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Deutscher Bundestag Drucksache 15/5205 15. Wahlperiode 01. 04. 2005 Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 30. März 2004 gemäß Artikel 128 des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 i. V. m. §§ 3 und 4 des Gesetzes über di e Zusammenarbeit von Bundes- regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der EU vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 311, S. 1780). Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2004 Inhaltsverzeichnis Seite A. Der Beschäftigungspolitische Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Wirtschaftliche Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . 4 Wichtige Reformschritte der „Agenda 2010“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Übergeordnete Ziele der Europäischen Beschäftigungspolitik . . . . . . . . . . . 6 Vollbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Steigerung der Arbeitsplatzqualität und der Arbeitsproduktivität . . . 7 Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung 7 B. Beschäftigungspolitische Leitlinien und Empfehlungen an Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien . . . . . . . . . . 8 1. Aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose und Nichterwerbspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmergeist . . . . . . . . . . . . 11 3. Bewältigung des Wandels und Förderung der Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Förderung des Aufbaus von Humankapital und des Lebenslangen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 5. Erhöhung des Arbeitskräfteangebots und Förderung des aktiven Alterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6. Gleichstellung der Geschlechter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 7. Förderung der Integration und Bekämpfung der Diskriminierung benachteiligter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 8. Arbeit lohnend machen und entsprechende Anreize schaffen . . . . . . 26

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  • Deutscher Bundestag Drucksache 15/520515. Wahlperiode 01. 04. 2005

    Unterrichtungdurch die Bundesregierung

    Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplander Bundesrepublik Deutschland 2004

    I n h a l t s v e r z e i c h n i s

    Seite

    A. Der Beschäftigungspolitische Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    Wirtschaftliche Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . 4

    Wichtige Reformschritte der „Agenda 2010“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    Übergeordnete Ziele der Europäischen Beschäftigungspolitik . . . . . . . . . . . 6– Vollbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6– Steigerung der Arbeitsplatzqualität und der Arbeitsproduktivität . . . 7– Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung 7

    B. Beschäftigungspolitische Leitlinien und Empfehlungen an Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    I. Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien . . . . . . . . . . 8

    1. Aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose und Nichterwerbspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    2. Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmergeist . . . . . . . . . . . . 11

    3. Bewältigung des Wandels und Förderung der Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    4. Förderung des Aufbaus von Humankapital und des Lebenslangen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    5. Erhöhung des Arbeitskräfteangebots und Förderung des aktiven Alterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    6. Gleichstellung der Geschlechter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    7. Förderung der Integration und Bekämpfung der Diskriminierungbenachteiligter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

    8. Arbeit lohnend machen und entsprechende Anreize schaffen . . . . . . 26

    Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 30. März 2004 gemäß Artikel 128 desVertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 i. V. m. §§ 3 und 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundes-regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der EU vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 311, S. 1780).

  • Drucksache 15/5205 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    Seite

    9. Überführung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit in reguläre Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    10. Überwindung regionaler Disparitäten bei der Beschäftigung . . . . . . 30

    II. Reaktion auf die Empfehlungen des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31– Anpassungsfähigkeit steigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31– Arbeitsmarktbeteiligung erhöhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32– In Humankapital investieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

    C. Partnerschaft bei der Umsetzung der beschäftigungs-politischen Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    – Beiträge und Zuständigkeiten der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35– Mitwirkung der Sozialpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37– Beitrag des Europäischen Sozialfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

    AnhängeAnhang 1 Stand der Reformen der Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . 41Anhang 2 Steuerklassenwahlrecht in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Anhang 3 Flexibilisierung und Differenzierung des

    deutschen Tarifsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45Anhang 4 Ausbau der Kinderbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

    Statistiken und Schaubilder im AnhangTabelle 1a Arbeitslose und Arbeitslosenquote im Bundesgebiet . . . . . . . 53Tabelle 1b Arbeitslose und Arbeitslosenquote in den alten Ländern . . . . 53Tabelle 1c Arbeitslose und Arbeitslosenquote in den neuen Ländern . . . . 54Tabelle 2 Teilzeitarbeitsuchende Arbeitslose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Tabelle 3 Erwerbstätige und Erwerbstätigenquote . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Tabelle 4 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven

    Arbeitsmarktpolitik von Bund und Bundesagentur für Arbeit . 55Tabelle 5 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven

    Arbeitsmarktpolitik der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Tabelle 6 Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit für junge

    Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Tabelle 7a/b Präventionsindikator Arbeitsmarktpolitik Jugendliche . . . . . . 58Tabelle 8a/b Präventionsindikator Arbeitsmarktpolitik Erwachsene . . . . . . 59Tabelle 9 Aktivierungsindikator Arbeitsmarktpolitik Jugendliche . . . . . 60Tabelle 10 Aktivierungsindikator Arbeitsmarktpolitik Erwachsene . . . . . 60Tabelle 11 Eingliederungsquote von Teilnehmerinnen und Teilnehmer

    an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61Tabelle 12 Verbleibsquote von Teilnehmerinnen und Teilnehmer

    an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61Tabelle 13 Existenzgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Tabelle 14 Zahl der Arbeitslosen und der offenen Stellen . . . . . . . . . . . . . 62Tabelle 15 Budget für Bildung, Forschung und Wissenschaft in der

    Finanzbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5205

    Seite

    Tabelle 16 Ausgaben der öffentlichen Haushalte für Bildungswesen,Wissenschaft und Forschung nach Ländern . . . . . . . . . . . . . . . 65

    Tabelle 17 Anteil von Frauen an mathematischen, naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen . . . . . . . . . . . 66

    Tabelle 18 Anteil der Frauen an den Professuren in den Hochschulen . . . 66Tabelle 19 Auszubildende in IT- und Medienberufen nach Geschlecht . . 67Tabelle 20 Verfügbare Plätze in Tageseinrichtungen für Kinder . . . . . . . 68Tabelle 21 Ausländische Bevölkerung nach Familienstand und

    nach Beteiligung am Erwerbsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Tabelle 22 Arbeitslose Ausländerinnen und Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . 70Tabelle 23 Arbeitslose schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . 70Tabelle 24 Länderprogramme für behinderte und

    schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Schaubild 1 Entwicklung der Teilzeitarbeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . 73Schaubild 2 Entwicklung der Frauen- und Männer-Teilzeitquote

    in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

  • Drucksache 15/5205 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    A. Der Beschäftigungspolitische Rahmen

    EinleitungMit den in Lissabon verabschiedeten mittelfristigen Zielen1stellen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Unioneiner großen Herausforderung. Dauerhaftes Wirtschafts-wachstum, Vollbeschäftigung, bessere Arbeitsplätze so-wie sozialer Zusammenhalt und soziale Integration sinddie Eckpfeiler der europäischen Beschäftigungspolitik.Ein wesentliches Mittel zur Umsetzung der Ziele von Lis-sabon sind dabei die Beschäftigungspolitischen Leitli-nien, die die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer na-tionalen Politiken zu berücksichtigen haben.

    Gleichzeitig wurde für die Durchführung der beschäfti-gungspolitischen Leitlinien ein neues, dreijähriges Ver-fahren beschlossen, wonach im ersten Jahr (2003) dieEntwicklung und Beschreibung der beschäftigungspoliti-schen Strategien der Mitgliedstaaten im Vordergrundsteht, im zweiten Jahr (2004) über die ersten Umset-zungsschritte und Ergebnisse berichtet werden soll undim dritten Jahr (2005) eine umfassende Bewertung dernationalen Beschäftigungsstrategien und das Gesamt-ergebnis Kern des Verfahrens ist.

    Der vorliegende Nationale Beschäftigungspolitische Ak-tionsplan (NAP) berichtet über die zur Umsetzung der be-schäftigungspolitischen Leitlinien von Bund, Ländern,Sozialpartnern und Bundesagentur für Arbeit ergriffenenMaßnahmen, deren erste Ergebnisse, die Unterstützungdurch den Europäischen Sozialfonds sowie die grundle-genden Reformen der Bundesregierung am Arbeitsmarkt.Dabei orientiert sich die deutsche Politik insbesondere anden vier von der europäischen „Task Force Beschäfti-gung“ formulierten Prioritäten: Anpassungsfähigkeit derArbeitskräfte und Unternehmen, Integration der Men-schen in den Arbeitsmarkt, Investitionen in das Hu-mankapital und Lebenslanges Lernen sowie Reformpart-nerschaften. Die Task Force, die auf Ersuchen desEuropäischen Rates eingesetzt wurde, hatte die Aufgabe,eine unabhängige tiefgehende Prüfung der entscheidenenbeschäftigungspolitischen Herausforderungen der Mit-gliedstaaten der Europäischen Union durchzuführen undauf dieser Grundlage praktische Reformmaßnahmen zuermitteln. Die Bundesregierung hat die Einsetzung dieserTask Force mit Nachdruck unterstützt.

    Wirtschaftliche Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Die wirtschaftliche Entwicklung hat im Jahr 2003 im drit-ten Jahr in Folge stagniert. Die Binnenkonjunktur bliebohne Schwung. In Deutschland war eine unerwartetstarke Investitions- und Konsumzurückhaltung zu beob-achten. Dazu trugen außergewöhnlich starke exogene

    Schocks bei, zu denen das Platzen der Aktienblase 2001/2002 und die Irakkrise gehörten. Belastend wirkten auchdie anfangs ungünstigen monetären Rahmenbedingungenfür die deutsche Wirtschaft. Die Nachfrage des Auslandswar insgesamt nicht stark genug, um entscheidene Im-pulse zu geben. Ursache hierfür war u. a. auch die abrupteAufwertung des Euro im abgelaufenen Jahr. Die Exportenahmen im Jahresdurchschnitt 2003 nur um real1,1 Prozent zu. Erst in der zweiten Jahreshälfte hat – ge-tragen von der positiven Entwicklung der Weltwirtschaftund den von der Bundesregierung eingeleiteten Refor-men – eine Konjunkturbelebung eingesetzt, die sich seitJahresbeginn 2004 verstärkt fortgesetzt hat.

    Die anhaltende ökonomische Schwäche hat im Jahr 2003tiefe Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen und diesenerheblich belastet. Während die Beschäftigung im Jahres-durchschnitt 2001 noch um 163 000 Erwerbstätige zu-genommen hatte, sank sie im Jahr 2002 um jahresdurch-schnittlich 240 000 und im Jahr 2003 um 425 000 aufinsgesamt 38,2 Milionen Erwerbstätige. Im Jahresdurch-schnitt 2003 lag die Zahl der arbeitslosen Frauen undMänner mit 4,377 Millionen um 317 000 höher als einJahr zuvor. Die gesamtdeutsche Arbeitslosenquote lag mit10,5 Prozent (Männer: 10,9 Prozent, Frauen: 10,0 Prozent)über dem Vorjahresniveau von 9,8 Prozent (Männer:9,9 Prozent, Frauen: 9,5 Prozent). In den neuen Ländernwar die Quote nach wie vor mehr als doppelt so hoch(18,5 Prozent) als in den alten Ländern. In den nördlichenLändern ist sie deutlich höher als in den südlichen Ländern.Ohne die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik wäre dieArbeitslosenzahl im Jahr 2003 noch stärker gestiegen.

    Mitte 2003 ist die deutsche Wirtschaft auf einen Wachs-tumspfad zurückgekehrt. Bei einer sich ausgesprochendynamisch entwickelnden Weltwirtschaft und einer star-ken Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft aufden internationalen Märkten kamen die Impulse vor allemvom Export. Da der Arbeitsmarkt der Konjunktur mitVerzögerung folgt, benötigt es jedoch eine gewisse Zeit,bis sich eine konjunkturelle Belebung in einer höherenBeschäftigung bemerkbar macht. Die mit den vier „Ge-setzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“vorgenommenen Reformen werden in dieser Entwicklungeine wichtige Rolle spielen, weil sie die Anpassungsflexi-bilität der Arbeitsmärkte erhöhen und die Schaffungneuer Beschäftigungsmöglichkeiten im Zuge der kon-junkturellen Erholung erleichtern werden.

