Untersuchung der Anrißlebensdauer von Betondübeln mit Hilfe des Örtlichen Konzepts

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160 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 3 Die Herstellung eines guten Verbunds zwischen Betonplatte und Stahl- träger ist für die Tragfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gebrauchstauglich- keit eines Verbundträgers von grundlegender Bedeutung. Betondübel stellen hierbei eine neue Möglichkeit dar. Sie bestehen aus gelochten, auf den Stahlträger aufgeschweißten Stahlblechen. Ihr besonderer Vorteil gegenüber den bisher verwendeten Verbundmitteln liegt in dem konstruk- tionsbedingten guten Verhalten gegenüber wechselnden Beanspruchun- gen. Im vorliegenden Aufsatz wird dies mit Hilfe des Örtlichen Konzepts untersucht und bestätigt. Local-strain-approach based analysis of the crack initiation life of shear connectors using perforated steel plates. To obtain good composite action between the concrete slab and the steel girder is an essential for ultimate load, economy and serviceability of composite girders. The use of perforated steel plates which are welded to the steel and embedded in the concrete is a new method to achieve this. The ad- vantage of these shear connectors is their very good reaction to repeat- ed loads. This is proved with the use of the local strain approach. 1 Einleitung und Zielsetzung In den 1980er Jahren wurde von Leonhardt et al. [1] als Alternative zum Kopfbolzen ein neuartiges Verbundmittel entwickelt, das unter dem Namen Perfobondleiste (Bild 1) patentiert war. Bei ihr werden die Längsschubkräfte durch den in den Löchern liegenden Beton in die Stahlleiste ein- geleitet, was zu dem inzwischen verbreiteten Begriff „Be- tondübel“ geführt hat. Dieser Begriff umfaßt im folgenden das komplette Element, bestehend aus gelochter Stahllei- ste und umschlossenem Beton. Als Vorteile dieses Verbund- mittels können hohe Wirtschaftlichkeit durch einfache Her- stellung, hohe Dauerfestigkeit durch starre, schlupffreie Ver- bindung im Gebrauchszustand und geringere Kerbschädi- gung als bei Kopfbolzen genannt werden. An Perfobondleisten mit relativ kleinem Lochdurch- messer (∅= 35 und 40 mm) wurden von Leonhardt et al. [1] statische und dynamische Push-Out-Versuche durchge- führt und das Tragverhalten untersucht. Wurzer [2] unter- suchte das Trag- und Verformungsverhalten von Beton- dübelleisten und Kombidübeln (Bild 2) mit größeren Loch- durchmessern (bis 100 mm). Dabei zeigten die großen Be- tondübel ein günstigeres Verformungsverhalten als solche mit kleinen Durchmessern. Die Versuchsergebnisse [1], [2] zeigen, daß das Trag- verhalten in Abhängigkeit von den geometrischen Abmes- sungen sowie der Anordnung und Kombination der Lö- cher unterschiedlich ist. Reitz [3] hat nach einer Parame- terstudie die optimale geometrische Form gewählt, die im Gebrauchszustand schlupffrei und im Bruchzustand nach- giebig sein soll, und für diese Betondübel statische Push- Out-Versuche durchgeführt (Bild 3). Die Ergebnisse zeigen eine hohe Anfangssteifigkeit und ein günstiges Verformungs- verhalten und bestätigen die Betondübel als duktile Ver- bundmittel. Untersuchung der Anrißlebens- dauer von Betondübeln mit Hilfe des Örtlichen Konzepts Jörg Lange Jaejoon Song Bild 1. Perfobondleiste [1] Fig. 1. Perfobondconnector Bild 2. Kombi-Dübel [2] Fig. 2. Kombi-shear conncetor Bild 3. Leiste, bei der jedes 2. Loch geöffnet ist Fig. 3. Perforated steel plates with openings

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 3

Die Herstellung eines guten Verbunds zwischen Betonplatte und Stahl-träger ist für die Tragfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gebrauchstauglich-keit eines Verbundträgers von grundlegender Bedeutung. Betondübelstellen hierbei eine neue Möglichkeit dar. Sie bestehen aus gelochten,auf den Stahlträger aufgeschweißten Stahlblechen. Ihr besonderer Vorteilgegenüber den bisher verwendeten Verbundmitteln liegt in dem konstruk-tionsbedingten guten Verhalten gegenüber wechselnden Beanspruchun-gen. Im vorliegenden Aufsatz wird dies mit Hilfe des Örtlichen Konzeptsuntersucht und bestätigt.

Local-strain-approach based analysis of the crack initiation lifeof shear connectors using perforated steel plates. To obtain goodcomposite action between the concrete slab and the steel girder is anessential for ultimate load, economy and serviceability of compositegirders. The use of perforated steel plates which are welded to the steeland embedded in the concrete is a new method to achieve this. The ad-vantage of these shear connectors is their very good reaction to repeat-ed loads. This is proved with the use of the local strain approach.

1 Einleitung und Zielsetzung

In den 1980er Jahren wurde von Leonhardt et al. [1] alsAlternative zum Kopfbolzen ein neuartiges Verbundmittelentwickelt, das unter dem Namen Perfobondleiste (Bild 1)patentiert war. Bei ihr werden die Längsschubkräfte durchden in den Löchern liegenden Beton in die Stahlleiste ein-geleitet, was zu dem inzwischen verbreiteten Begriff „Be-tondübel“ geführt hat. Dieser Begriff umfaßt im folgendendas komplette Element, bestehend aus gelochter Stahllei-ste und umschlossenem Beton. Als Vorteile dieses Verbund-mittels können hohe Wirtschaftlichkeit durch einfache Her-stellung, hohe Dauerfestigkeit durch starre, schlupffreie Ver-

bindung im Gebrauchszustand und geringere Kerbschädi-gung als bei Kopfbolzen genannt werden.

An Perfobondleisten mit relativ kleinem Lochdurch-messer (∅ = 35 und 40 mm) wurden von Leonhardt et al.[1] statische und dynamische Push-Out-Versuche durchge-führt und das Tragverhalten untersucht. Wurzer [2] unter-suchte das Trag- und Verformungsverhalten von Beton-dübelleisten und Kombidübeln (Bild 2) mit größeren Loch-durchmessern (bis 100 mm). Dabei zeigten die großen Be-tondübel ein günstigeres Verformungsverhalten als solchemit kleinen Durchmessern.

