Unnamed CCI EPS - myoreflex.de · Sein Sohn meinte es gut, das wusste Werner Mosetter an jenem Tag...

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Sein Sohn meinte es gut, das wusste Werner Mosetter an jenem Tag vor 25 Jahren. Dennoch, am liebsten wäre er gar nicht mitgegangen. Noch so ein Ter- min bei einem dieser Weißkittel, von denen einer seinem Sohn wenige Jahre zuvor erklärt hatte, dass die MS-Krank- heit seines Vaters eben so verlaufe, wie sie halt verlaufe. „Da kann man nichts machen“, hatte der Mediziner lapidar erklärt, tätschelte dem Sohn die Wange, was diesen fast dazu verführt hätte, sei- nen geballten Wortschatz an Schimpf- wörtern an den Mann zu bringen. Nein, damit konnte sich Kurt Mosetter, damit wollte er sich nicht abfinden. Heute ist der 49-Jährige selbst Arzt, betreut das Nationalteam der USA, die Bundesliga-Spieler von 1899 Hoffen- heim, die Handballer des HSV Ham- burg und viele andere prominente Sportler. Vergangene Woche, als er sich im Gespräch mit dieser Zeitung und na- türlich ohne Weißkittel an die eingangs geschilderte Szene erinnert, wartet Il- kay Gündogan im Wartezimmer, um sein Rückenleiden behandeln zu las- sen, das er sich beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Paraguay zugezogen hatte. Warum Sportler aus aller Welt in Kon- stanz vorfahren? Wahrscheinlich weil Mosetter anders ist als viele seiner Zunft, weil er die Myoreflextherapie entwickelt hat, aber dazu kommen wir später. Gute Geschichten sollten von Anfang an erzählt werden. Kurt Mosetter wird 1964 in Gutach ge- boren. Schwarzwaldidylle, eine heile Welt, doch die Kindheitserinnerungen sind geprägt von den Leiden des Vaters. Multiple Sklerose (MS) lautet die Diag- nose, die Werner Mosetter akzeptieren muss, die sein Sohn aber nicht akzep- tieren will; zumindest nicht die Art der Behandlung. „Nur deshalb habe ich Medizin studiert“, erklärt Mosetter, während Gündogan sich noch durch den von Baustellen geplagten Stadtver- kehr von Konstanz plagt. „Chemie, Phy- sik, Kunst“, diese Fächer hätte er bei an- deren Grundvoraussetzungen viel- leicht eingeschlagen, so aber war sein Ziel klar: Medizin. Das klingt nach Kitsch, nach Hollywood – aber das Le- ben schreibt eben solche Geschichten. Mosetter studierte, fand nach eigener Einschätzung exzellente Lehrmeister, darunter eben jenen Weißkittel, zu dem er seinen Vater brachte, der inzwischen kaum noch im Rollstuhl sitzen konnte. „Dr. Tillmann Goerttler, ein strenger, aber liebevoller Mentor aus Badenwei- ler“, wie Mosetter heute sagt. Damals, vor 25 Jahren, bedurfte es großer Über- zeugungskraft, den Vater zu einem wei- teren Arztbesuch zu überreden. Der Va- ter ging schließlich mit, und Dr. Goertt- ler fragte den Senior nach kurzer Unter- suchung, ob er jemals einen Unfall ge- habt habe. Das traf zu, 1954 war Werner Mosetter verunglückt, worauf Goerttler diagnostizierte, dass blockierte Gelen- ke die Ursache für Schmerzen, Schwin- del und Sehstörungen seien, nicht MS. Für Kurt Mosetter änderte dieser Tag vieles. Goerttler versprach, ihn in die Lehre zu nehmen, wenn er Medizin stu- diere, woraufhin sich der Gutacher an der Universität in Freiburg einschrieb. Trotz schlechter Prognosen bearbeitete Mosetter mit dem neuen Wissen bald täglich die Muskeln seines Vaters. Ja, Hollywood, aber eben doch ein Dreh- buch des wahren Lebens: Vater Moset- ter geht es Stück für Stück besser, „nach 25 Jahren konnte er den Rollstuhl sogar wieder in die Ecke stellen“, erinnert sich der Filius, grinst dann. Die Bedeutung mancher Erinnerungen kann man im Gesicht des Gegenübers lesen. Ilkay Gündogan sitzt im Wartezimmer In der Praxis zeugen Bilder und Skulp- turen vom weiteren Lebensweg, der Mosetter unter anderem nach Nepal führte, wo er Akupunktur studierte, in der Ecke stehen Buddha-Statuen, wie sie einst Jürgen Klinsmann auf dem Trainingsgelände des FC Bayern an- bringen ließ. „Das stimmt nicht“, korri- giert Mosetter, „denn Jürgen hatte da- mals einen Architekten beauftragt, der die Figuren eigenmächtig aufstellte.