Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am...

18
1 UNTERRICHTSMATERIAL RIO+20 Green Economy - Wie grün ist die Wasserkraft in Amazonien? Skizze eines globalen Konfliktfelds mit Hilfe von sechs Jugendlichen Zielsetzung: Das Thema Green Economy soll am Beispiel der Wasserkraft in Brasilien kritisch durchleuchtet werden. In Brasilien streiten Befürworter und Gegner über den Bau von neuen (Groß-)Kraftwerken im Amazonasraum. Das Beispiel des Staudamms Belo Monte nimmt durch fiktive Personen mit realen Argumenten Gestalt an. Die Jungendlichen lernen, wie der Staudammbau und die damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen mit unserer Lebensweise und unseren Konsumgewohnheiten verknüpft sind. Auf der UN-Konferenz von Rio im Juni 2012 wird es u.a. um Nachhaltige Entwicklung und Green Economy als Lösungsmodell gehen. Da dieses internationale Treffen in Brasilien stattfindet und von der brasilianischen Politik Wasserkraft als saubere Energieform dargestellt wird, stellen wir die Frage: Wie grün ist die Wasserkraft in Amazonien? Um die unterschiedlichen Argumente kennenzulernen, stellen vier Jugendliche aus Brasilien und zwei aus Deutschland in Portraits ihren persönlichen Bezug zum Thema her. Vielleicht sogar, ohne dies zu wissen. Zeitlicher Umfang und Zielgruppe: Das Material ist für einen Projekttag geeignet oder auch für eine Unterrichtsreihe, die zwei bis drei Doppelstunden umfasst. Es kann im Unterricht in den Fächern Politik, Geographie und Ethik/Religion zum Einsatz kommen. Vorstellbar ist auch die Anwendung in außerschulischen Gruppen (Konfirmandenunterricht, Vorbereitung auf Auslandseinsätze, etc.). Die Zielgruppe sollte mindestens 14 Jahre alt sein. Inhalt der Mappe: 1. Kurzvideo „Countdown am Xingu“ (10 Minuten, 2011), von Martin Keßler 2. 6 laminierte Fotos von Orten in Brasilien und Deutschland 3. 6 laminierte Personenportraits von Jugendlichen in Brasilien und Deutschland 4. 1 laminierte Übersicht der geplanten Wasserkraftwerke in Brasilien 5. 1 laminiertes Bild der Kampagne: „Stoppt Belo Monte“ der Bewegung „Xingu vivo para sempre“ 6. 1 Leporello: Rio+20 Green Economy – eine marktwirtschaftliche Ökoillusion? 7. 1 Heft mit Hintergrundinformationen: Wald-Handel fürs Klima? (s.S. 58 – 63) 8. 1 Übersicht zu Engagement und weiteren Informationen zu Belo Monte

Transcript of Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am...

Page 1: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

1

UNTERRICHTSMATERIAL RIO+20

Green Economy - Wie grün ist die Wasserkraft in Amazonien? Skizze eines

globalen Konfliktfelds mit Hilfe von sechs Jugendlichen

Zielsetzung:

Das Thema Green Economy soll am Beispiel der Wasserkraft in Brasilien kritisch durchleuchtet werden. In Brasilien streiten Befürworter und Gegner über den Bau von neuen (Groß-)Kraftwerken im Amazonasraum. Das Beispiel des Staudamms Belo Monte nimmt durch fiktive Personen mit realen Argumenten Gestalt an. Die Jungendlichen lernen, wie der Staudammbau und die damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen mit unserer Lebensweise und unseren Konsumgewohnheiten verknüpft sind.

Auf der UN-Konferenz von Rio im Juni 2012 wird es u.a. um Nachhaltige Entwicklung und Green Economy als Lösungsmodell gehen. Da dieses internationale Treffen in Brasilien stattfindet und von der brasilianischen Politik Wasserkraft als saubere Energieform dargestellt wird, stellen wir die Frage: Wie grün ist die Wasserkraft in Amazonien?

Um die unterschiedlichen Argumente kennenzulernen, stellen vier Jugendliche aus Brasilien und zwei aus Deutschland in Portraits ihren persönlichen Bezug zum Thema her. Vielleicht sogar, ohne dies zu wissen.

Zeitlicher Umfang und Zielgruppe:

Das Material ist für einen Projekttag geeignet oder auch für eine Unterrichtsreihe, die zwei bis drei Doppelstunden umfasst. Es kann im Unterricht in den Fächern Politik, Geographie und Ethik/Religion zum Einsatz kommen. Vorstellbar ist auch die Anwendung in außerschulischen Gruppen (Konfirmandenunterricht, Vorbereitung auf Auslandseinsätze, etc.). Die Zielgruppe sollte mindestens 14 Jahre alt sein.

