€¦ · V o r w o r t. Die Aufgabe der historischen Erforschung Pompey’s ist eine doppelte:...
Transcript of €¦ · V o r w o r t. Die Aufgabe der historischen Erforschung Pompey’s ist eine doppelte:...
Pemp ej an i s oh e B e i tr ag e
Augu st Man
iM i t d r e i T a f e l n
B e r 1 i n
Druck und Verlag von G. Re im e r
1 879
V o r w o r t.
Die Aufgabe der historischen Erforschung Pompey’s ist eine
doppelte : erstens,die Entstehungszei t aller irgend wichtigen Ge
baude zu bestimmen,ihre ursprüngliche Gestalt festzustellen
,die
Späteren Veränderungen genau zu verfolgen und auch ihnen ihre
Zeit anzuweisen ; zweitens , in j edem einzelnenFalle die Ursachen ,die historischen Bedingungen zu erkennen
,aus denen der Bau
oder Umbau hervorging . Nur so kann das reiche hier vorliegende
und täglich wachsende Material seine volle V erwerthung finden .
In H. Nissen’s zum Theil auf Grund von Vorarbeiten R . Schöne’s
bearbeiteten Pompej a_nischen Studien zur Städ tekund e des Alter
tums “ (Leipzig 1 877 ) sind beide Theile der Aufgabe rustig in
Angriff genommen worden,und wir dürfen dem Verfasser dafur
dankbar sein : nur so war es moglich,den ganzen Umfang der
selben und den dabei zu erzielenden Gewinn in grossen Zügen
darzulegen und der weiteren Detailfo rschung die Wege zu weisen .
Diese aber ihrerseits darf nicht in gleicher Weise verfahren ;sie darf sich nicht der Gefahr aussetzen
,die ganze Forschung da
dur ch zu d iscred itiren,dass ihr irgend welche Vorgänge a ls mit
der historischen Entwickelung in Uebereinstimmung , vielleicht als
hochst bedeutsam für dieselbe erscheinen,nachher aber der Sach
verhalt si ch als ein ganz anderer herausstellt . Verschiedene
Capitel Nissen’s,z . B . die uber den V enustemp el und die Basilica ,
mogen das gesagte erläutern : nicht j eder kann durch gleiche
Vorzüge solche Mängel aufwiegen . Wenn die Resultate der
grundlegenden Lo ca lfo rschung von verschiedenen Seiten geprüft
und dieselbe zu einem gewissen Abschluss gelangt sein wird,
Vo rwo rt .
dann wird es Zeit sein,einmal wieder an die hi storische Ver
werthung derselben zu gehen .
Die folgenden Beiträge beschranken sich daher auf sorgsame
Erforschung des Tha tbes tand es und. dessen,was sich unmittelbar
aus demselben,in Verbindung mit den feststehenden historischen
Da ten,ergiebt . Nissen
’s„Studien “ gaben den Anlass zu ihrer
V eröffen tlichunw0 ,sie wurden vermuth lich später und in durch
gearbeiteterer Gestalt erschienen sein , wenn ich nicht die Ver
pflichtung gefuhlt hätte , baldigst das meinige zu thun , um den
Fachgenossen ein begrund etes Urtheil uber ein s o wi chtiges
Werk zu erm oglichen und von den zahlreichen Irrthüm ern d es
selben di e hauptsächlichsten zu berichtigen,wozu ich durch
anhaltende und genaue Betrachtung der Ruinen Pompej i’s hin
längli ch befähigt zu sein glaubte .
Der Werth des N issen ’
schen Werkes soll durch diese Berich
tigungen nicht herabgesetzt werden . Wer j e mit Forschungen
dieser Art sich abgab,der weiss
,dass Dinge
,welche
,einmal
wahrgenommen,auf der Oberflache zu liegen scheinen , sich doch
häufig erst nach anhaltender und wiederholter Betrachtung dem
geübteren Auge offenbaren . Manches sah auch ich erst , nachdem
mir durch die Sch öne -N is sen’
schen Untersuchungen der Blick
geschärft war. In Betreff der Messungen lehrt erst die Erfahrung ,
wie schwer es ist,dieselben in gro s serer Anzahl vorzunehmen ,
ohne dass si ch Fehler einschleichen .
Auch meine Arbei t i st durch die stets bereite Gefa lligkeit
der Beamten der Ausgrabungen in j eder Weise erleichtert und
gefordert worden . Ihnen allen,sp eciell dem Director , Herrn
M . Ruggiero,der mir durch eigens zu diesem Zweck vo rgenom
mene Ausgrabungen die genauere Erforschung der Basilica er
m öglichte , ferner den S oprastanti Cav. Andrea Fraia und Camillo
Lembo und meinem Freunde A . Sogliano sei hiermit öffentlich
der wärmste Dank ausgesprochen .
Pompey,1 . September 1 879 .
A. Man.
I n h a l t.
Se i te
Capitel I . A l l g e m e i n e s
1 . Die b ish erigen E rm i ttelungen uber Alterskriten en
Wandd eco rationen
Netzwerk
Der gelbe Tu ff
Röm i s ches und o skische s Ma ss
Capitel I I. E i n ä l t e s t e s B a u w e r k
Capitel III. K a l k s t e i n a t r i e n
Capitel IV . D e r V e n u s t em p e l
Capitel V. D i e S t a b i a n e r T h e rm e n
Capito l VI . S e p t a
Capitel VII . D i e B a s i l i c a
Capitel VIII . E i n i g e d e r B a s i l i c a g l e i c h z e i t i g e B a u t e n
1 . Der Jup itert emp el
2 . Die ä l testen Thei le d es gro ssen Thea ters
3 . Thurme,Mau e1 und Th o re
V I II Inha lt .
Capitel IX. D i e e r s t e n B a u t e n d e r r ö m i s c h e n C o l o n i e
l . Die Fo rum stherm en
2 . Der Aescul aptemp el
3 . Po rta Marina
Cap ito l X . Z u r E n t fe s t i gu n g s fr a g e
Capitel XI . C h r o n o l o g i e d e r B a u t e n ö s t l i c h v o m F o r u m
Capitel I .
A l l g e m e i n e s .
1 . Die bisherigen Ermittelungen uber Alterskriterien .
Welches sind die Kennzeichen,nach denen wir das Alter
pompejanischer Gebäude bestimmen,verschiedene Epochen in
der Baugeschichte der Stadt unterscheiden können ? Die Beant
wo rtung dieser Frage versuchte zuerst Giuseppe Fiorelli in seiner
den pompejanischen Studien eine neue Richtung weisenden Schrift :
G l i S c a v i d i P o m p e i d a l 1 8 6 1 a l 1 8 7 2,R e l a z i o n e a l M i
n i s t r o d e l l a I s t r u z i o n e p u b b l i c a,N a p o l i 1 8 73
,wo die
betreffend en Abschnitte sich 8 . VII— XI II und. 78— 86 finden .
Na ch ihm zerfallen die Gebäude Pompej i’s in drei Gru ppen,
entsprechend der o skischen,samnitischen und römischen Periode .
Der ersten Periode,cha rakterisirt durch die ausschliessliche
Verwendung d es Kalksteins ( p i e t r a d i S a rn o ) , gehören vonöffentlichen Monumenten nur der alte Tempel des Forum trian
gulare und die ältesten Theile der Mauern und Thore,von Priva t
häusern die von Nissen Cap . XX,S . 397 ff. behandelten Kalk
s teina trien an . Und zwar unterscheidet Fio relli innerhalb dieser
Periode zwei C onstructio nsa rten,den Quaderbau und das von
Nissen pa ssend so genannte Ka lks teinfa chwerk : letzteres gehört
nach ihm auch der ersten Periode an,steht aber schon auf der
untersten Grenze derselben .
Die zweite Peri ode wird charakteris irt durch die Verwendung
des Tuff’s p i e t r a d i N o c e r a ) und durch den Säulenbau . Aussereiner ansehnlichen Zahl öffentlicher Gebäude (8 . X . XI) gehörenihr die sta ttlichen Privathäuser mit Tufffaca d én an , endli ch die
M a n, p o m p ej a n B e rt ra g e 1
2 Capite l I .
o beren,nach Fiorelli j ungeren Theile der Mauern samm t den
Thürm en .
Alles ubrige , cha rakterisirt durch häufigere Verwendung
vulcanischer Materialien vom Vesuv, geh o rt der letzten , römischen
Periode an .
La ssen wir die Combina ti on der Baugeschichte mit den drei
Perioden der politi s chen Geschichte Pompej i ’s bei Seite,s o is t
anzuerkennen,dass die beiden wichtigsten Gruppen pompej a
mischer Gebäude,welche ohne Zweifel j ede eine bestimmte Periode
aus der Sta dtgeschichte rep räsentiren ,von Fi orelli vollkommen
richtig erkannt sind . Freilich aber is t seine Charakteristik dieser
Gruppen nicht erschöpfend und wohl in Folge dessen sind bei
der auf seinen Tafeln (R e l a z i o n e t . II . III . IV) versuchten Zu
theilung zahlreiche Irrthüm er begegnet , und e s haben sich ihm
daher Resultate ergeben,welche n icht haltbar sind .
F io relli’
s Charakteri stik der beiden ältesten Gruppen i st von
H . Nissen ( p o m p ej a n i s c h e S t u d i e n z u r S t a d t e k un d e d e sA l t e r t h um s
,Leipzig 1 877) namentli ch in 4 Punkten beri chtigt
worden (S . 34
1 . Ka lksteinqua d erbau und Ka lksteinfa chwerk d urfen zeit
lich nicht getrenn t werden : in den vollkommensten Beispielen
dieser Gruppe sind sie untrennbar verbunden .
2 . Die erste Gruppe verwendet als Bindemittel durchweg
nicht Kalkmörtel,sondern Lehm . Erst durch diese Entdeckung
lernen wir die Technik des Ka lksteinfa chwe rks verstehen : der
Lehm konnte seiner Natur na ch keinen cons tructiven Werth
haben ; er diente nicht, wie der Kalkmörtel, die Mauer zusammen
zuhalten,s ondern sie dicht zu ma chen
,die Fugen zwischen d en
Ste inen_
zu füllen . Das Zusammenhalten der Mauer beruht viel
mehr auf der Art wie zwischen dem aus Quadern bestehendenFachwerk die der Ziegelform sich nah ernd en kleineren Steine
geschichtet sind : mehrfa che Beispiele,wo der Lehm sich in Staub
auflö st,beweisen
,da ss auch ohne ihn die Mauer allenfalls stehen
konnte .3 . Der Kalkstein war nie ausschliesslich im Gebrauch
,
namentlich i st Tuff schon in der a ltesten uns erkennbaren Zeitangewandt worden : die mit Ausnahme der Cap itelle aus Tuff
bestehenden Reste des dorischen Tempels bewe isen dies unwid er
A llgeme ines . 3
sp rechlich . Damit fa llt auch Fio relli’s Annahme , dass die Stadtmauer
ursprünglich nur 3 — 4 Meter hoch gewesen und erst in der zweiten
Periode durch Tuffqua d ern erhöht worden s ei . Diesen vo n Nissenangeführten Beispielen alten Tuffbaue s kann ein drittes
,besonders
evidentes hinzugefügt werden,welches namentlich den Tuff
quaderbau zum Ka lksteinfa chwerk in chronologi sche Beziehung
setzt : der im Sudwestwinkel der vierzehnten Insel der siebenten
Region erhaltene grosse monumentale Brunnen aus Tuffquad ern ,von dem weiterhin (Cap . II) die Rede sein wird , seine Anteri0 1 ität
gegenüber der über ihn hingebauten Fa chwerkm aue 1 der c a s ad e l l a r e g i n a d ’
I n g h i l t e u a (No . 5 ) unte1 liegt keinem Zweifel .
4 . Ka lksteinquad e 1 n wu1 d en auch in de1 Zeit de1 zweiten
Gruppe (der „Tuffp erio d e
“
) nach Nissen auch noch später
für die stark belasteten Wandpfosten um die Atrien verwandt
so finden sie sich durchweg in den grossen Häusern der Tuff
periode . Fio re lli’
s Annahme,als sei hier j edesmal ein a lter
Kern durch spätere Anbauten erweitert worden,i st unhaltbar.
Was sich aus diesen Berichtigungen,im Verein mit allge
m eineren Erwägungen , für die älteste Gestalt, für die Grundungsgeschichte der Stadt ergiebt, kann hier übergangen werden : in
Betreff der weitgehenden Folgerungen , welche Fiorelli a n die
Zahl und V ertheilung der ältesten Ka lksteinhäus er geknupft ha t ,is t bei Nissen alle s n öthige gesagt worden.
Es ist richtig (Nissen S . dass sich fur den Bruch steinbau
mit Ka lkm o rtel ( o p u s in c e r t um ) nicht wohl bestimmte Alterskriterien feststellen lassen
,dass aber im Allgemeinen für die
äl tere Zeit eine vo rzüglichere Technik unter Anwendung kleiner
Steine,gleichmässigeres Material
,mit Vorliebe Lava (Nissen
S . 5 7 und besserer Mörtel (a . a . O . S . 4 3) charakteristisch ist .Ein einigermassen geübtes Auge wi rd d a s Incertum der Tuffperiode meist mit ziemlicher Sicherheit von dem späterer Zeiten
unterscheiden : e s kann z . B . an der Basilica und an den j ungerenTheilen der Stadtmauer
,namentlich auch den Thürm en östlich
vom Herculanerth o r,mit Bequemlichkeit stud irt werden . N ament
lich der Mörtel,welcher meist durch beigemischte Lavabrocken
schwarz punktirt erscheint , ist durchaus charakteristi sch . InPrivathäusern is t besonders häufig in den unteren Theilen aus
schliesslich Lava , weiter oben andere Steinarten , unter denen
4 Capite l I.
entweder der Kalkstein oder die C ruma vo rwiegt , angewandt .Ganze Mauern aus Ka lksteinincertum gehören im Allgemeinen
einer späteren Zeit an ; ein annähernd d a tirba res Beispiel ausälterer Zeit bietet die Mauer
,welche den Peribolos des Venus
tempels von der S t r a d a d e l l a M a r i n a scheidet . Ob sie den
ofi"
enba r der B lüthe der Tuflzeit angehörigen Pfeilern,in welche
sie an der Thur und an der Ecke d es Forums endigt , gleich
zeitig ist,kann wohl nicht mit Sicherheit ausgemacht werden .
Soviel aber steht fest,dass nach dem Bau derselben der Eck
pfeiler am Forum theilweise beschädigt und seine oberen Steine
nach Osten (gegen das Forum) verrückt wurden , dass dann vonder F o rum seite durch Abm eisseln der in Folge dieser Verrückung
vorstehenden Theile eine ebene Fläche hergestellt und auf diesedie p r o g r am m a t a a n t i q u i s s im a C . I . L . IV
,35 . 36 gemalt
wurden . Andererseits finden wir das vo rzuglichs te Lava incertumin d en unteren M auerth e ilen des sogen . Pantheon (nach NissenMa cellum) , dessen Bau nach Nissen
’s sehr wahrscheinlicher An
nahme in die Jahre 1 4— 1 9 n . Chr . fa llt .
Ziegel sind in dieser Peri ode für die Mauern nur ganz aus
nahm sweise verwandt worden : s o fur die Front der Ba silica
gegen d a s Forum ; dass es mit den Ziegelpfo sten der Süd thürd esselben Gebäudes eine andere B ewand tniss hat , werden wir
weiterhin sehen . Ziegelsäulen aus dieser Zeit finden wir eben
falls in der Basilica,ferner im zweiten Peristyl der c a s a d e l
F a u n o,welches schwerlich
,wie Nissen meint
,in römischer Zeit
hinzugefugt worden ist . Vielmehr weist a lles da rauf hin,dass
die c a s a d e l F a u n o in ihrem gegenwärtigen Umfange auf ein
ma l,und zwar in der Tuffp e rio d e , erbaut worden ist : die Nord
westecke,aus Kalksteinquadern bestehend
,kann kaum einer
anderen Zeit angehören . Wesentlich gleichzei tig ist die c a s a
d e 1 L a b e r i n t o,wo ebenfalls die Säulen des P eristyls aus
Ziegeln bestehen : auch dies Haus is t auf einmal in seinem
j etzigen Umfang erbaut worden . Für Thurpfo sten und die Pfeilerum
’
s Atrium wurden regelmässig Kalksteinquadern verwandt.
Aus Tuffqua d ern bestehen die Pfosten des nörd lichen Eingangesder Basilica ; s ie finden sich an den Hausein gängen natürlich da
,
wo für die Faca de derselbe Stein verwandt i st. M örtelschich ten
zwischen den Kalksteinquadern sind häufig,während in anderen
A l lgeme ines . 5
Fa llen die Quadern s o genau auf einander passen,dass ein Binde
mittel nicht consta tirt werden kann . Aus solchen Unterschieden
auf zeitliche Verschiedenheit zu schliessen,i s t kein genügender
Anhalt vorhanden . Es kann als Regel gelten,dass Thürpfo s ten
und Ecken aus ziege lförm ig zugehauenen Kalk und Tuffsteinen
dieser Periode fremd sind ; einige vereinzelte Beispiele dieser in der’
folgenden Periode ganz allgemein verbreiteten C onstructionsweisewerden sich uns weiterhin wenigstens als sehr wahrscheinlich
erg eben .
Durch diese Kennzeichen konnen wi r eine bedeutende Anzahl pompejanischer Gebäude aus der ganzen Masse ausscheiden .
Offenbar rep räsentiren sie eine wichtige und verm uthlich nicht
kurze Periode der Baugeschichte,innerhalb deren die Stadt eine
gründliche Umgestaltung,einen umfassenden Neubau erfahren
haben muss. Wa s Nissen S . 3 1 ff. über den Flickbau der Pom
p ej aner sagt , gilt für die grösseren Bauten dieser Periode nur
in sehr beschränkter Weise . Ohne Zweifel war der Platz derBasilica
,der Stabianer Thermen früher von Häusern eingenommen :
aber nicht der mindeste Rest alten Mauerwerks ist für diese
umfassenden Anlagen verwandt worden . Dasselbe gilt von den
grösseren Privathäusern,der c a s a d e l F a un o
,der c a s a d i
P a n s a,der c a s a d e l t o r o (V, 1 , dem Haus des L . Ca ecilius
Jucund us (V, 1 , den Palästen der Insel VII,4 ( c a s a d e
’
c a
p i t e l l i c o l o r a t i u . s . hier überall i st erst vollständig auf
geräumt und dann von Grund auf neu gebaut worden . Beim Bau
der c a s a d e l L a b er i n t o ist für das Nordende der Ostmauer
die Front eines alten Hauses benutzt worden ; sonst ist auch hier
alles aus einem Guss . Alle vorrömischen öffentlichen Gebäude,
mit Ausnahme des dorischen Tempels , des alten Brunnens der
Insel VII,1 4 und der älteren Theile der Stadtmauer
,tra gen den
deutlichen Stempel dieser Peri ode : auch die Thürm e,wenigstens
der Mehrzahl nach,und die innersten Theile der Thore . Wir nennen
diese Periode von Fiorelli als samnitis che Zeit bezeichnet
nach Nissen’s Vorgang die Tufi‘
p erio d e , d a die Verwendung dieses
Steins zu Facad en und Säulenhallen fur s ie charakteristisch i st .Es ist sodann von Schöne (Q u a e s t i o n um P o mp e i an a
r um s p e c i m e n,L ip sia e wiederholt bei Nissen
,pompej .
Studien S . 1 32 ) auf eine Gruppe öffentlicher Gebäude aufmerk
6 Ca p i te l I .
sam gemacht worden,welche durch ahnlich e C ons tructio nsart
si ch al s zeitlich zusammengehörig erweist,und den Anfängen der
römischen Colonie angehört : d a s Amphitheater,das t h e a t r u m
t e c t u m,die F o rum stherm en . Charakteristi sch für diese Bauten
i st ein dem Reticula t sich annäherndes Mauerwerk wir
können es Qua sireticula t nennen aus Lava,mit Eckpfosten
entweder aus Ziegel (Theater , F o rumsth erm en) oder aus ziegelförmigem Haustein (Amphitheater) . Von zwei weiteren
,di eser
Zeit angehörigen Gebäuden soll weiterhin ( Capitel VIII ) dieRede sein .
Dies sind die Gruppen,welche bisher als zeitlich zusammen
gehörig aus_der ganzen Masse haben ausgeschieden werden
können,n ämlich : 1 . die sicher oder muthm a sslich vor die Zeit
der Ka lkste ina trien fallenden Bauten : der Tempel auf dem Forum
tri angulare,der Brunnen v n
,1 4
,die alten Theile der Stadt
mauer ; 2 . die Ka lksteina trien ; 3 . die Gebäude der Tufi‘
perio d e ;
4 . einige Bauten der ersten Zeit der C ol onie,und end li ch 5 . alles
was Später entstanden ist . Wenn gewisse , besonders neu aus
sehende Bauten,namentlich solche
,die noch nicht vollendet
waren,der letzten Zeit
,nach dem Erdbeben von 63 n . Chr .
,zu
gewiesen werden,wenn sonst für einzelne Bauten eine Da tirung
möglich ist,s o handelt es sich mehr um Indi cien , di e sich aus
dem einzelnen Fall ergeben,als um allgemein anwendbare
Kriterien .
2 . Wanddecorationen .
Ein wichtiges Alterskriterium ist bisher nicht ausgebeutet
worden : die Decoration der Wände Die Punkte , auf welche
es hier ankommt,sind folgende :
Die älteste der uns vorliegenden Deco ra tion sarten (Basili ca ,c a s a d i S a l l u s t i o
,c a sa d e 1 F a un o ) ahmt eine Wandbeklei
dung mit farbigem Marmor s o nach,dass sowohl die Marmor
Meine darauf bezuglichen Untersu chungen finden s ich im G i o r n a l ed e g l i S c a v i d i P o m p e i
,N u o v a S e r i e , Bd . H
,S . 386 ff .
,4 39 ff. , und wer
den demnä chs t durch eine im Auftrage d es deu tschen arch äo lo gisch en In s ti tutsers che inende , m rt d en n o thigen Ta fe ln versehene Darste l lun g zuganghcher ge
ma cht werden .
Allgeme ine s . 7
platten mit Fugenschnitt als auch die sie trennenden Gesimse
namentlich ein selten fehlendes mit Zahnschnitt auch in p la stischer Stuckarbeit dargestellt werden . Die in diesem Stil ausgeführte Decoration der Basilica bestand schon im Jahre 78 v . Chr .
,
in welchem C . P um id ius Dip ilus seinen Namen und die der Con
suln des genannten Jahres darauf schrieb (C . J . L . IV,
Der zweite Deco ra tions stil ahmt theils ebenfalls eine Ma rmor
bekleidung nach,aber nur durch Malerei
,ohne plastische Stuck
arbeit,theils schmückt er die Wände mit Architecturm a lere i
,von
der Cha rakterisirung einzelnerWandglied er Gesimse,Sockel
bis zur Darstellung ganzer Gebäude,P o rtiken u . dgl . C la ssisch e
Beispiele sind die c a s a d e l L ab e r i n t o und das Haus d es Germanions auf dem Palatin (Visconti und Lanciani , G u i d a d e lP a l a t i n o
,S .
Der dritte Stil,dessen Entstehung man einer Reaction gegen
die Ausartungen des vorigen zuschreiben möchte,giebt die archi
tectonische Cha rakterisirung der einzelnen Wand the ile ganz auf
namentlich an die Stelle der horiz ontalen Gliederungen (obererVorsprung des Sockels
,Gesimse) treten einfa che Ornam entstreifen
die Wand giebt sich einfach als mit Ornamenten zu d eco rirend eFläche . Nur in der Mitte derselben erscheint mit Vorliebe ein
zur Aufnahme eines als Tafelbild gedachten Gemäldes bestimmtes,
baldachinartiges Gerüst. Die Fa rbenstimmung und das System
der fla chgema lten Ornamente , die Abneigung gegen M o d e llirung ,unterscheiden diese Wände auf das bestimmteste von denen der
letzten Zeit. Eine derselben tragt einen Graffito aus dem Jahre
1 7 n . Chr . (C . I . L . IV,
Es is t wahrscheinlich,dass um
die Zeit des Erdbebens (63 n . Chr .) dieser Stil schon nicht mehrüblich war (Bu l l . d . Inst . 1 874
,S . 1 4 1 Beisp iele : d a s Haus
d es M . Spurius Mesor (VII, 3 , 29) und d a s kürzlich ausgegrabenedes L . Caecilius Iucundus (V, 1 ,
Die ganze übrige Masse gehört im wesentlichen den letzten
Jahrzehnten Pompej i’s an .
Suchen wir nun diese De co ra tio nsa rten mit den bisher gefund enen Gruppen älterer Gebäude in V erbindung zu setzen
,s o
handelt es si ch wesentlich um die erste Manier. Diese steht ineiner unverkennbaren
,schon früher (G i o r n . d . s c . d . P o m p . a . a . O .
S . 4 4 4 ; vgl . Nissen S . 5 7) hervorgehobenen Beziehung zu den Ge
8 Cap ite l I .
bauden der zweiten Gruppe Fio relli’
s, der Tuffperio d e Nissen
’s .Nur ganz a usnahmsweise , z . B . in der Basilica
,findet sie sich
auf Ziegeln . Das j üngste da tirba re Beispiel bietet wahrscheinlich
der aus sullanis cher Zeit s tammende Ae sculap temp el ; im übrigenhaben die Bauten aus der ersten Zeit der C ol onie Forums
thermen,kleines Theater
,Amphith eater keine Spur derselben
bewahrt . Dagegen war das kleine Theater vermuthlich von
Anfang an im zweiten Stil gemalt : wir dürfen als o wohl an
nehmen,dass auch dieser sch on in sullanischer Zeit üb li ch war.
Und wenn wir nun das im reinsten Re ticula t,mit Eckpfeilern
aus ziegelfo rm ig behauenem Tuff erbaute Haus
des Germanicus auf dem Palatin in diesem Stil ausgemalt finden,
wenn wir weiter (S . 1 0) finden , dass gleiches Mauerwerk es war
nach V itruv in seiner , der Zeit d es Augustus , allgemein üblich
geworden auch in Pompej i wahrscheinlich in diesem Stil be
malt war,s o werden wir wohl nicht allzusehr irre gehen
,wenn
wir annehmen,dass er von der sullanischen Zeit bis in die erste
Zeit des Augustus im Gebrauch blieb .— '
Für den dritten Stil bleibt
dann die erste Kaiserzeit bis etwa zum Jahre 5 0 n . Chr . übrig .
Uebrigens i st klar , dass die Decoration für die Ents tehungszeit der betreffenden Mauer stets nur die untere Grenze giebt
,
d a ihr j a eine andere vorhergegangen sein kann,dass also der
Werth der späteren Deco ra tionsa rten fur die Zeitbestimmung der
Bauten geringer ist als der der früheren . Andererseits freilich
ist zu beachten,dass in Privathäusern
,wo einst eine ältere
Decorati on vorhanden war, sich meist in irgend einem Winkel ,einer vernachlässigten Kammer
,ein Rest derselben erhalten ha t.
Fehlen also in einem einheitlich d eco rirten Hause solche Reste,
so mögen wir e s immerhin mit einer gewissen Wahrscheinli chkeit,
wenn nich t Gegenind icien vorliegen , der Zeit d es betreffenden
De co ra tionsstils zuweisen .
3 . Netzwerk .