“ Die Münchner Presse habe diese Inno- vation zwar dem neuen Coach zuge- schrieben, in Wahrheit habe dieser aber mit den Buddhas nichts am Hut gehabt. „Dementieren konnte er das zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr, das hätte noch schlechter gewirkt“, weiß Moset- ter. Zu Beginn wurde das neue Inventar als innovativ beurteilt, als der Erfolg ausblieb, wurden die dickbäuchigen Sitzlinge zum Sinnbild des Scheiterns. So ist das eben. Der beste Trainer sind „drei Punkte“, wer die nicht bringt, steht schnell im Abseits. Im Behandlungszimmer nimmt ein Skelett den Platz im Eck ein, der Bau- stellenlärm dringt durch die Fenster. Mosetter trägt Polohemd, trinkt Wasser, wird von seinen Kollegen geduzt. Wer mit Sportlern arbeitet, der pflegt einen lockeren Umgangston. Klinsmann und Mosetter, seit 2008 sind sie ein Team. Den damaligen Bay- ern-Coach plagte ein Bandscheiben- vorfall, bewegungsunfähig lag er im Bett. Trainer-Kollege Ralf Rangnick hat- te einige Jahre zuvor das gleiche Pro- blem und bei Mosetter Hilfe gefunden. „Ich bekam einen Anruf von Ralf Rang- nick und seinem Kollegen Bernhard Pe- ters, bin dann nach München geflogen und habe Klinsmann behandelt.“ We- nig später konnte der wieder aufstehen, stellte sich sogar in die Küche, um für den Doktor aus Konstanz zu kochen. „Biofleisch-Frikadellen, Spiegeleier und Kartoffeln“, erinnert sich Mosetter. Offensichtlich war das eine der gesün- deren Mahlzeiten des ehemaligen Fuß- ball-Stars. Auf Anraten Mosetters stellt Klinsmann die Ernährung um, Süßge- tränke und Eis fliegen in den Mülleimer, stattdessen stehen jetzt zuckerarme Früchte, Biofleisch, Wildfangfisch und Ziegenkäse auf dem Speisezettel. 2011 wird Mosetter zum National- team der USA eingeladen, um seine Myoreflextherapie vorzustellen. „Wir wurden nicht von Jürgen engagiert, wir mussten unsere Therapien vorstellen, die Spieler haben sich dann für uns ent- schieden“, so Mosetter. Seither gehören er und sein Mitarbeiter Niklas Albers zum Team der seit 2011 von Jürgen Klinsmann trainierten US-Boys. Kriti- ker spotten, er habe als Bayern-Trainer US-Ärzte geholt, als USA-Coach dage- gen einen Konstanzer. „Es ist egal, ob ei- ner aus Gutach oder den USA kommt – er muss seine Aufgabe optimal aus- üben. Mit Kurt Mosetter habe ich dabei nur die besten Erfahrungen gemacht“, erklärte der ehemalige Bundestrainer vor wenigen Tagen in einem Interview. Lob von Jürgen Klinsmann Klinsmann ist es gewohnt, mit Kritik umzugehen, dass er hinter vorgehalte- ner Hand als Motivationskasper be- zeichnet wird, die taktischen Konzepte 2006 einzig das Werk von Joachim Löw waren, ärgert Mosetter. „In Deutsch- land wird ihm da unrecht getan, seine Leistungen werden nicht honoriert. Er hat Joachim Löw zum Nationalteam ge- holt, den Oliver Bierhoff und auch den Andreas Köpke. Er hatte die kreativen Ideen. Das hat vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und den USA auch Löw erklärt“, so Mosetter, den Klinsmann vor diesem Duell in Gutach und Konstanz besuchte. Es wird Zeit. Gündogan wartet mit seinem maladen Rücken, muss aber noch etwas ausharren, bis auch das Thema Doping besprochen ist (siehe Interview). Kein Problem, Mosetter lässt sich ohnehin nicht hetzen. Einen Starbonus gibt es nicht. Der National- spieler ist ein Patient wie jeder andere auch, obwohl an dessen Gesundheits- zustand Millionen Euro und ebenso viele Erwartungen hängen. Aber einen Weißkittel sollte das nicht kümmern. Erst recht nicht, wenn er keinen trägt. VON DIRK SALZMANN ................................................ Jürgen Klinsmann schätzt Hilfe von Kurt Mosetter Konstanzer Arzt betreut Nationalteam der USA 49-Jähriger entwickelte Myoreflextherapie Der Mann an seiner Seite Jürgen Klinsmann (links) und Kurt Mosetter gewannen mit dem Team USA vor wenigen Tagen den Gold-Cup. BILD: GES ................................................ „Jürgen Klinsmann hatte damals einen Architekten beauftragt, der die Figu- ren eigenmächtig auf- stellte. Die Buddhas auf dem Trainingsgelände waren nicht seine Idee.“ Kurt Mosetter über die Buddha-Diskussion bei Klinsmanns Amtsantritt ................................................ Die Therapie: Bei der Myoreflex- therapie wird auf bestimmte Punkte am Körper Druck ausgeübt. Auf diese Weise entspannen sich die Muskeln und die Schmerzen lassen nach. Wenn Fehlhaltungen, einseitige Be- lastung oder Stress zu Muskelver- spannungen führen, dann kommt es häufig nicht nur zu lokalen Beschwer- den. Plötzlich schmerzt ein ganz anderer Körperteil, denn das kom- plexe Zusammenspiel der Muskel- gruppen ist gestört. Diesen Teufels- kreis möchte die Myoreflextherapie durchbrechen. „Wenn das Knie schmerzt, lasse ich es erst einmal in Ruhe“, erklärt Mosetter. „Stattdessen wird die biomechanische und die biokinematische Führung bearbeitet, die im Becken liegt.