aus den durchgeführten Untersuchungen können jedoch folgende Empfehlungen gegeben werden:

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E-Modul: Der Nachweis der Tragsicherheit im Rahmen des nichtlinearen Nachweiskonzepts nach dem Neuentwurf der DIN 1045 könnte mit dem Rechenwert des E-Moduls ge-führt werden. Dieser ergibt sich aus der Rechenfestigkeit nach folgender Beziehung:

( ) 31

cRcR f9500E ⋅= (5.3) Dadurch ist für die Anwendung eines zweiachsialen Stoffgesetzes für Stahlbeton, wie es bei Plattentragwerken zum Einsatz kommt, gewährleistet, daß E-Modul und Druckfestigkeit des Betons in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Der ungünstige Einfluß einer Traglastminderung bei Lastabtrag über eine Druckmembran bis zum Versagenszustand ist somit ebenfalls eingefangen, in den übrigen Fällen hat eine Reduktion des E-Moduls offensichtlich keinen Einfluß auf die Traglasten. Zugfestigkeit: Die Zugfestigkeit kann im Rahmen dieses Konzeptes wahlweise mit ihrem Mittelwert oder Rechenwert angesetzt werden, denn sie übt offensichtlich keinen Einfluß auf die Traglasten von Platten aus. Ansatz des Tension-Stiffenings auf Betonseite Der Einfluß des Tension-Stiffenings auf die Endtraglast ist vernachlässigbar. Hier kann vereinfachend mit einem abfallenden Ast auf Betonseite gerechnet werden. Nach dem Neuentwurf der DIN 1045 ist der Grenzzustand der Tragfähigkeit eines Systems jedoch erreicht, wenn entweder die kritische Stahldehnung εsmu überschrit-ten ist oder ein Betondruckbruch auftritt. Eine mögliche Laststeigerung über diesen maßgebenden Zustand hinaus darf nicht angesetzt werden. Aus diesem Grunde wird für den Ansatz des Tension-Stiffenings empfohlen, die Mitwirkungszone des Betons über die errechnete Erstrißspannung σsr zu bestimmen und nur innerhalb dieser den abfallenden Ast zu berücksichtigen, um die einzuhaltenden Versagenszustände nach DIN 1045 möglichst wirklichkeitsnah zu erfassen. Diese Mitwirkungszone beträgt bei reiner Biegung aus einer näherungsweisen Bestimmung der Erstrißspannung heff = h/5. Als weitere Möglichkeit besteht der Ansatz einer reduzierten Zugfestigkeit über die volle Zugzonenhöhe, wenn man sich Bild 5.37 vor Augen hält. Die Zugfestigkeit muß dabei so reduziert werden, daß die Erstrißspannung nach dem Reißen wirklich-keitsnah erfaßt wird (siehe Erläuterungen Abschnitt 2.3.4, Bild 2.9).

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Ansatz von horizontalen Randbedingungen Bei den Untersuchungen an den beiden Plattentypen hat sich gezeigt, welch großen Einfluß die gewählten horizontalen Lagerungsbedingungen auf das physikalisch nichtlineare Tragverhalten von Stahlbetonplatten haben, wohingegen diese bei einem linearen Tragverhalten ohne Berücksichtigung des Aufreißens überhaupt keine Rolle spielen. Es ist stets darauf zu achten, daß die angesetzten Randbedingungen in der Realität überhaupt vorhanden sind. Eine konservative Abschätzung ist die generelle Annahme einer horizontal verschieblichen Lagerung der Plattenmittelfläche. Auch hierzu müßte der Neuentwurf der DIN 1045 Stellung nehmen, um unsachgemäßen Annahmen von Randbedingungen vorzubeugen und auf die gravierenden Effekte hinzuweisen. Das Konzept der Schnittgrößeniteration ist für die Anwendung auf Plattentragwerke eine Alternative. Während die Biegemomente sich gegenüber der linearen Lösung ändern, erfolgt jedoch die Bewehrungsreduzierung zum größten Teil durch die Akti-vierung von Druckkräften nach dem Reißen, die günstige Auswirkungen auf das Be-messungsergebnis haben. Dieser Effekt tritt auch bei zweiachsig gespannten Platten mit horizontal verschieblicher Lagerung auf. Das Bemessungsergebnis ist daher vom Lastniveau abhängig, auf dem die Schnittgrößeniteration durchgeführt wird. Auch Kriechen und Schwinden werden somit einen Einfluß auf die bemessungsrelevanten Normalkräfte und somit auf das Bemessungsergebnis haben. Außerdem wird in [20] angemerkt, daß die Druckmembranwirkungen bei der Bemessung nicht ausgenutzt werden sollten. Es wäre durchaus denkbar, die Bemessung im Rahmen der Schnittgrößeniteration unter Vernachlässigung der Drucknormalkräfte nur mit nichtlinear ermittelten Biege-momenten durchzuführen. Damit wird lediglich ausgenutzt, daß sich die Momen-tenspitzen, wie sie bei den Stützmomenten auftreten, reduzieren und der Verlauf völ-liger wird (Bild 5.16, Bild 5.25), da jetzt Nachbarbereiche stärker aktiviert werden. Eventuell könnten dann für die Berechnung von Platten zur nichtlinearen Schnitt-größenermittlung einfachere Elemente als die hochwertigen ROSH-Schalenelemente [5] mit Betonschichtenmodell zum Einsatz kommen. Eine Möglichkeit wäre die Ver-wendung von Plattenelementen, deren Werkstoffgesetz auf Momenten-Krümmungsbeziehungen basiert, wodurch die Rißbildung und somit der Steifigkeits-verlust des Betons vereinfacht berücksichtigt würde. Beim nichtlinearen Nachweis mit Traglastkonzepten, wie sie die Neuentwürfe der DIN 1045 vorschlagen, sollen dagegen konsequent Systemreserven ausgenutzt wer-den. Allerdings sind die derzeit vorgesehenen rechnerischen Begrenzungen der Traglast für Plattentragwerke (Betonbruch oder Erreichen der mittleren Stahldehnun-gen) kritisch zu betrachten. Von einem Betondruckbruch in einem engen Bereich wird die Tragfähigkeit einer Platte kaum beeinträchtigt, die Beanspruchung wird einfach

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um die betreffende Stelle herum geleitet [9]. Dieser Effekt wird vor allem am Beispiel der vierseitig eingespannten und horizontal unverschieblichen Platte deutlich. Die Systemtraglast bei Versagen des gesamten Auflagerbereiches liegt um einiges höher als das Auftreten des ersten Betondruckbruches an der Stütze (Bild 5.17). Des weiteren muß die Stahldehnungsbegrenzung auf εsmu, wie sie derzeit in der DIN 1045 vorgesehen ist, kritisch hinterfragt werden. Durch die Begrenzung dieser mittle-ren Stahldehnung soll gewährleistet werden, daß die maximale Stahldehnung im Riß 25 0/00 nicht überschreitet. In [26] werden Ergebnisse von Untersuchungen über die Mitwirkung des Betons auf Zug im Stahlfließbereich vorgestellt. Dabei wird der Be-tonstahl in drei Duktilitätsklassen unterteilt. In die Klasse A des Betonstahls mit hoher Duktilität fällt Betonstabstahl. Das Verhältnis Zugfestigkeit zu Streckgrenze beträgt für diesen Stahl ft / fy = 1,08, die kritische Stahldehnung beträgt εsu = 50 % (5%-Fraktilwerte). Nach [26] beträgt das Verhältnis von εsmu / εsu für den hochduktilen Be-tonstahl der Klasse A 0,6. Dies bedeutet, daß die mittleren Stahldehnungen für die-sen Stahl bis zu 0,6 · 50 = 30 0/00 ausgenutzt werden könnten. Die Neuentwürfe der DIN 1045 sollten bei der Anwendung nichtlinearer Verfahren diese Unterscheidung zwischen normalduktilem und hochduktilem Betonstahl machen, die bisher gültigen Grenzwerte für εsmu liegen zwischen 10 0/00 und 20 0/00 und erscheinen zu niedrig an-gesetzt. Weiterhin ist zu hinterfragen, ob für Plattentragwerke nicht diejenige Last als Systemtraglast anzusetzen ist, ab der das Tragverhalten in eine Zugmembran um-schlägt, oder diejenige Last unter Berücksichtigung eines höheren Sicherheitsfaktors, ab der keine weitere Laststeigerung mehr erfolgen kann. Denn ein einzelnes Quer-schnittsversagen (Betonbruch oder Stahldehnung) bedeutet noch kein Systemversa-gen für ein Flächentragwerk [9] und scheint deswegen zweifelhaft.