Neben dem Incertum tritt seit den Anfangen der romischenC o l onie
,zuerst in unvollkommener Gestal t
,dann vollig ausge
bildet das Netzwerk auf (Nissen S . 5 8 ohne doch j e eineausgedehnte Verbreitung zu erlangen oder gar das Incertum zu
1 0 Capite l I .
d a s Haus des Germanicus auf dem Pala tin im schönsten und
sorg fältigsten Reticula t aus Tuff erbaut , mit Stuck bekleidet und
im zweiten pompej anischen Sti l ausgemalt . Der Reticula tbauwar nach dem Zeugnisse V itruv’
s zu seiner Zeit,der Zeit des
Augustus,allgemein übli ch geworden : er mag als o in der letzten
Zeit der Republik aufgekommen sein ; eben damals musste die
Zeit j ener Deco ra tionsweise sich stark ihrem Ende nähern . Wäre
also hier die Decorati on nicht gleich von Anfang an in Aussicht
genommen sondern in einer spätern Periode , auf Grund veränd erter Geschmacksrichtung
,hinzugefügt worden
,s o würde sie
sicher in einem andern Stile gehalten sein . Und wer möchte
auch glauben,dass man in Rom zur Zeit des Augustus oder kurz
vorher in einem durchaus nicht ärmlichen Hause die nackten
Tuffwänd e geduldet habe ? Mag man also die verschwendete
Mühe noch so unbegreifli ch finden,in diesem Falle lässt si ch
das Factum nicht bezweifeln .
Es kann aber auch für P omp ej r derselbe Beweis fast mit
gleicher Evidenz geführt werden . Das grosse mehrstö ckige Haus
nördli ch der s c u o l a a r c h e o l o g i c a (VI i n s . o c c i d . 2 4 ) ist in
Reticula t erbaut , mit Eckpfeilern aus ziege lfo rm igem Tufi‘
stein,
und im dritten De co ra tionsstil ausgemalt . Es lässt sich j edoch
nachweisen,dass dies nicht die erste Decoration des Hauses ist :
in der Rückwand des Mittelraumes im Mittelst ock ist ein grosses
Fenster mit unregelmässigem Incertum,in der Nordwand des
nördlichsten Zimmers desselben Stocks eine Thür mit grobem
Ka lkste inreticula t zugesetzt worden , beides bevor die Decorati on
dritten Stil s gemacht wurde . Auf der Nordwand des Mittel
zimmers konnte an einer Stelle,wo der Stuck abgefallen war ,
am 1 4 . August 1 878 con sta tirt werden,dass unter der Decorati on
dritten Stil s Reste einer älteren vorhanden sind. Im Allgemeinenzwar scheint nur die grobe Unterlage erhalten zu sein , doch
war ziemlich in der Mitte der Nordwand ein kleiner Rest eines
schwarzen Sockels si chtbar . Im nördlichsten Zimmer ist die
Wand mit Ziegeln belegt und auf diesen die Decoration dritten
Stils ausgeführt . Unter den Ziegeln is t die Wand mit Sand stuck
bedeckt,auf dem eine dunne Lage weissen
,nicht besonders sorg
fältig bearbeiteten Stucks liegt . Letztere ist unter den Ziegeln
zwecklos : vermuth lich haben wir auch hier einen Rest einer
Allgeme in es . 1 1
a lteren Decoration zu erkennen . Da nun eine Decorati on,welche
der dritten Stil s vorherging,wahrscheinlich der Zeit des zweiten
,
spätestens den Anfängen des d ritten Stils angehört haben wird,
s o können hier , d a das reine Reticula t doch schwerlich für
Pompej i wesentlich älter anzusetzen sein wird,a ls für Rom (das
Ha us liegt ausserdem auf der ehemaligen Stadtmauer) , ziemlichdieselben Betrachtungen angestellt werden
,wie in Betreff des
pa la tinischen Hauses .
Damit ist Nissens erstes Argument fa ctisch widerlegt . Die
eingelegten Muster beweisen,wo sie sich
,was meistens der Fall
,
auf der Aussenseite der Gebäude finden,doch nur für diese
,und
auch s o nur für den j edesmal vorliegenden Fall . Und dasselbe
gilt von den Inschriften,welche ausserdem aus der Zeit stammen
können,wo der Bau unvollendet
,oder vollendet aber noch nicht
getüncht war. Ind ess s ol l nicht bestritten werden,dass man auf
der Aussenwand gelegentlich den Bewurf sparte und sich mit der
durch d a s Netzwerk hergestellten glatten Oberfläche begnügte .Eingelegte Muster finden sich z . B . in dem eben besprochenen
mehrstöckigen Hause,wo sie durch Cruma stücke hervorgebracht
werden,welche in da s aus Tuff bestehende Reticula t eingestreut
sind : besonders deutlich is t das auf der Nordwand des derStrasse zunächst liegenden Raumes . Nun ist freilich dieser Raum
ein Garten,und es könnte deshalb eher j emand geneigt sein zu
glauben,die Mauer sei ursprünglich bestimmt gewesen roh zu
bleiben . Die Möglichkeit mag zugegeben werden,obgleich es
kaum wahrscheinlich ist,dass man zur Zeit des zweiten oder
dritten Deco ra tionsstils in einem grossen und offenbar ohne Spar
samkeit erbauten Hause von der zwei Jahrhunderte hindurch zu
verfolgenden Sitte,auch die Ga rtenwänd e gleich den Zimmer
wänden zu d eco riren,abgewichen sein sol lte . Einen unw id er
sprechlich en Beweis giebt uns a ber eines der j üngsten Häuser
Pompej i ’s . In derselben Insel macht das Haus No . 36 durch die
vollkommene Erhaltung des Mauerwerks den Eindruck spa ter
Entstehung. An der Front und an den Thürpfeilern i st in aus
gedehnter Weise Backstein verwendet,dazwischen aber sind die
eigentlichenWandflächen sorgfältig gearbeitetes Netzwerk aus Tuffmit reihenweise eingelegten C ruma stucken ,
s o dass auch hier
Muster ents tehn . Rechts und links vom Atrium sind beide Seiten
1 2 Cap ite l I .
der Mauern,auch gegen die Z immer
,auf diese Art behandelt
es ist eine anerkannte Sache,dass diese Bauart j ünger is t als d a s
der ersten Kaiserzei t angehörige Reticula t mit Eckpfeilern aus
Tufi‘
ziege ln. Je j ünger nun aber das Haus is t,um s o unglaub
licher ist e s,dass die Decoration im letzten pompej anischen Stil
,
welche in den Zimmern am Atrium erhalten ist und nach sicheren
Spuren auch uber dieses selbst sich erstreckte,ein nachträglicher
Zusatz,nicht von Anfang an beabsichtigt gewesen sein sollte
,
zumal es auch hier sich um ein ziemlich grosses und j edenfalls
reiches Haus handelt : es kann als sicher gelten,dass geräumige
und regelmässige Atrien,wie wir es hier finden
,wenigstens in
der letzten Zeit nur in wohlhabenden Häusern angelegt wurden .
Es is t mithin ganz unzulässig , aus derartigen Mustern Fol
gerungen zu ziehen,wie sie Nissen gezogen hat : in ihnen zeigt
sich nur j ene Freude an sorgfältiger und zierlicher Arbeit,welche
allein die Herstellung von Reticula tmauern wie die im Hause
des Germanicus ermöglichen konnte. Und da wir auch den In
schriften keine zwingende Beweiskraft zuerkennen konnten , s o
wird nicht einmal für die Aussenwände die von Nissen aufge
stellte Regel allgemeine Geltung beanspruchen konnen .
Noch weniger glaublich aber erscheint dieselbe in Betreff
des dem Re ticula t nur sich nähernden M auerwerkes . Das unter
1 aufgeführte Arg ument findet hier nur eine beschränkte An
wendung : zwar ist mehr Mühe aufgewandt als nothwendig ge
wesen wäre,aber doch nicht in dem Grade wie beim eigentlichen
Netzwerk,und“ namentlich ist eine glatte Oberfläche nicht vor
handen,und stosst das Haften des Stucks auf keine Schwierig
keit . Inschriften zeigt hier nur d a s Amphitheater , und es ist
recht wohl denkbar,dass in Anbetracht der bedeutenden Kosten ,
welche die Stuckbekleidung eines s o um fanglich en Ba ues ver
ursachen musste,man ihn langere Zeit so stehen liess . Dass
aber die Nacktheit der Mauern in der Intention der Erbauer
gelegen habe,für eine solche Annahme liegt kein Grund vor,
und noch weniger darf aus diesem vereinzelten und zweifelhaften
Fall eine allgemeine Regel abgeleitet werden . Ein eingelegtes
Muster findet sich über dem Eingang der F o rum sth erm en : überdie geringe Beweiskraft solcher Muster ist schon ge smo ch en
worden ; ferner handelt es sich auch hier um eine Aussenwand
Allg eme ines . 1 3
und wurde also selbst im gunstigsten Falle fur die Innenwände
nichts bewiesen sein . Es ist aber dies Qua s ireticula t mehrfach
auch für Innenwände verwandt worden : im Eingang der Forums
thermen,in dem Gange
,der ebenda aus dem Apodyterium zum
Heizraum führt,in den B o ttegen ebenda und im Ae sculap temp e l .
Diese Art Ma uerwerk gehört der ersten Zeit der römischen Coloniean (Schöne , Q u a e s t . P o m p . s p e c .
,S . 9
,Nissen S . 1 32 ; in Betreff
d e s Ae sculap temp els s . weiter unten Cap . VIII) , einer Zeit , welchea uf die B lüthe d es ersten Deco ra tionsstils folgte
,wo also vermuth
lich alle öffentlichen Gebaud e sicher z . B . die Basilica (auch auf
der Aussenseite) , der V enus temp e l mit dem Peribolos (auch hierdie Aussenseite nicht ausgenommen) und di e Stabianer Thermen ,höchst wahrscheinlich a uch der Jupitertempel
,ferner alle einiger
massen ansehnlichen Privathäuser die sehr zahlreichen Reste
lassen darüber keinen Zweifel j ene sorg fältige , stilvolle und
namentlich für grössere öffentliche Gebäude durchaus angemessene
Deco rati on zeigten . Da ss nun damals eine Zeit,welche mit beden
tenden Mitteln grosse Ba uten in’s Werk setzte,es ertragen haben
sollte,diese trotz der Annäherung an das Netzwerk recht rohen
Wände so nackt stehen zu lassen,i st unglaublich
,am unglaublich
sten in Betreff der Innenwände des Tempels . Aber a uch für d ie zu
den Fo rum sth erm en gehörigen,an zwei Haup ts tra s sen liegenden
Läden e s se i hier bemerkt,dass di e mühevolle Decoration
der ersten Periode auch in den Läden angebracht wurde : Reg .
VII ins . 2 n . 1 7,
und für den Eingang der Thermen selbst isteine solche Annahme unzulässig . In Betreff der Aussenwände
der Thermen und des kleinen Theaters könn te m an allenfa lls
zustimmen,wenn nur irg end ein zureichender Grund vorläge
um eine Abweichung vom gewöhnlichen,der Stuckbekleidung ,
anzunehmen : dass eine solche in dem über der Thür der Thermen
angebra chten Muster nicht gefunden werden darf,wurde schon
bemerkt .
Entscheidender aber als diese allgemeinen Betrachtungen ist
der Gegenbeweis,welcher für den Aesculap temp el genau so wie
für d a s Haus des Germanicus,nur in noch zwingenderer Weise
geführt werden kann . Von der Wand d eco ra tio n di eses Tempelsist j etzt nichts mehr erhal ten
,doch wa ren wenigstens von der
j enigen der Nordwand ansehnliche Reste noch zur Zeit Ga u ’s
1 4 Cap itel 1 .
vorhanden ; sie sind von ihm gezeichnet und abgebildet bei M a zo isBd . IV
,Taf. 4 : ein ziemlich hoher S ockel
,dann ein schmaler
dunkler Streifen und uber diesem imitirte Ma rm o rbekle idung in
stehenden,abwechselnd breiten und schmalen Rechtecken
,alle
,
wie es scheint,von gleicher Farbe . Nun lässt zwar die Abbil
dung natürlich nicht erkennen,ob di e Marmorplatten auch durch
plastische Stuckarbeit oder nur durch Malerei auf der glatten
Wand nachgeahmt waren ; doch spricht alles dafür, dass d a s erste
der Fall war,dass wi r also hier den ersten De co ra tionsstil zu
erkennen haben . Diese Form des S ockels eine einfarbige,
durch einen dunkeln Streifen abgeschlossene Fläche is t dem
zweiten Sti l fremd,welcher ihm vielmehr eine a rchitectonische
Form,mit Karnies und Ablauf
,giebt. Hingegen für den ersten
Sti l i st eben diese F orm fast regelmässig,und es wird hier mit
Vorliebe ein helles Gelb angewandt : eine Farbe,welcher die
Scha ttirung der Gau’
s chen Zeichnung nicht widerspricht . End
lich liegt auch e in ausdrückliches Zeugniss vor , welches ich der
Freundschaft A. S ogliano’
s verdanke,der auf meine Bitte nach
forschte,ob etwa sich unter den älteren Custo d en Pompej i’s eine
Erinnerung an j enen Deco ra tionsrest erhalten hätte . Auf sein
Befra gen versicherte der älteste derselben,der Brigadiere Gia
como Cacace,er habe auf der nördlichen Wand des Vorhofes
,
an der Trepp e , einen Deco ra tionsrest gesehn , bestehend aus
rothen,in Relief ausgearbeiteten Rechtecken ; als man ihm die
Decorati on der c a s a d i S a l l u s t i o zeigte,erklärte er
,es sei
eben dieselbe Art gewesen . Dies Zeugniss verliert ka um an
Werth dadurch,dass hier offenbar ein Gedächtnissfehler vorliegt :
ohne Zweifel sah Cacace den De co ra tio nsrest auf der Nordwand
des Tempels selbst,wo ihn Gau verzeichnet
,welcher dagegen
(vor 1 837) die Wand an der Trepp e ohne solche Reste fand .
Nun ist es absolut undenkbar,dass eine Decoration
,welche
der Tempel erst nachträglich erha lten,im ersten Stil ausgeführt
sein könnte ; denn offenbar gehört der Bau der allerletzten Zeit
dieses Stils an,und wenn nicht die ausdrückli chen Zeugnisse
vorlägen,so würden wir schwerlich vermuthen
,dass er in einem
Sti l d eco rirt gewesen sei,dessen Reste sich fast ausnahmslos
auf Mauern finden,welche durch die oben beschriebenen Kenn
zeichen sich a ls der Tutfp erio d e angehörig zu erkennen geben.
Allg eme ines . 1 5
Die Decoration in diesem Falle spa ter als den B a u selbst anzusetzen
,i st unm o glich .
Drei Arten von Re ticula t kommen in Pompej i vor : da s
Qua sireticula t der sullanischen Zeit , d a s reine Re ticula t , d . h .
mit Ecken aus ziegelfö rm igen Stücken desselben Steins , d a s Reticula t mit Ziege lecken . Da s reine Re ticula t war zu V itruv’
s
(II, 8 , 1 ) Zeit al lgemein ublich : es wi rd also gegen das Ende
der Republik aufgekommen sein . Da ss das Re ticula t mit Ziegel
ecken einer j üngeren Zeit (etwa bis auf Hadrian) angehört , is teine anerkannte Tha tsa che (s . z . B . B u l l e t t . d . c o m m i s s . a r c h .
mun i c . d i R o m a 1 874,S . 1 4 7 da s älteste d a tirba re Beispiel
dieser C ons tructionsa rt bietet wohl die Südwand des nach Nissen’s
einleuchtender Beweisführung in den Jahren 1 4 —1 9 n . Chr. er
bauten s ogen . Pantheon oder Macellum ; ein schon oben (S . 1 1 )erwähntes
,in dieser Weise geba utes Privathaus gehört offenbar
der letzten Zeit Pompej i’s an .
Damit stimmt d a s Zeugniss der Wand d eco ra tionen . Fur da s
Qua sireticula t ist uns in einem Falle die erste D eco ra tionsart
bezeugt. Keines der übrigen hierher geh o rigen Gebäude zeigtReste derselben
,da gegen d a s kleine Theater solche zweiten Stils :
wir dürfen sagen,da ss d a s Qua sireticula t auf der Grenze steht
zwischen der Zeit des ersten und der d e s zweiten Stils,dass
aber der zweite Stil damals sch on überwog .
Bei dem vollständigsten Beispiel reinen Reticula tbaues (obenS . 10) fanden wir unzweideutige Spuren , dass der Decora ti ondritten Stils eine a ltere
,vermuth lich dem zweiten Stil ange
hörige denn ein schwarzer Sockel müsste im ersten Stil sehraufi
‘
a llen vorherging . Die gleiche Bauart und gleichfa lls eineDecora ti on dritten Stils zeigt die sogen . A c c a d em i a d i m u s i c a
(VI , 3 , Auch hier sind Veränderungen zu consta tiren : zwischen
dem Gang,der vom Atrium zu den hinteren Räumen führt und
dem nördlich da ran s to ssend en Zimmer ist eine Thür vermauert ;die Thür
,welche aus dem Zimmer in der Südostecke des Hauses
nach Westen führt,ist verengert oder weiter nach Norden ver
legt worden ; und zwar sind auch hier diese Veränderungen
namentlich bei der ersten ist e s deutlich älter als die Decoration dritten Stils . Und nach der in dem oben besprochenen
Falle gemachten Erfahrung werden wir geneigter sein anzu
1 6 Capite l I .
nehmen,dass der Decoration dritten Stils eine a ltere vorherg ing,
als dass diese Aend erungen während des Baues , vor der Tünchungder Wände , vorg enommen wurden , wenn auch diese Möglichkeit
nicht auszuschliessen ist . Die an die Stadtmauer angebauten Theile
der c a s a d e l l e V e s t a l i (VI , 1 , das dritte einigermassen aus
gedehnte Beispiel reinen Reticula ts,tragen eine Decoration dritten
Stils,ohne Spuren einer älteren . Setzen wir darauf hin das reine
Reticula t in die letzte Zei t des zweiten und. die erste des dritten
Stils,s o stimmt dies mit dem
,was an rom ischen Gebäuden be ob
achtet werden kann : auch hier finden wir auf Wänden dieser Art
Deco ra tionen zweiten Sti ls , wie in dem Hause des Germanicus
und. in dem weitla uftigen Hause , welches eben j etzt (Juni 1 879)durch die Tibera rbeiten im ehemaligen Garten der Farnesina auf
gedeckt wird,und dritten Stils
,wie in dem sogen . Auditorium
des Maecenas ‘) und auf mancherlei Mauern,die in Rom gelegent
li ch zu Ta ge kommen .
Endlich auf Re ticula t mit Ziege le cken i st keine andere De
co ra tio n a ls die der letzten Zeit Pompej i ’s erhalten ; doch werden
wir sehen,da ss der erhaltenen Decoration des Pantheon eine
andere vorhergegangen sein muss,welche wir
,in Anbetracht
der Erbauungszeit,1 4— 1 9 n . Chr .
,uns wohl sicher als im dritten
Stil ausgefüh rt zu denken haben . Dass hingegen in dem schon er
wähnten Ha use VI,in s . o c c i d . 36 die erha ltene Decora ti on letzten
Stils auch die ursprüngli che is t,wird wohl niemand bezweifeln .
“ Es m a g noch erwähnt werden , dass sehr häufig bei Ma uern
a us Incertum,welche in verzahnte Pfei ler endigen
,diese Ver
zahnungen mit Reticula t ausgefüllt sind : ein Verfahren , welches
wohl nur auf einem Einfall des Arbeiters beruht . Nissen ha t
dies nicht beach tet und zieh t desha lb (S . 2 4 7 f.) aus einem solchenBeispiel ganz unberechtigte Folgerungen . Einige Beispiele sind
folgende : Die Südseite der Südostecke der Insel VI,1 3 ; VII, 2 , 20
(d om u s P 0 p i d i F r i s e i ) links am Eingang ; VII , 3 ,7,links
am Eingang des Ladens ; VII , 3 , 2 5 , links der Thur d es Zimmers rechts vom Eingang (hier aus Ziegel) ; VII , 10 , 1 4 , links
der Thür ; VII , auf der Ostsei te der Nordostecke der
Insel ; IX ,4 (neue Thermen) an der Südwestecke .
B u l l . d . c o m ur. a r c h . m u n i c . d i R o m a 1 8 7 4 , S . 137 if. V g l . me inei e rnerkunge rr B u l l . I n s t . 1 874 , S . 1 4 1 if . 1875
,S . 89 ff.
1 8 Cap ito l I .
wenigstens die Mo glichkeit zugeben,dass dieser Decorati on noch
eine andere vorherging,dass also der Bau in noch frühere Zeit
hinaufreicht . Wie dem aber auch sei,j edenfalls haben wir an
der Epoche des dritten Deco ra tio nss tils eine sichere untere Zeit
grenze,es geh o rt mithin in diesem Fall der Bau aus gelbem
Tuff keineswegs der letzten Zeit Pompej i ’s an .
2 . Da s Haus V I , 1 4 , 5 zeigt in keinem Theil eine besonders
a lte Bauart : wir finden Incertum mit Eckpfeilern grö sstentheilsaus Ziegeln
,die bisweilen auch mit ziegelförm ig behauenem
Kalkstein wechseln ; die Eckpfeiler zwischen Flur und Atrium
bestehen aus ziege lförm ig behauenem gelben Tuff . Entsprechend
der geringen Solidität des Steines erstreckt sich dies Mauerwerk
ungewöhnlich weit über die beiden hier zusammenstossenden
Wände und nimmt s o ziemlich die ganze Vorderwand des
Atriums ein .
Nun trägt die rechte Wand des Atriums eine Stuckd eco ra tio n
im dritten Stil,welche zu den wenigen gehört
,deren Alter wir
bis zu einem gewissen Grade bestimmen können : die daselbst
eingekra tzten Inschriften bieten Consulate , welche bis zum Jahre
1 7 n . Chr . hinaufreichen Als o damals bestand diese Decoration
schon,und wenn wir annehmen dürfen
,dass man die nicht ohne
Sorgfalt ausgeführte Wand,so lange sie neu war
,mit diesen
Kritzeleien verschont haben wird,so können wir sie immerhin
a ls noch etwas älter betrachten .
Es ist aber ganz klar,dass dieselbe Decoration auch die aus
gelbem Tuff bestehende Mauer bedeckte : deutlich sieht man,wie
sie an der Ecke umbog,wie die grobe Stucklage , welche noch
j etzt die Tufi‘
mauer bedeckt , die F ortsetzung is t derj enigen , welche
der genannten Decorati on als Grundlage dient , und zum Ueber
fluss i st am Boden ein Rest r o thbema lten Stucks übrig geblieben,
entsprechend dem rothen Streifen,welcher auf dem erhaltenen
Stücke unter dem schwarzen Sockel sich hinzi eht . Es ist also
klar,dass diese Tufi
‘
mauer vor dem Jahre 1 7 n . Chr. schon bestand .
3 . Im Peristyl der d o m u s M . Gav i Ru fi (VII , 2 , 1 6) findetsich auf der linken Seite
,ziemlich nach hinten
,auch gelber Tuff
C . I . L . IV,1 5 5 2 — 1 5 5 6 Es ist n i cht r ich tig
,wenn Zangem eister an
giebt , e in ig e d ieser Inschr iften se ien i n t e c t o r i o r u d i : sie s tehen au f imd ri tten St i l bema l tem S tu ck ; au ch n icht 1 11 p a r i c t e s u m m o .
Allgem eines . 1 9
in ziege lfo rm igen Stucken verwandt . Der betreffende Pfei ler
(zwischen zwei Thüren) hat seine S tuckbekleidung bewahrt undis t
,wie das ganze Haus
,im zweiten Deco ra tio nsstil bemalt .
4 . Im Hause VII,2,1 1 besteht die Ostwand des letzten
grossen Zimmers auf der linken Seite d e s nach der The ilungdes Hauses als Eingangsraum und Werkstätte dienenden P eristylsin ihrem südlichen Theil aus Ince rtum
,in welchem aussch liess
li ch Lava verwandt i st,während das nördliche Ende
,wohl in
Folge theilweiser Zerstörung,aus gelbem Tuff ergänzt i st ; den
Abschluss bildet ein Ziegelpfeiler . Die ganze Wand aber,auch
der aus Tuff bestehende Theil,ist im Stil der zweiten Decorati ons
epoche bemalt . Und dass gerade in diesem Hause die Malereien
zweiten Stils einer älteren Epoche angehören,zeigt sich zum
Ueberfluss in den Zimmern auf der Rückseite des P eristyls , wo
die im zweiten und dri tten Stil gehaltenen Deco ra tionen der
Rückwände evident älter sind,als die Wände
,welche die Zim
mer trennen .
5 . Die Südmauer des meistens P an t h e o n,von Fiorelli
Au g u s t e um ,von Nissen Ma c e l l um genannten Gebäudes
,zeigt
auf der Aussenseite Re ticula t,unten aus grauem
,oben aus gelbem
Tuff. Die Verzahnung mit den Ziegelpfeile rn des Südeinganges ,welche den ältesten Ziegelpfeilern des Gebäudes gleichartig sind ,beweist
,dass diese Mauer nicht späterer Restauration
,sondern
dem ursprünglichen Bau angehört,welchen Nissen wohl mit
Recht in die Jahre 1 4— 1 9 n . Chr . setzt .
6 . Aus dem kleinen Hofe hinter der Fra uenabtheilung der
F o rum stherm en fuhrt ein niedriger gewölbter Gang unbekannter
Bestimmung unter das Männerca ld arium . Er th eilt sich gleich
im Anfang in zwei Arme,deren einer sich links wendet
,der
andere gerade aus unter die s c h o l a l a b r i geht ; unter der Mauer
derselben ist dieser Arm später vermauert worden . Die Eingangs
wölbung des Ganges besteht aus gelbem Tuff und is t offenbar
s o al t wie die ganze Mauer ; diese selbst aber haben wir keinen
Grund für j ünger zu halten a ls den Bau der ganzen Thermen
anlage,den Schöne nach der Aehnlichkeit mit dem kleinen
Theater in die sullanische Zeit setzt . Ferner finden sich an den
F o rumsthermen mehrfach Thürpfo sten aus gelbem Tuff , nich t
nur auf der Westsei te,welche Schöne fur j ünger hä lt , sondern
2.
20 Capite l I .
auch in den Ra um en oberhalb des Männerbades,in Verbindung
mit dem für die erste Zeit der C olonie charakteristischen Quasi
reticula t aus Lava .
Es ist durch diese Beispiele festgestellt,dass man seit den
ersten Zeiten der römischen Colonie sich nicht scheute,den
gelben Tuff als Baumaterial zu verwenden .
5 . Romisches und o skisches Mass .
Den vom Material und der Bauart hergenommenen Alters
kriterien hat Nissen in seinem dritten Capitel ein weiteres,sehr
wichtiges hinzugefügt : das Mass . Seiner auf die Angaben der
Feldmesser gegründeten Beweisführung,dass der o skische Fuss
M . mass,wird es schwer sein sich zu entziehen . Es ist
ferner unzweifelhaft richtig,dass bei den älteren
,vorrömischen
Bauten Pompej i ’s die Mauerdicke durchweg Fuss os
kisch,bei den späteren Fuss romisch beträgt
,dass
bei einer Anzahl von Bauwerken aus der letzten Zeit das rö rriischeMass evident i st
,und dass an
,
älteren Bauten manche Masse sich
zwanglos auf den o skischen Fuss reduciren lassen . Wenngleich
in letzterer Bez iehung Nissen’s Angaben vielfacher Berichtigung
bedürfen,so ist doch der Beweis
,dass in älterer Zeit nach einem
Fuss von gemessen wurd e,für geführt zu erachten .