“ In Deutschland wird die Therapie nicht von den ge- setzlichen Kassen bezahlt. Sportler: 2006 begann die Zusam- menarbeit mit den Bundesliga-Fuß- ballern aus Hoffenheim, inzwischen setzten viele Sportler auf die Myore- flextherapie. „Begonnen hat alles damit, dass ich bei Ralf Rangnick einen Bandscheibenvorfall behandel- te.“ Seit 2011 gehört er zum medizi- nischen Team der Fußball-National- mannschaft der USA, den 4:3-Sieg der US-Boys vergangene Woche in Bos- nien-Herzegowina musste er aber von zu Hause aus verfolgen, da das Auto des Konstanzers auf dem Weg zum Flughafen streikte. Privat: Kurt Mosetter unterhält Niederlassungen in Konstanz, Köln, Herrenberg und Gutach. Der 49- Jährige ist verheiratet und lebt im Raum Konstanz. (sal) Mehr Infos im Internet: www.myoreflextherapie.de Kurt Mosetter und die Myoreflextherapie Termine nur nach Vereinbarung: Praxisschild in Konstanz. BILD: SALZMANN Kann man sich mit einem Mediziner aus Freiburg derzeit unterhalten, ohne das Thema Doping anzusprechen? Nein, deshalb hat Kurt Mosetter auch zu den Unter- suchungen, die in den vergangenen Wochen veröffentlicht wurden, Stellung bezogen. Herr Mosetter, hat es Sie überrascht, dass in Freiburg offenbar über Jahr- zehnte Doping-Forschung betrieben wurde? Das hat mich gar nicht überrascht. Ich habe von 1987 bis 1989 dort studiert, was damals in der sportmedizinischen Abteilung vorging, war vielen Men- schen klar. Aber niemand hat darüber gesprochen. Warum nicht? Das war ein Tabu-Thema, aber es gab ja genügend Hinweise. Das, was im Rad- sport passierte, was da für Leis- tungssteigerungen erreicht wurden, das war auf normalem Weg nicht mög- lich. Der Radsport steht als für Doping emp- fänglicher Ausdauersport am Pranger. Aber muss es diese Probleme nicht auch im Fußball geben, wo doch Millionen- Summen auf dem Spiel stehen? Wer ab der 85. Minute schneller laufen kann, der gewinnt doch eher? Das ist schon richtig, aber im Fußball wird viel getan, da gibt es meiner Mei- nung nach ein anderes Bewusstsein. Wenn ich einem Spieler ein Medika- ment verordne, informiere ich sofort den Mannschaftsarzt und kontrolliere natürlich, dass das Medikament er- laubt ist. Importe aus Russland oder China lehne ich generell ab. Wenn ein Spieler trotzdem etwas nehmen wür- de, dann wären Verein und Arzt in der Bredouille! Das ist jedem klar, da haben alle Beteiligten ein großes Verantwor- tungsbewusstsein. Ich glaube nicht, dass in der Bundesliga viel gedopt wird. Aber es gab und gibt ja Verdächtigungen und Fakten, die Doping im Fußball nahe- legen. Ja, auf den Listen des spanischen Arz- tes Fuentes, der ja im Mittelpunkt des Doping-Skandals der Radfahrer steht, sollen auch Fußballer gestanden ha- ben. Diese Akten wurden aber ohne weitere Erklärungen geschlossen, was ich sehr bedauere. Alle sollten mit glei- chem Maß gemessen werden. Wurden Sie jemals von Spielern wegen Dopings angesprochen? Nein, das gab es noch nie. Ich wäre da aber auch der falsche Ansprechpart- ner, denn ich setze keine Spritzen, ma- che höchstens Akupunktur, aber auch das nicht vor Spielen, um erst gar keine Gedanken aufkommen zu lassen, dass so etwas mit mir möglich wäre. Wie denken Sie über die Leistungen von Usain Bolt, der anders als die vielen inzwischen überführten Stars der Sprin- ter-Szene nach eigenen Angaben ohne Doping auskommt, stattdessen unter anderem die in Jamaika vorkommende Jams-Wurzel als Grund für seine Leis- tungen angibt? Die Jams-Wurzel allein reicht nicht (lacht). Aber das ist das Thema der Welt-Anti-Doping-Kommission. Denn unabhängig von Usain Bolt: Das Di- lemma ist, dass einfach zu viele Sub- stanzen im Umlauf sind, die schwer nachzuweisen sind. Außerdem können Grenzwerte systematisch durch Do- ping angesteuert werden, sodass die Dopingproben trotz der Einnahme verbotener Substanzen negativ blei- ben. Eingeweihte wissen, wie das geht. Aber es gibt da teilweise schon – sagen wir – „wundersame Leistungen“. FRAGEN VON DIRK SALZMANN „Das war ein Tabu-Thema“ Sport SÜDKURIER NR. 193 | G 69. JAHR MITTWOCH, 21. AUGUST 2013 www.suedkurier.de/sport