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6. Nichtlineares Tragverhalten von Kühlturmschalen aus Stahlbeton und dessen Auswirkungen auf die sichere und dauerhafte Tragwerksausle-gung

6.1 Allgemeines Nachdem im Kapitel 5 ausführlich das nichtlineare Tragverhalten von Stahlbetonplat-ten und die Anwendung der nichtlinearen Dimensionierungskonzepte erläutert wor-den ist, soll in diesem Kapitel zum Abschluß das nichtlineare Tragverhalten von Kühl-turmschalen im Hinblick auf eine sichere (Tragfähigkeit) und dauerhafte (Gebrauchs-tauglichkeit, im wesentlichen Rißbreiten) Tragwerksauslegung untersucht werden. Bei einem Tragwerksneuentwurf werden die im Bild 6.1 dargestellten Entwurfsschrit-te [32] abgearbeitet.

Bild 6.1 Schritte der Entwurfsbearbeitung bei Kühltürmen Die Hauptbeanspruchung der Kühlturmschale erfolgt durch Wind sowie durch Tem-peratur (Temperatur beim Betrieb oder einseitige Sonneneinstrahlung). Der Wind er-zeugt im Luv-Meridian θ1 ≈ 0° große Meridianzugkräfte. Die aus der Lastfallkombina-tion g + 1,75 w resultierende Hauptspannungsverteilung σ1 ist im Bild 6.2 für die Schalenaußenseite eines Kühlturms exemplarisch dargestellt.

- Beulsicherheit -

Stabilität

Festlegung der Schalenwanddicke

- Schnittgrößen -

Lineare Statik Nichtlineare Statik

Festlegung der Bewehrung (Querschnittsbemessung)

- Dehnungen -

Lineare Statik Nichtlineare Statik

Rißbreiten

- Traglast -

Nichtlineare Statik

Systemsicherheit

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Bild 6.2 Hauptspannungen σ1 auf der Schalenaußenseite Die großen Meridianzugkräfte infolge Wind bewirken hohe Meridianzugspannungen im Luv-Bereich. Mit einer linearen Berechnung werden diese Spannungen zu hoch berechnet. Es treten rechnerische Betonzugspannungen auf, die oberhalb der Zug-festigkeit liegen. Im rechten Teil des Bildes ist die entsprechende Spannungsvertei-lung dargestellt, die mit einer nichtlinearen Analyse berechnet worden ist. An keiner Stelle treten höhere Spannungen als die Zugfestigkeit des Betons von 2,7 MPa in diesem Fall auf. Die Zugkräfte verlagern sich in den Flankenbereich. Gegenüber ei-ner linearen Schnittgrößenberechnung reduzieren sich die Meridianzugkräfte im Nichtlinearen, und es treten zusätzliche Ringbiegemomente im oberen Schalenbe-reich auf. Diese Effekte führen zu einer für Kühlturmschalen typischen Umverteilung der Bewehrungsmengen bei einer Bemessung mit nichtlinear ermittelten Schnitt-größen, die im Bild 6.3 qualitativ dargestellt ist (Verringerung der Meridianbewehrung im unteren Schalenbereich und Vergrößerung der Ringbewehrung) [11].

1,75 w

θ1 θ1

linear nichtlinear

schwarze Bereiche: σc > fct σc ≤ fct an jeder Stelle

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Bild 6.3 Bewehrungsumverteilung linear – nichtlinear Ein weiterer Grund für die Anwendung von nichtlinearen Verfahren bei der Schnitt-größenermittlung im Rahmen der Nachweisschritte gemäß Bild 6.1 sind Beanspru-chungen infolge Zwang. Bei Zwang wie z.B. Temperatur im Betriebsfall oder Son-neneinstrahlung hängen die Schnittgrößen direkt von den vorhandenen Steifigkeiten ab. Durch das Aufreißen des Betons werden die Steifigkeiten reduziert, so daß Zwangsbeanspruchungen geringer ausfallen. Die BTR [30], [31] sieht für die lineare Schnittgrößenermittlung infolge Zwang einen pauschalen Abminderungsfaktor von 0,75 für die Steifigkeiten vor. Bei einer nichtlinearen Schnittgrößenermittlung liegen die wirklichkeitsnahen Steifigkeiten direkt vor, so daß die Beanspruchungen direkt mit den vorliegenden Steifigkeiten wirklichkeitsnah berechnet werden.

Ringbewehrung as1 Meridianbewehrung as2

Höhe Z Höhe Z

nichtlinear

linear

nichtlinear

linear

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nichtlinear

linear

LF 1,75 ( g + w + tb)

Ringbiegemomente m11

Höhe Z

Meridianbiegemomente m22

Bild 6.4 Biegemomentenverteilung im Luv-Meridian θ1 = 0° Im Bild 6.4 sind qualitativ die Biegemomentenverteilungen im Luv-Meridian θ1 = 0° eines Kühlturms für den Lastfall 1,75 ( g + w + tb) aufgetragen [32], wobei tb die rota-tionssymmetrische Differenztemperatur aus Betrieb zwischen der Schaleninnen- und Schalenaußenseite ist. Man erkennt, daß die Biegemomente und dabei vor allem die Meridianbiegemomente m22 drastisch abnehmen. Die Begründung dafür liegt in der Rißbildung im Luv-Meridianbereich, die vornehmlich aus der Windbeanspruchung herrührt. Direkt proportional zu diesen Steifigkeiten stellen sich die Beanspruchungen aus Temperatur ein. Die nichtlineare Schnittgrößenberechnung liefert für Zwangsbe-anspruchungen wirklichkeitsnähere Schnittgrößen und führt aus diesem Grunde zu realistischeren Bemessungsergebnissen. Des weiteren werden nichtlineare Strukturanalysen auch zur Beurteilung der Ge-brauchstauglichkeit eingesetzt. Von wesentlicher Bedeutung ist die Bestimmung der Rißbreiten. Die Rißweiten ergeben sich aus dem Produkt der Rißabstände und der mittleren Stahldehnung. Die Bestimmung der Rißabstände erfolgt über empirische Beziehungen, die in den einschlägigen Normen des Stahlbetonbaus festgelegt sind [2], [3]. Die mittleren Stahldehnungen sind ein direktes Ergebnis der nichtlinearen Berechnung, so daß mit diesen der Nachweis der Rißbreiten geführt werden kann. Im Bild 6.5 ist der Verlauf der Rißbreiten für den Lastfall g + 0,7w + t über die Scha-

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Schalenhöhe eines Kühlturms qualitativ dargestellt. Bei der linearen Berechnung sind die Steifigkeiten für die Beanspruchung aus Temperatur auf 0,75 abgemindert. Die Rißbreiten und somit die Stahldehnungen fallen bei einer linearen Berechnung gerin-ger aus. Die so mit linearen Verfahren berechneten Rißbreiten unter Annahme einer auf 75 % abgeminderten Steifigkeit für Temperaturbeanspruchung stellen nicht konservative Ergebnisse dar [11], [33].