Welchen praktischen Werth haben nun aber diese beiden
Masse als Alterskriterien ? P rincipiell liegt die Sache einfach
und ist von Nissen vollkommen klar gestellt : kern städtisches
Geba ud e mit römischem Mass kann vor , keins mit o skisch em
nach 80 v . Chr . entstanden sein , während im Privatbau der os
kische Fuss noch etwas länger angewandt worden sein kann . Ist
aber j ederzeit mit einiger Sicherhei t festzustellen,nach welchem
Mass gebaut is t ? Durch Nissen ’s Darstellung erhält man den
Eindruck,a ls brauche man überall nur die Messschnur anzulegen
,
um Masse zu finden,die sich entweder nur a uf den o skischen
oder nur auf den rom ischen Fuss mit Leichtigkeit reduciren
lassen . Ist dies wi rklich so ? haben die pompej anischen Archi
tecten m it einer solchen Genauigkeit nach Mass gearbeitet ?
D iese Frage verd i en t die genaueste Prüfung,d a sie für die
Allgem e ines 2 1
Methode künftiger pompej anischer Studien von gro ss ter Wichtig
keit is t . Kann nun auch eine erschöpfende Behandlung derselben
hier nicht gegeben werd en die Beschaffung a l ler hier in Be
tracht kommenden Masse wurd e mehr Zeit erford ern als der
Verfasser dieser Schrift darauf verwenden konnte so werden
doch die folgenden Angaben j ene durch Nissen ’s Darstellung
hervorgerufene Vorstellung wesentlich berichtigen . Bei den zu
Grunde gelegten Messungen lagen Nissen’s Angaben vor,und
die häufigen Abweichungen von denselben sind j edesmal sorgfältig consta tirt werd en .
Ein sicheres Beispiel o skischen Masses bietet die s ogenannteC u r i a I s i a c a (nach Nissen P a l a e s t r a ) . Die Plätze der Säulensind hier durch Querlinien bezeichnet
,welche
,ehe die Säulen
gesetzt wurden,den Centren derselben entsprechend
,in den
Styl obat eingeritzt wurden . Wir stellen zuerst die sich ent
sprechenden Distanzen der Nord und Südha lle einander gegen
über und. lassen dann die der kürzeren Westhalle folgen .
No rdha l le (vo n O .) Sudhall e (von O . )
Westha l le (vo n N .)
Die vorletzte Saule der Nord halle steht vielleicht nicht an
ihrem Platz ; ebenso ist dies von der vorletzten der Westhallenicht ganz sicher .
Die Summe der Distanzen auf der Westseite der einzigvollständig vorliegenden is t 34 ' 8 " osk . (32
' 2 ”
Den ganzen von der Säulenreihe eingenommenen Raum erhalten
2 2 Cap ite l I .
wir durch Hinzuzäh lung eines Sa ulendurchm essers :wie auch bei Nissen berechnet is t
, 36 ’ osk . (33'
6 "
Die Ausdehnung der längeren Säulenreihen la sst sich eben
falls berechnen , und meine Rechnung giebt dasselbe Resultat
wie die Nissen’s . Die Summe der 7 vorliegenden Distanzen der
Südseite i st Es kann nach den Raumverhältnissen nicht
zweifelhaft sein , dass noch 2 fehlen . Da nun d ie'
beid en ersten
(W.) etwas grösser sind als die übrigen , s o nehmen wir diesauch für die letzten an und rechnen sie gleich j enen zu
Dann beträgt die Distanz der beiden äussersten Centren
Dazu ein Säulendurchmesser giebt was 90 ’o sk .
noch näher kommt als die von Nissen berechnete Ausdehnung
von Dieselbe Rechnung ergiebt für die Nordseite
s o dass die Ausdehnung der Säulenreihen auf 36 und 90 'o sk .
wohl als si cher gelten kann .
Die Theilung von 90’ in 9 Interco lumnien wurd e sehr ein
fach gewesen sein,wenn nicht
,um von Centrum zu Centrum
rechnen zu konnen,von obiger Summe ein Säulendurchmesser
(1’
subtrahirt werd en müsste . So musste die Distanzj edesmal etwas weniger a ls 10 ' betragen ; man knapp te von denbeiden ersten Distanzen
,nach einer auch sonst z . B . in der
Basili ca zu beobachtenden Pra xis,nur ganz wenig ab
,von
den übrigen j e c . so haben diese Distanzen keinen Anspruch,
ein rundes Mass zu rep räsentiren . In der We streihe mussten
von 9 ' (111 . j e etwa 4 " abgezogen werden,was auch mit
geringer Ungleichmässigkeit geschehen ist .Es scheint sicher
,dass der Architect in seinem Plan von
dem V e rhältniss der Säulenreihen ausging : die Lange
und Breite des ganzen Hauptraumes (mit Ausschluss der Zimmerim W .) stehen in keinem so einfachen V erhältniss , was sich na türli ch daraus erklärt
,dass s ie nur durch Hinzufügung von j e 2 8 '
(doppelte Breite der Porticus) zur Länge der Säulenreihen ent
standen sind . So erg eben sich 64 X Meine Messung stimmtziemlich mit dieser Zahl : Breite im O . (63
’ imW . (63
' 10 ” Länge in der Linie der nörd lichen
Säulenreihe (1 1 7' Auch die Hinzurechnung der Mauer
d icke gieb t keine runderen Verhältnisse .
Allgeme ines . 2 3
Die Breite d e s Haupteingangs ma ss ich (N issenwas 6 Fuss oskisch die Nissen’s Messung genau entsmechen
würden so nahe kommt,dass dies als d a s beabsichtigte Ma ss
gelten kann .
Unzweifelhaft oskisch sind nach Nissen (S . 1 71 ) die Masseder P o rtiken d e s Isis temp e ls : die Schmalseite die
Langseite Doch sind diese Masse nich t genau .
Die Wes tp o rticus , zwischen den Centren der Ecksäulen , misst
die Ostp o rticus dazu ein Säulendurchmesser,giebt
und Die Südp o rticus misst die N o rd p o rticus
resp . und Wir haben also hier keineswegs
genau zutreffende runde Grössen,sondern nur eine freilich sehr
auffallende Annäherung an dieselben . Wollen wir eine solche
Annäherung nicht für zufällig halten,s o e rtheilen uns doch diese
P o rtiken eine eindringliche Lehre in Betreff der Genauigkeit,mit
welcher die beabsichtigten Masse innegehalten wurden : die Ab
we ichungen sind s o gross,dass j ede Beweiskraft wegf allen
würde,wenn es sich nicht um so runde Zahlen wi e 50 und 60
handelte .
Die Haup tco lonm d e der Stabianer Thermen misst nach Nissen
(S . 1 5 6) 1 2 5 ’ oskisch . Genauer j edoch misst sie von
Centrum zu Centrum dazu ein Säulendurchmesser mit
giebt 1 2 4 ' 5 " oskisch . Ind ess so gut wie die 5 0 und
60 ' des Isistempels mogen wir auch hier 1 2 5’a ls beabsichtigt
gelten lassen,müssen dann j edoch die hier wie dort consta tirte
Ungenauigkeit der Ausführung a ls sehr bem erkenswerthe s Factum
wohl im Gedäch tniss behalten . Die ubrigen von Nissen S . 1 5 6
nach Breton angeführten und auf den o skischen Fuss reducirten
Masse der Stabianer Thermen kann ich nicht contro liren .
Besonders uberzeugend scheinen die von Nissen (S . 2 5 8) aufGrund der Angaben B reton ’s berechneten Masse der Gladiatorenkaserne : Länge 5 5 M . Breite Doch sind
leider diese Messungen nicht genau : die wahren Dimensi onendes ganzen Raumes sind folgende
2 4 Cap ite l I
Meter o skisch romi schö stl . Lange 203 ' 1 88 ' 7 "
west!. Länge 203’ 1 1 " 1 89 ' 5 "
nö rd l . Breite 1 5 2 '
südl . Breite 1 5 3 ' 1 "
Auch für die Lange der Säulenreihen erg iebt sich kein Re
sulta t ; dieselbe betragtMeter o sk i sch romi sch
im Osten 1 74 ’ 1 1 "
im Westen 1 74 ' 4 " 1 62 '
im Nord en 1 33 ' 1 2 3’ 7 "
im Süden 1 33 ’ 8 " 1 2 4 ' 2 "
Und wenn wir von diesen Massen j e einen Säulendurch
messer mit abziehen,d . h . nur die Entfernung der Centren
der Ecksäulen in Rechnung bringen,so erha lteri wir
Meter o ski sch röm i schim Osten 1 73 ?
im Westen
im Nord en 1 3 1 ’ 1 " 1 2 1 ' 10"
im Süden 1 2 2 ' 5 "
Die Saulend is tanzen (von Centrum zu Centrum) sind ungleichm a ssrg ; s1e va rrrren im Osten von bis (Durchschn .
im Westen von bis (Durchschn . im Nord en von
bis (Durchschn . im Süden von bis
(Durchschn . Gesamm tdurch schnitt Auch hier also
kein Resulta t ; denn sind osk . 7 röm .
Am V enustemp el ist der Unterbau 80 Fuss lang , die seit
l ichen Um gänge j e 10 Fuss breit , der Eingang 1 2 Fuss weit
auch hier wird der Schluss berechtigt sein,dass der Tempel
nach o skischem Mass gebaut ist . Wenn dagegen Nissen auch
für die den Tempelhof vom Forum trennende Reihe von Pfeilern
mit den dazwischen liegenden Oeffnungen denselben Beweis führen
will,s o werd en schon die vi elen Brüche (Nissen S . 2 20. 2 2 1 )
misstrauisch machen . Der V enus temp el soll weiterhin in einem
eigenen Abschnitt behandelt und dabei nachgewiesen werd en,
dass diese letzteren Masse sich eben s o leicht auf den romischen
wie auf den o skischen Fuss zurückfirlrren lassen .
2 6 Cap ite l I .
doch ist von den unteren Stufen a uf der süd o stlichen Schmal
seite und der südwestlichen Langseite genug vorhanden,und die
Breite derselben oskisch) steht hinlänglichfest
,um die ursprüngliche Ausdehnung der Oberfläche ziemlich
genau bestimmen zu können : sie kann von der j etzigen nur ganz
unwesentlich verschieden gewesen sein,und es ist ganz unm ög
li ch,di e Breite um d . h . um die halbe Breite einer
Stufe,grosser anzunehmen . Etwas anders steht es mit der Länge
auf der Nordostseite ist wohl kein Stein alt,wir müssen also
,
um hier die urwrünglich e Ausdehnung zu finden,andere Er
wägungen anstellen,für welche glücklicherweise d a s Material
vorhanden ist .
Die j etzige Lange ist NO . SW . die Breite SO .
NW . Das Interco lumnium ,am Boden gemessen
,
beträgt subtrahiren wir dies von der am Stylobat sicher
messbaren Entfernung der Säulencentren ,s o erhalten wir
den Durchmesser (ganz unten) mit Das hintere Ende der
nord östlichen Säulenreihe musste mithin vom Centrum der er
entfernt
sein . Die Entfernung von diesem Punkte vom j etzigenN o rd rand e) bis zum Vorderrand musste nach Nissen (bei einem
Rande von wie er ihn annimmt) 99 betragen,
beträgt aber in Wirklichkeit nur es müsste also vorn
eine Verkürzung um (1 . h . um c . der Breite einer Stufe,
stattgefunden haben,eine Annahme
,die nach dem oben Gesagten
ganz unstatthaft ist . Nur hinten ist die alte Ausdehnung nicht
festgestellt ; es bliebe also , um die 100' zu retten
,nichts anderes
übrig,als hier eine V erkurzung um anzunehmen
,so dass
hier am Fuss der Säulen ein freier Rand von
geblieben wäre . Dies aber ist gänzlich unglaublich . Denn da die
Säulenreihe nach unserer Rechnung (1 0 xlang
,ihr nörd licher Endpunkt aber vom V o rd errand e des Sty
lo ba ts entfernt war,s o bleibt vorn nur ein Rand von
ubrig : in Wahrheit mag er vielleicht , wenn die Distanzen
und Durchmesser der Säulen nicht ganz gleich waren,
betragen haben ; der Rand an den Langseiten misst Dass
nun dem an der Rückseite ein dreimal so breiter Rand ent
ha ltenen vorletzten Saule noch
Allgeme ines . 2 7
Spro chen haben sollte , i st bei einem vo n a llen Seiten frei stehenden
und sichtbaren Tempel nicht anzunehmen und wa re wohl ohne
Beispiel .
War hinten und vom der von uns berechnete Rand von
so betrug die Gesamm tlänge 99 ’ 6 Siestellt sich auf wenn wir den Rand zuannehmen . Endlich d urfen wir die Möglichkeit nicht ausschliessen ,dass der vordere und hintere Rand dem der Langseiten
gleich war : dann erg iebt sich eine Länge vonDie Breite beträgt reichlich
Die von Breton angegebene Weite der Thur des Pronaoslässt sich auf die runde Zahl von 8 ’ oskisch reduciren .
Doch misst diese Thür eine Grösse,welche 9 ' o skisch
um überschreitet . Im ubrigen erschwert die Geringfügig
keit der vorhandenen Reste eine genügende Untersuchung : etwas
mehr würde sich wohl feststellen lassen,wenn man sie von der
manches verbergenden Erd e befreite. Die Mauer der Cella
ist da,wo sie an der Nord seite gut erhalten ist
,2 ’
an der Rückseite (Lava) 22
6 Mill .) dick . Die Lange
des eigentlichen,von Mauern umschlossenen Gebäudes ergiebt
sich mir folgendermassen :
Von der Schwelle des Pronaos
(incl .) bis an die der Cella
Schwelle der Cella
Tiefe der Cella
Rückwand
4 9 ' 5
Die innere Breite der Cella (in der Westecke sind Reste derStuckbekleidung und. des Fussbodens aus c p u s S i g n inum erhalten) ist 1 5 ' In der Mitte der Rückwand warnach der Aussenseite ein Vorsprung
,dessen Reste aus 2 Quadern
bestehen , einer (O .) aus Kalkstein , der anderen aus Tuff dieselbenspringen um vor die Mauer vor ; Breite
4 Die Verschiedenheit des Materials weist deutli ch
1) Ich verdanke ch e s Ma ss A . So gl iano
,d en i ch um Verifi cirung d er B reton
schen Angabe h at . Um d ie Schwe l le me ssen zu können ,mu sste ers t d ie Erde
en tfern t werden .
2 8 Capite l l .
auf eine von Anfang an in Aussich t genommene Stuckbekle idung .
Rechnen wir diesen Vorsprung ein,s o stellt sich die Länge des
Gebäudes,ohne die Umgänge , auf 5074 Fuss .
S o l len wir nun wieder sagen die Annäherung dieser letzten
Gro sse an 5 0,die der Gesamm tlä nge an 1 00 Fuss könne nicht
zufällig sein ? Sollen wir die Abweichung auf ungenaue Ausführung schieben ? In diesem Falle
,bei einem Tempel
,wo
,wie
Nissen richtig bemerkt,die Hund ertzah l eine sacra le Bedeutung
ha ben musste,bei gänzli ch freier Lage
,wo di e genaueste Aus
führung durch nichts behindert war,würde dies Auskunftsmittel
doch sehr grosse Bedenken haben . Es wurde nahe liegen zu
sagen : wenn die Annäherung an 1 00 Fuss nicht zufällig,wenn
der Tempel ein Heka tomp ed o s is t , so ist er nach einem noch
etwas kleineren Fusse gebaut worden : eine Annahme,die freilich
sonst durch nichts unterstützt wird .
Wer aber doch hier 100 Fuss fur beabsichtigt halten will,
der wird um s o mehr einer Folgerung beistimmen müssen,die
wir sch on aus unseren Beobachtungen beim Isistemp el und bei
den Stabianer Thermen ziehen können . Wenn hier eine s o be
deutende Abweichung vom beabsichtigten Mass möglich war,
welchen Grad von Genauigkeit dürfen wir dann da erwarten,
wo das bestimmte Mass keine sol che Bedeutung hatte,wo man
sich ferner allerlei lo ca len Bedingungen anbequemen musste ?Wenn die alten Architecten so wenig genau nach Mass arbeiteten
,
so ist es reiner Zufall,wenn sie einmal dasselbe genau inne
gehalten haben . Es ergiebt sich uns daraus die Regel , dass d emblo ssen Aufgehen eines Masses in ganze oder gar in halbe o skischeoder römische Fuss nur bei kleinen Entfernungen irgend welche
Beweiskraft innewohnen kann : s o wie die Entfernungen wachsen,
müssen wir uns auf Ungenauigkeiten gefasst machen,welche der
Differenz zwischen der scheinbar sich ergebenden Grösse undder nächsten Fusszahl des anderen Masses leicht gleich kommen
können . Bei einigermassen grösseren Entfernung'
en sind di e
Reductio nen nur dann als Argumente für die Anwendung des
einen oder anderenMasses brauchbar,wenn sie sich runden und
an sich überzeugenden Grossen wie oben 5 0,60
,1 2 5 Fuss
,
in aufl‘
a llend er Weise nähern . Ein grosser Theil der bei
Nissen als beweisend angeführten Reductionen wird durch diese
Allge rnö ines . 2 9
Regel,für die wir noch manche Bestätigung finden werden
,
beseitigt.
Vom Jupiter und Aescula ptemp e l wird weiterhin die Redesein . Beide sind
,wie Nissen glaubt
,evident nach o skischem
Mass erbaut : es wird gezeigt werden , dass bei keinem von beiden
dieser Beweis erbracht werden kann . Beim Aesculap temp el er
giebt sich das merkwürdige Resultat,dass seine Dimensionen
von aussen gemessen,wie Nissen thut
,o skisches
,von innen
römisches Mass zu ergeben scheinen .
An den Privathäusern hebt Nissen mit Recht als besonders
beweiskräftig hervor die Länge der Facade , die Thürwe ite und
die Dimensionen des Hofes (Atrium) : hieraus sucht er S . 87 f. zu
erweisen,dass die ältesten Häuser (Ka lks teina trien) nach oski
schem Fuss erbaut sind .
Nissen giebt S . 87 die Masse von 1 4 Facad en , von welchen
sich 1 2 auf ganze,2 auf halbe o skische Fuss reduciren lassen
,
der Art,dass nur zweimal die geforderte Grösse um über
schritten ist . Gewiss ein höchst wichtiges und eminent beweiskräftiges Resultat .
Doch ist vor allem eins zu bemerken . Die Lange der
Facade geht nicht auf den Bau , sondern auf die Assignati on
zurück : von einem Zwischenraum zwischen den Ha usern ( a m
b i t u s ) ist, wie Nissen richtig herv orh ebt , in Pompej i keine Spur ,sondern die Front entspricht und entsprach von Anfang an der
ganzen Strassenseite des dem Bürger zugewiesenen Grundstücks .
Da nun,wie auch von Nissen hervorgehoben ist
,die Stadt durch
aus mit p a r i e t e s c o m m un e s erbaut ist,der Art
,dass hinter
j eder Stra ssenfront eine Seitenmauer steht,s o darf
,um obige
Grösse zu finden,eben auch nur e i n e Seitenmauer mitgemessen
werden . Die von Nissen angegebenen Masse umfa ssen aber im
Allgemeinen,wie aus seiner Besprechung der betreffenden Häuser
hervorg eht , beide Seitenmauern ; einmal (No . 1 8) ist keine derselben
,die hier beide hinter den Fa0a d en der Na chbarhäuser
stehen,eingerechnet ; in drei Fällen (4 7 , 4 8 , 4 9) geht aus seiner
Darstellung nicht hervor wie er gemessen hat ; ind e s s zeigt dieVerg leichung mit meiner Messung , da ss bei 4 7 wohl beide , bei
30 Capite l I .
4 9 keine Seitenmauer mitgemessen i st . Die von 4 8 um
fa ssen ohne Zweifel beide : hier wie bei 1 1 habe auch ich beide
mitgemessen,da diese Häuser j edes am Ende einer Insula liegen
und deshalb ausser dem eigentlichen p a r i e s c o mm un i s noch
eine Stra ssenmauer hinter ihrer Front haben . Daraus e rg iebt
sich,dass die von Nissen gefundenen Masse sämm tlich um
reducirt werden müssen,s o dass nun überall
,wo nur
ganze Fuss vorzuliegen schienen,der Bruch von eintritt
,und
umgekehrt . Schon hierdurch,und indem so eine Anzahl runder
Grössen (2 4 , 36, 5 0, 5 6) verloren geht , wird die Ueberzeugungs
kraft des N issen’
schen Resultats vermindert .Ferner sind Nissen’s Messungen nicht immer ganz genau .
Suchen wir die wirklichen Masse der Faca d en auf den o skischen
und auf den römischen Fuss zu reduciren,s o e rg iebt sich keines
wegs ein entschiedenes Resultat zu Gunsten des ersteren , wie
die folgende Uebersicht zeigt . In derselben sind bei Nissen’s
Messungen,wo nichts bemerkt ist
,beide p a r i e t e s c o mm un e s
,
bei den meinigen einer einbegrifi'
en . Der römische wi e der
o skische Fuss ist,um eine genauere Reduction zu ermöglichen ,
in 1 2 Zoll getheilt ; in Klammern sind die Abweichungen des
effectiven Masses von der Grösse , auf welche es reducirt i st ,angegeben . Die Zahlen der ersten C o lumne beziehen sich auf
das V erzeichniss der Ka lksteina trien bei Nissen Cap . XX .
Nissen .
Meter o skis ch me ine Messung o sk isc h romisch
5 6'
5 4'9 50
'
1 1
4 6’ c . ( 2 p . c . ) 4 6
’10 4 3
'6"
5 1’
( 2 p e ) 5 4’
3 50'
4"
( 2 37'8 35
’
4 7’
4 5'
8 4 2'
5 ”
33' 3 1
'2 28
'
1 1"
33'
3 1’
2 8’10
2 4'
(o h ne p . c . ) 2 4'
2 2'4
36’ 34
’ 3 1’8"
50' 4 4
'2
34’ 32
’7” 30
'
4"
5 8’
(2 p . e . ) 5 8’
5 5 4'3”
36’ 35
'10 33
’3"
(2 c . ) 50'
l 4 6'7"
Allge rncrrre s . 3 1
Es konnen also von diesen 1 4 Fa0ad en drei (1 6. 1 8 . 2 6)einigermassen genau auf den Fuss von reducirt werden ;ob aber 1 6 j e die Strassenseite eines alten Grund s tucks reprä
sentirte,ist mehr als zweifelhaft : die Fa r; ad e i st j etzt in dieser
Länge massiv,das Haus aber dehnte sich schon in der Kalkstein
peri ode nach beiden Seiten weiter aus . Und bei 1 8 is t keine
Zwischenmauer mitgerechnet,weil keine hinter der Fa0ade steht ;
wenn die östliche ursprünglich zu dem Grundstück gehörte,s o
erhalten wir 2 5 72 statt 2 4 . Dem gegenuber lässt s ich 1 1 besser
auf den römischen Fuss reduciren ; drei (1 . 4 9 . 5 5,davon 4 9 ohne
,
5 5 mit 2 p . e .) nähern sich so ziemlich einer runden Grösse
o skischen,drei (6. 4 0. 4 7) einer solchen römischen Masses ; für
die übrigen (1 3 . 1 4 . 4 8) erg iebt keine der beiden Reductionen einwahrscheinlicheres Resultat als die andere . Es muss also der
von der Länge der Fa <; a d en hergenommene Beweis als gänzlich
verf ehlt bezeichnet werd en .
An zweiter Stelle untersucht Nissen die Thü rweite . Hier
durfte mit grösserer Sicherheit ein Resultat erwartet werden .
Die Thürweite konnte vom Architecten frei bestimmt werden,
mit Rücksicht theils auf Zweckmässigkeit,theils auf ein auge
m e ssenes V erhältniss zur Facade und zu den Dimensi onen d esAtriums . Auch hier mussten Nissen ’s Messungen vielfach be
rich tigt , ferner die Gegenprobe der Reduction auch auf den
römischen Fuss angestellt werd en . Das Resultat ist aus der
folgenden Uebersicht der von Nissen S . 87 f. aufgezählten Thürweiten ersichtlich . Bei einer (1 ) ist die ursprüngliche Ausdehnung
rechts nicht ganz genau festzustellen . Da eine Reducti on aufz . B . Fuss keine Wahrscheinlichkeit hat
,s o sind keine an
deren Brüche angenommen worden als V„ di e
eingeklammerten Zahlen bezeichnen diej enige Grosse,welche
dem angenommenen o skischen oder römischen Mass genau ent
sprechen würde . Ungenauigkeiten sind zugelassen b is zu zweiCentim etern .
3 2 Capitel
Mete r n a ch me inerMessung o skisch rom isch
1 . 9’
5 . 8'
8 .
1 3 ,
mg 160 .
2 7 .
4 2 . 4 8 .
5 5 .
4 7 .
1
6'
1 1 .
10.
5 3 .
2 5 ' 4
2 1i 6’
2 6 .
3
1 6 .
2 3 .
5 8 . 5'
5'
50. 1 0 6 15 6 .
4 1 .
( 1 12 38)
Es erg iebt sich aus dieser Uebersicht , dass von den 38 Thur
weiten 1 9 sich besser auf o skisches als auf römisches Mass re
d uciren lassen,und zwar 1 1 (1 . 5 . 5 2 . 5 3 . 3 . 1 9 . 2 4 . 2 5 . 40. 4 . 1 4 )
auf ganze,drei (2 3 . 5 6. 4 1 ) auf halbe Fuss , 6 (8. 1 3 . 3 1 . 1 6. 4 9)
mit kleineren Brüchen . Denen stehen 9 gegenüber,die besser
in den römischen Fuss aufgeb en , und zwar 2 (28 . 1 1 ) in ganze ,2 (6 . 2 6) in halbe Fuss , 5 10. 5 0) mit kleineren Brüchen ;und von diesen können 2 8 und 6 ohne allzu grosse Ungenauigkeitauch auf und 6’ osk . red ucirt werd en . Von den 10 übrigen lassensich No . 1 2 . 20. 4 7 5 8 gleich gut auf halbe o skische wie auf ganze
römische Fuss reduciren,4 (1 7. 9 . 2 1 . 5 5 ) geben in beiden Massen
kleinere Brüche,während endlich N o . 4 4 in keinem ein bra uch
34 Cap ite l I .
eine bes ondere Beweiskraft haben ; dann namlich , wenn sich aus
ihrer Untersuchung ein deutliches Resultat ergiebt. Hier konnte
der Architect frei d isp oniren : die umliegenden Kammern mussten
sich mit dem Raum begnügen,der eben übrig bli eb ; und wir
lernen aus V itruv,dass man auf gute Verhältnisse des Atriums
Gewicht legte . Nissen giebt die Masse von 10 alten Atrien,
indem er sehr verständig diej enigen bei Seite la sst,deren Breite
der des ganzen Hauses gleich ist . Ich gebe auch hier di e ge
nauen Masse und die denselben zuna chst li egenden einigermassen
runden Grössen in römischen und o skischen Fussen .
Oski sch . Romis ch .
Lange rechtslinks
Breite
Lange
Breite
Lange
Breite
Lange
Breite
Lange
Breite
Lange
Brei te
vorn
hinten
rechts
links
vom
hinten
rechts
finks
vorn
hinten
rechts
links
vom
hinten
rechts
ünks
vornhinten
rechts
links
vom
hin ten
10 038
39 '
Al lgeme ine s . 35
Oskisch . Romisch .
