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Utz Maas Sprachbau des Deutschen (Vorlesung SS 01) - vorläufige Fassung - [Es handelt sich hier um die Folien zur Vorlesung aus dem SS 01 (mit einigen Ergänzungen), die in vielen Fällen ohne die nur mündlich gegebenen Erläuterungen sicher nur begrenzt verständlich sind. Sie werden hier für die Nachbereitung der Teilnehmer der Veranstaltung zugänglich gemacht. Eine systematischere Bearbeitung als Skript ist für später vorgesehen. Osnabrück, September 2001 U.M.] Plan der Vorlesung: Block I: Grundbegriffe Block II: Pragmatische Begriffe (Struktur der Äußerung) Block III: Syntaktische Begriffe I: Einfachsatz (Proposition) Block IV: Syntaktische Begriffe II: Ausbauformen des Satzes Block V: Lexikon / Wortbildung

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Utz Maas Sprachbau des Deutschen

(Vorlesung SS 01) - vorläufige Fassung -

[Es handelt sich hier um die Folien zur Vorlesung aus dem SS 01 (mit einigen Ergänzungen), die in vielen Fällen ohne die nur mündlich gegebenen Erläuterungen sicher nur begrenzt verständlich sind. Sie werden hier für die Nachbereitung der Teilnehmer der Veranstaltung zugänglich gemacht. Eine systematischere Bearbeitung als Skript ist für später vorgesehen. Osnabrück, September 2001 U.M.] Plan der Vorlesung: Block I: Grundbegriffe Block II: Pragmatische Begriffe (Struktur der Äußerung) Block III: Syntaktische Begriffe I: Einfachsatz (Proposition) Block IV: Syntaktische Begriffe II: Ausbauformen des Satzes Block V: Lexikon / Wortbildung

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1. Vorlesung: Vorklärung Mit der typologischen Themenstellung geht es um eine Dezentrierung des Blicks auf die eigene Sprache – wie es manchmal auch formuliert worden ist: Deutsch als exotische Sprache zu betrachten Das ist eine ganz praktische Frage: Insofern eine LV nicht nur im MA sondern auch im LA, grundlegend für Veranstaltungen im Feld Sprache und Migration (Deutsch und Kontaktsprachen). Entsprechende Fragestellungen fachlich in unterschiedlichen begrifflichen "Matrices":

- kognitive Sprachwissenschaft ( � Generative Grammatik): was ist in allen Sprchen notwendig ? (Universalien)

- deskriptive Sprachwissenschaft: was ist in allen Sprachen möglich ? (Instrumentarium einer Metasprache)

Zum Terminus Sprachbau: < lat. stru-o "bauen", vgl. Struktur und Konstruktion Fachgeschichte: Georg von der Gabelentz (1840 – 1893) Eine strukturelle Analyse steht gegegen eine normative: Struktur: trad. Terminus Organismus Beispiel: russ. na stole le�at �urnali [������������������ �����] dt. auf dem / einem Stuhl liegen die / ∅ Bücher Vergleich: Normativ: keine Artikel im Russischen (also ist Russ. "exotisch") Deskript.: mehrebige Beschreibung:

A. {Artikel}dt � Funktion Φ B. Funktion Φdt � {Artikel}dt Funktion Φruss � ?

Problem der statischen Beschreibung: F. de Saussure: Sprache ist ein System Α. Sommerfeld (20er Jahre): Sprachen tendieren dazu, Systeme zu sein -Vgl. Das Auto von Hans ist kaputt (a) Dem Hans sein Auto ist kaputt (b) .... weil er es nie in die Werkstatt bringt (a) .... weil er bringt es nie in die Werkstatt (b) Gegenstand Sprachbau: Struktur des Deutchen

- Besonderheit des Deutschen unter den Sprchen der Welt – Folie dafür: Allgemeine (universale?) Züge des Sprachbaus (� "Prinzipien und Parameter" – Modell)

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- Grenzwert der Sprachentwicklung, extrapolierbar aus der Art, wie der Sprchbau in der Entwicklung umgemodelt wurde ("genetische" Betrachtung):

Deutsch �

Germanisch (Englisch, Dänisch ...) �

Indo-Europäisch (Russisch, Latein ....) �

"Nostratisch" (Finnisch, Arabisch ...) - Grenzwert in der Kontaktentwicklung:

±stabile Struktur in mehrsprachigen Verhältnissen

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2. Vorlesung: Grundbegriffe der sprachlichen Artikulation

1. Artikulation - Inhaltsseite Interpretation/ Bedeutung 2. Artikulation - Ausdrucksseite Phonologie (Schrift)

(1) ermöglicht Ausdruck von Inhalt Sprachliche Form (2) beschränkt mögliche Inhalte

(A) Hans + geh: + nachhause (B) Hans ging nachhause

(B) ist in der sprachlichen Form bestimmter / spezifizierter:

PRÄTERITUM (ging) � ¬PRÄSENS (ging) & ¬FUTUR (ging) PARADIGMA { PRÄTERITUM ∨ PRÄSENS ∨ FUTUR } Formbestimmung: Morphologie Ideales Baukastenmodell: Formelement ↔ Inhaltselement Türkisch (Nominales Paradigma): NUMERUS → PLURAL {-ler) KASUS → LOKATIV {- de) ev- „Haus“ : ev+de „in (dem) Haus“, ev+ler „Häuser“, ev+ler-de „in (den) Häusern“ agglutinativer Sprachbau (lat. gluten „Leim“): 1. Artikulation: WORT � M+ M + M+ M + M + .... (M = Morphem) türk. tanı�tırılamadıysanız „wenn du nicht vorgestellt werden konntest“ � tanı- „kennenlern:“ + -�- REZIPROK + -tır- KAUSATIV+ -ıl- PASSIV+-ama- IMPOTENTIAL + -di- PRÄTERIT –ys- KONDITIONAL + -anız 2.PLURAL 2. Artikulation: WORT � S+ S + S+ S + S + .... (S = Silbe) Deutsch anders gebaut: 2. Artikulation: prosodische Kontur WORT � �S - °S (�S = prominente Silbe; °S = Reduktionssilbe) Komplexe Wörter hierarchisch: �X (�S - °S ) - °X (�S - °S )

W

�X

°X

�S °S �X °S NB: NICHT-ADAPTIERTE KONTAKT-PRODUKTE Verona, Avocado usw. Reduktionssilben artikulieren grammatische Morpheme: (K)�(K) Ergebnis des „germanischen“ Umbaus der ererbten Sprachstruktur (vgl. Latein):

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- Subsumption der Wortform unter den (expiratorischen) Akzent, - Verlagerung des Unterscheidungspotentials auf die prominente Silbe (�S )

Neue Vokale (in �S ): [����ç�] „Bücher“ Komplexe Ränder: glaub(en) < gi.loub- Herbst < her.best (etym. vgl. lat. carp- „pflücken [ernten]“ Typologischer Gegenpol: isolierender Sprachbau Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE Zweite Artikulation: komplex: segmental × suprasegmental (6 Töne, Glottalisierung ...) NB; Phonologisches Problem (der funktionalen Nutzung), nicht phonetisches Problem, vgl. Tonverläufe im Deutschen: Hans kommt↓ Hans kommt↑ Hans kommt → (wenn wir abfahren) Zum Silbenbau: S

S � A

R

N E Typologische Frage: Ist das Wort eine homogene Silbenkette? Deutsch: Silbenbau ist akzentabhängig Prominente Silbe (�S) anders als Reduktionssilbe (°S): K = Konsonant, V = Vokal; eingeklammert = fakultativ S

�S � A

R

N

E

K V K / V

Eis [�����] See [���] Sau [����] Mond [������]

S

°S � A

R

N

E

(K) K / V (K)

baue [��������] Bauer [��������] bauen [���������]

Quantitative Baustrukturen

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Typologisch allgemeine Optionen ("⊂ " : ist Konstitutente von) [V] vs. [V�] vs. [V��] .... ⊂ N, ⊂ R [K] vs. [K�] vs. ... ⊂ A, ⊂ E, als "Gelenk" (Geminate) im Deutschen:

- [V] vs. [V�] : matt [����] vs. Maat [�����] vs. Maid [�����] NB: Die Quantität ist gekoppelt an qualitative Differenz:

bitten [�������] vs. bieten [��������] (± gespannt) - keine [K�], auch nicht als Geminaten an Morphemgrenzen annehmen { an + nehm + en } [������(�)����]

Ressourcen zur segmentalen (qualitativen) Differenzierung von A, E ( = Konsonanten) und N ( = Vokale) � artikulatorische Phonetik Vokale

Schematische Darstellung der Lokalisierung der Vokale Eingekreistes Feld : Die Vokale des Deutschen D: Die Konsonanten des Deutschen

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Schematische Darstellung der Lokalisierung des Konsonantinventars des Deutschen

Sprachbau des Deutschen wie Türkischen: 1. Artikulation mit komplexer Morphologie, aber diese ist fusionierend: -� wie in (ich kauf-)��: 1. Sg. Präs. Indik. Aktiv -� wie in (die Boot-)��: Nom. Plur. Von daher auch Segmentierungsprobleme:

- mehr fusionierend: ich kauf – e (PRÄS. 1. SG) vs. ich kauf – te (PRÄT. 1. SG) - mehr agglutinierend: ich kauf –∅ - (PRÄS. ) – (1. SG) vs. ich kauf – t- (PRÄT.) -e (1. SG)

Umbau des Sprachbaus: i.e. Sprachen haben reiche Morphologie, aber Englisch (mehr als konservat. Deutsch) auf dem Weg zum isolierenden Bau Konsequenz: Grammatische Artikulation nicht-morphologisch: Dt. der Hund biß den Mann den Mann biß der Hund der Hund biß den Mann Engl. the dog bit the man the man bit the dog Grammatikalisierung der Wortstellung im Englischen ≠ Deutschen: Englisch S[ubjekt] – V[erb] – O[bjekt] Deutsch V[erb]-zweit (vgl. Vietnamesisch: Phonologisierung der Intonation auf Wortebene!)

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3. Vlsg.: Grammatikalisierung Vorläufige Bestimmung von Grammatikalisierung: Eine Formbestimmung F einer Äußerung in einer Sprache Si ist GRAMMATIKalisiert,

- wenn F notwendig in einer Äußerung in einer Sprache Si ist - wenn F „arbiträr“ ist: F ⊂ Si ≠ F ⊂ Sj.,

ist grammatikALISIERT - als Ergebnis eines historischen Umbauprozesses in einer Sprache Si .

Grammatikalisierte Formbestimmungen im Deutschen: Subjekt im (Aussage-) Satz: es regnet (??? wer oder was regnet?) Tempus beim finiten Verb: die Erde ist rund (??? wann ist die Erde rund?) Etymologie (Prozeß): „Schwache“ Präteritumsbildung (?): kauf-te ich ... < kauf(en) tat ich Analyse von Sprachstruktur: Sprachliche Form (gebunden an Si) vs. außersprachliche Randbedingungen (Bedingungen für das Sprachlernen / Funktionieren der Sprachpraxis) SPRACHSTRUKTUR RANDBEDINGUNGEN 2. Artikulation: diskrete Representation der Zeichen (segmental vs. suprasegmental)

physiologischer Apparat (biologisch): Artikulation / Perzeption

1. Artikulation: Lexikalisierung Verdichtung von festen Zeichen (direkte Interpretation)

kognitive Ausstattung (biologisch) : - Gedächtniskapazität - Inferenzmechanismen

kommunikative Steuerung („universal“): - Kooperation - Kontrollmechanismen sonst

1. Artikulation: Grammatikalisierung Analytische Auflösung: Faktorisierung der Zeichen in Elemente (indirekte Interpretation: Kombinatorik)

- Morphologie: Komplexe Wörter - Syntax: (Komplexe) Sätze

soziale Institutionalisierung (kulturspezifisch) - Tradition - gesellschaftliche Instanzen

Prozeß: Ausbalanzierung der Faktoren, darunter: Reproduktion des Tradierten Deutsch vs. Englisch (Ausdifferenzierung jünger als 2000 Jahre!): E: Abbau der Flexion (Kasus, Verbalflexion) → Wortstellung fest

→ Fokusakzent frei D: Konservative Flexion → Wortstellung relativ frei → Fokusakzent beschränkt (nur kontrastiv frei) vgl. Italienisch: Fokusakzent # X V ___________# Daher nötig „Inversion“ mi si è rotta la MACchina (vgl. la macchina si è ROTta) “Natürliche” Erklärungen (Ikonizität) betreffen Randbedingungen der Sprache Wo Sprache als Abbild fungiert, funktioniert direkte Interpretation

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(in der Sprache kann man lügen – ein Meßgerät kann nicht lügen!) Modalitäten sprachlicher Äußerungen: es regnet (ist WAHR genau dann wenn es regnet) es kann regnen es ist möglich, daß es regnet es regnet nicht Sprache ist ein Zeichensystem (keine kausale Verknüpfung mit dem Bezeichneten) ≠ Anzeichen (Husserl) Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen Gebäck → gebacken, backen, ..., Backofen, ... Bäcker ... FELD I: Wurzel / Stamm + Ableitung → Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle ... FELD II: Wortbildungsmuster Demgegenüber ikonischer Rest in Äußerungen: backe, backe Kuchen ... (Reduplikation → Intensität ....) Spiel mit Ikonischem: Onomatopoiä the murmur of innumerable bees labial xxxxxxx xxxxxxxx xx u-Ton xxxxxxx xxxx i-Ton xx xxx

murder

beefs Grammatikalisierung in Ontogenese: Entwicklung von „natürlicher“ Interpretation zu grammatischer LÖWE WOLF der Löwe beißt den Wolf der Wolf wird vom Löwen gebissen BEISSER � BEISSEN � GEBISSENER der Wolf beißt den Löwen Satzstruktur „ikonisch“ motiviert ≠ Grammatik des Deutschen (Subjekt ≠ Agens ...)

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4. Vlsg.: Strukturen der Äußerung und grammatische Struktur (Satz) Äußerung steht im kommunikativen Zusammenhang: wird interpretiert ... Äußerung hat eine Form (die wiedererkannt werden kann) Form: Konstante in der Tradition, mit der jeweils Neues artikuliert werden kann ... Satz: Form einer minimalen selbständigen Äußerung ??? He! Sie da! Ober! Sätze? Egon! Verdammt nochmal! OK! (Kontextabhängig?) zu deutende Gesten Konventionelle Gesten, vgl. <...!> Sprache Si : Konvention Satz im Deutschen (per Konvention): Subjekt + Prädikat ? komm! Satz? Grammatikalisierung des Imperativs: komm: reiner Stamm imperativisch genutzt ? (aber Plural: komm+t wie ihr komm+t) aber russ. id+i (Pl. id+ite, vgl. id+ut “sie kommen / gehen”) Vgl. „Vokativ“, dt. Peter : Peter! ABER lat. Petrus : Petre! arab. ������������Satz: Grammatikalisierte Struktur einer Äußerung, die eine Proposition artikuliert. es regnet : [ [es]Subjekt + [regnet]Prädikat]Satz Äußerung es regnet stimmt nicht! Hans Egon Hans sagte, [daß es regnet ]Proposition

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Satz (Äußerung) Proposition (Satz-) Modalität

Indikativ / Imperativ .... Gegenwart /Vergangenheit ...

Hans geht nachhaus Hans Haus Satz (Äußerung) Proposition

geh: (Hans, Haus)

(Satz-) Modalität -t (Präs. Ind.)

Ich sah Hans nachhause gehen nachhause gehend überlegte Hans sich eine Ausrede Nicht als Satz ausgebaute propositionale Strukturen (engl. clause) dt. Satzbasis Hans kommt nachhaus PROPOSITION komm: (Hans,Haus) Hans Haus ORIGO: hin ORIGO: her geh: komm: dt. lexikalisiert gehen ≠ kommen rus. idti „gehen = kommen“ berber. iddu + d „er kommt (nach hier)“ Grammatikalisierung iddu + n „er geht (nach da)“ eines Direktionals Grammatikalisierung I Grammatikalisierung von satzmodalen Bestimmungen (Situierung der Proposition ....) Grammatikalisierung II Grammatikalisierung von propositionalen Bestimmungen

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Satz (Äußerung) Proposition

SATZBASIS

(Satz-) Modalität ORIGO ich /du vs. NICHT- ich /du jetzt vs. NICHT-jetzt hier vs. NICHT-hier aktuelles Tun vs. NICHT-Tun „Güte“ der Äußerung/ Orientierung Sicher vs. NICHT-sicher soziale Nähe vs. Distanz Relevanzmarkierung: Thema / Rhema ....

Satzmodalität: Verankerung der geäußerten Proposition, sodaß sie interpretiert werden kann es regnet ich / du partizipieren nicht am Sachverhalt

jetzt / hier Sachverhalt impliziert Tun nicht Wahrheitsanspruch (Indikativ) ...

Der Löwe beißt den Wolf

ich / du partizipieren nicht am Sachverhalt jetzt / hier Sachverhalt impliziert Tun nicht Wahrheitsanspruch (Indikativ) ...

gib mir mal das Salz

du partizipierst jetzt / hier Sachverhalt impliziert Tun (du) Verpflichtung des Du (Imperativ) ....

Strukturen der Satzbasis (semantisch: Proposition) = Satz abzüglich der Bestimmungen der Satzmodalität Problem: Ausbau der Satzbasis: Komplexe Sätze, Textstrukturen .... Grammatikalisierung: „Kalte“ Strukturen

E1 E2 E3 Hans und Emma heirateten. Sie bekamen ein Kind. Sie zogen in eine große Wohnung Hans und Emma bekamen ein Kind

Sie heirateten. Sie zogen in eine große Wohnung

E1 vor E2 E2 weil E1

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ikonisch: Abfolge in der Äußerung (im Text) spiegelt Abfolge der Ereignisse Grammatikalisierung: „Warme“ Strukturen

E1 E2 Nachdem Hans und Emma geheiratet hatten, bekamen sie ein Kind. Hans und Emma bekamen ein Kind, nachdem sie geheiratet hatten. Bevor Hans und Emma ein Kind bekamen, heirateten sie. Hans und Emma heirateten, bevor sie ein Kind bekamen. Abfolge in der Äußerung (im Text) unabhängig von der Abfolge der Ereignisse :

Grammatikalisierung unterscheiden von der semantischen Interpretation des Grammatikalisierten. Bespiel Kategorie der Person in der Verbalflexion: er läuft" "dritte Person" (an Gesprächsituation nicht Beteiligter) Aber so im Deutschen Defaultmarkierung: Da Verb im Prädikat fektiert werden muß, tritt diese Markierung ein, wenn nichts anderes gefordert ist: vgl. Kongruenz im Prädikat Hans gefällt mir Hans und Emma gefallen (*gefällt) mir SO AUCH daß Hans kommt, freut mich ABER daß Hans kommt und daß Emma geht, freut (*freuen) mich

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5. Vlsg.: Satzmodalität I Grammatikalisierung satzmodaler Spezifizierungen: Verb-Grammatik ? (→ Wortartenproblem) Wort definiert durch lexikalischen Inhalt: Haus, Das ist ein _______ Wasser, Leben, ... Isolierender Sprachbau (Vietnamesisch, Ewe ...): Keine Morphologie � Semantische Elemente der ersten Artikulation als Wörter artikuliert. Außerdem: Artikulation zweiter Ordnung: Syntax z.B. [ A B C ]Satz � B ist Prädikat des Satzes Deutsch ist eine Sprache mit Morphologie Tempus Grammatische Form Morphologisch (grammatisch) Lexikalisch (isoliert) PRÄSENS Ich kauf-e dieses Buch Morgen kaufe ich dieses Buch PRÄTERITUM Ich kauf-te dieses Buch Modus Grammatische Form Morphologisch (grammatisch) Syntaktisch INDIKATIV Er kauf-t dieses Buch

Er kauf-t dieses Buch. V2

KONJUNKTIV (daß) er kauf-e dieses Buch INTERROGATIV

kauf-t er dieses Buch? V1

Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix (Suffix) Wortarten: StammX + AffixX X = Nomen, Verb, Adjektiv .... Z.B.: Nomen – Deklination Verb – Konjugation Wortarten liegen im Lexikon fest Möglich: Morphologisch markierter Wortartenwechsel:

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Hans [verkauf-]V -t Egon ein Auto Die Worte des [[Verkäuf-]V –er-]N -s überzeugten Hans agglutinierende Morphologie Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-]V -en Seine [Berat-]V ung-]N überzeugte ihn wir [lauf-]V -en jeden Morgen der [Lauf-]N war anstrengend „Konversion“ die Wiese ist grün-]ADJ die Wiese grün-]V –t Maximale morphologische Transparenz (australische Sprachen) Lexikon (Wurzeln X) + Syntaktisch spezialisierte Stammbildung (Y) + Syntaktisch spezialisierte Affixe (Z) : WORT � [[X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten): z.B. Prädikative Funktion ↔ Verb Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari - buru - prädikative: (1) „to heap up“ , (2) „to hold a fair (usually held on mountains)“, (3) „to call something a mountain“, - complement: „mountain“ , - �����- prädikative: (1) „to make a house“, (2) „to acquire a house“, (3) „to call something a house“ - complement: „house“ - he - prädikative: (1) „to answer in the affirmative“, (2) „to agree to something“ (3) „to grant something to someone“ - (Sentence partikel): „yes“ Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED). Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i�, -e ... ����� -a-i� groß-PRED-1S „ich bin groß“ lel-jad�-ko-a-e seh:-PRES-3.PL-PRED-3S „er sieht sie“ Vorläufige Typologie: 1) Sprachen mit einer Spezialisierung der Worte im Lexikon für ihre grammatische (syntaktische) Funktion: Chinesisch [möglich: Änderung der syntaktischen Funktionen analytisch: Nominalisuerung von Verben mit Partikeln wie –de]

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2) Sprachen ohne Spezialisierung im Wortschatz: Pidgin ??? 3) Morphologische Spezialisierung I (Spezifische "Endungen" für syntaktische Funktionen): Mundari 4) Morphologische Spezialisierung II (Spezifische Stammbildungen, ggf. mit spezialisierten "Endungen" / "Flexion"): Pama Njunga Sprachen (Australien) 5) Hybrid: Wie (4) aber mit "Konversionen", z.T. auch lexikalischen Spezialisierungen (wie I): Deutsch WEITER dazu in Teil V Struktur der Satzbasis im Deutschen (→ Valenzgrammatik) : Kopf: Verb (Prädikat); Ergänzungen: Nominale NB: Terminologisches Problem Semantik (Logik) Grammatik (Syntax) Proposition Satzbasis !!! Prädikat !!! Prädikat Argumente Ergänzungen Im Deutschen: syntaktisches Prädikat → Verb er ist alt vgl. russ. on starij er alt Syntaktische Prädikate „projizieren“ Typen von Satzbasen (Valenzstruktur): Verb Valenz Beispiel regnen 0 es regnet laufen 1 er läuft schlagen 2 Hans schlägt den Hund schenken 3 Hans schenkt Emma ein Buch Sprachbau des Deutschen (und ähnlicher Sprachen: Französisch, Russisch, Arabisch ....) Verb als Kopf der Satzbasis zieht die Markierungen der Satzmodalität an sich (SM → verbale Kategorien) ABER (s.o.)

- syntaktische Artikulationsformen (Satzmodus: V2 , V1 ) - lexikalische Ausdruckformen (Tempus und adverbiale Zeitbestimmungen)

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6. Vorlesung: Satzmodalität II Satz (Äußerung) Proposition (Satz-) Modalität Grammatikalisierung von Satzmodalität im Deutschen: primär (aber nicht ausschließlich) als verbale Kategorie vier Blöcke:

I. Modus � heute II. Zeit (Tempus) III. Person (Deixis sonst) IV. thematische Orientierung (Informationsstruktur)

DUDEN- (u.a.) Grammatik(en) des Deutschen: Modus („Aussageweise“): Indikativ, Konjunktiv (I + II), Imperativ Heterogen: NICHT-satzmodal: Subjunktion � Block III propositionaler Ausbau: Hans behauptet, daß er davon nichts gewußt habe SUBJUNKTIV INDIKATIV Hans behauptet, davon nichts gewußt zu haben INFINITIV INDIKATIV Synkretismus (Bedeutungsunterschied, aber kein Formunterschied) Konjunktiv „zum Ausdruck eines Wunschs, einer Aufforderung .....“ Man nehme fünf Eier ... In diesem Sinne ist terminologisch zu trennen:

- in den Subjunktiv, als Markierung eines syntaktischen Sachverhalts (abhängige Proposition),

- in satzmodale Markierungen, die beim (Haupt-) Prädikat kontrastieren: Optativ, Potential ...

In vielen Sprachen sind die entsprechenden Markierungen auch unterschieden; im Deutschen (wie in den jüngeren indoeuropäischen Sprachen meistens) gibt es einen Synkretismus bei den nicht-indikativischen Formen, die in vielen gramamtischen Darstellungen zu Unklarheiten führt. Satzmodale Artikulation der Beziehung: I. zum Hörer S H II. zum Gesagten (zur Proposition)

Proposition

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Dimension I der Satzmodalität: Beziehung zum Hörer

I. Hörer durch Äußerung gebunden: I.1. in Bezug auf das geäußerte Szenario:

Bring den Müll runter! RUNTERBRINGEN ! (Müll, Du) I.2. in Bezug auf die Äußerung: I.2.1. Wahrheitswert: Hast Du den Müll runtergebracht? Proposition → WAHR / FALSCH I.2.2. Ergänzung der Proposition Was hast Du runtergebracht? RUNTERBRINGEN (x?, Du) Grammatikalisiert (Verbform) im Deutschen nur I.1.: Imperativ Paradigma: Default: Du - reiner Stamm bring (das runter)! vgl. du bring-st (das runter) in einigen Fällen: Stammmodifikation (Umlaut) hilf (ihm doch)! vgl. Stamm helf-en, aber du hilf-st Markiert: Du + andere - Stamm + Endung 2.Plural bring-t (das runter)! vgl. ihr bring-t das runter In vielen Sprachen auch Du Singular markiert: russ. Stamm !ita" „les:“: !ita"# „lies !“ vgl. : !ita"#�$��„du liest“ !ita"#��� „lest !“ vgl. : !ita"#��� ��„ihr lest“ Grammatikalisiert :

- kein Subjekt (keine Kongruenz zum Prädikat !) - Spitzenstellung des Verbs (kein Vorfeld)

Davon unterscheiden (nicht grammatikalisiert): Sprechakte BEFEHL, AUFFORDERUNG, BITTE ...