0,25 mm

wk1NL

wk1L

σ11σ11

wk2NL

wk2L

0,25 mm

σ22

σ22

Bild 6.5 Rißbreiten: lineare / nichtlineare Berechnung Anhand der dargestellten qualitativen Ergebnisse sollten die Dimensionierungsschrit-te der Schnittgrößenermittlung für die Tragsicherheit und der Dehnungsermittlung für die Gebrauchstauglichkeit (Rißbreiten) mit nichtlinearen Analysen durchgeführt wer-den, obwohl grundsätzlich hierzu auch lineare Verfahren vorgesehen sind. Mit nicht-linearen Verfahren werden jedoch realitätsnähere Ergebnisse für die Dehnungen und Schnittgrößen erzielt. Den letzten Dimensionierungsschritt aus Bild 6.1 stellt die Traglastberechnung dar. Damit wird das Sicherheitsniveau für das Versagen der Ge-samtstruktur überprüft. Es wird also eine geschlossene nichtlineare Vorgehensweise für sämtliche Dimensionierungsschritte angestrebt:

Schnittgrößenermittlung, Bemessung, Rißbreiten, Traglast

Rißbreiten in Ringrichtung wk1

Höhe Z Höhe Z

Rißbreiten in Meridianrichtung wk2

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In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die Ergebnisse der durchge-führten numerischen Untersuchungen dargestellt und erläutert. Dabei sollen beson-ders die Auswirkungen des physikalisch nichtlinearen Materialverhaltens sowie der Einfluß von Materialgrößen auf das gesamte Tragverhalten und somit auf die Ände-rung und Umverteilung der Bewehrungsmengen erläutert werden. Die Untersuchun-gen werden an den Naturzugkühltürmen des Kohlekraftwerks „Schwarze Pumpe“ durchgeführt, die vor kurzer Zeit in den neuen Bundesländern fertiggestellt worden sind. 6.2 Nichtlineares Tragverhalten von Kühlturmschalen aus Stahlbeton am

Beispiel der Kühltürme des Kraftwerks Schwarze Pumpe 6.2.1 System und Abmessungen Im Bild 6.6 sind die Hauptabmessungen der Kühlturmschalen des Kraftwerks Schwarze Pumpe dargestellt. Es handelt sich dabei um Naturzugkühltürme mit einer Höhe von insgesamt 144 m, einem Basisdurchmesser von 106 m und einem Durch-messer in Höhe der Taille von 61 m. Die Wandstärke des Kühlturms beträgt in den meisten Bereichen lediglich 18 cm; es liegt eine sehr hohe Schlankheit vor. Die Kühl-türme besitzen im unteren Schalenbereich jeweils zwei Öffnungen zur Einleitung von Rauchgasen, die jedoch im Bild 6.6 nicht dargestellt sind. Die verwendeten Rechen-modelle vernachlässigen diese Öffnungen, so daß die Ergebnisse nur für den Nor-malbereich der Schale gelten. Für die Bemessung des Störbereichs der Rauchgas-einleitungen sind Sonderuntersuchungen erforderlich, auf die hier nicht näher einge-gangen werden soll. Die Kühlturmschale setzt sich aus zwei Teilschalen oberhalb und unterhalb der Taille zusammen. Beide Schalen sind Rotationshyperboloide; die Meridiankurven lassen sich durch die Beziehung (6.1) beschreiben:

2

00 B

ZZ1AR)Z(R ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −

+⋅+= (6.1)

Für den Schalenbereich oberhalb und unterhalb der Taille gelten nun unterschiedli-che Parameter A, B und R0 . Z0 ist in Gleichung (6.1) die Höhenkoordinate der Taille. Parameter für den Schalenbereich unterhalb der Taille ( 0 m ≤ Z ≤ 101,70 m ) R0 = -25,82 m A = 56,481 m B = 114,923 m Z0 = 101,70 m

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Parameter für den Schalenbereich oberhalb der Taille ( 101,70 m ≤ Z ≤ 133,70 m ) R0 = 29,86 m A = 0,799 m B = 13,668 m Z0 = 101,70 m

14

4,00

m

101,

70 m

0,85 mZ = 0,00 m

Z = 20,00 m

Z = 101,70 m

Z = 133,70 m

31,895 m

R (Z)

32,0

0 m

10,3

0 m

53,005 m

49,600 m

Z

30,660 m

0,18 m

Bild 6.6 Geometrie Kühlturm „Schwarze Pumpe“ An ihrem unteren Rand lagert die Kühlerschale auf einem Stützenfachwerk. Dieses besteht aus 36 V-Stützenpaaren, die über den Umfang um jeweils 10° versetzt sind. Die Stützen wiederum sind an ihrem Fußpunkt in 36 Einzelfundamenten einge-spannt. Die Aussteifung der Schale an ihrem oberen Rand erfolgt über ein Randglied, das als U-förmiger Trog ausgebildet ist.

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6.2.2 Materialdaten und Rechenmodell Nachfolgende Materialwerte sind zunächst für die nichtlinearen Berechnungen ange-setzt worden. Für die Kühlerschale liegt ein Beton der Güteklasse B 35 vor. Betonwerkstoffparameter B 35: ρ = 2,5 t / m³ (Rohdichte) Ec0 = 34000 MPa (Elastizitätsmodul) ν = 0,20 (Querdehnzahl) fc = 35 MPa (Betondruckfestigkeit) fct = 2,7 MPa (Betonzugfestigkeit) Das Tension-Stiffening wird über einen linear abfallenden Ast über die volle Zugzo-nenhöhe angesetzt (Kapitel 2). Dies ist gerechtfertigt, da große Bereiche unter über-wiegender Zugbeanspruchung (Luv-Bereich bei Windbeanspruchung) stehen, so daß die effektive Höhe pro Bewehrungslage gleich der halben Schalenwanddicke beträgt. Die Grenzdehnung für das Tension-Stiffening Gesetz ist zunächst mit 2,5 0/00 festge-legt worden; dies entspricht der Fließdehnung des Bewehrungsstahls. Für das Stützenfachwerk liegt ein Beton B45 vor. Es werden jedoch für diese Ele-mente lediglich geometrische Nichtlinearitäten berücksichtigt, so daß hierfür als Ma-terialparameter nur der E-Modul von 37000 MPa von Interesse ist. Als Betonstahl kommt ein BSt 500 S zum Einsatz. Dessen Materialparameter sind im folgenden aufgeführt, wobei keine Verfestigung nach Erreichen der Streckgrenze be-rücksichtigt wird. Werkstoffparameter BSt 500 S: Es0 = 200000 MPa Esv = 0 MPa fy = 500 MPa εu = 20 0/00

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Bild 6.7 Diskretisierung Kühlturm „Schwarze Pumpe“