35 ’
Die Untersuchung ist hier etwas complicirter . Wir haben
nicht nur zu fragen,auf welchen Fuss sich die vorhandenen
Masse ohne zu gro ssen Rest reduciren lassen,sondern auch
,ob
sich für die Länge und Breite solche Zahlen ergeben,welche
ein einfaches V erhältniss ausdrucken , wie z . B . 30 36.
In letzterem Falle dürfen wir glauben,die vom Architecten be
absichtigten Masse und den Fuss , nach welchem er baute , ge
funden zu haben . Wir durfen endlich a uch da,wo eine Reduction
auf runde,oder überhaupt auf ganze Zahlen nicht mögli ch ist
,
fragen,ob etwa die beiden sich erg ebenden Grössen solchen
Zahlen sich der Art annähern,dass wir diese für beabsichtigt
halten und die Abweichung auf Rechnung ungenauer Ausführung
schieben dürfen .
Es erg iebt sich nun aus obiger Uebersich t , dass erstens inder Tha t eine ganze Anzahl runder Summen o skischer Fussedeutlich hervortritt ; wir finden 30 (1 . 2 0 32 (2 9) 2 4 (2 9 .
35 2 7 (30) Fuss . Daneben aber ergeben sich auch 2 8
36 (9) und 2 6 (30) Fuss römisch . Dass dies zufällig ist,
kann bei diesen a lten Hausern nicht zweifelhaft sein :
aber eben3
36 Cap i te l
die Moglichkeit eines so lchen Zufalls muss uns für die Fa lle,
wo die Zeit des Baues nicht feststeht,sondern mit Hülfe der
Masse gefunden werd en soll,zur äussersten Vorsicht mahnen
nicht das Aufgehen in ganze Fuss kann beweisend sein,sondern
höchstens eine runde und an sich wahrscheinliche Zahl .Fragen wir nun weiter
,ob die sich ergebenden Zahlen ein
fache Verhältnisse deutlich ausdrücken,so tritt eigentlich nur in
No . 2 9 (2 4 32 ) das o skische Mass klar und unzweifelhaft zu Tage .
Wenn wir ferner annehmen,dass in No . 6 das beabsichtigte Mass
36 30,in No . 5 30 4 0 war
,so müssen wir schon grössere Un
genauigkeiten annehmen,s o dass bei No . 5 die Reduction auf
36 2 7' römisch ni cht wesentlich schwieriger i st . Es können
mithin auch Zahlen,die an sich überzeugend scheinen
,wenigstens
annähernd durch Zufall entstehen ; sie dürfen als o,wo sie nicht
ziemlich genau aus dem effectiven Mass resultiren,nur mit grösster
Vorsicht und im Verein mit anderen Indicien als Beweis ver
werthet werden . S o dürfen wir,da das Alter dieser Hauser
ohnehin feststeht,wohl vermuthen
,dass ähnliche einfache Ver
hältnisse bei No . 1 (36 9 (40 2 (35 2 8) beabsichtigt
waren ; doch mussen dann s o grosse Ungenauigkeiten in der
Ausführung angenommen werden,dass es verwegen sein würde
,
aus solchen Zahlen allein auf das Alter eines Hauses schliessen
zu wollen . Denn schliesslich war es doch sehr wohl möglich,
und die räumlichen Bedingungen konnten dazu zwingen,Länge
und Breite in ein angemessenes V erhältnis s zu setzen,ohne dass
die s durch so einfache Zahlen ausdrückbar gewesen wäre . Ver
langen wir aber dies nicht,s o können wir
,s obald wir so grosse
Ungenauigkeiten zulassen,in j edem Mass auf ganz annehmbare
,
aber doch nicht beweisende Zahlen kommen .
Wenn wir als o finden,dass die m etro logische Untersuchung
der Häuserfaca d en ,der Thürweiten und der Dimensi onen des
Hofes nicht s o häufig klare und sichere Resultate ergiebt, als es
nach Nissen den Anschein hat,wenn wir zugeben mussten
,dass
die sich ergebenden Zahlen gelegentlich auch P ro ducte des Zu
falls sein können,s o findet die hieraus resultirend e Unsicherheit
der einzelnen Masse a ls Alterskriterien ein Co rrectiv in der
grösseren Anzahl der in einem P riva thause mögli chen Messungen .
Allgeme ines . 37
Wenn die Weite des Haupteinganges,die Dimensi onen d es Ho fes
,
ferner die Weite der Thüren um ’s Atrium , die des Tablinum und
der Alen alle,oder doch grö sstenthe ils auf o skisches Mass weisen ,
wenn keine oder sehr wenige Masse auf den römischen Fuss
red ucirba r sind,da dürfen wir wohl mit Sicherheit die Anlage
des Baues der Zeit vor Einführung des römischen Masses zu
schreiben,und umgekehrt. Und zwar müssen wir bei derartigen
Untersuchungen s o viel wie möglich die Entstehung des Grund
risses zu verfolgen suchen,indem wir unterscheiden zwischen
den auf freier Dispositi on des Architecten beruhenden und den
als Rest oder sonst aus äusseren Verhältni ssen sich erg ebenden'
Massen . So werden wir nicht nur sichere chronologische Resulta te erzielen
,sondern auch das Verfahren der alten Architecten
uns anschaulicher machen können,als bei der meistens von
Nissen befolgten Methode,alle Entfernungen zu messen und dann
diej enigen Masse,die sich auf den einen oder anderen Fuss re
d uciren lassen,als Beweismaterial zu verwenden .
Da es sich hier mehr um Feststellung der Methode als um
die Erzielung neuer Resultate handelt,s o mag das Gesagte an
einem Hause erläutert werden,dessen Ursprung in o skischer Zeit
keinem Zweifel unterliegt,der c a s a d e 1 c h i r u r g o (Nissen
Cap . XX,No . um so mehr
,als hier in Wahrheit das o skische
Mass noch deutlicher hervortritt,a ls es nach Nissen der Fall
zu sein scheint . Die im Folgenden angegebenen Masse beruhen
auf eigenen sorg fältigen Messungen , bei denen Nissen’s Angaben
stets verglichen wurden,von Mauer zu Mauer
,nicht von Stuck
zu Stuck,und die Differenzen gegen Nissen’s Masse sind nament
li ch in den Seitenz immern meist d a s Resultat einer genauerenB erucksichtigung der Stuckschicht . Unter Breite ist stets die
Richtung der Queraxe , unter Länge die der Längenaxe des ganzen Hauses verstanden
,ohne Rücksicht auf die Form des ein
zelnen Zimmers .
Die Form des Haupthauses wir lassen die südli ch an
sto ssend en Dependenzen bei Seite ist die eines P a ra lleltrap ezesdie Nord und Südseite sind parallel
,während die Ost und West
sei te nach Süden convergiren und. beide mit den Langseiten schiefeWinkel bilden . Wie gewöhnlich in solchen Fällen ist für die
Vord erzimmer und für den Ho rtus j e ein sch iefwinkliges Stück
38 Cap ite l I .
abgeschnitten word en,so dass auf der in der Mitte ubrig blei
benden Fläche das Atrium mit den Seiten und Hinterzimmern
rechtwinklig angelegt werd en konnte .Die Front mi sst hinter ihr steht der sud
li che p a r i e s c o mm un i s (Nissen’s Mass umfasst sie beide)
rechnen wir diesen zu s o bleibt hier die Breite von
Dagegen beträgt die senkrechte Entfernung der Seitenwände
(messbar am Anfang der Alen) nur c. dies als o
sind die beiden Querseiten des für die Vord erzimmer abgeschnittenen Stücks . Die nördliche Länge desselben (Nordwand des
Ladens) betra gt die südliche (Nissen wenn wirdie Wand gegen d a s Atrium mit hinzurechnen
,resp .
mittlere Länge 1 2 ' 2 5 Länge des Flurs
(N . S . weil hier die Dickeder Frontmauer hinzukommt . Es scheint also
,dass man zunächst
von der Innenseite der Frontmauer ab ein im Mittel 1 2 Fuss
tiefes Stuck für die Vorderzimmer abschnitt. Wenn wir die Front
mauer mitrechnen,s o erhalten wir für die Südseite s o ziemlich
dieselbe runde Grösse
Demnächst handelte es sich um die Quertheilung dieses Stucks .
Uebere instimmend mit Nissen mass ich die Breite des südlichen
Vorderzimmers zu die des nördlichen nach der
Strasse nach dem Hofe Hingegen ist es nichtgenau
,wenn Nissen die Breite des Flurs zu angiebt ;
er misst vielmehr von Stein zu Stein woraus
hervorgeht,dass er von der 9 ' breiten Hausthur aus sich nicht
verengert,wie Nissen annehmen muss
,s ondern um ein weniges
erweitert : wohl nur eine kleine Ungenauigkeit der Ausführung .
So i st die Quertheilung der , wie wir sahen , messenden
Rückseite dieses ersten Abschnittes,wenn wir die beiden Zwischen
mauern zu annehmen,folgende
207. 1 7. 9 + 1 7. 207. 5 2 7.eine Theilung , w ie sie sich einfacher und einleuchtender nichtleicht finden la sst .
Alsdann wa r die Tiefe des rechtwinkligen The ils zu bestimmen . Atrium und Tablinum messen 5 5 ’
der auf das Atrium fallende Theil überschreitet 35 1
um c . während die Tiefe des Tablinums um
Allg eme in es . 39
hinter 20' zuruckbleibt : wir d urfen sicher annehmen,dass die
einfachen Zahlen 35 und. 20 beabsichtigt waren,und dass von
denselben,sei es aus Ungenauigkeit
,sei es aus irgend einem
Grunde,um ein weniges zu Gunsten des Atriums abgewichen
wurde .
Darauf war der Querschnitt d es mittleren Theiles zu be
stimmen . Die sud lichen Seitenzimmer sind die Alabreit : die Differenz von bezeichnet die Dicke der Mauerzwischen Atrium und Seitenzimmern . Von den nördlichen Zim
mern misst das erste c . das zweite die Alaalso Mauerdi cke hier Das Atrium ist breit. Wie
derum kann es nicht zweifelhaft sein,dass man die Gesamm t
breite von Fuss s o theilen wollte,dass man den Seiten
zimmern j e 10,dem Atrium 30 Fuss gab
,und. die übrig
bleibenden Fuss auf die Zwi schenmauern verwandte,die
als o durchschni ttlich nur statt Fuss dick werden konnten .
Die Mauerdicke direct zu messen ist wegen der auch von NissenS . 406 erwähnten Abschrägung an den Thüren nicht mögli ch
,
doch schien es mir deutlich,dass die gewöhnliche Dicke von
nicht vorhanden ist. Der beabsichtigte Querdurchschnittwar also wiederum sehr einfach und einleuchtend
1 0 30 10
oder :der wirkliche ist :Die kleinen Abweichungen werden uns nicht hindern
,diese in
einfachen Zahlen o skischer Fusse ausdrückbare Anordnung für
beabsichtigt zu halten .
Weiter handelte es sich um die Lange der Seitenzimm er :
an j eder Seite sind deren zwei und die Ala. Sie messen rechts
(S .) (nach Nissen es haben übrigens hier in j ün
gerer Zeit Veränderungen stattgefunden) , links (N. )Auch hier kann die beabsichtigte Eintheilung durch
kleine Ungenauigkeiten nicht verdunkelt werden : man gab dem
ersten Zimmer und der Ala j e 10 Fuss , so dass j enes quadratischwurde
,diese nur um die Mauerdicke davon abwich
,und liess
den Rest für d a s zweite Zimmer .Wenn wir mit Recht in der annähernd 20 Fuss betra genden
40 Cap ite l I .
Tiefe des Tablinum s ein auf freier Disposition des Architecten beruhendes Mass erkannt haben
,s o kann dies von der Breite d es
selben (vorn nich t wie Nissen angiebt , hinten
1 7’ resp . nicht gelten ; denn offenbar war fürdie Dispositi on der Hinterzimmer die Absicht massgebend
,den
beiden Eckzimmern quadratische Form zu geben . Die Masse
derselben sind folgende : Nördliches Eckzimmer,Breite vorn
hinten Länge rechts links Südliches Eckzimmer,
alte Brei te einschliesslich der Südma uer,
ohne diese also
etwa Länge links rechts Nun kann aber fre i lich
die durchschnittlich c . betragende Seite des
Quadrats auf doppeltem Wege entstanden sein . Entweder man
setzte zunächst,wie oben angenommen wurde
,die Ti efe auch
des hintersten Theils des Hauses fest : dann ergab sich die Seite
d es Quadrats der Eckzimmer von selbst aus eben dieser Tiefe
nach Abzug zweier Mauerdicken,und das Tablinum repräsentirt
den zwischen den Eckz immern übrig gebliebenen Raum . Oder
man bestimmte zuerst die Breite des Tablinums (3 Fuss wenigerals das Atrium) : alsdann ergab sich die Seite j enes Quadrats
als der rechts und links neben dem Tablinum und dessen Seiten
mauern übrig bleibende Rest der Gesammtbreite , und es bestimmte
sich danach die Tiefe auch des Tablinum s . Also entweder in der
Breite oder in der Länge des Tablinum s haben wir die zuerst
angenommene Grösse zu erkennen,aus der sich dann alles übrige
ergab . Sowoh l das eine wie das andere ist möglich : dass sich
bei Zugrundelegung der Länge für Atrium und Tablinum die
einfachen Zahlen 35 und 20 mit geringer Abweichung ergaben ,sahen wir schon oben ; aber auch die Querthe ilung der Hinter
zimmer ist s o einfach,dass nichts hindern würde
,auch sie als
aus freier Dispositi on hervorgegangen zu betrachten :
1 672 1 7 5 3 .
Da die Breite des Hauses nur beträgt,so muss in klei
nen Beträgen,namentlich wohl an den Mauern erspart worden
sein . Da aber 35 und. 20 eminent runde Zahlen,die der Quer
theilung aber nicht runder sind a ls sie eben sein mussten,sobald
man die beiden Eckzimmer gleich breit machte und die kleineren
Brüche in der Mauerdicke ausglich,so werden wir wohl lieber
bei unserer ersten”
Annahme bleiben . Und vielleicht dürfen wir
Capitel II .
Ein ältestes Bauwerk.
Die Ansicht,als ob der Ka lks teinqua d e r oder Fachwerkbau
stets älter sei,als der Bau mit Tuffqua d ern , i st von Nissen S . 36 ff.
widerlegt worden durch den Hinweis auf den griechischen Tem !
pel,die Stadtmauer und einige Beispiele in Privathäusern . Unter
diesen nennt er mit Recht al s vorzügli ch beweisend die c a s a
d e l l a r e g i n a d ’
In gh i l t e r r a (VII , 1 4 , 5 , Fiorel li B e s o r . S . 300,
Nissen Cap . XX,No . 38) und fügt nach Besprechung di eses
Hauses hinzu (S .„Mit einem Worte erwähnen wi ll ich nur
drei e igenthum liche Behälter nach dem v i c o d e l l a m a s c h e r a
hin,von denen der mittlere ans Quadern aufgeführt i st . Zwei
derselben sind c . M .
,der dritte M . breit und mit _hy
d raulischem Kalk ausgestrichen . An den Wänden hat sich eine
Art von Kochstein,der kalkige Niederschlag des pompej anischen
Wassers angesetzt . “
Diese drei Behälter verdienen eine nahere Untersuchung ;denn wir haben hier eines der ältesten Bauwerke Pompej i’s vor
uns,einen grossen monumentalen Brunnen mit einem viereckigen
Bassin an j eder Seite,dessen Zeit sich nicht genau bestimmen
lässt,der aber keinenfa lls j ünger
,viellei cht wesentlich älter ist
a ls die Ka lks teina trien : ein Alter,wie es keinem anderen öffent
lichen Bau ausser dem griechischen Tempel und der Stadtmauer
zugeschrieben werden kann . Ich habe nirgends eine Erw ähnung
desselben gefunden .
Der Brunnen und der Raum vor demselben ist gegenwa rtignicht o hne Uebers teigung von Mauern zugänglich . Man steigt
Cap ite l I I . Ein äl tes tes Bauwe rk . 4 3
über die Südmauer des sudwestlichs ten , auch von Westen (v i c od e l l a m a s c h e r a ) zugänglichen Raumes des erwähnten HausesNo . 5 und gelangt so in das westliche der beiden Seitenba s sins
,
von wo man dann wieder in den Raum vor der nach Süden,
gegen die Abbond anza stra sse gewandten Front des Brunnens hin
absteigen kann . Durch eine antik vermauerte Thür war dieser
Raum vom v i c o d e l l a m a s c h e r a aus zugänglich . Auch in derSüdwand gegen das Hinterzimmer des Ladens No . 1 ist
eine Oefl'
nung zugesetzt , doch gleicht di ese mehr einem durch
gebrochenen Loch als einer Thür .
Der Brunnen selbst präsentirt sich nach Suden als ein 0 .
10' osk . hoher massiver Bau , dessen Front in 3 Theile zer
fällt,e ntsprechend dem Brunnen selbst und den beiden Seiten
bassins , Die Front des linken (westlichen) Bassins misst
die d es rechten wird eben so gross gewesen sein , doch misst
man,da die Ostmauer in der Mauer des Hauses steckt
,nur
Die Front des Brunnens selbst misst die Tiefe (N .—S . )
d es ganzen Baues Der Brunnen ist von Süden
durch eine die 0 stha lfte seiner Front einnehmende Thur zu ebenerErde zugängli ch : ihr entspricht eine gerundete Aushöhlung zum
Hinab la ssen des Schöpfgefässes ; er ist , vom Rande des westlichen Bassins gemessen
,also von ebener Erde 30'
tief. Die Tiefe der Bassins betragt bi s an den Boden aus c p u s
S ign i num nur etwa so dass dieser noch c . über der
Erde liegt . Der ganze Bau besteht aus schmucklosen Tuffquad ern ;nur die oberste Schicht die Wände der Bassins ist aus
Kalkstein .
Die Bassins konnten nie zu ebener Erde zugänglich sein,
dienten mithin nicht zum Tränken d e s Viehs,sondern vermuth
lich zum Waschen . Die Zugänge sind wohl beim Bau oder bei
der Erweiterung des Hauses verloren gegangen . Auf der Nordseite des Brunnens sieht man seine alte Bekleidung mit Ziegel
stuck,älter als die ähnliche spätere Wandbekleidung des be
treffenden Raumes . Es m ag noch bemerkt werden , dass der
„hydraulische Kalk“ der Bassins nichts anderes ist
,als der in
Pompej i s o häufig vorkommende Ziegelstuck ; ferner dass diewestliche Brüstung des westlichen Bassins nicht alt
,sondern
später aus schlechtem Incertum hergestell t ist . Ursprünglich wa r
4 4 Cap i te l I I .
hier keine Brüstung : unter der j etzt vorhandenen setzt sich d a sSignrnum des Bodens bis an d en Rand des hier offenbar abschliessenden Quad erbaues fort , und hat auch hier keinen Abschluss . War hier etwas ursprünglich kein Bassin
,sondern ein
Aufgang ? Leider kann das 0 stba ssin nicht auf diesen Gesichts
punkt hin untersucht werden . Auch an der Stelle der nörd
lichen Brüstung des Westba ssins i st nur die j unge Incertumsmauer des Hauses ; doch beruht dies auf nachträglicher Zer
störung , von der auch die Nordwand des Oberbaue s über dem
Brunnen selbst nicht verschont geblieben ist ; denn hier biegt
sich das Signinum am Rande in die Höhe und bezeichnet s oden Abschluss .
Den Rest eines alten Einganges von der Abbondanza stra ssefinden wir in dem die Läden No . 1 und 2 trennenden Pfeiler.Dieser besteht nämlich aus zwei Theilen
,von denen der west
liche und ältere,an No . 1
,ein gegen No . 1 (W .) roh rechtwinklig
behauener, nach der anderen Seite schra g abgeschnittener Tuffpfeiler ist. An diese Seite wurde dann spater ein en tsprechend
schräger Ka lksteinpfeiler angesetzt und so der j etzige , c.breite Pfeiler hergestellt
,dem zwischen No . 2 und 3 ein
c. messender Ka lksteinpfe iler entspricht . Die ursprung
liche Form d es alten Tuffpfeilers ist ni cht ganz deutlich ; doch
sind Reste von Cannelüren erhalten,und es scheint sicher
,dass
es eine vor die Wand von No . 1 vorspringende Halbsäule war,
welche östlich in die Wandfläch e von No . 2 durch V ermitte lungeiner schrägen
,ihr als Tangente sich anschliessenden Fläche
überging .
Die Eigenthumlichkeiten im Mauerwerk des Hauses No . 5
sind von Nissen (S . 4 4 2 f.) hervorgehoben worden : wir haben
hier den seltenen Fall von Quad ermauern ,die nicht an der
Strasse liegen,sondern theils (südlich) das erste linke Seiten
zimmer von d en Hinterzimmern der Läden an der Abbondanza
strasse,theils (westlich) die linken Seitenzimm er von den aus
dem v i c o d e l l a m a s c h e r a zugängli chen Räumen trennen . Die
Südwand schliesst si ch an die Südfront des Brunnens als ihre
Fortsetzung an : sie liegt nur,wie mir scheint
,eine Mauerdicke
weiter südlich . In die Sarno qua dern ist eine Reihe Tuffqua dern
eingemischt : sie i st da,wo die Mauer von Westen an den west
Ein äl testes Bauwerk . 4 5
lich des Einganges zum Atrium liegenden Schrank stosst,die
zweite über der Grundschicht,und. kehrt in gleicher Höhe in dem
Pfeiler ö stlich vom Eingange wieder , während westlich desselben
nur der unterste Stein erhalten ist . Ueber der Tutfqua d er folgt
hier wie dort eine sehr niedrige Ka lksteinqua d er
Diese C o rresp ond enz welche freilich weiter oben aufh o rt,wie
übrigens auch weiter nach Westen die Mauer nicht eben grosse
Gleichmässigkeit zeigt macht es sehr wahrscheinlich,dass
wir hier immer noch Reste der Fortsetzung j ener massiven,an
die Front d es Brunnens sich anschliessenden Mauer vor unshaben . Sie war älter a ls die älteste für uns erkennbare Ge
sta lt des Hauses,gleichaltrig vermuthlich mit dem Brunnen
,
und wir dürfen wohl annehmen,dass mit Rücksicht auf sie
,um
sie benutzen zu können und nicht zerstören zu müssen,das
Atrium so ganz ungewöhnlich weit von der Strasse angelegt
worden ist. In einen Stein dieser Mauer,si chtbar in der Rück
wand des Hinterzimmers d es Ladens No . 3,ist das Zeichen
eingehauen .
Die andere,westliche
, Quad ermauer ist die Fortsetzung der
Ostmauer des Brunnens . Ueber ihre Construction spricht Nissen
S . 44 3 : Grundschicht Kalkstein , darüber 4 (nicht 3) SchichtenTufi
'
quad ern , eine Schicht Kalksteinquadern , zum Schluss Kalk
ste infa chwerk. Die Tufi‘
quad ern sind hier ungewöhnlich klein
(Höhe c . kleiner a ls die Quadern der Süd
mauer . Wir werden wohl kaum irre gehen,wenn wir annehmen
,
dass auch hier die aus Quadern bestehenden Theile älter sind
als das Haus,eine Annahme
,welche einen sehr hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit dadurch erhält,dass s ie eine befriedigende
Erklärung für zwei sonst unerklärliche Umstände bietet : den
Quaderbau an dieser Stelle,und die ganz unerhörte
,c . 1 1 Meter
von der Strasse entfernte Lage des Atriums . Man legte es so
weit zurück,weil auf diese Art für zwei Seiten des von ihm
mit den Seitenzimmern gebildeten Rechtecks die besten und
solidesten Mauern schon vorhanden waren . Das südliche Ende
der Westmauer i st nichts anderes al s die Ostmauer des Brunnens :
auch auf dieser liegt oben das Ka lksteinfa chwerk. Letzteres
lässt sich auch,entgegen dem was Nissen angiebt , in der ganzen
Ostmauer des Hauses consta tiren,auch in der der P orti cus
4 6 Cap ite l l l .
vor dem Garten ; doch liegt diese um eine Mauerdicke weiter
nach Westen .
Es m ag noch kurz hingewiesen werden auf das Stuck Mauer
aus Lava quad ern am Ostende der Nordseite der Insel (Nissen
S . Sollten wir vielleicht in alle dem Reste einer ausgedehnten
Anlage aus einer vor der Zeit der Ka lksteina trien liegenden
Peri ode vor uns haben ? Leider lässt sich über das Alter dieserLavaqua d ern nichts feststellen .
Capitel II I .
K a l k s t e i n a t r i e n.
Nissen hat in seinem zwanzigsten,die Ka lksteina trien be
handelnden Capitel besondere Sorgfalt darauf verwandt , nach
zuweisen,dass der Flächeninhalt dieser Häuser
„j edesmal ein
bestimmtes Landmass in runder Ziffer darstell t “ . Und zwar muss
nach ihm„als Inhalt derj enige Raum berechnet werden
,den die
vier Aussenwände einschliessen ; denn da die letzteren l o c o
c o mm un i errichtet sind,so kann nur der innere freie Raum ein
stens dem Bürger zum vollen Eigenthum a ssignirt worden sein“
.
Nissen sieht voraus,dass seine Leser bei diesen Sätzen
vielleicht die Köpfe schütteln werden,und gesteht ihnen das Recht
zu,strengen Beweis für dieselben zu verlangen . Diesen Beweis
führt er dann a p o s t e r i o r i,indem er nachweist
,zunächst an
drei ausgewählten Beispielen,dann bei der Beschreibung der
einzelnen Häuser,dass die Berechnung des Inhalts eine runde
Grösse giebt,sobald man die Aussenwände ausser Betracht lässt
,
nicht aber wenn man dieselben mitrechnet .In der That sind obige Sätze so unglaublich
,dass sie nur
auf Grund zwingend s ter Beweise a ccep ti rt werden könnten . Zu
nächst, wenn wir überhaupt irgendwo ein rundes Mass suchen
dürfen , s o müssen wir doch am ehesten erwart en , dies von den
ganzen Inseln repräsentirt zu finden : und s o denkt auch NissenS . 5 87. Diese runde Grösse wurde dann in so viele glei che oder
ungleiche Theil e zerlegt,als hier Häuser gebaut werden sollten .
Dass nun auch diese Theile j eder eine runde Grösse repräsen
tirten,dafür war doch die Wahrscheinli chkei t eine geringere
,
48 Cap i te l III
s o bald man nicht einfach durch Linien theilte,sondern den Platz
die m u r i c o m mu n e s besonders absteckte .Ganz unglaublich aber erscheint dies Verfahren
,s obald wir
die Art in’s Auge fassen,wie Nissen’s runde Grössen entstehen .
So z . B .
2 750 D'
3000 D'
Also die runden F la chenma sse sind nicht etwa so entstanden,
dass man die Lange und Breite der Insel in Abschnitte zerlegte ,die durch runde Zahlen ausdrückbar gewesen wären , sondernsie sind d a s Product ganz irrationaler
,die Länge und Breite
bezeichnender Zahlen . Wenn wir bedenk en,wie unendliche Mühe
es machen musste,diese zum grossen Theil nicht einmal rech t
winkligen Vierecke s o einzurichten,dass a ls Product der meist
irrationalen Längenma sse sich ein rundes Flächenmass ergab ,und dann wieder sie so an einander zu passen , dass die Fläche
der Inseln ausgefüllt und nicht überschritten wurde,s o wird
,
glaube ich,diese Erwägung hinreichen
,um das Unwahrsche in
li che der N issen ’
sch en Ansicht klar zu machen .