    Die Bundesregierung geht für das Jahr 2004 von einemBIP-Wachstum von 1½ Prozent bis 2 Prozent und von ei-ner beschleunigten Fortsetzung der im letzten Jahr begon-nenen konjunkturellen Belebung aus. Die Reformmaß-nahmen der „Agenda 2010“ bieten eine gute Grundlagefür einen nachhaltigen Aufschwung. Im zweiten Quartal2004 lag das BIP bereits wieder um 2 Prozent über demVorjahresniveau. Eine Beschleunigung des Wachstumswird auch zu einer wieder steigenden Beschäftigung füh-ren. Die Zahl der Arbeitslosen wird jedoch zunächst nurgeringfügig zurückgehen. Die Prognose für die jahres-durchschnittliche Zahl der arbeitslosen Frauen und Män-ner beläuft sich für das Jahr 2004 auf 4,36 Millionen Per-sonen (2003: 4,38 Millionen).

    1 Ziel ist es, bis Ende des laufenden Jahrzehnts die Union zum wettbe-werbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschafts-raum in der Welt zu machen. Hierbei soll bis 2010, die EU-weite Ge-samtbeschäftigungsquote auf 70 Prozent, die Beschäftigungsquoteder Frauen auf über 60 Prozent und die Beschäftigungsquote der älte-ren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) auf50 Prozent angehoben werden.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5205

    Wichtige Reformschritte der „Agenda 2010“

    Mehr Wachstum und Beschäftigung sind die wichtigstenZiele der Politik der Bundesregierung und der Länder.Hierfür wurde von der Bundesregierung im Jahr 2003 mitder „Agenda 2010“ der umfassendste Reformprozess derGeschichte der Bundesrepublik Deutschland auf den Weggebracht. Mit grundlegenden strukturellen Reformenwird die Basis für die Rückkehr auf einen Wachstums-und Beschäftigungspfad geschaffen, der langfristig wie-der Vollbeschäftigung ermöglicht. Zugleich werden mitder „Agenda 2010“ die Sozialversicherungssysteme inDeutschland auf eine nachhaltig solide Finanzgrundlagegestellt, damit sie auch unter Berücksichtigung der demo-graphischen Entwicklung und in einer globalisiertenWeltwirtschaft zukunftssicher bleiben. Die Konsolidie-rung der öffentlichen Haushalte wird fortgesetzt. ÜberSteuer- und Abgabensenkungen wird die Belastung desFaktors Arbeit durch Lohnnebenkosten zurück geführtund die Investitionskraft der Unternehmen sowie dieKaufkraft der Arbeitnehmer dauerhaft gestärkt. Durchden Abbau von Subventionen wird neuer Spielraum fürZukunftsinvestitionen gewonnen. Verkrustete bürokrati-sche Strukturen werden aufgebrochen, damit neue wirt-schaftliche Dynamik entstehen kann. Wesentliche Ele-mente der „Agenda 2010“ sind mittlerweile umgesetzt.

    Arbeitsmarktreformen weit voran geschritten

    Insbesondere in der Arbeitsmarktpolitik hat Deutschlanderhebliche Kraftanstrengungen unternommen und grund-legende Reformen durchgeführt. Im Sinne eines „aktivie-renden Sozialstaats“, der „fördert und fordert“, werdensozialer Schutz und die Verbesserung der Eingliederungs-chancen verknüpft mit dem Einfordern von Eigenaktivi-täten und Eigenverantwortung von Arbeitsuchenden undArbeitslosen. Ziel ist eine schnellere Integration in denArbeitsmarkt.

    Diese konsequente Neuausrichtung der Arbeitsmarktpoli-tik wurde mit dem „Job-AQTIV-Gesetz“ (siehe NAP2002 und NAP 2003) eingeleitet. Die bis dahin vorwie-gend reaktive Ausrichtung des Arbeitsförderungsrechtswurde durch deutlich präventivere Ansätze, insbesondereim Bereich der Vermittlung und Beratung von Arbeitsu-chenden (Systematisches Profiling, Abschluss einer Ein-gliederungsvereinbarung) sowie bei der Qualifizierungvon beschäftigten Arbeitnehmern ersetzt. Zugleich wurdedas Prinzip des „Fördern und Fordern“ verankert. Mit denersten beiden „Gesetzen für moderne Dienstleistungenam Arbeitsmarkt“ (siehe NAP 2003) wurden diese Wei-chenstellungen weiter ausgebaut. Kern dieser Reformenwar die Erschließung neuer Beschäftigungspotenziale fürArbeitsuchende, z. B. durch neue Formen der Zeitarbeit,durch eine verstärkte Förderung von Existenzgründungensowie Ausweitung der Mini-Job-Regelung. Mit dem da-ran anknüpfenden „Dritten Gesetz für moderne Dienst-leistungen am Arbeitsmarkt“ wurden die Grundlagen fürden Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einem mo-dernen Dienstleister am Arbeitsmarkt geschaffen. Die Or-ganisationsstrukturen der Arbeitsverwaltung werden aufallen Ebenen auf die Vermittlung in Arbeit als prägendesKerngeschäft ausgerichtet. Diese Organisationsreform

    wird durch eine Vereinfachung des Förderungs- und Leis-tungsrechts unterstützt.

    Mit der Zusammenführung der bisher nebeneinander be-stehenden Fürsorgesysteme der Arbeitslosenhilfe und So-zialhilfe zu einem neuen Leistungssystem „Grundsiche-rung für Arbeitsuchende“ wird zum 1. Januar 2005 eineweitere tiefgreifende Arbeitsmarktreform in Deutschlandumgesetzt. Erstmals steht damit für erwerbsfähige Arbeit-suchenden ein einheitliches Leistungssystem zur Verfü-gung, das den Betroffenen alle zu ihrer beruflichen Ein-gliederung erforderlichen Hilfen und die Leistungen zurSicherung des Lebensunterhalts „aus einer Hand“ bietet.Ein gezieltes Fallmanagement mit intensiven Hilfestel-lungen, die Einbindung aller Arbeitsmarktakteure vor Ortund besondere Eingliederungsleistungen schaffen die Vo-raussetzungen dafür, dass insbesondere langzeitarbeits-lose Menschen künftig schneller und besser in Arbeit ver-mittelt werden. Besondere Hilfen gelten dabei für jungeMenschen unter 25 Jahren, die alle ein Angebot auf Aus-bildung, Arbeit, Qualifizierung oder auf eine Beschäfti-gungsmaßnahme erhalten werden.

    Mit den vier „Gesetzen für moderne Dienstleistungen amArbeitsmarkt“ werden die Beziehungen von arbeitsu-chenden Menschen, betreuenden Organisationen und derBundesagentur für Arbeit neu gestaltet, verkrustete Struk-turen am Arbeitsmarkt aufgebrochen und das Verhältnisvon Eigenverantwortung und staatlicher Unterstützungneu bestimmt.

    Die Reformen in der Arbeitsmarktpolitik werden flankiertdurch wichtige Reformen im Arbeitsrecht. Mit den Ände-rungen des Kündigungsschutzgesetzes und des Teilzeit-und Befristungsgesetzes werden Neueinstellungen, vorallem in Kleinbetrieben und bei Existenzgründern, geför-dert (siehe Text zur Leitlinie 3). Dabei werden – im Ein-klang mit der Ausrichtung der dritten beschäftigungspoli-tischen Leitlinie – die Interessen der Unternehmen, derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeit-suchenden ausgewogen berücksichtigt.

    Die wichtigsten Kernelemente der Arbeitsmarktreformen im Überblick:– Deutliche Stärkung des präventiven Ansatzes in der

    Arbeitsmarktpolitik– Zusammenführung der Fürsorgeleistungen Arbeits-

    losenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebe-dürftige zu einem neuen Leistungssystem „Grundsi-cherung für Arbeitsuchende“

    – Verankerung des „Fördern und Fordern“ als Grund-prinzip einer neuen Arbeitsmarktpolitik

    – Neuausrichtung der Instrumente der aktiven Arbeits-marktpolitik zur Verbesserung der Integrationschan-cen

    – Umbau der Arbeitsverwaltung zu einer Dienstleis-tungsagentur mit einer Neuausrichtung auf die Kern-aufgabe der Arbeitsvermittlung und neuen Organisa-tions-, Führungs- und Kontrollstrukturen

    – Flexibilisierung des Kündigungsschutzes

  • Drucksache 15/5205 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    Weitere Kernelemente der „Agenda 2010“ umgesetzt

    Auch in den anderen Feldern der „Agenda 2010“ wurdenwesentliche Reformen umgesetzt: So die bereits im NAP2003 genannten Reformen im Gesundheitswesen, in derRentenversicherung und im Steuerrecht, ergänzt durchMaßnahmen in der Bildungspolitik und zur Verbesserungder Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

    – Durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzli-chen Krankenversicherung, seit Januar 2004 in Kraft,soll die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgungverbessert werden. Die gemeinsam von der Bundes-regierung und der Opposition ausgehandelte Reformumfasst strukturelle Maßnahmen sowie die Neurege-lung der Finanzierung und zielt darauf ab, Beitrags-senkungen zu ermöglichen. Die Krankenversiche-rungsbeiträge sollen dauerhaft gesenkt werden, um dieLohnnebenkosten zu entlasten und damit mehr Be-schäftigung zu ermöglichen.

    – Mit dem dieses Jahr verabschiedeten Rentenversiche-rungs-Nachhaltigkeitsgesetz sowie den beiden weite-ren zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Renten-rechtsänderungsgesetzen wurden wichtige Weichengestellt, um die gesetzliche Rentenversicherung leis-tungsfähig für die Zukunft zu machen. Ziel ist es,einerseits den kurzfristigen Finanzierungsbedarf derRentenversicherung zu decken und andererseits dieFinanzierungsgrundlagen nachhaltig zu sichern. Zu-gleich soll die gesetzliche Rente bezahlbar bleiben undeine stärkere Belastung des Faktors Arbeit durch dieBeiträge vermieden werden.

    – Haushalte und Unternehmen werden weiter steuerlichentlastet. Durch das teilweise Vorziehen der drittenStufe der Steuerreform auf den 1. Januar 2004 wurdeder Eingangssteuersatz der Einkommensteuer auf16 Prozent (1998: 25,9 Prozent) und der Spitzensteu-ersatz auf 45 Prozent (1998: 53 Prozent) weiter abge-senkt sowie der Grundfreibetrag auf 7 664 Euro ange-hoben (1998: 6 322 Euro). Insgesamt wird sich diesteuerliche Entlastung durch die verschiedenen Steu-erreformmaßnahmen der Jahre 1998 bis 2005 bei Ein-tritt der vollen Wirkung auf rd. 59 Mrd. Euro belaufen.Der Abbau von steuerlichen Subventionstatbeständenwurde durch eine Vielzahl von Maßnahmen fortge-setzt. Das Steuerrecht, insbesondere das Besteu-erungsverfahren, wurde weiter vereinfacht. Die Sen-kung der Gewerbesteuerumlage hat zur Verbesserungder kommunalen Finanzen beigetragen.

    – Angesichts der prekären Situation auf dem Ausbil-dungsmarkt hat die Bundesregierung mit den Spitzen-verbänden der Wirtschaft einen Ausbildungspakt ge-schlossen. Die Wirtschaftsverbände haben zugesagt,während der dreijährigen Dauer des Paktes jährlich30 000 neue Ausbildungsplätze einzuwerben. Zusätz-lich hat die Wirtschaft in diesen und den beiden fol-genden Jahren jeweils 25 000 Plätze für betrieblichdurchgeführte Einstiegsqualifizierungen zugesagt. Mitdem Sonderprogramm zur Einstiegsqualifizierung Ju-gendlicher (EQJ-Programm) flankiert die Bundes-regierung diese Zusage der Wirtschaft.

    – Ein weiterer Schwerpunkt der Reformvorhaben derBundesregierung ist die Balance von Familie und Ar-beitswelt. Im Rahmen der „Allianz für die Familie“ ar-beitet die Bundesregierung mit den vier Spitzenver-bänden der deutschen Wirtschaft und denGewerkschaften an konkreten Verbesserungen in denBereichen moderne Arbeitsorganisation, flexible Ar-beitszeiten und familienbewusste Personalentwick-lung zusammen. Außerdem strebt sie bis Anfang 2005eine gesetzliche Regelung an, die einen bedarfsge-rechten Ausbau qualifizierter Angebote an Kinderbe-treuungseinrichtungen vorsieht.