Die Versuchsergebnisse [1], [2] zeigen, daß das Trag-verhalten in Abhängigkeit von den geometrischen Abmes-sungen sowie der Anordnung und Kombination der Lö-cher unterschiedlich ist. Reitz [3] hat nach einer Parame-terstudie die optimale geometrische Form gewählt, die imGebrauchszustand schlupffrei und im Bruchzustand nach-giebig sein soll, und für diese Betondübel statische Push-Out-Versuche durchgeführt (Bild 3). Die Ergebnisse zeigeneine hohe Anfangssteifigkeit und ein günstiges Verformungs-verhalten und bestätigen die Betondübel als duktile Ver-bundmittel.

Untersuchung der Anrißlebens-dauer von Betondübeln mit Hilfe desÖrtlichen Konzepts

Jörg LangeJaejoon Song

Bild 1. Perfobondleiste [1]Fig. 1. Perfobondconnector

Bild 2. Kombi-Dübel [2]Fig. 2. Kombi-shear conncetor

Bild 3. Leiste, bei der jedes 2. Loch geöffnet istFig. 3. Perforated steel plates with openings

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J. Lange/J. Song · Untersuchung der Anrißlebensdauer von Betondübeln mit Hilfe des Örtlichen Konzeptes

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Bauteile und Konstruktionen zeigen wegen der Ermü-dung des Werkstoffs bei wiederholter Beanspruchung einegeringere Beanspruchbarkeit als bei gleich großer, stati-scher Belastung. Für einen Einsatz der Betondübel in Brük-ken und anderen Bauwerken unter nicht vorwiegend ru-hender Belastung ist das Ermüdungsverhalten zu klären.Im Rahmen dieser Arbeit wird dargestellt, wie dies für denStahlteil des Betondübels mittels des Örtlichen Konzeptsmöglich ist. Einige experimentelle Untersuchungen belegendie so gewonnenen theoretischen Erkenntnisse.

2 Berechnung der Anrißlebensdauer von Betondübelnnach dem Örtlichen Konzept

2.1 Örtliches KonzeptDas Örtliche Konzept [4] ist ein Berechnungsverfahren zurVorhersage der Anrißlebensdauer schwingbeanspruchterBauteile auf der Grundlage der örtlichen Beanspruchun-gen im Kerbgrund. Der Grundgedanke dieses Verfahrensberuht auf der Übertragbarkeit der Werkstoffeigenschaf-ten auf jedes beliebige Werkstoffelement eines Bauteils.Die Aufgabe des Örtlichen Konzepts ist es, mit Hilfe derzyklischen �-ε-Kurve des Werkstoffs den �-ε-Pfad des Kerb-grundelements bei vorgegebener äußerer Beanspruchungzu bestimmen und ihn bezüglich Ermüdung (Bauteilanriß)zu bewerten.

2.2 Berechnung der Anrißlebensdauer2.2.1 ÜbersichtVon Reitz [3] wurde ein Bemessungskonzept für die Er-mittlung der statischen Tragfähigkeit von Betondübeln vor-geschlagen. Es basiert auf den durchgeführten eigenen Ver-suchen, der statistischen Auswertung dieser Versuche, nu-merischen Betrachtungen sowie der Berücksichtigung derVersuche und Ansätze von Leonhardt et al. [1]. Der Schwer-punkt seiner Untersuchungen lag auf dem Versagen des

Stahlteils dieses Verbundmittels. Auch von Wurzer [2] undZapfe [8] liegen Bemessungsvorschläge vor. Ihr Schwer-punkt liegt eher auf dem Versagen des Betonteils. Die sta-tische Dübeltragfähigkeit wurde getrennt nach Versagens-arten, Betonversagen durch Abscheren oder Lochleibungsowie Stahlversagen, in Abhängigkeit von den Betonfestig-keitsklassen nach EC 2 [5] berechnet. Die in [3] berech-neten Dübeltragfähigkeiten der Leistenvarianten sind inder Tabelle 1 wiedergegeben. Im Rahmen der vorliegendenArbeit wurden für diese vier Leistenvarianten die Anriß-lebensdauern mit Hilfe von Berechnungen nach dem Ört-lichen Konzept und in Abhängigkeit von der Betonfestig-keitsklasse ermittelt. Nach Zapfe sind verschiedene Versa-gensmodi des Betons möglich, die hier jedoch nicht unter-sucht wurden, da das Stahlversagen im Vordergrund steht.

2.2.2 FE-ModellDie Bauteilfließkurven der Betondübelleisten wurden mitder FE-Methode ermittelt. Statische FEM-Berechnungenhaben gezeigt, daß die für die Bildung des Anrisses wich-tigen, maximalen Spannungen am Lochrand entstehen. ImRahmen der rechnerischen Untersuchung wurden insge-samt 16 FE-Rechnungen für vier Leistenvarianten in vierBetonfestigkeitsklassen durchgeführt. Hierfür wurde dasRechenprogramm ANSYS 5.5 [6] benutzt. In Bild 4 ist einAusschnitt aus der gewählten Elementeinteilung für denBetongurt und die Stahlleiste dargestellt. Als finite Ele-mente wurden einfache 8knotige Volumenelemente für dieStahlleiste und den Betongurt verwendet. Die Kontaktflä-che zwischen Betongurt und Stahlleiste, insbesondere vonStegaussparungen und Betondübeln, wurde mit Kontakt-flächenelementen abgebildet. Aufgrund der in dem vorlie-genden System vorhandenen Symmetrie zur Längsachsewurde das System in der Symmetrieachse entlang der Stahl-leiste durchgeschnitten und das halbe System untersucht.