Es wäre j a denkbar,dass man dem Bürger gestattet ha tte
,
die Stra ssenmauer nicht auf,sondern vor das ihm angewiesene
Grundstück zu bauen,und die Strasse um die Dicke derselben
zu verengern . Hingegen ist nicht abzusehen,wie die a ssignirend e
Behörde zu der Arbeitsverschwendung kommen sollte,den Platz
j eder Trennungsmauer zwischen zwei Häusern besonders abzu
messen,anstatt einfach die Grundstücke abzutheilen und zu ver
fügen falls dies nicht durch Herkommen fest stand dass
j edes den Grund für einen,sei es den rechten
,sei es den linken
p a r i e s c o mmu n i s herzugeben habe . Und dass man so verfuhr,
scheint auch da,wo die alten Häuser reihenweise an einander
liegen,der Tha tbestand zu ergeben : so auf der Ostseite der
5 0 Capitel III.
beide Fa lle i st die Berechnung mo glich . Weil Nissen glaubte,
für eine ganze Anzahl Häuser den Flächeninhalt berechnen zu
können,is t ihm die in dieser Beziehung ganz einzigeBedeutung
dieses Hauses nicht klar geworden,sonst wurde er doch wohl
für den wahrscheinli chsten und nächstliegenden Fall,da ss näm
li ch die P ertinenzen ursprünglich selbständig waren , eine genaue
Rechnung angestellt und sich nicht mi t einem ungefähren Taxat
a uf 5 000 D' begnügt haben .
Die Stra s senfront des eigentlichen Hauses misst ein
begrifi‘
en einen p a r i e s c o mm u n i s , ohne diesen a lso Die
Rückseite misst netto also von der Vorderbreite
kaum verschieden,
Die Lange ist nicht bequem fest
zustellen : eine Messung im Hause selbst ergab auf der Nordseite
eine andere in der anstossenden c a s a d e l l e V e s t a l i
wenn wir als o annehmen,s o werden wir
uns von der Wahrheit ni cht weit entfernen . Südseite
als o mittlere Länge Flächeninhalt 5 1 92 D'
,
nicht 5 000,wie Nissen tan irt .
Ebenso wenig aber giebt die Berechnung des ganzen Grund
stucks,mit den P ertinenzen
,eine runde Summe. Die Front
,
einschliesslich eines p a r i e s c o mm un i s,misst dann netto
die Rückseite (2 p . c .) netto also mittlere
Breite N o rd lange Süd länge 78,
mittlere Länge Flächeninhalt 692 7 D'.
Von den Massen im Innern d es Hauses war schon obenS . 37 d
'
. die Rede .
Im Innern fehlt es nicht an Resten alter S tuckbekleid ung .
Reste d es ersten Deco ra ti onsstils enthält der Laden . Vielleicht
noch älter sind die im südlichen Vorderzimmer erhaltenen Reste
feinen weissen Stucks . Die Wölbung in der Südwand wohl
nicht eine Nische,s ondern durchgehend
,vermuthlich einer ver
mauerten Thür angehörig ist bekleidet zunächst mi t einer
Lage Sand stuck von ganz ungleicher Dicke,um die Unregel
mässigkeiten der Steine auszugleichen , dann mit einer kaum
starken Schicht ganz feinen M a rm o rstucks . Reste feinen
weissen Stucks sind auch in der Südwestecke desselben Zimmers,
dessen Wände spa ter mit Ziege lstuck bekleidet wurden , und in
der Südwestecke des linken Hinterzimmers erhalten .
Ka lksteina trren . 5 1
B ea chtenswerth sind Steine mi t älterer S tuckbekle id ung ,welche im Fachwerk vermauert sind . Verschiedene so lche Res tefinden sich in der unzweifelhaft a lten Wand zwischen der linken
Ala und dem Hinterzimmer,darunter ein Stein
,der zuerst mit
einer sta rken Schicht Sa nd stuck,dann einer 0 . starken
Lage feinen,gelbli ch weissen
,steinha rten Stucks bekleidet i st .
Auch in der Nordwand desselben Hinterzimmers sind Steine mit
Stuck enthalten .
No . 2—4 : VI,10
,1 1
,c a s a d e ! n av i g l i o .
Von Nissen an erster Stelle als besonders beweisendes Bei
Spiel für seine Ansicht von dem Flächeninhalt der ältesten Häuser
angeführt :„In dem V o rd erha use der c a s a d e l n a v i g l i o i st ein
Ka lksteina trium vollständig erhalten : es is t genau 78 ' lang,5 3 '
breit ; es bedeckt , die Aussenmaue rn eingerechnet , 4 1 34 D’
,d . h .
keine rati onelle F lächengrö sse , es bedeckt im Lichten 3750 D’
,
d . h . V o isus . Soll dies haarscharfe Zusammentreffen ein Werkdes Zufalls heissen? “
Wir mussen diese Frage bej ahen : allerdings ist es ein Werk
des Zufa l ls,genauer d a s Product einer Reihe offenbarer Irr
th üm er .
„Die Lange des Atriums betragt die Breite Man
sieht alsbald,dass die Au ssenwand e bei der Feststellung der
Proportionen und des F la cheninha lts nicht berücksichtigt wurden ;denn 75 50 3 2 und giebt als Inhalt 3750 D '
. Dass hieraufdas älteste Haus sich beschränkte
,geht aus der gesamm ten An
ordnung zweifellos hervor “ .
Darauf ist zu erwidern,dass weder die Lange 78 ’ betragt
,
noch a uch e s wahrscheinlich ist,dass sich d a s älteste Haus auf
die von Nissen berechneten Theile beschränkte .Am geringsten ist die Ungenauigkeit in der Berechnung der
Brei te . Die directe Messung zwischen den Rückwänden der beidena l a e ergiebt
dazu zwei Stuckschichten,mindestens
und die beiden Mauern (nach Nissen)
Und ziemlich das gleiche Resultat e rgieb t si ch , wenn wir die
Messung in derselben Weise anstellen wie Nissen (S . 4 1 5 : Ebenso
5 2 Capite l III.
am Ende welcher theil s namentli ch das Tablinum nicht
genau genug gemessen,theils die Stuckbekleidung der Wände
nicht in Anschlag gebracht hat.Westl . Hinterzimmer (2 Stuckschichten)Tablinum (Stuck)Küche c . (2 Stuckschichten) .
2 Aussen und 2 Innenwände
Das giebt also in diesem hinteren Theil des Hauses fur die Breite
5 4 ' und 4— 5 " o skisch .
Schwi eriger ist die Feststellung der vorderen Breit e . Nur
d er nördliche (hintere) Theil der Ostmauer , etwa bis zur Mittedes zweiten Seitenzimm ers
,is t alt und in Fachwerk ausgeführt .
Er ist nicht der Westmauer parallel,sondern convergirt etwas
mit ihr nach Süden : es ist kein Grund zu zweifeln,dass die Mauer
in dieser Richtung sich bis an die Strasse fortsetzte . Von dem
bezeichneten Punkte an ist sie später in Lava incertum erneuert
worden,und dieser j üngere Theil weicht von der Rich tung des
älteren etwas nach Osten ab,so dass von hier an die Breite
wieder um ein weniges wachst oder doch nicht mehr abnimmt .Aber auch diese j üngere Mauer setzt sich nicht bis an die Strasse
fort,sondern die Ostwand des Ladens No . 1 2 ist noch weiter
na ch Osten gerückt . Die alte Front wi rd etwa (nettoeher noch etwas weniger
,die mittlere Breite d es Hauses
also 5 3' betragen haben .
Weit gewichtiger sind die bei Berechnung der Lange began
genen Irrthüm er . Die Südfront des Hauses,einschliesslich d es Süd
endes der übrigens aus Kalksteinquadern bestehenden Westmauer,
is t in späterer Zeit in Backstein hergestellt . Die Westma uer
einschliesslich dieser B a cksteine cke misst 79 ' o sk . ;
Nissen nimmt aber an,dass bei Herstellung der Ziege lfront die
Ecke und doch wohl die ganze mit ihr in einer Linie liegende
Front um M . röm . gegen die Strasse vorgerückt
worden sei . Der Beweis für diese Annahme is t seltsam . Nissen be
rechnet nämlich die innere Länge (Tiefe) des Hauses , von der Rückwand d es linken Hinterzimmers bis zum Vorderende der f
1) F a u c e s ist d er Gang zwischen Stras se und Atr ium : s . Ivanofi
‘
,A n n . d .
In s t . 1859 , S . 82 ff .
Ka lksteina trien . 5 3
a lso in der Mitte des Hauses , auf is t wo hl Druck
fehler) „wenn nun die Qua d erwand mit vorgelegter Ziegelecke ,
wie bemerkt,
misst,s o ersieht man da raus
,dass bei der
Herstellung der B o ttegen um M . röm . die Ecke gegen
die Strasse vorgerückt ward “.
Die fragliche Ecke und. die Pfeiler an der Ausmundung der
fa u c e s auf die Strasse sind aus demselben Ziegelwerk,ihre
Vorderseiten liegen in einer Flucht : sie sind ohne allen Zweifel
zu e i n e r Zeit und nach e i n e m Plane gebaut . Wie also aus ihrer
verschiedenen Entfernung von der Rückwand d es Hauses auf ein
Vorrücken gegen die Strasse soll geschlossen werden können,
ist ganz unerfind lich : wurde damals vorgerückt,so betraf dies
die ganze Front,nicht bl os die Ecke : j ene Verschiedenheit muss
einen anderen Grund haben . Und dieser Grund liegt ganz ein
fach darin,dass die Front gegen die Queraxe d es Hauses schräg
liegt und. nach Westen weiter vorspringt : die Abweichung is t s ogross
,dass das vor der Schwelle liegende Stück der fa u c e s an
der Ostwand an der Westwand tief ist,dass die Tiefe
der östlichen B o ttege am Ostende die der westlichen am
Westende beträgt . Mit einer Verrückung der Front haben
diese Differenzen nichts zu thun .
Eine solche aber hat in der That stattgefunden,nur ist die
F ront nicht vorgerückt , sondern zurückgezogen worden . Ohne
Zweifel lief die Front der Insel ursprünglich in einer Flucht mit
derj enigen der östlich anstossenden Inseln (die der westlichen ,j enseits der M ercurs tra sse , springen noch weiter vor) ; sie lief
ohne Zweifel parallel mit der Front der Inseln auf der gegen
über liegenden Seite der Strasse,die sich hier
,nur vor
di eser Insel,ganz unnatürlich verbreitert
,s o dass die beiden
Trottoirs einen bedeutenden Winkel bilden . Auch die Nordfront
der Insel läuft ganz in gleicher Flucht mit der der anstossenden
Inseln . Aller Zweifel wird gehoben durch die Beobachtung einer
Terra inerh öhung genau in der eben p o stulirten Richtung: von
der Südostecke ausgehend entfernt sie sich allmählich von derj etzigen Front
,bis s ie an der Südwestecke um 0. vor
dieselbe vorspringt . Es kann keinem Zweifel unterliegen,dass wir
hier die Fundamente der alten Frontmauer zu erkennen haben .
Endlich ist auch die Ursache dieser Veränderung allenfalls zu e r
5 4 Cap i te l ru .
rathen : es handelte sich vielleicht darum , den im Anfang der Mer
curs tra sse errichteten Triumphbogen von dieser Seite sichtbar zu
machen . Es war als o die Westmauer ursprünglich nicht kürzer,
sondern um etwa länger als gegenwärtig : 2 3 M . c .Die ö stliche Länge des Hauses zu finden ist schwierig . Das
hintere Ende der westlichen Quad erm auer entspricht der Rück
wand des linken Hinterzimmers . Dies ist um tiefer als das
Tablinum (den Stuck zu gerechnet) . Rechnen wir nun dieRückm a uer des Hinterzimmers zu und nehmen als Ausgangs
punkt für die Messung einen östlich vom Tablinum hinter
der Rückwand desselben gelegenen Punkt,s o ergiebt die Messung
durch den Gang,der östli ch vom Tablinum aus dem Atrium zu den
hinteren Räumen führt,bis an die Vorderwand des Atriums
dazu die D icke der Vorderwand,mit Stuck
,etwa
östliche Tiefe des Ladens (bis an die alten Fundamente)
(1 . i . 80' weniger
Es ergiebt sich also eine mittlere Lange von
Da die mittlere Breite etwas uber 5 3 , die mittlere Lange
etwas unter 82 ' beträgt,so dürfen wir
,da wir doch vollkommene
Gena uigkei t nicht beanspruchen können,den Flächeninhalt auf
82 X 5 3 4 34 6 D’ berechnen . Wenn wir alsdann von j eder
Dimension die beiden Mauern mit 3 ’ abziehen,s o erhalten wir
79 X 50 395 0 D'.
Es ist damit hinlänglich erwiesen,dass j enes haarscharfe
Zutreffen auf 375 0 D' ein Product des Zufalls
,genauer d es Irr
thum s ist : ein weiterer Beweis für di e Gefährlichkeit des Argu
ments, „dass dies ni cht Zufall sein kann “
. Die von uns gefundene
Zahl is t zwar von 4 000 nicht allzu weit entfernt,doch ist das
Zutreffen bei wei tem nicht genau genug,um als Beweis für die
Einzelheiten des bei der Assignati on beobachteten Verfahrens
geltend gemacht zu werden .
Ferner aber sind wir mit unseren Betrachtungen noch nicht
zu Ende . Es bleibt noch zu erweisen,dass das älteste Haus
sich nicht wohl auf den von Nissen berechneten Raum beschränkthaben kann .
Dass das Nordende der Quad erm auer an der M ercurs tra s se
Ka lksteina trien . 5 5
auch das hintere Ende des ältesten Hauses und Grund stuckesbezeichne
,erweist Nissen folgendermassen :
„Ich bemerkte
,dass dieselbe (die Qua d erm auer) an der No rd
ecke einen Abschluss findet und mit der B innenm auer gebunden
is t : die letztere a ber besteht aus Ka lkste infa chwe rk . Sie schliesst
das Tablinum hinten ab,offenbar aus dem Grunde
,weil das
Atrium ursprünglich keinen Ho rtus besass “ .
Von alledem ist nichts richtig .
1 . Die an der bezeichneten Stelle ansetzende Quermaueris t mit der Stra ssenm auer nicht gebunden
,s ondern nur an die
selbe angelehnt .
2 . Sie besteht nicht aus Ka lksteinfachwerk . Nissen ist
vielleicht dadurch getäuscht worden,dass s ie allerdings durch
zwei,übrigens nicht in der Art des Fachwerks gebildete Kalk
steinpfeiler in drei Theile geth eilt ist : die Oeffnungen zwischen
denselben messen (von c . Die erste ist aus
gefüllt mit altem Lava incertum,die mittlere mit Incertum aus
Oruma,Lava
,Ka lkstein und. anderem Material ; in dem Incertum
der westlichsten wiegen Lava und Tuff vor. Die mittlere Oeffnung war ursprüngli ch eine Thur : man sieht dies deutlich an
dem auf der Westseite des ö stlichen Pfeilers erhaltenen Stuck
(der westliche Pfeiler ist bei der Zuse tzung der Thür stark bescha d igt worden) . Später wurde diese Thür geschlossen und
eine andere in der westlichen Abtheilung der Wand geöffnet ,endlich aber auch diese wieder zugesetzt . Dass dies die Reihen
folge war,ergiebt si ch daraus , dass der weisse Stuck , welcher
die V ermauerung der Mittelthür bedeckt , die westliche Seitenthür
noch anerkennt .3 . Diese Mauer ist die Rückwand des westlichen Hinter
zimmers,nicht aber die des Tablinum s
,welche auch mit ihr nicht
in einer Flucht,sondern um c . weiter nach vorn (Sud) liegt
es reicht also das Tablinum nicht,wie man nach Nissen’s Dar
stellung annehmen muss,bis an das hintere Ende d es Hauses
,
sondern bleibt um von demselben entfernt . Und zwar han
delt es sich nicht etwa um eine nachträgliche Verkürzung des
Tablinum s : vom linken (westlichen) Hinterzimmer aus sieht mandeutlich
,wie die alte Fa chwe rkmauer des Tablinums nach hinten
mit einem Ka lks teinp feiler abschliesst : der Rest der Ostmauer
5 6 Cap ite l III.
d e s Hinterzimmers ist Später daran gesetzt und besteh t a us In
ce rtum ,unten Lava
,oben Kalkst ein .
4 . Die Rückwand des Tablinum s ist ganz spaten Ursprunges_
.
Dasselbe hatte anfänglich nur Sei tenmauern und war vorn und
hinten in ganzer Breite geöffnet,wie an dem alten hinteren
Ende der Ostwand noch deutlich zu erkennen ist. Später
wurde sowohl der vordere als der hintere Eingang verengert ;d er vordere durch Wandstücken (c . aus Ziegeln und ziegel
förmigem Tuff,der hintere durch 2 Ziegelp ila ster , welche durch
einen aus ziege lförm igem Kalkstein gebildeten Bogen verbunden
waren . Noch später endlich wurde der hintere Zugang ganz zu
gesetzt,ohne Zweifel um das nördlich anstossende grosse Tri
clinium zu bauen . War aber das Tablinum hinten offen,s o
musste d a s Haus tiefer sein , al s Nissen annimmt , denn es wa r
unmöglich,dass nur c. M . von der hinteren Oeffnung des
Tablinum s die Mauer des Nachbarhauses folgte . Ohne Zweifel
öffnete es si ch,wie in der c a s a d e l c h i r u rg o
,auf einen vor
dem Ho rtus liegenden Gang ; da wir nun auf Gang und Ho rtusnich t woh l weniger als 5— 6 M . rechnen konnen
,s o bleibt für
ein zwischen diesem und der weiter nördlich liegenden Quader
mauer liegendes Haus das zweite der drei von Nissen auf
dem Boden der c a s a d e l n a v i g l i o angenommenen kein ge
nügend er Raum übrig , und es ist nicht unwahrscheinlich , dass
wir statt dreier nur zwei Hauser anzunehmen haben,von denen
das erste sich bis an das zweite Stück Qua d ermauer erstreckte .Damit wa chst die Lange d es Hauses um c . und
wenn wir unter dieser Voraussetzung den Flächeninhalt berc oh
nen,s o erhalten wir 1 2 2 X 5 3 64 66
,netto 1 1 9 X 50 5 950 D
'.
Es ist nicht zu leugnen,dass die letztere Zahl der runden
Grosse 1 20 X 50 6000 D' nahe kommt
,doch ist wiederum das
Zutreffen nicht genau genug,um eine an sich s o wenig überzeu
gende Annahme damit beweisen zu konnen .
Die Westseite der c a s a_
d e l n a v i g l i o besteht aus drei
Theilen (Nissen S . zuerst (von Süden) ein Stück Quaderma uer
,dem eigentlichen Hause einsch liesslich Tablinum und
Hinterzimmer entsprechend,dann ein Stück Bruchsteinmauer und
am Nordende wieder Quaderbau : beide letztere Stücken demGa rten entsprechend. Nissen nimmt an
,dass dem entsprechend
5 8 Capi te l HI .
steh enden Hauses,dass die Sudmauer d es Stuckes
,um welches
die N o rdp o rticus weiter als das Viridarium nach Westen vor
Sp l‘ill gt, seinen Abschluss gebildet habe . Nachdem aber j etzt die
ganze Insel ausgegraben ist und man die V ertheilung der Häuser
in derselben übersicht,scheint es sehr wahrscheinlich
,dass hier
nicht ein Angip o rtus war , sondern ein die ungewöhnlich grosse
Insel von Nord nach Süd durchschneidender Vicus. Gewisse
Ungleichheiten in der Tiefe der Häuser,ein gewisses Hinüber
greifen bald der westli chen,bald der ö stlichen Häuser über eine
Linie , die man zwischen beiden ziehen könnte , erklären sich ameinfachsten durch die Annahme
,dass bald von der einen
,bald
von der anderen Seite her der Vicus o ccup _irt wurde . Weiter
nach Norden lässt sich dies nicht verfolgen und im einzelnen
nachweisen . Doch scheint sicher,dass in dem in Rede stehenden
Hause eben j ener weiter nach Osten vorspringende Theil derN o rd p o rticus und. das nördlich in gleicher Flucht anstossende
Zimmer auf dem Boden d es Vicus liegen . Letzteres greift in
das Peristyl der nordöstlich anst ossenden,nach Osten mundenden
c a s a d ’ O r fe o ein und verursacht dessen unregelmässige Gestalt :
nur am Nordende der Westseite is t nämlich eine kurze Säulen
halle,dann folgt nach Süden ein kleines Z immer
,dann das er
wähnte Zimmer der c a s a d e g l i s c i e n z i a t i ; offenbar liegt auch
j enes Stück Porticus mit dem anstossenden kleinen Zimmer auf
dem Boden des Vicus,der hier von Osten her o ccup irt worden
ist. Dann hat sich die c a s a d’
O r fe o noch weiter , über den
Vicus hinaus,auf Kosten der westlich anstossenden Hauser aus
gedehnt . Ueber das Alter dieser Veränderungen lässt si ch nur
sagen,dass sie nicht nach der Zeit des dritten Deco ra tions stils
vor sich gingen,in welchem die betreffenden Zimmer der c a s a
d ’ O r fe o ausgemalt sind .
Ferner muss consta tirt werden , dass auch hier die Ruck
wand des Tablinum s nicht ursprünglich ist , dass als o Nissen’s
Schluss,das Haus habe keinen Ho rtus gehab t
,seine Hauptgrund
lage verliert . Die Rückwand besteht aus Lava incertum mit Kalk
steinblöcken an der Thür,und ebenso sind die hintersten Stücke
der Seitenmauern gebildet : das alte Stück ist rechts lang.
Ob letzterer Umstand auf eine Vergrösserung des Tablinum s oder
auf theilwe ise Zerstörung der alten Mauern zurückzuführen is t,
Ka lkstérnatfien . 5 9
la sst sich wohl nicht mit Sicherheit entscheiden . Jedenfa lls aber
ist kein Grund zu der Annahme , dass dies Haus nicht , wie alle
ältesten Häuser,seinen Ho rtus gehabt haben sollte . Dann aber
wird der Raum für ein zwischen diesem und dem ehemaligenVicus liegendes Atrium doch sehr knapp
,und es gewinnt die
Annahme an Wahrscheinlichkeit , dass si ch das Haus sch on in
der Peri ode der Ka lksteina trien durch die ganze Breite der Inselerstreckte . In diesem Falle war seine Tiefe c . M . 1 2 3 '
Da nun die Breite c . 4 7' beträgt (s . oben S . s o erhalten wir
einen Flächeninhalt vo n 5 784 72 D'
,nach Abzug der Aussenm auern
44 5 288 D'. Doch ist natürlich die Annahme , dass
das Haus die ganze Breite der Insel einnahm,eine ganz unsichere
Man könnte dagegen anführen,dass si ch das Haus in seinem
hinteren Theil verbreitert ; südlich beginnt die Verbreiterung mit
dem Anfang des V irid arium s,nördlich in der Mitte des zweiten
Zimm ers links am Peristyl : von hier an sind hinter dem ge
nannten Zimmer noch Wirth scha ftsräum e,während die folgenden
Zimmer tiefer sind . Nehmen wir an,dass mit der s o gegebenen
Linie d a s Haus abschloss,s o erhalten wir eine Tiefe von c . 2 4 M .
87 einen Flächeninhalt von 4 7 X resp .
4 4 X 841
43697 D
’. Zur Zeit d es ersten Deco ra tionsstils
hatte d a s Haus schon seine j etzige Ausdehnung ; denn wir finden
ihn auf den Wanden des Gartens . Ist unsere letzte Annahme
richtig,s o blieb zwischen der Ruckwand und. dem Vicus eine
Entfernung von c . 10 M . 36 es konnte als o möglicherweise hier noch ein kleines Atrium Platz finden .
Dass das Haus manche Veränderungen,auch B eschrankungen
seines Umfanges erli tten hat,ist von Nissen hervorgehoben wor
den . Die a l a e sind in geschlossene Zimmer verwandelt wor
den . Der Gang,welcher links neben dem Tablinum in’s Peristyl
führt,wa r sicher anfangs nicht s o ganz ungewöhnlich eng : er
wurde es erst durch den Bau d es links (N .) an ihm liegendengrossen Tricliniums
,welches über die Linie der entsprechenden
Seitenzimm e r des Atriums hinaus nach S . vorspringt . Rechts
vom Tabl inum ist d a s Tablinum und das rech ts anstossende Zim
mer des nach S . mündenden Hauses No . 5 von unserem Hausea bgenommen worden : hier sind neben dem Tablinum nur zweikleine Schränke
,einer vom Atrium
,einer vom Peristyl aus zu
60 Capite l nr.
ganglich , übrig geblieben . Von den Seitenzimmern rechts am
Atrium is t,wie auch Nissen erwähnt
,das mittlere abgetrennt
und mit dem südli ch anstossenden Hause vereinigt worden . Es
kann a ls sicher gelten,dass alle diese Veränderungen in der
Tufi'
p erio d e , zur Zeit d es ersten Deco ra tionsstils , gemacht sind.
Reste des letzteren finden wir in d en beiden Schränken,s o wie
a n der den Eingang zu dem verengerten Gange enthaltenden
blinden Thür,und. das Mauerwerk aller dieser Umbauten ist ganz
d a s j ener Periode : die Alen sind durch Mauern aus Oruma incertum
mit Thürpfo sten aus Kalksteinquadern in Zimmer verwandelt wor
den ; die Rückwand d es Tablinum s , s o wie die an die Seitenwände
hinten angesetzten St ücke bestehen aus Lava incertum mit Thür
pfosten ebenfalls aus Kalksteinquadern ; C ruma incertum i st in der
Rückwand d es hinteren Schrankes sichtbar ; Incertum ,von dessen
Material wenig zu erkennen ist (Oruma , Tuff) , mit Ka lksteinpfo stenhat auch die Sudmauer des grossen
,im zweiten Stil ausgemalten
Tricliniums links neben dem Tablinum . In gleicher Weise ist das
vorletzte Zimmer links am Peristyl gebaut,und auch da
,wo sich
die südlich vom Atrium abgetrennten Raume in das Nebenhaus
o ffnen,finden wir die gleichen Ka lksteinpfo sten .
Nissen glaubt in dem am Impluvium stehenden Tisch den
ehemaligen Heerd zu erkennen : eine durch nichts zu rechtferti
gende Annahme . Zunächst ist seine Beschreibung ungenau : manmuss nach derselben annehmen
,dass die eine Fontaine euthal
tende Aedicula und. der Tischfuss identisch seien,dass in einer
Nische des einstigen Heerd es,j etzigen Tischfusses , welche einst
zum Kochen gedient,Später die Fontaine angebracht worden sei .
In Wahrheit aber ist die Aedicula vom Tisch ganz getrennt und
steht selbständig zwischen ihm und dem Impluvium .
Nissen scheint Gewicht darauf zu legen,dass der Tischfuss
ein gemauerter„Klotz “ sei . Derselbe hat aber eine für seine
Bestimmung ganz geeignete,für einen Heerd moglichst unpa s
sende,nach oben sich verbreiternde Form
,und dürfte mit seiner
Stuckbekleidung nicht allzu klotzig “ ausgesehen haben . Einganz ähnlicher Tischfuss findet sich in dem südlich anstossenden
Hause VI,
Die Oeffnung hatte keinen anderen Zweck , a ls
d a s Wasserrohr für d ie Fontaine durchzulassen , dessen Richtung
von hier aus gegen die Wasserwerke des Peristyl deutlich ver
Ka lksteina trien . 6 1
folgt werden kann : hier lag e s frei wegen der hier angebra chten
Hähne . Zum Kochen wie Nissen meint kann eine s olche
Oefi”
nung am Boden nie gedient haben . Nachträgli ch,wie es
scheint,obgleich es nicht erweislich ist
,hat man dann noch die
vier Greifenfüsse angebracht ; j edenfalls dienen sie mehr zur
Decoration als zum Tragen ; ganz das gleiche kann im Hause
VI,5,3 ( c a s a d i N e t t u n o ) beobachtet werden .