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Im Bild 6.7 ist die Diskretisierung dargestellt, die den Berechnungen zugrunde liegt. Es wird nur eine Hälfte des Kühlturms betrachtet. In den Symmetrieachsen θ1 = 0° und θ1 = 180° sind die entsprechenden Symmetrierandbedingungen gesetzt worden. Die numerischen Berechnungen sind alle mit dem Programmsystem ROSHE3 [5] er-folgt, wobei folgende Elemente zum Einsatz kommen (siehe auch Tabelle 3.1) Stützen: 36 Balkenelemente BEAM12 normaler Schalenbereich 306 Schalenviereckselemente ROSH48 Übergangsbereiche 216 Schalendreieckselemente ROSH36 oberes Randglied 36 Bogenelemente ARCUS Die Schalenviereckselemente sind bereits für die Plattenberechnungen des Ab-schnitts 5 zum Einsatz gekommen. Über die Kühlturmhöhe sind 17 Elementreihen der Schalenviereckselemente verwendet worden, der halbe Umfang ist mit 18 Scha-lenviereckselementen diskretisiert worden, so daß in Umfangsrichtung alle 10° ein Element vorliegt. 6.2.3 Lastfallkombinationen Folgende Lastfallkombinationen werden bei den Untersuchungen im Hinblick auf die Bemessung betrachtet. Dabei ist anzumerken, daß die Grundlage der derzeitig gülti-gen BTR [31] die alte DIN 1045 [1] ist, so daß noch das „alte Sicherheitskonzept“ mit Verwendung eines globalen Sicherheitsfaktors zur Anwendung kommt. a) g + 1,75 w* b) 1,75 (g + w*) + tb b) 1,75 (g + w*) + ts g Eigengewicht w Winddruck ( Zone II ) w* erhöhter Winddruck ( 1,25 w ) tb Temperaturdifferenz infolge Betrieb (rotationssymmetrisch) ts Temperaturdifferenz infolge Sonneneinstrahlung Das Eigengewicht ist über die Schalenwandstärke und die Rohdichte des Betons ρ = 2,5 t / m³ definiert. Als Windlast ist die Windlastzone II nach [30] angesetzt worden. Die Temperaturdifferenz aus einseitiger Sonneneinstrahlung verläuft über die Höhe konstant mit 25 K und in Umfangsrichtung cosinusverteilt gemäß der Beziehung (6.2).

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⎩⎨⎧ °≤θ≤°−θ⋅

=9090für

K0ansonsten)cos(K25t

11

s (6.2)

Tabelle 6.1 Temperaturbeanspruchung tb aus Betrieb Weiterhin werden Traglastanalysen mit der Lastkombination g + λ · w* durchgeführt. Dadurch wird Aufschluß über das vorhandene Sicherheitsniveau ge-wonnen. Das Eigengewicht wird nicht mitgesteigert, denn dieses entlastet die Be-wehrung maßgeblich. Das gleiche Argument kommt auch bei der Bemessung mit der Lastkombination a) zum Tragen. 6.2.4 Nichtlineares Tragverhalten für LF g + 1,75 w* Für die vorgestellte Kühlerschale wird im folgenden die Änderung des Tragverhaltens bei Berücksichtigung der physikalischen Nichtlinearität (im wesentlichen ist an dieser Stelle das Aufreißen des Betons zu nennen) gegenüber dem linearen Tragverhalten erläutert. Die Berechnungen sind zunächst mit der mittleren Zugfestigkeit von fct = 2,70 MPa durchgeführt worden. Der Einfluß der Zugfestigkeit auf das Gesamttrag-verhalten wird nicht unerheblich sein, wie an späterer Stelle in diesem Kapitel gezeigt werden wird. Alle dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Lastfallkombination g + 1,75 w*. Bei der nichtlinearen Berechnung wird zunächst das Eigengewicht auf-gebracht; ausgehend von diesem Zustand wird danach die Windlast bis zu dem Last-faktor von λ = 1,75 gesteigert. Es sei noch angemerkt, daß im folgenden nur für die Schalenviereckselemente (siehe Bild 6.7) die Ergebnisse dargestellt sind. Der untere und obere Störbereich, der mit Dreieckselementen zum Übergang auf die Stützen bzw. den oberen Ringbalken abgebildet worden ist, wird nicht betrachtet.

Z [m] 0 2,5 5,0 7,5 10,0 tb [K] -36,33 -33,76 -30,57 -27,53 -26,08

Z [m] 15,0 20,0 130,0 132,2 tb [K] -26,08 -21,15 -21,15 -26,84

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m11

1,75 w*

Risse ausMeridianzugkraft n22

Risse aus Ring-biegemoment m11

Bild 6.8 Rißverteilung und Rißtiefen Schalenaußenseite, nichtlin. Berechnung

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1,75 w*

Risse ausMeridianzugkraft n22

Bild 6.9 Rißverteilung und Rißtiefen Schaleninnenseite, nichtlin. Berechnung

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In den Bildern 6.8 und 6.9 sind die mit nichtlinearen Analysen ermittelten Rißvertei-lungen auf der Schalenaußen- und Schaleninnenseite dargestellt. Man erkennt hier zwei Rißbereiche: Die Windbelastung erzeugt im Luv-Bereich große Meridianzugkräf-te, die ein Reißen der Kühlturmschale im Bereich von θ1 < 30° zur Folge haben. Die-se Horizontalrisse laufen durch die gesamte Schalenwand hindurch und sind die Fol-ge aus der zentrischen Zugbeanspruchung. Im Bereich der Taille treten bei einem Umfangswinkel von θ1 ≈ 60° weitere Risse auf, deren Richtung diesmal senkrecht verläuft. Ihre Rißtiefe beträgt bis zu 50 % der Schalenwandstärke, die Risse sind nur auf der Schalenaußenseite zu erkennen. Sie sind durch ein Ringbiegemoment m22 entstanden, das im Bild 6.8 eingezeichnet ist. Dieses erzeugt in dem genannten Be-reich Zugspannungen auf der Außenseite, die letztendlich zum Aufreißen des Betons führen, und Druckspannungen an der Schaleninnenseite. Im Bild 6.10 ist die Änderung der Hauptspannungen σ1 vom linearen zum nichtlinea-ren Zustand für die Schalenaußen- und Schaleninnenseite dargestellt. Man erkennt wieder den Abbau der Meridianzugbeanspruchungen im Luv-Bereich. Bei der linea-ren Berechnung, bei der für die Spannungsberechnung das Hookesche Gesetz mit unbegrenzter Zugfestigkeit des Betons angewendet wird, tritt eine maximale rechne-rische Hauptspannung σ1 von 4,81 MPa auf, die natürlich bei weitem die Zugfestig-keit des Betons überschreitet. Man erkennt bei der nichtlinearen Spannungsermitt-lung die Reduzierung der Hauptzugspannungen auf σ1 = 2,70 MPa, die genau der angesetzten Zugfestigkeit entspricht. Die maximalen Meridianzugspannungen der Kühlturmschale verlagern sich vom Meridian θ1 = 0° weiter in die Flankenbereiche θ1 = 20° - 30°. Im oberen Bereich der Schale zwischen θ1 = 40° und θ1 = 80° sind wie-der auf der Schalenaußenseite horizontale Zugwirkungen zu erkennen, die aus den erwähnten aktivierten Ringbiegewirkungen herrühren. Auf die Darstellung der zuge-hörigen Hauptdruckspannungen σ2 wird hier verzichtet. Im Bild 6.11 sind in entsprechender Weise korrespondierend zu Bild 6.10 die zugehö-rigen Hauptdehnungen ε1 dargestellt. Auch hieran werden die beschriebenen Effekte nochmals deutlich. Auf der dem Wind abgewandten Seite treten für das untersuchte Lastniveau keine Risse auf. Der Dehnungszustand verändert sich zwischen der line-aren und nichtlinearen Betrachtung fast überhaupt nicht. Anders sieht dies auf der dem Wind zugewandten Schalenseite (Luv-Bereich) aus. Durch die Rißbildung (Bild 6.8 und 6.9) in diesem Bereich vergrößern sich die nichtlinear ermittelten Hauptdeh-nungen ε1 erheblich. Die Betonzugspannungen stammen nur noch aus dem Tension-Stiffening Effekt nach dem Aufreißen. Der Stahl muß jetzt verstärkt aktiviert werden, um die Meridianzugkräfte abzutragen. Die maximalen Hauptdehnungen ε1 auf der Schalenseite wachsen im Luv-Meridian von 0,145 0/00 im Linearen auf 1,04 0/00 im Nichtlinearen an.