Die Materialkennlinie des Baustahlswurde durch die mit Hilfe des Uni-form Material Law [7] gewonnenezyklische �-ε-Kurve als multilinearesStoffgesetz eingegeben (Bild 5). DasUniform Material Law unterstellt

Tabelle 1. Tragfähigkeiten der BetondübelTable 1. Ultimate load of shear connectors (failure of steel or concrete part)

Betonfestigkeitsklasse C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 45/55

fck [N/mm2] 25 30 35 45

Variante 1 [d == 36; e == 50; t == 12] mm

Prd,1 (Abscheren, Beton) [kN] 37,5 45,0 52,5 67,6

Prd,2 (Lochleibung) [kN] 50,4 60,5 70,5 90,7

Prd,3 (Stahlversagen) [kN] 80,5 80,5 80,5 80,5

Variante 2 [d == 40; e == 60; t == 12] mm

Prd,1 (Abscheren, Beton) [kN] 46,5 55,8 65,1 83,7

Prd,2 (Lochleibung) [kN] 56,0 67,2 78,4 100,8

Prd,3 (Stahlversagen) [kN] 89,5 89,5 89,5 89,5

Variante 3 [d == 46; e == 70; t == 14] mm

Prd,1 (Abscheren, Beton) [kN] 56,3 67,6 78,9 101,4

Prd,2 (Lochleibung) [kN] 75,1 90,2 105,2 135,2

Prd,3 (Stahlversagen) [kN] 113,7 113,7 113,7 113,7

Variante 4 [d == 50; e == 75; t == 15] mm

Prd,1 (Abscheren, Beton) [kN] 60,9 73,1 85,3 109,6

Prd,2 (Lochleibung) [kN] 87,5 105,0 122,5 157,5

Prd,3 (Stahlversagen) [kN] 127,5 127,5 127,5 127,5Bild 4. FE-Modell (Variante 4)Fig. 4. Model for FEM-analysis

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eine Anrißtiefe von a = 0,25 mm und eine Eckschwing-spielzahl zur Dauerfestigkeit von ND = 500000. Die Zugfe-stigkeit des S 235 (St 37) wurde nach DIN 18800 zu Rm =360 N/mm2 gesetzt.

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Die experimentellen Untersuchungen von Zapfe [8]haben gezeigt, daß bei geschlossenen Ausnehmungsformenunter zyklischer Belastung mit Oberlasten auf einem Niveauvon 90 % der quasistatischen Bruchlast und für offeneBetondübel von 70 % der quasistatischen Bruchlast bis zu2 · 106 Lastschwingspielen keine Schäden in den Beton-dübeln entstanden. In [9], [10] wurde gezeigt, daß sichBeton unter Schwingbelastungen bis 2 · 106 Schwingspie-len mit niedriger Oberlast bei der Ent- und Wiederbela-stung nahezu linear-elastisch verhält und nach dem An-wachsen der Schwingspielzahlen die Verformung zunimmt.

In der Betondübelleiste werden die äußeren Lastenüber die Kontaktfläche zwischen Leistenlöchern und Be-ton vom Stahlträger zur Betonplatte übertragen. Der Betonim Lasteinleitungsbereich wirkt ähnlich wie eine Federla-gerung. In den Versuchen von Song [11], die dem vorlie-genden Aufsatz zugrunde liegen, erreichten die Oberla-sten ein Niveau, das in etwa der charakteristischen Bean-spruchung entspricht. Die bleibenden Verformungen desBetons infolge der Lastschwingspiele waren klein. In derFE-Rechnung wurden die bleibenden Verformungen desBetons infolge der Schwinglasten vernachlässigt, und derBeton im Lasteinleitungsbereich wurde als linear-elasti-sches Material angesetzt.

2.2.3 Last-εε- und σσ-εε-Pfade sowieAnrißlebensdauerIn Bild 6 sind Spannungszustände amLochrand der Stahlleiste, Variante 4,C 45/55, in einer Laststufe exempla-risch dargestellt. Am Lochrand derStahlleiste, wo die Leiste mit demBetondübel Kontakt hat, liegt einmehrachsiger Spannungszustand vor.In tangentialer Richtung treten Zug-spannung und in normaler RichtungDruckspannung auf. Dies gehört zuden in [4] genannten Berechnungs-gruppen E 2, E 3, d. h. der Fall dereinzelnen Belastung und örtlichenmehrachsigen Beanspruchungen.Da die sich an der versagenskriti-schen Stelle ergebenden örtlichenBeanspruchungen mehrachsig sind,müssen die Mehrachsigkeitseinflüsseerfaßt werden. Die Schädigungsbe-wertung erfolgte über mehrachsigeSchädigungsparameter. In [12] sindverschiedene konventionelle Schä-digungsparameter zur Bewertungdes Mittelspannungseinflusses beimehrachsigen proportionalen Bean-spruchungen zusammengestellt. Hiererfolgte die Berechnung der Anrißle-bensdauer (für R = 0) mit den Schä-digungsparametern PSWT(εv) undPSWT(ε1) (s. a. [13]). εv entsprichthier der Vergleichsdehnung nachvon Mises und ε1 der maximalenHauptzugspannung. Last-Dehnungs-Pfade und �-ε-Pfade wurden für jedeLaststufe unter Verwendung des

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910111213141516

1718

19

12345678

500

450

400

350

300

250

200

150

100

50

00 0,8 1,6 2,4 3,2 4 4,8

0,4 1,2 1,8 2,8 3,6 4,4 5,2

ε

Bild 5. Materialkennlinie für BaustahlFig. 5. Material law of steel

Tabelle 2. Dübeltragfähigkeiten und Dauerfestigkeiten der BetondübelTable 2. Ultimate load capacity and fatigue limit of the shear connection