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Sein Sohn meinte es gut, das wussteWerner Mosetter an jenem Tag vor 25Jahren. Dennoch, am liebsten wäre ergar nicht mitgegangen. Noch so ein Ter-min bei einem dieser Weißkittel, vondenen einer seinem Sohn wenige Jahrezuvor erklärt hatte, dass die MS-Krank-heit seines Vaters eben so verlaufe, wiesie halt verlaufe. „Da kann man nichtsmachen“, hatte der Mediziner lapidarerklärt, tätschelte dem Sohn die Wange,was diesen fast dazu verführt hätte, sei-nen geballten Wortschatz an Schimpf-wörtern an den Mann zu bringen. Nein,damit konnte sich Kurt Mosetter, damitwollte er sich nicht abfinden.

Heute ist der 49-Jährige selbst Arzt,betreut das Nationalteam der USA, dieBundesliga-Spieler von 1899 Hoffen-heim, die Handballer des HSV Ham-burg und viele andere prominenteSportler. Vergangene Woche, als er sichim Gespräch mit dieser Zeitung und na-türlich ohne Weißkittel an die eingangsgeschilderte Szene erinnert, wartet Il-kay Gündogan im Wartezimmer, umsein Rückenleiden behandeln zu las-sen, das er sich beim Länderspiel derdeutschen Nationalmannschaft gegenParaguay zugezogen hatte.

