«Unsere Willkommenskultur - Der Arbeitsmarkt · Wie ist es zu erklären, dass jemand nach 40...

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In Basel-Stadt leben Menschen aus 160 Nationen. Damit das Zusammenleben funktioniert, empfiehlt die Stadt allen Neuzuzügern dringend, Deutsch zu lernen. Denn Sprache ist nicht nur im Alltag zentral. Angela Bryner von «Integration Basel» erklärt im Interview, warum gute Deutschkenntnisse auch auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger werden. Interview Franziska Forter Fotos Simone Gloor Frau Bryner, wie wichtig sind Deutschkenntnisse auf Frau Bryner, wie wichtig sind Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt? dem Arbeitsmarkt? Auf jeder Qualifikationsstufe sind entsprechende Deutsch- kenntnisse sehr wichtig. Ab den 1960er Jahren hat die Schwei- zer Wirtschaft Menschen aus dem Ausland geholt für unqua- lifizierte Arbeiten in der Produktion – in der Fabrik, auf dem Bau, im Gastgewerbe. Viele dieser Stellen sind mittlerweile aufgehoben oder ins Ausland verlagert. Die Erstgeneration der Zugewanderten ist heute pensioniert, invalidisiert oder arbeitslos. Letztere könnten teils durchaus andere, an- spruchsvollere Berufe ausüben, die aber Sprachkenntnisse und Weiterbildung voraussetzen. Manuelle Tätigkeiten wur- den inzwischen weitgehend automatisiert, und viele Vor- gänge sind komplizierter geworden. Ein Arbeitnehmer muss Anweisungen verstehen und sich weiterbilden können. Des- wegen brauchen auch Leute, die schon lange hier leben, gute Deutschkenntnisse. Warum soll denn eine Putzfrau, die schon lange hier Warum soll denn eine Putzfrau, die schon lange hier arbeitet, besser Deutsch können? arbeitet, besser Deutsch können? Wenn sie einen Job hat und mit den Arbeitsabläufen vertraut ist, könnte sie auch ohne Deutschkenntnisse auskommen. Wenn sie sich aber beruflich verändern möchte oder die Stelle verliert, wird sie Schwierigkeiten bekommen. Basel bietet auch niederschwellige Kurse nach «infor Basel bietet auch niederschwellige Kurse nach «infor- mellen Methoden» an. Was muss man sich darunter mellen Methoden» an. Was muss man sich darunter vorstellen? vorstellen? Für die ersten Generationen Zugewanderter gab es «Integra- tion» noch nicht, ja es gab nicht einmal diesen Begriff. Män- ner wie Frauen hatten neben der oft harten Arbeit ohnehin kaum Kapazitäten, sich weiterzubilden. Ab den 1990er Jah- ren, als andere Migrantengruppen und Flüchtlinge kamen, waren es vor allem bildungsungewohnte Hausfrauen und Mütter, die auf der Strecke blieben. Damals kamen zwei junge Studentinnen auf die Projektidee, das Wissen dorthin zu bringen, wo sich die Migrantinnen mit ihren Kindern tagsüber aufhalten, nämlich in die öffentlichen Parks. So entstand «Lernen im Park»: Während die Kinder spielen, sitzen die Frauen im Kreis und lernen Alltagsdeutsch. Dieses innovative Projekt gibt es seit 1998, es ist immer noch sehr beliebt und wird mittlerweile in drei Parks durchgeführt, im Winter drinnen. Gegenwärtig besuchen über hundert Frauen die Deutschkurse «im Park». Gibt es auch berufsspezifische Deutschkurse? Gibt es auch berufsspezifische Deutschkurse? Es gibt Deutschkurse, die speziell auf die Geschäftssprache oder auf bestimmte Berufe, zum Beispiel Pflegeberufe, aus- gerichtet sind. Dort lernen die Teilnehmenden neben Alltags- deutsch speziell medizinisches Vokabular. Das Projekt «Put- zen Sie Deutsch» richtet sich an Personen aus dem Reini- gungsgewerbe und vermittelt neben Deutschkenntnissen auch Wissen über Arbeitsgesundheit und Ergonomie. Arbeitswelt SPRACHE UND INTEGRATION AM BEISPIEL VON BASEL-STADT «Putzen Sie Deutsch» 6 1/2 I 2012 der arbeitsmarkt