Betonfestigkeitsklasse C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 45/55

fck [N/mm2] 25 30 35 45

Variante 1 [d == 36; e == 50; t == 12] mm

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 37,5 45,0 52,5 67,6

PR,d/1,45 [kN] 25,9 31,1 36,2 46,6

Dauerfestigkeit 1* [kN] 26,7 26,8 26,9 27,2

Dauerfestigkeit 2** [kN] 29,0 29,1 29,2 28,8

Variante 2 [d == 40; e == 60; t == 12] mm

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 46,5 55,8 65,1 83,7

PR,d/1,45 [kN] 32,1 38,5 44,9 57,7

Dauerfestigkeit 1* [kN] 31,7 31,6 31,7 31,5

Dauerfestigkeit 2** [kN] 34,3 34,6 34,8 34,2

Variante 3 [d == 46; e == 70; t == 14] mm

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 56,3 67,6 78,9 101,4

PR,d/1,45 [kN] 38,9 46,6 54,4 69,9

Dauerfestigkeit 1* [kN] 42,2 42,4 42,7 42,6

Dauerfestigkeit 2** [kN] 49,4 49,7 49,0 49,9

Variante 4 [d == 50; e == 75; t == 15] mm

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 60,9 73,1 85,3 109,6

PR,d/1,45 [kN] 42,0 50,4 58,8 75,6

Dauerfestigkeit 1* [kN] 45,5 44,8 45,9 44,9

Dauerfestigkeit 2** [kN] 52,6 53,6 53,3 54,0

* Dauerfestigkeit 1 = die mit PSWT(εv) gerechnete Dauerfestigkeit** Dauerfestigkeit 2 = die mit PSWT(ε1) gerechnete Dauerfestigkeit

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Masing-und-Memory-Verhaltens ermittelt. Die Löcherder Stahlleisten werden durch Brennschneiden oderBohren hergestellt. Die Oberflächen sind daher nichtidentisch mit denen polierter Proben. Der Einfluß derOberflächenrauhigkeit wurde über den Oberflächen-faktor nach Siebel/ Gaier [14] mit � = 0,85 berücksich-tigt.

In der Tabelle 2 wurden die Dübeltragfähigkeiten im„Gebrauchszustand“ (Minimalwert aus Tabelle 1 dividiertdurch 1,45) und die mit den Schädigungsparametern PSWT(εv)und PSWT(ε1) gerechneten Dauerfestigkeiten für die ge-wählten vier Leistenvarianten nach der Betonfestigkeits-klasse zusammengestellt. Die mit PSWT(εv) gerechneten Dauer-festigkeiten sind niedriger als die mit PSWT(ε1) ermitteltenErgebnisse. Dies liegt daran, daß die Spannungsamplitudeund Mittelspannungen aus Spannungs-Dehnungs-Pfadenmit Vergleichsgrößen wegen der großen Druckspannun-gen normal zum Lochrand (�3) höher als die Werte aus�1-ε1-Pfaden sind. Die daraus resultierenden PSWT(εv)-

Werte sind größer als die PSWT(ε1)-Werte. Daher liefert dieSchädigungsbewertung mit PSWT(εv) eine kleinere Dauer-festigkeit als mit PSWT(ε1).

3 Experimentelle Untersuchungen3.1 ZieleIm Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurdeninsgesamt fünf zyklische Push-Out-Versuche mit Betondü-belleisten durchgeführt und die Anrißlebensdauer dieserLeisten analysiert. Die Versuchsergebnisse wurden mit denRechenergebnissen nach dem Örtlichen Konzept vergli-chen, und die Schädigungsbewertung im mehrachsigen Span-nungszustand wurde geprüft.

3.2 VersuchskörperFür die experimentellen Untersuchungen wurden Stahl-leisten mit Lochdurchmessern von 50 mm, Leistendickenvon 15 mm und Leistenhöhen von 70 mm (Variante 4) ver-wendet. Die Länge der Stahlleiste betrug 350 mm, und sie

a)

c) d)

b)

Bild 6. Spannungszustände im Betondübel (Variante 4, C 45/55); a) Spannungen in x-Richtung (normale Richtung am Lochrand), b)Spannungen in y-Richtung (tangentiale Richtung am Lochrand), c) Spannungen in z-Richtung (senkrecht zur Ebene), d) Spannun-gen in Form von Vergleichsspannung nach von MisesFig. 6. Stresses in steel plate and concrete (using C 45/55); a) stresses perpendicular to steel surface in the hole, b) stresses tangential to steel surface in the hole, c) stresses in the direction ofthe hole, d) von Mises stresses in the steel plate

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hatte vier Löcher. Die Stahlleiste wurde aus Stahlblech derGüte St 37 gefertigt, und die Löcher entstanden durch Boh-ren. Das Tragelement bestand aus einem Träger, Länge750 mm, der Reihe HEA 280 bzw. HEA 300. Die Stahl-leisten wurden mittels Kehlnähten mit a = 5 mm an denGurt des Trägers stehend angeschweißt.

Die Betonplatte wurde in Anlehnung an den Abschn. 10des EC 4 [15] hergestellt. Zur Vermeidung der Tragfähig-keitserhöhung durch das Leistenende wurde ein Styropor-block von 50 mm Länge am Leistenende eingesetzt. ZurReduzierung der Haftreibung zwischen Betonplatte undStahlträger wurde auf die Flansche des Stahlträgers dün-nes Ölpapier aufgebracht und die Stahlleiste mit Öl be-strichen. Die Betonplatten der Versuchskörper wurden wieder Gurt von Verbundträgern in horizontaler Lage beto-niert. Die Verdichtung erfolgte mit Innenrüttlern. Die bei-den Versuchskörperhälften wurden nach dem Erhärtendes Betons zusammengeschweißt, und zur Lasteinleitungwurde eine 40 mm dicke Kopfplatte aufgesetzt. Die Ver-suchskörper wurden stehend auf einem Mörtelbett in derPrüfmaschine eingebaut, um im Versuch eine gleichmä-ßige Auflagerung sicherstellen zu können. Dabei wurde

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die komplette Betonplattenunterseite aufgesetzt. Die Ab-messungen der Versuchskörper sind in Bild 7 angegeben.

3.3 MeßeinrichtungenUm den Zeitpunkt des Auftretens eines Anrisses in derStahlleiste zu erkennen, wurden am Lochrand der Stahl-leiste, wo die maximale Spannung erwartet wurde, Deh-nungsmeßstreifen (DMS) angebracht und die Dehnungenin tangentialer Richtung gemessen. Diese DMS dienten auf-grund der Änderung des lokalen Dehnungszustands an die-ser Stelle bei Auftreten eines Risses als Rißindikatoren. ZurAufzeichnung der Relativverschiebungen zwischen demStahlträger und den Betonplatten wurden vier induktiveWegaufnehmer gemäß Bild 7 am Versuchskörper befestigt.