Warum Sportler aus aller Welt in Kon-stanz vorfahren? Wahrscheinlich weilMosetter anders ist als viele seinerZunft, weil er die Myoreflextherapieentwickelt hat, aber dazu kommen wirspäter. Gute Geschichten sollten vonAnfang an erzählt werden.

Kurt Mosetter wird 1964 in Gutach ge-boren. Schwarzwaldidylle, eine heileWelt, doch die Kindheitserinnerungensind geprägt von den Leiden des Vaters.Multiple Sklerose (MS) lautet die Diag-nose, die Werner Mosetter akzeptierenmuss, die sein Sohn aber nicht akzep-tieren will; zumindest nicht die Art derBehandlung. „Nur deshalb habe ichMedizin studiert“, erklärt Mosetter,während Gündogan sich noch durchden von Baustellen geplagten Stadtver-kehr von Konstanz plagt. „Chemie, Phy-sik, Kunst“, diese Fächer hätte er bei an-deren Grundvoraussetzungen viel-leicht eingeschlagen, so aber war seinZiel klar: Medizin. Das klingt nachKitsch, nach Hollywood – aber das Le-ben schreibt eben solche Geschichten.

Mosetter studierte, fand nach eigenerEinschätzung exzellente Lehrmeister,darunter eben jenen Weißkittel, zu demer seinen Vater brachte, der inzwischenkaum noch im Rollstuhl sitzen konnte.„Dr. Tillmann Goerttler, ein strenger,aber liebevoller Mentor aus Badenwei-ler“, wie Mosetter heute sagt. Damals,vor 25 Jahren, bedurfte es großer Über-zeugungskraft, den Vater zu einem wei-teren Arztbesuch zu überreden. Der Va-ter ging schließlich mit, und Dr. Goertt-ler fragte den Senior nach kurzer Unter-suchung, ob er jemals einen Unfall ge-habt habe. Das traf zu, 1954 war WernerMosetter verunglückt, worauf Goerttlerdiagnostizierte, dass blockierte Gelen-ke die Ursache für Schmerzen, Schwin-

del und Sehstörungen seien, nicht MS.Für Kurt Mosetter änderte dieser Tagvieles. Goerttler versprach, ihn in dieLehre zu nehmen, wenn er Medizin stu-diere, woraufhin sich der Gutacher ander Universität in Freiburg einschrieb.Trotz schlechter Prognosen bearbeiteteMosetter mit dem neuen Wissen baldtäglich die Muskeln seines Vaters. Ja,Hollywood, aber eben doch ein Dreh-buch des wahren Lebens: Vater Moset-ter geht es Stück für Stück besser, „nach25 Jahren konnte er den Rollstuhl sogarwieder in die Ecke stellen“, erinnert sichder Filius, grinst dann. Die Bedeutungmancher Erinnerungen kann man imGesicht des Gegenübers lesen.