Inhalt der Mappe:

1. Kurzvideo „Countdown am Xingu“ (10 Minuten, 2011), von Martin Keßler 2. 6 laminierte Fotos von Orten in Brasilien und Deutschland 3. 6 laminierte Personenportraits von Jugendlichen in Brasilien und Deutschland 4. 1 laminierte Übersicht der geplanten Wasserkraftwerke in Brasilien 5. 1 laminiertes Bild der Kampagne: „Stoppt Belo Monte“ der Bewegung „Xingu vivo para sempre“ 6. 1 Leporello: Rio+20 Green Economy – eine marktwirtschaftliche Ökoillusion? 7. 1 Heft mit Hintergrundinformationen: Wald-Handel fürs Klima? (s.S. 58 – 63) 8. 1 Übersicht zu Engagement und weiteren Informationen zu Belo Monte

Page 2: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

2

Didaktisches Vorgehen:

Als Einstieg liefert das Video „Countdown am Xingu“ grundlegende Informationen.

Es sollten Landkarten von Deutschland und Brasilien vorhanden sein, um die Orte kennzeichnen zu können. Die Übersichtskarte zu geplanten Wasserkraftwerken in Brasilien und das Kampagnen-Bild werden ebenfalls aufgehängt.

Die Gruppe wird in sechs Kleingruppen eingeteilt: Dazu werden im Klassenraum die Portraits der Jugendlichen aufgehängt. (Je eine DIN A 4 Seite) Um die Kleingruppeneinteilung vorzunehmen, werden aus den (vorher kopierten) Fotos der Orte Puzzleteile in der Anzahl der gewünschten Kleingruppengröße hergestellt. JedeR Jugendliche erhält ein Puzzleteil. Zusammengesetzt ergeben die Puzzleteile sechs Bilder (und damit sechs Gruppen), aus denen jeweils ein Protagonist zum Thema Rio+20/Green Economy stammt. Die Kleingruppen ordnen sich nun über ihr Stadt-Puzzelbild den Personen zu und bearbeiten diese in Folge.

Bilder der Orte und Städte:

1) Altamira, Kleinstadt am Rio Xingu, Brasilien, Tropischer Regenwald 2) São Paulo, moderne brasilianische Großstadt 3) Rio de Janeiro, Favela Rocinha und Panoramaansicht; siehe Vorder- und Rückseite 4) Kayapó, traditionelle Hütte, Leben zwischen Tradition und Moderne 5) Heidenheim, Deutschland; Kleinstadt und Sitz des Turbinenlieferanten Voith Hydro 6) Frankfurt a.M. mit Flughafen

Die Fotos stammen u.a. von: Jan Egil Kirkebø, Tobias Schmitt, Antonio Cruz und Helmut Weiß.

Portraits der Jugendlichen:

1) Marta aus Altamira, Brasilien 2) Paula aus São Paulo, Brasilien 3) Tiago aus Rio de Janeiro, Brasilien 4) Irêo Kayapó vom Rio Xingu, Brasilien 5) Kathi aus Heidenheim, Deutschland 6) Alex aus Frankfurt am Main, Deutschland

An den Texten haben mitgewirkt: Gislene de Lima-Kamp, Nina Kett, Sabine Reiter, Elisabeth Bolda, Silja Helber und Uta Grunert.

Page 3: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

3

Für das weitere Vorgehen sind verschiedene Möglichkeiten zur Arbeit mit

dem Material vorstellbar. Je nach zeitlichem Spielraum können auch nur einzelne Bausteine umgesetzt werden:

• Die SchülerInnen arbeiten aus ihrem jeweiligen Personenportrait mit Hilfe der Landkarten die Argumente heraus, die zum Stichwort Rio+20/Green Economy (muss vorher eingeführt worden sein) und Energiegewinnung/Wasserkraft/Aluminiumherstellung gehören.

• Die SchülerInnen stellen ihre Figur der Gruppe vor. Sie dürfen die Figur auch erweitern, indem sie eigene Argumente hinzufügen.

• Was haben die SchülerInnen mit den Ressourcen Energie; Aluminium; Tropenwald; Wasserkraft zu tun?

• Entwurf einer Mindmap, die die sechs Figuren in einen Zusammenhang bringt. Worüber stehen sie miteinander in Beziehung?

• Was ist Nachhaltige Entwicklung für die SchülerInnen?

• Kennen die SchülerInnen vergleichbare Großprojekte hier in Deutschland?