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In Basel-Stadt leben Menschen aus 160 Nationen. Damit das Zusammenleben funktioniert, empfiehlt die Stadt allen Neuzuzügern dringend, Deutsch zu lernen. Denn Sprache ist nicht nur im Alltag zentral. Angela Bryner von «Integration Basel» erklärt im Interview, warum gute Deutschkenntnisse auch auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger werden.

Interview Franziska Forter Fotos Simone Gloor

Frau Bryner, wie wichtig sind Deutschkenntnisse auf Frau Bryner, wie wichtig sind Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt?dem Arbeitsmarkt?

Auf jeder Qualifikationsstufe sind entsprechende Deutsch­kenntnisse sehr wichtig. Ab den 1960er Jahren hat die Schwei­zer Wirtschaft Menschen aus dem Ausland geholt für unqua­lifizierte Arbeiten in der Produktion – in der Fabrik, auf dem Bau, im Gastgewerbe. Viele dieser Stellen sind mittlerweile aufgehoben oder ins Ausland verlagert. Die Erstgeneration der Zugewanderten ist heute pensioniert, invalidisiert oder arbeitslos. Letztere könnten teils durchaus andere, an­spruchsvollere Berufe ausüben, die aber Sprachkenntnisse und Weiterbildung voraussetzen. Manuelle Tätigkeiten wur­den inzwischen weitgehend automatisiert, und viele Vor­gänge sind komplizierter geworden. Ein Arbeitnehmer muss Anweisungen verstehen und sich weiterbilden können. Des­wegen brauchen auch Leute, die schon lange hier leben, gute Deutschkenntnisse.

Warum soll denn eine Putzfrau, die schon lange hier Warum soll denn eine Putzfrau, die schon lange hier arbeitet, besser Deutsch können?arbeitet, besser Deutsch können?

Wenn sie einen Job hat und mit den Arbeitsabläufen vertraut ist, könnte sie auch ohne Deutschkenntnisse auskommen. Wenn sie sich aber beruflich verändern möchte oder die Stelle verliert, wird sie Schwierigkeiten bekommen.

Basel bietet auch niederschwellige Kurse nach «inforBasel bietet auch niederschwellige Kurse nach «infor--mellen Methoden» an. Was muss man sich darunter mellen Methoden» an. Was muss man sich darunter vorstellen? vorstellen?

Für die ersten Generationen Zugewanderter gab es «Integra­tion» noch nicht, ja es gab nicht einmal diesen Begriff. Män­ner wie Frauen hatten neben der oft harten Arbeit ohnehin kaum Kapazitäten, sich weiterzubilden. Ab den 1990er Jah­ren, als andere Migrantengruppen und Flüchtlinge kamen, waren es vor allem bildungsungewohnte Hausfrauen und Mütter, die auf der Strecke blieben. Damals kamen zwei junge Studentinnen auf die Projektidee, das Wissen dorthin zu bringen, wo sich die Migrantinnen mit ihren Kindern tagsüber aufhalten, nämlich in die öffentlichen Parks. So entstand «Lernen im Park»: Während die Kinder spielen, sitzen die Frauen im Kreis und lernen Alltagsdeutsch. Dieses innovative Projekt gibt es seit 1998, es ist immer noch sehr

beliebt und wird mittlerweile in drei Parks durchgeführt, im Winter drinnen. Gegenwärtig besuchen über hundert Frauen die Deutschkurse «im Park».