    Übergeordnete Ziele der Europäischen Beschäftigungspolitik

    Neben den zehn beschäftigungspolitischen Leitlinienwurden vom Europäischen Rat drei übergeordnete Zieledefiniert, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrerBeschäftigungspolitiken besonders berücksichtigt werdensollen: Vollbeschäftigung, Steigerung der Arbeitsplatz-qualität und der Arbeitsproduktivität sowie Stärkung dessozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung.

    Die „Agenda 2010“ leistet einen wesentlichen Beitrag aufnationaler Ebene zur Erreichung dieser in Lissabon undStockholm vereinbarten europäischen Ziele. Dabei ist dieMitwirkung aller Beteiligten in der Gesellschaft zur Um-setzung notwendig.

    Vollbeschäftigung

    Wieder Vollbeschäftigung zu erreichen, ist das wichtigstewirtschaftspolitische Ziel der Bundesregierung. Dazu ge-hört insbesondere auch die Anhebung der Beschäfti-gungsquoten. Dies trägt nicht nur zum Wachstum bei,sondern ermöglicht auch die wirtschaftliche und gesell-schaftliche Teilhabe des Einzelnen. Deshalb führt dieBundesregierung ihren Kurs der strukturellen Reformenin diesem Jahr konsequent weiter fort. Die bereits umge-setzten umfassenden Veränderungen auf dem Arbeits-markt, so etwa die Lockerung des Kündigungsschutzes,der Umbau der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit zueinem modernen Dienstleister sowie die Zusammenfüh-rung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ab 2005 füh-ren zu mehr Flexibilität, höherer Vermittlungseffizienzund verstärkten Arbeitsanreizen.

    Der Anstieg der Gesamtbeschäftigungsquote zwischen1998 und 2001 hat sich in den Jahren 2002 und 2003nicht fortgesetzt. Im Jahr 2003 entsprach die Beschäfti-gungsquote (64,9 Prozent lt. Mikrozensus/Arbeitskräfte-erhebung) in etwa dem Wert des Jahres 1999. Damit liegtDeutschland zwar immer noch über dem EU-Durch-schnitt (EU 15: 64,3 Prozent; EU 25: 62,9 Prozent), aberder Abstand zwischen EU-Durchschnitt und Deutschlandhat sich seit der Mitte der 90er-Jahre merklich verringert(EU 15 1994: 59,8 Prozent, Deutschland 1994: 64,7 Pro-zent). Um die anvisierten 70 Prozent Beschäftigungs-quote bis 2010 zu erreichen, müssen die in Deutschlandeingeleiteten Strukturreformen effektiv und mit Engage-ment von allen Verantwortlichen umgesetzt werden.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5205

    Während bei den Männern in Deutschland die Beschäfti-gungsquote zwischen 2001 und 2003 von 72,7 Prozentauf 70,9 Prozent gesunken ist, ist die Quote bei denFrauen seit Jahren stabil (58,8 Prozent). Damit erfülltDeutschland bei der Beschäftigung von Frauen die Ziel-vorgabe von Stockholm für das Jahr 2005 von 57 Prozent.Die Erreichung der Zielvorgabe von Lissabon von60 Prozent bis zum Jahr 2010 ist erklärtes Ziel deutscherPolitik.

    Eine erhebliche Herausforderung für die gesamte Gesell-schaft besteht in der Anhebung der Beschäftigungsquotefür ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (55 bisunter 65 Jahre). Sie lag zwar in Deutschland mit 39,4 Pro-zent im Jahr 2003 auf dem höchsten Wert seit Anfang der90er-Jahre, allerdings unter dem EU-Durchschnitt(EU 15: 41,7 Prozent; EU 25: 40,2 Prozent). Eine diffe-renzierte Betrachtung zeigt, dass die eigentliche Heraus-forderung bei der Beschäftigung der 60 bis 64-JährigenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht (siehe Textzu Leitlinie 5 und NAP 2003).

    In den letzten Jahren wurden von der Bundesregierung– mit Unterstützung der Sozialpartner und der Länder – inDeutschland eine Vielzahl von Reformen und Maßnah-men für eine verstärkte Beschäftigung älterer Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer eingeleitet und umgesetzt(siehe NAP 2002 und 2003). Nun kommt es darauf an,den eingeleiteten Paradigmenwechsel in Gesellschaft undArbeitswelt zu verankern (siehe Reaktion auf die Emp-fehlungen des Rates). Hierzu ist vielerorts noch ein Men-talitätswandel erforderlich. Die Erreichung der Zielvor-gabe von Stockholm von 50 Prozent bis zum Jahr 2010muss Anliegen aller Verantwortlichen in der Gesellschaftwerden. Angesichts der demografischen Herausforderun-gen gibt es hierzu keine Alternative.

    Steigerung der Arbeitsplatzqualität und der Arbeitsproduktivität

    Qualität der Arbeit ist für die Bundesregierung ein zentra-ler Bestandteil bei der Umsetzung einer Beschäftigungs-strategie, die zur Verbesserung der Lebensqualität der Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zur Verbesserungder Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft führt.

    Zugang zum Arbeitsmarkt, Chancengleichheit zwischenMann und Frau sowie Teilhabe an Aus- und Weiterbil-dung mit den damit verbundenen Aufstiegschancen sindwesentliche Bestandteile der nationalen Beschäftigungs-strategie. Dazu gehören ebenso die Mitwirkung der Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb sowie dieVerbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzesbei der Arbeit.

    Entsprechend der europäischen Zielsetzung, die „Qualitätder Arbeit“ stärker in den Mittelpunkt der Beschäfti-gungs- und Sozialpolitik zu rücken, hat Deutschlandseine Initiative „Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) fürdas Jahr 2004 neu ausgerichtet (siehe Text zu Leitlinien 3und 5). So ist beispielsweise im Gesundheitsschutz in denUnternehmen die Einhaltung und die Überwachung ar-beitsschutzrechtlicher Vorschriften ein wichtiges Elementzur Verbesserung der Arbeitsplatzqualität. Die Bundes-

    regierung arbeitet kontinuierlich gemeinsam mit den Län-dern und Unfallversicherungsträgern daran, bestehendeÜberschneidungen bei der Aufgabenwahrnehmung durchverschiedene Aufsichtsdienste zu beseitigen, insbeson-dere durch die Zusammenführung zentraler Überwa-chungstätigkeiten in einer Hand. Für die Betriebe soll eskünftig nur noch einen Ansprechpartner geben. Dies be-deutet einen wesentlichen Fortschritt auf dem Weg zueiner gemeinsamen Arbeitsschutzstrategie und mehr Effi-zienz in der Überwachung.

    Auch verfolgen Bund und Länder im Rahmen ihrer jewei-ligen Zuständigkeiten die Fortentwicklung der Systemeder Aus- und Weiterbildung sowie die Verbesserung derVoraussetzungen für das lebenslange Lernen mit beson-derem Nachdruck. Bund und Länder haben gemeinsameine „Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundes-republik Deutschland“ erarbeitet und verabschiedet (sieheText zu Leitlinie 4). Ziel u. a. ist es, die Beschäftigungs-fähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu si-chern und die Arbeitsproduktivität und Arbeitsplatzquali-tät zu steigern. Zentraler Eckpfeiler der aktivenArbeitsmarktpolitik von Bund und Bundesagentur für Ar-beit ist u. a. die Vermittlung von Qualifikationen und derAbbau von Qualifikationsdefiziten. Durch die Einführungeiner Zertifizierungspflicht für Anbieter von durch dieArbeitsverwaltung finanzierten Weiterbildungsmaßnah-men am 1. Juli 2004 und die regelmäßige Qualitätskon-trolle durch Zertifizierungsstellen ist die Qualitätssiche-rung ein gutes Stück voran gekommen.

    Allein die Bundesagentur für Arbeit setzte im Jahr 2003für die Förderung der beruflichen Weiterbildung rd.5 Mrd. Euro ein. Hinzu kamen erhebliche weitere Mittelfür andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, so z. B.die berufliche Eingliederung behinderter Menschen (rd.3 Mrd. Euro), berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen(rd. 789 Mio. Euro), die Berufsausbildung Benachteilig-ter (rd. 1 Mrd. Euro) sowie Eignungsfeststellungs- undTrainingsmaßnahmen (knapp 578 Mio. Euro).

    Auch die Verwirklichung von Chancengleichheit undGleichstellung von Männern und Frauen und die Work-Life-Balance als wesentliche Voraussetzung dafür sindbei der Arbeitsplatzqualität von grundlegender Bedeu-tung. Der vorliegende Aktionsplan zeigt die vielfältigenAnsatzpunkte in Deutschland auf (siehe Text zu Leit-linie 6).

    Durch einen mehrdimensionalen Ansatz soll erreicht wer-den, dass die noch bestehenden Nachteile im beruflichenWerdegang sowie die noch bestehenden Entgeltunter-schiede weiter verringert werden. Dabei verfolgen Bun-desregierung und Länder den Doppelansatz von Gender-Mainstreaming und spezifischer Frauenförderung.

    Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung

    Arbeitslosigkeit – vor allem über einen längerenZeitraum – ist eine wesentliche Ursache für Armut undsoziale Ausgrenzung. Die Schaffung von Beschäftigungs-und Integrationsmöglichkeiten durch eine kombinierteWirtschafts- und Beschäftigungspolitik ist daher für die

  • Drucksache 15/5205 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    Bundesregierung und die Länder ein Eckpfeiler zur Stär-kung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft.Wichtige Politikfelder sind, neben der Förderung der In-tegration in den Arbeitsmarkt, insbesondere die Stärkungsozialer Teilhabe durch allgemeine und berufliche Bil-dung. Dazu gehört die Förderung der Integration vonMenschen mit Behinderung und von Migrantinnen undMigranten. Hinzu kommt die kinder- und familienfreund-liche Gestaltung der Gesellschaft mit dem Ziel des deut-lichen Abbaus der Sozialhilfeabhängigkeit von Kindernund dem Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztags-schulen.

    Diese am Prinzip der Vorbeugung wie der Nachhaltigkeitausgerichteten Strategien der Armutsbekämpfung inDeutschland sind ausführlich im Nationalen Aktionsplanzur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung2003 bis 2005 sowie in seiner Aktualisierung für 20042dargelegt.

    Im Sinne einer ersten Präventionsschwelle und zur Stär-kung der nachhaltigen Wettbewerbs- und Beschäfti-gungschancen haben Bund und Länder im Rahmen ihrerverfassungsrechtlichen Zuständigkeit eine Reihe vonMaßnahmen zur Stärkung von Bildung allgemein sowiespezifisch zur Förderung von bildungsbenachteiligtenKindern und Jugendlichen eingeleitet. Ein Schwerpunktist hierbei auch die Verbesserung der frühen individuellenFörderung aller Kinder und Jugendlichen mit dem Ziel,

    Chancengleichheit zwischen den Heranwachsenden so-wie den Erwerb schulischer Qualifikationen zu fördern.

    Im Rahmen der beschäftigungspolitischen Gesamtstrate-gie kommt es im Sinne einer zweiten Präventions-schwelle darauf an, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermei-den und benachteiligte Gruppen durch gezielte intensiveFörderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Ar-beitsmarktreformen der Bundesregierung zielen auf dieAktivierung der Potenziale des Einzelnen, um seine ge-sellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabechancen zuerhöhen und darauf, materielle Abhängigkeiten von staat-lichen Leistungen abzubauen (siehe Text zu Leitlinie 8).Insbesondere die beschlossene Zusammenführung vonArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zieltauf eine nachhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt.Auch die Arbeitsmarktpolitik der Länder und Kommunenleistet einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Einglie-derungschancen von Arbeitslosen und Nichterwerbsper-sonen in den Arbeitsmarkt (siehe Teil C) und damit zurBekämpfung von sozialer Ausgrenzung.