• Welche Handlungsspielräume haben die Jugendlichen aus den Portraits in dem Entwicklungsvorhaben und Ressourcenkonflikt?

• Die Jugendlichen entwerfen eigene Kampagnen-Plakate zum Thema

• Abschließend bietet sich eine Debatte der Figuren an oder auch ein Protestbrief an einen politischen Entscheidungsträger oder ein Wirtschaftsunternehmen.

Page 4: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 5: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 6: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 7: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 8: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 9: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 10: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 11: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 12: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von
Page 13: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

Altamira

Ich heiße Marta, bin 14 Jahre alt und lebe in der Stadt Altamira am Rio Xingu. Das ist ein großer Amazonaszufluss in Brasilien. Meine Stadt hat 100.000 Einwohner und ist zum Teil auf Stelzen gebaut, weil bei uns das Wasser ganz schnell ansteigen kann. Für uns alle ist der Fluss ein Teil unseres Lebens, er gibt uns zu essen und zu trinken, er bringt uns auf dem Wasserweg zu anderen Orten und Menschen. Und er war immer schon da. Leider ist er nun in Brasilien oder sogar in anderen Teilen der Welt gerade dadurch bekannt geworden, dass hier das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt gebaut werden soll. Meine Eltern sagen, der Fluss Xingu soll zu einem künstlichen See aufgestaut werden. Über die Hälfte des Wassers soll in zwei Betonkanäle zu den Turbinen abgeleitet werden, wo dann der Strom produziert wird. An anderen Orten des Flusslaufs werden sie deswegen fast gar kein Wasser mehr haben. Ich wache jeden Morgen um 6 Uhr auf, wenn es hell wird. Bei uns ist es das ganze Jahr über warm und es wird jeden Tag zur gleichen Zeit hell. Ich wohne übrigens mit meinen Eltern und meinen 4 Geschwistern in einer kleinen Hütte am Rande der Stadt. Zum Frühstück gibt es bei uns normalerweise stark gesüßten Kaffee, auch für meine kleineren Geschwister, und einen Careca, eine Art Brötchen mit Butter. Manchmal kocht meine Mutter auch Maisbrei. Mein Vater hat keine feste Arbeit. Oft hilft er meinem Onkel, der ein Boot hat und vom Fischfang lebt. Dafür bekommt er ein wenig Geld. Meine Mutter arbeitet in einem Supermarkt. Leider nicht als Verkäuferin, sondern sie hilft den Leuten an der Kasse beim Einpacken ihrer Waren in Plastiktüten. Wir haben wenig Geld, kommen aber so über die Runden. Vormittags gehe ich zur Schule, so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause mitzuhelfen. Die Schule macht mir sehr viel Spaß, nur oft bin ich müde, weil ich erst am Abend dazu komme, meine Hausaufgaben zu machen. Zum Spielen habe ich fast nie Zeit. Der neue Staudamm Belo Monte macht mir Angst. Denn er wird nicht nur den Fluss verändern und einen Teil meiner Stadt überfluten. Er wird auch so viel Strom liefern, dass große energiehungrige Industriebetriebe hier um Altamira herum entstehen. Für den Bau sind schon jetzt viele fremde Arbeiter in meine Stadt gekommen. Viele verhalten sich schlecht und ich traue mich oft nicht mehr, nachmittags alleine auf die Straße zu gehen. Vor ein paar Wochen kam ein Mann zu meinem Vater und erklärte ihm, dass wir in einem Jahr wegziehen müssen. Denn im Boden, wo jetzt unsere Hütte steht, wurde Bauxit gefunden. Das ist der Rohstoff für Aluminium, ein wertvolles, leichtes Metall. Mit dem Strom von Belo Monte soll Aluminium in einer großen Fabrik in der Nähe von Altamira hergestellt werden. Du fragst vielleicht, warum sie uns einfach wegschicken können von unserem Land? Wir haben keine Urkunde, die besagt, dass das Land uns gehört. Das geht hier in der Region vielen Menschen so. Der Fabrikbesitzer der Aluminiumfirma Alcoa hat so eine Urkunde. Wo sollen wir denn dann hin? Meine Familie lebt schon seit mehreren Generationen hier und nun sollen wir das alles verlassen? Was bleibt uns dann? Meine Eltern reden davon, dass wir kämpfen müssen. Es gibt schon eine ganze Gruppe von Menschen, die den Staudamm nicht wollen. Menschen aus Brasilien und anderen Ländern kämpfen in einem Bündnis für die Rechte von Bevölkerung und Natur hier am Rio Xingu. Vielleicht haben wir ja zusammen mit anderen noch eine Chance, das Monsterprojekt – wir nennen es hier tatsächlich „Belo Monstro“ – noch aufzuhalten.