Ilkay Gündogan sitzt im Wartezimmer

In der Praxis zeugen Bilder und Skulp-turen vom weiteren Lebensweg, derMosetter unter anderem nach Nepalführte, wo er Akupunktur studierte, inder Ecke stehen Buddha-Statuen, wiesie einst Jürgen Klinsmann auf demTrainingsgelände des FC Bayern an-bringen ließ. „Das stimmt nicht“, korri-giert Mosetter, „denn Jürgen hatte da-mals einen Architekten beauftragt, derdie Figuren eigenmächtig aufstellte.“Die Münchner Presse habe diese Inno-vation zwar dem neuen Coach zuge-schrieben, in Wahrheit habe dieser aber

mit den Buddhas nichts am Hut gehabt.„Dementieren konnte er das zu diesemZeitpunkt aber nicht mehr, das hättenoch schlechter gewirkt“, weiß Moset-ter. Zu Beginn wurde das neue Inventarals innovativ beurteilt, als der Erfolgausblieb, wurden die dickbäuchigenSitzlinge zum Sinnbild des Scheiterns.So ist das eben. Der beste Trainer sind„drei Punkte“, wer die nicht bringt,steht schnell im Abseits.

Im Behandlungszimmer nimmt einSkelett den Platz im Eck ein, der Bau-stellenlärm dringt durch die Fenster.Mosetter trägt Polohemd, trinkt Wasser,wird von seinen Kollegen geduzt. Wermit Sportlern arbeitet, der pflegt einenlockeren Umgangston.

Klinsmann und Mosetter, seit 2008sind sie ein Team. Den damaligen Bay-ern-Coach plagte ein Bandscheiben-vorfall, bewegungsunfähig lag er imBett. Trainer-Kollege Ralf Rangnick hat-te einige Jahre zuvor das gleiche Pro-blem und bei Mosetter Hilfe gefunden.„Ich bekam einen Anruf von Ralf Rang-nick und seinem Kollegen Bernhard Pe-ters, bin dann nach München geflogenund habe Klinsmann behandelt.“ We-nig später konnte der wieder aufstehen,stellte sich sogar in die Küche, um fürden Doktor aus Konstanz zu kochen.„Biofleisch-Frikadellen, Spiegeleierund Kartoffeln“, erinnert sich Mosetter.Offensichtlich war das eine der gesün-deren Mahlzeiten des ehemaligen Fuß-ball-Stars. Auf Anraten Mosetters stelltKlinsmann die Ernährung um, Süßge-tränke und Eis fliegen in den Mülleimer,stattdessen stehen jetzt zuckerarmeFrüchte, Biofleisch, Wildfangfisch undZiegenkäse auf dem Speisezettel.

2011 wird Mosetter zum National-team der USA eingeladen, um seineMyoreflextherapie vorzustellen. „Wirwurden nicht von Jürgen engagiert, wir

mussten unsere Therapien vorstellen,die Spieler haben sich dann für uns ent-schieden“, so Mosetter. Seither gehörener und sein Mitarbeiter Niklas Alberszum Team der seit 2011 von JürgenKlinsmann trainierten US-Boys. Kriti-ker spotten, er habe als Bayern-TrainerUS-Ärzte geholt, als USA-Coach dage-gen einen Konstanzer. „Es ist egal, ob ei-ner aus Gutach oder den USA kommt –er muss seine Aufgabe optimal aus-üben. Mit Kurt Mosetter habe ich dabeinur die besten Erfahrungen gemacht“,erklärte der ehemalige Bundestrainervor wenigen Tagen in einem Interview.