Gibt es auch berufsspezifische Deutschkurse?Gibt es auch berufsspezifische Deutschkurse?Es gibt Deutschkurse, die speziell auf die Geschäftssprache oder auf bestimmte Berufe, zum Beispiel Pflegeberufe, aus­gerichtet sind. Dort lernen die Teilnehmenden neben Alltags­deutsch speziell medizinisches Vokabular. Das Projekt «Put­zen Sie Deutsch» richtet sich an Personen aus dem Reini­gungsgewerbe und vermittelt neben Deutschkenntnissen auch Wissen über Arbeitsgesundheit und Ergonomie.

Arbe i tswel t

S p r a c h e u n d I n t e g r at I o n a m B e I S p I e l v o n B a S e l - S ta d t

«Putzen Sie Deutsch»

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1/2 I 2012derarbeitsmarkt

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Angela Bryner,Angela Bryner, Juristin

und Mediatorin, arbeitet seit 1998

bei «Integration Basel», mit den

Schwerpunkten Diskriminierungs-

schutz, Recht, Arbeit, Soziales

und Projektleitung «Willkommen».

Von 1991 bis 1998 war sie stell-

ver tretende Vorsteherin des

Einwohner- und Migrationsamts.

Zwischen 1983 und 1991 arbeitete

sie in der Privatwirtschaft als

akademische Mitarbeiterin. Angela

Bryner lebt in Basel. In der Freizeit

engagiert sie sich im sozialen

Bereich, reist viel, taucht und

lernt gerne Sprachen, neben

europäischen Sprachen Kisuaheli

und aktuell Arabisch.

«Unsere Willkommenskultur ist für Basel bezeichnend.»

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Arbe i tswel t

Sollen auch sogenannte Elitemigranten Deutsch lernen?Sollen auch sogenannte Elitemigranten Deutsch lernen?Alle fremdsprachigen Menschen, die in Basel Wohnsitz nehmen, werden an unserer Begrüssungsveranstaltung für Neuzuzüger ermuntert, Deutsch zu lernen – dazu gehören selbstverständlich auch die sogenannten Hochqualifizierten. Da diese einen grossen Bildungsrucksack mitbringen, möch­ten wir ihr Potenzial für die Basler Gesellschaft nutzen.

Viele Expats bringen die Vorstellung mit, dass alle Leute Englisch sprechen. Sie kommen selten von sich aus auf die Idee, eine andere Sprache zu lernen. Die grossen Basler Pharmabetriebe bieten ihren Mitarbeitenden und auch deren

Migranten hatte für solche Situationen ihre Deutsch sprechen ­ den Kinder zum Übersetzen dabei. Diese Rollenumkehrung finde ich problematisch.

Ist der Sprachlevel ein Messgrad für Integration überIst der Sprachlevel ein Messgrad für Integration über--haupt? haupt?

Auch wenn eine Person sich im Alltag verständigen kann, heisst das noch nicht, dass sie integriert ist. Integration heisst auch Selbständigkeit und Unabhängigkeit – vom Ehemann, von der Ehefrau, von den Kindern, von der Amtsstelle, vom Übersetzungsbüro oder von der Beratungsstelle. Man sollte wahrnehmen und einordnen können, was um einen herum passiert, sich dafür interessieren, wie die Gesellschaft funk­tioniert, in der man nun lebt. Zu glauben, man bleibe nur kurze Zeit in einer neuen Umgebung, erweist sich meist als Illusion, oft wird daraus das halbe Leben. Das belegen die Zahlen und die jüngste Geschichte deutlich.

Das Basler Integrationsmodell markierte Ende der Das Basler Integrationsmodell markierte Ende der 1990er Jahre einen Kurswechsel in der Migrationspolitik. 1990er Jahre einen Kurswechsel in der Migrationspolitik. Was ist das Besondere an diesem Modell?Was ist das Besondere an diesem Modell?