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Bild 6.10 Betonhauptspannungen σ1 Schalenaußen- und Schaleninnenseite

linear nichtlinear

σ1 innen σ1 innen

σ1 außen σ1 außen

SMIN = - 2,80 SMAX = 4,81

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Bild 6.11 Betonhauptdehnungen ε1 Schalenaußen- und Schaleninnenseite

linear nichtlinear

ε1 innen ε1 innen

ε1 außen ε1 außen

SMIN = - 0,052 SMAX = 1,042

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Mit der untersuchten Lastfallkombination g + 1,75 w* liegt eine reine Lastbeanspru-chung (im Gegensatz zum Zwang) vor. Die Systemantwort der Schale (Dehnungen, Spannungen und letztendlich Schnittgrößen) hängt von der relativen Steifigkeitsver-teilung der Schalenbereiche untereinander ab. Auf der Luv-Seite des Kühlturms ent-stehen infolge der Windeinwirkung große Steifigkeitsverluste, wohingegen auf der Lee-Seite der Beton ungerissen bleibt oder nur relativ kleine Druckdehnungen er-fährt, so daß insgesamt dort noch von einem linearen Materialverhalten ausgegan-gen werden kann. Die Steifigkeitsverteilung verschiebt sich also innerhalb des Trag-werks, was zu der beschriebenen Änderung im Lastabtragmechanismus führt. Im Li-nearen stellt sich unter Annahme einer rotationssymmetrischen Steifigkeitsverteilung ein nahezu reiner Membranspannungszustand infolge g + 1,75 w* ein. Mit dem un-symmetrischen Aufreißen im Luv-Meridianbereich werden dort die Steifigkeiten ge-genüber den restlichen Schalenbereichen reduziert. Die Membranwirkungen werden abgebaut bzw. verlagern sich in Nachbarbereiche mit größerer Steifigkeit. Zusätzlich werden im oberen Schalenbereich besagte Ringbiegemomente aktiviert. Mit einer nichtlinearen Berechnung wird durch die Berücksichtigung der wirklichkeits-nahen Stoffgesetze der Beanspruchungszustand für die Bemessung der Bewehrung realistischer erfaßt als unter Zugrundelegung linearer Verfahren. Besonders dann, wenn sich die Steifigkeiten wie in diesem Fall nicht gleichmäßig einstellen, weicht die Verteilung der inneren Kräfte doch erheblich von der linearen Lösung ab. Einen we-sentlichen Einfluß auf die nichtlinearen Ergebnisse wird die Zugfestigkeit des Betons haben, denn sie bestimmt den Zeitpunkt bzw. das Lastniveau des Aufreißens und damit den Übergang des Systems in das nichtlineare Tragverhalten. Der Einfluß der Zugfestigkeit auf die mit nichtlinearen Schnittgrößen ermittelten Be-wehrungsmengen wird im nächsten Abschnitt gezeigt. Dabei wird zum einen die Lastfallkombination g + 1,75 w* sowie zum anderen die Lastfallkombination mit Zwang aus Temperatur (Betrieb oder Sonneneinstrahlung) 1,75 (g + w* + t) unter-sucht. Zur nichtlinearen Dimensionierung wird das im Kapitel 4 vorgestellte Konzept der Schnittgrößeniteration verwendet, wobei die nach den Vorschriften [30] geforder-te Mindestbewehrung als untere Grenze eingehalten wird.

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6.2.5 Einfluß der Zugfestigkeit auf die mit nichtlinearen Verfahren ermittelten Bewehrungsmengen

Zunächst werden die Bemessungsergebnisse für den Lastfall g + 1,75 w* diskutiert. Diese sind im Bild 6.12 für die Ringbewehrung und im Bild 6.13 für die Meridianbe-wehrung dargestellt. Man erkennt an den Bewehrungsmengen wiederum den bereits beschriebenen Effekt der Änderung im Lastabtrag: Die Meridianzugkräfte werden durch das Aufreißen reduziert, folglich verringert sich die erforderliche Meridianbe-wehrung, die mit nichtlinearen Schnittgrößen unter Anwendung des iterativen Be-messungsverfahrens nach Kapitel 4.2 bestimmt worden ist (jedoch mit altem Sicher-heitskonzept: Bemessung mit globalem Sicherheitsfaktor γ = 1,75). Bei der Ringbe-wehrung (Bild 6.12) ist deutlich die Erhöhung der erforderlichen Bewehrungsmenge für den oberen Schalenbereich durch die Aktivierung von Ringbiegemomenten er-kennbar.

LF g + 1,75 w*

Höhe [m]

Ringbewehrung as1 [cm²/m] Bild 6.12 Ringbewehrung as1 für LF g + 1,75 w*

Linear

Nichtlinear (1,0 fct)

Nichtlinear (1,5 fct)

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LF g + 1,75 w*

Höhe [m]

Meridianbewehrung as2 [cm²/m] Bild 6.13 Meridianbewehrung as2 für LF g + 1,75 w* Wird die Zugfestigkeit gegenüber ihrem Mittelwert um 50 % zu hoch angesetzt, wie dies bei den Untersuchungen durchgeführt worden ist, ändern sich die nichtlinearen Bewehrungsmengen gegenüber der linearen Bewehrung nur sehr geringfügig bis gar nicht. Die linear ermittelte und die mit 1,5 fct nichtlinear ermittelte Bewehrungsmenge fallen praktisch zusammen. Das Aufreißen des Betons wird so länger in höhere Last-stufen hinausgezögert, die beschriebenen Effekte des Abbaus der Meridianzugbean-spruchung und des Aufbaus von Ringbiegemomenten haben noch nicht stattgefun-den. Die Größe der Zugfestigkeit sowie das Lastniveau, das der Bemessung zugrun-de gelegt wird, haben somit einen entscheidenden Einfluß auf das nichtlineare Be-messungsergebnis. Je nachdem, wie weit die Rißbildung fortgeschritten ist, stellen sich die beschriebenen Effekte der Beanspruchungs- und somit der Bewehrungsum-lagerung ein. Für Zugfestigkeiten, die über dem Mittelwert 1,0 fct liegen, wird sich ei-ne höhere Traglast ergeben (Kap. 6.2.6). Die Rißbildung wird erst bei Laststufen λ > 1,75 merkbar einsetzen, so daß die beschriebene Meridianzugkraftumlagerung erst

Linear

Nichtlinear (1,0 fct)

Nichtlinear (1,5 fct)

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dort voll zum Tragen kommt. Wird eine Schale nichtlinear unter Zugrundelegung ei-nes Mittelwertes von 1,0 fct für das Lastniveau λ = 1,75 bemessen und liegt in Wirk-lichkeit eine erhöhte Zugfestigkeit (z.B. 1,5 fct) vor, so könnte dies nach Bild 6.13 fälschlicherweise im ersten Moment als ein Bewehrungsdefizit interpretiert werden. Es stellt sich aber bei höheren Laststufen mit dem Reißen wieder die besagte Meri-dianzugkraftumlagerung ein, so daß die Bewehrung durch diese Umlagerung gegen-über der linear bestimmten Meridianzugkraft entlastet wird.