- „indirekt“ Es zieht! (Aussagesatz), Kannst du das Fenster zumachen! (Fragesatz) - Abschwächung („Höflichkeit“): Mach bitte das Fenster zu! Sei so nett und mach das Fenster zu!

Weitere Registerdifferenzen Hast du mal ein Stündchen Zeit? vs. Hast du mal eine Stunde Zeit? Soziale Konnotationen („weiblicher“ Sprachgebrauch), so generell in arabischer Welt (weiter dazu SModus-Block III: Personale Artikulation) Fragen (1.2.):

- keine eigene Verbform (→ Indikativ, Konjunktiv) - bei I.2.1. Spitzenstellung des Verbs (kein Vorfeld) - bei I.2.2. Spitzenstellung (Fokus, s. Modus-Block IV) des Frageworts

als Sprechakt auch ohne diese grammatische Form (→ Intonation ...) Weitergehende Grammatikalisierung in anderen Sprachen:

- oft Verb nicht im Indikativ (Potential, Dubitativ ..., s. n. Teil) - bei I.2.1. Fragepartikel (initial oder als Markierung am Verb)

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jidd. tsi bistu meschuge gevorn? „bist du verrückt geworden?“ mar. arab. %&$��$�"����"�������'�?„bist du nach Osnabrück gefahren?“ russ. ������"#������������ ?„arbeitet (dein) Vater?“ - bei I.2.2. Fragewort manchmal nicht in Fokusposition (initial) ägypt. arab. ����������#�(������?„wo gehst (du) hin?“ ����������#�(��"�"��������ägypt. arab. ��"���")������*�+���%�����?„was machst du gerade?“ ��"���")��������(��+���%�����? (����(��“ein Loch”) Dimension II der Satzmodalität: Beziehung zur Proposition

Die Äußerung als Darstellung (Bühler) eines propositionalen Inhalts Satzmodal: Güte der Darstellung, Verläßlichkeit für Hörer epistemische Modalität (Evidenzialität) [griech. episteemee “Wissen”] NB: Abgrenzung zu dispositiven Modifikationen („deontische Modalität“ � Block Struktur der Satzbasis) epistemisch es kann regnen dispositiv Hans kann (schon) laufen Grammatikalisierung evidenzieller Systeme: Tujuka (Südamerika) �+�� �������,"-���������������������������“er hat Fußball gespielt” Fußball spiel: INDIK.Autopsie „ich habe ihn Fußball spielen gesehen“ �+�� �������,"�����“ich habe es wahrgenommen, aber nicht gesehen (gehört ...)“�������������������� �+�� �������,".����“ich habe Spuren, aber es nicht selbst wahrgenommen (Fußabdrücke..)“���+�� �������,".� ����“ich habe die Information von jemand anderem“ �+�� �������,"*� ����“es ist anzunehmen, daß es so war“ Daneben weitere „nicht-indikativische“ Modalitäten Potential „es ist möglich ...“ (so in Fragen benutzt“) Dubitativ „es ist zweifelhaft“ z.T. kombiniert mit Einstellungen: Optativ „es ist zu wünschen“ (ich wünsche ...) z.T. mit weiteren Abstufungen: zu hoffen, zu befürchten .... Komplexe Amalgamierungen, z.B. türk. –mi� vs. -di Kemal gel-di „Kemal kam (ist gekommen)“ Kemal gel-mi� 1) „Kemal kam vermutlich“ 2) „Kemal soll gekommen sein (= Ich habe es von andern gehört) 3) „Erstaunlich, daß Kemal gekommen ist“ (sog. Mirativ) Im Deutschen nur möglich: Nicht-Indikativ → Konjunktiv in gesprochener (Umgangs-) Sprache kaum noch gebräuchlich: * Konj. I→ Konj. II: Opposition Konj. I vs. Indik. nur 3. Sg. er komm-t vs. er komm-e aber 1.Sg. usw. ich komm-e vs. ich komm-e → ich käm-e * komplexe Prädikate: A. periphrastische Bildungen B. Partikel (adverbiale) Modifikationen des Prädikats

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Zu A. Periphrase: Modifizierendes Verb + Infinitiv (invariable Form des Verbs) Käme er doch endlich ! → Würde er doch endlich kommen! In solchen Fällen (Optativ, Potential ...) auch Spitzenstellung des Verbs (d.h. kein Indikativ), vgl. auch Käme Hans jetzt, könnten wir fahren (s. Block IV: Komplexe Sätze) Modalverben i.d.R. maximal differenziert in Flexion: Stammdifferenz für Numerus im Präsens.Ind. (alte Präteritumbildung → Präteritopräsens) Ich kann – wir können ich muß – wir müssen ... B. Partikel: Es regnet vielleicht, Hans ist sicher schon da, Hans kommt bestimmt noch... Besonderes Problem: Bezug auf Zukünftiges → Nicht-Reales (Mögliches) s. SModalität Block III: Tempus Potentialis als grammatische Form: mar. Arab. '���"�� „ich habe geschrieben“ '�"�"'���� „ich bin dabei zu schreiben (auch: ich schreibe gewöhnlich)“ ����������������"'���� Subjunktiv: „daß ich schreibe“ auch: „ich schreibe vielleicht (demnächst)“ Indik.Futur /�"�"'������$�0�*�„ich werde schreiben“ ��$�0�*�„Gott wart’s“ Negation als Satzmodalität es ist kein Äußerung Bier im Kühlschrank! stimmt! Hans Egon Was ist im Kühlschrank? Eine Tüte Milch, 3 Joghurt, ein Paket Eier, ein Teller mit Käse ... Wo ist: Kein Bier? der Kühlschrank ist leer = es ist kein Bier im Kühlschrank ? Satzmodalität: Erwartungen, Einstellungen gegenüber der Proposition

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Propositional äquivalent: Der Ofen ist kalt – der Ofen ist nicht heiß Der Film war schlecht – der Film war nicht gut Hans schläft – Hans ist nicht wach Grammatikalisiert im Deutschen:

- Partikel nicht: beweglich (→ Skopus der Negation) - eingekapselt in Negationswörter:

Hans mag Wein nicht – Hans mag keinen Wein �In vielen Sprachen verbale Modifikation: türk. –mi- : gel-iyor-um „ich komme“ vs. gel-mi-yor-um „ich komme nicht“ berb. ur-: )�%��"�1 „ich habe geschwommen“ vs. ur-)�%��"�1 „ich habe nicht g.“ Periphrasen mit Negationsverben: engl. I sing vs. I don’t sing finn. sano-n „ich singe“ vs. e-n sano „ich singe nicht“ arab. „Nominalsatz“ Zaid-un muhandiss-u „Zaid ist Ingenieur“ laisa Zaid-un muhandiss-a „Zaid ist nicht Ingenieur“ (klassisch) las-tu ��"��''"����������������������"��2�"��� NEG:PF-1S 1S-zweifel:IPF.IND in DEF-Sieg-Gen ����������������„ich zweifle nicht an dem Sieg“

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7.Vlsg. Zeitbestimmungen (Tempus) - was markiert: Tempus vs. Zeit - wie markiert: Grammatikalisierung (Verbalkategorie)

Tempus: satzmodale Bestimmung (deiktische) Situierung der Äußerung: Äußerungsmoment (Sprechzeit[punkt]) deiktisch – gr. deig-(numi) „zeigen“, vgl. lat. (de)monstra(re) → Demonstrativ Zeit, gr. chronos, lat. tempus Abkürzung t, ts = (Sprechzeit[punkt]) Zeit (von Sprache bezeichnet): Äußere Zeit: Leben .... in der Zeit, chronologische Anordnung (vor </ nach >)

1) Kalendarische Zeit (Konvention): absoluter Orientierungspunkt t0: ti < t0 oder ti > t0

christliche Zeit anno domini

t0 = Christi Geburt

ts(= ti) + 2001

jüdische Zeit anno mundi

t0 = Erschaffung der Welt

ti= 3760 AM

ts(= tj) 5xxx AM

römische Zeit: anno ab urbe condita

t0 = Gründung Roms

ti= 753 ab UC

muslimische Zeit: anno hegirae

t0 = Auszug des Propheten von Mekka nach Medina = 622 AD

ts(= ti) 14xx AH

Probleme der Umrechung: AD → Sonnenjahr, AM, AH → Mondjahr

2) Physikalische Zeit (Homogene Zeit: Meßdimension t): Relation zwischen zwei Meß(zeit)punkten: Referenzzeitpunkt ti ( = t0 ) und tj tk tj ti tl t Referenz- zeitpunkt ti

ti ( = t0 )

Simul (tj , t0 ) Vor (tj , t0 )

Meß- zeitpunkt tj

Nach (tl , t0 ) Meß- zeitpunkt tk

Vor (tk , t0) Vor (tk , ti )

Nach (tj , tk )

Konstruktion beliebiger Relationen: Vorzeitig (tj), vorvorzeitig (tk), vornachzeitig (vor tl und nach t0 ) usw.

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Innere Zeit: inhomogene, gelebte Zeit, Älterwerden mit dem Körper, gerichtete Zeit: Geburt → Tod ... Sprachliche Artikulation von Zeit Problem: „Zeitwörter“ (Aristoteles → Schulgrammatik): Wortart Verb definiert als „Zeit (mit-)bedeutend“ Problem 1: Lexikalisierung von zeitlichen Bestimmungen Nomina: Alter, Jahr, Sommer, Tag .... Adjektive / Adverbien: schnell, langsam, langwierig Problem 2: zeitlichen Bestimmungen beim Verb ≠ Tempus Dauer: er schläft, er schlief, er wird schlafen ... ≠ er schläft ein ... Zeitlichkeit im Szenario: Verbalcharakter, Aspekt, s. Block III (Satzbasis) Grunddimension: [± perfektiv]: [+ perfektiv]:„abgeschlossen, punktuell ....“ [- perfektiv]:„nicht abgeschlossen, nicht- punktuell, andauernd ....“ Hans jagte einen Hasen [- perfektiv]: Ablauf: Dauer, daraus folgt nicht: „H. hat ihn bekommen“ Hans erjagte einen Hasen [+ perfektiv]: Abgeschlossenes Geschehen, daraus folgt: „H. hat ihn bekommen“ Vgl. er ist am jagen ABER *er ist am erjagen Tempus / Aspekt, vereinfacht:

- Tempus dient der Verankerung der Interpretation einer Äußerung: eine referenzielle Orientierung in der Zeit (mit einer "Ankerform" in der fortlaufenden Zeitgliederung ...),

- Aspekt artikuliert die Zeitstruktur des Szenarios, kann damit in einer komplexen Sequenz ein Ereignis relativ zu anderen fixieren

entsprechend unterschiedlich sind die grammatischen Systeme: - Tempsusysteme können sekundär qualtitativ die Zeitstruktur des Szenarios

artikulieren, - Aspektsysteme können sekundär eine temporale Verankerung leisten.

Semantik von Tempusformen: Üblicherweise nach dem Modell der physikalischen Zeitrelationen (s.o.), d.h. als Explikation der Relation zwischen zwei Meßpunkten:

- Meßpunkt 1: als Referenzpunkt der Sprechzeitpunkt ts (Sprechzeit). - Meßpunkt 2: das propositinale Ereignis te (Ereigniszeit)..

Komplexere Konstallationen ergeben sich durch einen sekundrären Referenzpunkt, die Betrachtzeit tb , wobei tb ≠ ts . Dann sind zwei Zeitrelationen zu klären: Φ (tb , ts ) und Ψ (te , tb ) Sobald Hans von der Arbeit zurückkommt (te1), wird er das machen (te2). NACH (te1, ts) NACH (te2, tb), tb = te1

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Typologie von Zeitmarkierungen in den Sprachen:

1) Zeitbestimmungen nicht grammatikalisiert

Wo nötig, werden Zeitverhältnisse lexikalisch artikuliert: So häufig in Sprachen mit ausgebautem System der Evidenzialität: Burmesisch (-te REALIS, -me IRREALIS ...) Im B. keine Markierung der Person am Verb; Beispiele ohne Notation der Töne saneinei-tain mje��*,#��"��Samstag-jeder Gras schneid:-REAL „(er) schneidet / schnitt das Gras jeden Samstag“ (*wird schneiden) mane�*,�����"��morgen anfang:-IRREAL „(wir) werden morgen anfangen“ macithi sa-hpu-me htin-te Tamarind ess:-immer-IRREAL denk:REAL „(ich) denke, (er) könnte früher T. gegessen haben“

2) Aspektuelle Zeitbestimmungen grammatikalisiert Arabisch (Alt- / Schriftsprache) Suffixkonjugation [+ perfektiv], Präfixkonjugation [-perfektiv] Suffixkonjugation [+ perfektiv]: ...alla3�����'����"�� diejenigen-die leugnen: PF-3.PL „die ungläubig sind“ ra(��"�"*� 0��*"��erbarm:PF-3.S.M-3SM DEF.Gott-NOM „Gott möge (wird) sich seiner erbarmen“ ��3��������"����������������"���������"����"������������������������������"��$�(��"��wenn komm:PF-1S bittend-PL dann-nicht.sei:PF-3SM von DEF-Geiziger-GEN „wenn wir bittend kommen werden / gekommen sind, war er (= Gott) nicht geizig / wird er nicht g. sein“ Präfixkonjugation [-perfektiv] ����"����"#�%�"��������"4)+�"��vorbei.geh:PF-3SM bei-1S und-1S 1S-sitz:IPF-IND „er ist an mir vorbeigegangen, als ich (da) saß“ Neuarabisch (z.T. schon alt): Ausbau von Tempusmarkierungen in periphrastischen Ausdrücken!

3) Tempussystem grammatikalisiert Situierung der propositionalen Zeit (te [= Ereigniszeit] relativ zu ts) Oft sekundär in Verbindung mit Aspektunterschieden

Modellsprache Latein (Schriftsprache!!. ausgebaut in Verbindung mit komplexem Rechtsystem!), orientiert auf Sprechzeit: Präsens

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Bezeichnung Aspekt Zeitsemantik [- perfektiv] [+ perfektiv]

Vor-vor Plusquamperfekt lauda-veram Vor (te,ts) Imperfekt/ Perfekt lauda-bam lauda-vii SIMUL (te,ts) (auch: zeitlos)

Präsens laud-oo

Vor-nach Futurum exactum lauda-verim Nach (te,ts) Futur lauda-boo Tempussystem im Deutschen: Synthetische Formen, orientiert auf Präteritum Zeitsemantik Bezeichnung Vor (te,ts) Präteritum (*Imperfekt) (ich) kam, kauf-te Nicht-vor (te,ts) Präsens (ich) komm-e, kauf-e Analytische (periphrastische) Formen:

1. werden + Infinitiv: ich werde kommen � Futur 2. haben (sein) + Partizip II (perfektiv) � Resultativ (Perfekt) × Tempus: - Präsens: ich habe gekauft

- Präteritum: ich hatte gekauft 3. überkomplex: ich werde gekauft haben ....

Problem 1: Trennen: schriftsprachlicher Gebrauch und Umgangssprache. Südddt. Präteritumsschwund: Ich bin gestern ins Kino gegangen (*ich ging gestern ins Kino) ABER (Märchenton): Da kam einmal ein böser Wolf ... Problem 2: Aspektueller Ausbau des Systems: ich bin am laufen ... (n. Block) Problem 3: Nicht-temporale Nutzung des Systems (Präteritumsformen als Distanzmarkierung, Thieroff) Ober: Wer war das Schnitzel? Zum Vergleich: System des Russischen

1. Primär Tempussystem analog Deutsch: Präteritum (vor) vs. Präsens (nicht-vor) 2. Überlagert durch aspektuelle Opposition im Verbalcharakter (lexikalisch fest und

Stammbildung / Wortbildung)

Zeitsemantik der Flexion

× Zeitsemantik des Stammes

[- perfektiv] [+ perfektiv]

vor (te,ts) Präteritum (ja) pisa-l „ich schrieb“

(ja) na-pisa-l „ich schrieb“

Präsens (simul) (ja) ,�$-u „ich schreibe“

Nicht-vor (te,ts)

„Futur“ (nicht-simul)

(ja) na-,�$-u „ich werde schreiben“

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Futur bei [- perfektiv].Verben: (ja) bud-u ,��-��� „ich werde schreiben“ Besonderheit: Aspektuelle Opposition quasi-grammatikalisiert durch Stammbildung:

Perfektiv Imperfektiv lexikalisch qua Präfix lexikalisch qua Suffix –va- (ja) ,�$-u

„ich schreibe“

(ja) na-,�$-u „ich werde schreiben“

(ja) govor-ju „ich rede“

(ja) za-govor-ju „ich (werde) anfangen zu reden“

(ja) za-govori-va-ju „ich fange (immer) an zu reden“

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8.Vlsg. Personmarkierungen (Referenzialität I) Sprecher (S) – Hörer (H) als referenzieller Default Äußerung brrrrr! *Egon ist kalt Hans Äußerung laufen! *Peter läuft Hans Egon Personales Orientierungssystem der Äußerung:

1. Person (S) 2. Person (H) 3. Person (NICHT S/H)

S/H-Dyade: ICH =: wer mit DU angesprochen wird DU =: wer mit ICH antwortet (Mensch =: Wer ICH sagen kann ....) Referenzielle Interpretation der Äußerung:

1) nur durch S/H (komm! ...) 2) in S/H-Horizont eingelassen: durch „3. Person(en)“

zu 2) Allokutive Systeme (lat. ad+loqu- / locu- „an+reden“): (a) ich gebe dir das Buch (b) ich sage dir, daß Hans das Buch hat (c) gestern war der Hans dir vielleicht voll. (c = „ethischer Dativ“ u. ä) Grammatikalisierung allokutiver Systeme, z.B. Baskisch (Dimension der Beziehung S ↔ H, später)

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Referenzielle Interpretation der Proposition SATZMODALE SITUIERUNG PROPOSITION Ich sage dir hiermit hier und jetzt P ( x, y , z) ? ? x ≠ ICH/DU � x = ER Wie identifiziere ich ER?

1) deiktisch: dieser da 2) deskriptiv (lexikalisch): die Frau mit dem Oberlippenbart ...

Sprachspezifisch: Isolierung von deskriptiven Attributen, ggf. Grammatikalisierung NUMERUS: Singular: eine(r) vs. Plural: mehr als eine(r) Singular: eine(r) vs. Dual: zwei vs. Plural: mehr als zwei Singular: eine(r) vs. Paucal: wenige vs. Plural: viele Sonderproblem bei Numerus Bei 1. und 2. Ps. kein „Plural“, sondern ICH und ander(e) / DU und ander(e) Systeme mit inklusiv / exklusiv Personalpronomina im Hawaiianischen (inklusiv = Einschluß von DU) PERSON SINGULAR DUAL PLURAL

inklusiv exklusiv inklusiv exklusiv 1.Ps. 5���

kaaua maaua kaakou maakou 2. Ps. �� ����� ���'�� 3. Ps. ia laaua laakou KLASSENSYSTEME 1. hierarchische Systeme, i.d.R. egozentrisch (Grade der ICH-Ähnlichkeit) z.B. Belebtheits-Skla MAX: ICH > DU > Person, aber ≠ ICH/DU > Belebt, aber ≠ Person > Unbelebt, mit evtl. weiteren Stufen 2. aggregierte Systeme 2a. Zerlegung:

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z.B. Genus-Systeme [+ belebt] [- belebt]

[+feminin] [-feminin] (maskulin) (neutrum) sie er es

2.b. aggregiert sonst, z.B. Bantu (Swahili): Affixe an Nomina und Verb (Kongruenzmarkierung) Person / Baum / Ding / Auge / Pfad / Zunge / Spiel / Ort z.B. Chinesisch: Partikel bestimmen nominale Konstituenten: Ehrbares / gewöhnliches Ding (auch Person) / stabförmiger (lang-runder) Gegenstand / flacher-großer Gegenstand / durchlässiger Gegenstand (mit Durchgangsmöglichkeit) / Masse (mit Spezifizierung des Umfangs: Pfund, Scheffel ...) / Teil von etwas / Anhäufung von etwas / Gruppe / Organisation / Abstraktes ... Grammatikalisierung: Wie werden referenzielle Interpretationen markiert?

1. bei reicher Morphologie: Verbalaffixe, mit / ohne Synkretismen: lat. laudaa- „lob(en)“ Präs.Ind. 1. 2. 3. Singular laud-oo laudaa-s laudaa-t Plural laudaa-mus laudaa-tis lauda-nt Arab. (Schriftsprache)

2. 3. katab- « schreib :PF »

1. feminin maskulin feminin maskulin

Singular katab-tu katab-ti katab-ta katab-at katab-a Dual katab-tumaa katab-ataa katab-aa Plural katab-naa katab-tunna katab-tum katab-na katab-uu Deutsch 1. 2. 3. Singular kauf-e kauf-st kauf-t Plural kauf-en [kauf-t] [kauf-en] Gotisch nim- „nehm:“ Präs.Ind.Akt. 1. 2. 3. Singular nim-a nim-is nim-iÞ Dual nim-oos nim-ats Plural nim-am nim-iÞ

nim-and

Dänisch løb-e „lauf-en“: [ jeg / du / han / vi / I / de ] løb-er Französisch je port-e [(�%�) �",67�] tu port-es [(t%�) ��",67�] il port-e [(�8�) �",67�] usw. Kleine Typologie der Artikulation von Personmarkierungen (P):

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1) keine Morphologie, also keine Markierung am Kopf der Proposition: Vietnamesisch, Chinesisch, Creolsprachen ... P: Partikel NB: Meist als Pronomen bezeichnet, obwohl Formen für ich, du nichts mit Proformen für Nomina zu tun haben. 2) Morphologie, aber nicht für P genutzt: Markiert am verbalen Kopf: Tempus / Aspekt / Modus P: Partikel (u.U. klitisiert) Japanisch, australische Sprachen ... 3) Morphologie, auch für P genutzt Markiert am verbalen Kopf: Tempus / Aspekt / Modus × Person

- agglutiniert: Turksprachen ... - fusioniert: indoeuropäisch, semitische Sprachen

Dynamik des Umbaus: In vielen Sprachen ist P nicht am Prädikat markiert (pazifischer Raum), aber Abbau auch in den indo-europ. Sprachen (z.B. Dänisch). P ist also nicht der harte Kern von Finitheit im satzmodalen Sinne, sondern nur eine mögliche weitere Spezifizierung des Prädikats (oft auch amalgamiert mit weiteren nominalen Kategorien: Numerus, Genus ...) Grenzwert: P wird nur propositional durch die Aktantenstruktur markiert. Weitere Dimension: Beziehungsebene S / H / ER (Respekt / Höflichkeit)

1. Markierung von Aufwand / Distanz Sg. → Plural : DU→ ihr, ICH → wir („Pluralis majestatis) 2Ps.→ 3.Ps.: Trete Er näher! (Konjunktiv!) 2Ps.→ 3.Ps. + Plural: Treten Sie näher! Zusätzliche lexikalische Spezifizierung: Meine Dame, Euer Gnaden, mein Freund .... Stilistische Optionen: das Auto, der Wagen, die Karre, die Scheißkarre .. Grammatikalisierte Systeme in (ost-)asiatischen Sprachen: Japanisch (Verbalendungen – Person nicht markiert): 1. Allokution neutral ehrerbietig höflich -(r)u Kopula: de aru

Kopula: de gozaimasu

-(i)masu Kopula: de arimasu

2. Propositionale Ebene Demütig neutral respektvoll elegant gesteigert o-...-suru -(r)u

Kopula: da -(r)areru o-...-ni naru

Kopula: de irassharu o-...-asobasu

mite iru / imasu “(ich, du, er ….) sieht“ hon da / desu / de aru /de gozaimasu / de arimasu „es ist ein Buch“ o-kaki suru / kaku / kakareru / o-kaki ni naru / o-kaki asobasu “(ich, du, er …) schreibt“ EINFÜGEN NOCH: BASKISCHE VERBALFLEXION MIT ALLOKUTIVSYSTEM

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9. Vorlesung: Informationsstruktur / thematische Orientierung (Abschluß Satzmodalität) Trennen: Gesprochene und geschriebene Sprache (orate / literate Struktur) Orat: Default: Physikalisch-physiologisch und kognitiv bestimmt: Äußerung in der Zeit (inhomogene Abfolge ...) × Schranken des Kurzzeitgedächtnisses

# t # [ ] G E D Ä C H T N I S PRÄSENT

Folge: Planungsbrüche .... (Anakoluthe ...), wenn mündlich zu komplexe (literate!) Strukturen Ergebnis: Orat = Reihung von propositionalen Strukturen, die explizit (Partikel ...) oder implizit (kalte Strukturen!) aufeinander bezogen werden. Literat: „zeitlose“, homogene Kette von Zeichen (im Raum!), grammatisch integriert (� Satz)

# # (Lesen =) synoptischer Blick Rhetorische Übung: Periodenbau („Aufsatzerziehung“: Nebensätze ...., keine „Füllwörter“ ...) Informationsstruktur (fundiert in oraten Bedingungen):

# t # Altes: Thema

(Satzgegenstand) Strukturierendes Funktionselemente

Neues: Rhema (Satzaussage) Informationshaltiges Lexikalisch Volles / Propositional Ausgebautes

1) Prosodische Markierung (Akzentkontur): FOKUS

# t #

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# LAUF! # # Emma LÄUFT # #Emma kauft OBST # #Emma kauft BLUmen # #Emma will BLUmen einkaufen # FOKUS bei Ergänzungsfragen (Szenario definiert, aber: kein Thema): Im Deutschen Fokus initial # WAS kauft Emma (ein) ? # Wenn durch Akzent markiert, nicht notwendig, vgl. ägypt. Arab. (6. Vlsg.) Fragewort manchmal nicht in Fokusposition (initial) ägypt. arab. ����������#�(������? „wo gehst (du) hin?“ ����������#�(��"�"��������ägypt. arab. ��"���")������*����+���%�����?„was machst du gerade?“

��"���")��������(��+���%�����? (����(��“ein Loch”) Nicht-Standard-Situationen: 1) Kontrast: #Emma will Blumen EINkaufen # (... nicht VERkaufen) 2) Kein Szenario, kein Thema definiert (Was ist passiert?): # das AUto ist kaPUTT # (thetische Sätze, Satzfokus ...) Anders mit Thema – Rhema – Struktur: („Was ist mit dem Auto los?“) - # das Auto ist kaPUTT # 2) Wortstellung Orat: reihend: Folgeelement kommentiert vorausgehendes (Inferenz / kalte Struktur) # A B C ...... # #der Hans # # gestern hab ich ihn gesehen # .... Grade der Integration: 1) Vorfeldbelegung und „Topik“-markierung: #der Hans-den hab ich gestern gesehen # 2) Kasusintegration, Partikeltilgung (literat orientierte Edition) #den Hans-den hab ich gestern gesehen # #den Hans, den hab ich gestern gesehen # #den Hans hab(e) ich gestern gesehen # Typologische Beschränkungen der Abfolgebedingungen: Grammatikalisierung der Wortstellung.