In Basel ist die Zahl der Nichtschweizer in den letzten Jahr­zehnten stark gestiegen, weil die Wirtschaft gewachsen ist. Als Grenzstadt sind wir ein erfolgreicher, beliebter Wirtschafts­standort, haben aber auch Probleme, die andere Städte weni­ger betreffen. In Basel leben heute Menschen aus 160 Natio­nen, die Welt ist bei uns zu Hause. Das bedeutet eine grosse Chance, ist jedoch auch eine Herausforderung für alle. Das Zusammenleben funktioniert nur, wenn wir nach den glei­chen Spielregeln miteinander umgehen. Dafür brauchen wir eine Sprache, und das ist Deutsch. Daher werden alle Fremd­sprachigen, die nach Basel ziehen, von Anfang an dazu ange­halten, Deutsch zu lernen – unabhängig von Bildung, Her­kunft, Alter oder Geschlecht. Die Stadt Basel bietet Deutsch­kurse für verschiedenste Niveaus an, von der Alphabetisierung in unserer Schrift bis zum Goethediplom. Es gibt Angebote für alle intellektuellen und finanziellen Möglichkeiten.

Wie werden diese Angebote genutzt?Wie werden diese Angebote genutzt?Im laufenden Jahr sind über 7000 Personen ohne Schweizer Pass zugezogen. Neben den zirka 2700 Deutschen kann jedoch ein beachtlicher Teil der Zugezogenen bereits gut bis sehr gut Deutsch, weil sie in einem deutschsprachigen Land gelebt oder in ihrer Heimat Deutsch gelernt haben. Von den nicht Deutsch Sprechenden besuchen zirka 40 Prozent einen der subventionierten Kurse und zirka 20 Prozent einen ande­ren Deutschkurs. Das Interesse an diesen Angeboten hat in den letzten Jahren laufend zugenommen.

Ist das Modell speziell auf eine Stadt wie Basel ausgeIst das Modell speziell auf eine Stadt wie Basel ausge--richtet? richtet?

Nicht unbedingt. Es wurde auch von anderen Schweizer Städ­ten und Gemeinden erfolgreich übernommen, und es ist dem Ansatz nach auch in die Bundesgesetzgebung eingeflossen. Als Stadtkanton haben wir aber den Vorteil, schnell handeln und reagieren zu können, weil die Wege zwischen den Insti­tutionen kurz sind und weil Politik, Wirtschaft und Private unsere Arbeit unterstützen.

Wie erreichen Sie die fremdsprachigen Migranten?Wie erreichen Sie die fremdsprachigen Migranten?Wir laden alle neu Zugezogenen zur Begrüssungsveranstal­tung «Willkommen in Basel» ins Rathaus ein. Diese Willkom­menskultur ist uns sehr wichtig, sie ist für Basel bezeich­nend. Alle haben ein Interesse daran, zu erfahren, wie das

Angehörigen die Möglichkeit, Deutschkurse zu besuchen. Auch firmenintern beginnt man umzudenken. So ist die Umgangssprache im Laborbereich nicht mehr automatisch Englisch, sondern Deutsch. Die ausländischen Vorgesetzten müssen also Deutsch lernen. Dadurch sind Produktivität und Motivation der Teams beispielsweise bei Novartis erheblich gestiegen.

Was unternimmt die Wirtschaft zur Sprachförderung? Was unternimmt die Wirtschaft zur Sprachförderung?Auch die Unternehmen müssen in die Pflicht genommen werden. Das kantonale Integrationsgesetz Basel­Stadt von 2008 enthält einen Passus, der die Verpflichtungen der Arbeitgeber festhält. So sollen Arbeitgeber ausländische Angestellte über Angebote zur Integrationsförderung informieren und den Besuch von Sprach­ und Integrationskursen im Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern. «Integration Basel» und andere zu­ständige Stellen unterstützen die Arbeitgeberschaft dabei.

Die Firmen schicken ihre Angestellten einfach zur Die Firmen schicken ihre Angestellten einfach zur öffentlichen Hand? öffentlichen Hand?

