UV-Lacke nach Maß

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JOT 6 | 2003 40 gen und verdeckten Bereichen lassen sich meist nicht wirtschaftlich und voll- ständig aushärten. Dort, wo UV-Licht nicht in ausreichender Intensität auf- trifft, härtet der Lack nicht aus. Aus der Literatur ist bekannt, dass große Kon- zerne an UV-Klarlacken für die Auto- mobilindustrie arbeiten. Eine solche Praxisanwendung ist mir allerdings noch nicht bekannt. Wir hingegen set- zen eher auf die Beschichtung kleiner Bauteile mit hoher Stückzahl. Es heißt, dass sich kräftige Gelb- und Orangetöne nur schlecht mit UV-Lacken realisieren lassen. Gleiches gilt für matte Ober- flächen. Gibt es inzwischen Lösungsansätze? Grundsätzlich schneiden UV-Lacke hier schlechter ab als beispielsweise lösemittelhaltige Lacke. Das ist nach wie vor so. Die Photoinitiatoren, also jene Substanzen, die die Polymerisati- on unter UV-Bestrahlung einleiten, absorbieren vor allem im gelben und orange-roten Wellenlängenbereich. Das behindert die Aushärtung. Doch auch hier geht die Entwicklung weiter. Durch neue Rohstoffentwicklungen und neue Lackrezepturen sind in die- sem Farbtonbereich Problemlösungen möglich. Matte UV-Lacke lassen sich durch Walzen realisieren. Für das Heißspritzverfahren gibt es vielver- sprechende Ansätze, mit denen man mattere Oberflächen erreichen kann. An diesen Themen wird mit Hoch- druck gearbeitet. Gibt es weitere Herausforderun- gen? Selbstverständlich. Wir verfügen inzwischen über eine breite UV-Lack-Palette, werden durch unse- re Kunden aber immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. So gibt es beispielsweise noch Haftungs- und Beständigkeitsprobleme, wenn ver- schiedene Metalle in einem Aggregat verbaut und mit UV-Lack beschichtet werden sollen. Aber – wir entwickeln weiter. Tim Schröder K eine Frage: UV-härtende Lacke sind unerhört schnell. Sie verfes- tigen sich innerhalb von Sekunden; eine einzigartige Eigenschaft, die die Substanzen vor allem für Fließband- produktionen mit hoher Stückzahl geeignet macht. Der Lackierprozess dauert oftmals inklusive Aushärtung nur knapp eine Minute und ist damit so schnell, dass er sich in die Fließ- bandproduktion einklinken lässt – die Lackierung läuft „in line“ ab. UV-Lacke wurden in der Vergan- genheit vor allem zur Veredelung von Holzoberflächen genutzt. Erst seit knapp zehn Jahren gibt es Rezepturen, die auch auf Metalloberflächen haften. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre begann die Schiemann-Industrielacke GmbH & Co KG in Hannover mit der Entwicklung von UV-Lacken für Metalloberflächen. 1994 kam der Durchbruch: Das Unternehmen brach- te als erste deutsche Firma für einen Automobil-Zulieferer einen UV-Lack zur Beschichtung von Hydraulikventi- len auf den Markt. 1994 haben Sie erstmals ein Seri- en-Produkt mit UV-Lack beschich- tet. Wo stehen Sie heute? Der Markt für UV-Lacke ist stetig gewachsen. In diesem Jahr wird sich der Anteil der UV-Lacke an unserem Gesamtumsatz erstmals auf etwa 25 Prozent belaufen – nach den lösemittel- haltigen Lacken mit rund 40 und den Hydro-Lacken mit rund 30 Prozent. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Die Lackierung mit UV-Lacken ist verglichen mit anderen Systemen deut- lich wirtschaftlicher: Sie spart Platz, Zeit und Energie. Eine herkömmliche Anlage für Lösemittellacke beispiels- weise benötigt inklusive Abdunst-, Einbrenn- und Kühlzone rund 180 Quadratmeter, die UV-Anlage gerade mal 12 Quadratmeter. Da beim UV- Lack Abdunsten sowie Kühlung ganz entfallen und die direkte UV-Strahlung sehr effektiv ist, spart man eine Menge Energie. Die Verarbeitung erfolgt in der Regel im Hochdruck-Spritzverfah- ren, bei dem sich der Overspay auffan- gen und wieder verwerten lässt. Da die Substanzen nicht flüchtig sind, bleibt der Lack unverändert. Er ist damit recyclingfähig und bietet theoretisch eine hundertprozentige Ausbeute. Das macht das UV-Lackieren interessant und den noch deutlich höheren Lack- Preis schnell wett. Der größte Vorteil liegt aber sicher in der extrem schnellen Trock- nung. Richtig. Wo es auf schnelle Taktra- ten und hohe Stückzahlen ankommt, eignet sich das Verfahren besonders. Etwa die Hälfte unserer UV-Lack-Pro- duktion geht an die Autozulieferindu- strie. Inzwischen existieren Lacke, mit denen sich Bremstrommeln und - scheiben, Gehäuse von Elektromoto- ren, Dieselpumpen oder diverse Umform- und Gießereiprodukte beschichten lassen – je nach Bedarf kratzfest, korrosions- oder lösemittel- beständig. Unser Labor stellt dafür Lacke nach Maß her. Auch für die Endloslackierung von Rohren eignet sich das Verfahren besonders gut – bei Bandgeschwindigkeiten von bis zu 150 Metern pro Minute liegt die Aushärte- zeit unter einer Sekunde. Trotz der Vorteile machen die UV-Lacke bisher nur ein Viertel Ihres Umsatzes aus. Es gibt also Grenzen? Sicher – einfach deshalb, weil sich für bestimmte Anwendungen her- kömmliche Verfahren besser eignen. Große Bauteile mit Hinterschneidun- UV-Lacke nach Maß Die Industrie setzt zunehmend UV-Lacke ein. Dietbert Korge, Technischer Leiter bei Schiemann- Industrielacke in Hannover, zieht im folgenden Interview eine Zwi- schenbilanz und gibt einen Aus- blick auf künftige Entwicklungen. LACKE