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A) Sprachen mit freier Wortstellung: Syntaktische Beziehungen lokal „kodiert“ (morphologische Markierungen: Kasus u. dgl.)

B) Sprachen mit fester Wortstellung: Syntaktische Beziehungen global „kodiert“ (Wortstellung festgelegt)

Typ (A) bei Sprachen mit reicher Morphologie (australische Sprachen) – „nicht-konfigurationell“ Typ (B) bei Sprachen ohne Morphologie (isolierende Sprachen (Chinesisch ...) – „konfigurationell“ Europäische Sprachen zwischen (A) und (B): Deutsch mehr bei (A), Englisch mehr bei (B) Nur partiell festliegende Wortstellung im Deutschen, z.B. als Integrationsmuster des Aussagesatzes: # finites Verb X Y (infiniter Prädikatsteil) # VORFELD Vorfeldbelegungen: Thema: Definit × Funktionselement (Pronomina ....): # er war gestern zuhause # Situierender Rahmen: # gestern war er zuhause # Literat: Ohne solche Beschränkungen: # ein Mann, der ein Vermögen geerbt hatte, wollte sich damit zur Ruhe setzen # cf. Orat: # es war einmal ein Mann. Der hatte ein Vermögen geerbt. Damit wollte er sich zur Ruhe setzen # Anders in Sprachen mit fester Wortstellung, z.B. engl. SVO Vgl. Dt. # die Vase ist auf dem Tisch # Russ. # �vasa na stoL’E # Engl. # the vase is on the table # ABER Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase # Russ. # na stol’e VAsa # Engl. # there is a vase on the table # Im Dt. ( ≠ Engl.) „Spaltsätze“ literat: „Was die Vase anbetrifft, die stand auf dem Tisch ....“

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Kopfmarkierung der thematischen Orientierung: Diathese (Passiv) (a) Thema: Peter Dt. # Peter kaufte einen Wagen“ Russ. # P’otr ku�pil ma�$inu # Engl. # Peter bought a car # b) Thema: der Wagen Dt. # den Wagen hat Peter gekauft“ Russ. # ma�$inu ku�pil P’otr # Engl. # the car was bought by Peter # (# it is the car that Peter bought #) Im Dt. (mehr noch im Russ.) Passiv literat ≠ Engl. NB: Generelles Problem bei der oft angeführten sog. "Grundstruktur": Verwechslung von

- "normal" i.S. von häufig u. dgl. (= normal 1), - und "normal" i.S. Default-Repräsentant in einem Metadidakurs ("Zitierform" = normal

2) Zur Unterscheidung vgl. normal 1 bei Verbformen: fektierte Formen im Satzzusammenhang, z.B. läuft, normal 2 bei Verbformen (vgl. Lemmatisierung im Wörterbuch u. dgl.): NICHT läuft usw. sondern eine nominale Form laufen. Ähnlich bei der Wortstellung:

- die Zitierform (normal 2) von Aussagesätzen im Deutschen (vgl. die Beispiele in Grammatiken) hat die Wortstellung S V O,

- aber S V O ist nicht die häufigste Wortstellung in Texten (normal 1), z.B. wenn man die Tageszeitung auszählt ...

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10. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition Satz (Äußerung) Proposition (Satz-) Modalität

Proposition: Das, was gesagt wird (in einer Äußerung / in einem Satz) Hans kommt uns morgen besuchen. Hans sagte, [daß er uns morgen besuchen kommt]Proposition Paraphrasen: Hans sagte, [daß er uns morgen besucht]Proposition Hans sagte, [daß er morgen mal vorbei kommt]Proposition Hans sagte, [daß er morgen auf dem Weg von Hamburg mal reinschaut]Proposition Hans sagte, [daß er morgen bei uns ist]Proposition .... � unterschiedliche syntaktische Struktur, bei semantischer (pragmatischer) Äquivalenz Proposition in der Logik (universal ≠ sprachspezifischer Strukturen): Prädikation: Subjekt + Prädikat (lat. prädicare „aussagen, behaupten, verkündigen ...“ > predigen !) Hans ist ein Idiot � [ [Hans]Subjekt + [ist ein Idiot]Prädikatt ]]Propostion Symbolische Notation: Idiot (Hans) Hans ε {IDIOTEN} Tradition der Analyse über eine Normalform: Hans schläft � Hans ist schlafend Schlafend (Hans) Hans ε {SCHLAFENDE} Prädikationsstypen der Sprachanalyse (Bloomfield): - qualitative Prädikation - narrative Prädikation Qualitative Prädikation (exozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG SUBJEKT PRÄDIKAT

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Narrative Prädikation (endozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG ARGUMENTE PRÄDIKAT (nominale Ergänzungen) (Verb) Legende: Kern der Satzbasis (obligatorisch) Satelliten (fakultativ) Endozentrisch:�Verbales Prädikat mit Markierungen der Aktanten („Argumente“) kann Satz bilden: Lat. abeeoo „ich gehe jetzt“ (Plautus) Arab. Grammatik Verbalsatz [katab-a]Satz „er hat geschrieben“ [katab-a Zaid-un]Satz „Zaid hat geschrieben“ Nominalsatz [Zaid-un na+�+������]Satz „Zaid ist Schreiner“ Zusammengesetzter Satz („Topikalisierung“, Herausstellung) [Zaid-un [katab-a]Verbalsatz ]Nominalsatz „der Zaid-der hat geschrieben“ (es war Zaid, der geschrieben hat“ Subjekt � qualitative Prädikation! Nicht definiert über das Szenario der narrativen Prädikation Subjekt � 11. Vorlesung Szenarien definiert durch („aufgespannt von“) Prädikat:

- lexikalische Bedeutung des Prädikats (Verb), - Verbstamm (finite Endung � Satzmodalität).

Szenario Aktanten („Rollen“) NB: Generische Form !

Hans schläft Emma träumt Hans tanzt Hans tanzt mit Emma Hans trinkt Bier Emma flirtet mit Hans Hans verprügelt den Dackel Emma schreibt einen Brief Hans schenkt Emma einen Kaktus

Schlafen Träumen Tanzen I Tanzen II Trinken Flirten Prügeln Schreiben Schenken

Schläfer Träumer Tänzer Tänzer + Begleiter Trinker + Getrunkenes Flirter + Beflirteter Prügler + Geprügelter Schreiber + Geschriebenes Schenker + Geschenktes + Beschenkter

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Aktanten(-rollen) definiert durch Szenario: Was ist der gemeinsame semantische Nenner von er schläft, er tanzt, er prügelt ... ? Rollen definierbar als Nominalisierungen des Verbs (= Szenario): Szenario: V-[Stamm] Rolle 1: V-er Rolle 2: Ge-V-ter Rolle 3: Be-V-ter Weitere Rollen? Makrorollen: Schematisierung der Beziehung zwischen Verb (Kopf der Prädikation) und Aktanten (Satelliten der Prädikation) Formale Struktur der Szenarien: Anzahl der Aktanten (Valenz) � 5. Vlsg. Syntaktische Prädikate „projizieren“ Typen von Satzbasen (Valenzstruktur): Verb Valenz Beispiel regnen 0 es regnet laufen 1 er läuft schlagen 2 Hans schlägt den Hund schenken 3 Hans schenkt Emma ein Buch Anders die grammatische Struktur der Satzbasis: sprachspezifisch Im Dt. im Aussagesatz mind. zweigliedrig Semantisch (narrative Prädikation):

Es regnet � [ [∅]Aktant + [regn:]Prädikat ]]Propostion Grammatisch Es regnet � [ [es]“Subjekt“ + [regnet]Prädikat ]Satz Vgl. latein. Semantisch (narrative Prädikation): pluit „es regnet“ � [ [∅]Aktant + [plu:]Prädikat ]]Propostion

Grammatisch pluit � [ [pluit]Prädikat ]Satz Problem 1: Aktanten nicht einfach passiv bei der Definition des Szenarios: Er beginnt mit seinem Buch � er fängt an zu lesen (schreiben) / *essen Er beginnt mit seinem Hamburger � er fängt an zu essen / *lesen (*schreiben) Bedeutungskomplexe auch von nominalen Elementen (in Funktion von Aktanten) so, daß Szenarien impliziert: Hamburger (x) � MÖGLICH essen (y, x) / UNMÖGLICH lesen (y, x) Buch (x) � MÖGLICH lesen (y, x) / UNMÖGLICH essen (y, x) Sonderfall von elliptischen Strukturen: Hans singt � Hans singt etwas (einen Schlager, eine Arie ...) Hans ißt � Hans ißt etwas (einen Hamburger, einen Apfel ...)

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Vgl. bei unspezifischen Bedeutungskomplexen sind Ellipsen nicht möglich: Hans *macht TROTZ Hans macht etwas (Späße, den Abwasch ....) Hans *sagt TROTZ Hans sagt etwas (, daß er kommt ...) Problem 2: Nicht alle Elemente der Proposition sind szenario-spezifisch (valenzgebunden) Hans ißt seinen Hamburger mit großer Hast Hans liest das Buch im Schloßpark In den Ferien nervt Emma Hans � Peripherie des Szenarios, „freie Angaben“, adverbiale Bestimmung Nicht durch die Form (allein) zu definieren: Präpositionalgruppen, Lokalangaben u. dgl. können valenzgebunden sein: Hans denkt an seine Oma (denken ist „zweiwertig“: Präpositionalobjekt) Emma wohnt in Osnabrück (wohnen ist „zweiwertig“, verlangt Ortsergänzung ) Problem 3: Szenario impliziert eine bestimmte Perspektive: Hans schenkt seiner Freundin Emma einen Blumenstrauß MÖGLICH (KERN DER Proposition): Hans schenkt einen Blumenstrauß Emma ist Empfänger(in) der Aktion Blumenstrauß-Schenken Hans beschenkt Emma mit einem Blumenstrauß MÖGLICH (KERN DER Proposition): Hans beschenkt Emma Der Blumenstrauß ist Instrument (?) der Aktion Emma-Beschenken Wortbildung (� Stammbildung): Markiert Valenz, kann Valenz ändern Problem 4: (narratives) Szenario impliziert eine bestimmte Dynamik: Hans hat den Wagen mit dem Heu beladen (� der Wagen ist voll / es gibt (vielleicht) noch Heu) Hans hat das Heu auf den Wagen geladen (� das Heu ist auf dem Wagen / es gibt (vielleicht) noch Platz) NB: Hier noch Komplikationen mit der Definitheit, s. Vorlesung XY ... das Heu auf den Wagen ≠ Hauf auf einen Wagen diese haben mit dem Skopus der Prädikation zu tun: ... den Wagen mit Heu (� den ganzen Wagen) ... das Heu auf einen Wagen (� das ganze Heu) Weiter zu diesen Bildungen (sog. Applikativen) in der Wortbildung, 25. Vlsg. vgl. aspektuelle Dynamik (7.Vlsg.): Zeitlichkeit im Szenario: Verbalcharakter, Aspekt, Grunddimension: [± perfektiv]: [+ perfektiv]:„abgeschlossen, punktuell ....“

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[- perfektiv]:„nicht abgeschlossen, nicht- punktuell, andauernd ....“ Hans jagte einen Hasen [- perfektiv]: Ablauf: Dauer, daraus folgt nicht: „H. hat ihn bekommen“ Hans erjagte einen Hasen [+ perfektiv]: Abgeschlossenes Geschehen, daraus folgt: „H. hat ihn bekommen“ Vgl. er ist am jagen ABER *er ist am erjagen Hier Grundproblem der Grammatikalisierung: Eine semantische Kategorie

- ist grammatikalisiert, wenn sie prinzipiell universal ist, d.h. mit allen möglichen Formen im Lexikon verbunden werden kann,

- sonst bleibt sie lexikalisch gebunden Insofern sind aspektuelle Markierungen im Deutschen (andes als in den semitischen Sprachen und z.B. auch im Russischen) nicht grammatikalisiert, vgl. ?erträumen, *erlachen, *erschenken ... In diesem Sinne ist öfters denn auch nur von Aktionsarten, nicht von Aspekt die Rede.

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11. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition II: Subjekt Verhältnis (außersprachliche) Defaultinterpretation vs. sprachgebundene ( � grammatikalisierte) Interpretation Mann Bier (1) Der Mann trinkt (ein) Bier (2) Das Bier schwemmte den Mann weg (Unfall in Bierbrauerei: Kessel geplatzt : ..... Mann starb) Defaultinterpretation: Mann � [belebt] � V-er im Szenario Bier � (1) [unbelebt] � Ge-V-tes im Szenario (2) Bier (x) MÖGLICH� trink (y, x) M � Szenario = Trinken (2) zeigt: Mit sprachlichen Mitteln möglich, Default zu „überschreiben“ Sprachbaudifferenzen: Bindung der Syntax an semantische (Default-) Interpretationen Acehnesisch (Sumatra) Keine Flexion, aber

- Wortbildungsaffixe [± Markierung der syntaktischen Funktion] - Klitisierung von Funktionswörtern (Pronomia ...): Komplexe phonologische Wörter

1-wertige Verben („gespaltene Intransitivität“): (a) proklitische Pronomina: P + V, P = Agens (b) enklitische Pronomina: V + P, P = Patiens 2-wertige Verben: (c) P1 + V + P2, P1 = Agens, P2 = Patiens Komplexere Proposition : weitere Aktanten nicht am Prädikat (Verb) markiert, sondern präpositional regiert.

(a) gopnyan ka=geu=jak u=keude 3 INCH=3=geh: zu=Markt „er geht auf den Markt“ (b) gopnyan sakeet=geu 3 krank.sei:=3 „er ist krank“ (c) je=kap=keuh

3 = beiß:= 2 „es beißt dich“ (*du beißt es) Dagegen Deutsch:

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Szenarien Szenario Aktanten („Rollen“)

NB: Generische Form ! Hans schläft

Emma träumt Hans tanzt Hans tanzt mit Emma Hans trinkt Bier Emma flirtet mit Hans Hans verprügelt den Dackel Emma schreibt einen Brief Hans schenkt Emma einen Kaktus

Schlafen Träumen Tanzen I Tanzen II Trinken Flirten Prügeln Schreiben Schenken

Schläfer (*Agens) Träumer (*Agens) Tänzer (Agens) Tänzer (Agens) + Begleiter Trinker (Agens) + Getrunkenes (Patiens ??) Flirter (Agens) + Beflirteter Prügler (Agens) + Geprügelter (Patiens) Schreiber (Agens) + Geschriebenes (*Patiens) Schenker (Agens) + Geschenktes (Patiens)+ Beschenkter

Makrorolle 1 („Hauptrolle): Privilegierter Aktant: Formal: Kongruenz Subjekt ↔ finites Verb Einen ApfelSG pflückt3SG der MannSG Zwei ÄpfelPL pflückt3SG der MannSG

Einen ApfelSG pflücken3PL die MännerPL Hauptrolle „Agens“, wenn (aktivisches) Handlungsszenario, Hans tanzt absichtlich / bewußt / nach reiflicher Überlegung ... mit Emma Imperative: Jetzt tanz mit Emma! kein Agens bei „passivischem“ Szenario: Emma träumt absichtlich / bewußt / nach reiflicher Überlegung ... *träum! ( ANDERS: träum schön! � ich wünsch dir, daß du schön träumst!) ? stirb, Schurke! Vgl. es regnet (es = Subjekt) Kongruenzprobleme: Formale Subjektrelation bei propositionalem Ausbau: [Emma]SG gefällt3SG mir [Emmas Dackel]SG gefällt3SG mir [[Emma]SG und [ihr Dackel]SG]PL gefallen3PL mir [Daß Emma kommt] gefällt3SG mir [Daß Emma kommt]SG? und [daß ihr Dackel verschwindet]SG?]PL gefällt3SG mir ............ * gefallen3PL mir Nebenrollen: Im Deutschen nicht am Kopf markiert (vgl. 8. Vlsg.: Baskisch: bis zu 3 Aktanten + Allokutiv am Kopf markiert) Kasus- / Präpositional markiert (12. Vlsg.) Extreme Dissoziierung von semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen: Diathese

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Hans verprügelt den Dackel Szenario: Prügeln = Handlung: Hauptrolle (V-er = Agens): Prügler (Hans) Nebenrolle (Ge-V-ter = Patiens): Geprügelter (der Dackel) Der Dackel wird von Hans verprügelt ???Szenario: Prügeln = Handlung: Hauptrolle (??? = Patiens): Geprügelter (der Dackel) Nebenrolle (??? = Agens): Prügler (Hans) Analyse gebunden an die sprachliche Form: Der Dackel wird von Hans verprügelt Szenario: Verprügelt.werden [=V*]= Vorgang: Hauptrolle (V*-er = Patiens): Geprügelter (der Dackel) Nebenrolle (V*-von X = Agens): Prügler (Hans) Parallele Szenarien (Vorgang) Naß werden Träumen .... Problem 1: Handlungsszenario ist transitiv / Vorgangszenario ist intransitiv Intransitiv =: keiner Ergänzung bedürftig Hans [träumt] Transitiv =: einer Ergänzung bedürftig Hans [prügelt den Hund] Zusätzliche (nicht valenzgebundene) Ergänzungen (fakultativ): Hans verprügelt den Dackel mit der Klobürste

Passiv ist intransitiv mit fakultativer Ergänzung Der Dackel wird verprügelt Der Dackel wird mit der Klobürste verprügelt Der Dackel wird von Hans verprügelt Der Dackel wird von Hans mit der Klobürste verprügelt

Passivisches Szenario hat keine Agens-Rolle! (Schrift-) Arabisch Verb: ��)�"���„Machen“(Verbalnomen) �°�)�° ��)��"�� „er hat gemacht“ (= Zitierform: „machen“) V-er: ���)��"��� „Macher“ (= Partizip aktiv, Nomen agentis) Ge-V-tes: ma�)���"��� „Gemachtes » usw. Passivform : ��)��"�� „es ist gemacht worden“ 9����"���"����"���"%���+"��„das Mädchen hat den Jungen geschlagen“ 9����"���"%���+"��„der Junge wurde geschlagen“ Aktivform: ���"��)�"���"�����##"����"�"��)����"��„das auf den bekannten (Agens) bezogene Verb“

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Passivform: ���"��)�"���"�����##"����"�"��+�*���"��„das auf den unbekannten (Agens) bezogene Verb“ Subjekt im „Passivsatz: ������"���"���)��"��„Stellvertreter des Agens“ Wenn Agens ausgedrückt werden soll � Handlungsszenario � Aktivsatz „Symmetrie“ Passiv / Aktiv Ausnahmefall (Passiv i.e. einzelsprachlich erst entwickelt!) Vgl. auch „Passivformen“ ohne diese Symmetrie: Von intransitiven Verben: es wird getanzt Bei transitiven Verben: es wird Bier getrunken (Bier = Objekt?, vgl. man trinkt Bier) Kopfmarkierung der thematischen Orientierung: Diathese (Passiv) (a) Thema: Peter Dt. # Peter kaufte einen Wagen“ Russ. # P’otr ku�pil ma�$inu # Engl. # Peter bought a car # b) Thema: der Wagen Dt. # den Wagen hat Peter gekauft“ Russ. # ma�$inu ku�pil P’otr # Engl. # the car was bought by Peter # (# it is the car that Peter bought #) Nur im Engl. ist das Passiv eine äquivalente Ausdrucksform zum Aktiv ABER Vollständig ausgebildete Aktiv- / Passiv- Diathese als Folie für abstrakte Subjektkategorie (frei von semantischen Festlegungen) Qualitative Prädikation (exozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG SUBJEKT PRÄDIKAT Narrative Prädikation (endozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG ARGUMENTE PRÄDIKAT (nominale Ergänzungen) (Verb)

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Qualitative Prädikation in allen Sprachen möglich, meist auch nicht-verbal artikuliert (keine verbale) Kopula, so auch in Acehnisch, Arabisch .... Narrative Prädikation syntaktisch anders artikuliert: syntaktische Relationen semantisch fundiert:

- ausschließlich so: Acehnisch �Kategorie Subjekt nicht definiert! - diffuser: Arabisch: privilegiertes Argument Argument syntaktisch definiert. Wenn per

Konvention auch „Subjekt“ genannt, dann aber ≠ Subjekt in qualit. Prädikation Gegenpol: Syntaktische Harmonisierung prädikativer Strukturen: Formales Subjekts – Prädikatsschema:

- qualitative Prädikation - Diatheseschema über der narrativen Prädikation

In den europäischen Sprachen literat überall: Orat so im Englischen durchgeführt, literat qua Lehnbildungen auch in den neuarabischen Schriftsprachen (Zeitungssprache): ��)���"���������������������������������������+��*��"�������"(�'�����"��������������������������bekannt.mach:PF.PASS-3SM von Seite-GEN DEF-Regierung-GEN daß "Von Seiten der Regierung wurde bekannt gegeben, daß ..." Fazit für die Subjekt-Definition: Eine typologische Besonderheit von Sprachen wie dem Deutschen, in denen

- der Hauptaktant im intransitiven Szenario - der Hauptaktant im transitiven Szenario

gleich markiert sind und das die Basis für ihre einheitliche Bezeichnung als Subjekt ist – das ist selbstverständlich kein semantisches Kriterium ( = Rolle im Szenario). Definierend kommt hier die Diathese hinzu; auf der Basis einer Paraphrasebeziehung von aktiven und passiven Szenarien läßt sich der Neben-Aktant im transitiven Szenario mit dem Hauptaktanten eines intransiven identifizieren. Bedingung dafür ist eine entsprechende Modifikation am Kopf:

- unmarkiert beim transitiven Szenario (Kopf: schlagen), - markiert beim intransitiven Szenario (Kopf: geschlagen.werden)

S. Kap. XY für die spiegelverkehrten Verhältnisse beim "Antipassiv" in Ergativsprachen:

- unmarkiert beim transitiven Szenario (Kopf: schlagen), - markiert beim intransitiven Szenario (Kopf: mit.Schlagen.beschäftigt.sein)

Nochmal ein anderer Aspekt sind die herausgestellten Funktionen im Ausbau zu komplexen Sätzen: Subjekt als syntaktische Achse ("pivot"), s. Kap. XY

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12. Vlsg.: Kasus Formale Analyse syntaktischer Beziehungen: A [ A B ] � � hierarchische Beziehung B morphologisch artikuliert durch kopfmarkiert Aα A � oder � B Bβ satellitenmarkiert Definition von Kasus (morphologischer Kasus):

1) Satellitenmarkierung 2) Nominale Markierung

S

SB’

SM

SB

E1

E2

Präd

Peripherie

V

N

α = grammatische Kasus β = adverbiale Kasus γ = adnominaler Kasus (Genetiv)

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α = grammatische Kasus 1) flektiert : Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ Der Junge gedachte seiner Großmutter Hans schenkte ihr einen Blumenstrauß 2) Partikel (präpositional)

Hans dachte an seine Großmutter β = adverbiale Kasus 1) flektiert

er spielt den ganzen Tag Klavier 2) Partikel (Präpositional)

er spielt vor der Tür γ = adnominaler Kasus (Genetiv) 1) flektiert das Auto des Vaters 2) Partikel (präpositional) das Auto von dem Vater Unterschiedliche reiche Kasussysteme:

1) adverbial reich, z.B. Finnisch Nominativ kirja “Buch” Genetiv kirja-n “Buches“ grammatische Kasus (α) Akkusativ (= Nominativ oder Genetiv) Genetiv auch (γ) Essiv (zeitweiser Zustand) kirja-na “als Buch” Partitiv (Teil von) kirja-a “von einem Buch” halbgrammatisch Translativ (Übergang in) kirja-ksi “(wird) zu einem Buch” (α und β) Inessiv (innerhalb von) kirja-ssa „in einem Buch“ Elativ (heraus von) kirja-sta „aus einem Buch“ Illativ (hinein in) kirja-an „in ein Buch“ (überwiegend adverbial (fest)) Adessiv (in der Nähe von) kirja-lla „bei dem Buch“ (β) Ablativ (von ... weg) kirja-lta „von dem Buch weg“ Allativ (in die Nähe von) kirja-lle „zu dem Buch“ Abessiv (ohne) kirja-tta „ohne das Buch“ Instruktiv kirjo-i-n „mit Büchern“ (marginal, hier nur Plural) (β) Komitativ (zusammen mit) kirjo-ine „mit Büchern“ (gebrauchsbeschränkt, mit Possessiv: kirjo-ine-en „mit seinen Büchern“ (β)

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2) auch grammatisch arm, z.B. Englisch grammatisch nur pronominal: (Rektus vs. Obliquus) I me he / she saw him / her you you the man the man präpositionale Option (“Dativ”) I gave him the book I gave the book to him vgl. Kasusneutralisierung in norddt. Umgangssprache („Akkudativ“ = Obliquus) Er hat den Mann das Buch gegeben adnominal

Peter’s car - the car of my neighbour “Sächsischer Genetiv” als Possessiv vgl. Dt. Mutters neuer Hut, Emmas neuer Freund ... Basis: Belebtheitshierarchie: Je höher in Hierarchie, je stärker markiert Person (1/2 > 3) > Belebt > Unbelebt Neutrum: Nominativ = Akkusativ ererbt (!!) Im Deutschen so noch bei Genusklassen: Der Mann sitzt im Stuhl vs. Hans sieht den Mann Das Bild hängt an der Wand vs. Hans sieht das Bild Problem 2: Nominativ nicht vom Verb regiert (keine semantische Funktion): - Subjektskasus (Satzfunktion!, vgl. Diathese), - Zitierform („Nennform“), - Vokativ

Anders: semantisch „transparente“ Kasussysteme: „Ergativsysteme“ (kein Subjekt“) 1. semantisch

intransitiv transitiv Markierter Kasus „Subjekt“ semantischer

Hauptaktant (Agens ....)

semantischer Nebenaktant (Patiens ...)