3.4 WerkstoffeigenschaftenZur Feststellung der Materialkenngrößen der Stahlleistewurden vier Zugversuche nach DIN 50145 durchgeführt.Die Betondruckfestigkeit wurde am Tag des Versuchsbe-ginns anhand von vier Probewürfeln für jeden Versuchskör-per ermittelt. In Tabelle 3 sind die Mittelwerte für Streck-grenze und Zugfestigkeit der Stahlleiste und die mittlerenBetondruckfestigkeiten der fünf Versuchskörper zusammen-gestellt.

3.5 VersuchsdurchführungDie einzelnen Push-Out-Versuche wurden zuerst bis zuder Oberlast, die für die zyklischen Beanspruchungengeplant war, langsam statisch belastet und wieder entla-stet. Anschließend wurde die Prüfkraft bis zur Mittellastgesteigert, und die Amplitude wurde bis zum vorgesehe-nen Wert angehoben. Aus der Amplitude ergaben sichOber- und Unterlast. Als Unterlast wurde möglichst 0angestrebt. Die Versuchskörper wurden mit einer einstu-figen, schwellenden Belastung zyklisch bis zum Versagenoder bis 500000 bzw. 1000000 Lastschwingspielen bela-stet.

Die Versuche wurden in einer hydraulischen Prüfma-schine mit einer oberen Lastgrenze für dynamische Bean-spruchung von 1000 kN mit digitaler Datenerfassung durch-geführt. Die Meßwerte aus DMS, Wegaufnehmern und Prüf-kräften wurden alle 5 Minuten automatisch aufgenommen.Die schwellende Belastung wurde mit einer Frequenz von0,8 bis 1,1 Hz aufgebracht.

3.6 Versuchsergebnisse3.6.1 Versuche I und IIDie Anrißlebensdauer der Stahlleiste wurde mit den ausden Proben gewonnenen Materialkennwerten nach demÖrtlichen Konzept berechnet. Die mit dem Schädigungs-parameter PSWT(εv) gerechnete Dauerfestigkeit der Stahl-

leiste beträgt ca. 67 kN/Loch. Sie istdamit größer als die sich aus der sta-tischen Tragfähigkeit ergebende „Ge-brauchslast“ der Betondübel (s. Ta-belle 2, Spalte C 25/30, Variante 4).Von diesen Versuchskörpern wurdeerwartet, daß durch dynamische Be-lastungen zuerst der Beton in denLöchern geschädigt und die Lebens-dauer der Betondübelleiste durch denBruch der Betondübel bestimmt wird.

W 1, W 2: Vorderseite; W 3, W 4: Rückseite

Bild 7. Push-Out-VersuchskörperFig. 7. Push-Out-tests

Tabelle 3. Werkstoffkennwerte der Stahlleiste und BetonplatteTable 3. Specification of the steel and concrete used in the tests

Versuch I Versuch II Versuch III Versuch IV Versuch V

mittlere StreckgrenzeR [N/mm2]

318,6 260,8

mittlere ZugfestigkeitRm [N/mm2]

444,3 407,8

fcm [N/mm2] 25,65 25,75 63,33 65,78 55,56

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Daher wurden die Versuche I und II für die Untersu-chung des Ermüdungsverhaltens des Betons durchge-führt.

Der Versuch I wurde mit einer Oberlast von 70,0 kN/Loch und einer Unterlast von 1,0 kN/Loch durchgeführt.Es zeigte sich, daß die Relativverschiebung nach mehre-ren Hundert Lastwechseln infolge der hohen Oberlast ei-nen kritischen Wert erreichte. Nach ca. 1300 Lastschwing-spielen stellte sich der Stahlträger schief, und auf der In-nenseite der Betonplatte entstanden große Risse. Infolgeder Schädigung der Betondübel lagen auf der Unterseiteder Prüfträger viele Zementsteine. In Bild 8 ist die Last-Verschiebungs-Linie infolge der Erstbelastung und der nach-folgenden schwellenden Belastungen dargestellt. Bei derErstbelastung zeigt die Beziehung zwischen Last und Ver-schiebung eine nichtlineare Kurve, und nach der Entla-stung stellte sich eine bleibende Verschiebung ein. Bei dennachfolgenden zyklischen Belastungen lag eine nahezulinear-elastische Beziehung vor. Die Steifigkeit blieb na-hezu konstant, aber die bleibende Verschiebung wuchs an.Die Verschiebungsentwicklung ging nach der Zunahmeder Schwingspielzahl in ein überproportionales Anwach-sen der Verschiebung über, und die Steifigkeit nahm ab.Schließlich versagten die Betondübel. Der Versuch I zeigte

das typische Betonversagen durch zyklische Belastungenmit hoher Oberlast.

Der Versuch II wurde durchgeführt, um das Ermü-dungsverhalten der Betondübel bei niedrigerem Niveau derOberlast zu untersuchen. Die Oberlast betrug 53,8 kN bei500000 Lastwechseln. Anschließend wurde der Versuchs-körper ausgebaut und die Schädigungen von Betondübelund Stahlleiste untersucht. In Bild 9 ist die Relativverschie-bung zwischen dem Stahlträger und den Betonplatten überden Lastschwingspielen aufgetragen. Die bleibende Ver-schiebung nahm am Anfang der zyklischen Belastungenschnell zu. Das Anwachsen der bleibenden Verschiebungwurde nach der Zunahme der Lastschwingspiele kleiner.Bei 500000 Lastschwingspielen blieb die bleibende Ver-schiebung fast unverändert. Die Zustände des Betondübelsund der Stahlleiste nach 500000 Lastschwingspielen sindin Bild 10 gezeigt. Die Kontaktflächen der Betondübel wa-ren glatt, und die Löcher sind mit Beton vollständig ge-füllt. Der Beton im Lasteinleitungsbereich ist nicht starkverdichtet, und die Zementsteine wurden nicht zerstört. Eswurden keine Schäden im Betondübel und kein Anriß ander Stahlleiste festgestellt.