Page 14: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

São Paulo Ich heiße Paula, bin 16 Jahre alt und gehe in die Mittelstufe. Ich wohne in São Paulo – der größten Stadt Brasiliens und der bevölkerungsreichsten des amerikanischen Kontinents. São Paulo ist die sechstgrößte Stadt unseres Planeten und seine Metropolregion – mit ungefähr 20 Millionen Einwohnern – ist das viertgrößte städtische Ballungsgebiet der Welt. Obwohl die Stadt voller Verkehr und auch voller Menschen ist – z.B. in Shopping-Centern, Supermärkten, Kinos und Bars – lebe ich gerne hier. São Paulo pulsiert und ist voller Leben. Es gibt keinen Stillstand und für jeden Geschmack und jedes Alter findet sich hier etwas. Ich liebe das, weil ich ein echter Stadtmensch bin. Ich wohne mit meinem jüngsten Bruder bei meinen Eltern. Meine Mutter ist Chemielehrerin an meiner Schule und mein Vater leitet die Finanzabteilung des Aluminiumherstellers Alcoa. Obwohl unser Wohnviertel an den Firmensitz meines Vaters angrenzt, braucht er manchmal vierzig Minuten für den Arbeitsweg. Darum läßt sich mein Vater gern von seinem Chauffeur mit dem Dienstwagen abholen – so kann er während der Fahrt wichtige Telefongespräche führen und die Zeit sinnvoll nutzen. Er macht dann sogar Videokonferenzen im Auto. Mir gefällt das, weil ich auch ein Fan von moderner Kommunikation bin, mein iPod ist schließlich mein liebstes Hobby. Mit dem kann ich fast alles machen! Ich benutze ihn unterwegs und überall. Das ist einfach ein Supergerät. In meiner Freizeit gehe ich am liebsten mit meinen Freundinnen in die Disko. Unser Lieblingsclub ist das Blackout. Da treffen sich fast immer alle Leute aus der Schule. Blackout gefällt mir allerdings nur als Name für eine Disko. Die Vorstellung, ohne Elektrizität zu sein, ist der Horror für mich. Vor einem halben Jahr gab es einen mehr als vierstündigen Stromausfall in elf brasilianischen Staaten, zu denen natürlich auch São Paulo gehörte. Das war schrecklich, ich dachte, ich würde durchdrehen, weil ich ohne Internetzugang nichts von dem tun konnte, was ich geplant hatte. Die Stadt war ein einziges Chaos und die beste Lösung für uns war, sehr früh ins Bett zu gehen. Am nächsten Tag diskutierten wir den Vorfall in der Physikstunde. Im Fernsehen wurde berichtet, dass der Stromausfall auf einen Fehler im Wasserkraftwertk Itaipú zurückzuführen war – Itaipú versorgt Brasilien zu 20% mit Energie! Einige aus meiner Klasse haben danach im Internet gelesen, dass der Stromausfall eine Sabotageaktion unserer Regierung gewesen sei, um die öffentliche Meinung für den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte zu beeinflussen. Tja... mit oder ohne Stromausfall, ich bin jedenfalls für den Bau dieses neuen Großkraftwerks. Erstens liefert es Energie aus Wasserkraft, also erneuerbare Energie, grüne Energie! Zweitens ist es doch unvorstellbar, dass ein Land wie Brasilien, mit einem derart hohen Wachstum, das Risiko weiterer Stromausfälle in Metropolen und Produktionsstätten in Kauf nehmen soll. Mein Vater sagt immer, dass ohne den Ausbau der Stromversorgung die Industrie nicht expandieren kann. Und damit kann sich Brasilien nicht weiterentwickeln. Er muss es ja wissen, den Alcoa will in Zukunft noch mehr Aluminium im Amazonasraum herstellen. Im Unterricht diskutieren wir oft über Nachhaltige Entwicklung. Wenn der Bau des Kraftwerks einige indigene Dörfer beeinflusst, liegt die Lösung doch klar auf der Hand: diese Menschen müssen dann eben in andere Schutzgebiete umgesiedelt werden. Im Amazonasgebiet gibt es so viel Platz! Es kann doch nicht sein, dass Millionen von Brasilianern weitere Stromausfälle fürchten müssen, bloß weil eine Minderheit aus Indios und Leuten, die am Flussufer wohnen, alles blockiert. Wir in den Metropolen brauchen doch auch Nachhaltige Entwicklung. Ein Beispiel: Alle meine Freunde und ich trinken gerne Cola aus Aluminium-Dosen, die unter anderem auch von der Firma, in der mein Vater arbeitet, hergestellt werden. Ungefähr 97% aller Getränkedosen werden recyclet. Seit zehn Jahren ist Brasilien führend im Recycling von Aluminium-Getränkedosen. Ist das etwa keine nachhaltige Entwicklung?