Der Kanton subventioniert zahlreiche Deutsch­ und Integra­tionskurse und kommuniziert die Angebote. Grössere Unter­nehmen bieten selbst Sprachkurse an. Das sind eigene Initia­tiven auf freiwilliger Basis. Gut ausgebildete, sprachkompe­tente Mitarbeitende sind ein Vorteil für jeden Arbeitgeber. Das haben viele erkannt. Es lohnt sich für Firmen, die Teams möglichst vielfältig zusammenzusetzen. Die Kommunika­tion wird zwar anspruchsvoller, aber Diversität bei den Mit­arbeitenden steigert die Innovationskraft und die Motivation.

Was geschieht, wenn jemand sich weigert?Was geschieht, wenn jemand sich weigert?Wir erleben äusserst selten, dass jemand unseren Empfeh­lungen nicht Folge leistet. Motivation ist das Wichtigste, Zwang ist schlecht. Gemäss dem Basler Motto «Fördern und fordern» heisst fördern, die Angebote bereitzustellen. For­dern bedeutet, die Erwartungen an die Migrationsbevölke­rung zu kommunizieren. Wer mit dem Gesetz in Konflikt gerät, das Alltagsleben sprachlich nicht bewältigt oder sich nicht selbst finanzieren kann, wird vom Migrationsamt als zuständiger Amtsstelle zu einem Gespräch eingeladen. Seit 2008 bietet das Ausländerrecht die Möglichkeit, Integrations­vereinbarungen zu treffen.

Wann ist jemand sprachlich integriert?Wann ist jemand sprachlich integriert?Sprachlich integriert ist, wer sich im Alltag verständigen kann. Man sollte kommunizieren können – sei es mit der Kioskfrau, dem Pöstler oder auf Ämtern. Stellen Sie sich vor, Sie müssen aufs Fundbüro und können den verlorenen Gegenstand nicht beschreiben. Oder Sie wollen im Super­markt einen «Bebbi­Sack» kaufen, den amtlichen Abfallsack, können sich nicht verständigen, und die Schlange an der Kasse wird hinter Ihnen immer länger. Die erste Generation

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«Motivation ist das Wichtigste, Zwang ist schlecht.»

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Arbe i tswel t

Leben hier funktioniert. Sie erhalten aus erster Hand die wichtigsten Informationen zum Schul­, Steuer­ und Sozial­versicherungssystem sowie Nützliches aus den Bereichen Freizeit, Kultur und Beratung. Wir betonen dabei, dass Spra­che der Schlüssel zur Integration ist, und legen ausnahmslos allen Personen nichtdeutscher Muttersprache nahe, Deutsch zu lernen. Es wird stets auch ein VIP eingeladen, ein «Vor­zeigemigrant», der den Anwesenden aus seinem eigenen Integrationsprozess berichtet. Fremdsprachige erhalten zu­dem innerhalb der ersten drei Monate nach ihrem Zuzug eine persönliche Einladung für einen Deutsch­ und Integra­tionskurs. Dieses Jahr haben zirka 600 Personen diese speziell

« I n t e g r a t I o n B a S e« I n t e g r a t I o n B a S e l »

RIcHtunGSWEISEnDRIcHtunGSWEISEnD Das Basler Integrationsmodell richtet

sich nach dem Grundsatz «Fördern und fordern – vom ersten

Tag an, verbindlich». Es bedeutet Fördermassnahmen für

Migranten, die sich integrieren wollen, aber auch deren

Verpflichtung zur Mitarbeit. Das Leitbild wurde 1999 von der

Ethnologin Rebekka Ehret erarbeitet und wird in aktuali­

sierter Form von der Fachstelle Diversität und Integration

umgesetzt. Das Basler Modell stellte einen Richtungswech­

sel in der Migrationspolitik dar. Es verabschiedet sich vom

klassischen Defizitansatz und richtet sich stattdessen nach

dem Potenzialansatz, der sich an den Fähigkeiten und

Ressourcen von Migranten orientiert. Mehrsprachigkeit und

kulturelle Vielfalt sind solche Ressourcen, und sie sollen

der ganzen Gesellschaft zugutekommen. 2001 stimmte der

Basler Grosse Rat dem Leitbild zu. Es wurde in der Folge von

weiteren Schweizer Städten und Gemeinden übernommen.