    Durch das in wesentlichen Teilen zum 1. Mai 2004 inKraft getretene Gesetz zur Förderung der Ausbildung undBeschäftigung schwerbehinderter Menschen haben diegesetzgebenden Körperschaften des Bundes die rechtli-chen Rahmenbedingungen für die nachhaltige Integrationbehinderter Menschen in den Ausbildungsstellen – undArbeitsmarkt weiter verbessert (siehe Text zu Leitlinie 7).Die Verbesserung der Beschäftigungssituation wird unter-stützt durch die von der Bundesregierung koordinierteInitiative „job – Jobs ohne Barrieren“.2 www.bmgs.bund.de/downloads/NAP2004_Endfassung_Kabinett.pdf.

    B. Beschäftigungspolitische Leitlinien und Empfehlungen an Deutschland

    I. Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien

    1. Aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose und NichterwerbspersonenDie Mitgliedstaaten werden aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose und Nichterwerbspersonen ent-wickeln und durchführen, um Neuzugänge zur Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und eine nachhaltige Eingliede-rung der Arbeitslosen und der Nichterwerbspersonen in den Arbeitsmarkt zu fördern. Sie werden– sicherstellen, dass die Bedürfnisse aller Arbeitsuchenden frühzeitig ermittelt werden, dass die Betroffenen beraten

    und bei der Arbeitssuche unterstützt werden und dass in einem möglichst frühen Stadium der Arbeitslosigkeit in-dividuelle Aktionspläne erstellt werden;

    – auf der Grundlage des ermittelten Bedarfs Arbeitsuchenden die Möglichkeit bieten, an wirksamen und effizientenMaßnahmen zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit und ihrer Eingliederungschancen teilzunehmen, wo-bei besonderes Augenmerk denjenigen gelten sollte, die auf dem Arbeitsmarkt mit den größten Schwierigkeitenkonfrontiert sind. Die Mitgliedstaaten werden insbesondere sicherstellen, dass

    allen Arbeitslosen ein Neuanfang ermöglicht wird, und zwar binnen sechs Monaten nach Eintritt der Arbeitslo-sigkeit im Falle von Jugendlichen und binnen zwölf Monaten im Falle von Erwachsenen in Form einer Ausbil-dung, einer Umschulung, des Erwerbs von Berufserfahrung, eines Arbeitsplatzes oder einer anderen Beschäfti-gungsmaßnahme, gegebenenfalls in Kombination mit einer kontinuierlichen Unterstützung bei derArbeitssuche;bis zum Jahr 2010 25 Prozent der Langzeitarbeitslosen an einer aktiven Maßnahme in Form einer Ausbildung,einer Umschulung, des Erwerbs von Berufserfahrung oder einer anderen Beschäftigungsmaßnahme teilneh-men, mit dem Ziel, den Durchschnitt der drei führenden Mitgliedstaaten zu erreichen.

    – die Arbeitsverwaltungen, insbesondere die Arbeitsämter, modernisieren und stärken;– dafür sorgen, dass Effektivität und Effizienz der Arbeitsmarktprogramme regelmäßig bewertet und die Pro-

    gramme entsprechend überprüft werden.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5205

    Aktivierende und präventive Arbeitsmarktpolitik als Leitmotiv umgesetztDie Bundesregierung hat beginnend mit dem „Job-AQTIV-Gesetz“ (siehe NAP 2003) und den vier „Geset-zen für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“weitreichende Reformen in der Arbeitsmarktpolitik um-gesetzt. Das zentrale Leitmotiv dieser Arbeitsmarktrefor-men ist das Konzept des aktivierenden Sozialstaats. Zielist insbesondere eine durchgreifende Verbesserung derQualität und Schnelligkeit der Vermittlung und die nach-haltige Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt.

    Durch die Einführung eines systematischen Profiling-und Eingliederungspfads wurde die aktive und präventiveAusrichtung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland wei-ter entwickelt und gestärkt (siehe NAP 2002 und 2003).Durch die seit dem 1. Juli 2003 bestehende Verpflichtungzur frühzeitigen Arbeitsuche bereits bei Kenntnis der dro-henden Arbeitslosigkeit wird der Vermittlungsprozess in-tensiviert und beschleunigt.

    Die weit überwiegende Mehrzahl der Arbeitslosen erhälteine frühzeitige aktive Unterstützung der Arbeitsagentur.So beträgt die Nichterfüllungsquote (keine Maßnahme inRahmen eines konkreten Eingliederungsplans) lediglich1,3 Prozent bei den Jugendlichen und 2 Prozent bei denErwachsenen. Betrachtet man lediglich die Inanspruch-nahme einer aktiven arbeitsmarktpolitischen Leistung imengeren Sinne (ohne Profiling und Eingliederungsverein-barung) so beträgt die Nichterfüllungsquote 10,4 Prozentbei den Jugendlichen und 14,1 Prozent bei den Erwachse-nen (siehe Statistik, Tabellen 7 bis 8).

    Effektive Eingliederung wird durch tiefgreifende Reformen verbessert Insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit als bedeutendesbeschäftigungs- und sozialpolitisches Problem in

    Deutschland soll effektiver bekämpft sowie arbeitslosenerwerbsfähigen jungen Menschen unter 25 Jahren, syste-matischer als bisher, ein frühzeitiges arbeitsmarktpoliti-sches Angebot gemacht werden.

    – Das „Vierte Gesetz für Moderne Leistungen am Ar-beitsmarkt“ führt Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe fürErwerbsfähige ab 2005 in einem neuen Leistungssys-tem, der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (Sozial-gesetzbuch II) zusammen (siehe Text zu Leitlinie 8).Die Betreuung und Aktivierung der Langzeitarbeits-losen erfolgt durch ein intensives Fallmanagement inden lokalen Job-Centern und die konsequente Durch-setzung des Prinzips „Fördern und Fordern“.

    – Ein zentraler Auftrag ist es, insbesondere jungen Men-schen unter 25 Jahren unverzüglich ein Eingliederung-sangebot zu unterbreiten und sie in eine Ausbildung,Arbeit, Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmaß-nahme oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln. Einpersönlicher Ansprechpartner (Fall-Manager) soll ca.75 Jugendliche betreuen. Hierdurch wird die Einglie-derung in den regulären Arbeitsmarkt intensiviert.

    – Mit dem „Dritten Gesetz für moderne Dienstleistun-gen am Arbeitsmarkt“ hat die Bundesregierung imJahr 2003 das Recht der Arbeitsförderung und Ar-beitslosenversicherung wesentlich vereinfacht. Diedadurch frei werden personellen Ressourcen könnendamit für die Vermittlung von Arbeitslosen eingesetztwerden.

    Die inhaltliche Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitikwird durch die Neuorganisation der Bundesagentur fürArbeit (BA) unterstützt (siehe Anhang 1). Ein Kern derneuen Arbeitsagenturen wird das „Kundenzentrum“ sein,dessen Erprobung Ende Mai 2004 in 10 Arbeitsagenturenabgeschlossen wurde.

    Ablaufschema Kundenzentrum der Zukunft

    Selbstbedie- nungsbereich

    (Telefone, VirtuellerArbeitsmarkt)

    Beratung undVermittlung

    Eingangszone(persönlicheBetreuung)

    Leistung

    Empfang

    Arbeitgeber-orientiertArbeitnehmer-orientiert

    AntragsserviceBearbeitungsbüro

    K

    un

    den

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  • Drucksache 15/5205 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    Es ist vorgesehen, dieses neue Kundenzentrum bis Ende2005 flächendeckend einzuführen. Danach können dieRat- und Arbeitsuchenden auf verschiedenen Wegen mitder Agentur in Kontakt treten: telefonisch, per Internetoder persönlich. Kundenströme werden gelenkt und Ar-beitsuchende, je nach Integrationschance und Unterstüt-zungsbedarf, unterschiedlichen Gruppen zugeordnet.

    Aktivierungsniveau 2003 gute Basis für effektive Umsetzung ab 2004/2005

    Insgesamt wurden für alle Maßnahmen der aktiven Ar-beitsmarktpolitik von Bund und BA im Jahr 200321,2 Mrd. Euro ausgegeben (im Jahr 2002:22,4 Mrd. Euro). Für das Jahr 2004 sind rd. 21 Mrd. Eurovorgesehen. Im Jahresdurchschnitt 2003 wurden durchden Bund und die BA rd. 1,3 Millionen Personen mitMaßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gefördert(siehe Statistik, Tabelle 4). Hinzu kommen die arbeits-marktpolitischen Maßnahmen der Länder, die 2003 mitrd. 1,9 Mrd. Euro rd. 523 000 Personen gefördert haben(siehe Statistik, Tabelle 5).

    Die EU-Zielsetzung, dass bis zum Jahr 2010 25 Prozentder Langzeitarbeitslosen eine aktive Maßnahme erhaltenmüssen, erfüllt Deutschland für die Jugendlichen schonjetzt klar, während bei den Erwachsenen die Zielmarkeim Jahr 2003 nicht erreicht wurde. Allerdings konntennoch nicht alle Maßnahmen statistisch einbezogen wer-

    den. Die Aktivierungsquote für langzeitarbeitslose jungeMenschen (6 Monate arbeitslos) betrug im Jahr 200341,7 Prozent und für langzeitarbeitslose Erwachsene(12 Monate arbeitslos) 16,4 Prozent (siehe Statistik,Tabellen 9 und 10).

    Für die Gesamtheit der arbeitsmarktpolitischen Instru-mente wurde das im Arbeitsförderungsrecht verankerteZiel, Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil anden Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit durchArbeitslosigkeit an den Maßnahmen der aktiven Arbeits-förderung zu beteiligen, im Jahr 2003 erfüllt (Zielförder-anteil für Frauen: mindestens 40,8 Prozent; Beteiligungan der Summe der Instrumente 41,2 Prozent; siehe Statis-tik, Tabelle 4).

    Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit

    Die Zahl der Langzeitarbeitslosen betrug im Jahresdurch-schnitt 2003 rund 1,52 Millionen Personen gegenüber1,37 Millionen im Durchschnitt des Vorjahres. Der AnteilLangzeitarbeitsloser an allen Arbeitslosen stieg von33,7 Prozent auf 34,8 Prozent; 2001 betrug der Wert35,1 Prozent. Die beschriebenen tiefgreifenden Reformenin der Arbeitsmarktpolitik sollen entscheidend dazu bei-tragen – im Kontext der allgemeinen Wirtschafts- undBeschäftigungspolitik – Langzeitarbeitslosigkeit signifi-kant zurückzuführen.

    Quelle: Bundesagentur für Arbeit

    Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit

    Absolute/Anteil an Arbeitslosen

    2001 2002 2003

    Insgesamt Prozent Insgesamt Prozent Insgesamt Prozent

    Bundesgebiet 1.354.000 35,1 % 1.369.000 33,7 % 1.521.000 34,8 %

    Männer 661.000 32,0 % 690.000 30,8 % 804.000 32,8 %

    Frauen 693.000 38,7 % 680.000 37,3 % 718.000 37,2 %

    Bundesgebiet West 817.000 35,2 % 794.000 31,8 % 872.000 31,7 %

    Männer 434.000 33,7 % 434.000 30,4 % 503.000 31,6 %

    Frauen 383.000 37,1 % 360.000 33,6 % 369.000 31,8 %

    Bundesgebiet Ost 537.000 35,0 % 576.000 36,8 % 649.000 40,0 %

    Männer 227.000 29,2 % 256.000 31,4 % 300.000 35,2 %

    Frauen 310.000 41,0 % 330.000 42,7 % 349.000 45,2 %

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/5205

    Das Sonderprogramm des Bundes zum „(Wieder-) Ein-stieg von Langzeitarbeitslosen ab 25 Jahren in Beschäfti-gung – Arbeit für Langzeitarbeitslose“ dient im Vorgriffals Überbrückung, bis das neue Regelinstrumentariumder Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-hilfe für Erwerbsfähige am 1. Januar 2005 in Kraft tritt.Das Programm hat am 1. September 2003 begonnen undläuft zum 31. Dezember 2004 aus. Im Rahmen diesesSonderprogramms wird Langzeitarbeitslosen ein öffent-lich gefördertes versicherungspflichtiges Beschäftigungs-angebot mit Qualifizierungsanteil unterbreitet. Zur Inten-sivierung der Beratung, Vermittlung und Betreuunghilfebedürftiger Langzeitarbeitsloser wurden 400 zusätz-liche Sachbearbeiter eingestellt. Zudem tragen die Ländermit ihren Maßnahmen dazu bei, die Anzahl der Langzeit-arbeitslosen zu verringern (siehe Teil C).

    Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

    Die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen lag auch imJahr 2003 mit 9,9 Prozent (bezogen auf die abhängigenzivilen Erwerbspersonen) weiterhin deutlich unter der all-gemeinen Arbeitslosenquote aller Altersgruppen (11,6 Pro-zent). 2001 lag die Arbeitslosenquote der jüngeren Er-werbspersonen unter 25 Jahren noch bei 9,1 Prozent. Sieist jedoch infolge der konjunkturellen Entwicklung unddes Arbeitsplatzabbaus wieder angestiegen. Der Anteiljunger Frauen an der Zahl jugendlicher Arbeitsloser unter25 Jahren ist im Jahre 2003 weiter leicht gesunken (auf37 Prozent). Die Erwerbstätigenquote der jungen Men-schen unter 25 Jahren lag mit 44 Prozent im Jahr 2003deutlich über dem EU-Durchschnitt von 36,7 Prozent(EU 25 Länder).

    Insgesamt wurden im Jahresdurchschnitt 2003 rd.477 000 Jugendliche zur Vermeidung und Bekämpfungder Jugendarbeitslosigkeit mit den verschiedenen Instru-menten des Arbeitsförderungsrechts gefördert. Danebengibt es noch eine Reihe anderer Fördermaßnahmen derBA. So wurden im Rahmen des JUMP-Programms jah-resdurchschnittlich 75 600 Jugendliche gefördert. InMaßnahmen des Programms JUMP Plus, das am 1. Juli2003 anlief, waren es jahresdurchschnittlich in 2003 rd.16 000 junge Menschen unter 25 Jahren. Eintritte inJUMP waren bis zum 31. Dezember 2003 möglich, Ein-tritte in JUMP Plus können noch bis 31. Dezember 2004erfolgen. Mit Auslaufen des Sonderprogramms JUMPPlus greift Anfang 2005 die oben beschriebene „Grund-sicherung für Arbeitsuchende“, die vorsieht, dass Jugend-liche unter 25 Jahren unverzüglich nach Antragstellungauf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, ineine Ausbildung, Arbeit oder eine Arbeitsgelegenheitvermittelt werden.

    Angesichts der gegenwärtigen schwierigen Situation aufdem Ausbildungsmarkt haben Bundesregierung undWirtschaft am 16. Juni 2004 einen Ausbildungspakt ge-schlossen, in dem sich die Partner gemeinsam und ver-bindlich verpflichten, in enger Zusammenarbeit mit denLändern allen ausbildungswilligen jungen Menschen ein

    Angebot auf Ausbildung zu unterbreiten. Zur Versor-gung von Jugendlichen mit eingeschränkten Vermitt-lungschancen wird die Wirtschaft sechs- bis zwölfmona-tige Einstiegsqualifizierungen anbieten, die teilweise aufdie Dauer einer späteren Berufsausbildung angerechnetwerden können. Dies wird von der Bundesregierung miteinem Sonderprogramm „Einstiegsqualifizierungen fürJugendliche“ unterstützt. Der Bund fördert die Einstiegs-qualifizierung durch die Erstattung einer Praktikumsver-gütung und die Übernahme eines pauschalierten Anteilsam monatlichen Gesamtsozialversicherungsbeitrag. DieFörderdauer beträgt 6 bis 12 Monate. Der Pakt sieht u. a.ferner vor, dass die Bundesagentur für Arbeit die Ju-gendlichen durch Callcenter frühzeitig kontaktiert, umden Vermittlungsprozess zu optimieren.

    Unternehmerische Aktivitäten stärken

    Die Bundesregierung und die Länder unterstützen unter-nehmerische Eigeninitiative durch eine Reihe von Maß-nahmen und ermöglichen weitere Wachstums- und Be-schäftigungschancen. Existenzgründungen sind einzentraler Faktor für die Dynamik einer Volkswirtschaft.Mit der deutlichen Senkung von Eingangs- und Spitzen-steuersatz sowie der kräftigen Anhebung des steuerfreienGrundfreibetrag der Einkommensteuer im Rahmen der

    2. Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmergeist

    Die Mitgliedstaaten werden die Schaffung von mehrund besseren Arbeitsplätzen vorantreiben, indem sieUnternehmergeist, Innovation, Investitionsvermögenund günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen füralle Unternehmen fördern. Besonderes Augenmerk wirdder Erschließung des Arbeitsplatzschaffungspotenzialsjunger Unternehmen, des Dienstleistungssektors unddes Bereichs Forschung und Entwicklung gelten. Ent-sprechende Initiativen, die durch den Leistungsver-gleich (Benchmarking) von Unternehmenskonzeptenund die Umsetzung der Europäischen Charta für Klein-unternehmen zu untermauern sind, werden auf folgendeZiele abstellen:

    – Vereinfachung der administrativen Abläufe und Re-duzierung des bürokratischen Aufwands für Unter-nehmensgründungen und für KMU sowie für dieEinstellung von Personal, Erleichterung des Zugangszu Kapitalquellen für Start-up-Unternehmen, neueund vorhandene KMU und Unternehmen mit hohemWachstums- und Arbeitsplatzschaffungspotenzial(siehe auch Grundzüge der Wirtschaftspolitik,Leitlinie 11);

    – Förderung von Maßnahmen zur Vermittlung von un-ternehmerischen Fähigkeiten und Managementkom-petenz sowie Unterstützungsangebote, einschließlichSchulungen, die darauf abzielen, den Weg in dieSelbstständigkeit zu einer beruflichen Option für allezu machen.

  • Drucksache 15/5205 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    dreistufigen Steuerreform sowie der pauschalen Anrech-nung der Gewerbsteuer auf die Einkommensteuerschuldwurde das Klima für Unternehmergeist in der mittelstän-dischen Wirtschaft Schritt für Schritt verbessert. Auchwurden mit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz, daszum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, die Buchfüh-rungsgrenzen erhöht. Damit können mehr als bisher mit-telständische Unternehmen zu Gunsten eines vereinfach-ten Verfahrens auf die Buchführung für steuerliche Zweckeverzichten.

    Förderprogramme auf hohem Niveau weiterentwickelt

    Die Förderung von Existenzgründungen sowie bestehen-der kleiner und mittlerer Unternehmen befindet sich inDeutschland weiterhin auf hohem Niveau. Im Jahr 2003wurden von der KfW-Mittelstandsbank des Bundes Mittelin Höhe von insgesamt 10,3 Mrd. Euro zur Verfügunggestellt. Der Anteil der zinsgünstigen Kredite und des Be-teiligungskapitals des Sondervermögens des Europäi-schen Wiederaufbauprogramms (ERP) beträgt mehr als3 Mrd. Euro.

    Existenzgründungen sowie bestehende kleine und mitt-lere Unternehmen profitieren von dem neu ausgerichtetenFörderprogramm der KfW-Mittelstandsbank. So gibt esseit dem 1. September 2003 mit dem „Unternehmer-kredit“ ein einheitliches Darlehensprodukt für Existenz-gründungen sowie für kleine und mittlere Unternehmen.Bis zum 31. Mai 2004 sind bereits 2,3 Mrd. Euro ausge-reicht worden.

    Mit der Einführung der neuen Produktfamilie „Unterneh-merkapital“ im März 2004 wurde ein besonders wichtigerSchritt im Bereich des Nachrangkapitals, des sog. Mezza-nin-Kapitals, unternommen. Das „Unternehmerkapital“richtet sich in erster Linie an Existenzgründungen undjunge Unternehmen in der Wachstumsphase.

    Darüber hinaus gilt es nach dem starken Einbruch derVenture Capital-Märkte für junge innovative Unterneh-men erneut Zugänge zu Beteiligungskapital zu eröffnen.So wurde im Februar 2004 vom ERP-Sondervermögengemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds einBeteiligungskapital-Dachfonds aufgelegt, der sich mit an-deren Investoren an neu aufgelegten Venture Capital-Fonds beteiligt. Insgesamt sollen 1,7 Mrd. Euro Beteili-gungskapital mobilisiert werden. Weitere Fondslösungenfür innovative Unternehmen sind in der Vorbereitung.

    Gründungsförderung durch bessere Beratung

    Neben der finanziellen Förderung benötigen Gründerin-nen und Gründer vor allem eine gute Beratung. Mit demim Juli 2003 gestarteten Aktionsbündnis „GründerServiceDeutschland“ (siehe NAP 2003) werden das Informa-tionsangebot und die Beratung für Gründerinnen undGründer verbessert. Das 2003 eröffnete Gründerportalwww.existenzgruender.de und eine Info-Hotline rund umdas Thema Existenzgründung bietet Gründerinnen undGründern eine Erstorientierung. Im Rahmen von „Grün-dertagen“ bekommen sie die Möglichkeit, ihr VorhabenExperten von Kammern, KfW, Agenturen für Arbeit und

    Wirtschaftsförderungsgesellschaften vorzustellen und be-werten zu lassen. Danach können sich die Gründerinnenund Gründer von einem Gründercoach bei der Umsetzungihres Vorhabens begleiten lassen. Das Coaching wirddurch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und die KfW-Bankengruppe finanziell unterstützt.

    Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung die Bera-tungs- und Schulungsförderung durch Unternehmensbe-rater ebenso wie die besondere Förderung für kleine undmittlere Unternehmen im Handwerk mit 30 Mio. Euroweiterhin auf hohem Niveau. Die Zahl der Anträge dafürhat gegenüber dem Vorjahr um etwa 30 Prozent zuge-nommen.

    Auch die Länder sowie die flächendeckend in ganzDeutschland vertretenen Kammern bieten für angehendeUnternehmerinnen und Unternehmer umfangreiche Infor-mations- und Beratungsangebote wie Einstiegsgespräche,Existenzgründerseminare und Coaching an (siehe Teil C).

    Mehr Gründungen durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse

    Um Gründerinnen und Gründern den Start in die unter-nehmerische Selbständigkeit zu erleichtern, wurde 2003die Initiative Bürokratieabbau gestartet (siehe NAP2003). Von den mittlerweile 74 Projekten wurden bereitsdreizehn erfolgreich umgesetzt. So wurde z. B. die Belas-tung der Wirtschaft durch statistische Berichtspflichtenerheblich verringert.

    Die zur Jahreswende 2003/2004 in Kraft getretene No-velle der Handwerksordnung vereinfacht vor allem dieExistenzgründung und die Unternehmensnachfolge imHandwerk. So wurde die Anzahl der zulassungspflich-tigen Handwerke („Meisterzwang“) von 94 auf 41 re-duziert. Darüber hinaus können sich Gesellinnen und Ge-sellen mit mindestens sechsjähriger Berufserfahrung– davon vier Jahre in leitender Stellung – auch in einemzulassungspflichtigen Handwerk ohne Meisterbrief selb-ständig machen.

    Unternehmensgründungen werden künftig schneller undeinfacher erfolgen: Ab dem 1. Dezember 2004 sollenHandelsregistereintragungen nicht mehr länger als einenMonat dauern. Mit der zum 1. Januar 2007 geplanten Ein-führung der elektronischen Handelsregisterführung wirddie Handelsregistereintragung binnen einen Tages zur Re-gel werden.

    Gründerinnen und Gründern wird das Einstellen vonneuen Beschäftigten und somit die Schaffung neuer Ar-beitsplätze dadurch erleichtert, dass sie diese in den ers-ten vier Jahren nach der Gründung ihres Unternehmensbis zur Dauer von vier Jahren befristet einstellen können(normalerweise ist eine Befristung nur für maximal zweiJahre zulässig). Auch die Modernisierung der Arbeitsstät-tenverordnung3 entlastet Gründerinnen und Gründer vonbisherigen Pflichten.