Page 15: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

Rio de Janeiro

Mein Name ist Tiago, ich bin 15 Jahre alt und in der achten Klasse auf der Hauptschule. Ich wohne in Rio de Janeiro, der bekanntesten Stadt Brasiliens und der zweitgrößten des Landes. Allein in der Stadt selbst wohnen sechs Millionen Menschen und in der Metropolregion sind es fast zwölf Millionen. Eigentlich stammt meine Familie aus dem Nordosten Brasiliens, aber die Suche nach Arbeit hat uns hier nach Rio gebracht. Ich lebe mit meiner Mutter und meinen zwei Schwestern in der Favela Rocinha, der größten Favela Lateinamerikas. Rocinha liegt am oberen Berghang der Stadt und hat 100.000 Einwohner. Eigentlich ist es eine Stadt in der Stadt. Meine Familie hat dort ein größeres und ein ganz kleines Zimmer. Meine Mutter und meine ältere Schwester finden gelegentlich Arbeit als Aushilfen. Sie putzen oder waschen Wäsche für andere Leute. Dabei arbeiten sie ohne Vertrag, auch samstags und sonntags. Gerade wird in Rio fast nur von den Veranstaltungen gesprochen, die in den nächsten Jahren hier stattfinden werden. Zuerst die Rio+20 Konferenz, die kommt nächsten Juni. Es wird gesagt, dass neben Politikern aus der ganzen Welt, die Stadt voll von Umweltaktivisten sein wird. Ich habe nicht die geringste Ahnung, worüber sie diskutieren werden. In der Schule sprechen sie davon, dass es um Armutsbekämpfung geht und Rio+20 das Jubiläum eines gewissen Erdgipfels von Rio sei, der das Nachhaltigkeitskonzept festlegte und die sogenannte Agenda 21 schuf. Ich finde es immer noch sehr schwierig, diese Themen zu verstehen. 2012 feiert Rio ein Fest, denn da kommt die Fußball-Weltmeisterschaft zu uns. Schließlich steht hier das Maracanã, das traditionsreichste Fußballstadion Brasiliens und eines der Postkartenmotive der Stadt. Ich glaube fest daran, dass wir Weltmeister werden. Das wäre gigantisch. Viele von meinen Freunden aus der Favela träumen von einer Karriere als Profifußballer. Aber bei den meisten bleibt das ein Traum. 2016 finden dann in Rio noch die Olympischen Spiele statt. Wegen all dieser Termine gibt es hier ganz schön viel Aufregung. Viele Polizisten und Soldaten haben hier im November unser Viertel dauerhaft besetzt. Unten im Viertel sind sogar Panzer vorbeigefahren, die Leute hatten weiße Fahnen rausgehängt, wie im Krieg. Angeblich wollten die Polizisten Drogendealer festnehmen, aber ich glaube, die wollen einfach ihre Macht demonstrieren und zeigen, dass sie hier alles im Griff haben. Zum Glück ist da nicht mehr passiert, aber meine Mutter hat Angst, dass da noch mehr kommt. Statt hier die Polizei herzuschicken, sollten sie uns besser Arbeitsmöglichkeiten geben. Das wäre die Lösung vieler Probleme. Wenn alle Jugendlichen nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz garantiert hätten, gäbe es viele Probleme in der Favela nicht. Leider spüren wir hier nicht so richtig die Unterstützung der Regierung oder von Firmen, die uns die Chance geben, eine Berufsausbildung zu machen. Bei einer Umfrage, die hier in der Rocinha gemacht wurde, wurde die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen immer als eine der größten Sorgen der Bewohner und als eine der Ursachen für die Kriminalität und Gewalt genannt. Auch ich stimme dem zu. Meine Freunde und ich werden uns jetzt jedenfalls für einen Spanischkurs anmelden, den eine Nichtregierungsorganisation in meiner Favela für Jugendliche anbietet. Sie sagten, dass viele Touristen Spanisch sprechen würden und wir so zu Jugendstadtführern, Helfern oder Verkäufern der großen Geschäfte werden könnten. Ich werde versuchen an diesem Kurs teilzunehmen, dann kann ich vielleicht bald Geld verdienen. Obwohl der offizielle Slogan der Weltmeisterschaft noch nicht feststeht, kann man in der Stadt schon Plakate und Reklameflächen sehen, auf denen steht: „Brasilien 2015, die Reise der Weltmeisterschaft beginnt hier!“ oder „Brasilien ruft dich! Feier hier das Leben!“. Diese Plakate zeigen immer Fotos von Stränden und den bekanntesten touristischen Plätzen Rios. Meine Favela ist da nie drauf zu sehen.