LF 1,75 ( g + w* + t )

Höhe [m]

Ringbewehrung as1 [cm²/m] Bild 6.14 Ringbewehrung as1 für LF 1,75 ( g + w* + t ) In den Bildern 6.14 und 6.15 sind die Bewehrungsmengen über der Schalenhöhe aufgetragen, die sich für die beiden Lastfallkombinationen mit Temperatur 1,75 ( g + w* + tb ) und 1,75 ( g + w* + ts ) ergeben. Der grundsätzliche Unterschied zu der Lastkombination g + 1,75 w* besteht darin, daß nun durch die zusätzliche Tempera-turbeanspruchung eine Zwangsbeanspruchung vorliegt. Die Schnittgrößen aus Tem-peratur werden sich direkt proportional zur vorhandenen Steifigkeit einstellen. Da das

Linear

Nichtlinear (1,0 fct)

Nichtlinear (1,5 fct)

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Superpositionsprinzip im Nichtlinearen allerdings nicht mehr gültig ist, können die Gesamtschnittgrößen jedoch nicht zerlegt werden in Schnittgrößen aus Last ( g und w*) und Zwang (tb bzw. ts). Die lineare Schnittgrößenberechnung infolge der beiden Lastkombinationen mit Temperatur ist mit einer effektiven Steifigkeit erfolgt, wie es die BTR [30] vorsieht. Die Ringbewehrung as1 (Bild 6.14), die mit linearen Verfahren ermittelt worden ist, fällt in den unteren Schalenbereichen bis ungefähr 95 m Schalenhöhe gegenüber der nichtlinear ermittelten (1,0 fct) zu gering aus. Ab einer Schalenhöhe von 100 m hin-gegen liefert die lineare Berechnung zu große Bewehrungsmengen für die Ringrich-tung. Die nichtlinear ermittelte Meridianbewehrung as2 (Bild 6.15) fällt gegenüber der linear mit EIeff ermittelten für Schalenhöhen bis zu 90 m wie schon für die Lastkombi-nation g + 1,75 w* um ein beachtliches Maß geringer aus.

LF 1,75 ( g + w* + t )

Höhe [m]

Meridianbewehrung as2 [cm²/m] Bild 6.15 Meridianbewehrung as2 für LF 1,75 ( g + w* + t )

Linear

Nichtlinear (1,0 fct)

Nichtlinear (1,5 fct)

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Beim Ansatz einer erhöhten Zugfestigkeit von 1,5 fct treten folgende Effekte ein: Die Ringbewehrung as1 erhöht sich gegenüber derjenigen, die mit 1,0 fct bestimmt wor-den ist, nur geringfügig. Dahingegen wird deutlich mehr Meridianbewehrung as2 er-forderlich gegenüber derjenigen, die mit nichtlinearen Verfahren mit 1,0 fct bestimmt worden ist. Die erforderlichen Bewehrungsmengen für die nichtlineare Berechnung mit 1,5 fct, liegen für große Bereiche (ungefähr bis 70 m Schalenhöhe) ziemlich ge-nau zwischen der linear und der nichtlinear mit 1,0 fct ermittelten Bewehrungsmenge. In den oberen Schalenbereichen ab 100 m, in denen die Rißbildung nicht weit fortge-schritten ist, ändert sich die Bewehrungsmenge für die Meridianrichtung as2 kaum. Bei Ansatz einer erhöhten Zugfestigkeit von 1,5 fct ist das Stadium der physikalischen Nichtlinearität noch nicht so weit ausgeprägt wie für 1,0 fct. Zum einen haben sich bei der erhöhten Zugfestigkeit die maximalen Meridianzugkräfte noch nicht so weit ab-gebaut wie für 1,0 fct. Zum anderen haben sich durch die weniger stark ausgeprägte Rißbildung und durch die damit verbundene höhere effektive Steifigkeit die Biege-momente aus der Temperaturbeanspruchung noch nicht so stark reduziert wie für 1,0 fct. Diese beiden Effekte haben zur Folge, daß die Meridianbewehrung as2 ge-genüber der nichtlinear mit 1,0 fct ermittelten Meridianbewehrung deutlich anwächst. Auch für die Lastfallkombinationen mit Zwangsbeanspruchung aus Temperatur wird deutlich, daß das nichtlineare Bemessungsergebnis sehr stark davon abhängig ist, wie weit die Nichtlinearität und damit in erster Linie der Rißprozeß des Betons fortge-schritten ist. Des weiteren gehen hier in die Stahlbetonbemessung anteilig Schnitt-größen aus Temperatur ein, die direkt proportional zur aktuell vorhandenen effektiven Steifigkeit sind.

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6.2.6 Traglastberechnungen und Einfluß der Zugfestigkeiten auf die Traglas-ten für g + λ · w*

Wie eingangs dieses Kapitels erläutert worden ist, stellt der letzte Dimensionierungs-schritt der Entwurfsbearbeitung die Ermittlung der Systemtraglast dar, um eine Aus-sage über den globalen Sicherheitsabstand der einwirkenden Belastungen gegen-über dem Systemversagenszustand zu machen. Die Bemessung der Bewehrung ist mit einem einheitlichen Sicherheitsfaktor von γ = 1,75 erfolgt, die Systemtraglast muß aus diesem Grund höher als 1,75 ausfallen, sonst liegt ein Sicherheitsdefizit vor. Es wird die Lastkombination g + λ · w* untersucht. Das günstig wirkende Eigengewicht wird konstant gehalten, und der Wind wird anschließend von Null an bis zum Versagen des Kühlturms mit dem Lastfaktor λ gesteigert. Weiterhin wird bei den Traglastberechnungen die Zugfestigkeit variiert, um traglast-mindernde Einflüsse aufzudecken. Bild 6.16 zeigt die angesetzten Zugfestigkeiten mitsamt ihren Tension-Stiffening Gesetzen. Für eine gegebene Betondehnung ε ist dort die zugehörige Betonspannung im Nachrißbereich eingetragen. Deutlich er-kennbar sind die großen Unterschiede in den Sekantensteifigkeiten Es.

Bild 6.16 Tension-Stiffening Gesetze für 0,5 fct , 1,0 fct und 1,5 fct

TSTcσ

2,5 0/00

1,0 fct

1,5 fct

0,5 fct

ε

fct = 2,70 MPa

Es

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Das Auftreten erster Risse im Luv-Meridianbereich bestimmt wesentlich den Über-gang der Schale in den nichtlinearen Bereich. Wie bereits im Abschnitt 6.2.4 be-schrieben, liegt vor dem Reißen infolge Eigengewicht und Wind ein nahezu reiner Membranbeanspruchungszustand vor. Der Wind erzeugt im Luv-Bereich Meridian-zugkräfte, die vom Eigengewicht zunächst für kleine Lastfaktoren λ noch überdrückt werden. Ab einem bestimmten λRiß wird die Zugfestigkeit im Luv-Meridian überschrit-ten, und es treten die ersten Risse dort auf. Dieser Punkt läutet das nichtlineare Tragverhalten ein. Die Meridianbeanspruchung im Luv-Meridianbereich wird durch die Steifigkeitsreduktion infolge Reißen abgebaut unter Aufbau von Ringbiegewir-kungen im oberen Schalenbereich. Der Erstrißlastfaktor λRiß läßt sich mit linearen Verfahren näherungsweise folgendermaßen bestimmen [22]:

22w

22gct

Riß nnhf −⋅

=λ (6.3)

Hierin ist h die Schalenwanddicke, 22

gn die Meridiankraft infolge Eigengewicht und 22wn

die Meridiankraft infolge Wind. Für die untersuchte Kühlturmschale liegt die Stelle der maximalen Meridianzugkraft aus Wind bei einer Schalenhöhe von Z = 28,17 m. Z = 28,17 m, θ1 = 0° : kN26,417n22

g −=

kN89,725n22w +=

)hmin(m18,0h ==

Daraus ergeben sich folgende Erstrißlastfaktoren für die drei angesetzten Zugfestig-keiten: 0,5 fct : λRiß = 0,91 1,0 fct : λRiß = 1,24 1,5 fct : λRiß = 1,58 Im Bild 6.17 sind die drei Lastverformungskurven für die unterschiedlichen Zugfestig-keiten dargestellt. Man erkennt sehr schön den Übergang der Traglastkurven in den nichtlinearen Bereich bei den überschlägig bestimmten Erstrißlastfaktoren. Obwohl allen drei Rechenläufen die gleiche Bewehrung zugrunde liegt, liegen die ermittelten Systemtraglasten in Abhängigkeit der Zugfestigkeit doch weit auseinander. Es ergibt sich eine Traglastreduzierung von ca. 17 %, falls mit der Hälfte der Zugfestigkeit ge-rechnet wird. Auf der anderen Seite erhält man um 11 % höhere Traglasten, wenn mit der 1,5-fachen Zugfestigkeit gerechnet wird.