    3 Die Arbeitsstättenverordnung legt die grundlegenden Pflichten derArbeitgeber in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutzin der Arbeitsstätte fest und beschreibt die Schutzziele.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/5205

    Selbständigkeit früh vermitteln

    Da die Förderung des „Unternehmergeistes“ bereits injungen Jahren beginnen muss, messen die Länder und derBund der ökonomischen Bildung zunehmend Bedeutungbei. In immer mehr allgemein bildenden und beruflichenSchulen existieren zudem sog. Übungsfirmen für Schüle-rinnen und Schüler, die echte Waren oder Dienstleitungenanbieten. Im Rahmen des Projekts JUNIOR – „JungeUnternehmen initiieren – organisieren – realisieren“ – derBundesregierung haben im Schuljahr 2003/2004 knapp4 000 Schülerinnen und Schüler unternehmerisch mitChancen und Risiken am „Markt“ agiert.

    Des Weiteren unterstützen Bund und Länder die Förde-rung der Selbständigkeit an den Hochschulen. So ist u. a.die Zahl der Existenzgründerlehrstühle, an denen Studen-tinnen und Studenten das Berufsbild „Unternehmerin/Unternehmer“ vermittelt werden soll, mittlerweile auf 52angewachsen.

    Existenzgründung – Chance für Ausstieg aus Arbeitslosigkeit

    Die Bundesregierung setzt auch beim Kampf gegen dieArbeitslosigkeit auf die Erschließung unternehmerischenPotenzials. Die Arbeitsmarktpolitik wurde so umgestaltet,dass bei Arbeitslosen Eigeninitiative gefördert wird undnoch stärker als bisher in Unternehmertum mündet.

    Insbesondere das im Jahr 2003 eingeführte Instrument der„Ich-AG“ (sog. Existenzgründungszuschuss, siehe NAP2003) hat diesen Trend nachhaltig beschleunigt. Von den250 000 Gründungen aus der Arbeitslosigkeit, die in2003 von der Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden,entfielen bereits 93 000 (davon rd. 38 000 Frauen) auf die„Ich-AG“. Mit der „Ich-AG“ ist es gelungen, Gründungs-potenziale bei Personen zu erschließen, die vorher kaumdie Möglichkeit hatten, eine eigene Geschäftsidee zu ver-wirklichen. Im ersten Halbjahr 2004 konnten mit der„Ich-AG“ und dem Überbrückungsgeld bisher insgesamt165 000 Arbeitslose (davon 53 000 Frauen) den Weg in

    die Selbständigkeit verwirklichen. Existenzgründungszu-schuss und Überbrückungsgeld werden hinsichtlich ihrerWirkungen am Arbeitsmarkt evaluiert.

    Potenzial von Frauen stärker nutzen

    Im Rahmen der im Januar 2003 gestarteten Mittelstands-offensive setzt die Bundesregierung insbesondere darauf,Frauen zu ermutigen, den Schritt in die unternehmerischeSelbständigkeit zu wagen. Die Bundesregierung fördertdaher den Aufbau einer bundesweiten Agentur für Grün-derinnen, deren Aufgabe es ist, Frauen gezielt anzuspre-chen und frauenspezifisch zu beraten. Eine neu eingerich-tete Hotline für Gründerinnen und ein Internetportal(www.gruenderinnenagentur.de) mit einem umfangrei-chen Service- und Informationsangebot (Expertendaten-bank, Kontaktbörse) bietet Unternehmerinnen und sol-chen, die es werden wollen, eine wichtige Stütze bei derunternehmerischen Selbständigkeit. Die Gründerinnen-agentur wird finanziell durch den ESF unterstützt. Darüberhinaus trägt der beschlossene Ausbau der Kinderbetreu-ung und von Ganztagsschulen (siehe Text zu den Leitli-nien 4 und 6) dazu bei, die Chancen auf unternehmerischeSelbständigkeit von Frauen zu verbessern.

    Erfolge sind sichtbar – Positive Entwicklung im Gründungsgeschehen

    In 2003 hat sich das Gründungsgeschehen in Deutschlanderhöht: Die Zahl der Neugründungen im gewerblichenBereich – d. h. ohne die freien Berufe und ohne die Land-wirtschaft – ist nach Berechnungen des Instituts für Mit-telstandsforschung Bonn von insgesamt 451 800 Unter-nehmen im Jahr 2002 auf 506 500 im Jahr 2003 angestie-gen. Dies entspricht einem Zuwachs von 12 Prozent. Un-ter Berücksichtigung der Liquidationen bleibt ein Saldovon 109 300 (Vorjahr 63 300) Unternehmen. Zu dieserpositiven Entwicklung haben auch eine Vielzahl von aus-ländischen Unternehmensgründungen beigetragen.

    3. Bewältigung des Wandels und Förderung der Anpassungsfähigkeit in der ArbeitsweltDie Mitgliedstaaten werden die Fähigkeit der Beschäftigten und der Unternehmen zur Anpassung an den Wandel för-dern; sie werden dabei sowohl dem Bedarf an Flexibilität und Sicherheit Rechnung tragen als auch der Schlüsselrolleder Sozialpartner in dieser Frage Nachdruck verleihen. Sie werden allzu restriktive Bestimmungen des Arbeitsrechts,die die Arbeitsmarktdynamik beeinträchtigen und einer Beschäftigung derjenigen im Wege stehen, die Schwierigkei-ten beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben, überprüfen und – soweit dies angezeigt ist – reformieren. Sie werden fer-ner den sozialen Dialog weiterentwickeln, die soziale Verantwortung der Unternehmen fördern und sonstige geeig-nete Maßnahmen treffen, mit dem Ziel:

    – Für eine größere Vielfalt bei arbeitsvertraglichen und arbeitsorganisatorischen Regelungen, einschließlich Ar-beitszeitregelungen, zu sorgen – mit Blick auf die Förderung der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, einebessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Flexibilität undSicherheit

    – Den Zugang von Arbeitnehmern, vor allem solcher mit geringer Qualifikation, zu Qualifizierungsmaßnahmen zufördern

  • Drucksache 15/5205 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    – Bessere Arbeitsbedingungen, unter anderem im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, zuschaffen, um vor allem die Gesamtzahl der Arbeitsunfälle und das Auftreten von Berufskrankheiten deutlich redu-zieren zu können

    – Innovative und nachhaltige Formen der Arbeitsorganisation, die sich positiv auf die Arbeitsproduktivität und dieArbeitsplatzqualität auswirken, zu konzipieren und zu verbreiten

    – Vorkehrungen im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wandel und wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse zutreffen, um diese dann erfolgreich zu bewältigen

    Die Mitgliedstaaten werden einem Arbeitskräftemangel und Arbeitsmarktengpässen mit einer Reihe von Maßnahmenwie der Förderung der beruflichen Mobilität und der Beseitigung von Hindernissen für die geografische Mobilitätentgegenwirken; erreicht werden soll dies insbesondere durch die Umsetzung des Aktionsplans für Qualifikation undMobilität, durch Verbesserungen bei der Anerkennung und Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen,durch Gewährleistung der Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und Rentenansprüchen, durch Schaffung geeig-neter Anreize in den Steuer- und Sozialleistungssystemen und durch Berücksichtigung der arbeitsmarktpolitischenAspekte der Einwanderung.

    Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sollte für mehr Transparenz bei Beschäftigungs- und Ausbil-dungsmöglichkeiten gesorgt werden, um eine effektive Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeits-markt zu fördern. Insbesondere sollte bis 2005 sichergestellt sein, dass Arbeitsuchende EU-weit Zugang zu sämtli-chen von den Arbeitsverwaltungen der Mitgliedstaaten bekannt gegebenen Stellenangeboten haben.

    Flexibilität und Sicherheit vereinbaren interessen der Unternehmen als auch den sozialen Schutz

    Leitidee der deutschen Strategie ist die Notwendigkeit ei-ner Volkswirtschaft, sich im Wettbewerb durch Flexibili-tät zu beweisen und an neue Herausforderungen anzupas-sen. Dies muss im Einklang mit den berechtigtenInteressen der Beschäftigten nach Sicherheit geschehen.Das Verhältnis beider Aspekte wird ständig überprüft undneujustiert. Beschäftigte und Arbeitsuchende werden un-terstützt, um auf flexibleren Arbeitsmärkten erfolgreichzu agieren.

    Kündigungsschutz wurde vereinfacht, Existenzgründungen werden begünstigt

    Im Rahmen der „Agenda 2010“ wurden durch das am1. Januar 2004 in Kraft getretene „Gesetz zu Reformenam Arbeitsmarkt“ das Kündigungsschutzgesetz und dieRegelungen über befristete Arbeitsverträge geändert, uminsbesondere in kleinen und neu gegründeten Unterneh-men Neueinstellungen zu fördern und größere Rechts-sicherheit für Unternehmen und Beschäftigte zu schaf-fen.

    Die betriebliche Anwendungsschwelle des Kündigungs-schutzgesetzes wurde für Neueinstellungen auf zehn Be-schäftigte angehoben. Existenzgründerinnen und -grün-der können befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund biszur Dauer von vier Jahren abschließen. Bei betriebs-bedingten Kündigungen wurde die Sozialauswahl ver-einfacht und zur Vermeidung zeit- und kostenträchtigerKündigungsschutzprozesse eine gesetzliche Abfindungs-möglichkeit eingeführt. Diese Änderungen berücksich-tigen in ausgewogener Weise sowohl die Flexibilitäts-

    der Beschäftigten und die Interessen der Arbeitsuchen-den. Über die Beschäftigungswirkung der geänderten An-wendungsschwelle des Kündigungsschutzgesetzes undder erweiterten Möglichkeiten der Befristung von Ar-beitsverträgen für Existenzgründerinnen und -gründerwird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bisEnde 2007 berichten.

    Tarifautonomie eröffnet Arbeitgebern und Gewerk-schaften Spielräume um flexibel zu reagieren

    2003 waren knapp 60 000 Tarifverträge in Kraft, von de-nen rd. 27 000 als Firmentarifverträge abgeschlossenwurden. Dies belegt, dass es in der deutschen Tarifland-schaft ein erhebliches Maß an Differenzierung gibt. DasTarifsystem bietet Unternehmen und Beschäftigten not-wendige Flexibilisierungspotenziale, um z. B. auf Auf-tragsschwankungen oder andere Veränderungen der Rah-menbedingungen zu reagieren. So existieren mittlerweilein vielen Betrieben Arbeitszeitkonten, und Tarifverträgesehen vor, dass die Arbeitszeit von großen Teilen der Be-legschaft deutlich über die Regelarbeitszeit ausgedehntwerden kann. Den individuellen Belangen der Unterneh-men kann mit dem bestehenden System Rechnung getra-gen werden. Dies zeigen gerade aktuelle Tarifabschlüsse(zur Darstellung des deutschen Tarifvertragssystemssiehe Anhang 3).

    Arbeitszeitgesetz verbessert Schutz für Beschäftigteund erweitert Flexibilität

    Mit dem „Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt“ wurdedas Arbeitszeitgesetz an aktuelle europäische Entwick-

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/5205

    lungen (EuGH-Urteil vom 9. September 2003) angepasstund darüber hinaus durch die Einführung der Möglichkeitzur Arbeitszeitverlängerung mit Zustimmung des Arbeit-nehmers weiter flexibilisiert. Mit der Neuregelung wer-den Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst vollstän-dig als Arbeitszeit gewertet. Die Tarifvertragsparteienerhalten für Arbeitszeiten mit Arbeitsbereitschaft oderBereitschaftsdienst Gestaltungsspielräume. Sie könnenauf tarifvertraglicher Grundlage längere Arbeitszeitenvereinbaren:

    – Die Arbeitszeit darf – mit Zeitausgleich – über zehnStunden pro Werktag hinaus verlängert werden, wennin die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Um-fang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt.Den Ausgleichszeitraum können die Tarifvertragspar-teien auf bis zu zwölf Monate ausweiten.