Page 16: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

Rio Xingu

Mein Name ist Irêo Kayapó. Ich bin ein 16-jähriger Junge vom Volk der Kayapó. Wir sind ein großes und kämpferisches Indianervolk, das an verschiedenen Orten Brasiliens in den Bundesstaaten Mato Grosso und Pará lebt. In meiner Dorfgemeinschaft leben 100 Menschen in den Wäldern in direkter Nähe zur Großen Flussschleife des Rio Xingu – dort liegt auch unser Dorf. In Kreisform sind die Häuser aus Holz und Lehm um einen zentralen Platz herum angeordnet, den die Männer vor längerer Zeit gerodet haben. Die Dächer sind mit Stroh gedeckt und wir schlafen in Hängematten. Jede Familie hat ein Haus für sich.

Meine Mutter sorgt mit den anderen Frauen dafür, dass wir genug zu essen haben. Um das Dorf herum liegen die Felder, auf denen sie Süßkartoffeln, Mais, Zuckerrohr, Bananen, Baumwolle, Tabak und Maniok zwischen den Bäumen des Waldes anbauen. Aber auch Heilpflanzen und Pflanzen, die andere Schädlinge fernhalten, kennen wir und lassen sie dort wachsen. Die Männer gehen im Wald auf die Jagd oder fangen Fische im Fluss. Manche Fische können wir sogar an Händler verkaufen. Wir jagen Affen, Aguti (Goldhasen) und Buschschildkröten. Manchmal erlegen wir auch einen Tapir, ein Wildschwein oder einen Jaguar. Die Männer meines Volks jagen heute mit Gewehren. Die traditionellen Waffen wie Pfeil und Bogen oder Speer sind nur noch bei Zeremonien im Einsatz, oder wenn die Munition ausgeht. Du siehst, manche unserer Traditionen gehen uns schon verloren, aber andere verteidigen wir um jeden Preis.

Für uns sind der Wald und der Fluss die Grundlage unseres Lebens: Sie versorgen uns mit Nahrung, Wasser, Arzneimitteln und Holz. Auf dem Wasser legen wir mit unseren Booten größere Wege zurück. Trotzdem sind wir keine Wilden, die von der heutigen Welt nichts mitbekommen. Wir Kayapó hatten als erste traditionelle Gemeinschaft nachhaltige Waldbewirtschaftungspläne, die auch von den brasilianischen Behörden anerkannt wurden. Gleichzeitig müssen wir immer wieder um unser Land kämpfen, das man uns streitig machen will. Diesmal geht es um Energie. Die Regierung will mit dem Wasser unseres Flusses Strom erzeugen. Das Wasser soll in konstruierten Betonkanälen abgeleitet werden und in der Nähe der Stadt Altamira ist ein großer künstlicher See geplant, der die Turbinen speist. Uns hat die Regierung zu diesem Plan nicht befragt und informiert, obwohl sie das hätte tun müssen. So schreiben es die Gesetze vor.

Wenn der Staudamm kommt, wird unser Dorf vom Wasser abgeschnitten, das zu den Turbinen abgeleitet wird. Dann können wir keine Fische mehr fangen und nicht mehr mit den Booten zum Markt fahren, um etwas zu verkaufen. Wahrscheinlich werden auch der Wald und unsere Nutzpflanzen vertrocknen und vielleicht gibt es für uns selbst auch nicht mehr genug sauberes Trinkwasser. Wir wollen den Staudamm nicht. Früher hieß das Projekt „Kararaô“, das ist in meiner Sprache ein Kampfruf, den wir Kayapó im Krieg gebrauchen. Hat die Regierung geahnt, dass der Staudamm für uns eine Kriegserklärung ist? Tuíra Kayapó, die Cousine des Häuptlings Raoni, hat vor über 20 Jahren einem Mann von der Stromerzeugungsbehörde ihr langes Buschmesser an die Backe gelegt. Das hat sehr für Aufregung gesorgt. Mit Unterstützung von vielen Seiten konnte das Projekt damals gestoppt werden. Heute heißt der Staudamm Belo Monte (Schöner Berg) und die Regierung will einfach über uns Indianervölker hinweggehen. Das lassen wir nicht zu. Wir wollen kein Kraftwerk, keine Straßen, keine Überlandstromleitungen und keine energiehungrige Industrie hier im Wald und am Fluss. Wir werden unsere Körper mit den rituellen Mustern in schwarzer Farbe bemalen und für das Überleben des Flusses, des Waldes und der Indianervölker am Rio Xingu kämpfen.