No . 6 : VII,1,4 0
,c a s a d i M a r t e e V e n e r e .
Nissen’s Angaben uber dies Haus,welches die Nordwestecke
der Insel VII,1 bildet
,sind ganz besonders unrichtig .
Es ist unrichtig,dass die Seitenmauer (W .) alten Kalkstein
bau theils massiv,theils in Fachwerk
,aufweist (Nissen S . 4 2 2 )
die von Nissen angegebenen Stücke Quad erm auer sind vorhanden ,das übrige Mauerwerk aber ist gewöhnliches
‘
Incertum aus Kalkstein
,Tuff
,Oruma und Ziegelfragmenten . Wir finden auf der
Westseite,von Norden beginnend
,zunächst den Eingang (No . 4 2 )
des auch nach N . geöffneten Ladens . Der südliche Pfosten dieses
Einganges aus Kalksteinquadern schliesst auch nach Süden,
wo die Mauer an ihn ansetzt,senkrecht ab : eine Bauart
,welche
da rauf zu deuten scheint,dass dieser Pfeiler einst is o lirt stand .
Und in der That finden wir weiter nach S . einen zweiten
Pfeiler,der nach N . senkrecht abschliesst
,nach Süden aber mit
der Mauer verbunden ist. Offenbar führen diese beiden Pfeiler
zu der Annahme,dass da s zwischen ihnen liegende Mauerstück
jüngeren Ursprungs ist,dass hier einst eine zweite
,später zuge
setzte Lad enöfi'
nung war. Es soll nun nicht verschwiegen wer
den,dass eine solche Annahme ihre Bedenken ha t : die innere
Einthe ilung stimmt nicht zu derselben , und das Mauerwerk zeigt
keinen abweichenden Charakter : ind e ss,wie dem auch sei
,j ener
zweite,das Incertum unterbrechende Pfeiler ist das einzige , wa s
dieser Mauer eine gewisse Aehnlichkeit mit Fachwerk geben
könnte.Hingegen ist Quaderbau nicht nur am untersten (S .) Ende
erhalten,sondern am Boden entlang kann man von da bis an
den besprochenen Pfeiler ununterbrochen die Kalksteinquadern
verfolgen : nur in j ener vermauerten Oeffnung fehlen sie gänzlich .
62 (‘
ap rte l m .
Ferner hat,was Nissen leugnet
,am unteren (S . ) Ende die Mauer
ihren bestimmt cha rakterisirten Absch luss : wenn irgend wo,
s o ist hier der zweite Stein von unten nach innen gebunden
seine Dicke beträgt
Auch die Facade (N .) besteht keineswegs aus Ka lksteinfa chwerk
,sondern aus Incertum mit Thür und Eckpfeilern aus Kalk
stein ; nur gegen den Laden schliesst die Mauer mit einem Pfei ler
aus Tuffziegeln ab , was wohl auf spätere Veränderungen schli essen
lässt .
Die Westmauer,sagt Nissen
, „lauft ausser Richtung mit der
Strasse,das Trottoir am oberen Ende des Atriums is t viel breiter
al s am unteren,die Pflasterung und Regulirung der Strasse muss
später fa llen als der Bau der Mauer “ .
Ein wunderbarer Schluss ! Wenn,a ls der Vicus gepfia stert ,
als Trottoir und Fahrweg gesondert wurden,d a s Haus schon
stand,s o war es doch na turlich
,das Trottoi r in gleicher Breite
an der Hausmauer entlang zu fuhren : die Erklärung der hier
vorliegenden A bweichung wird also durch obige Annahme im
Gegenthe il erschwert . Denn man kann nicht etwa sagen,hier
sei die gleichmässige Breite der Fahrstra ss e massgebend gewesen,
man habe die beiden Trottoirs parallel geha lten und. s ei desha lb
von der Richtung d es älteren,damit ni cht stimmenden Hauses
abgewichen . Die Fahrstra sse i st nämlich hier keineswegs gleich
mässig breit,sondern erweitert sich beträchtlich nach Norden ,
wie auch der kleine Fio relli’sch e Plan deutlich zeigt , und. die
Trottoirs d ivergiren dem entsprechend : es lag a lso gar nic hts
im Wege,d asj enige der Ostseite dem vorhandenen Hause pa rallel
zu machen .
Zunächst lehrt der Augenschein,da ss d a s Haus durch seine
schiefwinklige Gestalt den unregelmässigen und daher schwerlich
ursprünglichen Gang d e s Vicus im Allgemeinen anerkennt : es
dürfte daraus zu schli essen sein,dass wir hier den Anfängen
der Stadt schon ziemlich fern sind . Ferner aber ist der j etzige
Gang der Mauer,trotz der Kalksteinquadern
,ni cht ursp runglich .
Wie bei der c a s a d e 1 n a v i g l i o (s . oben S . s o ist auch hier
d a s Fundament der alten Seitenmauern noch vollkommen kennt
lich : eine Erhöhung des B o dens,welche
,an der Ecke am unteren
Ende der Qua d ermauer beginnend , nach N . sich a llma lig ver
Ka lks tein atrien . 63
bre ite rt und kurz unterhalb des La dens schon c . breit ist.Vor dem Laden selbst i st sie durch eine spätere Aufhöhung d e sTrottoirs unkenntlich geworden ; hingegen is t die alte Ecke in
der Höhe von zwei Steinen stehen geblieben,genau in der Linie
j ener Erhöhung : sie i st spitzwinklig,wie es die Form des Hauses
verlangt ; von den beiden Steinen springt der untere um
und na ch beiden Seiten vor. Da,wo sie den j etzigen Eck
pfeiler berühren,ist jüngeres Material darauf gelegt
,welches den
Stuck desselben bedeckt : bei fiuchtiger Untersuchung könntedies verleiten
,diesen ganzen Rest
,der in der letzten Zeit Pom
pej i ’s wohl als Sitz diente,für j ünger zu halten . Diese a lte
Seitenwand ging vollkommen parallel mit dem j etzigen Trottoi r.
Die besprochene Veränderung hatte wohl den Zweck,diesen
Theil des Hauses etwas weniger spitzwinklig zu machen .
Stammen nun die Qua d ertheile der j etzigen Mauer aus der
Ka lks te inp erio d e , s o müssen w i r ernen doppelten , vielleicht einendreifachen Umbau annehmen : Zuruckziehung der Mauer in der
Ka lksteinp erio d e Neubau in o p u s in c e r tum Sch liessungdes südlichen La dens
,letztere verbunden mit einem Umba u im
Innern . Unmöglich ist nun di es nicht . Doch ist es immerhin
wohl denkbar,da ss a uch das Stück Qua d ermauer und die als
Fundamente dienenden Qua dern in späterer Zeit aus den Resten
der alten Qua d erm auer herges tellt und a n dieser Stelle dem In
certum der j üngeren Mauer gleichzeitig sind . Es Sprich t da fur
eine gewisse Gleichartigkeit in den verschiedenen B e stand the ilen
der Mauer : am Südende tritt die nach innen gebundene End
quader der zweiten Schicht etwas nach N . gegen die obere und
untere zurück,so dass eine Art Verzahnung entsteht , welche
sich dann nach oben in dem entschieden zum Incertum gehörigenEckpfeiler fortsetzt.
In keinem Falle aber konnen wir aus dem vorliegendenHause die Gr össe des ursprünglich a s signirten Grundstücks berechnen . Versuchen wir es dennoch unter der Voraussetzung
,
dass das Südende desselben durch das Sudende der Quader
mauer bez eichnet ist,so erhalten wir keinerlei überzeugende
Grösse . Die westliche Länge beträgt die senkrechte
von der die ö stliche nicht wesentlich abweichen kann
(bis hinter das Tablinum) : mittlere Länge 66'
64 Capi te l III.
Alte Front hintere Breite c . mittl ere Breite
Also Inhalt 66 X 32 67 D' netto
63 2 92 97, D'.
No . 7 : V II,9,63 .
Dass der Flächeninhalt 2 750 D ’ gewesen sei,
findet Nissen
mehr durch ungefähre Schätzung als durch Berechnung . Es ist
aber auch diese Schätzung werthlo s,d a wir ni cht die mindeste
Gewa hr haben,dass die j etzige Tiefe des Hauses auch die ur
sp rüngliche ist ; denn die Rückm auer ist, wie die meisten Mauern
des Hauses,durchaus j ung. Dass diese Tiefe nicht ursprünglich
ist,wird wahrscheinlich durch die Erwägung
,dass wir dann
ein hinten geschlossenes Tablinum annehmen müssten : eine
Form,die sich bei keinem dieser alten Ka lksteinhäuser nach
weisen lässt .
Wenn die Westmauer an ihrem ursp runglichen Platz steht ,s o mass die Front wobei eine Zwischenmauer ein
begriffen i st . Nissen’s V ermuthung (er misst dass dieFront 4 8 ' brutto betragen habe
,wobei auf die entsprechende
Strecke kommen würden,i st unzulässig .
Alt ist nur was vor dem Hofe liegt,und wohl der linke
Pfeiler d es Tablinum s . So ist auch die von Nissen angegebene
Breite des Hofes j üngeren Datums : die Sei tenwände bestehen aus Lava incertum mit Thürpfeilern aus Tuff
ziegeln . Offenbar ist beim Bau derselben di e Breite des Hofes
verringert worden ; der Ostpfeiler der Thür des Zimmers östlich
vom Eingang ist erhalten,und man erkennt an ihm die Stelle,
wo die alte Ostmauer des Hofes ansetzte : es ist hier ein Absatz
im Stein selbst,etwa um weiter östlich als die spätere Mauer .
Auch westlich vom Einga nge is t der entsprechende Pfeiler kennt
lich ; doch ist hier die spätere Westmauer über ihn hinaus vor
gerückt worden,so dass auch die Thür dadurch verengert worden
ist . Nehmen wir an,dass der Eingang der Mitte d e s Atriums
entsprach,so erhalten wir als Vorderbreite (2 x
66 Capite l I II .
uberein stimm end en Reste des ersten Deco ra tionsstils sprechen in
gleicher Weise dafür.So ist es auch vollkommen klar
,dass di e Zimmer rechts am
Atrium vom N a chba rhause a bgenommen sind : von einer Ein
s chrankung des Hauseswegen „reducirter V erha ltnis se
“ i st keine
Spur vorhanden,sondern hier wie in den hinteren Thei len er
kennen wir nur,dass es sich bedeutend ausgedehnt hat . Die
Mauer zwischen diesen Z immern und dem Atrium is t der dem
nördlichen N a chba rhause angehörige p a r i e s c o m mu n i s In
certum aus Lava,wi e das ganze Nachbarhaus d ie sichtlich
Später durchgebrochenen Thüren sind dann mit allerlei Material
zurechtgeflickt worden .
Ist also die Breite des Hauses fa l sch angenommen,s o ist
die Ansetzung der Tiefe ganz willkürlich :„An dem Tablinum
sehen wir einen alten Ka lksteinpfo sten dasselbe ist M .
tief. Folglich Hausläirge etc. etc.“ Jener Pfosten ist relativ
alt,weist aber keineswegs mit Bestimmthei t auf die älteste Bau
periode . Gesetzt aber auch,er hätte dem ursprünglichen Kalk
steina trium angeh o rt, s o folgt aus seiner Gestalt,dass schon da
mals das Tablinum nach hinten offen,also das Haus hier nicht
abgeschlossen war. Ferner lag dann schon damals das Tablinum
nicht in der Mitte der Rückwand,sondern mehr nach links
,der
Art,dass links von demselben kein Zimmer
,s ondern nur
_der
noch j etzt vorhandene schmale Gang sein konnte . Nun hat aber
diese Lage des Tablinum s nur Sinn durch die so gewonnene
Perspective auf den Garten,und auch der Gang musste doch
irgendwohin führen : es stammt a ls o der Pfosten,den Nissen
seiner Berechnung zu Grunde legt,aus einer Zeit
,wo keinenfa lls
hier das Haus zu Ende war.
Im ganzen Inneren des Hauses ist nichts erhalten,was sich
auf die Zeit der Ka lksteina trien zurückführen liesse . Da s Zim
m er rechts vom Eingang zeigt in der Wand gegen das Atrium
Ka lkste inpfeiler ohne sichtbares Bindemittel in Verbindung mit
gewöhnlichem Ince rtum aus Lava. Auch der südliche p a r i e s
c o mm u n i s ist nicht alt : wie der nördli che hinter der Facade
des Nachbarhauses,so lag er ohne Zweifel ursprünglich hinter
der des in Rede stehenden,während er j etzt südlich an dieselbe
angesetz t i st.
Kalksteinatrien . 67
No . VI,9,1,c a s a d e l D u c a d ’
Aum a l e .
Nissen’s Behandlung dieses aus zwei älteren Hausern ent
s tand enen Hauses erfordert einige Bemerkungen .
In Betreff des ersten Hauses handelt es sich nur um eineunwesentli che Berichtigung der Masse : erstes Stuck von der
Mauer Thür zweites Stück Länge der Faca de ,hinter d er der südli che p a r i e s c o mm un i s und die der Sta dt
mauer zugekehrte Wand liegen,
37’ oskisch .
Zu dem zweiten Hause hat Nissen den gegen die Strassevermauerten Laden
,der sich an das Sudende der Facade an
schliesst,hinzugerechnet . Dass derselbe zur c a s a d i M e l e a g r o
„schwerli ch zu irgend einer Zeit gehört haben kann
,ist unerweis
lich : der anstossende Theil der c a s a d i M e l e a g r o i st das Peri
styl,ein junger Bau
,dem mindestens ein
,vermuth lich zwei Atrien
haben Platz machen müssen : nichts steht der Annahme im Wege,
dass j ener Laden ein Rest eines derselben ist . Der Pfei ler an
der Nordseite seines Einganges kann sehr wohl auch der alte
Eckpfeiler des zweiten Hauses der c a s a d e 1 D u c a d ’
Aum a l e
sein . Bis dahin misst die Front des alten Hauses : erstes Stück
3 92 Thur zweites Stuck (1 5'
3 zusammenVon eben dem Eckpfeiler bis zu den alten Theilen der
c a s a d i M e l e a g r o sind c . c . was für 2 Atrien gerade
passen würde .
Auch ist es schwerlich richtig,dass aus dem Vorderzimmer
eine j etzt vermauerte Thür in j enen Laden führte : dieselb e müsste
eine Höhe von bei nur Breite gehabt haben,e in doch zu
unwahrsch einliches V erhältniss . Es war wohl sicher ein Fenster .
Endlich ist es nicht richtig,dass die Fa chwerkm auern des
zweiten der beiden Atrien mit„ka lklo sem Lehmm ö rtel “ gebunden
sind : dass der Mörtel Kalk enthält,lässt sich bis tief in ’
s Innere
der Mauer consta tiren . Eigenthüm lich i st e s , dass vielfach der
Ka lk in grösseren Ma ssen unvermischt als feines weisses Pulver
beisammen geblieben ist : es kommt dies noch öfter vor,und ist
der Aufmerksamkeit dessen,der einmal den Mörtel Pompej i’s
einer technischen Untersuchung unterziehen wird,dringend zu
empfehlen .
Capi te l HI .
No . 1 3 : V I, 1 1 , 1 2 .
Nissen verzi chtet auf die genaue Berechnung des Inhalts
wei l das auf die Ostseite der Insel (v i c o d e 1 L a b e r i n t o ) mündende Haus mit einem nach W . (v i c o d e l F a u n o ) mündenden
(VI , 1 1 , 7) verbunden , und die Grenzlinie zwischen beiden nicht
zu finden is t.
Diese Grenzlinie la sst sich aber doch mit grosser Wahr
scheinlichkeit bestimmen . Die beiden Häuser li egen nicht gena u
eines in der Verlängerung des andern , sondern No . 7 liegt etwas
weiter nördlich . In Folge dessen berührt si ch No . 1 2 auch mit
dem sud lich an No . 7 anstossenden Hause No . 8,No . 7 auch mit
dem nördlich an 1 2 anstossenden No . 1 3 . Nun ist erstlich das
Stück Mauer zwischen No . 8 und 1 2,mit der Nordostecke des
ersten Hauses,offenbar recht alt und liegt ferner genau in einer
Linie mit der Grenze zwi schen 7 und dem südlichen Theil von
1 3 : wir werden also schwerlich irren,wenn wir in dieser Linie
die alte Grenze auch zwischen 7 und 1 2 erkennen .
Alsdann ist die Länge im Süden im Norden
netto : mittlere Lange Die Front misst
Thür 4 5 ' 8" 9 netto denn hinterder Front steht nur e in p a r i e s c o mmu n i s ; hintere Breite
netto mittlere Breite Daraus ergiebt sich
der Flächeninhalt 2 5 99 D' als o keine runde
Summe im Sinne Nissen’s .
No . 1 4 : V I,1 1
,1 3 .
Eines der drei von Nissen als besonders beweisend hervor
gehobenen Beispiele . Der Inhalt wird auf 5 3 x 33 , netto 50 X 301 5 00 D
' V o rsus berechnet .
Doch verliert diese Berechnung allen Werth dadurch,dass
die von Nissen angenommene hintere Grenze des ursprünglichen
Hauses durch gar nichts als s olche bezeugt ist . „Die Rückwand
d es Hinterzimmers zeigt alte Construction und bestimmt dadurch
die ursprüngliche Länge des Atriums . “ Das ist der ganze Beweis ,und er i st nichtig
,weil das behauptete Factum auf das bestimm
teste verneint werden muss : die Mauer zeigt unten Incertum aus
Lava und Fragmenten von o p u s S i g n in um ,oben lange
,hori
Kalksteinatrien . 69
zonta l liegende Ka lks te instucke,gemischt mit Ziegeln
,alles auf
gemauert mit Kalkmörtel ; von der Bauart der Ka lks teina trienkeine Spur . V ielmehr sieht dies Mauerwerk ganz vorzugsweise
j ung a us : hier die hintere Grenze des alten Hauses anzunehmen
würde reine Willkür sein . Die ursprüngliche Länge i st unbe
kaunt
Es i st nach Nissen eine sehr bedeutsame Erscheinung,dass
in dem N o rdwe stwinkel d es Hofes der Heerd steht . Dagegen
muss bemerkt werden,dass die betrefi°end e Aufmauerung ebenso
gut ein irgend einem Gewerbsbetrieb dienender gemauerter Tisch
sein kann und durch nichts als Heerd charakterisirt i st . Ferner
aber ist sie keineswegs ein Rest aus alter Zeit,s ondern j ünger
a ls der durchaus nicht alte Stuckbewurf der Wand,an die sie
angelehnt ist .
No . 1 5 : VI,1 1
,1 6 .
Nissen’s überraschend runde Zahl von X 30 1 750 D'
F la cheninha lt beruht auch hier auf Täuschung .
Die Front,hinter der e i n p a r i e s c o mm u n i s steht
,misst
nett o die hintere N ettobreite i st etwa mittlereBreite Die Tiefe betra gt einschliesslich der
Stra s senm auer netto Also
5 8 1 74078 D .
Es muss frei lich bemerkt werden,da ss von den Seitenmauern
nur die nördliche aus Fachwerk besteht,d ie südliche aber j ünger
i st ; mithin ist es nicht unmöglich , dass einst das Haus wie in
der Front s o auch in seiner ganzen Ausdehnung 30 ' breit war .
Dann wurde Nissen’s Resultat so ziemlich richtig sein
5 872 X 30 1 75 5 D'
Aber der Inhalt des uns vorliegenden Hauses i st dies nicht .
No . 1 6 : vr,1 1
,1 9
,
Die Qua d erfro nt misst genau sie entspricht der
Breite des Hofes . Es wurde aber schon oben (S . 3 1 ) bemerkt ,dass sch on in der Ka lksteinp erio d e das Haus breiter war . B e
sonders deutlich ist dies a uf der rechten Seite,wo die Wand des
Atriums mit den Thüren,und die Wand zwischen Ala und Seiten
70 Capite l I II .
zimmer unverkennbar das Mauerwerk j ener Periode zeigen . Wie
brei t damals das Haus war,wissen wir nicht
,da s owohl die
Seitenmauern als das südli che Nebenhaus j ünger sind. Ferner
schloss das Haus in der Ka lks teinp erio d e trotz der Verschieden
heit des Niveau’s der ruckwärts anstossenden Räume nicht wie
j etzt mit der Rückwand des Atriums ab . Das südli chste Stück
dieser Ruckwand (c . besteht aus Ka lksteinfa chwerk mit
Lehm und endigt nach Norden mit einem auf eben dieser Seite
senkrecht abgeschlossenen Pfeiler,einem unverkennbaren Thür
pfosten,von dessen alter S tuckbekleidung auch auf der Nord
seite Reste si chtbar sind . Also hier war schon in der Kalkstein
periode ein Durchgang zu hinteren Räumen .
Ob die lange Quad ermauer wirklich eine abgeschlossene
Facade ist, wird vielleicht nach ihrer vollständigen Ausgrabung
beurtheilt werden können . Gehen wir auf Nissen ’s Voraus
setzungen ein,so beträgt die N ettobreite denn da das Haus
den nördlichen Abschluss einer Reihe von Häusern bildet,deren
j edes die südliche Seitenwand hinter seiner Front hat,s o müssten
hier deren zwei in Rechnung gebracht werden . Die N etto tiefeist also Flächeninhalt 5 074 X 2 8 1 4 2 1 D
'.
No . 1 7 : VI, 1 1 , 4 .
Nissen giebt hier nur eine ungefähre Scha tzung . Eine Nach
p rufung derselben können wir uns sparen , da sie doch auf Beweiskraft keinen Anspruch erheben kann .
No . 1 8 : VI,7,7.
Front netto Breite hinter dem Tablinum
mittlere Breite 2 3 ' Tiefe netto (reichlich
gemessen) 5 0' 5 Also 50 X 2 3 1 1 50 D'.
Nissen erhält 1 200,indem er das Tablinum gesondert be
rechnet ; doch beruht die Differenz namentlich auf der irrthüm
li chen Angabe der Tiefe Er gewinnt dann die runde Zahl 1 500
,indem er noch den Ho rtus
hinzurechnet . Da derselbe tief ist,so wächst dadurch
der Flächeninhalt um 2 2 76 x 2 2 76 und wir erhalten
j etzt
Kafksttainatrien . 71
Wir haben aber keinerlei Bürgschaft,dass
,wenn d a s Haus
ur' sprünglich einen Ho rtus hatte,dieser gerade so tief war
,wie
der j etzige . Ueberhaup t is t ausser der Mauer und dem Pfeilerlinks am Eingang nichts alt
,auch nicht die Rückwand des Ta
b linum s,welches ganz dünne Mauern hat
,so dass auch die Tiefe
ohne den Ho rtus durchaus nicht feststeht .
No . 1 9 : VI,5,3,c a s a d i N e t t u n o .
Nissen berechnet den Flächeninhalt auf 2000 D'
,indem er
die Rückmauer des Tablinums als hintere Grenze des Hauses
annimmt. Wir enthalten uns seine Rechnung zu con tro liren .
Erstlich gehört das Haus nicht zu den ältesten,von Nissen als
Ka lksteina trien bezeichneten Häusern . Nur an d er: Thür und an
der Ecke findet sich,wie auch sonst
,ein Pfeiler aus abwechselnd
stehenden und liegenden Kalksteinquadern ; dazwi schen Incertum ,
zu unterst ganz gewöhnliches aus Lava,darüber aus Kalkstein
mit horizontaler Schichtung,die allerdings an die Fachwerk
technik erinnert . Als Mörtel kommt hie und da eine schwärz
li che,wenig consi stente Masse zum Vorschein
,die Nissen wohl
meinen wird,wenn er von Lehm spricht. Aber der Eckpfeiler
ist gleichzeitig auch mit der Frontmauer des Nachbarhauses
No . 4 gebunden : also sind beide gleichzeitig. Diese aber hat
zwischen ähnlichen Pfeilern ganz gewöhnliches Incertum aus
Lava mit P uzzo lanm örtel .
Ferner aber i st eine Berechnung des Fla cheninha lts unm o g
lich,weil wir weder die alte hintere Grenze des Hauses kennen
wenn es nämlich nicht von j eher die ganze Breite der Insel ein
nahm noch seine ursprüngliche Breite .
Die Rückwand des Tablinum s i st nicht alt : sie besteht aus
gewöhnlichem Incertum mit Kalkmörtel und enthält am Nord
ende eine vermauerte Thür mit Pfosten aus ziege lförm igem Tuff
und Kalkstein . Endlich : ist die j etzige Dispositi on des Hauses
alt und ist sie es nicht,so fehlt uns j eder Anhalt dann
ist es auch der Gang rechts neben dem Tablinum,der doch
j edenfalls zu irgend welchen hinterenR äumen unbekannter Aus
dehnung führen musste .Die ursprüngliche Breite ist uns unbekannt
,da weder die
no rd lich e Seitenmauer noch der nördliche Theil der Facade alt
72 Cap itel III.
ist . Nissen freilich sagt : „da s erste (no rd liche) Stuck der Facade
in Bruchstein beträgt j etzt betrug früher wie sich aus
dem Hofe ergiebt M . und berechnet daraufhin
die Front auf 34 resp . Wie sich dies aus dem Hofe
ergeben soll,ist unklar . Nissen nimmt an
,dass die Nordgrenze
des Hofes einst auch die Nordgrenze des Hauses gewesen sei,
eine Annahme,für welche nicht der mindeste Anhalt vorhanden
i st . Die zum Theil vermauerten Thüren der Nordseite sehen
mit ihren Ka lksteinpfeilern durchaus alt aus (zwischen ihnen
is t freilich hie und da mit Ziegeln ausgebessert worden) ; es waren
a ls o hier von Alters her Zimmer . Wohin führte ferner die Thür
links neben dem Tablinum ? doch wohl in ein Zimmer,welches
,
um nur einige Breite zu haben,j edenfalls über die Nordmauer des
Atriums hinaus reichen musste .
No . 20 : VI , 5 , 5 , c a s a d e i v a s i d i v e t r o ( d e l G r a n d u c aM i c h e l e ) .
Wir verzichten auch hier darauf,Nissen ’s Rechnung
,welche
einen Flacheninha lt von 1 750 D 'ergiebt, im einzelnen zu contro
liren ; denn erstli ch gehört auch dies Haus nicht zu den alten
Ka lksteina trien,zweitens sind die Daten
,auf welche sich j ene
Berechnung gründet,theils offenbar irrig
,thei ls ganz wi llkürli ch
angenommen .
Das Mauerwerk gleicht dem der c a s a d i N e t t u n o (No .
nur mit dem Unterschied,dass hier am Boden keine Lava ver
wand t i s t,und dass durch hie und da eingestreute gro ssere , theils
h orizontal,theils vertical liegende pfeilerartige Steine d a s Ganze
eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Fachwerk erhalten ha t , j e
doch ohne die für dieses charakteristische Anordnung . Die Front
mauer habe i ch re chts oben bis in’s Innerste hinein untersuchenkönnen
,und consta tirt
,dass sie mit gutem
,festem P uzzo lanm örtel
gemacht ist . Wenn also wirklich die Front der c a s a d i N e t t un o
mit Lehm gemacht ist,so verliert dieser seinen Werth als chro
n o lo gische s Kriterium .