3.6.2 Versuch III, IV und VDie Anrißlebensdauern der Stahlleisten wurden mit den ausden Proben gewonnenen Materialkennwerten nach demÖrtlichen Konzept mit den zwei SchädigungsparameternPSWT(εv) und PSWT(ε1) berechnet. Die mit den Schädigungs-parametern PSWT(εv) und PSWT(ε1) gerechneten Dauerfe-stigkeiten der Stahlleiste betragen ca. 62,1 kN/Loch und75,2 kN/Loch. Die gerechnete Dauerfestigkeit der Stahl-leiste liegt niedriger als die sich für eine statische Bean-spruchung ergebende „Gebrauchslast“ der Betondübellei-ste der Versuchskörper III bis V. In diesen wurden Ober-

Las

t [k

N]

Verschiebung [mm]

Bild 8. Last-Verschiebungslinie infolge dynamischer Belastung(Versuch I)Fig. 8. Load-deflection curve due to cyclic loading

Schwingspiele [n]

rela

tive

Ver

sch

iebu

ng

[mm

]

Bild 9. Entwicklung der Relativverschiebung (Versuch II)Fig. 9. Development of the slip between steel and concrete

Bild 10. Beton und Stahlleiste nach 500000 Lastschwing-spielen (Versuch II)Fig. 10. Concrete and steel plate after 500000 load cycles(test II)

Bild 11. Stahlleiste nach 1000000 Lastschwingspielen(Versuch III)Fig. 11. Steel plate after 1000000 load cycles (test III)

Page 7: Untersuchung der Anrißlebensdauer von Betondübeln mit Hilfe des Örtlichen Konzepts

und Unterlast so hoch gewählt, daß durch die schwellendeBeanspruchung an der Stahlleiste Risse entstehen konn-ten.

Der Versuchskörper III wurde mit einer Oberlast von70 kN/Loch und Unterlast von 1,0 kN/Loch belastet. Nachder mit dem Schädigungsparameter PSWT(εv) gerechnetenAnrißlebensdauer soll der Anriß nach ca. 274500 Schwing-spielen entstehen, aber kein Anzeichen des Anrisses an derStahlleiste wurde durch die Meßwerte aus DMS und Weg-aufnehmern festgestellt. Der Versuch wurde bis 1000000Schwingspielen gefahren, und der Versuchskörper wurdeausgebaut. Die Stahlleiste wurde mit einer Säge abgeschnit-ten und mit einer 8fach vergrößernden Lupe genau unter-sucht. Es konnten keine Risse an ihr festgestellt werden.In Bild 11 ist die Stahlleiste nach 1000000 Schwingspie-len gezeigt.

Zur Feststellung des Anrisses an der Stahlleiste wurdeder Versuch IV mit einer noch höheren Oberlast (87,5 kN/Loch) durchgeführt. Mit dieser Oberlast sollte der Anrißnach der mit den Schädigungsparametern PSWT(εv) undPSWT(ε1) gerechneten Anrißwöhlerlinien nach ca. 72000oder 245000 Schwingspielen entstehen. Da sich währendder Durchführung des Versuchs kein besonderes Zeichenaus Meßwerten oder optischen Versagensphänomen zeigte,wurde der Versuch bis zum Versagen weiter geführt. InBild 12 wird die Entwicklung der Relativverschiebungenbei zyklischer Belastung über den Lastschwingspielen ge-zeigt. Am Anfang der zyklischen Belastungen zeigten sichgroße Verschiebungen, und bis 600000 Lastwechseln wur-den die Verschiebungen immer kleiner. Nach 600000 Last-

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wechseln wuchsen die Verschiebungen wieder überpropor-tional an. Nach 1000000 Lastwechseln begannen sich dieBetonplatten abzuheben. Der Versuch war mit Lastschwing-spielzahl 1186000 abgeschlossen, und der Versuchskörperwurde ausgebaut. Das Bild 13 zeigt das Schadensbild derStahlleiste. An den offenen Löchern ging der Riß bis zumnächsten Loch durch den Steg, und an den geschlossenenLöchern schritt der Riß zur Schweißnaht fort.

Trotz der Bemühungen, die Schädigung der DMS beimBetonieren zu verhindern, funktionierten zum Zeitpunktdes Versuchsbeginns nur vier DMS von insgesamt achtDMS. Eine davon überschritt schon nach der ersten stati-schen Belastung ihren Meßgrenzwert. Im dynamischen Ver-suchsvorgang standen daher nur drei DMS zur Verfügung.Die Meßwerte aus DMS und Wegaufnehmern sollten ge-nutzt werden, um den Zeitpunkt des Auftretens eines Anris-ses zu bestimmen, was jedoch nur in unbefriedigendemMaße gelang. In Bild 14 sind die Meßaufzeichnungen derDMS wiedergegeben. Der Meßwert von DMS S1_3 zeigtnach ca. 100000 Schwingspielen ein steiles Anwachsen derKurve, und DMS S2_1 funktionierte nach ca. 600000Schwingspielen nicht mehr. Aus diesen Meßwerten kannman vermuten, daß zu diesem Zeitpunkt der Riß schon vor-handen war.

Schwingspiele [n]

rela

tive

Ver

sch

iebu

ng

[mm

]

Bild 12. Entwicklung der Relativverschiebung (Versuch IV)Fig. 12. Development of the slip between steel and concrete(test IV)

Bild 13. Schadensbild der Stahlleiste (Versuch IV)Fig. 13. Steel plate at the end of test IV

Schwingspiele [n]

DM

S

Bild 14. Meßaufzeichnungen der DMS (Versuch IV)Fig. 14. Strain gauge measurements of test IV

Schwingspiele [n]

rela

tive

Ver

sch

iebu

ng

[mm

]

Bild 15. Entwicklung der Relativverschiebung (Versuch V)Fig. 15. Development of the slip between steel and concrete(test V)

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Der Versuch V wurde zur Feststellung des Zeitpunktsdes Anrisses an der Stahlleiste mit der gleichen Oberlastwie bei Versuch IV (87,5 kN/Loch) durchgeführt. In die-sem Versuch wurde bei den meisten DMS nach der erstenstatischen Belastung der Meßgrenzwert überschritten, undnach mehreren 1000 Lastschwingspielen funktionierte keinDMS mehr. In Bild 15 wird die Entwicklung der relativenVerschiebung über dem Verlauf der Schwingspiele darge-stellt. Nach ca. 170000 Lastwechseln wächst die Verschie-bungslinie wieder an, und nach ca. 310000 Schwingspie-len zeigt die Kurve ein steiles Gefälle. Der Versuch war mit470000 Lastschwingspielen abgeschlossen. Bild 16 zeigt dieRißbildung der Stahlleiste nach der Versuchsdurchführung.Die Risse schritten von den offenen Löchern fort. Da dieStahlleiste im eingebauten Zustand nicht zugänglich war,war eine zuverlässige Bestimmung des Anrißzeitpunkts derBetondübelleiste praktisch unmöglich. Der Anrißzeitpunktkann nur ungefähr bestimmt werden. Aus dem Versagens-bild und den Meßdaten der induktiven Wegaufnehmerkann man vermuten, daß der Anriß zwischen 170000 und310000 Schwingspielen entstand.