Page 17: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

Heidenheim Ich heiße Kathi und wohne in Heidenheim an der Brenz, das ist ein kleines Städtchen mit etwa 50.000 Einwohnern im Osten von Baden-Württemberg, an der Grenze zu Bayern. Heidenheim liegt am Rande der Schwäbischen Alb und man sagt uns Schwaben nach, dass wir sehr fleißig seien. Im Stadtteil Schnaitheim haben meine Eltern ein eigenes Haus mit einem kleinen Wintergarten. Ich bin 15 Jahre alt, habe noch zwei kleinere Geschwister und gehe in die 10. Klasse des Schillergymnasiums. Seit die gymnasiale Schulzeit auf acht Jahre verkürzt wurde, ist die Schule für mich ein Vollzeitjob. Ich habe an drei Tagen Nachmittagsunterricht und muss mich noch auf Klausuren vorbereiten. Deswegen bleibt an den Nachmittagen nur noch Zeit für ein einziges Hobby. Bei mir ist das der Sport. Ich gehe fechten, das hat hier bei uns Tradition und macht mir großen Spaß. Weil ich gute Noten haben will, muss ich einiges für die Schule tun. Zum Glück habe ich da einige technische Hilfsmittel: Zu Hause erledige ich vieles an meinem Computer, aber ich habe auch einen Laptop, den ich dann in die Schule mitnehmen kann, das ist sehr praktisch. Mein I-Phone und meinen I-Pod habe ich eigentlich auch ständig dabei, weil ich gerne unterwegs Musik höre, telefoniere oder Sachen im Internet nachschaue. Das erspart viel Zeit und außerdem brauche ich das später bestimmt auch beruflich. Denn ich kann mir einen technischen Beruf mal gut vorstellen. Deshalb überlege ich mir heute schon, welche Schwerpunktfächer ich in der Oberstufe wählen will, um vielleicht einen Beruf so ähnlich wie mein Vater wählen zu können. Mein Vater arbeitet als Maschinenbauingenieur bei Voith Hydro – vielleicht kennt ihr ja das Unternehmen: In Heidenheim ist es der größte regionale Arbeitgeber und international gilt es als einer der führenden Anbieter im Bereich der Wasserkraft. Mein Vater ist dort für die internationalen Kontakte zuständig, das ist mit vielen Reisen verbunden. Alle paar Monate geht er z.B. auf Geschäftsreise nach Brasilien, denn dort gibt es viel Wasserkraft und Voith Hydro liefert Turbinen und andere technische Ausrüstung dorthin. Mein Vater erzählt uns viel von Brasilien, vor allem vom Regenwald. Zurzeit reist er immer wieder nach Altamira im Amazonasgebiet. Dort soll ein großer Staudamm gebaut werden, der Brasilien zu etwa 6% mit Strom versorgen wird. Ich finde es toll, dass er mit seiner Arbeit die nachhaltige Energiegewinnung unterstützt: Wasserkraft ist sauber, umweltschonend und stabil! Wir sind alle sehr stolz, dass unsere Familie an diesem Projekt beteiligt ist; - stellt euch vor, das wird der drittgrößte Staudamm der Welt! Ich bin sicher, dass es bald viele Projekte geben wird, die auf saubere Energie aus Wasser setzen – schon jetzt deckt sie etwa ein Fünftel des weltweiten Energiebedarfs! Mit der Energie aus dem Staudamm kann bestimmt auch die ganze Region gefördert werden. Schließlich zieht so ein Projekt immer auch internationale und nationale Unternehmen und Wissenschaftler an, oder was meint ihr? Irgendwann will ich später auch mal in den Regenwald! Seit meine Mutter meinen Vater bei einer seiner Geschäftsreisen begleiten konnte, schwärmt sie nur noch von der Schönheit der Urwälder. Meine Eltern haben dort eine Flussfahrt und eine Dschungelsafari gemacht und sie haben sogar ein Indianerdorf besucht! Meine Mutter arbeitet zurzeit nicht, weil sie sich auch um meine kleinen Geschwister kümmert – das kann ich mir gar nicht vorstellen! Ich möchte später etwas bewegen und beruflich Verantwortung tragen! Außerdem interessiere ich mich sehr für Naturwissenschaften: Bio, Physik, Chemie und auch Mathe. Meine Lehrer sagen auch, dass mir viele Karriereoptionen offenstehen. Mein Vater ist sehr stolz auf mich – und ich auf ihn.