Akkusativ Nominativ Nominativ Akkusativ Ergativ Absolutiv Ergativ Absolutiv

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2. formal intransitiv transitiv Markierter

Kasus „Subjekt“ formaler Hauptaktant („Subjekt“)

formaler Nebenaktant (Obliquus)

Akkusativ Nominativ Nominativ Akkusativ Ergativ Absolutiv Absolutiv Ergativ Beispiel Dyirbal (Australien, Pama-Nyunga)

baji ja¨a ����":� KLASS Mann.ABS komm:PRÄT „Der Mann kam hierhin“

balan d’ugumbil ����":� KLASS Frau.ABS komm:PRÄT

„Die Frau kam hierhin“

balan d’ugumbil baNgul ja¨a§Ngu balga§n KLASS Frau.ABS KLASS Mann_ERG schlag:PRÄT

„Der Mann schlug die Frau“ („die Frau wurde von dem Mann geschlagen“) Diathese (Valenzabstufung): „Antipassiv“:

��#���������#��������������������� ���+� �����" ������ �"���":��KLASS Mann.ABS KLASS Frau-DAT schlag:-ANTIPASS-PRÄT „Der Mann schlug die Frau“ („der Mann prügelte auf die Frau ein“)

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13. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition III: Qualitative Prädikationen Ausgangsposition: 10. Vorlesung: Proposition in der Logik (universal ≠ sprachspezifischer Strukturen): Prädikation: Subjekt + Prädikat (lat. prädicare „aussagen, behaupten, verkündigen ...“ > predigen !)

Hans ist ein Idiot� [ [Hans]Subjekt + [ist ein Idiot]Prädikat]]Propostion Symbolische Notation: Idiot (Hans) Hans ε {IDIOTEN} Tradition der Analyse über eine Normalform: Hans schläft � Hans ist schlafend Schlafend (Hans) Hans ε {SCHLAFENDE} Qualitative Prädikation (exozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG SUBJEKT PRÄDIKAT Narrative Prädikation (endozentrisch) SATZ SATZBASIS SITUIERUNG ARGUMENTE PRÄDIKAT (nominale Ergänzungen) (Verb) Qualitative Prädikation in allen Sprachen möglich. Eine Besonderheit von Sprachen wie dem Deutschen, ist es, daß auch sie verbal artikuliert werden muß – mit einem semantisch leeren Verbstamm ("dummy") als Träger der Finitheitsmarkierung des Prädikats. Es handelt sich also bei der Kopula (< lat. copula "Strick", also das, was verbindet) um ein expletives Element wie auch das "Subjekts-Dummy" es bei aktantenlosen Szenarien: # Hans ist Schreiner # � # Hans ∅ ( ∅ → ist) Schreiner # # Es regnet # � # Es ∅ ( ∅ → es) regnet # In vielen Sprachen ist eine verbale Form des Prädikats nicht erforderlich; dort kann die qualitative Prädikation auch nicht-verbal (ohne verbale Kopula) artikuliert werden wie im Acehnisch, Arabisch ....

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Arabisch (Schriftsprache) (AR) ��(����+"�"� ��;;���"�"� Mohammed-NS-INDEF Schreiner-NS-INDEF „Mohammed ist Schreiner“ Juxtaposition: Vorangestellt ist das Subjekt (arab. mubtada� „das Vorangestellte“), nachgestellt das Prädikat (ar. xabar „das Ausgesagte“). Mar. Arab. (MA) �(����+ ��<�9 Mohammed krank „Mohammed ist krank“ Andere Sprachen haben in solchen Fällen eine nicht-verbalen Kopula, z.B. Mar. Berber: (MB) ��(�� d �����/ Moha KOP Berber „Moha ist Berber“ Anders bei identifizierender Prädikation, Mar. Arab. (MA) ana huwa l-ustad 1S 3SM DEF-Lehrer „ich bin der Lehrer“ vgl. mit nicht-referenzieller Prädikation: (MA) huwa ustad 3SM Lehrer „er ist Lehrer“ Satz (Äußerung) Proposition

Qualitative Prädikation

(Satz-) Modalität Default

Derartige "Nominalsätze", wie sie manchmal genannt werden, sind aber nur bei einer (satzmodalen) Defaultinterpretation möglich. Qualitative Prädikation mit anderer als Defaultinterpretation � Verbalsatz (MA) kan �(����+ ��<�9 sei:PF.3.S.M Mohammed krank „Mohammed war krank“ (MA) i-kun �(����+ ��<�9 3.S.M-sei:IPF Mohammed krank „Mohammed ist möglicherweise krank“ In solchen Fällen handelt es sich um reguläre "Verbalsätze". im Arabischen (Schriftsprache) impliziert das die verbale (satzinitiale) Wotstellung und auch auch die Kasusmarkierung des Prädikativen Elements als Quasi-Objekt (Akkusativ auf –a):

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(S.AR) '���"�� ��(����+"�"� ��;;���"�"� sei.PF-3.S.M Mohammed-NS-INDEF Schreiner-AKK.S-INDEF „Mohammed war Schreiner“ Probleme entfallen in Sprachen wie dem Deutschen, die die qualitative Prädikation auch im Defaultfall verbal artikulieren � Kopula, s. Übersetzungen [ [Mohammed]Subjekt + [[ist]Kopula [Schreiner]Prädikativ]Prädikat]Propostion Kopula hat keine Valenz (� narratives Szenario) Prädikativ hat (wie Subjekt) keinen verbregierten Kasus (Nominativ als Default) �12. Vlsg: Kasusfragen. Problem 2: Nominativ nicht vom Verb regiert (keine semantische Funktion): - Subjektskasus (Satzfunktion!, vgl. Diathese), - Zitierform („Nennform“), - Vokativ � Kasus des Prädikativums bei der qualitativen Prädikation Allerdings auch im Deutschen Nominalsatzstrukturen als „Randgrammatik“ (N.Fries) Du Idiot Defaultsituierung: Ich Idiot Referenziell: Sprecher / Hörer ?? Er Idiot ??Hans Idiot � daher auch nicht einfach Ellipse der Kopula (Fries) mit nicht-verbaler „Kopula“ (s.o. Berber): Ich und Bier trinken? Du und Bier trinken? Er und Bier trinken? Hans und Bier trinken? In diesen Fällen hat die verbale Form im Prädikat eine nominale Markierung ("Infinitiv") Vergl. Projekt Irina Nikolaeva (Konstanz): - Auch mit komplexem Subjekt / Thema („Topic“): Paris sehen und dann sterben! Engl. To see Paris and to die! Frz. Voir Paris et mourir! Russ. Uvidet’ Pari� i umeret’ !

Markierte Form des Subjekts / Themas („Topic“)

Ich und dich heiraten? Engl. Me, marry you? Frz. Moi, faire le premier pas! Jamais ! Russ. Mne �enit’ja ? Nikogda! 1.S.DAT verheiratet.werden niemals

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14. Vlsg.: Wort Semantische Struktur SM ( Prädikat (Arg. 1 ...... Arg. N) � Syntaktische Struktur Worte Konstruktion (Satz u. Konstituenten) Minimal: deskriptives Prädikat (Szenario) a) synthetisch, z.B. Lakhota (Satz = Wort) # A1+(A2+…)V (+X) # A1= Objekt (Patiens), A2 = Subjekt (Agens) ma – yá – kte « du hast mich getötet » 1S.O. – 2S.S – töt:PRÄT Aber auch : ∅ - ∅– kte „er hat ihn (es) getötet“ 3S.O. – 3S.S – töt:PRÄT b) analytisch, z.B. Chinesisch (Satz = mind. zwei Wörter) # Thema (Subjekt) Rhema (Prädikat) # T� lái le „er ist gekommen“ 3S komm: PF T� d� w� „er schlägt mich“ 3S schlag: 1S J�nti�n h�n rè „heute ist es sehr heiß“ Heute sehr heiß

Ausbaustufe I: deskriptive Argumente a) appositiv zu synthetischer Satzbasis; S/A < O/P wi�háša ki mathó w� kte „der Mann hat einen Bär getötet“ Mann DEF Bär INDEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT mathó w� wi�háša ki kte „ein Bär hat den Mann getötet“ Bär INDEF Mann DEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT b) analytisch b1) Chinesisch Gb g�i X�nyì yì b�n sh� „Gubo gibt Xinyi ein Buch“ Gubo geb: Xinyi ein KL Buch B2) Deutsch (Mischtyp!, Verb-zweit) Hans schenk- t Emma Blumen Kongruenz

Blumen schenk- t Hans Emma Kongruenz

Ausbaustufe II: morphosyntaktischer Ausbau der Konstituenten Analytische Zerlegung: Funktionselement + lexikalisches Element

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∅ - Männer schlafen Der Mann schläft Ein alter Mann wird schlafen hat geschlafen Verbal: Periphrasen: Hilfsverben, „leichte Verben“ („Funktionsverben“) rhein. *&� de:t $�6��� „er tut schlafen“ zur Aufführung kommen / bringen ... pers. xâheš kardan „fordern“ (= „Forderung machen“) ��âm kardan „verkünden“ (= „Verkündigung machen“) Nominal: komplexe Nominalgruppe: Artikel, Attribute ... Analytisch im Deutschen: der Mann ... Morphologisch (affigiert): Arab. ���"'�����"��„das Buch“ mar.Arab. l-ktab „das Buch“, $"$��$�[$���$] „die Sonne“ dän. mand-en [ma����] „der Mann! Ausbaustufe III: deskriptiver (lexikalischer) Ausbau der Konstituenten verbal (Trennbarkeit: Tmesis): vorangehen – er geht voran trennschleifen ... autofahren – *er fährt auto (RS: er fährt Auto) � Inkorporation, n. Vorlesung nominal: Attribute, Komposita der gute alte Mann ... Arab. ���"'�����"���"+��+��+"��„das neue Buch“ Haushaltsbuch, Donaudampfschifffahrtskapitänsmuützenbord... Ausbaustufe IV: propositionaler Ausbau der Konstituenten Hans sah das Unglück Hans sah [daß das Auto gegen den Baum [fuhr]Prädikat] � n. Block: komplexe Sätze Sprachentwicklung: 1) Sprachkontaktszenario: bei extremen Differenzen � Abbau der Grammatik: Isolierende Artikulation (Pidgin) spätere Entwicklung: Agglutinative Strukturen .... (Creolsprachen) 2) Sprachentwicklung: Dynamik der zweiten Artikulation (Lautentwicklung) überformt erste:

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Abbau der grammatischen Formen im Englischen � isolierender Bau I me You you he saw him they the man the man the men the men

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15. Vlsg.: Referenzielle Fragen II (die Nominalgruppe) I. Definition: Referenz � Kapitel 8 Satzmodale Bestimmung: Situierung des propositional Artikulierten: Interpretation (� Identifizierung) der Argumente / Proposition, Aktanten / Satzbasis Personales Orientierungssystem der Äußerung:

1. Person (S) 2. Person (H) 3. Person (NICHT S/H)

Gerichtetes Orientierungssystem (EGO-zentriert) Semantische Dimensionen: BELEBTHEIT ORIGO-NÄHE BESTIMMTHEIT (DEIXIS)

ICH

PROXIMAL

MAXIMUM

DU

Person

DISTAL

Belebt

Unbelebt

MINIMUM

In diesem Sinne sind die 1. und 2. Person immer definit – nur bei der 3. Person ist die Differenzierung von ± finit möglich. Das ist besonders auch im Pronominalsystem deutlich, vgl. bei der 3.Ps. er (sie) vs. man Dem entsprechen die Möglichkeiten im Prädikat zu einer unspezifischen Personmarkierung, die typologisch allerdings sehr verschieden artikuliert sind: vgl. im Dt. es wird getanzt (kein Passiv im semantischen Sinne der Schulgrammatik!) Spachen wie das Finnische haben dazu eine eigene Verbform (in den Gramamtiken manchmal "4. Person" geannt, andere sprechen von "Passiv" – hier ist kein Ausdruck von Agens möglich) vgl. FIN sano-n sing.PRÄS-1S "ich singe" sano-i-n sing-PRÄT-1S "ich sang" sano-ta-an sing.PRÄS-PASS-INDEF "es wird gesungen" sano-tti-in sing-PASS.PRÄT-INDEF "es wurde gesungen"

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Informationsstruktur � Kap. 9

# t # Altes: Thema

(Satzgegenstand) Strukturierendes Funktionselemente

Neues: Rhema (Satzaussage) Informationshaltiges Lexikalisch Volles / Propositional Ausgebautes

Orat: reihend: Folgeelement kommentiert vorausgehendes # A B C ...... # #der Hans # # gestern hab ich ihn gesehen # .... Grade der Integration: 1) Vorfeldbelegung und „Topik“-markierung: Topik = Thema / Bekannt #der Hans-den hab ich gestern gesehen # 2) Kasusintegration, Partikeltilgung (literat orientierte Edition) #den Hans-den hab ich gestern gesehen # #den Hans, den hab ich gestern gesehen # #den Hans hab(e) ich gestern gesehen # Topikmarkierung: [+ definit] Wortstellung im Deutschen, z.B. Integrationsmuster des Aussagesatzes: # finites Verb X Y (infiniter Prädikatsteil) # VORFELD Vorfeldbelegungen: 1) [+ definit] # Peter war gestern zuhause # # er war gestern zuhause # # der Mann war gestern zuhause # 2) [- definit] # ein Mann, der ein Vermögen geerbt hatte, wollte sich damit zur Ruhe setzen # Außerdem: Ohne Vorfeldbelegung ("thetisch"), ohne Thema thetische Äußerung: # kommt Peter gestern nachhause, ist da .... # Situierender Rahmen: # gestern war er zuhause # Semantik der Definitheit: Identifizierung der Argumente A Hans hat heute morgen irgendeinen Papagei im Park gesehen

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B Ich habe heute morgen einen Papagei im Park gesehen C Ich habe heute morgen den Papagei im Park gesehen A � nicht identifiziert, weder für S noch für H : [ - SPEZIFISCH] [ - DEFINIERT] B � identifiziert für S, aber nicht für H : [ + SPEZIFISCH][ + DEFINIERT] C � identifiziert für S und für H : [ + SPEZIFISCH][ + DEFINIERT] z.B. A: keine Ahnung, ob es überhaupt ein Papagei war B: Sprecher hat den Papagei identifiziert C: unser Papagei, der gestern weggeflogen ist ... Identifizierung im (sprachlichen) Kontext: anaphorisch # es war einmal ein Mann. Der (dieser Mann) hatte ein Vermögen geerbt. Damit wollte er sich zur Ruhe setzen # Inszenierung der Identifizierung, NICHT: Abbildung von Außersprachlichem (definit ≠ bekannt) Hol mir mal den Hammer ! A: der Hammer liegt da (H sieht ihn, kennt ihn ....) B: H muß in Nebenraum gehen, war noch nie da, kennt den Hammer nicht: Wenn du nach dem Hammer suchst, findest du ihn (NICHT: einen Hammer ...) Mittel literarischer Inszenierung, Beispiel Camus, Die Pest (dt. 1966) [Anfang Kap. 1] Die seltsamen Ereignisse, denen diese Chronik gewidmet ist, haben sich 194.. in Oran abgespielt. ... Zugegeben, die Stadt selber ist häßlich. Sie sieht so gesetzt aus, daß ..... Unsere Mitbürger arbeiten viel, aber nur, um reich zu werden. Sie befassen sich hauptsächlich mit Handel und mit dem, was .... Die Wünsche und Begehren der Jüngeren sind heftig und kurz, während die Laster der Älteren sich auf die Zusammenkünfte der fanatischen Kugelspieler beschränken .... [Anfang Kap. 2] Am Morgen des 16. April trat der Arzt Bernard Rieux aus seiner Wohnung und stolperte mitten auf dem Flur über eine tote Ratte. Im Augenblick schob er das Tier beseite, ohne es zu beachten, und stieg die Treppe hinunter. Aber auf der Straße fiel ihm ein, die Ratte sei dort oben nicht recht am Platz ... Semantische Bindungen der Interpretation, nicht formal (� Weltwissen): A. Am Bahnhof habe ich ein Taxi genommen. Der Fahrer war Türke ... B. Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war ein Mann. C. Ich bin gerade in New York angekommen. Der Flieger hatte drei Stunden Verspätung ... Identifizierende Prädikationen vgl. mit C: Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war der Mann. � der Mann, den du identifizieren kannst Fehlen eines Identifizierungsproblems: - singuläre Referenz:

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der Mond war heute nacht sehr hell *der Hans war heute nacht nicht zuhause (NORM: Hans war nicht zuhause) - generische Referenz: der Löwe ist ein Säugetier (Löwen sind Säugetiere) Sonderproblem Eigennamen: Tendenziell i.S. einer damit vorgenommenen Identifizierung genutzt (Rückgriff auf den Taufakt, der den Namen zu einem Charakteristikum der Person macht). Aber dabei Namen seriell (wieviel Hans gibt es in diesem Raum, in Osnabrück, in Niedersachsen ...?); vgl. auch standesamtliches Problem, daß nur ein anerkannter Name (Serie!) registriert wird. In diesem Sinne im Deutschen (Hochsprache) Eigennamen intrinsisch definit, als Gegenstück zu den korreferenziell definiten Pronomina. Typologisch so auch in vielen Sprachen morphologische Gemeinsamkeiten von Pronomina und Eigennamen (in australischen Sprachen oft Akkusativparadigma, wo bei Nomina sonst ein Ergativparadigma – sog. "split ergativity"). Im Deutschen aber temdenziell Gruppierung mit Substantiven. Deutlich so beim attributiven Ausbau einer NG: der schöne Hans (*schöner Hans) vgl. aber schöner er (wie in Anzeigen: Guterhaltener Er sucht ebensolche Sie) Dem entspricht die Generalisierung der Artikelmarkierung in der Umgangssprache: der Hans kommt heute ... II. Grammatikalisierung: Typologische Fragen Nominalgruppe (NG) [±mehrwortig] (expandiert) im Deutschen: einfach ("pronominal"): er / sie / es komplex (NG ) DET + N � N [+deskriptiv] attributiv ausgebaut Attr + N d-er alte Mann Grammatikalisierung (Funktionselement): Verallgemeinerung einer Markierung: Semantische Abstraktion � formales Merkmal Phonologische Schwächung dt. [+def] : best. Artikel [+�]/[+�] der ≠ Demonstrativ [�+��] der dt. [-def] : unbest. Artikel [���]/[��] ein ≠ Zahlwort [�����] ein , Grenzfall "Null-Artikel" Hans fährt mit dem Auto seines Vaters Hans fährt mit einem alten Auto Hans fährt *auto Differenz: Der Apfel hängt am Baum Der Apfel hängt an dem Baum (an welchem?) Grenzfall: formale Markierungen: er kann ihm nicht *das geringste vorwerfen wie wir *im folgenden sehen werden

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Markierung der NG durch Artikelwörter: Hans fährt mit keinem alten Auto Hans fährt mit meinem (*dem meinen) alten Auto Typologie: Alle Sprachen haben Mittel referenzielle Beziehungen deutlich machen, aber nur einige Sprachen haben ein grammatikalisiertes System: Kap. 9, Russisch: Dt. # die Vase ist auf dem Tisch # Russ. # �vasa na stol’e # Engl. # the vase is on the table # ABER Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase # Russ. # na stol’e vasa # Engl. # there is a vase on the table # Grammatikalisierung nach der Ego-Skala: Pronomen > Nomina ... Markierungsysteme:

- nur definite Form markiert, - nur indefinite Form markiert - definite und indefinite Form markiert

nur definit, z.B. Altgriechisch ho �anthropos "der Mensch" / �anthropos "ein Mensch" nur indefinit, z.B. Berber ilis "das Fell" / ��"�"�����"ein Fell"

Markierung oft gebunden an grammatische Funktionen, z.B. Türkisch, Persisch .... : Indefinit markiert (türk- bir), definit nur am Objekt markiert: Kasussystem:Bespiel el- "Hand" (Endungen mit Vokalharmonie zum Stamm) Absolutiv -∅: el Akkusativ –I: el-i Genetiv –In: el-in Dativ –E: el-e Lokativ –dE: el-de Ablativ – dEn: el-den Akkusativ nur bei definitem Objekt markiert: bilet sat-ıyor-lar FahrkarteABS verkauf:-PRÄS-3.PL "sie verkaufen Fahrkarten" bir mavi kuma� ist-iyor INDEF blau Stoff.ABS woll:-PRÄS.3.S "sie will einen blauen Stoff" mavi kuma�-ı seç-ti blau Stoff-AKK.DEF wähl:-PRÄT.3.S "sie wählte den blauen Stoff" D.h. im Türkischen gibt es einen direkten Zusammenhang von thematischer Organisation des Satzes und Definitheitsmarkierung: Auszugehen ist von der Defaultartikulation des Themas als Subjekt – dieses ist daher im Defaultfall [+ definit]. Hier braucht nur der markierte Fall eine morpho-syntaktische Markierung: INDEF bir, so.

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Spiegelverkehrt ist es beim (direkten) Objekt, das im Defaultfall [- definit] ist. Hier braucht nur der markierte Fall eine morpho-syntaktische Markierung: die definite Variante des Akkusativs wie bei kuma�-ı Stoff-AKK.DEF. Ausdifferenzierung der Bestimmtheitsmarkierung: Wort vs. Affix dän. mand-en "der Mann" / en mand "ein Mann" S.Arabisch definit: °l-° vs. indefinit °-n° ���"'�����"���"'�����"��"das große Buch (NOM)" ������'�����"�"��'�����"�"��"ein großes Buch (NOM)" Fusionierung von grammatischen Markierungen: Deutsch Artikelwörter:

- Possessive (s.o.): ital. la mia macchina - (*der) mein Wagen - Demonstrative: mar. arab. had-l-'��� - dieses (*das) Buch

Starke / schwache Flexion der Adjektive im Deutschen: d-er gute Wein ∅ gut-er Wein (will lagern) ein gut-er Wein ≠ flexionslose Form: prädikativ, adverbial: der Wein schmeckt gut-∅ Vgl. Russ. "Langform" der Adjektive: attributiv / prädikativ, "Kurzform"prädikativ: novo-je iskusstvo "(die) neue Kunst"- iskusstvo novo "die Kunst ist neu" r'eka burna-ja "der Fluß ist wild" – sevodnja r'eka burna "heute ist der Fluß wild" - Zur Grammatikalisierung: Die chronologische Sequenz bei der Herausbildung von Artikelsystemen:

I. Die semantische Funktion Definitheit wird grammatikalisiert – also mit bestimmten schon vorhandenen Ausdruckmitteln artikuliert; in den germanischen Sprachen z.B. mit den demonstrativen Formen (*d- / *s-),

II. Eine bestimmte Formen (ein Formenparadigma) wird spezialisiert für die Artikulation der semantischen Funktion Definitheit.

Die Stufe I läßt sich schon im Gotischen fassen – II gilt dort nicht: Das macht die Analyse der Formen im Text oft schwierig (s. Teil II dieser Einführung). In der konservativen Orthographie des Deutschen ist das noch genauso: der kann Artikel, Demonstrativ, Relativpronomen ... sein. Im gesprochenen Deutsch ist das anders, so. Die Stufe II ist dagegen im Engklischen schion in mittelenglischer Zeit erreicht, vgl. heute: Artikel: the (invariable Partikel) Demonstrativ: this ... (< alte zusammengesetzte Formen th[ ]+s[ ]) Relativ: wh- (that)

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16: Vlsg.: Wort II Morphologisch: WORT � STAMM + AFFIXE Lexikon Grammatik � 14. Vlsg. minimaler Satz = Wort in kopfmarkierten Sprachen Minimal: deskriptives Prädikat (Szenario) synthetisch, z.B. Lakhota (Satz = Wort) # A1+(A2+…)V (+X) # A1= Objekt (Patiens), A2 = Subjekt (Agens) ma – yá – kte « du hast mich getötet » 1S.O. – 2S.S – töt:PRÄT Aber auch : ∅ - ∅– kte „er hat ihn (es) getötet“ 3S.O. – 3S.S – töt:PRÄT mehrwortiger Satz: Ausbaustufe mit deskriptiven Argumenten appositiv zu synthetischer Satzbasis; S/A < O/P wi�háša ki mathó w� kte „der Mann hat einen Bär getötet“ Mann DEF Bär INDEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT mathó w� wi�háša ki kte „ein Bär hat den Mann getötet“ Bär INDEF Mann DEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT Weiterer Ausbau syntaktisch: Komplexe Konstituenten die Tür die große Tür die große Tür des Hauses .... Komplexere Stämme: Inkorporation (weiter: Wortbildung, Block V) Haustür Sprachbau: Isolierend ↔↔↔↔ synthetisch ↔↔↔↔ polysynthetisch Deutsch: Inkorporation uneingeschränkt bei Nomina, beim Verb: vorlaufen - er läuft vor trennschleifen – er trennschleift (*er schleift trenn) eislaufen – ?er läuft eis autofahren – er fährt auto (O: Auto fahren – er fährt Auto) staubsaugen - ? er saugt staub (O: er saugt Staub) kegelschieben - ? er schiebt kegel (O: er schiebt Kegel) fotokopieren – *er kopiert foto (er fotokopiert) Rückbildungen: das Laufen > das Eislaufen, das Saugen > das Staubsaugen Verbalnomen > Infinitiv: er will eislaufen, er will staubsaugen ... Inkorporation eines Stammes: lexikalische Bedeutung, nicht referenziell: er will autofahren ?er will mit dem Roller autofahren ...