    – Die Tarifvertragsparteien können bei diesen Dienstfor-men auch vereinbaren, die Arbeitszeit ohne Zeitaus-gleich über acht Stunden pro Werktag hinaus zu ver-längern. Dabei muss ausdrücklich sichergestelltwerden, dass die Gesundheit der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Die Verlänge-rung setzt voraus, dass betroffene Beschäftigte schrift-lich einwilligen. Beschäftigten, die nicht einwilligenoder ihre Einwilligung widerrufen, darf daraus keinNachteil entstehen. Für einen solchen Widerruf gilteine Frist von sechs Monaten.

    Weiter flexibilisiert wurde auch das Ladenschlussgesetz.Mit dem „Gesetz zur Verlängerung der Ladenöffnung anSamstagen“ hat der Einzelhandel in Deutschland erwei-terte Möglichkeiten für eine zeitgemäße und bedarfsori-entierte Öffnung der Läden erhalten. Seit Juni 2003 kön-nen die Geschäfte nun an allen Werktagen von Montagbis Samstag von 6 bis 20 Uhr öffnen.

    Flexibilität durch Teilzeitarbeit

    Das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene „Gesetz überTeilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ ist ein In-strument zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit von Ar-beitskräften und Unternehmen. Die Teilzeitvorschriftendes Gesetzes, insbesondere die Regelungen über den Teil-zeitanspruch, fördern die Chancengleichheit zwischenMännern und Frauen und die bessere Vereinbarkeit vonBeruf und Familie. Die familienfreundliche Zielsetzungder Regelungen ermöglicht es nicht nur Frauen, sondernauch Männern, Familie und Beruf besser in Einklang zubringen und ihre individuellen Lebenspläne besser zu ver-wirklichen. Das Gesetz verbessert damit die Rahmenbe-dingungen für Teilzeitarbeit und versetzt die Arbeitgeberin die Lage, mit intelligenten Arbeitszeitmodellen flexi-bel auf neue Entwicklungen und Anforderungen in derArbeitswelt zu reagieren. Das Gesetz leistet damit einenBeitrag zur Beschäftigungssicherung und zum Beschäfti-gungsaufbau.

    Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten ist auf rund7,2 Millionen im Jahre 2003 angestiegen (zur Entwick-lung der Teilzeitquote siehe Statistik, Schaubild 1).

    Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Bewältigung des Wandels

    Die Arbeitsschwerpunkte der „Initiative Neue Qualitätder Arbeit“ (INQA) wurden für das Jahr 2004 an neuenErfordernissen ausgerichtet. INQA ist ein Zusammen-schluss von Bund, Ländern, Sozialversicherungsträgern,Sozialpartnern, Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stif-tung und Unternehmen. Ein Schwerpunkt von INQA istdie Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere vor demHintergrund des demografischen Wandels.

    Verbesserung der Anpassungsfähigkeit durch aktive Arbeitsmarktpolitik

    – Die berufliche Weiterbildung von Arbeitslosen, vonArbeitslosigkeit Bedrohten und Personen ohne Berufs-abschluss ist ein wesentliches Element zur Integrationin den Arbeitsmarkt und zur Erhöhung der Anpas-sungsfähigkeit. In 2003 haben die Agenturen für Ar-beit für diese Aufgabe rd. 5 Mrd. Euro aufgewendet.Gleichzeitig wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt,die die Wirksamkeit der Maßnahmen, nachhaltigeQualitätsentwicklung und Wettbewerb zwischen denAnbietern in den Mittelpunkt stellt (z. B. Einführungvon Bildungsgutscheinen, höhere Eingliederungsan-forderungen an Maßnahmen, Einführung von Quali-tätstestierung bei Anbietern). Künftig wird die Quali-tätstestierung von Anbietern und Maßnahmen derberuflichen Weiterbildung von unabhängigen Stellenvorgenommen. Eine entsprechende Verordnung ist am1. Juli 2004 in Kraft getreten. Eine Anerkennungs-stelle bei der Bundesagentur für Arbeit wird die unab-hängigen Zertifizierungsstellen auf ihre Eignung fürdie Qualitätstestierung von Anbietern und Bildungsan-geboten prüfen und zulassen.

    – Mit dem weiteren Ausbau des „Virtuellen Arbeits-marktes“ erhöht die Bundesagentur für Arbeit dieTransparenz auf dem Arbeitsmarkt und verbessert dieAngebote, um Arbeitsangebot und -nachfrage in Kon-takt zu bringen (siehe Anhang 1).

    Schließlich nutzt Deutschland intensiver das Potenzialvon Zuwanderinnen und Zuwanderern zur Bewältigungdes ökonomischen Wandels durch eine gezielte Zuwande-rung und durch eine bessere Integration bereits inDeutschland lebender Personen mit Migrationshinter-grund. Das am 1. Januar 2005 in Kraft tretende Zuwande-rungsgesetz beinhaltet Integrationsangebote und einenleichteren Zugang für Hochqualifizierte (siehe Text zuLeitlinien 5 und 7). Um das Potenzial von Zuwanderin-nen und Zuwanderern optimal nutzen zu können, ver-stärkt Deutschland seine Anstrengungen zur Anerken-nung und angemessenen Bewertung ihrer formalen undinformellen Qualifikationen.

  • Drucksache 15/5205 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    Hoher Anteil von Bildungsabschlüssen

    Der Hinführung zum lebenslangen Lernen kommt inDeutschland in allen Bereichen des Bildungssystemsgroße Bedeutung zu (zur Entwicklung der finanziellenAufwendungen im Bildungsbereich siehe Statistik, Tabel-len 15 und 16). Die Ausgangssituation für die weitereFörderung von Humankapital ist u. a. durch eine insge-samt vergleichsweise hohe Bildungsbeteiligung gekenn-zeichnet.

    – 90 Prozent eines Jahrganges verlassen die allgemein-bildende Schule mit Abschluss (Jungen 88 Prozent,Mädchen 93 Prozent). Durch weitere Bildungsmaß-nahmen erhöht sich der Anteil der Jugendlichen mitSchulabschluss auf 96 Prozent. Die Studienanfänger-quote ist von 35,1 Prozent in 2002 auf 35,7 Prozent in2003 gestiegen (Männer 34,7 Prozent; Frauen36,7 Prozent im Jahr 2003).4

    – 76,5 Prozent der 22-Jährigen verfügten 2003 mindes-tens über einen Abschluss der Sekundarstufe II (Män-ner 76,1 Prozent, Frauen 76,9 Prozent). Bis zum Altervon 25 Jahren steigt die Quote auf 83,5 Prozent (Män-ner 83,9 Prozent, Frauen 83,0 Prozent).5 Von den25- bis 64-Jährigen verfügten im Jahr 2003 83,4 Pro-zent mindestens über einen Abschluss des Sekundar-bereichs II (Männer 87,2 Prozent, Frauen 79,5 Pro-zent).

    – Von den Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter neh-men jährlich 43 Prozent an Weiterbildungsmaßnah-men teil (Frauen 40 Prozent, Männer 45 Prozent).6

    – 75 Prozent der Betriebe bilden ihre Mitarbeiter wei-ter.7 Betriebsspezifische Weiterbildungen finanzierendie Unternehmen zu großen Teilen selbst.

    Strategie für Lebenslanges Lernen in der Bundesrepublik Deutschland

    Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung undForschungsförderung hat am 5. Juli 2004 eine von Bundund Ländern erarbeitete „Strategie für Lebenslanges Ler-nen in der Bundesrepublik Deutschland“ verabschiedet.8Ziel der „Strategie Lebenslanges Lernen“ ist es darzu-stellen, wie das Lernen aller Bürgerinnen und Bürger inallen Lebensphasen und Lebensbereichen, an verschiede-nen Lernorten und in vielfältigen Lernformen angeregtund unterstützt werden kann. Lebenslanges Lernen be-zieht alles formale, nicht-formale und informelle Lernenein. Auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Rah-menbedingungen ist eine „Strategie Lebenslanges Ler-nen“ in der Bundesrepublik Deutschland nicht im Sinneeiner „nationalen kohärenten Strategie“ darstellbar, wohlaber als gemeinsam vereinbarte Strategie, die Aspekteund Zusammenhänge aufzeigt, bei denen – unbeschadetder jeweiligen Zuständigkeiten – weitgehend Konsensinnerhalb der Länder und zwischen Bund und Ländernbesteht.

    Die Definition „Lebenslanges Lernen“ legt es nahe, eineStrategie einerseits an der Biographie des Menschen undseinen Lebensphasen von der frühen Kindheit bis inshohe Alter zu orientieren. Andererseits empfiehlt es sichangesichts der unübersehbaren Fülle von Maßnahmenlebenslangen Lernens diejenigen Aspekte herauszufiltern,die in allen Lebensphasen wesentliche Elemente und damitEntwicklungsschwerpunkte einer Strategie LebenslangenLernens darstellen. Solche Entwicklungsschwerpunktesind: Einbeziehung informellen Lernens, Selbststeuerung,

    4. Förderung des Aufbaus von Human-kapital und des Lebenslangen Lernens

    Die Mitgliedstaaten werden Strategien für das Lebens-lange Lernen verfolgen – unter anderem durch die Ver-besserung von Qualität und Effizienz der Bildungs- undAusbildungssysteme –, um allen Arbeitskräften dieQualifikationen zu vermitteln, die von modernen Ar-beitskräften in einer wissensbasierten Gesellschaft ver-langt werden, um allen eine berufliche Weiterentwick-lung zu ermöglichen und um das Missverhältniszwischen Qualifikationsangebot und Qualifikations-nachfrage zu beheben und Arbeitsmarktengpässe zuüberwinden.

    Die Maßnahmen werden unter Berücksichtigung natio-naler Prioritäten insbesondere darauf abzielen, dass bis2010 Folgendes erreicht wird:

    – Mindestens 85 Prozent der 22-jährigen in der Euro-päischen Union sollten die Sekundarstufe II abge-schlossen haben.

    – Der durchschnittliche Anteil der Erwachsenen im er-werbsfähigen Alter (Altersgruppe 25 bis 64 Jahre) inder Europäischen Union, die am Lebenslangen Ler-nen teilnehmen, sollte mindestens 12,5 Prozent be-tragen.

    Die entsprechenden Maßnahmen werden insbesondereauf einen Zuwachs an Investitionen in die Humanres-sourcen abzielen. In diesem Zusammenhang ist es wich-tig, dass die Investitionen der Unternehmen in die Aus-und Weiterbildung der Erwachsenen deutlich aufge-stockt werden, um so Produktivität, Wettbewerbsfähig-keit und aktives Altern zu fördern. Effiziente Human-kapitalinvestitionen seitens der Arbeitgeber und derArbeitskräfte selbst werden gefördert.

    4 Nettoquoten entsprechend den Indikatoren der OECD, berechnet fürISCED-Level 5A.

    5 Quelle: Mikrozensus; Sekundarstufe II umfasst auch Abschlüsse imdualen System der Berufsausbildung.

    6 Quelle: Berichtssystem Weiterbildung; Anteil der Personen an allenBefragten, die im Jahr 2000 an allgemeiner und/oder beruflicherWeiterbildung teilgenommen haben.

    7 Zweite Europäische Weiterbildungserhebung für das Jahr 2000 (Con-tinuing Vocational Training Survey II). Einbezogen sind Unterneh-men mit mehr als zehn Mitarbeitern.

    8 Langfassung der Strategie: www.blk-bonn.de.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/5205

    Kompetenzentwicklung, Vernetzung, Modularisierung,Lernberatung, neue Lernkultur/Popularisierung des Ler-nens, chancengerechter Zugang.

    In Verbindung mit den Lebensphasen stellen die Entwick-lungsschwerpunkte ein Gerüst dar, in das sich die Akti-vitäten aller am Prozess lebenslangen Lernens Beteiligteneinfügen lassen. Innerhalb dieses Gerüstes werden rea-listische und auf Nachhaltigkeit gerichtete Perspektivenentwickelt, die auf den vorhandenen Bildungsstrukturen,Aktivitäten und Erfahrungen aufbauen und einen struk-turierten Rahmen lebenslangen Lernens abstecken, derflexibel und offen für die notwendige kontinuierlicheWeiterentwicklung ist. Es bleibt die Aufgabe der zustän-digen Akteure in den Ländern und im Bund, den Rahmen,der mit diesem Strategiepapier abgesteckt ist, je nach ih-ren bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen auszu-füllen.