3.7 SchlußfolgerungDie Lebensdauer eines Betondübels wird entweder durchErmüdungsbruch des Betons oder Rißbildung an der Stahl-leiste bestimmt. Eine Steigerung der Betonfestigkeit führtbis zur Grenze zwischen Beton- und Stahlversagen zu ei-ner Vergrößerung der Tragfähigkeit. Bei einer niedrigenBetonfestigkeit entscheidet das Verhalten des Betons überdie Lebensdauer des Verbundmittels. Bei hoher Betonfe-stigkeit kann die Tragfähigkeit des Betons größer als dieDauerfestigkeit der Stahlleiste sein. In diesem Fall wird derBetondübel durch die Rißbildung in der Stahlleiste seineFunktion verlieren.

In den Versuchen I und II hatten die Betonplatten soniedrige Druckfestigkeiten, daß die Dauerfestigkeit der Stahl-leiste größer als die sich aus der statischen Tragfähigkeitergebende „Gebrauchslast“ des Betondübels war. Die Ver-suche I und II wurden zur Untersuchung des Ermüdungs-verhaltens des Betons durchgeführt. Es kann festgestelltwerden, daß (wie in [8]) unter den Schwingbeanspruchun-gen mit einer Oberlast von 2/3 der statischen Tragfähig-keit bis zu 500000 Schwingspielen das Betonversagen aus-geschlossen werden kann.

Die mittlere Betondruckfestigkeit von Versuchskör-per III, IV und V war so groß, daß die Dauerfestigkeit der

Bild 16. Rißbildung an der Stahlleiste (Versuch V)Fig. 16. Crack in the steel plate (test V)

Stahlleiste unterhalb der sich aus der statischen Tragfähig-keit ergebenden Gebrauchslast des Betondübels lag. In die-sen Versuchen wurde die Oberlast so hoch gewählt, daß ander Stahlleiste Risse entstehen konnten. Durch die Gegen-überstellung von experimentellen und rechnerischen Ergeb-nissen wurde gezeigt, daß die Schädigungsbewertung mit �vund εv eine zu niedrige Lebensdauer liefert und die Haupt-spannung �1 und die zugehörige Hauptdehnung ε1 zurSchädigungsbewertung für das Bauteil Stahlleiste die ge-eigneten Parametergrößen sind. In Bild 17 werden die mitdem Schädigungsparameter PSWT(εv) und PSWT(ε1) erziel-ten Ergebnisse und die experimentellen Ergebnisse gegen-übergestellt.

4 Diskussion4.1 Neue Bemessung der untersuchten

LeistenvariantenDie in der vorliegenden Arbeit untersuchten Leistenvarian-ten sind in [3] so bemessen, daß unter statischer BelastungStahlversagen ausgeschlossen werden kann (Tabelle 1). Inder vorliegenden Arbeit wurde festgestellt, daß in höhe-ren Betonfestigkeitsklassen die Dauerfestigkeit der unter-suchten Leistenvarianten unterhalb der sich aus der stati-schen Tragfähigkeit ergebenden „Gebrauchslast“ der Beton-dübel liegt und unter dynamischen Belastungen auf der Höheder „Gebrauchslast“ zuerst in der Stahlleiste Risse entste-hen.

In Tabelle 4 ist die Dauerfestigkeit der mit Hilfe desÖrtlichen Konzepts bemessenen Leisten der statischen Trag-fähigkeit gegenübergestellt. Die Dauerfestigkeiten wurden

Bild 17. Gegenüberstellung von gerechneten Bauteil-Anrißwöhlerlinien und VersuchsergebnissenFig. 17. Comparison of the calculated crack initiation life withthe test results

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hierfür mit dem Schädigungsparameter PS = PSWT(ε1) er-mittelt.

4.2 ZusammenfassungIm Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Anrißle-bensdauer von Betondübelleisten mit Hilfe des ÖrtlichenKonzepts ermittelt und durch experimentelle Untersuchun-gen die Richtigkeit der Anrißlebensdauerberechnung ge-prüft.

Die Anwendung des Örtlichen Konzepts auf Beton-dübel im Verbundbau ist schwierig, da dort viel komple-xere Verhältnisse als bei reinen Stahlbauteilen vorliegen.Die Stahlleiste unterliegt einem mehrachsigen Spannungs-zustand, der sich mit Hilfe der FE-Berechnungen nur re-lativ grob bestimmen läßt und sich vermutlich durch dasErmüden des Betons ständig ändert. Im FE-Modell fürdie Ermittlung der Fließkurve der Stahlleiste wurde derBeton im Lasteinleitungsbereich als linear-elastisches Ma-terial angesetzt. Die bleibenden Verformungen des Betonswurden in der FE-Rechnung vernachlässigt. Nach diesemFE-Modell wurde die Anrißlebensdauer der Stahlleiste be-rechnet. Die Lebensdauerberechnung wurde mit zwei Schä-digungsparametern PSWT(ε1) und PSWT(εv) durchgeführt.Die gerechneten Ergebnisse zeigen, daß die Dauerfestig-keit der Leiste unabhängig von der Betondruckfestigkeit ist.In höheren Betonfestigkeitsklassen liegt die rechnerisch er-mittelte Dauerfestigkeit der untersuchten Leistenvarianten168