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er will das schnelle Auto fahren � das Auto, das seinem Vater gehört .... Inkorporation in polysynthetischen Sprachen: Tiwa (Indianersprache, USA) ti-khwian-mu-ban 1.S-Hund-seh:-PRÄT "ich sah einen (den) Hund" men-mukhin-tuwi-ban 2.D-Hut-kauf:-PRÄT "ihr beide kauftet einen (den) Hut" in-khwian-wia-che-ban seuanide-ba ARG-Hund-geb:-PASS-PRÄT Mann-INSTR "der Hund wurde mir von dem Mann gegeben" Besonders komplex: Eskimo (Fortescue 1984) � - Numerus /Kasus/ Person = Possessiv � NOMEN � - Numerus /Modus/ Person = Aktant � VERB � kann quasi beliebig komplex sein: �Lex1+ Lex2+ ... + grammat. Marker1+ grammat. Marker2+ ...+ grammat. Markern

� grammat. Markern entscheidet über mögliche Affixe ilinnia-qqik-kiartur-tin-nigar-tu-ssaq lernen-befördern-gehen.und-verursachen-PASS-INTR-PZP.FUTUR � Keine Modusmarkierung, ∅ als Kasusendung = Absolutiv � Nomen "einer der geschickt werden soll, um ihm beim Lernen zu helfen" aliikkus-irsu-i-llammas-sua-a-nira-ssa-gukku Unterhaltung-besorg:-mit-INTRANS-einer-gut.dazu-groß.sein-sagen-FUTUR-1S-3S-KOND � Modusmarkierung, Personal- = Aktantenmarkierung � Verb: "wenn ich sagen sollte, daß er ein guter Unterhalter ist" Invers: Analytischer Bau (mehrwortige Konstituenten) - Pazifischer / Ozeanischer Raum z.B. Jaminjung (Nordaustralien( Schultze-Berndt 2000) Prädikat � semantisches "Koverb" + grammatisches (finites) Verb ("leichtes Verb") bulug-mayan=biya yurru-yu ti��trink:-KONT=jetzt 1.P.inkl-sei:PRÄS Tee "laßt uns jetzt Tee trinken" vgl. rhein. +6��������+7��'��("tun wir Tee trinken") Dynamik im Deutschen �analytischer Bau: PRÄDIKAT: Funktionselement + Inhaltselement leichtes Verb + Infinitiv (Status I: ohne zu) Komplexer Satz: Hans versprach einzukaufen Komplexes Prädikat: Hans wird einkaufen Hans muß einkaufen

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Hans läßt einkaufen Hans geht einkaufen ..... In anderen Sprachen einwortig, vgl. Wortbildung im Marokk. Arabischen °(�4° "verrückt" verbal: (��4�"er ist verrrückt" (stativ) (��4�"er ist verrrückt geworden" (inchoativ) ������������(����4�"er hat NN verrrückt gemacht" (kausativ) Analytische Bildung Funktionsverbgefüge im Deutschen: leichtes Verb + Präp.Gruppe + XY A Unsere Gruppe kommt jetzt in Schwung FVG B Unsere Gruppe beruft sich auf ihr Recht C Unsere Gruppe trifft sich vor dem Rathaus C: ...auf dem Dachboden, hinter der Scheune .. Adverbial. B: ... denkt an (*auf) ihr Recht, spricht von (*auf) ihr Recht Präp.Objekt Leichte Verben: Erweiterung des Paradigmas um Aspektunterschiede + Valenzaufstufung DURATIV: stehen ICHOATIV: geraten / kommen / nehmen KAUSATIV: bringen / setzten / stellen / halten nur formal multiverbiert: nicht attribuierbar Unsere Gruppe kommt jetzt in ?großen Schwung Unsere Gruppe stellt die Absprche in ?große Frage Inhaltselement nicht referenziell: Unsere Gruppe kommt jetzt in *den Schwung Unsere Gruppe kommt jetzt in *ihn (*der Schwung / der Wald ...) Unsere Gruppe kommt jetzt da hinein (der Schwung / der Wald) *Wohin kommt unsere Gruppe jetzt?(*der Schwung / der Wald) Daher kein Artikel als referenzielle Markierung: ggf. Artikel formal in "Kontraktion": zum (*zu dem) Abschluß / zum (*zu dem) Erliegen / zur (*zu der) Anwendung ... kommen ABER zu (*zum/ *zu dem) Bewußtsein / zu (*zum/ *zu dem) Fall / zu (*zum/ *zu dem) Gehör ... kommen ins (*in / ?in das) Belieben / ins (*in / *?in das) Benehmen ... stellen � ins weniger normkonform als zum ! ABER in (*in die) Aussicht / in (*in den+) Abgang ... stellen

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Die Dynamik der Inkroporation wird bei Sprachen wie Persisch besonders deutlich, bei denen sich die syntaktische Inkorporation noch nicht morphologisch (auf der Wortebene) auswirkt – jedenfalls nicht in der Orthographie: Neue Verben werden hier mit nominalen Elementen und "leichten Verben" wie kardan "machen" gebildet, also nach dem Muster einer akkusativischen Ergänzung, z.B. mit ehzaar "Aufforderung" ehzaar kardan "auffordern". Aber bei solchen "zusammengesetzten Verben", wie sie in der persischen Grammatik heißen, belegt das nominale Element im Prädikat keine Valenzposition im Szenario, vielmehr ist der Ausdruck als ganzes ein transitives Verb, z.B. man-o (< man-raa) ehzaar kard 1.S-AKK Aufforderung mach.PRÄT.3S "er forderte mich auf" Vor diesem Hintergrund sind die sog. Funktionsverbgefüge im Deutschen zu analysieren: Bei der Inkorporation sind die nominalen Elemente im Deutschen unspezifisch, also nicht referenziell zu markieren (anders oben Tiwa): Auto fahren vs. ein schnelles Auto fahren Prinzipiell die gleichen Verhältnisse finden sich beim Ausbau einer NG: Bei der Inkroporation in ein Nominalkompositum ist keine referenzielle Markierung möglich, wie sie die komplexe NG erlaubt: das Haus des Vaters vs. das Vaterhaus

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17. Vlsg.: Valenzänderungen Sachverhalt Vater Mutter Kind Blumen Sachverhaltsdarstellung (Proposition / Satzbasis) GRAMMATIK1 Prädikat (Erg1 + Erg2 + Erg3) (Valenz) LEXIKON Verb: geben GRAMMATIK1 Rollen HA: [Geb]er (Szenario: Rollen) NA1 : Ge[geben]es NA2 : Be[geben]er (Empfänger) Diathese I (Problem Subjekt: rolleninvariant) Der Vater gibt der Mutter die Blumen (Subjekt: [Geb]er) Die Blumen werden der Mutter vom Vater gegeben (Subjekt: Ge[geben]es) Die Mutter bekommt die Blumen Kind vom Vater gegeben (Subjekt: Be[geben]er) "Agentivitätsgefälle" als Defaultfall: HA: max, Belebtheitsgefälle: HA, NA2: max, NA1: min Valenzreduktion: 3 > 2 Der Vater schenkt der Mutter Blumen (Subjekt: [Schenk]er) Der Vater schenkt Blumen (Subjekt: [Schenk]er) Der Vater beschenkt die Mutter (Subjekt: [Schenk]er) NA2 belebter als NA1; aber NA1 nicht festgelegt auf Inhalt der (Trans-) Aktion ("Patiens") Valenzreduktion: 2 > 1 Der Vater kocht die Suppe (Subjekt: [Koch]er) Der Vater kocht (Subjekt: [Koch]er) Die Suppe kocht (Subjekt: Ge[koch]tes) kochen ist ein "ergatives" Verb,

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Baskisch aita-k {ERG} salda {-∅ ABS} bero-tzen du "Der Vater kocht die Suppe" aita-k {ERG} bero-tzen du "Der Vater kocht" salda {-∅ ABS} bero-tzen da "Die Suppe kocht" Hans gedenkt seiner (NA1 im Genetiv) es wird seiner gedacht / seiner wird gedacht (kein HA !) 1 > 0 Die Mutter tanzt (Subjekt: [Tänz]er) Es wird getanzt NB zur Valenzreduktion: Das Makroszenario bleibt dabei erhalten: Der Vater kocht � Der Vater kocht etwas (Suppe, Mus … ) Eine solche ellliptische Bezihung besteht nicht beim "Einsparen" von Spezifizierung in der Peripherie: Der Vater denkt NICHT � Der Vater denkt irgendwo (in seinem Büro, im Park … ) Daß es auch hier einen Ort gibt, an dem der Akteur sich aufhält, ist eine Sache des Weltwissens, die nicht in der grammatischen Form symbolisch fest ist. PROBLEMFELD 1: DIATHESE II ("Medium" / Reflexiv) Pseudotransitiv: Valenz 2: Der Chef verbittet sich solche Bemerkungen Der Junge erhofft sich gute Noten Valenz 1: Das Kind schämt sich Die Mutter ziert sich Der Unfall hat sich ereignet Das Buch liest sich gut (Quasi-Passiv, "ergatives" Verb, s.o.) Valenz 0 (Passiv) Es wird sich nicht geschämt Es wird sich nicht geziert Es wird sich nicht beeilt � Unterscheiden von KOREFERENZ (Reflexivität) Die Mutteri wäscht den Jungen / sich (*die Mutteri) Der Vateri schmückt den Weihnachtsbaum / sich (*den Vateri) Sachverhalt: 2 / 1 Akteur Sachverhaltsdarstellung: 2 Akteure ("Partizipanten") NB: Reflexivpronomen im Dt. nur sich (Akk = Dat) ich wasche mich (�reflexiver Gebrauch des Personalpronomens) Standardbedingung: Referenzidentität von Subjekt und weiterem Satzglied

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Valenzänderungen und Szenariodifferenzen: [± agentive] Szenarien Hans öffnet die Tür [+ agentiv] the door opens [+ agentiv] die Tür öffnet sich vgl. aber auch [+ agentiv]: Hans öffnet sich dem Therapeuten (sich = sein Herz ...) Typologisch: Sprachen unterschiedlich variabel: Englisch sehr variabel: The garage parks fifty cars "In der Garage können fünfzig Autos parken" => geparkt werden (parken ist "ergatives" Verb: Hans hat sein Auto geparkt (Subjekt: [Park]er) Das Auto ist auf dem Gehweg geparkt (Subjekt: Ge[park]tes) russ. Reflexiv: invariabel –sja Viktor v'ertit kol'eso "Viktor dreht das Rad" Viktor v'ertitsja "Viktor dreht sich" kol'eso v'ertitsja "Das Rad dreht sich" Passiv / "Reflexiv"-abstufung: ork'estr ispolijajet sonatu "das Orchester spielt eine / die Sonate" sonata ispolijajetsja "die Sonate wird gespielt" sonata ispolijajetsja ork'estrom "die Sonate wird von einem Orchester gespielt" Mar. Arabisch: /����"er hat (etwas) gewaschen" vs. ���"/����"er hat sich gewaschen" & "er ist gewaschen worden" ��)�"er hat verkauft" vs. ���"��)�"er ist verkauft worden" & "es hat sich verkauft (verkaufen lassen)" Finnisch: keine Diathese wie Dt. u.a. Pekka maala-a talo Pekka mal:-PR.3.S Haus.A "P. bemalte das Haus" talo on Peka-n maala-ama Haus.N sei:3.S Pekka-G mal:VN "das Haus ist von P. bemalt worden" wörtl. "Das Haus ist <im Zustand von> Peters Malen" "unpersönliches Passiv" (Einsparung des HA) talo maala-ta-an "man bemalt das Haus / das Haus wird bemalt (*von X)"

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PROBLEMFELD 2: WEITERE (NICHT VALENZGEBUNDENE) ERGÄNZUNGEN VERB ADVERBIALE �Szenario (Rollen) valenzgebundene Ergänzungen freie Ergänzungen Hans singt Schlager in seiner freien Zeit (a) den ganzen Tag (b) (a) Präposition als höheres Prädikat: in ([Hansi singt Schlager] , [seinei freie Zeit]) (b) adverbialer Akkusativ (NB: Synkretismus mit NA1) Sonderprobleme bei Dativ (Synkretismen mit NA2): Valenz: 3 Der Vater gibt der Mutter (NA2) die Blumen Valenz: 2 Der Vater trägt den Koffer Der Vater trägt der Mutter (NA ??) den Koffer "dativus commodi" Diathese-Test: Der Mutter wird vom Vater der Koffer getragen Die Mutter bekommt vom Vater den Koffer getragen � Mutter: NA2 ANDERS Hans verbrennt das Manuskript Das Manuskript verbrennt ihm *er bekommt das Manuskript verbrannt NUR: er bekommt das Manuskript von seinem Vater verbrannt das Manuskript wird verbrannt das Manuskript wird ihm (von seinem Vater) verbrannt POSSESSIV Hans hat ein Bein gebrochen Hans hat das Bein gebrochen Hans hat sein Bein gebrochen Hans hat sich ein Bein gebrochen / Hans hat ihm ein Bein gebrochen "Dativus iudicantis" Du schreibst mir zu selten Deinen Eltern Allokutiv: Da kommt dir der Hans neulich in die Kneipe ....

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18. Vlsg.: Ausbauformen der Satzbasis: Modifikatoren 1. Modifikation von Konstituenten S

SB’

SM

SB

E1

E2

Präd

Peripherie

N

N

V

Adverb

N

Attribut

1.1. Ad-nominale Modifikation : Attribut Spezifizierung (Einschränkung) der Bedeutung eines Partizipanten (narrative Prädikation) oder relationalen Terms (qualitative Prädikation) Ich habe ein Auto gesehen Ich habe ein rotes Auto gesehen Hans ist Lehrer Hans ist ein schlechter Lehrer Im Deutschen eigene Wortart Adjektive, attributiv und prädikativ zu gebrauchen, aber prädikativ heute unflektiert [reiner Stamm] (anders regional: Süden: Österreich ...) Hans fährt mit einem schnellen Auto Das Auto ist schnell (* das Auto ist ein schnelles) Viele Sprachen ohne Wortart Adjektiv, z.B. Berber - prädikativ mit Substantiv (> Nominalsatz) oder mit finitem Verb (> Verbalsatz): �"���( � #��� 3.S.F-froh.sei:PF Mutter "Die Mutter ist fröhlich"

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#��� +� �"���9��"��Mutter KOPULA F-krank-F* “ Die Mutter ist krank (= eine Kranke) ” -attributiv als Partizip (invariabel) zum Verb (oder auch als appositives Nomen) #���� �"���("�� � ="�"/����� Mutter PZP-froh.sei:-PZP* 3.S.F-IPF-sing: Die fröhliche Mutter singt” 1.2. Ad-verbale Modifikation: Adverb Spezifizierung des Ereignisses / Vorgangs (artikuliert durch die Proposition) Hans läuft Hans läuft schnell > [lexikalische Inkorporation] Hans rennt Daher Prädikation über der "Verbalgruppe" Hans aß schnell einen Hamburger > Hans aß einen Hamburger & das geschah schnell e = Ereignis, ts = Sprechzeit, te = Ereigniszeit ∃ e (te < ts) [Hans aß einen Hamburger] e & [schnell] e Keine eigene morphologische Form des Adverbs im Deutschen (= reiner Stamm wie in prädikativer Funktion) Sonderfall: lexikalisch spezialisierte Adverbien: heute, bald, gern .... evtl. in attributiver Funktion mit Ableitungssuffix: ein baldiger Termin der heutige Tag ... *das gernige Geschenk --- Adverbien ebenfalls typologisch markiert, z.B. Mar. Arabisch PräpGruppe Mar. Arab.�"�"����� "schnell" mit-DEF-Schnelligkeit Intensivierung durch "inneres Objekt", so Standard Arabisch 9����"�"*���������������������9���"���"er schlug ihn heftig" schlag:PF-3.S.M-3.S.M Schlag-AKK-INDEF 2. Komplexer liegen die Problem bei mehreren Prädikationen, die nicht als Modifikationen von Konstituenten in der Proposition geordnet sind: Koprädikationen Ein besonderer Fall davon: Depiktive: qualitative Nebenprädikation Emma kam müde zuhause an ≠ die müde Emma kam zuhause an (attributiv) ≠ Emma kam mit schleppenden Schritten zuhause an (adverbial) � Emma kam zuhause an & war dabei müde

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Emma trinkt den Kaffee schwarz

≠ Emma trinkt den schwarzen Kaffee (attributiv) ≠ Emma trinkt den Kaffee hastig (adverbial)

� Emma trinkt Kaffee & der Kaffe ist dabei schwarz Schwierigkeit der syntaktischen Analyse: S

SB’

SM

SB

E1

E2

Präd

Peripherie

N

N

V

Depiktiv

(Objektsprädikativ) Problem: Prädikation über einer Nicht-Konstituente! Syntaktisch aber auch: Kein unabhängiges Szenario (keine neuen Argumente) gegenüber der (Matrix-) Proposition Depiktive kommen in vielen Sprachen nur eingeschränkt oder gar nicht vor. z.B. Berber ���"1"�� +� �"���9��"�� find:PF-1.S-3.S.F KOPULA F-Kranke-F*.S “ Ich fand sie krank” Syntaktische Analyse als Fusion zweier Strukturen (narrative und qualitative Prädikation):

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SATZ S. BASIS S:MODALITÄT PRÄDIKAT

ARGUMENTE

ARG1 ARG2 �������������"�����������

�����"1

�������������"���

���+�����9����

� �

SUBJEKT

� �

PRÄDIKAT �

S.BASIS* �

3) Anders liegen die Verhältnisse bei der Verknüpfung von Prädikaten mit den gleichen Aktanten: Ko-Subordination, die in einigen Sprachen als "serielle Verben" diskutiert werden und einen Übergang zu komplexen Prädikaten bilden, s. Vlsg. XY Generell geht es hier um Formen des Propositionalen Ausbaus: also propositinaler Struktren innerhalb einer Proposition (der sog. Matrix). Der Grenzfall liegt immer da vor, wo die Struktren nicht mehr prädikativ sind – bei einer wortartbezogenen Analyse also nominal sind, keine Argumente haben können. Diese Fragen wieder in Block V bei der Wortbildung: Wasser ist nicht prädikativ im hier benutzten syntaktischen Sinne (nur im Sinne eines semantischen Prädikats von einem referenziellen Term: Wasser (x), s. Kap. XY), laufen ist dagegen syntaktisch prädikativ: es spannt ein Szenario auf: Hans läuft . In beiden Fällen kann in Sprachen wie dem Deutschen mit den Mitteln der Wortbildung eine Änderung der syntaktischen Wertigkeit vorgenommen werden: zu Wasser kann ein denominales Verb gebildet werden: wässern, zu laufen ein deverbales Nomen: der Lauf.

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Block IV: Ausbauformen des Satzes: Komplexe Sätze 19. Vlsg.: Komplexe Sätze im Überblick TEXT � S1 ^ S2 ^ … ^ Sn Si � SB × SM SB: einfach oder komplex (Modifikatoren ...) Hier sind unterschiedliche Perspektiven zu trennen.

- In dieser Argumentation gehe ich von einem Ausbau einfacher syntaktischer Grundstrukturen aus; d.h. in einfachen Strukturen sind die (syntaktischen) Potentiale zu bestimmen, an denen der Ausbau ansetzen kann. Das entspricht der oraten Sprachpraxis, bei der derartige Ausbaumöglichkeiten relativ beschränkt sind.

- Bei den meisten grammatischen Darstellungen wird demgegenüber von sequenziell aggregierten Strukturen ausgegangen, die in einen Satz integriert werden (bei generativen Arbeiten über eine Transformation). Das entspricht der literaten Sprachpraxis, wie sie taditionell in der Schule eingeübt wird, wo Kinder auch heute noch am Ende der Grundschulzeit in der "Aufsatzerziehung" dazu angehalten werden, aus einer Kette von einfachen Sätzen komplexe Satzgefüge zu machen – wie man tradtionell in der Lateinschule den Periodenbau übte (einschließlich er komplexen Interpunktion: Kommata, Semikolon ....).

In sprachtypologischer Hinischt überlagern sich diese beiden Perspektiven notwendig da, wo Sprachen sich in einem literaten kulturellen Umfeld entwickelt haben. Komplexe hypotaktische Strukturen, besonders der Ausbau satzinterner Konstituenten (etwa beliebig mit finiten Relativsätzen ausbaubaren NGs), sind ein Indiz für literate Verhältnisse, während in oraten Kulturen der komplexe Ausbau eher (für die Verarbeitung im Arbeitsspeicher erleichternd) als Anbau ("Adjunktion") am rechten Rand einer Satzbasis erfolgt (s. Vlsg. XY). Es lassen sich so Typen und Grade des komplexen Ausbaus unterscheiden: 1. Komplexität durch Koordination (Verknüpfung paralleler Konstituenten): 1.1. Was wird koordiniert 1.1.1.Satzebene Si � S1 & … & Sn [[Hans spült]S und [Emma sieht fern]S]S 1.1.2. Konstituentenebene [[Hans]NG und [Emma]NG sehen fern]S [Hans [sieht fern]VG und [trinkt Bier]VG ]S 1.2. Wie wird koordiniert 1.2.1. & kann leer sein: Juxtaposition (prosodische Integration) Hans lümmelt sich in den Sessel, legt die Füße hoch, sieht fern (,) / (und) trinkt Bier 1.2.2. & als Partikel (Koordination): syndetisch [[Hans spült]S und [Emma sieht fern]S]S Analyseproblem:

- & als Operator über den koordinierten Sätzen (wie 1.2.2.) - oder nur über dem angeschlossenen Teil:

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[[Hans spült]S [und [Emma sieht fern]S] S']S Dann sind aber die beiden koordinierten Sätze nicht äquivalent! Übergang zur Subordination. Typologisch: (Lisu, Tibeto-Burma) ale nya thsibe thyea asa xe athe dea Ale TOP spielen Banjo Asa &.TOP Messer schmieden "Ale spielte Banjo und Asa schmiedete ein Messer" Koordination als kalte vs. warme Struktur: Semantische Markierungen (A) [[Hans spült]S [und [Emma sieht fern]S] S']S (B) [[Hans spülte die Vase]S und [Emma trocknete sie ab]S]S (C) [[Hans hob Emma hoch]S und [sie konnte die Vase vom Schrank holen]S]S

(A) & = aber, und dabei (während dessen) .... (B) & = danach, und dann ... (C) & = daher, und deswegen ... Koordinierende Partikel (gr. syndesmoi): aber, denn, trotzdem, indes ...

2. Ko-Subordination: Verknüpfte gleichrangige Elemente, die (von denen eines) nicht selbstständig ist.

2.1. Koordinatenreduktion (Ellipse):

[[Hansi spült]S [und [ [*eri →∅ ]sieht fern]S] S']S

2.2. Markierung von Referenz- (dis-) Kontinuität ("switch reference"): Arrernte (Pama-Nyunga, Australien) artwe alyelhe-me-le petye-me Mann.ABS sing:-PRÄS-R.I komm:-PRÄS "Der Mann kommt und singt (dabei)" (=kommt singend) artwe alyelhe-me-rlenge ayenge petye-me Mann.ABS sing:-PRÄS-R.I 1.S.NOM komm:-PRÄS "Ich komme während der Mann singt" 2.3. Narrative Verkettung, SM-Neutralisierung: Türkisch kalk-tı-k ve git-ti-k aufsteh:-PRÄT-1.P und geh:-PRÄT-1.P "wir sind aufgestanden und gegangen" kalk-ıp ve git-ti-k aufsteh:-KONV und geh:-PRÄT-1.P Übergang zur Subjunktion: kalk-ıp kann nicht alleine Prädikat sein!

3. Subjunktion: Propositionaler Ausbau einer Konstituente � Matrix ^ abhängige Satzbasis (Proposition)

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3.1. WAS wird ausgebaut? 3.2. WIE wird ausgebaut 3.3. WO wird ausgebaut3.1. Alle Konstituenten außer Prädikat (komplexe Prädikate können keine Propositionen enthalten!) S

SB’

SM

SB

E1

E2

Präd

Peripherie

(Satz-) Gliedsatz

N

V

Adverbial- satz

N Attribut- satz

3.1.1. Gliedsätze

Daß Hans den Abwasch macht, freut Emma (= Subjekt) Emma hört, daß Hans den Abwasch macht (= Objekt)

3.1.2. Adverbialsätze Emma sieht fern, wenn Hans den Abwasch macht Emma sieht fern, damit Hans den Abwasch macht 3.1.3. Attributsätze Emma, die nicht gerne fernsieht, macht den Abwasch

3.2.1. (A-) Syndetisch Hans sagt, er kommt morgen Kommst du heute nicht, kommst du morgen

vs.