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0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,00,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Lastfaktor λ

Radialverformung V3 [m] ( Z = 85,36 m, θ1 = 0° )

1,5 fct

1,0 fct

0,5 fct

g + λ · w*

λu = 2,47

λu = 2,22

λu = 1,86

Bild 6.17 Last-Verformungskurven mit Variation der Zugfestigkeit

Die Traglast gelte hier als erreicht, wenn unter der vorgegebenen Genauigkeits-schranke bei weiterer Laststeigerung kein Gleichgewichtszustand mehr aufgefunden werden kann. Deutlich erkennbar ist der horizontale Verlauf der Lastverformungskur-ven bei Erreichen der Traglast. In allen drei Fällen kann die Last aber mehr oder we-niger weit über den Lastfaktor 1,75 gesteigert werden, für den die Bewehrung be-messen worden ist. Die Systemtragfähigkeit liegt über den Sicherheiten der einzel-nen Querschnitte. Das Versagen wird durch das Fließen der Meridianbewehrung eingeläutet. Sobald deren Streckgrenze erreicht ist, kann die Last nur noch geringfügig gesteigert wer-den. Maßgeblich am Lastabtrag ist die Betonzugfestigkeit und somit auch das Tensi-on-Stiffening Gesetz (Bild 6.16). Durch die Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen wird die Meridianbewehrung entlastet, die im wesentlichen den Kollaps des Kühlturms bestimmt. Auf den folgenden Seiten sind in den Bildern 6.18, 6.19 und 6.20 die Rißverteilungen mit Rißtiefen auf der Schalenaußenseite und Schaleninnenseite für die drei Traglast-kurven dargestellt.

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Werte in % der Wanddicke

Bild 6.18 Risseverteilung im Versagenszustand λu = 1,86 (Zugfestigkeit fct = 1,35 MPa)

außen innen

λu = 1,86

fct = 1,35 MPa

Risse infolge Meridianzug

Risse infolge Meridianzug

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

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Werte in % der Wanddicke

Bild 6.19 Risseverteilung im Versagenszustand λu = 2,22 (Zugfestigkeit fct = 2,70 MPa)

außen innen

λu = 2,22

fct = 2,70 MPa

Risse infolge Meridianzug

Risse infolge Meridianzug

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

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Werte in % der Wanddicke

Bild 6.20 Risseverteilung im Versagenszustand λu = 2,47 (Zugfestigkeit fct = 4,05 MPa)

außen innen

λu = 2,47

fct = 4,05 MPa

Risse infolge Meridianzug

Risse infolge Meridianzug

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

Vertikalrisse infolge Ringbiegung

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Folgende Erkenntnisse können aus den Rißverteilungen und Rißtiefen gezogen wer-den: Für alle Traglastzustände ist der Luv-Meridianbereich zwischen dem Umfangswinkel θ1 = 0° und ca. 30° vollständig über die gesamte Schalenwandstärke infolge der Me-ridianzugkräfte n22 durchgerissen (Rißtiefe 100 %). Im oberen Schalenbereich sind Vertikalrisse zu erkennen. Diese Rißbereiche sind in Abhängigkeit der angesetzten Zugfestigkeit mehr oder weniger stark ausgeprägt. Sie stammen aus Ringbiegemo-menten m11. Die Risse laufen zum einen nicht durch die gesamte Schalenwandstär-ke hindurch, zum anderen sind die Rißbereiche über den Umfangswinkel auf der Schalenaußenseite und auf der Schaleninnenseite gegeneinander versetzt. Für die Risseplots des Traglastgrenzzustandes aus Bild 6.19 befinden sich die Vertikalrisse im oberen Schalenbereich auf der Schalenaußenseite ungefähr zwischen dem Um-fangswinkel 10° und 80° und wechseln ab diesem Punkt zwischen 80° und 110° auf die Schaleninnenseite, wobei dort die maximale Rißtiefe bei etwa 50 % der Schalen-wandstärke liegt. Die Systemtragfähigkeit ist in allen drei Fällen erreicht, weil die Me-ridianbewehrung nicht mehr in der Lage ist, eine weitere Steigerung der Meridian-zugkräfte infolge Wind aufzunehmen. Die Zugfestigkeit des Betons hat einen großen Einfluß auf die Systemtraglasten, denn der Beton ist auch nach dem Reißen über das Tension-Stiffening noch am Abtrag der Meridianzugkräfte beteiligt. Weiterhin sind in [22] die Einflüsse der Tension-Stiffening Grenzdehnung auf die Be-wehrungsermittlung sowie auf die Systemtraglasten untersucht worden, worauf nur verwiesen werden soll.

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7. Zusammenfassung, Ausblick Im Rahmen dieser Abhandlung wurden neuartige, nichtlineare Dimensionierungs-konzepte für Flächentragwerke aus Stahlbeton entwickelt und angewendet. Beson-deres Gewicht wurde dabei auf Stahlbetonplatten des üblichen Hochbaus gelegt. Kühlturmschalen als ein Vertreter von Rotationsschalentragwerken wurden lediglich am Rande behandelt. Der vorliegende Bericht beschreibt zunächst die theoretischen Grundlagen, auf die bei sämtlichen durchgeführten Berechnungen zurückgegriffen wird. Hierzu zählen die zweiachsiale Stahlbetonmodellierung (Versagensbereiche, nichtlineare Elastizität, isotrope oder orthotrope Werkstoffbeschreibung in Abhängigkeit des Beanspru-chungszustands), die Behandlung des Bereiches nach Überschreiten der Zugfestig-keit des Betons (Nachrißbereich, Tension-Stiffening Modellierung) und numerische Aspekte (inkrementell iterativer Lösungsalgorithmus, verwendete Elemente, Schich-tenmodell). Im Anschluß daran werden zwei Dimensionierungskonzepte, die Schnittgrößen- und die Traglastiteration, vorgestellt und erläutert, die natürlich in Verbindung mit den derzeit gültigen bzw. mit den Neuentwürfen der Normen des Stahlbetonbaus und der geforderten Nachweisformate gesehen werden müssen. Dem grundsätzlichen Prob-lem, daß bei einem Tragwerksnachweis mit nichtlinearen Verfahren die Bewehrungs-verteilung im Vorfeld der Berechnung schon bekannt sein muß, wird bei diesen Be-messungskonzepten Rechnung getragen, nämlich durch die iterative Bewehrungs-ermittlung mit festgelegter Startbewehrung. Eine genaue Kenntnis des nichtlinearen Tragverhaltens des untersuchten Systems bis zum Versagenszustand muß bei der Anwendung solcher Dimensionierungskon-zepte vorausgesetzt werden. Hier ist bei Platten als wichtigstes Phänomen der Auf-bau von Druckkräften nach dem Reißen infolge einer Dehnungsbehinderung der Mit-telfläche zu nennen, sei es durch die innerliche statische Unbestimmtheit oder durch äußere Randbedingungen, sowie das Umschlagen in eine Zugmembran bei großen Verformungen > 0,5 h. Diese Kenntnis ist unter anderem deswegen erforderlich, um das nichtlineare Bemessungsergebnis beurteilen zu können. Im Gegensatz zu einer linearen Berechnung, bei der bei Lastbeanspruchung nur die Steifigkeitsverhältnisse (lineare Biegesteifigkeiten EI) der einzelnen Tragwerksbereiche untereinander in die Schnittgrößenverteilung eingehen, sind dies bei einer nichtlinearen Berechnung we-sentlich mehr Parameter wie z.B. die Zugfestigkeit des Betons, der E-Modul des Be-tons, die Tension-Stiffening Ansätze sowie die Erstrißspannung. Von großer Bedeu-tung für eine möglichst genaue Abbildung des Tragverhaltens ist die Bestimmung und der Ansatz einer wirklichkeitsnahen Erstrißspannung des Stahls beim Übergang des Betons vom Zustand I in den Zustand II bei den Tension-Stiffening Gesetzen auf Betonseite. Dafür sind im Kapitel 2 Vorgehensweisen im Rahmen der Tension-