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gen und verdeckten Bereichen lassensich meist nicht wirtschaftlich und voll-ständig aushärten. Dort, wo UV-Lichtnicht in ausreichender Intensität auf-trifft, härtet der Lack nicht aus. Aus derLiteratur ist bekannt, dass große Kon-zerne an UV-Klarlacken für die Auto-mobilindustrie arbeiten. Eine solchePraxisanwendung ist mir allerdingsnoch nicht bekannt. Wir hingegen set-zen eher auf die Beschichtung kleinerBauteile mit hoher Stückzahl.

Es heißt, dass sich kräftige Gelb-und Orangetöne nur schlecht mitUV-Lacken realisieren lassen.Gleiches gilt für matte Ober-flächen. Gibt es inzwischenLösungsansätze?

Grundsätzlich schneiden UV-Lackehier schlechter ab als beispielsweiselösemittelhaltige Lacke. Das ist nachwie vor so. Die Photoinitiatoren, alsojene Substanzen, die die Polymerisati-on unter UV-Bestrahlung einleiten,absorbieren vor allem im gelben undorange-roten Wellenlängenbereich.Das behindert die Aushärtung. Dochauch hier geht die Entwicklung weiter.Durch neue Rohstoffentwicklungenund neue Lackrezepturen sind in die-sem Farbtonbereich Problemlösungenmöglich. Matte UV-Lacke lassen sichdurch Walzen realisieren. Für dasHeißspritzverfahren gibt es vielver-sprechende Ansätze, mit denen manmattere Oberflächen erreichen kann.An diesen Themen wird mit Hoch-druck gearbeitet.

Gibt es weitere Herausforderun-gen?

Selbstverständlich. Wir verfügeninzwischen über eine breite UV-Lack-Palette, werden durch unse-re Kunden aber immer wieder vor neueHerausforderungen gestellt. So gibt esbeispielsweise noch Haftungs- undBeständigkeitsprobleme, wenn ver-schiedene Metalle in einem Aggregatverbaut und mit UV-Lack beschichtetwerden sollen. Aber – wir entwickelnweiter. Tim Schröder

Keine Frage: UV-härtende Lackesind unerhört schnell. Sie verfes-

tigen sich innerhalb von Sekunden;eine einzigartige Eigenschaft, die dieSubstanzen vor allem für Fließband-produktionen mit hoher Stückzahlgeeignet macht. Der Lackierprozessdauert oftmals inklusive Aushärtungnur knapp eine Minute und ist damitso schnell, dass er sich in die Fließ-bandproduktion einklinken lässt – dieLackierung läuft „in line“ ab.