Hans sagt, daß er morgen kommt Wenn du heute nicht kommst, kommst du morgen

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3.2.2. "Finitheitsskala" des Ausbaus: MAX: unabhängige SM-Bestimmung Emma, die hoffentlich bald nachhauskommt, macht den Abwasch Hans kann heute nicht kommen, weil er ist krank (NOCH KEINE NORM) ABGESTUFT I: Subjunktiv ("Konjunktiv")

Emma möchte, daß Hans den Abwasch machte

ABGESTUFT II: Infinitiv / Partizip Referenzkontinuität (Kontrolle durch Argument in Matrix)

Hans versprach, den Abwasch zu machen (Matrixsubjekt ist Kontrolleur) Hans sah Emma den Abwasch machen (Matrixobjekt ist Kontrolleur) immer wieder auf den Fernseher schielend machte Hans den Abwasch Diese Konstruktionen verlangen einen syntaktischen Angelpunkt ("engl. "pivot"), der gewissermaßen die Achse für die Matrixkonstruktion wie abhängige Konstruktionen bildet. In Hinblick darauf ist in vielen Darstelngen von einer syntaktischen Kontrolle die Rede, die von einer semantischen i.S. der Interpretation des komplexen Satzes zu unterscheiden ist. S. dazu Vlsg. XY.

MINIMUM: Verbalnomen Nominal � Evtl. Argumente possessiv / genetivisch artikuliert

Sein dauerndes Abwaschen nervte Emma adverbale Ergänzungen nicht umgangssprachlich:

sein aufgeregtes an der Krawatte Zerren nervte sie sein den Fernseher Abstellen ärgerte sie

3.3. "Verarbeitungsprobleme" bei Einbettung Propositionaler Ausbau im Nachfeld � als Nachbemerkungen angehängt

BESSER: sein aufgeregtes Zerren an der Krawatte nervte sie ihr Mann, der noch den Abwasch gemacht hatte, gähnte � ihr Mann gähnte, der noch den Abwasch gemacht hatte

In Hinblick auf die Probleme der Einbettung, insbesondere die Bewertung ihrer Komplexität, sind aber die Zusammenhänge mit der Wortstellung in der jeweiligen Sprache grundlegend: Die Verhältnisse sind anders in Sprachen, in denen der Kopf (tendenziell) den Satellitten folgt, gegenüber solchen mit umgekehrter Wortstellung.. Zu den kopffinalen Sprachen (im Satz: verbfinale Stellung) gehören Sprachen wie das Türkische, das Arrernte u.a., bei denen formal gesehen jeder Ausbau als "Einbettung" angesehen werden kann – und tatsächlich komplexe Ausbauformen in der gesprochenen Sprache auch eher marginal sind. Das Deutsche hat sich auf eine Wortstellung hin entwickelt, bei der die Satelliten dem Kopf folgen – im Aussagesatz mit der Verb-zweit-Stellung. Hier sind dann Erweiterungen vom Kopf aus gesehen Nachträge, was eine viel größere Flexibilität und ein größeren Grad an

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hyptaktischem Ausbau auch in der gesprochenen Sprache ergibt, der sich historisch aber auch erst in der Zeit einer rasch zunehmenden Literarisierung der Gesellschaft ausgebildet hat. Deutlich ist das insbesondere beim Ausbau von NGs: Im Deutschen folgen sie dem (nominalen) Kopf und sind von daher sehr viel freier – in der gesprochenen Sprache aber in der Regel doch nur am rechten Satzrand zu finden. Im Türkischen sind attributive Konstruktinen (in der traditionellen Sprche, wie sie der anderer nicht-literat ausgebauter Turksprachen entspricht) nicht finit und auch nur minimal mit Satelliten zum Prädikat ausgbaut.

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20. Vlsg.: Haupt- und "Nebensätze" I Was ist ein Nebensatz – nebensächlich? Hans ist nachhause gekommen, als er sein Experiment abgeschlossen hatte. THEMA RHEMA

Wann kam Hans nachhause? Als er sein Experiment abgeschlossen hatte, kam Hans nachhause Formales Kriterium: Wortstellung Hans hat sein Experiment abgeschlossen, als er nachhause gekommen ist Vf-2 Vf-letzt "Nebensatzwortstellung" sprachgeschichtlich jung: ahd. her fragen gistuont (Hilebrandslied) ahd. ther engil imo nahte (Otfired) Mhd. – frnhd. archaisierender literar Stil (vor allem Epik): diu edele küneginne vil sere weinen began (Nibelungenlied) Kunstpatina seit 18. Jhd. einen saubern Feierwams er trägt (Goethe) keiner den Becher gewinnen will (Schiller) Ie. Sprachen alt: Wortstellung relativ frei, aber Default V-letzt (ggf. in in jedem Teilsatz), Kunstprosa dagegen mit "scrambling" (vor allem Latein!) Entwicklung aber schon Latein / Griech.: Nachfeld des Verbs als rhematischer Bereich genutzt. Seit Mittelalter / Frühe Neuzeit in den meisten ie. Sprachen S � # X V Y # z.T. verstärkt durch gleichzeitigen Abbau der Flexionsformen, dann wie im Englischen S � # S V O # "Gespaltene Wortstellung" (HS ≠ NS) wie im Deutschen Ausnahme: i.e. aber auch typologisch generell. Dabei deutlich: V-2 markiert den (indikativischen) Aussagesatz, "Nebensatzstellung" der so nicht markierte, bewahrte alte Zustand Problematisch: Generativistische Tradition (seit Bierwisch 1963): "Grundwortstellung" im Dt. # S O V #

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- und transformationelle Ableitung der anderen Stellungen (= Ableitung als Rekapitulation der Sprachentwicklung)

Allerdings mit zunehmend analytisch gebildeten Prädikaten: Rahmenstellung mit dem das Szenario (SB) aufspannenden infiniten Prädikatsteil in Endstellung und dem finiten Teil (SM) in Zweitstellung: er wird von den seinem Arbeitgeber nicht bezahlt werden können In den germanischen Sprachen sonst allerdings nicht so: engl. he will not be paid by his employer Wie im Deutschen im Niederländischen: hij werd door zijn broer geholpen er wird durch seinen Bruder geholfen ("ihm wird von seinem Bruder geholfen") Aber seit Ahd. verbreitet nur "kleiner Rahmen", vgl. wio sol ich anderen geben drost (Notker) welt ir nu genesen von dem ewigen tode (Berthold) Israel ist geflohen vor den Philistern (Luther) Dagegen typologisch üblich: Markierung der Hypotaxe: - durch verknüpfendes (einleitendes) Element (syndetisch) - durch Sonderform des Verbs im abhängigen Satz (Finitheitsabstufung) Übliche Sichtweise: in der Tradition des rhetorischen Unterrichts: Abstufung eines "Hauptsatzes" zum "Nebensatz" (Subjunktion "Unterordnung") [S1] + [S2] → [HS ^ NS]S

statt: Ausbau eines Satzgliedes: Als er sein Experiment abgeschlossen hatte, kam Hans nachhause Vf-2 Im Deutschen dominant: Markierung durch Wortstellung; daher Verbform sekundär. In anderen Sprachen: abhängiger Satz (subjungiert) � Subjunktiv (dt. Grammatiktradition: Konjunktiv), z.B. Latein ignoro quid dicere velis ich.weiß.nicht was sagen du.willst (Subj. Präs.; Ind.Präs. vis "du willst") "ich weiß nicht, was du sagen willst" ignoravi quid dicere velles ich.habe.nicht.gewußt was sagen du.willst (Subj. Ipf.; Ind.Ipf. volebas "du willst")

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"ich wußte nicht, was du sagen willst (wolltest)" - Neutralisierung der Tempusmarkierungen ("consecutio temporum") - Subjunktiv ohne semantische Funktion: Matrixsatz abhängiger Satz

Präsens (Futur) Subj. Präsens Gleichzeitigkeit Vergangenheit Subj. Imperfekt Präsens (Futur) Subj. Perfekt Vorzeitigkeit Vergangenheit Subj. Plusquamperfekt

Konjunktiv im Deutschen als Modus (s. Block Satzmodalität)

an deiner Stelle täte ich das auch ≠ an deiner Stelle tue ich das

Hans trüge niemals so ein Jackett ≠ Hans trät niemals so ein Jackett

Hätte ich doch nur den Schlips gekauft! ≠ Ich hatte (doch nur) den Schlips gekauft Modus auch bei nicht-faktiven Verben: (A) Hans berichtet, daß Emma auf Mallorca ist

(B) Hans berichtet, daß Emma auf Mallorca sei (wäre) B � Emma ist nicht auf Mallorca A � Emma ist auf Mallorca (jedenfalls ist das möglich) Bei faktiven Verben (die den Sachverhalt in der abhängigen Proposition vorausetzen) ist kein Konjunktiv möglich: (A) Hans weiß, daß Emma auf Mallorca ist

(B) *Hans weiß, daß Emma auf Mallorca sei (wäre) Daneben eine Klasse von nicht-faktiven Verben, bei denen kein derartiger modaler Unterschied gemacht werden kann: (A) Hans behauptet, daß Emma auf Mallorca ist

(B) Hans behauptet, daß Emma auf Mallorca sei B � Emma ist auf Mallorca oder nicht A � Emma ist auf Mallorca oder nicht Von daher unangemessene normative Vorschrift: - zum Konjunktiv in abhängigen Sätzen (insbesondere bei indirekter Rede) - ebenso wie Vorschrift zur Tempusdifferenzierung beim Konjunktiv (im Deutschen beides nach dem Modell des latein. Subjunktivs) Dt. (gesprochene Sprache) Indikativ: ich arbeite Konjunktiv: ich arbeitete / ich würde arbeiten

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Abbau des Subjunktivs in anderen germanischen Sprachen, vgl. Reste im Engl. he goes – he go there it is urged that the transfer be expendited formal: Subjunctiv = Infinitiv (Stamm) Dagegen bewahrt in den romanischen Sprachen: pg. sinto que o senhor esteja doente ich.bedaure daß der.Herr sei krank (= es tut mir leid, daß Sie krank sind) Indikativ: o senhor é doente "Sie sind krank" Im gesprochenen Frz. weitgehend neutralisiert, z.T. abgebaut in der Umgangssprache: je m'étonne qu'il ait fait cela ich bin.erstaunt daß er hat gemacht das Indikativ: il a fait cela "er hat das gemacht" Russ. analytische Neubildung mit der Partikel by (< byl, alte Verbform) + Präteritum (< altes Partizip Prät.) � zeitliche Interpretation kontextabhängig on pisal by "er würde schreiben" In der Subjunktion klitisiert an (�)$� "daß": (�)$������������1��$���������$�������������#����������-����������T�����#��er nicht er.wünscht daß+SUBJ ich tanz:PRÄT mit Tamara "er will nicht, daß ich mit Tamara tanze" Problem: Subjunktionsparadigma konkurriert mit infiniten Formen beim propositionalen Ausbau vcn Satzkonstituenten

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21. Vorlesung: Finitheitsstufen des Ausbaus Schlüsselkategorie Infinitiv

1. Verbalnomen: das Laufen fällt ihm schwer 2. infiniter Prädikatsteil: Hans will morgen kommen 3. Nebenprädikat: Hans verspricht, morgen zu kommen

Verbalnomen (Masdar): deverbale Wortbildung

- behält verbale Valenz - morpho-syntaktisch substantivisch

Sanskrit $ak-e:ma tva: sam-idh-am könn:-OPT.1P 2S.A zusammen-entzünd:-A „ mögen wir dich entzünden können“ Sanskrit pura: va:c-a��* pra-vad-it-oh bevor Wort:-P.A hervor-sag:-NOM-ABL „ vor dem Erheben der Stimme“ Grammatikalisierung des Infinitivs I: Verbalperiphrasen sie hat gestern mit ihm getanzt OBS tanzen: intransitiv (sie tanzt) haben: transitiv (sie hat einen neuen Hut) Komplexes Prädikat im Deutschen; Hilfsverb (Auxiliar: SM) + infinites Verb/Valenz (SB) SM Hans hat Emma einen Blumenstrauß geschenkt SB Problem: Infinite Verbformen werden zu "vollen" Prädikaten: (1) Russische Präteritum-Formen (Stamm pisa- "schreib-", vgl. im Präs. ja pisa-ju "ich schreibe")

Singular Plural mask. pisal fem. pisal-a pisal’ -i neutr. pisal-o

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RUSS. mi pisa -l’ -i 1P schreib:-PRÄT-P „ wir schrieben“ RUSS-ALT jes -mi pisa -l’ -i sei:PRÄS-1P schreib:-PZP II-P „ wir haben geschrieben“ (= wir sind geschrieben habende) vg. heute Nominalsatz: RUSS. mi star-i 1P alt-N.P „ wir sind alt“ (2) arabisches Verbalsystem I (ererbtes System = Schriftsprache) (ägyptisch, Stamm �$� „ los.geh:“ , Formen der 1.Sg.)

Form Semantik

Präfixkonjugation Suffixkonjugation

Perfektiv �$�"� Imperfektiv �"�"�$�

arabisches Verbalsystem II (erweitert:gesprochene Sprache) (ägyptisch, Stamm �$� „ los.geh:“ , Formen der 1.Sg. bzw. Sg. mask.)

A. limitative Verben

Präfixkonjugation (+ fin)

Partizip (-fin) Suffixkonjugation (+fin)

IPF-Habitual b-a-m$�� � „ ich gehe (regelmäßig...)“

IPF-Simul ma$�� � „ ich gehe los/ ich bin dabei loszugehen“

Perfektiv (Resultativ)

m$�"�� � „ ich bin losgegangen“

B. nicht-limitative Verben (ägyptisch, Stamm �'� „ aufsteig:“ , Formen der 1.Sg. bzw. Sg.mask.) Präfixkonjugation

(+ fin) Partizip (-fin) Suffixkonjugation

(+fin) IPF-Habitual / Simul

b-a-rkib „ ich steige (regelmäßig) ein / bin dabei einzusteigen“

Perfektiv rikib-t „ ich bin eingestiegen“

Resultativ rakib „ ich bin aufgestiegen“ (= ich bin auf (dem Pferd / in dem Bus ..)

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Nominalsatzstruktur: ÄGYPT. ana ma$���������������������1S los.geh:PZP.M.S� „ ich bin dabei loszugehen“ ÄGYPT. ana ��)������������������������1S müde.M.S.� „ ich bin müde“ 2. Infiniter propositionaler Ausbau Hans verspricht seiner Mutter, Emma im nächsten Jahr zu heiraten KONTROLLE Hans bittet seine Freundin, ihn im nächsten Jahr zu heiraten KONTROLLE Ausbau nur als "Verbalgruppe", kein Subjekt, das an finites Veb (Kongruenz1) gebunden ist OBS Anders transformationelle Ableitungen aus "zugrundeliegenden Sätzen! Im Dt. in der Regel Abgrenzung zum infiniten Prädikatsteil durch die (Status-) Markierung mit zu; ABER

Hans geht ungern Socken kaufen Emma läßt Hans seine Socken selbst kaufen Wenn keine Kontrollbeziehung in der Matrix definiert ist � finiter Ausbau

Hans erzählt seiner Mutter, daß Emma im nächsten Jahr heiratet Differenziertere Finitheitsskala des Ausbaus, z.B. Portugiesisch: PORT. pass -ei sem me ver -em vorbei.geh:-PRÄT.1S ohne 1S.*N seh:SUBJ-3P „ ich ging vorbei, ohne daß sie mich sahen“ PORT. pass -ei sem ver o -s homen -s (los) vorbei.geh:-PRÄT.1S ohne seh:INF DEF-P Mensch-P (3PM) „ ich ging vorbei, ohne (die Menschen / sie) zu sehen“

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Subjunktiv-Paradigmen im Portugiesischen (ver „ sehen“ ) PERSON PRONOMINA Subj.-

/ Obj.-Kas. INFINITIVO

PESSOAL FUTUR - POTENTIAL

1.S eu me ver vir 2.S tu te ver-es vir-es 3.S ele (M) / ela (F) o / a ver vir 1.P nos ver-mos vir-mos 2.P vos ver-des vir-des 3.P eles (M) / elas (F) os / as ver-em vir-em PORT. depois de eu sair de casa, vei -o nach von 1S.N verlass:SUBJ.1/3 von Haus komm:PRÄT-3S o meu amigo DEF.M POSS.1S Freund „ nachdem ich das Haus verlassen hatte, kam mein Freund“ 4. Sprachen ohne Infinitive, z.B. Arabisch (mar. Arab.) 1. komplexe Prädikate: Koverben MA ken-t ka-n-xdem sei:PF-1S DUR-1S-arbeit: „ ich war am arbeiten“ MA ken-t xdem-t sei:PF-1S arbeit.PF-1S „ ich hatte gearbeitet“ MA ��9"� ka-n-xdem aufsteh:PF-1S DUR-1S-arbeit: „ ich fing an zu arbeiten“ MA gles-t ka-n-xdem sitz:PF-1S DUR-1S-arbei: „ er war dabei an zu arbeiten“ MA �$�"� n->�( geh:PF.1S 1S-fall:IPF „ ich wäre fast gefallen“ MA bat i-xdem Nacht.verbring:PF.3S 3S-arbeit: „ er hat die ganze Nacht gearbeitet“ MA q9� i-xdem könn:PF.3S 3S-arbeit: „ er hat arbeiten gekonnt“ MA b/a i-xdem woll:PF.3S 3S-arbeit: „ er will arbeiten“ MA ma sxi-t-$ ne-�$� NEG sich.trenn:PF-1S-NEG 1S-geh:IPF „ ich wollte nicht weggehen“ MA kan-u b/a -u i-dir-u sikuk l -)$a -hum sei:PF-3P woll:PF-3P 3-mach:IPF-P Couscous für-Abendessen-3P „ sie wollten einen Couscous für ihr Abendessen machen“

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MA kan ka -i -qej:el ka -i -xdem )la ulidat-u sei:PF-3S DUR-3S-den.ganzen.Tag.tu:IPF DUR-3S-arbeit:IPF für Kinder.P-3P „ er hat jeden Tag für seine Familie gearbeitet“ MA ma tli-t-$��������������������������/�-t ne-m$���������)�-hum NEG weg.geh:PF-1S-NEG woll:PF-1S 1S-geh:IPF mit-3P „ ich wollte nicht mehr mit ihnen gehen“ 1. komplexe Sätze: Asyndetische Subjunktion MA ��"���"������� ne-m$��������� )�-hum sag:PF-1S zu-3SM 1S-geh:IPF mit-3P "ich sagte ihm, daß ich mit ihnen gehe" MA ��"������������"������� i-m$����������� )�-hum sag:PF-1S zu-3SM 3S-geh:IPF mit-3P "ich sagte ihm, mit ihnen zu gehen" MA $��"�"������� i-(����������������"����� seh:PF-1S-3SM 3SM-öffn:IPF DEF-Tor "ich sah ihn das Tor aufmachen" Finitheit:

- semantisch (Satz, Äußerung: SM) - morphologisch (Satzbasis, Proposition: SB)

Dynamik der Herausbildung komplexer Prädikate S

SB SIT

X SB

PRÄD’

PRÄD sem. Finitheit

� S

SB SIT

PRÄD’

PRÄD PRÄD sem. Finitheit

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Typologische Korrelation (die sich aus der genetischen Herleitung erklärt)

komplexe Sätze komplexe Prädikate Matrix-Satz Abhängiger S. Mans Mum

Vf Vf Vf (Koverb) Vf Vf Vinf

↔ ↔ Vf (Auxiliar) Vinf

Masdars partizipieren nicht an dieser Gramamtikaliserungsentwicklung !

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22. Vorlesung: Konditionalgefüge (Abschluß Block IV: 23. Vlsg. Propositionaler Ausbau von Attributen) 1. Semantisch Protasis Antezedens

Apodosis Konsequenz (Sukzedens)

Bedingung (??) Bedingtes (??) wenn die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft

NB: Terminologisches: gr. pro- "hinauf", apo- "weg" rein formal manchmal auch: Vordersatz (=Protasis) vs. Nachsatz (Apodosis) Semantische Interpretation der Verknüpfung: A) kausale Verknüpfung: weil die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft � Sonnenschein ist Ursache für das Erwärmen der Luft ABER wenn das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tank ??weil das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tankweil � *das Leuchten des Lämpchens ist Ursache für den Mangel an Benzin B) zeitliche Verknüpfung (dann) wann die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft (dann) wann das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tank Etymologie: wenn Nebenform zu wann, Unterscheidung erst seit 18. Jhd. (Grammatikervorschrift!) vgl. auch weil � die Weile (zeitlich, vgl. alldieweil ....), kausal erst seit Fr. Nz. (Grammatiker d. 18.Jhd.) Ob die konditionale Verknüpfung kausal interpretiert wird, hängt von der Semantik der Interpretation ab � grammatische Struktur ist formal, nicht direkt semantisch zu interpretieren Sprachvergleich: Kausalität wie Zeit kulturspezifisch! Logik: (materiale) Implikation A → B Wahrheitstabelle

A →→→→ B A B 1 W W W 2 F W F 3 W F W 4 W W W

Problematische Interpretation Implikation ist nur dann nicht wahr, wenn Protasis wahr, aber Apodosis falsch: (2) die Sonne scheint & die Luft erwärmt sich nicht sie ist wahr sonst, z.B. auch

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(3) die Sonne scheint nicht & die Luft erwärmt sich (4) die Sonne scheint nicht & die Luft erwärmt sich nicht 2. Formale Struktur 2.1. Konditionalsatz ⊂ Adverbialsatz, aber ≠ Matrix + "Gliedsatz" Die Sonne scheint, obwohl es regnet � Die Sonne scheint Die Luft erwärmt sich, wenn die Sonne scheint � *Die Sonne scheint 2.2. Konditionale Satzstruktur ≠ "Konditionalsatz" (wenn-Satz ...) a) asyndetisch scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft b) Adverbial + Attributsatz Unter der Bedingung, daß die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft Gesetzt den Fall, daß die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft c) Parataktisch Die Sonne kann scheinen. Dann erwärmt sich die Luft. Die Sonne scheint? Dann erwärmt sich die Luft. d) Nominalisierung als Adverbial Bei Sonnenschein erwärmt sich die Luft Konditionale Interpretation anderer Konstruktionen: Wer A sagt, (der) muß auch B sagen �Wenn jemand A sagt, dann muß er auch B sagen Wortstellungsproblem bei asyndetischer Artikulation 1) hypotaktisch scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft V1 V2

2) parataktisch scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft V1 V1 Geltungsansprüche: 1) V in Protasis: Indikativ 1a) Präsens: A war evtl. noch nicht der Fall, A & B kann jetzt oder in Zukunft der Fall sein Wenn Hans kommt, essen wir zusammen zuabend 1b) Präteritum: A war der Fall, ebenso B Wenn Hans kam, aßen wir zusammen zuabend Auch: Wenn Hans gekommen ist, haben wir zusammen zuabend gegessen ABER: Handelt es sich bei einer Aussage über Vergangenes um ein Bedingungs- oder um ein temporales Verhältnis? (wenn = wann?) 2) V in Protasis: Konjunktiv (NUR Konjunktiv II, AUCH in Apodosis) *Wenn Hans komme, essen wir zusammen zuabend

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2.1. Einfaches Präteritum A war nicht der Fall, kann aber in Zukunft der Fall sein, ebenso B Wenn Hans käme, könnten wir zusammen zuabend essen Variante: "Konjunktiv Futur" (?!) Wenn Hans kommen würde, könnten wir zusammen zuabend essen 2.2. Zusammengesetztes Päteritum (Plusquamperfekt) A war nicht der Fall, ist nicht der Fall und wird es auch in Zukunft nicht sein, ebenso B Wenn Hans gekommen wäre, hätten wir zusammen zuabend gegessen Fazit: Konjunktiv hat hier semantische Funktion (Potentialis) – kein reiner Subjunktiv! Vgl. absolut: Käme er doch! Wenn er doch nur käme! Das hätte er auch anders machen können! Hier stellt sich das Problem der semantischen Interpretation der Tempusformen: In der Grammatik handelt es sich um formale Markierungsysteme, die Differenzen in einem Paradigma artikulieren. Präteritum ist

• zeitlich zu interpretieren, wenn die entsprechende Nute eine zeitliche Interpretation verlangt,

• sonst als formale Distanzmerkierung (hier: nicht faktisch / real) Dabei ist von einer Markiertheits-Opposition auszugehen: realis als markierter Fall – wo das nicht vorliegt, liegt keine Festlegung auf einen Irrealis (Kontrafaktisches) vor NB: In den Grammatiken 2.2. "irrealer Konditionalis", daraus folgt nicht, daß 2.1. "Realis" ist! � 2,2, markierter Fall, 2.1. unmarkiert. Konjunktivform markiert: Proposition ist nicht der Fall Wenn ich wählen kann, nehme ich das Steak (�S nimmt das Steak) Wenn ich wählen könnte, nähme ich das Steak (�S nimmt das Steak nicht) Andere Sprachen haben Konditional als eigene grammatische Form: Frz. (gebildet vom Futurstamm: Un accident aurait eu lieu à X … il y aurait dix morts. (FUT: aura) Est-ce que je leur ressemblerais? (FUT: ressembleras) Moi, j'aurais massacré … Im Bedingungsgefüge nur in der Apodosis nach si "wenn": In der Protasis immer Indikativ (keine semantische Funktion!) 1) Indikativ in der Apodosis, Präsens / Perfektformen: 1a) A war evtl. noch nicht der Fall, A & B kann jetzt oder in Zukunft der Fall sein Si tu admets cette opinion, tu as tort (PRÄSENS) 1b) A kann der Fall gewesen sein, A & B ebenfalls: Si tu as admis cette opinion, tu as eu tort (PASSÈ COMPOSÈ) 2) Conditionel in der Apodosis, präteritale Formen: 2a) A war nicht der Fall, A & B sind nicht ausgeschlossen Si tu admettais cette opinion, tu aurais tort (Imparfait) Si je gagnais le gros lot, je le partagerais avec vous