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unterhalb der „Gebrauchslast“ derBetondübel.Im Rahmen der experimentellenUntersuchungen wurden insgesamtfünf dynamische Push-Out-Versuchedurchgeführt. Durch die Gegenüber-stellung von experimentellen undrechnerischen Ergebnissen wurdegezeigt, daß durch die vereinfachteAnnahme des Materialverhaltens desBetons in den Löchern und durchdie Schädigungsbewertung mit demSchädigungsparameter PSWT(ε1) dieAnrißlebensdauer der Perfobond-leiste mit Hilfe des Örtlichen Kon-zepts abgeschätzt werden kann. Die mit dem SchädigungsparameterPSWT(εv) gerechneten Ergebnisselieferten zu niedrige Anrißlebens-dauern.Wenn bei der Bemessung einer Be-tondübelleiste sowohl die statischeDübeltragfähigkeit als auch die mitHilfe des Örtlichen Konzepts ermit-telte Dauerfestigkeit der Stahlleisteberücksichtigt wird, kann sie imRahmen der in dieser Arbeit betrach-teten Parameter unter nicht vorwie-gend ruhender Belastung ohne wei-tere Reduktion der Tragfähigkeit ein-gesetzt werden.

DanksagungDie Autoren danken Herrn Prof. Dr.-Ing. Timm Seeger für die aktive und

konstruktive Unterstützung bei der Durchführung dieserArbeit.

Literatur

[1] Leonhardt, F., Andrä, W., Andrä, H.-P., Harre, W.: Neues, vor-teilhaftes Verbundmittel für Stahlverbundtragwerke mit hoherDauerfestigkeit. Beton- und Stahlbetonbau 82 (1987), H. 12,S. 325–331.

[2] Wurzer, O.: Zur Tragfähigkeit von Betondübeln. DissertationUniversität der Bundeswehr München, 1997.

[3] Reitz, D.: Grundlagen zur Bemessung der Perfobondleisteals duktiles Verbundmittel. Dissertation TU Darmstadt, 2003.

[4] Seeger, T.: Grundlagen für Betriebsfestigkeitsnachweise, Kap. 12.Stahlbau-Handbuch Bd. 1, Teil B. Köln: Stahlbau-Verlag, 1996.

[5] DINV ENV 1992 Teil 1-1; Eurocode 2: Planung von Stahl-beton- und Spannbetontragwerken, Teil 1-1: Grundlagen undAnwendungsregeln für den Hochbau.

[6] ANSYS, FE-Programme, Version 5.5, Swanson Analysis Sy-stem, Inc., 1998.

[7] Bäumel, A., Seeger, T.: Material Data for Cyclic Loading,Supplement 1. Amsterdam: Elsevier Science Publishers, 1990.

[8] Zapfe, C.: Trag- und Verformungsverhalten von Verbundträ-gern mit Betondübeln zur Übertragung der Längsschubkräfte.Dissertation Universität der Bundeswehr München, 2001.

[9] Mehmel, A., Kern, E.: Elastische und plastische Stauchungenvon Beton infolge Druckschwell- und Standbelastung. Schrif-tenreihe des DAfStb, Heft 153. Berlin: Wilhelm Ernst & Sohn,1962.

Tabelle 4. Tragfähigkeiten der mit Hilfe des Örtlichen Konzepts bemessenen Leisten-abmessungenTable 4. Fatigue limit load calculated with the local strain approach

Betonfestigkeitsklasse C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 45/55

fck [N/mm2] 25 30 35 45

Variante 1 [d == 36] mm e == 50; e == 50; e == 50; e == 60;t == 12 t == 12 t == 14 t == 14

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 37,5 45,0 52,5 78,8

PR,d/1,45 [kN] 25,9 31,1 36,2 54,4

Dauerfestigkeit [kN] 29,0 29,1 33,7 44,0

Variante 2 [d == 40] mm e == 60; e == 60; e == 60; e == 70;t == 12 t == 12 t == 14 t == 14

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 46,5 55,8 65,1 96,5

PR,d/1,45 [kN] 32,1 38,5 44,9 66,5

Dauerfestigkeit [kN] 34,3 34,6 40,1 51,7

Variante 3 [d == 46] mm e == 70; e == 70; e == 70; e == 80;t == 14 t == 14 t == 15 t == 16

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 56,3 67,6 78,9 118,3

PR,d/1,45 [kN] 38,9 46,6 54,4 81,6

Dauerfestigkeit [kN] 49,4 49,7 52,6 66,5

Variante 4 [d == 50] mm e == 75; e == 75; e == 75; e == 90;t == 15 t == 15 t == 18 t == 18

Statische Beanspruchbarkeit PR,d [kN] 60,9 73,1 85,3 138,0

PR,d/1,45 [kN] 42,0 50,4 58,8 95,2

Dauerfestigkeit [kN] 52,6 53,6 62,7 88,8

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[10] Nordby, G. M.: Fatigue of Concrete – A Review of Research.Journal of ACI (1958), pp. 191–219.

[11] Song, J.: Untersuchung der Anrißlebensdauer von Betondü-beln mit Hilfe des Örtlichen Konzepts. Dissertation TU Darm-stadt, 2003.

[12] Savaidis, G.: Berechnung der Bauteilanrißlebensdauer beimehrachsigen proportionalen Beanspruchungen. Veröffentli-chungen des Instituts für Stahlbau und Werkstoffmechanik derTH Darmstadt, Heft 54, 1995.

[13] Smith, K. N., Watson, P., Topper, T. H.: A Stress-Strain-Func-tion for the Fatigue of Materials. Journal of Materials, JMLSA(1970), Vol. 5, No. 4, pp. 767–778.

[14] Siebel, E., Gaier, M.: Untersuchungen über den Einfluß derOberflächenbeschaffenheit auf die Dauerfestigkeit metallischerBauteile. VDI-Z 98 (1956), S. 1715–1723.

[15] DINV ENV 1994 Teil 1-1 (Oktober 1992); Eurocode 4: Be-messung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahlund Beton, Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln, Bemessungs-regeln für den Hochbau.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange, Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik,Technische Universität Darmstadt, Alexanderstraße 7, 64287 Darmstadtund Dr.-Ing. Jaejoon Song, Structural Research Department, KoreaInstitute of Construction Technology, 2311, Daehwa-dong, ilsan-gu,Goyang-si, Kyonggi-do, 411-712 Süd-Korea