Irrig i st die Annahme einer Erweiterung auf Kosten des
sud lichen Na chbarhauses No . 7 . Der Laden No . 6 gehörte immer
zu N O . 5,und seine Südmauer gleicht vollstandig der Front ,
während in No . 7 Lava und Cruma verwandt sind . Ganz will
74 Cap ite l III .
unten schwarz übertüncht . Von einer noch späteren Stuck
bekleidung sind nur Theile der groben Unterlage erhalten .
Die alten Mauern aus Kalkstein sind dick . Jüngere,
mit Pfeilern aus ziegelförm igem Tuff, messen nur
Es finden sich Deco ra tionsreste ersten Stils im ersten Zim
mer rechts am Atrium No . 5 und in einem kleinen Raum nörd
li ch des linken Hinterzimmers von No . 4,der einst als eine
N ische für einen l e o t u s zu eben diesem Hinterzimmer gehörte ,in welchem auch in der Nordwestecke noch Reste derselben
Decoration sichtbar sind .
Wir werden also diese Ha user in den Anfang der Tufi°p erio d e
setzen dürfen,später aber als die Ka lkste ina trien
,an deren
Technik d a s Mauerwerk der Front von 3 und 5 noch erinnert.
No . 2 1 : V I,5,7 .
Die Facade besteht aus ungew ohnlich niedrigen Steinen und
sieht nicht recht alt aus ; dazwischen zwei der gewöhnlichen
grossen Quadern . Länge der Front (39'
Ziehen wir davon einen p a r i e s c o mm u n i s mit ab,und
rechnen mit Nissen di e Tiefe auf 5 5 ' (Hälfte der Insel) , s o erhalten wir einen F la cheninhalt von 2090 D '
(NissenZwischen den Thüren VI
,5,6 und 7 (Nissen 20 und 2 1 ) ist
in einer Bruchsteinmauer aus Lava und Oruma mit Kalkstein
pfeilern eine Thür zugesetzt und dabei ein Mörtel verwandt,d er“
si ch bei der leisesten Berü hru ng in Pulver auflöst . Doch scheint
er nicht ganz ohne Kalk und i st j edenfalls j ünger als die Mauer
selbst,deren Kalkmörtel ausser Zweifel ist. Sie is t wohl gleich
zeitig mit No . 4,5,6.
No . 2 2 . 2 3 : VI, 5 , 8 . 9 . No . 2 4 . 2 5 : V I,2,2 2 . 2 8.
Nissen giebt für diese Hauser nur ungefähre Schätzungen
des Flächeninhaltes,keine auf Beweiskraft Anspruch machenden
Berechnungen Wenn er für No . 2 5 aus der Front von
und der Tiefe von 69 resp . 66 ' einen Inhalt von 2 4 75 , rund
2 500 D' berechnet
,s o m ag hier kurz bemerkt werden , dass zwar
die Front auch nach meiner Messung netto 37 beträgt,
die Tiefe aber netto 70' (genau 69' woraus sich
ein F lächeninha lt von 262 5 D 'ergiebt . Ferner ist zwar der
Ka lks t9ina trren . 75
n o rd liche Theil der Rü ckmauer a lt,im sud lichen Thei l derselben
aber is t eine Verbindung mit dem westlich anstossenden Hause
vermauert
No . 26 : VI,2,1 4
,c a s a d e l l e Am az z o n i .
Gesamm tinha lt nach Nissen 2000 D '
. Die Front misst , so
weit sie diesem Hause entspricht,
einschliesslich der nord
lichen Zwischenmauer,nicht wie Nissen angiebt . Das nörd
l iche Stück nämlich netto) greift ausserdem noch umvor das Nachbarhaus über. Hier hat s ie keinen Abschluss , son
dern ist gebrochen : wie weit sie ursprünglich noch ging , entzieht
sich j eder Berechnung. Nur so viel können wir sagen , dass ,da sie gleich nach einem der bekannten Fa chwerkpfeiler ge
bro ch en ist,sie noch nicht glei ch zu Ende sein konnte . Da
ausserdem die B eschafi°enheit der nördlichen Zwischenmauer
nirgends kenntlich ist,s o wissen wi r von der Brei te des ursp rüng
li chen Ka lksteina trium s gar nichts und ist also Nissen’s Herech
nung d es Flächeninhalts gänzlich illusorisch .
No . 2 7 : V I, 2 , 1 3 .
Wird auf c . 1 750 D' berechnet. Erstens aber ist von ältester
C onstruction hier nichts zu finden einige Ka lksteinpfo stendeuten keineswegs mit Bestimmtheit auf dieselbe ; zweitens ist
auch hier die Inhaltsberechnung illusorisch . Nissen rechnet nam
lich die Tiefe bis an die Rückwand des Tablinum s . Nun ist
allerdings j etzt dies und die rechts und links daneben liegenden
Räume hinten geschlossen ; doch ist leicht , namentlich von der
Rückseite,zu sehen
,dass dies erst nachträglich geschehen ist :
alle diese Räume waren ehedem auf’s Peri styl ge o ffnet, und. das
„sehr schmale “ Zimmer ist eben nichts als der gewöhnliche Gangneben dem Tablinum : anders ist auch seine Form gar nicht er
klärlich . Das rückwärts anstos sende Haus giebt sich deutlichgenug als früheres Peristyl zu erkennen . Dass nun dies seiner
sei ts in einer no ch früheren Periode aus einem Atrium entstandenist
,ist nicht unwahrscheinlich
,da in dieser Insel die Grund
stücke nicht gerade durchgehen,also eine Theilung der Länge
nach ursprünglich stattgefunden zu haben scheint . Wo dann
aber die Grenzlinie wa r , das wissen wir nicht : dass sie ursprung
76 Capite l III.
li ch da gewesen s ei,wo j etzt das Tablinum endet
,wie Nissen
annimmt,ist das a llerunwahrsch einlich ste . Denn wenn die
j etzige Disposition der Räume hinter dem Atrium alt ist und
ein Ka lksteinpfeiler rechts am Tablinum spricht dafür s o
führte auch schon in alter Zeit der erwähnte Gang zu hinteren
Räumen . Die j etzige Rückwand d es Tablinum s liegt noch 0 .
westlich der Mitte der Insel .Zu Nissen’s Berechnung
,30 X c . 60 c . 1 750
,is t noch zu
bemerken,dass bei d ieser Methode
,wenn m an nämlich eine Ah
weichung von 5 0 D' als unwesentlich betrachtet
,aller denk
baren Zahlen den von Nissen S . 5 88 an eine runde Grösse osk .
Landmasses gestellten Anforderungen genügen,nämlich durch
2 50 theilbar sind.
Der Heerd,sagt Nissen
,scheint im Hofe gewesen zu sein .
Es braucht nach dem gesagten kaum noch bemerkt zu werden,
dass dies höchstens fur die Zeit nach der Abtrennung vom Peristyl gelten kann .
No . 2 8 : vr,2,1 2 .
No . 2 7 und 2 8 haben eine gemeinsame Front : Incertum aus
Lava mit Kalkmörtel,Thurpfeiler aus Tuff und Kalksteinquadern .
Auch in 2 8 findet sich keine Spur älteste r Construction . Die
von Nissen angenommene nachträgli che Erweiterung ist wenig
glaublich, da di e Seitenwände bis an
’s Ende gerade durch gehen .
Eine Berechnung des Flächeninhalts i st nicht versucht worden .
No . 2 9 : VI,2,1 1 .
Auch hier bestehen die Mauern aus Incertum,fur welches
in der Front Kalkstein,im Innern auch Lava verwandt i st ; der
schadhafte Zustand gestattet,bis in’s Innerste der Mauern den
Kalkmörtel zu consta tiren . Fachwerk findet sich nicht , wohl
aber Thürpfeiler , deren aufrecht stehende Steine sehr dünn sind ,ähnlich wie bei No . 1 9 (e . di Nettuno) .
Die j etzige Grösse ist nicht die alte : der j etzt zum ruckwa rts
anstossenden Hause gehörige Garten war einst mit diesem verbun
den . Die Seitenmauern gehen auch neben ihm gerade durch ; er
bewahrt die auch im Atrium erhaltene Decoration ersten Stils , und
Ka lksteinatricn . 77
die links des grossen Fensters vermauerte Thur ist noch deutlich zu erkennen .
Es folgt (südlich) , nach Nissen , Fachwerk M . : es ist
aber kein Fachwerk,sondern Incertum .
No . 30 : VII,6,7.
Das letzte der drei von Nissen S . 4 01 als besonders hewei
send für seine Ansicht über den Flächeninhalt der Ka lks teina trien
hervorgehobenen Beispiele . Doch verhält es sich mit diesemHause ganz anders .
Es ist von dem westli chen N ebenhause durch eine Quader
mauer getrennt ; diese aber ist auch das einzige , wa s mit einiger
Sicherhei t auf die Periode der Ka lkste ina trien zurückgeführt wer
d en kann : im übrigen finden wi r zwar Eckpfeiler aus Ka lkstein ,aber d a s Mauerwerk ist Incertum aus Kalkstein mit Kalkmörtel ;n i rgends Fachwerk
,oder Lehm als Bindemittel . Jene Mauer
aber beweist nur,dass in alter Zeit hier Gebäude standen
,ohne
irgend einen Schluss auf die damalige Form und Grösse der
selben zu gestatten .
Ferner berechtigt uns ni chts,mit Nissen die Ruckseite des
Tablinum s zum Ausgangspunkt der Messung zu nehmen . Dies ist
hinten offen,und man sieht hinter demselben
,in den noch un
ausgegrabenen Theilen,Mauern
,welche denen des Atriums ganz
gleichartig,also doch wohl auch gleichaltrig sind Auch die
Verbindung mit dem westlichen N ebenhause ist nicht j ünger als
die ganze uns vorliegende Gestalt des Atriums .Und ebenso unberechtigt i st Nissen’s Annahme
,dass die
Front einst weiter zurück gelegen habe . Der„Rest des alten
Thürpfo stens aus Kalkstein“
,den Nissen in der Ostwand des
Einganges wahrnimmt,ist eine Quader
,welche aber nicht auf
dem Boden steht,sondern Incertum unter sich ha t ; sie liegt 0 .
über dem Boden,i st in die Verzahnung des Ziegelpfeilers
hinein geschoben,und es unterliegt gar keinem Zweifel
,dass
man sie eben hier vermauert ha t,weil sie gerade vorhanden
war . Die Front liegt in gleicher Flucht mit der der anliegenden
Häuser,die Strasse hat gerade hier ihre vollkommenste Breite
,
und nichts ist unwahrscheinlicher,als dass sie j emals noch breiter
gewesen sein sollte .
78 Capi te l III .
Wir haben also hier nur ein weiteres Bei spiel dafur,dass
auch eine s o runde Zahl wie 2 500 D' dem Zufall
,d . h . auch
hier dem Irrthum,ihre Entstehung verdanken kann .
Für No . 3 1—39 hat Nissen keine Berechnung des Fla chen
inhalts versucht .
No .8 1 : VII, 7 , 2 1 .
Auch hier nichts,was mit Sicherhei t uber die Zeit der Peri
stylhäuser hinausführt : das Mauerwerk ist in der Front das
gleiche wie in der c a s a d i N e t t u n o (No . an den Thuren
der Zimmer rechts und links vom alten Eingang sind Kalkstein
pfeiler,wie in s o vi elen P eristylhäusem .
Richtig i st,dass zu dem von Nissen als b bezeichneten Hause
auch d a s westlich anstossende,früher gehört haben muss : s o
wohl das Zimmer westlich vom Atrium als auch der links da
neben liegende Gang waren einst dahin geöffnet .
No . 82 : VII,7,2 8 .
Die Thur und Eckpfeiler sind aus Kalkstein,die Mauern
aber sicher mit Kalkmörtel gemacht . In der Frontmauer,nörd
lich vom Eingang,sieht man 0 . vom Boden eine
’
c .
hohe Schicht gewöhnlichen Lava incertum s . Ein Pfeiler rechts
am Atrium ist aus ungleichen Ka lks teinblöcken aufgeschichtet ,aber in ganz anderer Weise als in den ältesten Häusern : grosse
und kleine Steine liegen unregelmässig bei einander,er bildet
den Abschluss einer Incertum smauer aus dem verschiedensten
Material . Das ganze ist ein Bau aus Trümmern . Darauf deutet
auch die nur auf einer Seite d es Durchganges zum Garten sich
find end e verstümmelte korinthische Säule .Die von Nissen hervorgehobene Gleichheit der Bemalung mit
No . 3 1 stammt a us später Zeit,da von alten Deco ra ti onen hier
wie dort kaum etwas erhalten ist . In der Südwestecke des
Atriums ist ein Rest eines gelben Sockels,vielleicht aus der Zeit
des ersten Deco ra tionsstils,welcher für den Sockel diese Farbe
liebte,erhalten .
No . 36 : V II,7,ro .
Die im Innern erhaltenen alten Theile reichen hin,um zu
consta tiren,dass di e Form des Atriums
,einschliesslich des Ta
Ka lkstein atrien . 79
blinum s,auf die Zeit der Ka lksteina trien zuruckgeh t. So ziem
lich die ganze Westseite i st alt ; das Tablinum ist gesichert durch
den linken Rückp ila s ter ; vermuth lich sind auch die beiden Vorder
pilaster alt . Ferner der östliche Theil der Rückwand des linken
Hinterzimmers : ma n sieht,dass dies früher eine Thür nach hinten
hatte . Zwischen dem La den No . 1 1 und dem ersten Zimmer links
vom Atrium,zwischen dem zweiten Zimmer ebenda und der Ala
ist deutliches Fachwerk .
Es steht nun unzweifelhaft fest,dass diese alten Theile
und sicher gerade die,in welchen d a s Fachwerk kenntlich ist mit
Kalkmörtel gemach t sind . Die Pfeiler um’s Atrium sind,s o weit
kenntli ch,nicht massiv
,wie im Hause des Chirurgen
,sondern
die Zwischenräume zwischen den Quadern sind mit kleineren
Steinen ausgefüllt . Dies kann man mit Sicherheit schon daraus
schliessen,dass die Quadern an den Thüren aufrecht stehen .
Die alten Reste im nördlichen Theil des Hauses reichen hin,
um festzustellen,dass es in der Zeit der Ka lksteina trien gegen
Nordwest denselben Winkel hatte wie j etzt . Die ganze West
wand bezeugt,dass der Vicus damals schon genau den j etzigen
Gang hatte .
No . 37 : VIII,3,4,c a s a d i E r c o l e e d A u g e .
Dies Haus entha lt weit weniger älteste B es tand theile alsNissen annimmt . Ganz alt sind nämlich nur die Qua d erresteder Ostmauer und die Zwischenmauer gegen den westlichen (nichtnö rdlichen) Laden ; letztere i st nicht massiv , sondern aus Fachwerk . Um irgendwie die Form des alten Atriums festzustellen
reichen naturlich diese Reste bei weitem nicht aus .Die Wand stucke am Atrium sind nicht massiv
,sondern be
stehen aus Quad erpfo sten an den Thüren , deren Zwischenräume
mit kleinen Steinen stellenweise ausschliesslich Lava aus
gefullt sind ; die letzteren sind sicher durch Kalkmörtel verbunden .
Die Quadern haben zwischen sich zum Theil recht starke Schichten
theils Kalk,theils Kalkmörtel . Besonders deutlich i st diese Con
struction auf der rechten Seite ; links sind etwas mehr Quadern
verwandt,doch auch hier findet sich die Füllung mit kleinen
Steinen und. zwischen den Quadern M örtelschichten bis zur Stärkevon fast 2 Centim etern . Sind also diese Wandstücke j ünger als
80 Capite l III.
die a ltesten B e stand the ile , so sind die Zwischenwände der Seitenzimmer
,wenigstens theilweise
,noch j ünger . Deutlich ist dies an
der linken Ala,wo am Fuss des Eckpfeilers ein Rest einer
älteren Zwischenmauer Incertum aus Lava und wenig Kalk
stein stehen geblieben is t. Es i st dies nicht etwa ein späterer
Zusatz ; denn ohne di esen Rest hätte der Pfeiler si ch nicht halten
können .
Irrig ist es endli ch , wenn Nissen aus einer wirkli ch und
zwei vermeintlich vermauerten Ziege lsa ulen folgert , „dass das
Atrium einmal ganz als Peristyl behandelt gewesen ist “ . Viel
mehr stammt die in der westlichen (nicht nördlichen) Wand d esTablinum s vermauerte Säule aus einer Zeit , wo das Haus kein
Tablinum,s ondern nur einen Durchgang zu dem um s o viel
grösseren Peristyl hatte . Die beiden Dreivierte lsaulen am Eingang
des Tablinum s sind überhaupt nicht vermauert,sondern gehören
der j üngsten Form des Hauses an und vertreten die Stelle der
an diesem Ort gewöhnlichen Eckpila ster . Unabhängig davon
sind die vier Ziegelsäulen des Atriums .
No . 38 : VII,3,4,c a s a d e l l a r e g i n a d ’
In g h i l t e r r a .
Ueber die in diesem Hause enthaltenen m erkwurd igen und
lehrreichen Reste alter C o ns tructionen konnte Nissen nicht in’
s
Klare kommen,weil ihm der hier verbaute alte monumentale
Brunnen entgangen ist. S . darüber oben S . 4 2 ff.
No . 40 : VII , 3 , 2 9 , d o m u s M . S p u r i M e s o r i s .
Das Alter dieses Hauses erhellt nach Nissen schon aus dem
Umstände,dass die Front nicht zur Stra ssenflucht stimmt
,viel
mehr um M . hinter das östlich anliegende Haus zurücktritt .Die Bemerkung i st richtig
,bedarf aber näherer P räcisirung , um
nicht missverstanden zu werden . Die Front liegt nämlich mit
der d es westlich anstossenden alten Hauses in gleicher Flucht,
und die der weiteren Häuser bis zur Westecke weicht nur nu
wesentlich ab . Dagegen springen die nach Osten hin folgenden
Häuser in den Vicus vor,bi lden dann bei No . 2 4 einen stumpfen
Winkel und weich en von da an wieder zurück,der Art
,dass
die Ecke gegen die Via Stabiana (O .) ziemlich in der Verlängerung
82 Capite l III .
m u n e s (Nissen die zweite ohne p a r i e t e s c o mm u n e s (Nissen
Die erste Front,No . 9
,gehört übrigens wohl nicht hierher :
weder Fa chwerk noch Lehm ist hier zu consta tiren,sondern
nur der namentlich in späten Mauern ha ufige schlechte gelblicheMörtel .
Im o s tlich en Theil der Frontmauer No . 10 Fachwerk mit
Lehm,habe ich d a s Vorhandensein von Kalkmörtel ganz im Inneren
der Mauer sicher consta tirt . Ihn von der B erappung herzuleiten
i st unmöglich,vielmehr muss er wohl den betreffenden Steinen
vor ihrer V erma uerung angehaftet haben : ob a ls Bindemittel oder
a ls Bewurf,d a s lässt sich nicht feststellen . Da wir aber von
Mauern m it Kalkmörtel als Bindemittel vor der Zei t der Kalk
s te ina trien nichts wissen,während Spuren a lteren Stuckbewurfs
auch sonst nicht fehlen,s o werden wir letztere Annahme wohl
auch hier vorziehen .
No . 4 3 : VII,1 0
,S ü d o s t e ck e .
Der Garten i st nach Nissen auf dem Boden eines 1 750 D'
messenden Ka lksteina trium s hergestellt worden . Die Möglichkeit
der Berechnung (gemacht nach dem Plan bei Fiorelli R e l a z i o n etav. VIII) beruht darauf, dass in der Westwand ein Stück Qua dermauer
,in der Nordwand „ ansehnliche Reste von Ka lks teinfa ch
werk “ erhalten sind .
Diese letzteren Reste aber sind kein Fachwerk,sondern
horiz ontal geschichtetes Ma uerwerk mit reichlich verwandtem
gra uen Kalkmörtel . Ferner ist in eben diesem Mauerwerk deut
lich eine später zugesetzte Thür zu erkennen : es war als o das
Haus hier nicht zu Ende,und die obige Berechnung ist mithin
i llusorisch .
No . 4 4 . 4 5 : VII,3,ro— 1 4 .
Bei Nissen’s Besprechung dieser Häuser muss ein Irrthum
un terge laufen sein . Er bezeichnet sie zuerst mit den Nummern
1 1— 1 4,rechnet nachher aber auch No . 1 0 hinzu und betrachtet
die Mauer zwischen 9 und 10 als Scheidemauer gegen das vor
angehende Ha us : da ss diese „o ffenba r a n alter Stelle und mit
Ka lks tem a trie rr. 83
altem Material aufgeführt “ sein soll,dafur liegt gar nichts vo r ;
es ist einfa ch eine j unge,in einen Ziege lpfe iler end igend e Bruch
steinmauer . Auch springt mit No . 10 die Front vo r . Hingegen
enthält die Mauer zwischen 10 und 1 1 Kalksteinquadern und
endigt in einen Ka lksteinpfeiler : offenbar ist obige Mauer mit
dieser verwechselt worden .
In der linken Mauer des Atriums No . 1 1 . 1 2 (Fa chwerk) is tlinks neben dem senkrechten Stein
,etwa in der Mitte des dort
sichtba ren Stücks,
vom Boden,ein ziegelförm iger Stein
sichtbar,welcher auf der j enem senkrechten Stein anliegenden
Seite mit Stuck bekleidet i st . Die unterste,
starke Schichtbesteht aus Sand stuck
,dann folgt eine feinere
,aber auch noch
mit Sand gemischte Schicht in der Stärke von Etwas
weiter links und etwas niedriger ist ein Loch in der Ma uer : m a nsieht hier
,dass noch verschiedene Stücke ganz ähnlichen Sand
stucks verbaut sind .
Die Breite von 1 1 . 1 2 i st reichlich die des
Einganges No . 1 1 i st fastEine Berechnung des Inhalts i st hier so wenig versucht
worden wie für No . 4 6 (VII , 3 , links neben No . wo nur ein
Stück Mauer erhalten ist .
No . 4 7 : I,4,2,s ü dw e s t l i c h e s E ck h a u s d e r I n s e l .
Front incl . Südmauer ne tto hintere Breite nettoMittelbreite Länge der Südseite incl . Westmauer
netto nördliche Länge netto mittlere Länge
Also Flächeninhalt 95 X 28 2 684 D'.
Es erweist a lso auch hier Nissen’s auf Grund d es Fiorelli
schen Planes gemachte Berechnung (2 75 0 D'
) sich als trügerisch .
Nissen hebt als besonders merkwürdiges Factum hervor,dass
hier der Heerd „seine a lterthüm liche Stellung neben dem Im
pluvium bewahrt ha t “ . Ind ess dürfte Fiorelli ihn doch mit
Recht mit der Taberne No . 3 in Verbindung gebracht haben .
Wie erklärt sich sonst sein ganz seltsamer Platz,c . von
der linken Vorderecke d es Impluviums entfernt ? Nissen meint :
„vermuth lich weil sich hier auch der Brunnen befand“
. Dieser
ist aber eben an dieser Stelle nicht vorhanden,sondern findet
sich h inten am Peristyl . Sollte da gegen der Heerd für j ene6
"
84 Cap i te l III.
Taberne dienen,s o lag er sehr bequem . Ferner ist seine Form
durchaus nicht die sonst übli che . Er ist,wie auch Nissen angiebt ,
„oben hufeisenförmig ausgehöhlt “
,d . h . er enthält nur e i n e Vor
richtung,um e i n e n grossen Kessel auf s Feuer zu stellen : genau
die Form,wie sie in Therm op o lien üblich ist . Meist bildet eine
ähnliche Vorri chtung das Ende des Ladentisches (I , 2 , 1 . 5 ; 3 , 2 ;
IX,3,
alleinstehend finden wir einen solchen Heerd z . B .
Reg . VI,ins . o ccid . No . 1 9 . Wenn „ eine Küche im Plan dieses
Hauses fehlt “,so kann dies sehr wohl auf spätere Umgestaltungen
zurückgehen . Möglicherweise diente in der letzten Zeit das
ganze Erdgeschoss als Caup ona , und hatte sich die Familie d esBesi tzers samm t ihrer Küche in den Oberstock zurückgezogen .
No . IX,8,4 . 5 .
Eine Berechnung des Flächeninhalts war unmögli ch,weil
nur die Faca d en si chtbar , im übrigen die Insel nich t ausgegraben
war. Sie ist j etzt zum gro ssten Theil freigelegt worden ; die
ursprungliche Tiefe der Häuser lässt si ch aber nich t feststellen .
No . 50 : IX,8,2 1 .
Von Nissen ohne Ho rtus auf 1000 D'
(2 4 X 4 2 ) berechnet.Die N ett o länge ergab sich mir als 4 3 ' 2 5 in
der Front weicht meine Messung brutto) nur unbedeutend
ab : 4 3 x 2 4 1032 D’. Mit dem Ho rtus
,der doch wohl ohne
Zweifel dazu gehörte,beträgt die Länge netto
Also 2 4 x 1 4 5 2 D'. Dabei i st vorausgesetzt
,da ss die
Breite überall der Front gleich war. Da wir dies aber nicht
wissen,so fehlt eigentlich der Berechnung die Grundlage .
No . 5 1 (IX ,3) ist nur ein Stück Mauer erhalten . Für 5 2 . 5 3
(IX ,1,2 9) giebt Nissen nur eine approximative Schätzung . No . 5 4
gehört einer nicht ausgegrabenen Insel an .
No . 5 5 : I,8,2 5 .
Nissen nimmt,frei lich zweifelnd
,an
,dass das Haus ursprung
lich keinen Ho rtus besessen , und berechnet unter dieser Voraus
setzung den Flächeninhalt desselben a uf 2 2 50 D'. Jene Voraus
setzung ist aber falsch . Das Haus hatte von Alters her ein
Tablinum und einen Gang rechts daneben . Letzterer ist erst
Ka lks te i na trien . 85
s pa ter vermauert und in einen Schrank verwandelt wo rden
man sieht vorn deutlich die vor der V ermauerung gemachte
Stuckbekle idung . Es waren also sicher hintere Räume,und
zwar nach a ller Ana logie ein Ho rtus vorhanden . Ob dieser stets
die j etzige Ausdehnung hatte,i st freilich fraglich : aus der von
Nissen erwähnten vermauerten Thür in der j ungen Westwand
kann für ältere Zeiten gar nich ts geschlossen werden .
No . 5 6 : IX,3,2 5
,D o m u s L . O l o d i
Nissen’s Masse weichen hier von den meinigen wenig ab
Front netto 2 2 ' Tiefe brutto netto
(Nissen 2 3 X Jedoch sind im hinteren Theil des Hauses
weder die Seitenwände noch die Rückwand alt . Jene stehen,
wie Nissen selbst angiebt, nicht auf ihrem alten Platz ; dass diesin Betreff der Ruckmauer der Fall i st
,dafür haben wir nicht
die mindeste Sicherheit. Und was die Breite betrifft,s o hat es
ganz den Anschein,dass auf der Ostseite die Ecke kurz vor
dem Ende des Atriums ursprünglich oder doch sehr a lt i s t,dass
also schon früh hier das Areal sich nach Osten erweiterte . Der
Anfang des zurücktretenden The ils der Mauer , bis etwa der
Rückmauer des Atriums gegenüber,ist j edenfalls alt und endet
mit einem ma ssiven Ka lkste inpfeiler , an den später die südliche
Fortsetzung Ince rtum angelehnt is t. Es wird also gera then
sein,auf j ede Berechnung des ursprünglichen Flächeninhalts zu
verz i chten .