UV-Lacke wurden in der Vergan-genheit vor allem zur Veredelung vonHolzoberflächen genutzt. Erst seitknapp zehn Jahren gibt es Rezepturen,die auch auf Metalloberflächen haften.Bereits zu Beginn der 1990er Jahrebegann die Schiemann-IndustrielackeGmbH & Co KG in Hannover mit derEntwicklung von UV-Lacken fürMetalloberflächen. 1994 kam derDurchbruch: Das Unternehmen brach-te als erste deutsche Firma für einenAutomobil-Zulieferer einen UV-Lackzur Beschichtung von Hydraulikventi-len auf den Markt.

1994 haben Sie erstmals ein Seri-en-Produkt mit UV-Lack beschich-tet. Wo stehen Sie heute?

Der Markt für UV-Lacke ist stetiggewachsen. In diesem Jahr wird sichder Anteil der UV-Lacke an unseremGesamtumsatz erstmals auf etwa 25Prozent belaufen – nach den lösemittel-haltigen Lacken mit rund 40 und denHydro-Lacken mit rund 30 Prozent.

Wie erklären Sie sich diesenErfolg?

Die Lackierung mit UV-Lacken istverglichen mit anderen Systemen deut-

lich wirtschaftlicher: Sie spart Platz,Zeit und Energie. Eine herkömmlicheAnlage für Lösemittellacke beispiels-weise benötigt inklusive Abdunst-,Einbrenn- und Kühlzone rund 180Quadratmeter, die UV-Anlage gerademal 12 Quadratmeter. Da beim UV-Lack Abdunsten sowie Kühlung ganzentfallen und die direkte UV-Strahlungsehr effektiv ist, spart man eine MengeEnergie. Die Verarbeitung erfolgt inder Regel im Hochdruck-Spritzverfah-ren, bei dem sich der Overspay auffan-gen und wieder verwerten lässt. Da dieSubstanzen nicht flüchtig sind, bleibtder Lack unverändert. Er ist damitrecyclingfähig und bietet theoretischeine hundertprozentige Ausbeute. Dasmacht das UV-Lackieren interessantund den noch deutlich höheren Lack-Preis schnell wett.

Der größte Vorteil liegt aber sicherin der extrem schnellen Trock-nung.

Richtig. Wo es auf schnelle Taktra-ten und hohe Stückzahlen ankommt,eignet sich das Verfahren besonders.Etwa die Hälfte unserer UV-Lack-Pro-duktion geht an die Autozulieferindu-strie. Inzwischen existieren Lacke, mitdenen sich Bremstrommeln und -scheiben, Gehäuse von Elektromoto-ren, Dieselpumpen oder diverseUmform- und Gießereiproduktebeschichten lassen – je nach Bedarfkratzfest, korrosions- oder lösemittel-beständig. Unser Labor stellt dafürLacke nach Maß her. Auch für dieEndloslackierung von Rohren eignetsich das Verfahren besonders gut – beiBandgeschwindigkeiten von bis zu 150Metern pro Minute liegt die Aushärte-zeit unter einer Sekunde.

Trotz der Vorteile machen die UV-Lacke bisher nur ein ViertelIhres Umsatzes aus. Es gibt alsoGrenzen?

Sicher – einfach deshalb, weil sichfür bestimmte Anwendungen her-kömmliche Verfahren besser eignen.Große Bauteile mit Hinterschneidun-

UV-Lacke nach MaßDie Industrie setzt zunehmend UV-Lacke ein. Dietbert Korge, Technischer Leiter bei Schiemann-Industrielacke in Hannover, ziehtim folgenden Interview eine Zwi-schenbilanz und gibt einen Aus-blick auf künftige Entwicklungen.

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