Lob von Jürgen Klinsmann

Klinsmann ist es gewohnt, mit Kritikumzugehen, dass er hinter vorgehalte-ner Hand als Motivationskasper be-zeichnet wird, die taktischen Konzepte2006 einzig das Werk von Joachim Löwwaren, ärgert Mosetter. „In Deutsch-land wird ihm da unrecht getan, seineLeistungen werden nicht honoriert. Erhat Joachim Löw zum Nationalteam ge-holt, den Oliver Bierhoff und auch denAndreas Köpke. Er hatte die kreativenIdeen. Das hat vor dem Länderspielzwischen Deutschland und den USAauch Löw erklärt“, so Mosetter, denKlinsmann vor diesem Duell in Gutachund Konstanz besuchte.

Es wird Zeit. Gündogan wartet mitseinem maladen Rücken, muss abernoch etwas ausharren, bis auch dasThema Doping besprochen ist (sieheInterview). Kein Problem, Mosetterlässt sich ohnehin nicht hetzen. EinenStarbonus gibt es nicht. Der National-spieler ist ein Patient wie jeder andereauch, obwohl an dessen Gesundheits-zustand Millionen Euro und ebensoviele Erwartungen hängen. Aber einenWeißkittel sollte das nicht kümmern.Erst recht nicht, wenn er keinen trägt.

V O N D I R K S A L Z M A N N................................................

ä Jürgen Klinsmann schätzt Hilfe von Kurt Mosetter ä Konstanzer Arzt betreut Nationalteam der USAä 49-Jähriger entwickelte Myoreflextherapie

Der Mann an seiner Seite

Jürgen Klinsmann (links) und Kurt Mosetter gewannen mit dem Team USA vor wenigen Tagen den Gold-Cup. B I L D : GE S

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„Jürgen Klinsmann hattedamals einen Architektenbeauftragt, der die Figu-ren eigenmächtig auf-stellte. Die Buddhas aufdem Trainingsgeländewaren nicht seine Idee.“

Kurt Mosetter über die Buddha-Diskussionbei Klinsmanns Amtsantritt ................................................

ä Die Therapie: Bei der Myoreflex-therapie wird auf bestimmte Punkteam Körper Druck ausgeübt. Auf dieseWeise entspannen sich die Muskelnund die Schmerzen lassen nach.Wenn Fehlhaltungen, einseitige Be-lastung oder Stress zu Muskelver-spannungen führen, dann kommt eshäufig nicht nur zu lokalen Beschwer-den. Plötzlich schmerzt ein ganzanderer Körperteil, denn das kom-plexe Zusammenspiel der Muskel-gruppen ist gestört. Diesen Teufels-kreis möchte die Myoreflextherapiedurchbrechen. „Wenn das Knie

schmerzt, lasse ich es erst einmal inRuhe“, erklärt Mosetter. „Stattdessenwird die biomechanische und diebiokinematische Führung bearbeitet,die im Becken liegt.“ In Deutschlandwird die Therapie nicht von den ge-setzlichen Kassen bezahlt.ä Sportler: 2006 begann die Zusam-menarbeit mit den Bundesliga-Fuß-ballern aus Hoffenheim, inzwischensetzten viele Sportler auf die Myore-flextherapie. „Begonnen hat allesdamit, dass ich bei Ralf Rangnickeinen Bandscheibenvorfall behandel-te.“ Seit 2011 gehört er zum medizi-

nischen Team der Fußball-National-mannschaft der USA, den 4:3-Sieg derUS-Boys vergangene Woche in Bos-nien-Herzegowina musste er aber vonzu Hause aus verfolgen, da das Autodes Konstanzers auf dem Weg zumFlughafen streikte. ä Privat: Kurt Mosetter unterhältNiederlassungen in Konstanz, Köln,Herrenberg und Gutach. Der 49-Jährige ist verheiratet und lebt imRaum Konstanz. (sal)

Mehr Infos im Internet: www.myoreflextherapie.de

Kurt Mosetter und die Myoreflextherapie

Termine nur nach Vereinbarung: Praxisschildin Konstanz. B I L D : S A L Z M A N N

Kann man sich mit einem Mediziner ausFreiburg derzeit unterhalten, ohne dasThema Doping anzusprechen? Nein, deshalbhat Kurt Mosetter auch zu den Unter-suchungen, die in den vergangenen Wochenveröffentlicht wurden, Stellung bezogen.