REoRGAnISAtIonREoRGAnISAtIon Im Rahmen einer Reorganisation im

Jahr 2011 wurde «Integration Basel» zur Fachstelle Diver­

si tät und Integration, die dem Präsidialdepartement

unterstellt ist. Seit Juni 2011 ist Nicole von Jacobs deren

Leiterin. Von Jacobs war viele Jahre als Personalleiterin und

Trainings managerin in internationalen Firmen tätig, zuletzt

bei Novartis in Basel. Durch ihre Berufserfahrung und auch

als gebürtige Deutsche kennt sie die Sicht von Expats aus

eigener Anschauung. ff

www.welcome-to-basel-bs.ch www.deutsch-integration.bs.ch

Fördern und fordern

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«Auch Leute, die schon lange hier leben, brauchen

gute Deutschkenntnisse.»konzipierten Kurse besucht. Es braucht Mut, seine Heimat zu verlassen, und diese Menschen bringen viel Begeisterung, Energie und Freude mit – das muss man sofort aufgreifen. Jemanden zum Deutschlernen zu motivieren, der schon 20 Jahre da ist, ist viel schwieriger.

Wie ist es zu erklären, dass jemand nach 40 Jahren in der Wie ist es zu erklären, dass jemand nach 40 Jahren in der Schweiz kaum ein Wort Deutsch spricht? Schweiz kaum ein Wort Deutsch spricht?

Diese Menschen funktionieren zwar, aber integriert sind sie meist nicht, auch wenn sie arbeiten und die Gesetze respek­tieren. Sie bewegen sich in ihren eigenen Netzwerken. In Basel gibt es beispielsweise 200 italienische Fussballklubs, eigene Kindergärten und ganze Liegenschaften, in denen nur eine Sprachgruppe lebt. Die Produkte im Supermarkt sind in drei Sprachen angeschrieben, auch damit besteht keine Dringlichkeit, die lokale Sprache zu lernen. Diese Migranten, viele ursprünglich Saisonniers, hatten die Illusion, dass sie bald in die Heimat zurückkehren würden. Sie sind mittler­weile im AHV­Alter, und die alten Netzwerke zerfallen zuse­hends. Wer im Alter Pflege in Anspruch nehmen muss, wird unweigerlich Probleme haben. Inzwischen gibt es im Bürger­spital Basel eine Alterswohngruppe für Menschen aus dem Mittelmeerraum.

Sind wir Schweizer selber schuld an mangelhafter Sprach -Sind wir Schweizer selber schuld an mangelhafter Sprach - integration, weil wir den Hang haben, uns sprachlich integration, weil wir den Hang haben, uns sprachlich anzupassen? anzupassen?

Das ist sicher ein Aspekt. Wir meist mehrsprachigen Schwei­zerinnen und Schweizer sprechen mit Fremdsprachigen ger­ne in deren Muttersprache, wenn wir können. Das beklagen auch viele Expats: Wenn sie versuchen, sich mit Nachbarn deutsch zu unterhalten, schwenken diese sofort auf Englisch oder Französisch um. Bei Deutschen packen wir sofort unser «Deutsch fédéral» aus, auch wenn die Betreffenden problem­los Schweizerdeutsch verstehen.

Was könnten wir Schweizer im Alltag tun, um Deutsch Was könnten wir Schweizer im Alltag tun, um Deutsch Lernende zu unterstützen?Lernende zu unterstützen?

Wir sollten nach Möglichkeit versuchen, mit ihnen konse­quent deutsch zu sprechen. Das braucht Geduld, weil die Kommunikation langsamer und schwieriger wird. Umgekehrt sollen Fremdsprachige – das können auch Romands oder Tessinerinnen sein – uns sagen, dass wir bitte hochdeutsch mit ihnen sprechen sollen. n