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"dt." Fehler: *Si je gagnerais le gros lot, je le partagerais avec vous 2b) A war nicht der Fall, A & B sind auch in Zunkunft ausgeschlossen Si tu avais admis cette opinion, tu aurais eu tort (Plusquamperfekt) vgl. auch N'étaient les hirondelles qui chantent, on n'entendrait rien Aber Konjunktiv absolut und nach best. Subjunktionen: Vienne une invasion, le peuple est écrasé (Balzac) Pourvu qu'en somme je vive, c'est assez In best. Fällen auch Conditionel als semant. Markierung: Au cas òu une complication se produirait, faites-moi venir D.h. Tempusdifferenz fungiert im Dt. wie im Frz. als Distanzmarkierung von der Faktizität, nicht unbedingt zeitlich (Thieroff) Das Modell für diese Systeme, soweit sie von Gramamtikern kodifiziert worden sind, liefert das klassische Lateinische, das Modus- und Tempusmarkierungen kombiniert (markierter Term kursiviert):

- Indikativ vs. Konjunktiv (ohne faktischen Gletungsanspruch) - Präsens vs. Präteritum (Distanzmarkierung)

I. Indikativisch: Si hoc diciis, mentiiris "Wenn Du das sagst, lügst du" Si hoc diixisti, mentiitus es "Wenn Du das gesagt hast, hast du gelogen" II. Nicht-indikativisch (Konjunktiv) II.1. Potential (Präsenssystem): Der Sachverhalt wird als möglich dargestellt Si hoc dicaas, mentiaaris "Wenn Du das sagtest, würdest du lügen" Si hoc diixeriis, mentiitus siis "Wenn Du das gesagt hättest, hättest du gelogen" II.2. Potential (Präsenssystem): Der Sachverhalt wird als kontrafaktisch dargestellt Si hoc dicerees, mentiireeris "Wenn Du das sagtest, würdest du lügen" Si hoc diixissees, mentiitus essees "Wenn Du das gesagt hättest, hättest du gelogen" NB: Im Deutschen ist die Differenz von II.1. und II.2 eine Frage der Interpretation, die nicht mit der sprachlichen (gramamtischen) Form symbolisch fest ist. Anders sind die Verhältnisse in Aspektsystemen, die aber ebenfalls Neutralisierungen in Konditionalgefügen kennen: A. Mar. Arabisch In Protasis immer Perfektiv 1. Protasis mit ila eingeleitet 1a) Apodosis imperfektiv 1a1) indikativisch markiert, A & B ist der Fall ��������4��+"������������$�"(������������'�"�"�����?������������������'�"�"4�>�"�"*�wenn fang:PF-3.PL INDEF:ein IND-3S-plünder:IPF IND-3-töt:IPF-PL-3SM wenn sie einen fangen, der plündert, töten sie ihn" 1a2) nicht indikativisch markiert: Eventualis ���������/�"��"*�����������������")>�"*�"�"�'�wenn woll::PF-2S-3SF 1S-geb:IPF-3SF-zu-2S "wenn du sie willst, gebe ich sie dir"

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2. Protasis und Apodosis mit kun eingeleitet, in Apodosis ebenfalls Perfektiv: A & B sind nicht der Fall (gewesen) und werden es auch nicht sein: "Irrealis" '����'��?���������������������'����������wenn schweig:PF.3SM wenn entkomm:PF.M "wenn er geschwiegen hätte, wäre er entkommen" '���'������������������"�<��"�������$�"��1�?�������������������*�������<��)"��wenn sei:PF.3SM in-Kopf-1S INDEF-Verstand von hier NEG rück.kehr:PF-1S "wenn ich etwas Verstand in meinem Kopf hätte, wäre ich nicht hier zurückgekommen" Wo, wie hier eine Neutralisierung von Kontrasten vorliegt (in der Protasis sind keine Kontraste möglich, muß die Perfektivform stehen), haben die "gesetzten" Formen auch ihre semantische Interpretation nicht, die sie in Nuten mit entsprechenden Kontrasten haben. NB: In anderen arabischen Varietäten ist das z.T. anders: Im ägypt. Arabischen sind Kontraste im Konditionalgefüge möglich. B. Russisch: Tempussystem + Aspekt Semantische Markierung des Nicht-Indikativs durch PRÄT + by 1) Protasis + Apodosis indikativisch: A & B sind der Fall oder werden der Fall sein jesl'i on razbud-'it �en-y ona rass'erd-'it-sja wenn 3SM.NOM weck:PRÄS-3S Frau-AKK 3SF.NOM ärger:PRÄS-3S-REFL "wenn er seine Frau weckt, wird sie ärgerlich" 2) Protasis + Apodosis konjunktivisch: A & B sind nicht der Fall und werden nicht der Fall sein ("Irrealis") jesl'i by on razbud-'il �en-y ona rass'erd-'il-a-sja by wenn KONJ 3SM.NOM weck:PRÄT-MS Frau-AKK 3SF.NM ärger:PRÄT-FS-REFL KONJ "wenn er seine Frau weckte, würde sie ärgerlich"

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23. Vlsg. Propositionaler Ausbau von Attributen S

SB’

SM

SB

E1

E2

Präd

Peripherie

(Satz-) Gliedsatz

N

V

Adverbial- satz

N

Attribut- satz

Terminologisches: Attributsatz : Relativsatz (RelS) Definitionen: [NP – RelS]NP Relativkonstruktion als (nominale) Konstituente im Matrixsatz [NP – RelS]NP Kopf der Relativkonstruktion [NP – RelS [RelM - S]S ]NP Markierung der Relativkonstruktion [NP – RelS [...RelNP ...]S ]NP korrelative NP (korrelativ zum Kopf) in der Relativkonstruktion [NP – RelS [...RelPräd ...]S ]NP Prädikat der Relativkonstruktion

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Semantisch: - restriktive Attributsätze: Relativkonstruktion als Einschränkung der semantischen Domäne des Kopfes: in einem Auto, das keine Sitze hat, zu fahren, ist unbequem ≠ in einem Auto zu fahren, ist unbequem - nicht-restriktive (appositive) Attributsätze: Relativkonstruktion ändert die semantischen Domäne des Kopfes nicht: das Auto meines Bruders, das keine Sitze hat, ist unbequem = das Auto meines Bruders ist unbequem im Deutschen konkurrierend mit Attributsätzen ( � finite Prädikate, A): Partizipialkonstruktionen (� infinite Prädikate: B): (A) der Mann, der schwer schnaufte, kam endlich ins Ziel (B) der schwer schnaufende Mann kam endlich ins Ziel Stellung: (A) Attributsätze im Nachfeld des Kopfes (B) Partizipialkonstruktionen im Vorfeld des Kopfes (wie adjektivische Attribute) Verknüpfungsform: (A) syndetisch bei Attributsätzen: RelM = Relativpronomina (B) asyndetisch in NP integriert Grundfrage: Sind Attributivsätze elementar? vgl. Ableitung von adjektivischen Attributen aus Relativsätzen: ??die rote Blume ... ← die Blume, die rot ist, .... dagegen:

- in gesprochener Sprache RelS eher selten (infinite Konstruktionen schriftsprachlich) - im Spracherwerb eher spät (schulisch gelernt?) - typologisch: nur eingeschränkt

� komplexe Ausbauform! Sprachen ohne Schriftkultur (Schule!): Warlbiri (Australien) ������"@��A�������#��'�������,����"A���'���"�,��������,�������������"A��1S-ERG AUX Emu.ABS speer:PRÄT während-AUX Wasser.ABS trink:PRÄT "ich habe das Emu gespeert, das Wasser getrunken hat (= während es ...)" #��'���"@����'���"�,������������,����������������"A�����������������A�������,����"A������������"@��Emu.ERG während-AUX Wasser.ABS trink:PRÄT DEM AUX speer:PRÄT 1S-ERG " das Emu, das am Wasser trinken war, habe ich gespeert (= das Emu war in dieser Zeit am Wasser trinken, das habe ich gespeert)"

- parataktische Verknüpfung von zwei Sätzen, - relativer Anschluß im Nachfeld ("Nachbemekrung") - pronominale Verweiselemente als Verknüpfung

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Besonderheiten im Deutschen: 1. Stellung: beliebige "Einbettung" �Verdacht: Schriftsprachliche Editionsübung, s.o. Warlbiri 2. syntaktische Funktion in der Matrix: keine Beschränkung über der Funktion der Relativkonstruktion im Satz: Subjekt: der Mann, der schwer schnaufte, kam endlich ins Ziel Objekt: ich habe den Mann, der schwer schnaufte, gestern wieder getroffen Objekt einer Präposition: vor dem Mann, der schwer schnaufte, stand ein Kind Attribut in einer NP: der Hut des Mannes, der schwer schnaufte, flog davon � typologisch oft eingeschränkt, oft nur bei Subjekt 3. syntaktische Funktion im Relativsatz: keine Beschränkung über der Funktion der RelNP im Relativsatz: Subjekt: ich habe den Mann, der schwer schnaufte, gestern wieder getroffen Objekt: der Mann, den ich gestern getroffen habe, war dein Onkel Objekt einer Präposition: der Mann, von dem ich dich grüßen soll, war dein Onkel Attribut in einer NP: der Mann, dessen Hut davon geflogen ist, war dein Onkel � typologisch oft eingeschränkt, oft nur Subjekt 4. Finites Prädikat, damit möglich: unabhängige satzmodale Spezifizierung: (M.AR) )>�"����������������2"2��������"�$������������"/�������������#+�"�� give:IMP-1S. DEF-soap with-REL 1S-wash:INJ hand-1S “ gib mir Seife, mit der ich meine Hände waschen kann” (M.AR) )>�"����������������2"2��������"�$����������'�"�"/�����������#+�"�� give:IMP-1S. DEF-soap with-REL IND-1S-wash: hand-1S “ gib mir die Seife, mit der ich meine Hände wasche” In vielen Sprachen nur infiniter Ausbau der Attribute, also nur propositional als Satzbasis ausgebaut, nicht aber mit eigener satzmodaler Bestimmung. Türkisch: kadın-ın çocuk-a ver-di�-i patates-i ye-di-m Frau-GEN Kind-DAT geb:PZP-POSS Kartoffel-AKK.DEF ess:-PRÄT-1S "ich habe die Kartoffeln gegessen, die die Frau dem Kind gegeben hat" (= "der Frau ihre dem Kind gegebene Kartoffeln habe ich gegessen" Türk. Wortstellung: V-letzt, Modifikationen / Ergänzungen vor dem Kopf s. aber unten (3 Ende)

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4. Syndetische Relativkonstruktion: RelM = Relativpronomen [NP – RelS [RelM ....RelPräd]S ]NP Kongruenz: Rektion: Kasus Numerus, Genus die Frau, der ich gestern das Buch gegeben habe, war deine Tante FEM. SG DATIV Ältere germanische Sprachen: Relativpartikel {daß}: as. <the> [=], ahd. <the> [+]: Heliand: allaro barno besta thero the io giboran wurdi "aller Kinder das (=deren) beste(s), das (=daß) je geboren wurde" Tatian: gisahun thiu the her teta "sie sahen diese (Dinge), die (= daß) er tat" So süddt. (fest: Schwyzertütsch): wo der Mann, wo ich ihn gesehen habe, der Mann, wo er gestern nachhaus gekommen ist, ... Jiddisch: vos me hot geredt vegn Meshiek, vos (er) vet kumen un makhn a gan-eydn oyf der erd "man hat von dem Messias geredet, der (= daß er) kommen und ein Paradies auf der Erde machen wird" der roymisher prokurator hot gehekhert di stayern, vos Yidn hobn (zey) gedarft tsoln "der römische Prokurator hat die Steuern erhöht, die (=daß) die Juden (sie) haben zahlen müssen" In der hdt. Schriftsprache so auch Attributsätze nach bestimmten abstrakten Köpfen (ALT: Verbalnomina < Verb + daß-Komplementsatz) der Glaube, daß alles besser wird (< man glaubt, daß alles besser wird) mhd. do het er zwivel genuoc, daz in der lewe wolde bestan aber heute auch: im Falle, daß er kommt, ... So auch im Türkischen, s. o. (3); Subjunktor ki "daß" ( < Persisch): � Modifikation im Nachfeld bir zaman gel-ecek ki, insan-lar hür ol-acak INDEF Zeit komm:FUT.3S SUBJ Mensch-PL frei sei:FUT "es wird eine Zeit kommen, da werden alle Menschen frei sein" Pseudo-RelM im Arabischen: Relativkonstruktion asyndetisch: ���"*���������+��������"�#�"9������������������������������"�*�in-3SM Lehrer IND-3SM-schlag:IPF Schüler.PL-3SM "es gibt einen Lehrer, der seine Schüler schlägt"

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*�%���"���+����������������"�#�"9������������������������������"�*�3SM DEF-Lehrer DEF IND-3SM-schlag:IPF Schüler.PL-3SM "das ist der Lehrer, der seine Schüler schlägt" �vgl. ���+������'��%�#�����"ein guter Lehrer" �"���+�������"'��%�#�����"der gute Lehrer" 4. Einkoppelung des Relativsatzes im Dt.: vollständiger Satz, aber

- abhängige Wortstellung - Relativpronomen als Verknüpfung

In vielen Sprachen (s.3) kein autonomes Prädikat � in der Literatur meist: "pronominale Wiederaufnahme" im Englischen Integration durch Lücken ("gap"), vor allem wenn asyndetisch: the man (whom) I saw "der Mann, den ich gesehen habe" auch bei Objekt einer Präpostion ("preposition stranding"): the man I went with (*whom) "der Mann, mit dem ich gesehen habe" Dagegen auch in Sprachen ohne Integrationsmarkierungen wie im Deutschen vollständige Satzstruktur: äg.Ar. )� ��"�'���������"���������������%���"���"��������"�"�'������ ������(�������������gefall:PF-2S DEF-Stift DEF zeig:PF-1S-zu-2S gestern�� "hat dir der Stift gefallen, den ich dir gestern gezeigt habe?" sog. "pronominale Wiederaufnahme"

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24. Vorlesung: Wortbildung I Traditionell: Grammatik: Regularitäten in einer Sprache bim Bilden von Sätzen Lexikon: idiosynkratischer "Rest" Problem aber: Regularitäten auch in der Wortstruktur, außer beim typologischen Extrempol: isolierender Sprachbau Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE vgl. auch im Deutschen: Partikel wie und, ob, auf, in … Motiviertheit in einem semantischen Feld vs. in der Form (morphologische Transparenz): Bindungen, Vernetzungen im System,(kognitive Entlastung!): Feldstrukturen Gebäck FELD I: Wurzel / Stamm als Invariante (Ableitung, Flexion … ) → gebacken, backen, … Backofen, … Bäcker … FELD II: Wortbildungsmuster als Invariante (+ "Füllung" mit Stämmen … ) → Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle … I. Probleme der Form (Morphologie) Probleme der Transparenz typologisch: Ideales Baukastenmodell: Formelement ↔ Inhaltselement Türkisch (Nominales Paradigma): NUMERUS → PLURAL {-ler) KASUS → LOKATIV {- de) ev- „ Haus“ : ev+de „ in (dem) Haus“ , ev+ler „ Häuser“ , ev+ler-de „ in (den) Häusern“ agglutinativer Sprachbau (lat. gluten „ Leim“ ): 1. Artikulation: WORT � M+ M + M+ M + M + .... (M = Morphem) türk. tanı�tırılamadıysanız „ wenn du nicht vorgestellt werden konntest“ � tanı- „ kennenlern:“ + -�- REZIPROK + -tır- KAUSATIV+ -ıl- PASSIV+-ama- IMPOTENTIAL + -di- PRÄTERIT –ys- KONDITIONAL + -anız 2.PLURAL Zusatzproblem: Ausrichtung von erster und zweiter Artikulation: WORT � S+ S + S+ S + S + .... (S = Silbe) NB: Schulterminoloigie vermeiden: "Endsilben" wie –er in Maur + er [�����7�] Grenzfall: Fusioniernde Morphologie mit Segmentierungsproblemen: Haus {Gen.Sg.} vs. Häus-er {*Dat.Pl} ABER Häus- nur PL ! Transparenzproblem ist psynculogisch zugänglich: Tempus Grammatische Form Morphologisch PRÄSENS Ich kauf-e dieses Buch PRÄTERITUM Ich kauf-te dieses Buch

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Unterschiedliche Präferenzen der Segmentierung (Typenprojektion)

- mehr fusionierend: ich kauf-e {PRÄS.1.SG} vs. ich kauf-te {PRÄT.1.SG} - mehr agglutinierend: ich kauf- ∅- {PRÄS} -e {1.SG} vs. ich kauf-t- {PRÄT} –e {1.SG}

Kinderscheibungen (in narrativen Texten, also Indikativ) er ging-e, er gang-e, er lief-e ... WORT � PRÄT-Stamm + PES.Endung {-e} II. Semantische / grammatische Funktion der Wortbildung Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix /Suffix) Wortarten: Stammx + Affixx (dabei x = Nomen, Verb, Adjektiv ...) z.B. Nomen: Deklination Verb: Konjugation Wortarten liegen im Lexikon fest, aber möglich: Wortartenwechsel Hans [verkauf-]V –t Egon ein Auto Die Worte des [[Verkäuf-]V –er-]N –s überzeugten Hans agglutiniernde Morphologie Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-]V –en Seine [Berat-]V –ung-]N überzeugte ihn wir [lauf-]V –en jeden Morgen der [Lauf-]N war anstrengend Konversion die Wiese ist [grün-]ADJ die Wiese ist [grün-]V -t Maximale morpholigsche Transparenz (australische Sprchen) Lexikon (Wurzeln X) + syntaktisch spezialisierte Stammbidlung (Y) + syntaktisch spezialisierte Affixe (Z): WORT � [[ X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y

wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten): z.B. für die prädikative Funktion (d.h. also Verben) Formale Verallgemeinerung: Kategoriales Schema der Wortbildung, in der Symbolsieirung wie Bruchrechnen: A × B = B A in der gleichen Weise mit Variabeln für Wortarten:

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V × N = N V Mit der üblichen Bruchschreibweise (1 / 2 … ): -ung: N/V [schieb-]V × [-ung-]N/V = [Schieb-ung]N Deutsch ist in dieser Hinsicht extrem variabel, Beispiele N / N Kind-lein Linguist-in Bematen-tum Sport-ler N / V Grab-ung Rauf-erei Lackier-er Öffn-er Schmied-e Fall-∅ (Konversion ?!) N / A (das) Schön-e (Konversion ?!) Schlau-heit Apath-ie Bigott-erie V / V fall-en lieb-el-n V / N fall-en (Konversion ?!) bündel-n V / A wach-en (Konversion ?!) A / A dort-ig A / N polizei-lich haar-ig blei-ern instinkt-iv A / V

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rege-∅ (Konversion ?!) brauch-bar find-ig nasch-haft Komplexe Bildungen: z.B. verbal [[[streb-]V -er-]N -n]V Wortbildung durch interne Modifikation ("symbolische" Modifikation, Sapir) vgl. Ablaut im Deutschen: lauf-en vs. lief ... Maximal: Arabisch 1. funktionsinvariant ("Verbalsämme") EINFÜGEN SCHEMA DER 15 BILDUNGSMUSTER 2. Wortartenmarkierung Masdarbildung /Verbalnomen) durch Syllabierung mar. Arab. Wurzel (Radikale) °��9° "krank-" (als semantisches Merkmal)

- verbal {KK�K}���9 "er war krank" - nominal {K�KK}���<9 "Krankheit"

Konversionsproblem: Grenzfall Spachen ohne wortarten, z.B. Mundari Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari - buru - prädikative: (1) „ to heap up“ , (2) „ to hold a fair (usually held on mountains)“ , (3) „ to call something a mountain“ , - complement: „ mountain“ , - �����- prädikative: (1) „ to make a house“ , (2) „ to acquire a house“ , (3) „ to call something a house“ - complement: „ house“ - he - prädikative: (1) „ to answer in the affirmative“ , (2) „ to agree to something“ (3) „ to grant something to someone“ - (Sentence partikel): „ yes“ Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED). Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i�, -e ... ����� -a-i� groß-PRED-1S „ ich bin groß“ lel-jad�-ko-a-e seh:-PRES-3.PL-PRED-3S „ er sieht sie“

Reduktionssilben artikulieren grammatische Morpheme: (K)�(K) Ergebnis des „ germanischen“ Umbaus der ererbten Sprachstruktur (vgl. Latein):

- Subsumption der Wortform unter den (expiratorischen) Akzent, - Verlagerung des Unterscheidungspotentials auf die prominente Silbe (�S )

Neue Vokale (in �S ): [����ç�] „ Bücher“ Komplexe Ränder: glaub(en) < gi.loub- Herbst < her.best (etym. vgl. lat. carp- „ pflücken [ernten]“

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Typologischer Gegenpol: isolierender Sprachbau Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE 2. Artikulation: komplex: segmental × suprasegmental (6 Töne, Glottalisierung ...) NB; Phonologisches Problem (der funktionalen Nutzung), nicht phonetisches Problem, vgl. Tonverläufe im Deutschen: Hans kommt↓ Hans kommt↑ Hans kommt → (wenn wir abfahren) Sprachbau des Deutschen wie Türkischen: 1. Artikulation mit komplexer Morphologie, aber diese ist fusionierend: -� wie in (ich kauf-)��: 1. Sg. Präs. Indik. Aktiv -� wie in (die Boot-)��: Nom. Plur. Von daher auch Segmentierungsprobleme:

- mehr fusionierend: ich kauf – e (PRÄS. 1. SG) vs. ich kauf – te (PRÄT. 1. SG) - mehr agglutinierend: ich kauf –∅ - (PRÄS. ) – (1. SG) vs. ich kauf – t- (PRÄT.) -e (1. SG)

Umbau des Sprachbaus: i.e. Sprachen haben reiche Morphologie, aber Englisch (mehr als konservat. Deutsch) auf dem Weg zum isolierenden Bau Konsequenz: Grammatische Artikulation nicht-morphologisch: Dt. der Hund biß den Mann den Mann biß der Hund der Hund biß den Mann Engl. the dog bit the man the man bit the dog Grammatikalisierung der Wortstellung im Englischen ≠ Deutschen: Englisch S[ubjekt] – V[erb] – O[bjekt] Deutsch V[erb]-zweit (vgl. Vietnamesisch: Phonologisierung der Intonation auf Wortebene!) xxxxx Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen

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Gebäck → gebacken, backen, ..., Backofen, ... Bäcker ... FELD I: Wurzel / Stamm + Ableitung → Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle ... FELD II: Wortbildungsmuster Demgegenüber ikonischer Rest in Äußerungen: backe, backe Kuchen ... (Reduplikation → Intensität ....) Spiel mit Ikonischem: Onomatopoiä xxxxxxx Isolierender Sprachbau (Vietnamesisch, Ewe ...): Keine Morphologie � Semantische Elemente der ersten Artikulation als Wörter artikuliert. Außerdem: Artikulation zweiter Ordnung: Syntax z.B. [ A B C ]Satz � B ist Prädikat des Satzes Deutsch ist eine Sprache mit Morphologie Tempus Grammatische Form Morphologisch (grammatisch) Lexikalisch (isoliert) PRÄSENS Ich kauf-e dieses Buch Morgen kaufe ich dieses Buch PRÄTERITUM Ich kauf-te dieses Buch XXXX Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix (Suffix) Wortarten: StammX + AffixX X = Nomen, Verb, Adjektiv .... Z.B.: Nomen – Deklination Verb – Konjugation

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Wortarten liegen im Lexikon fest Möglich: Morphologisch markierter Wortartenwechsel: Hans [verkauf-]V -t Egon ein Auto Die Worte des [[Verkäuf-]V –er-]N -s überzeugten Hans agglutinierende Morphologie Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-]V -en Seine [Berat-]V ung-]N überzeugte ihn wir [lauf-]V -en jeden Morgen der [Lauf-]N war anstrengend „ Konversion“ die Wiese ist grün-]ADJ die Wiese grün-]V –t Maximale morphologische Transparenz (australische Sprachen) Lexikon (Wurzeln X) + Syntaktisch spezialisierte Stammbildung (Y) + Syntaktisch spezialisierte Affixe (Z) : WORT � [[X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten): z.B. Prädikative Funktion ↔ Verb Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari - buru - prädikative: (1) „ to heap up“ , (2) „ to hold a fair (usually held on mountains)“ , (3) „ to call something a mountain“ , - complement: „ mountain“ , - �����- prädikative: (1) „ to make a house“ , (2) „ to acquire a house“ , (3) „ to call something a house“ - complement: „ house“ - he - prädikative: (1) „ to answer in the affirmative“ , (2) „ to agree to something“ (3) „ to grant something to someone“ - (Sentence partikel): „ yes“ Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED). Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i�, -e ... ����� -a-i� groß-PRED-1S „ ich bin groß“ lel-jad�-ko-a-e seh:-PRES-3.PL-PRED-3S „ er sieht sie“ Anderes Extrem: morphologisch komlexe Wörter zerlegbar in Elemente mit lexikalisch autonomen Eingensachften (Komposition [der Stämme]) Sprachbau: Isolierend ↔↔↔↔ synthetisch ↔↔↔↔ polysynthetisch Viele Spachen ohne Komposition (z.B. Arabisch, alt + neu)

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Deutsch: Komposition produktiv, markiert durch eine spezifische prosodische Kontur:

WORT � �S - °S (�S = prominente Silbe; °S = Reduktionssilbe) Komplexe Wörter hierarchisch: �X - °S ) - (�S - °S )

W

�X

°X

�S °S �X °S

Deutsch: Inkorporation uneingeschränkt bei Nomina: Determinativ-Komposita Schweine-Schitzel Kalbsschnitzel vgl. mit gleichem Interpretationsmuster (!) Jägerschnitzel Possessiv-K. ("bahuvrihi") Dick-kopf Rot-kehlchen Kopulativ-K Hemd-bluse Strumpf-hose Komplexer beim Verb: vorlaufen - er läuft vor trennschleifen – er trennschleift (*er schleift trenn) eislaufen – ?er läuft eis autofahren – er fährt auto (O: Auto fahren – er fährt Auto) staubsaugen - ? er saugt staub (O: er saugt Staub) kegelschieben - ? er schiebt kegel (O: er schiebt Kegel) fotokopieren – *er kopiert foto (er fotokopiert) Rückbildungen: das Laufen > das Eislaufen, das Saugen > das Staubsaugen Verbalnomen > Infinitiv: er will eislaufen, er will staubsaugen ... Felder der verbalen Wortbildung (Ableitung vs. Komposition, "Halbpräfixe" usw.), 25.Vlsg. Inkorporation in polysynthetischen Sprachen: verbaler Charakter unselbständiger Morpheme: Besonders komplex: Eskimo (Fortescue 1984) � - Numerus /Kasus/ Person = Possessiv � NOMEN � - Numerus /Modus/ Person = Aktant � VERB � kann quasi beliebig komplex sein: �Lex1+ Lex2+ ... + grammat. Marker1+ grammat. Marker2+ ...+ grammat. Markern

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� grammat. Markern entscheidet über mögliche Affixe ilinnia-qqik-kiartur-tin-nigar-tu-ssaq lernen-befördern-gehen.und-verursachen-PASS-INTR-PZP.FUTUR � Keine Modusmarkierung, ∅ als Kasusendung = Absolutiv � Nomen "einer der geschickt werden soll, um ihm beim Lernen zu helfen" aliikkus-irsu-i-llammas-sua-a-nira-ssa-gukku Unterhaltung-besorg:-mit-INTRANS-einer-gut.dazu-groß.sein-sagen-FUTUR-1S-3S-KOND � Modusmarkierung, Personal- = Aktantenmarkierung � Verb: "wenn ich sagen sollte, daß er ein guter Unterhalter ist"

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25. Vorlesung: Wortbildung II 24. Vorlesung: Form � Bedeutung: Semasiologie komplementär: Bedeutung � Form: Onomasiologie Onomasiologie: Artikulation von Konzepten: "Sprache denkt vor" � Sprache / "Weltbild", 26. Vlsg. Potentiell inkongruent: Wort formal / konzeptuell

sterben konzeptuell ins Gras

*Blumen beißen *kauen

formal ins Brot beißen

anfangen konzeptuell vom Zaun brechen

formal

einen Streit

*vom Tisch *nehmen Idiom: mehrwortiges (� formal) Wort (� konzeptuell) Invers: Lexikalisierung : mehrkonzeptuelles Wort weißes Pferd: Schimmel schwarzes Pferd: Rappe Komplexität zeigt sich nur in syntaktischen Konsequenzen, nicht an der Form selbst: Schimmel : *schwarzer Schimmel, der Schimmel stand *schwarz am Horizont Formal komplexe Wörter: analytisch transparent 1) Komposita: mehrere Stämme - Inkorporation Haustür, Autotür, Gartentür .... Dickkopf, Rotkehlchen .... 2) Ableitungen (vor allem Suffixe): Stammbildung Kindchen, rötlich, tröpfeln ... (1) oder (2)? (Halb-) Präfixe : Augment (< lat. aug-ee-oo "ich vermehre") hinfallen, hinlaufen, hinschwimmen... megagut, megaschlecht, megadoof, megaout ... Bei Verben: Abtrennbarkeit des Augments (Tmesis [griech. tem-n-oo "ich schneide"]) er fällt hin, er läuft hin, er schwimmt hin ...