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Stiffening Modellierung auf Betonseite aufgezeigt. Zunächst muß festgehalten wer-den, daß grundsätzlich alle Materialparameter einen Einfluß auf den nichtlinearen Tragwerksbeanspruchungszustand für die Bemessungslastkombination (Lastfaktor λ = 1,0) bei Anwendung einer iterativen Bemessung im Rahmen der Schnittgrößenite-ration haben. Aus diesem Grunde werden Materialmittelwerte bei diesem Nachweis-konzept angesetzt. Sie geben das Tragverhalten im Mittel am besten wieder, die Si-cherheiten gegenüber Materialversagen werden nur bei der anschließenden Bemes-sung erfaßt. Die Neuentwürfe der DIN 1045 [4] sehen als nichtlineares Nachweisformat für den Grenzzustand der Tragfähigkeit den Nachweis einer ausreichenden Systemtragfä-higkeit γR > 1,3 vor, so daß Systemreserven ausgenutzt werden. Es werden dort drei Kriterien genannt, die den Grenzzustand des Tragwiderstandes definieren: Demnach gilt dieser Zustand als eingetreten, wenn a) die kritische Stahldehnung εsmu, b) die kritische Betondehnung εcu oder c) der kritische Zustand der Stabilität am Gesamtsystem oder an Teilen davon erreicht ist. Die Kriterien a) und b) erscheinen bei Stabtragwerken sinnvoll, denn so-bald dort ein Querschnitt ausfällt (Reißen des Stahls εsmu bzw. Betondruckbruch εcu) kann die aufgebrachte Last nicht mehr gehalten werden. Bei Platten hat sich im Rahmen der durchgeführten Berechnungen herausgestellt, daß die globale System-versagenslast (kein weiteres Auffinden von Gleichgewicht möglich) deutlich über den nach DIN 1045 definierten Grenzdehnungszuständen liegt. Das Flächentragwerk Platte „spürt“ nichts von einem lokalen Querschnittsausfall. Auch scheint diese globa-le Systemtraglast i.a. nicht durch Materialparameter wie Ec, fct oder den Tension-Stiffening Ansatz beeinflußt zu werden, wohl aber die nach DIN 1045 [4] definierten Grenzdehnungszustände, sieht man von dem untersuchten Sonderfall der allseitig eingespannten und unverschieblich gelagerten Quadratplatte ab. Demnach sind die im Neuentwurf der DIN 1045 definierten Zustände a) und b) bei Flächentragwerken kritisch zu überdenken. Weiterhin werden im Rahmen dieses Nachweises Rechenwerte der Materialparame-ter fcR, fyR und ftR angesetzt, die eine einheitliche Sicherheit der Bruchschnittgrößen gegenüber den Bemessungsschnittgrößen eines Querschnittes garantieren. Diese Rechenwerte lösen zwar das Problem der unterschiedlichen Partialsicherheiten von Beton- und Betonstahl, sie werfen jedoch neue Probleme auf, denn das gesamte Tragverhalten eines Systems wird durch die Verwendung von diesen fiktiven Re-chenwerten u.U. nicht richtig wiedergegeben.

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Das in der DIN 1045 [4] aufgenommene nichtlineare Nachweisverfahren kann also nur einen möglichen Vorschlag darstellen. Bis eine endgültige, allgemein akzeptierte Lösung gefunden werden wird, ist noch eine Menge an Forschungsbedarf zu befrie-digen. Erste Ansätze bezüglich des Sicherheitsformats unter Verwendung der reali-tätsnäheren Materialmittelwerte liegen bereits in [28] vor. Aber auch bezüglich der zweiachsialen Stoffgesetze für Beton muß die neue DIN 1045 noch einige Aussagen machen, da bis jetzt nur einachsiale Stoffgesetze für Stabtragwerke aufgenommen sind, obwohl die vorgestellten nichtlinearen Verfahren auch für Flächentragwerke an-gewendet werden dürfen. Hierzu sind in diesem Bericht Vorschläge bezüglich einer möglichen zweiachsialen Stahlbetonwerkstoffgesetzformulierung vorhanden. Für eine praktikable Tension-Stiffening Modellierung sind in diesem Bericht ebenso Vorgehensweisen enthalten. Hierbei wird aus der Erstrißspannung unter der Bean-spruchung MRiß und NRiß, die den Querschnitt zum Reißen bringt, eine effektive Mit-wirkungshöhe auf Betonseite nach dem Reißen berechnet. Dadurch werden die Stei-figkeiten richtig abgebildet, Probleme ergeben sich aber durch den Ausfall von Beton-fasern bei der nichtlinearen Schnittgrößenermittlung mittels Querschnittsintegration. Um dieses Problem zu beseitigen, ist eventuell die Tension-Stiffening Modellierung zu überdenken, oder es ist auf hybride Elemente zurückzugreifen, die über die Schnittgrößen im Element einen direkten Ansatz machen. Die verwendete Tension-Stiffening Modellierung muß auch insofern hinterfragt wer-den, da die Erstrißspannung mit der linear ermittelten Schnittgrößenkombination MRiß und NRiß bestimmt worden ist, die den Querschnitt zum Reißen bringt. Im Laufe der Laststeigerung ändern sich die Verhältnisse von N zu M in jedem Lastschritt (Beispiel Platte: vor dem Reißen reine Biegung, im Versagenszustand Zugmembran), so daß die getroffene Annahme eigentlich nicht mehr gültig ist. Weiterhin werden nach dem Reißen des Betons einachsiale Vergleichswerkstoffgesetze in den beiden Hauptrich-tungen verwendet. Diese Vorgehensweise ist kritisch zu hinterfragen. Somit ist auch für die zweiachsiale Tension-Stiffening Modellierung bei Flächentragwerken noch ein großer Forschungsbedarf vorhanden. Diese sollte auf der einen Seite möglichst wirk-lichkeitsnah sein, um das Tragverhalten gut wiederzugeben, auf der anderen Seite aber für die praktische Anwendung einfach handhabbar sein.

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Teil 1: Bemessung und Konstruktion, Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, Ber-lin (1996)

[3b] DIN 1045 Entwurf 2/97: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton -

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rete Slabs, Bulletin d´Information, No. 218, Lausanne, August 1993 [20] PARDEY, A.: Physikalisch nichtlineare Berechnung von Stahlbetonplatten im

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bau 87 (1992), Heft 6, Ernst & Sohn, Berlin 1992 [30] VGB-Fachausschuß Bautechnik bei Kühltürmen, BTR Bautechnische Richtli-

nien, VGB-Verlag, Essen (1990) [31] VGB-Fachausschuß Bautechnik bei Kühltürmen, BTR Bautechnische Richtli-

nien, VGB-Verlag, Essen (Entwurf 1997) [32] WITTEK, U./ MEISWINKEL, R.: Auswirkungen der materiellen Nichtlinearität

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