    Umfassende Förderung des Humankapitals

    Durch eine frühzeitige und individuelle Förderung allerPotenziale in der Schule wird ein entscheidender Beitragfür eine gute Qualifizierung für die zukünftige Erwerbs-arbeit geleistet. Die Bundesregierung unterstützt deshalbdie Länder beim weiteren Ausbau eines bedarfsgerechtenGanztagsschulangebots im Jahr 2004 mit 1 Mrd. Euround fördert somit Vorhaben in rund 3 000 Schulen.9 Da-mit fördert der Bund die Rahmenbedingungen für einewirksame Unterstützung des Lernprozesses und leistetzugleich einen Beitrag zum Ausbau der Kinderbetreu-ungseinrichtungen (siehe Reaktion auf die Empfehlungzur Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung). Insgesamtwerden im Rahmen des Investitionsprogramms „ZukunftBildung und Betreuung“ 4 Mrd. Euro zur Verfügung ge-stellt.

    Seit der großen Reform des Bundesausbildungsförde-rungsgesetzes (BAföG-Reform) im Jahre 2001 hat derBund seine Investionen in die Ausbildungsförderung er-heblich gesteigert und stellte im Jahr 2003 rund 500 Mio.Euro zusätzlich bereit (verglichen mit dem Jahr 2000).Mit einem Gesamtfördervolumen von Bund und Ländernvon über 2 Mrd. Euro im Jahre 2003 konnte die Zahl derGeförderten von 341 000 im Jahre 1998 auf derzeit rundeine halbe Million gesteigert werden. Damit unterstüt-zen Bund und Länder die Chancengleichheit im Bil-dungswesen und tragen zur Erhöhung der Studierenden-quote bei.

    Um die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Über-gang aller Jugendlichen von der allgemein bildendenSchule in die Berufsausbildung zu verbessern, fördert dieBundesagentur für Arbeit die vertiefte Berufsorientie-rung für Schüler in Zusammenarbeit mit Schulen, Betrie-ben und Trägern. Gleichzeitig führt sie die Förderung be-rufsvorbereitender Maßnahmen für Jugendliche ohneAusbildungsstelle auf hohem Niveau fort. Auch in 2004

    wird das Bundesprogramm „Schule-Wirtschaft/Arbeitsle-ben“ gemeinsam mit den Ländern und den Sozialpartnernfortgeführt, mit dem in Zusammenarbeit mit 2 400 Unter-nehmen seit 1999 bisher über 32 000 Schülerinnen undSchüler und erreicht wurden.

    Die Länder unterstützen den Übergang von Jugendlichenvon der Schule in die Arbeitswelt mit einer Vielzahl eige-ner Programme.

    Berufliche Ausbildung für alle Jugendlichen sicherstellen

    Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften habendas gemeinsame Ziel bekräftigt, allen Jugendlichen einebetriebliche Ausbildung zu ermöglichen. Für die Erfül-lung dieser Zielstellung haben die Sozialpartner einegroße Verantwortung. Mit vielfältigen Initiativen unter-stützen Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Län-der sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationendie Bemühungen um eine qualifizierte Nachwuchsförde-rung, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähigzu bleiben und Humanressourcen auszuschöpfen (sieheTeil C). Allerdings dürfte der erhebliche Rückgang derneu abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungsverträgein den letzten drei Jahren nicht nur konjunkturelle Ursa-chen haben, sondern deutet auch auf strukturelle wirt-schaftliche Veränderungen hin, die sich auch in der Be-rufsbildung widerspiegeln.

    Zur Zukunftssicherung der dualen Ausbildung sind ausSicht der Bundesregierung weitere Strukturreformen undModernisierungen erforderlich. Sie wird daher die bereitsin den vergangenen Jahren begonnenen Reformen zurModernisierung und Flexibilisierung der beruflichenAus- und Weiterbildung mit Nachdruck fortsetzen unddazu u. a. das Berufsbildungsgesetz mit folgendenSchwerpunkten novellieren: Erhöhung der gegenseitigenAnrechnungsfähigkeit der verschiedenen Qualifizie-rungswege, Eröffnung neuer Chancen für benachteiligteJugendliche, stärkere europäische und internationaleOrientierung bei der Ausbildung, Fördern regionaler Ver-antwortung und Kooperation sowie Modernisierung derAusgestaltung der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

    Die Bundesregierung wird neben den strukturellen Refor-men gemeinsam mit den Sozialpartnern die im vergange-nen Jahr im Rahmen der Ausbildungsoffensive (sieheNAP 2003) begonnenen Maßnahmen und Aktivitäten imJahr 2004 mit Nachdruck fortführen. Oberste Priorität hatdabei das Ziel, Betriebe und Unternehmen neu oder wie-der für die duale Berufsausbildung zu gewinnen und da-mit zusätzliche Ausbildungsplätze zu akquirieren.

    Die Bundesregierung und die Spitzenverbände der Wirt-schaft haben deshalb 2004 einen nationalen Pakt fürAusbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschlandvereinbart, um im Jahr 2004 für alle Ausbildungsplatz-bewerber eine Ausbildung zu ermöglichen. Darin setztsich die Wirtschaft das verbindliche Ziel, während derdreijährigen Dauer dieses Paktes im Jahresdurchschnitt9 Gemäß vorläufiger Vorhabenplanung der Länder zum 31. März 2004.

  • Drucksache 15/5205 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

    30 000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Bundes-regierung wird die Zahl der Ausbildungsplätze in derBundesverwaltung um 20 Prozent erhöhen. Um zu errei-chen, dass junge Leute ihre Chancen auf einen Ausbil-dungsplatz erhöhen, stellt die Wirtschaft zusätzlich zuihrem Lehrstellenangebot insgesamt 25 000 Plätze jähr-lich für betriebliche Einstiegsqualifikationen bereit. Zu-dem beinhaltet der Pakt die Themen Ausbildungsreifevon Schulabgängern sowie das bessere Matching vonAngebot und Nachfrage. Die Länder flankieren durchzusätzliche Maßnahmen und durch auf Länderebene ver-einbarte Pakte die Bemühungen auf Bundesebene.

    Für Jugendliche, die – trotz beruflicher Orientierung –nach der Schule keinen Einstieg in das duale System derBerufsausbildung finden oder suchen, stellen die Länderein umfassendes Angebot beruflicher Vollzeitschulen zurVerfügung, das von der Berufsvorbereitung über berufli-che Teilqualifikationen bis zur vollen Berufsqualifikation(Assistenten-Berufe) und zur Hochschulreife reicht. Vondiesem Angebot machen zur Zeit ca. 500 000 JugendlicheGebrauch.

    Außerdem unterstützt die Bundesagentur für Arbeit nachdem Arbeitsförderungsrecht im Jahresdurchschnitt rund477 000 Jugendliche insbesondere durch berufsvorberei-tende Bildungsmaßnahmen, Maßnahmen der Benachtei-ligtenförderung, und durch Maßnahmen zur BeruflichenEingliederung behinderter Menschen (siehe Text zur Leit-linie 1). Die Bundesregierung fördert die Schaffung vonzusätzlichen Ausbildungsplätzen durch das Bund-Länder-Ausbildungsplatzprogramm Ost (14 000 Ausbildungs-plätze). Hinzu kommen ergänzende Länderprogramme.Mit dem JUMP-Programm wurden bis Ende 2003 durchProjekte rund 90 000 betriebliche Ausbildungsplätze ge-schaffen.

    Umfassende Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung

    Die begonnenen Reformmaßnahmen werden in Deutsch-land auch im Jahr 2004 fortgesetzt. Schwerpunkte sindzum einen die Verbesserung von Transparenz und Quali-tät der beruflichen Weiterbildung sowie eine Neuordnungder öffentlich geförderten beruflichen Weiterbildung imZuge der Umsetzung des „Ersten Gesetzes für moderneDienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (siehe Text zu Leit-linie 3), zum anderen die Verbesserung der Förderung derberuflichen Fortbildung im Rahmen der grundlegendenNovellierung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgeset-zes (AFBG). Jährlich erhalten rund 90 000 PersonenLeistungen nach dem AFBG; die jährlichen Aufwendun-gen betragen rd. 300 Mio. Euro.

    Zudem wird in Deutschland das grundständige Weiterbil-dungssystem der Länder weiterentwickelt. Dazu gehörtdie lebenslange Möglichkeit für jeden, einen versäumtenSchulabschluss nachzuholen oder einen höheren zu er-werben bzw. auf der Basis eines erlernten Ausbildungsbe-

    rufs einen staatlich anerkannten, höherwertigen Berufs-status an einer Fachschule (Tages- und Abendform) zuerwerben, der (mit Zusatzleistungen) auch zum Studiuman Fachhochschulen berechtigt.

    Kontinuierliche Weiterentwicklung des Bildungssystems durch die Länder

    Die Länder setzen den ständigen Prozess der Anpassungdes Bildungssystems in Deutschland an die Situation, dieAufgaben und Herausforderungen unserer Zeit durch eineFülle von Maßnahmen sowohl in jeweils eigener Zustän-digkeit als auch auf der Ebene der Kultusministerkonfe-renz (KMK) fort. Dazu gehören neben den bereits imNAP 2003 erwähnten Maßnahmen u. a. folgende Aktivi-täten:

    – Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bil-dung in Kindertageseinrichtungen.

    – Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenzim Elementarbereich und Einführung des verbindli-chen Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule.

    – Bessere Verzahnung von vorschulischen Einrichtun-gen mit der Grundschule sowie Maßnahmen zur gene-rellen Verbesserung der Grundschulbildung.

    – Anhebung des Leistungsniveaus und weitere Verbes-serung des Unterrichts in den weiterführenden Schu-len sowie Verbesserung der Professionalität der Leh-rertätigkeit. Dies gilt vor allem hinsichtlichdiagnostischer und methodischer Kompetenz ein-schließlich entsprechender Veränderungen in derLehrplan- und Unterrichtsgestaltung und Erhöhungder Durchlässigkeit des Schulsystems nach oben.

    Als zentrale Aufgabe sieht die KMK es dabei an, dieQualität schulischer Bildung, die Vergleichbarkeit schu-lischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bil-dungssystems zu sichern. Bildungsstandards sind hier-bei von besonderer Bedeutung. Sie sind Bestandteileeines umfassenden Systems der Qualitätssicherung, dasauch Schulentwicklung und externe und interne Evalua-tion umfasst. Bildungsstandards beschreiben erwarteteLernergebnisse. Ihre Anwendung bietet Hinweise fürnotwendige Förderungs- und Unterstützungsmaßnah-men.

    Die KMK hat Bildungsstandards für den Mittleren Schul-abschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und ErsteFremdsprache (Englisch, Französisch) erarbeitet, die vonden Ländern zu Beginn des Schuljahrs 2004/2005 alsGrundlage der fachspezifischen Anforderungen für denMittleren Bildungsabschluss übernommen werden. Ent-sprechende KMK-Standards sind bis Ende 2004 auch fürdie Grundschule zu erwarten. Die Standards und ihre Ein-haltung werden durch eine von den Ländern beauftragtewissenschaftliche Einrichtung überprüft und weiterent-wickelt.

  • Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/5205

    5. Erhöhung des Arbeitskräfteangebots und aktives AlternDie Mitgliedstaaten werden sich bemühen, dafür zu sorgen, dass eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften undBeschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu stützen, und– wie in der Leitlinie 3 konkret dargelegt – dabei der Arbeitskräftemobilität Rechnung tragen. Sie werden

    – auf eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung hinarbeiten, indem sie das Potenzial aller Bevölkerungsgruppen imRahmen eines umfassenden Konzepts erschließen, das insbesondere folgende Aspekte abdeckt: Verfügbarkeit undAttraktivität von Arbeitsplätzen, Sorge dafür, dass sich Arbeit lohnt, Verbesserung