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Beispiel Bewegungsverben Satellit Augment (morphologisch)

Kern Stamm (lexikalisch)

Weg: Richtung, Ort ... Fortbewegungsart hin

laufen schwimmen gehen fahren kommen

weg

laufen schwimmen gehen fahren kommen

vor(an)

laufen schwimmen fahren gehen kommen

Deutsch: Verbal artikuliert: Bewegungsart Satellitenartikuliert: Weg Gegentyp: Spanisch (Talmy, 1985) verbal artikuliert: Weg, Komposition nur beschränkt nutzbar: Art artikuliert evtl. duch syntaktische Satelliten die Flasche schwamm in die Höhle / der Mann ging ins Haus la botella entró a la cueva (flotando) / el hombre entró a la casa die Flasche schwamm aus der Höhle / der Mann ging aus dem Haus la botella salió de la cueva (flotando) / el hombre salió de la casa die Flasche schwamm an der Höhle vorbei / der Mann ging an dem Haus vorbei la botella pasó por la cueva (flotando) / el hombre pasó por la casa die Flasche schwamm weg von der Höhle / der Mann ging weg von dem Haus la botella se fué de la cueva (flotando) / el hombre se fué de la casa die Flasche schwamm zur Höhle zurück / der Mann ging zu dem Haus zurück la botella volvió a la cueva (flotando) / el hombre volvió a la casa die Flasche schwamm durch die Höhle / der Mann ging durch das Haus la botella cruzó la cueva (flotando) / el hombre cruzó la casa extremer noch: Arabisch Lexikalisierung: Konzeptuell: Faktorisierung Formal: morphologisch ± analytisch (Gegenteil: fusioniert)

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Bewegungsverben (Talmy): spanisch

Figur Bewegung Weg Grund Art Verursachung Verb entrar Satellit (flotando)

deutsch

Figur Weg Bewegung Art Grund Verursachung Verb schwimmen Satellit hinein

andere Lexikalisierungsmuster

Figur Weg Bewegung Art Verursachung Grund Verb werfen Satellit hinein

Lexikalisierung der Figur (vgl. engl. to go) der Mann geht in das Haus der Hund *geht in das Haus das Auto *geht in die Garage

Weg Figur Bewegung Art Grund Verursachung Verb gehen Satellit hinein

Ökonomie der Spracharchitekur je komplexer die Lexikalisierung – je umfangreicher das lexikalische Inventar "Selektionsbeschränkungen": z.B. blond / gelb ein *blondes Auto, eine *blonde Blume ... Problem der Fachsprachen: [von Tieren] klaftern, schnüren, wechseln ... "verdeckte" Beschränkungen Schimmel [� weiß], *schwarzer Schimmel Verbalcharakter: Hans sah (zufällig, *absichtlich) Emma auf der Promenade � VORGANG Hans beobachtete (zufällig, absichtlich) Emma auf der Promenade � HANDLUNG Hans schlief gestern fünf Stunden (lang) � (nicht perfektiv) vgl. *Hans schlief plötzlich Hans schlief gestern fünf Stunden (lang)*ein � PERFEKTIV Hans schlief plötzlich ein Problem der nicht-monotonen Bedeutungserschließung: stolpern [PERFEKTIV], aber Hans stolperte gestern fünf Stunden lang durch den Wald � ITERATIV laufen [nicht perfektiv] Hans lief plötzlich � Zustandsänderung: er konnte plötzlich laufen

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Satelliten ändern den Verbalcharakter ("Aktionsarten") laufen: NICHT PERFEKTIV Emma lief gestern fünf Stunden um den Rubbenbruchsee *Emma lief gestern fünf Stunden lang los Emma lief gestern fünf Stunden lang hin (und sechs Stunden zurück) s. Aspektmarkierungen im Russischen: so produktive analytische Ressourcen (Aspekt im Russischen grammatikalisiert ≠ Deutsch) Valenzänderung als Szenario-Perspektivierungen: er lud Heu auf den Wagen (Grund: Wagen) er belud den Wagen mit Heu (Grund: Heu) er warf Bücher nach ihm (Grund: andere Person) vgl. engl. to throw er bewarf ihn mit Büchern (Grund: Bücher), vgl. engl. to pelt Diese Perspektivenänderungen waren schon in der XY Vorlesung besprochen (Kasusmarkierung, Definitheitsmarkierung u.s.w.). In Hinblick auf die steuernden Veränderungen in der Wortbildung des propositionalen Kopfes spricht man hier auch von Applikativen: insbesondere bei semantisch leeren Präfixen wie be - , gewissermaßen eine Diathese-Variante. Im Deutschen sind diese applikativen Modifikationen schwach produktiv: Sie erlauben es durch die Inkorporation einer Präposition, das dadurch sonst in der Peripherie regierte Nomen im Kern der Satzbasis als Aktant zu artikulieren, während der Default-Nebenaktant dafür in der Peripherie artikuliert wird, vgl. er klebt ein Pflaster Farbe über die Wunde er überklebt die Wunde mit einem Pflaster Diese Strukturmuster können aber ihrerseits passiviert werden, vgl. über die Wunde wird von ihm ein Pflaster geklebt die Wunde wird von ihm mit einem Pflaster überklebt Sekundäre Spezialisierungen: Emma *lernt (> lehrt) Hans Französisch arab. °)�� °: )����"��"er weiß", )�����"��"er hat gelehrt" (= macht wissen, Kausativ), ��")�����"��"er hat gelernt" (= ist gelehrt worden, Passiv bzw. hat sich gelehrt, Reflexiv ), Definition von Produktivität: innerhalb der Grenzwerte: MAXIMUM: universal im Lexikon � Flexion MINIMUM: (einzel)wortgebunden � Lexikalisierung häufig, evtl. mit regulärer Verteilung, vgl. Feldbildungen: alogisch, amusisch, anomisch, anormal, amoralisch, amorph ... produktiv auch für Neubildungen,

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s.o. mega- : megacool, *schnock � megaschnock megaedel, ?megagedämpft, ?megatapfer, ?megaaufrichtig, megatransparent (Bluse, ?Overheadfolie … ) Übergangszone Syntax / Lexikon Isolierende Sprachen haben nur syntaktische Ressourcen: Satellit = Präposition Chines. píng-zi pi�o guò shí-tóu páng-bi�n Flasche schwimm: vorbei Fels Seite "Die Flasche schwamm an dem Feld vorbei" Spezialisierung der Satelliten in den germanischen Sprachen, auch wo Etymologie bei Präpositionen noch transparent: I [ran out] of the house ich rannte (heraus) aus dem Haus russ. Ja -����� iz doma vgl. russ. Ja -���� v dom "ich rannte in das Haus (hinein)" Wo Sprachen keine komplexe Wortbildung erlauben, syntagmatische Modifikation: Koverben im Arabischen losgehen: er ging los, ägypt. ���(����$��weiteressen: er aß weiter, ägypt. t�����#�'�� Sprachbaudifferenzen: Wo "Inkorporationsmöglichkeiten" bestehen, "Exkorporation" als Vordergrundmarkierung: Kaddo (Kaliforien) +���"#�"+��'"�*�Pulver-3S-find:-PRÄT "er fand etwas Pulvriges" %�+�$�+���"#�"+��'"�*�Salz Pulver-3S-find:-PRÄT "er fand etwas Salz" �

Der Mann rannte zurück in den Keller hinunter Span. el hombre corrió a-l sótano el hombre volvió a-l sótano corriendo (� zurück) el hombre bajó a-l sótano corriendo (� hinunter) el hombre entró a-l sótano corriendo (� hinein)

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26. Vlsg. Grammatik und Denkstruktur, RE: Tempus und Aspekt 1. Ausgangsüberlegung: Grundbegriffe

1. Artikulation - Inhaltsseite Interpretation/ Bedeutung 2. Artikulation - Ausdrucksseite Phonologie (Schrift)

(1) ermöglicht Ausdruck von Inhalt Sprachliche Form (2) beschränkt mögliche Inhalte

Gegenstand: Grammatikalisierung Eine Formbestimmung F einer Äußerung in einer Sprache Si ist GRAMMATIKalisiert,

- wenn F notwendig in einer Äußerung in einer Sprache Si ist - wenn F „ arbiträr“ ist: F ⊂ Si ≠ F ⊂ Sj.,

ist grammatikALISIERT - als Ergebnis eines historischen Umbauprozesses in einer Sprache Si .

Analyse von Sprachstruktur: Sprachliche Form (gebunden an Si) vs. außersprachliche Randbedingungen (Bedingungen für das Sprachlernen / Funktionieren der Sprachpraxis) SPRACHSTRUKTUR RANDBEDINGUNGEN 2. Artikulation: diskrete Representation der Zeichen (segmental vs. suprasegmental)

physiologischer Apparat (biologisch): Artikulation / Perzeption

1. Artikulation: Lexikalisierung Verdichtung von festen Zeichen (direkte Interpretation)

kognitive Ausstattung (biologisch) : - Gedächtniskapazität - Inferenzmechanismen

kommunikative Steuerung („ universal“ ): - Kooperation - Kontrollmechanismen sonst

1. Artikulation: Grammatikalisierung Analytische Auflösung: Faktorisierung der Zeichen in Elemente (indirekte Interpretation: Kombinatorik)

- Morphologie: Komplexe Wörter - Syntax: (Komplexe) Sätze

soziale Institutionalisierung (kulturspezifisch) - Tradition - gesellschaftliche Instanzen

Sprache ist ein Zeichensystem (keine kausale Verknüpfung mit dem Bezeichneten) ≠ Anzeichen (Husserl) Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen Grammatikalisierung: „ Kalte“ Strukturen vs. "warme" Strukturen kalt insbes. bei ikonischen Strukturen: z.B. Abfolge in der Äußerung (im Text) spiegelt Abfolge der Ereignisse Grammatikalisierte Strukturen

- unterschiedlich warm : Sprache "denkt vor" - ABER: Sprache instrumental: grammatische Struktur kann "überschrieben" werden

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grammatische Bedeutung: Default-Interpretation Weltbildproblematik (Whorf: "sprachliches" Zeit-Denken bei Hopi und Europäern[Standard Average European]) Wdh. grammatikalisierte Zeitmarkierungen Tempus- vs. Aspektsysteme Tempus: deiktisch, Äußerung interpretiert durch Verankerung in der (sprach- /äußerungs-externen) Zeit: Fixpunkt ist die Äußerungszeit (� Satz / satzmodal) Aspekt: Konturierung der Textstruktur (sprachintern � Satzbasis / propositional); aber nutzbar für die Artikulation relativer Zeitinterpretation (Taxis) Von beidem zu trennen: lexikalisierte Zeitmarkierungen – als feste Wörter (gestern, morgen … ) oder auch morphologisch isoliert: Aktionsartenmarkierung. Übergangszone zur Grammatik:

- Aspekt als Stammbildungskategorie (Russisch, s. Vlg. XY), - temporal spezialisiertes Verb im komplexen Prädikat (arab. kaana "sein" als temporale

Markierung einer Periphrase) 1. Tempus (deiktisch):

t0 Zeit (t) x = ti (ti < t0) x = tj(tj > t0) x = tk(tk < tj) Äußerung Tempus-Fenster Taxis-Fenster 1. Aspekt (Textperspektivierung): Äußerung Vordergrund (PF) Taxis: vor Taxis: nach Hintergrund (IPF) Perfektiv: Perspektive auf ein Ereignis als abgeschlossenes (schließt an vorangehendes und folgendes an (� Taxis) Imperfektiv: Hintergrundsfolie für Ereignisse (� evtl. mit Binnenperspektive des Ablaufs) Beispiel: Vergleich Deutsch (Tempussystem: Präteritum vs. Nicht-Präteritum) und marokkanisches Arabisch (Aspektsystem: Perfektiv vs. Imperfektiv)

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(aus Colin, Chrestomathie marocaine, Paris 1955) Marokkanisches Arabisch ASP Deutsch TEMP 1 )��+"���4�)�+��

bei-1PL Regel.S (¬¬AKT) bei uns ist es eine Regel, daß, ¬PRÄT

2 �"���"������������������������$�"%�(+��

in-wo-SUBJ bau:PF.3SM INDEF-ein $�"9��<�%"����/��������INDEF-Haus und-nicht nur Zimmer %"����(����"�%����

und-nicht bis-Hütte

PF wenn jemand ein Haus gebaut hat, oder nur ein Zimmer, oder sogar nur eine Hütte,

PERF (¬PRÄT)

3 (���'�"�"'����wann IND.HAB-3SF-fertig.sei:IPF

IPF wenn das fertig ist, ¬PRÄT

4 '�"�")���������������������������������+���

IND.HAB-3SM-mach:IPF Festessen �"��"�)����"�� für-DEF-Handwerker-PL

IPF dann macht er für die Handwerker ein Festessen

¬PRÄT

5 %"�")�<�9�������������������)��"�����"��

und-3SM-einlad:IPF zu-Nachbar.PL-3SM IPF und er lädt seine Nachbarn ein, ¬PRÄT

6 �"�'�"�����������(����"*����

3-ess:IPF-PL bis-3.PL IPF daß auch sie essen (kommen). ¬PRÄT

7 '���������������%�(+"�<"�<�����

sei:PF.3SM IN-DEF-Mann �"��%��<������������������ )�"�(���PZP-benachbart.sei: mit Jha

PF (VORZ)

es war (einmal) ein Mann (, der war) benachbart mit Jha

PRÄT

8 %"�����������������������0��*�

und-bring:PF.3SM Gott PF und Gott hatte es so gefügt, PLQPF

(PRÄT) 9 +�'"�<"�<��������������)��

DEM-DEF-Mann sammel:PF.3SM $�"���#��"��INDEF-Geld.DIM-PL

PF daß dieser Mann ein paar Groschen zusammengebracht hatte

PLQPF (PRÄT)

10 %"��������������������%�(+"9"9��<��+�+"��und-bau:PF.3SM IN-DEF-Haus neu-F

PF und ein neues Haus gebaut hatte. PLQPF (PRÄT)

11 �*��<�'���"���

Tag fertig.sei:PF-3SF PF (An dem) Tag, an dem es fertig

geworden war, PLQPF (PRÄT)

12 )�<�9�����������������)��"���"���������������(��einlad:PF.3SM zu-Nachbar-3SM Jha

PF lud er seinen Nachbarn Jha ein, PRÄT

13 �"�������������������������"$����������������9"9��<��

3SM-komm:IPF 3SM-seh:IPF DEF-Haus IPF+IPF (SUBJ)

daß er das Haus anzusehen komme, (KONJ)

14 '��"�$����"*�#���

wie-INTER-3SF (¬¬AKT) wie es sei, (KONJ)

15 %�$���#��"��%"���������������

ob gut-F und-nicht nein (¬¬AKT) ob es schön sei oder nicht. (KONJ)

16 ������������������������(��

komm:PF.3SM Jha PF Jha kam PRÄT

17 %"�4��'�"�"�������"9"9��<��und fortsetz:PF.3SM DUR-3SM-spazier:IPF >�0�%")��<9�%"�����%"$����

Länge und-Breite und-rechts und-links

PF+IPF und spazierte ausdauernd durch das Haus, in der Länge und Breite, nach rechts und links,

PRÄT

18 %"��"$���"$���und-NEG-riech:PF.3SM-NEG* ��("�"��"��'�"� Geruch-F.KS-DEF-Essen-F

PF und er roch den Essensduft (auch noch) nicht,

PRÄT

19 (�����%2��������������������������"���"��"�� bis ankomm:PF.3SM zu-DEF-Zimmer- DEF-Wasser

PF als er bei der Toilette angekommen war;

PLQPF (PRÄT)

20 )�+�9��<��"���"�9"9��<� dann wend:PF.3SM in-Herr-DEF-Haus

PF da wendete er sich an den Hausherrn PRÄT

21 %"4����������������������"���und-sag:PF.3SM zu-3SM

PF und sagte zu ihm: PRÄT

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22 *�+������+��"��������������"*���������"�����

DEM.F mach:PF-2S zu-3SF DEF-Tür �+#��"*���9%�#4"�����������������von-3SF eng.DIM-F sehr

PF "Bei dem hier hast du die Tür ein bißchen sehr schmal gemacht!"

PERF

23 4�������������������"���

sag:PF.3SM zu-3SM PF er sagte zu ihm: PRÄT

24 %"'��"�$��und-wie-was

(¬¬AKT) "Wieso das denn? ---

25 �������$�"�"+1������������������"*������/���%�(+��NEG FUT 3SF-eintret:IPF zu-3SF nur einer

FUT +IPF

Es wird da nur einer eintreten!" FUT

26 4�������������������"������������(��

sag:PF.3SM zu-3SM Jha PF Jha sagte zu ihm: PRÄT

27 %"�����/�"����und-wenn woll:PF-2P

PF "Und wenn ihr wollt ¬PRÄT

28 �"+�1��"���"��+���

2-hinein.tu:IPF-PL DEF-Tisch IPF den Eßtisch hineintragen, (INF)

29 '���/�+���"+��"���wie FUT 2-mach:IPF-PL

FUT +IPF

was werdet ihr machen, FUT

30 ��������/�"��"$���

wenn NEG woll:PF-2P-NEG* PF wenn ihr nicht wollt, ¬PRÄT

31 +�'��>">���������������{RS}��"��"4�����DEM DEF-Schüssel{RS} 3SM-PASS-dreh-IPF

IPF daß die Schüssel runterfällt?" ¬PRÄT

32 RS

����������"*���DEF.REL in-3SF

(¬¬AKT) die darauf ist, ¬PRÄT

33 )�+����"�9"9��<�������*�� � da Herr-DEF-Haus versteh:PF.3SM ��"��)�"� DEF-Bedeutung-F

PF Da verstand der Hausherr die Bedeutung (dessen),

PRÄT

34 )�"�$�����'�"�"��)����"�������������(� zu-was IND-3SM-bedeut:IPF Jha

IPF was Jha ihm zu verstehen gab. PRÄT

35 4�������������������"������������

sag:PF.3SM zu-3SM PF Er sagte zu ihm: PRÄT

36 ��%�+�"���

VOK-Kind-1S --- "Ah, mein Freund, ---

37 *�"���/������"��

PRÄS-1S nur vergess:PF-1S PF daß ich das vergessen habe! PERF

(¬PRÄT) 38 �"�")$�#��)��+"����

in-DEF-Nachmittag bei-1P %�(+"9"9#����+#��"'���"�"9��< IN-DEF-Mahl von-Beendigung-DEF-Haus

(¬¬AKT) Heute nachmittag (gibt es) bei uns das Festessen der Hausvollendung.

(¬PRÄT)

39 %"�<�"�����������/�+���"2��>��������������<�"'��

und-PRÄS-1S FUT 1S-schick:IPF nach-2S FUT +IPF

Ich werde dich dann holen lassen, FUT

40 (����"��"���"�����weil 3SM-komm:IPF DEF-Leute

IPF weil, wenn dann die Leute kommen ¬PRÄT

41 �/�"��"'�

möchte:PF-1P-2S PF möchten wir von dir, ¬PRÄT

42 �"$��<��������������(���"����"4+��"�'�2S-beehr:IPF Ort-1P mit-Gegenwart-2S

IPF daß du unseren (Wohn-)Ort beehrst."

¬PRÄT

43 )�+�49����������������������(���"/��<�9� da erreich:PF.3SM Jha DEF-Ziel

PF Da hatte Jha die Absicht erreicht, PLQPF (PRÄT)

44 ����������������'����

DEF.REL sei:PF.3SM '�"�"��)�������������������"��

DUR-3SM-zeig:IPF zu-3SM

PF (VORZ) + IPF

die er ihm (die ganze Zeit) gezeigt hatte

PLQPF (PRÄT)

Grundlegend: Szenariotypen (vom Kopf der Propostiion "projiziert"): [± dynamisch]

Page 116: Utz Maas Sprachbau des Deutschen (Vorlesung SS 01 ... · PDF filethe man bit the dog ... i-Ton xx xxx murder beefs ... Ich sah Hans nachhause gehen nachhause gehend überlegte Hans

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[- dynamisch] ohne interne Zeit (primär nicht verbal?), nur extern situierbar: Osnabrück ist eine Stadt in Niedersachen Osnabrück hat einen Dom Derartige Propositionen in vielen Sprachen nicht verbal artikuliert (> Nominalsätze). Sie können aber auf ein zeitliches Intervall beschränkt werden, das dann zeitlich verortet werden kann: Vor zehn Jahren lag Osnabrück noch an der Hase ... [+ dynamisch] spannt eine interne Zeitstruktur auf, die dann wieder auf ein zeitliches Intervall abgebildet werden kann: er ist am laufen, er war am laufen ... (am V-en: DURATIV; PROGRESSIV) er ergreift die Hand, er hat die Hand ergriffen (er-V: PERFEKTIV ..) Diese Struktur ist in den semitischen Sprachen primär (in den synthetischen Formen grammatikalisiert) – die externe temporale Situierung geschieht in der Periphrase mit kan, allerdings auch mit einer Futurpartikel /�+�, die zunehmend in die Verbform inkorporiert wird (z.B. 29). Aber damit liegen nur Möglichkeiten für die Artikulation eines Textes vor – was in diesem mit diesen Formen gemacht wird, ist eine andere Frage. So in diesem Beispiel die für eine narrative Struktur primäre Artikulation von Vorder- / Hintergrund. Vgl. hier die [- dynam] nominalen Strukturen: (1 – im Dt. auch wiederzugegen als "Wir haben eine Regel, daß ..."). Dabei kann aber die aspektuelle Differenzierung auch auf einer Ebene genutzt werden: z.B. Imperfektiv im Vordergrund in Verbindung mit einer Indikativ-Markierung (z.B. 4 '�"�")���– hier in Verbindung mit einer Habitualis-Bedeutung). Insofern ist die hier illustrierte Artikulation von Vorder- / Hintergrund durch die Aspektmarkierungen nur eine erste vergröbernde Annäherung. Bei einer Feinanalyse muß für jede Text-Nute bestimmt werden, welche Kontraste dort möglich sind (vgl. auch Kap. XY Neutralisierung in Konditionalgefügen u. dgl.). Aber es ist auch so deutlich, daß mit einem solchen grammatischen System eine narrative Struktur anders "vorgedacht" ist als bei einem Temporalsystem wie dem deutschen (s. Berman / Slobin 1994).