Page 18: Unterrichtsmaterial Green Economy - kooperation … · bis drei Doppelstunden ... so bleibt am Nachmittag noch genügend Zeit, um zuhause ... weil ich ohne Internetzugang nichts von

Frankfurt am Main

Ich bin Alex, 16 Jahre alt und wohne in Frankfurt am Main. Meine Eltern sind geschieden und

ich lebe die meiste Zeit bei meiner Mutter. Sie arbeitet in einer Buchhandlung und ist viel

weg. Darum gehe ich auf eine Ganztagsschule mit Gesamtschulkonzept – ich bin dort jeden

Tag von morgens bis zum Nachmittag. Zum Glück sind da auch viele meiner Freunde und

außerdem haben wir echt coole Fächer wie Werken oder Physik, da machen wir manchmal

richtig spannende Sachen.

Seit ich denken kann, interessiere ich mich für alles, was man auseinander und

zusammenbauen kann. Ich bin ein Konstruktions- und Technikfreak. Mein Zimmer gleicht

daher auch eher einer Werkstatt, wo es für fast alles Werkzeuge und Material gibt. Für meine

Modelle brauche ich besonders leichte, gut formbare oder zu verbindende Materialien. Das

kann Aluminium, Papier, Plastik oder Holz sein. Je nach Anleitung baue ich daraus

Flugzeuge, Fahrzeuge und andere noch verrücktere Sachen wie Katamarane. Ist doch

super, wenn die Materie die Schwerkraft überlistet. Mein Lieblingsmaterial ist eindeutig

Aluminium wegen der langen Haltbarkeit, der Leichtigkeit und weil es nicht korrodiert.

Frankfurt kennt ihr sicher, weil der Airport Frankfurt weltweit einer der größten Flughäfen ist.

Dort fahre ich immer noch gerne hin, um mir die verschiedenen Flugzeugmodelle in Natura

anzuschauen. Auch die Start- und Landemanöver faszinieren mich jedes Mal. Was da an

Technik und Präzision, aber auch an Logistik und sagenhafter Mobilität drinsteckt – in einem

dieser Bereiche will ich später mal arbeiten. Vielleicht werde ich ja Industriedesigner oder

baue so was Abgefahrenes wie ein privates Weltraumtaxi, das der Luftfahrt-Riese Boeing in

Florida gerade bauen und testen lässt. Da wäre ich gern dabei.

Allerdings hat mich vor kurzem ein Freund zu einer Veranstaltung von Regenwaldschützern

mitgenommen. Sie haben erzählt, dass Aluminium ein ganz problematisches Material ist,

weil es extrem viel Energie zur Herstellung braucht. Zur Erzeugung von Rohaluminium

braucht man Bauxit als Rohstoff. Bauxit kommt vor allem entlang des Tropengürtels vor, es

gibt noch große Mengen in Brasilien, Australien, Westafrika und Jamaika. Da es im Tagebau

gewonnen wird, muss man vorher den Regenwald roden. Der wird zwar manchmal wieder

aufgeforstet, aber bei der Produktion fällt dann auch so einiges an, was für die Umwelt Gift

ist: Rotschlamm, z.B. – der muss deponiert werden, weil er nicht so einfach abbaubar ist.

Die Regenwaldschützer haben auch Bilder von großen Stauseen gezeigt, aus denen lauter

tote Bäume ragten. Die Stauseen gehören zu Wasserkraftwerken, die den Strom zur

Herstellung meines sehr geschätzten Materials Aluminium erzeugen. Allerdings zersetzt sich

im Lauf der Jahre unter Wasser die überflutete Pflanzendecke. Dabei wird Methan emittiert,

ein ganz heftiges Treibhausgas. Die Zahlen aus den wissenschaftlichen Untersuchungen in

Brasilien haben mich echt schockiert. Einer der Großstaudämme in Brasilien, Belo Monte,

würde innerhalb von 10 Jahren so viel CO2 (Man kann die Methanemissionen umrechnen)

erzeugen wie die Metropole São Paulo mit ihren 20 Mio. Einwohnern.

Also, ich dachte immer, Alu wäre ein reines Recyclingprodukt und eigentlich ziemlich

umweltfreundlich. Aber da muss ich mich wohl nochmal schlau machen. Denn ich will ja nicht

dazu beitragen, dass der Regenwald verschwindet.