Herr Mosetter, hat es Sie überrascht,dass in Freiburg offenbar über Jahr-zehnte Doping-Forschung betriebenwurde?Das hat mich gar nicht überrascht. Ichhabe von 1987 bis 1989 dort studiert,was damals in der sportmedizinischenAbteilung vorging, war vielen Men-schen klar.

Aber niemand hat darüber gesprochen.Warum nicht?Das war ein Tabu-Thema, aber es gab jagenügend Hinweise. Das, was im Rad-sport passierte, was da für Leis-tungssteigerungen erreicht wurden,das war auf normalem Weg nicht mög-lich.

Der Radsport steht als für Doping emp-fänglicher Ausdauersport am Pranger.Aber muss es diese Probleme nicht auchim Fußball geben, wo doch Millionen-Summen auf dem Spiel stehen? Wer abder 85. Minute schneller laufen kann,der gewinnt doch eher?Das ist schon richtig, aber im Fußballwird viel getan, da gibt es meiner Mei-nung nach ein anderes Bewusstsein.Wenn ich einem Spieler ein Medika-ment verordne, informiere ich sofortden Mannschaftsarzt und kontrollierenatürlich, dass das Medikament er-laubt ist. Importe aus Russland oderChina lehne ich generell ab. Wenn einSpieler trotzdem etwas nehmen wür-de, dann wären Verein und Arzt in derBredouille! Das ist jedem klar, da habenalle Beteiligten ein großes Verantwor-tungsbewusstsein. Ich glaube nicht,dass in der Bundesliga viel gedopt wird.

Aber es gab und gibt ja Verdächtigungenund Fakten, die Doping im Fußball nahe-legen.Ja, auf den Listen des spanischen Arz-tes Fuentes, der ja im Mittelpunkt desDoping-Skandals der Radfahrer steht,sollen auch Fußballer gestanden ha-ben. Diese Akten wurden aber ohneweitere Erklärungen geschlossen, wasich sehr bedauere. Alle sollten mit glei-chem Maß gemessen werden.

Wurden Sie jemals von Spielern wegenDopings angesprochen?Nein, das gab es noch nie. Ich wäre daaber auch der falsche Ansprechpart-ner, denn ich setze keine Spritzen, ma-che höchstens Akupunktur, aber auchdas nicht vor Spielen, um erst gar keineGedanken aufkommen zu lassen, dassso etwas mit mir möglich wäre.

Wie denken Sie über die Leistungen vonUsain Bolt, der anders als die vieleninzwischen überführten Stars der Sprin-ter-Szene nach eigenen Angaben ohneDoping auskommt, stattdessen unteranderem die in Jamaika vorkommendeJams-Wurzel als Grund für seine Leis-tungen angibt?Die Jams-Wurzel allein reicht nicht(lacht). Aber das ist das Thema derWelt-Anti-Doping-Kommission. Dennunabhängig von Usain Bolt: Das Di-lemma ist, dass einfach zu viele Sub-stanzen im Umlauf sind, die schwernachzuweisen sind. Außerdem könnenGrenzwerte systematisch durch Do-ping angesteuert werden, sodass dieDopingproben trotz der Einnahmeverbotener Substanzen negativ blei-ben. Eingeweihte wissen, wie das geht.Aber es gibt da teilweise schon – sagenwir – „wundersame Leistungen“.

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„Das war ein Tabu-Thema“

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