Das Haus bietet mehrfache Beispiele von Resten a lteren
Stucks,die auf den Steinen des Fachwerkbaues erhalten sind .
Der westliche Pfosten der Ha usthur hat auf der Westseite Stuck ;etwas weiter nach Westen folgt eine grosse Quader mi t Stuck
auf der Ostseite . Man könnte vermuthen,dass es sich hier um
eine vermauerte Thür oder Fenster handle ; doch ist dies offenbar
nicht der Fa ll : beide Stuckbekleidungen sind verschieden und
nicht bestimmt einander zu entswechen . Auf dem westlichen
Stein liegt zuna chst grober grauer Stuck von ganz ungleicher
Dicke,letzteres wegen der Unebenheiten des Steins
,dann eine
1) Zu N o . 5 6—58 i st zu bemerken
,dass d ie Num erir ung d er Inse l IX,
3 bei
F iore l l i R e l a z i o n e tav . XI n i cht d re j etz t o ffi cie lle is t , we l che am No rdended erWestse i te beginn t . F io re llr’ s Z a hlen s ind richtrg, wenn zu j ede r 10 add irt wrrd .
Cap rte l III .
gleichmässig dicke Schicht (6— 7 die we isslich punctirt
aussieht,weniger M e ersand
,aber
,wie es scheint
,keinen Marmor
enthält ; östli ch hingegen liegt auf d em gleichen grauen Stuck
nur eine dünne Sch icht Ziegelstuck , die wohl nicht weiter bedeckt
werden sollte . Sollte aber dennoch hier eine Oefi'
nung vermauert
sein,s o würde dadurch wenig geändert ; denn das zwischen den
beiden Steinen liegende Mauerwerk is t das vollkommenste Fach
werk mit Lehm,welches also hier in j edem Falle j ünger ist als
die Stuckbekleidung . Ferner hat der westliche Eckstein des
östli ch anstossenden Hauses auf seiner Westseite Reste ziemlich
feinen weissen Stucks,welche auf das deutlichste vom Lehm
des Fachwerks bedeckt werden . Ein weiterer stuckbekleid eter
Stein,der einst eine Ecke an einer Thür oder einem Fenster
gebildet haben muss,ist im o s tlich en Theil der Frontmauer
,
zwischen Thür und Fenster,näher diesem
,vermauert und von
aussen sichtbar.
No . 5 7 : IX,3,2 4
,N o rd l . Theil der c a s a d i L u c r e z i o .
Wenn Nissen a usrechnet,dass das Haus bis incl . Tablinum
1 2 5 0 D' ha lt s o ist diese Berechnung ganz we rthlo s .
Denn entweder ist die j etzige Dispositi on der Räume hinter dem
Atrium ursprünglich das Tablinum mehr nach rechts,nur
links ein Zimmer,rechts ein Gang und dann war auch von
Anfang an ein Ho rtus oder hintere Raume vorhanden,zu denen
j ener Gang führte . Die Ausdehnung derselben zu bestimmen
ist unmöglich ; wenn Nissen s ie auf 2 5 0 D ' ansetz t,s o i st d a s
ganz willkürlich . Oder diese Disp ositi on ist nicht ursprunglich ,und dann fehlt uns wiederum j eder Anhalt
,um die ursprüngliche
Tiefe des Hauses zu bestimmen .
No . 5 8 : IX,8,2 8 .
Von einem Ka lkste ina trium im Sinne Nissen’s ist hier keine
Spur . Dass das Material einem solchen entnommen ist,i st mög
lich,aber nicht beweisbar . Dass die Ausdehnung des Hauses
der eines alten Ka lksteina trium s entspricht,dafür is t die Wahr
s cheinlichke it hier nicht grö sser als bei unzähligen anderen pom
pej anischen Häusern .
No . 5 9 sind unbe stirn nrtc Reste .
Ka lks te ina trien . 87
No . 60 : I,5,1 .
Hier giebt Nissen ’s Inlra ltsberechnung das interessante Resulta t
,dass
,um ein rundes Flächenmass anzuweisen
,über die
Fläche der Insel hinausgegriffen und ein Stück der Strasse zu
Hülfe genommen wurde . Doch i st auch hier die Berechnung
illusorisch,da es vollkommen feststeht
,dass das Haus auf seinen
gegenwärtigen Umfang erst durch nachträgliche Veränderungen
reducirt, vielmehr von einem grösseren C omp leX abgetrennt wor
den ist . Eine Thur, die aus dem Hinterzimmer na ch Osten führte ,is t erst vermauert worden , nachdem ihr südlicher
,noch voll
kommen kenntlicher Pfosten sch on mit Stuck bekleidet wa r .
Auch die Südmauer desselben Zimmers scheint durchbrochen
gewesen zu sein : der südöstliche Eckpfeiler zeigt in einem Balken
loch auf der Sud seite der Mauer Reste von Stuck auf seiner
j etzt verm auerten Westseite . Doch ist dies weniger sicher .
Sodann ist im vorderen Theil die Ostmauer j ung,j ünger als die
Stuckbekleidung der Nordmauer , wie oben deutlich zu sehen .
Die Frontmauer setzt sich denn auch ohne Unterschied vor dem
östlichen N ebenhause fort, unten massiv , zwei Schichten ausser
der Grundschicht,oben vortreffliches Fa chwerk . Auf eine Strecke
kann man sie im Zimmer rechts vom Eingang No . 2 verfolgen ;dann ist sie von innen durch die nachträgliche Verstärkung der
Mauer,von aussen durch den Stuck verdeckt . Jenseits der Thür
kommt sie wieder zum Vorschein,wenig kenntlich
,doch ist der
ö stliche Abschluss, (reichlich von der Westecke
,voll
kommen deutlich . Es können also sehr wohl 2 Facad en gewesen
sein,deren Grenze j edoch nicht bestimmbar ist. Die Seiten
(West-)mauer ist neben dem Hinterzimmer nicht Fachwerk , s on
dern spa teres Incertum ; doch ging die alte Mauer, wie man am
Boden sieht,einst weiter a ls j etzt
,ohne dass ein Abschluss wahr
nehmba r wäre . Für die Tiefe des alten Hauses ergiebt sich kein
Indicium,es kann mithin von einer Berechnung des Flächen
inhalts nicht die Rede sein .
Von dem eigenthüm lichen Vorbau dieses Hauses ist der o s t
liche Theil älter als der westliche . Von j enem ist der vorderePfeiler massiv a us Tufi
'
qua d e rn , welche a uch in die Ostmauer
Ince rtum aus Kalkstein übergreifen . Der westliche Theil
88 Cap ite l III .
steh t auf einem Fundament,welches a n da s Haus und seine
Fundamente offenbar nachträglich angesetzt w e rd en i st. Der
vordere Pfeiler hat nur e i n e Quader (Tuff) , dann ziegelfö rm igen
Tuff ; in der Westmauer (Ince rtum ,unten Lava
,oben Kalkstein)
sind vielfach stuckbekleid e te Steine verwandt we rd en . Hier also
muss einmal eine Veränderung vorgegangen sein .
Noch is t zu beachten eine Ka lksteinqua d er , welche am
westlichen Fuss des ö stlichen Pfeilers nur wenig über den Boden
ragt . Sie nähert si ch,schief gegen die Front liegend , der West
ecke des Hauses und liegt ziemlich in gleicher Flucht mit den
Häusern der westli ch anstossenden Insel I,1 . Bedenkt man
nun,dass hier die Strasse
,namentlich das Trottoir
,si ch in ganz
unerhörter Weise verbreitert,s o liegt es nahe , in dieser Quader
einen Rest einer früheren,weiter vorspringenden Hausfront zu
erkennen .
Nach diesem gänzlich negativen Resultat dürfen wir wohl
da ra uf verzichten,auch die seit 1 873 ausgegrabenen Reste von
Ka lks te ina trien a uf den Flächeninhalt zu untersuchen . Zwei in
dem schon früher a us g egrabenen Theil vorhandene,von Nissen
übersehene derartige Reste mögen hier kurz erwähnt werden .
I,3,20 besteht d a s erste Stück der rechten Mauer des Flurs
a us Ka lksteinfa chwerk mit Lehm . In demselben ist eine Quader
der schlechten,brö ckeligen Lava des Stadthügels
,von vi oletter
Fa rbe,verbaut
,welche auf ihrer Südseite (die Mauer geht von
Nord na ch Süd) eine ältere S tuckbekle idung bewahrt hat.
I,4,Südsei te : In die Südmauer des sud lichen P eris tyls der
c a s a d e l c i t a r i s t a i st die Front eines Ka lks te ina trium s ver
baut w orden . Westliche s Stück,wenigstens 3 Schich ten
,wegen
des Putzes wenig sichtbar : 1 3 ' Thür
vom östlichen Stück is t nur ein Stein in der zweiten
Schicht über der Grundschicht sichtbar . Sichtbare Höhe
In dieser Ho he is t ein Schlitzfenster mit feinem weissen
Stuck .
Aus den bei dieser Durchsicht der Ka lksteina trien nebenher
gemachten Beoba chtungen erg eben si ch uns einige Resultate , die
es wohl der Mühe werth is t,hier kurz zusammen zu fassen .
90 Capite l II I .
Fallen die Form des Tisches deutlich an j enen Ursprung eri nnere,
so muss dem wid erspre chen werd en . Von den beiden Heerd enis t keiner alt ; keiner von beiden steht da , wo Nissen mit grosser
Wahrscheinlichkeit seinen ursprünglichen Platz findet : auf der
Rückseite des Impluviums ; in Betreff des einen , der ganz beson
ders j ung ist,steht nicht ganz fest
,dass er überhaupt ein Heerd
ist ; der ganz eigenthüm liche Platz und auch die Form des anderen
erklären sich dadurch,dass er einem Therm 0p o lium diente .
Ein weiteres Beispiel eines Hee rd e s im Atrium ist seitdem ge
funden we rd en : VI,1 4
,37
,s . B u l l . d . I n s t . 1 878
,S . 1 87. Er
ha t auch hier die den Therm o p o lien e igenthüm liche Form ,und.
es is t gar nicht unwahrscheinlich,dass wir in dem ganzen Hause
,
welches b e i geringem Umfang zwei grosse Speisezimmer enthält
(s . den Grundriss a . a . O . S . eine Caup o na zu erkennen haben .
Von dem vermeintlich aus dem Heerd entstandenen Tische der
c a s a d e g l i s c i e n z i a t i (No . 5 ) war oben ausführlich die Rede .Nissen citirt S . 64 1 noch die c a s a d e l n a v i g l i o (No . von
dem Tische derselben heist es S . 4 1 6 :„Der Untersatz resp .
im Umfang,hat hinten eine Oeffnung hoch
,brei t.
Es sieht wie eine Feuerstelle aus,dient aber vielmehr als Ueber
d a chung des Brunnens“
. Letzteres ist richtig : um die eben hier
befindliche Oeffnung der Cisterne zugänglich zu machen , ist der
Tischfuss von hinten ausgehöhlt we rd en,und damit ist diese
Aushöhlung vollständig erklärt . Dass s ie aber einer Feuerstelle
gleicht,muss bestritten werd en
,vielmehr i st sie dafur ganz un
geeignet : die Alten zündeten ihr Küchenfeuer auf,nich t unter
dem Heerd an
3 .„In Pompej i war bereits der griechische Tempel mit
einem S tucküberzug verseh en, ob ursp runglich oder nachträglich ,wissen wir nicht . Die umfassendere Anwendung desselben ist
j edoch a usserst langsam von statten gegangen . Die Quad erwänd eaus Kalkstein haben keinerlei Bewurf erhalten
,wie sie auch
nicht darauf berechnet sind . Eher möchte man solches von den
Fa chwe rkswänd en voraussetzen : ein g r e g a l e t e c t o r i um ,wie
Seneca a. a . O . 1 0 von den a lterthüm lichen Badestuben angiebt.
Mir i st kein Fall aufgestossen,wo unter dem späteren Bewurf
Spuren eines älteren sich gezeigt hätten : doch würd e di eser
Ka lksterna trren . 9 1
Gesichtspunkt eine schärfere P rufung verdienen “
. (Nissen
S .
Dagegen ist verschiedenes zu bemerken . Zuna chst kann
nicht füglich bezweifelt werd en,dass der dorische Tempel von
Anfang an seinen Stucküberzug hatte , so gut wie die Tempel
von Paestum,Selinunt und Girgenti : die Bea rbeitung der Säulen
reste ist der Art,dass sie einen Stucküberzug auf das dringendste
verlangt ; nie konnte endlich die aus ganz verschiedenen Steinen
bestehende C ellamauer unverkleidet bleiben . Die Stuckreste der
Säulen unterscheiden sich von allen Stucka rbeiten römischer Zeit
dadurch,dass der M arm o rstuck ohne Unterlage von Sand stuck
a uf dem Stein liegt,von denen der späto skischen Zeit durch
die unvergleichlich grössere Sta rke und Festigkeit im Ver
gleich z . B . mit dem Stuckuberzug der Tuffsäulen im ersten
Peristyl der c a s a d e l F a u n o oder der Thüren der Stabiane r
Thermen .
Dass ferner die Fa cad en aus Kalksteinquadern ursprünglich
ohne Bewurf waren,dass die durchweg erhaltenen Reste eines
solchen aus späterer Zeit stammen,i st möglich
,aber une rwe is
lich : nirgends sind unter denselben alte o skische Inschriften zu
Tage gekomm en . Man kann ind es s dafür anführen,dass die
fast durchgängige Beschränkung d es Quad erbaue s auf die Strassenwände
,während innerhalb der Häuser und zwischen denselben
da s Fachwerk vorherrscht , s o am leichtesten ihre Erklärung
findet . Dass aber die Fa chwerkwänd e ihren Stucküberzug hatten ,darf wohl als sicher gelten . Dass man schon in sehr früher Zeit
die Wände mit Stuck bedeckte , ist bekannt, und es i st kaum n o thig ,
Solon’s Verbot,die Gräber zu tünchen
,dafür anzuführen . Da ss
in Pompej i dieser Gebrauch schon vor der Zeit der Kalkstein
atrien verbreitet war , beweisen die nicht seltenen Fa lle , wo im
Ka lksteinfa chwerk Steine verwandt sind , die schon älteren Bauten
angehört und den dort erhaltenen Stucküberzug bewahrt haben :
wir beobachteten solche B e ste in No . 1,2,4 2
,4 5
,5 6 d es Nissen
schen Verzeichnisses und weiter in I, 3 , 20. Es ist ferner klar
,
dass die Fa chwerkmauern mit Lehm des Stuckübe rzuge s ga r
sehr bedurften ; denn der Lehm konnte wohl die Zwischenräume
zwischen den Steinen a usfüllen,hatte aber a ls eigentliches Binde
mittel geringen Werth ; d a s unvermeidliche Abbrö ckeln desselben
Cap rtel III .
musste sich in unbehaglichster Weise bemerklich machen . Dass
also eine Zeit,welche Mühe und Kosten nicht scheute
,um die
gewaltigen Qua d erfaca d en herzustellen , welche sich auf die B ere itung d es Stucks sehr wohl verstand , dass di ese Zeit auf den
für die Festigkeit sowohl als für die Schönheit und Behaglich
keit der Wohnungen s o wichtigen Stucküberzug verz ichtet haben
sollte,i st doch allzu unwahrscheinlich .
94 Capite l IV
schichte der ganzen Anlage beruht,sind fo lgende : 1 . der Tempel
selbst ; 2 . die ihn umgebende Porticus ; 3 . die Südmauer mit dem
Haupteingang ; 4 . die 1 0 breiten Pfeiler von ungleicher Dicke,
welche auf der Ostseite den Tempelhof vom Forum trennen und
die Verschiedenheit der Orientirung ausgleichen ; 5 . die Mauern,
welche die Zwischenräume dieser Pfeiler ausfüllen .
Nissen’s Darstellung beginnt mit dem Sa tze,dass der Venus
tem pel zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehöre . Als Beweise
für ein hohes Alter werden angeführt :
1 . Die nur aus sa cra len Vorschriften erkla rliche Abweichung
der Orientirung von der des Forums .
2 . Gewisse Reste a lterthüm lich er Constructi on .
3 . Die Masse,welche sich auf einfa che Summen o skischer
Fusse reduciren lassen .
4 . Ein weiterer ind irecter Beweis ergiebt sich aus den oben
unter 4 erwähnten Pfeilern,welche doch ni ch t wohl älter al s
der Tempel selbst sein konnen,nach Bauart und Massen aber
in die o skisch e Zeit fa llen .
Von diesen Beweisen dürfen 1 . 3 und 4 bei Sei te gelassen
werden . Die Orientirung der Tempel nach sa cra len Vorschriften
nimmt doch Nissen ni cht blo s für die älteste Zeit in Anspruch ,und d a s o skische Mass blieb nach seiner höchst glaublichen An
nahme bis zur Zeit der römischen Colonie im Gebrauch . Was
die Reste a lterthüm licher Construction betrifft , so sagt Ni ssen
darüber Folgendes :„Von a lterer Construction war früher an dem
„Tempel wenig noch mit Sicherhei t zu erkennen ; durch die j üngste
Restaurati on i st auch dieses verschwunden . Zunächst besteht
„am Tempel unten eine B lo ckschicht der Fundamente aus Kalk
„stein ; ebenso werd en die vier Ecken der Cella und die Pfosten
„der Thür aus Sarno quad ern gebildet ( links ein Block von M .
Höhe) . Die Eckqua d ern haben gegliederte Basen von Tuff,„deren Arbeit nicht eben auf hohes Alter hinweist Wa hrschein
„li ch gehören bereits diese nicht mehr dem ursprunglichen Bau
„an . Da s gleich e gilt Von dem Ablauf des Podiums aus Tuff
N un sind sicher die Eckquad ern aus Kalkstein kein Beweis be
sonders hohen Alters : sie finden sich regelmässig an den Atrien
der grossen regelmässigen Häuser aus der von Nissen so ge
nannten Tuffp erio d e . Ferner erkennt Nissen an,dass die ge
De r V enus temp e l . 9 5
gliederten Tuffba sen derselben nicht eben auf ho hes Alter hin
weisen : sie weisen auf eben j ene Tuffp erio d e , welche na ch denInschriften der Tufffaea d en no ch in o skische Zeit fällt
,den Arr
fängen Pompej i ’s a ber fern steht und wesentlich j ünger ist al s
die ältesten Ka lkste inhäuser . Wenn nun diese Basen„wahr
scheinlich bereits nicht mehr dem ursprung lichen Bau angehören“
,
s o werd en wir nicht umhin können , dieselbe Wa hrscheinlichkei t
auch auf eben j ene Eckqua d ern auszudehnen , welche s o gla tt
und fest auf den Tuffba sen stehen,dass a n ein späteres Unter
legen der letzteren absolut nicht gedacht werden kann . Und wenn
nun dasselbe von dem Tuffablauf des Podiums gelten soll,dessen
nachträgliche Einfügung in den Unterbau des Tempels schwer
denkbar is t,s o dürfen wir wohl fragen
,was denn unter dem
„ur
sprünglichen B au“ zu verstehen ist : j edenfalls ein früherer Tempel
,
von dem wir s o wenig wissen,als etwa von dem
„Qua derbau “
,
welcher (nach S . 32 0. 32 1 ) einst an der Stelle d es Jupitertempelsgestanden haben soll ; denn eine B lo ckschicht aus Kalkstein in
den Fundamenten kann doch als chronologisches Kriterium nichtverwerthe t werd en . Uebrigens habe ich in der untersten e rkenn
baren Schich t d e s Unterbaues,welche stellenweise (an 2 Stellen
der Ostseite und einer der Westseite) von Stuckbekleidung frei
geblieben i st,nur Tufi°blöcke erkannt ; doch ist hier nur ein sehr
geringer Einblick möglich . Das Mauerwerk der Cella ist kein
Quaderbau,sondern o p u s i n c e r tu m
,zu dem freili ch auch ziem
lich grosse Blöcke verwendet zu sein scheinen ; von aussen istdann die Mauer mit scherbenförm ig zerschlagenem Tuff belegt ,der mit einem gelben Mörtel befestigt is t ; doch kann dies au sspa terer Zeit stammen .
Aus den Massen 1
) ergiebt sich , dass einige Distanzen sichauf einfache Grössen o skischen Fusses reduciren lassen : Länge
1) Die Abwe i chungen me iner Messun gen vo n denen Nis sen ’
s s ind unwesen tl i ch und beruh en the i ls au f vers chiedener Taxirung d er Stu ckb ekleidung , the i lsdarau f, da ss d er Un terbau ke in gan z rege lmäss ige s Rechteck b ilde t , sondern d ie
We stse i te e twa s länger ist . D o ch durfte d ie Mau erd i cke (na ch N .
schwer zu be stimmen und N .
’
s Ann ahm e kaum r i chtig s e in . Die ha lbe Di fferenz
betragt c . do ch kann d ie Stuckdecke n i ch t wo hl auf wen iger als ge
schätz t werden .
96 Capitel IV .
d es Unterbaues Breite der Umgänge an den LangseitenThürweite Auf weniger einfache Zahlen möchte ich kein
Gewicht legen : wir haben gesehen und werden weiterhin sehen,
wie leicht dabei der Zufall sein Spiel treibt .Ausser den Massen kann noch Folgendes uber das Alter
d es Tempels gesagt werden .
Im Inneren des Tempel s sind unter der spaten Stuckver
kleidung Reste einer älteren Decorati on,in der Art
,wie sie die
Basilica hat,sichtbar : das diesem Stil eigenthüm liche Gesims
mit Zahnschnitt ist am hinteren Ende der linken Wand deutlich
erhalten,und an dem grössten Theil derselben Wand erscheint
etwa in derselben Höhe der feine weisse Stuck j ener Decoration
unter dem gelblichen späteren . Und Reste desselben Stils finden
sich an der Südostecke der Einfassung des Temp e lh ofes , welche
selbstverständlich nicht älter sein kann als der Tempel selbst,
an der Aussenseite gegen Suden . Also zur Zeit dieser Decora tio nsa rt
,in welcher die Basi lica um
’
s Jahr 78 v . Chr . (C . J . L .
IV,1 84 2 ) schon d e co rirt war , bestand der V enustemp el . Da
mit stimmen die oben erwähnten auf die Tuffp erio d e deutenden
Glieder ; denn diese fällt h öchst wahrscheinlich mit der Zeit j ener
ersten De co ra tionsa rt zusammen . Und eben dieser Tuffp erio de ,und zwar der B lütheze it derselben
,gehören in evid entester Weise
die Pfosten des Haupteinganges und die Südostecke der Um
fa ssungsmauer an , ferner die Porticus und die Säulen des Tem
pels : auch diese Thei le sind natürlich nicht älter (nach Nissen
vielmehr j unger) als der Tempel selbst .
Ferner trägt die an der zweiten Saule (von W.) der S udporticus stehende Sta tuenba sis die doch auch nicht wohl älter
sein kann a ls der Tempel,sei es auch in einer früheren Gestalt
eine meines Wissens noch nicht bemerkte o skische Inschrift ; siei st in den groben Stuck
,welcher die Grundlage einer feineren
Lage bilden sollte,mit einem stumpfen Instrument eingeritzt
,a ls
er noch nass war,und lautet
H IWIVW N
gegen das Ende wird sie unleserlich Auch diese Inschrifta ber führt uns nicht weiter hinauf
,a ls die Decorati on und die
98 Cap i te l IV .
auf Pilastern (richtiger Pfeilern) und Saulen ha tten aufliegen
müssen “
(S . Mithin i st die gegenwärtige Porticus,da sie
die F üllmauern voraussetzt,junger als 10 v . Chr . Da V itruv I ,
2,6 die Verbindung ionischer Säulen mit dorischem Gebälk
,wie
sie hier vorliegt,missbilligt
,so kann die Erbauung der gegen
wärtigen Porticus etwa in seine Zeit gesetzt und mit der Ver
bauung der Lumina in Verbindung gebracht werden (S . 2 2 7.
4 . Die Pfeiler hingegen werd en durch Bauart (Kalksteinquadern) und Masse der o skischen Zeit zugewiesen (S . 2 1 8 . 2 20.
Nur die beiden ersten (von S .) verra then durch ihre demj etzigen Eingang ähnliche Constructi on aus Tuff einen späteren
Ursprung (S . 2 2 4 . S . 2 1 8 heisst es,dass di e Pfeiler 1 . 3 . 5
nach aussen Tufi°blöcke von der gewöhnlichen sorgfältigen Bear
beitung , wie sie an den Privathäusern vorkommt,zeigen) .
5 . Ein scheinbarer Widerspruch (mit 3) ergiebt sich aus
der Ded ica tionsinschrift des grossen Altars vor dem Tempel,
wel che als vermuth lich der Zeit 80—60 v . Chr . angehörig nach
gewiesen wird. Denn die Setzung des Altars war nicht möglich
ohne eine neue Limitation der Area (des o fi°enen Raumes inner
halb der Porti cus) , und dies muss di e noch j etzt vorliegende
(nach den Massen römische) sein , da bei einer späteren Limitati onein neuer Altar hätte geweiht und der alte exaugurirt werden
müssen . Da nun die Area durch die P o rtiken lim itirt wird,s o
müssen auch diese 80— 60 v . Chr . angelegt werd en sein . Hierzu
passt vo rtrefi‘
lich die bei dem jetzigen Eingänge (nach 1 ) abnormeungerade Säulenzah l der Schmalseiten ; denn (nach 1 und 2 ) war
j a damals der Eingang noch nicht von Süden,sondern östlich
durch die Lumina vom Forum her (S . 2 2 6. Nun aber ist
(nach 3) die Porticus j ünger als 10 v . Chr.
6 . Dieser scheinbare Widerspruch wird aber gehoben durch
eine weitere Beobachtung . Es sind nämlich auf dem Stylobat
Spuren einer älteren Säulenstellung vorhanden . Diese Spurensind rund
,deuten also auf Säulen ‘
o hn e Basis,d . h . dori sche
,
entsprechend dem j etzigen Gebälk : es ging also der j etzigen,
p seud o ionischen Saulenste llung welche nach 1 0 v . Chr. erbaut
sein mag eine ältere,dorische vorher
,welche das muss
m an hinzudenken s o d isp o nirt war , dass die Sanlen denPfeilern entspra chen
,der Art
,d a ss die Dachbalken auf Pfei lern
Der V enu stempe l . 99
und Säulen aufliegen konnten . Zu dieser a lteren P o rticus stimmtder alte und einfa che Stylo ba t
,und auf ihr Dach bezieht sich
das u s q u e a d t e g u l a s der von Schliessung der Lumina han
d e lnd en Inschrift .Es ergeben sich al so 4 Peri oden der Geschichte des TempelsI . o skische Zeit : Bau des Tempels und der Pfeiler am Forum
II. 0 . 80— 60 v . Chr . Dedication des grossen Altars ; Limi
tatien der Area und Errichtung von Einfa ssungsnrauernund P o rtiken in dorischem Stil ;
III . 1 0 v . Chr . V ermauerung der Lumina. Neuer Eingang vonder S t r a d a d e l l a Ma r i n a (da von unzertrennli ch die
Herstellung der Südmauer) . Umwandlung der P o rtikenaus dorischem in p seud o ionischen Stil ;
IV. Restaura tion seit 63 n . Chr .
Es scheint ausserdem (nach dass Nissen eine Erneuerung eines
Theils der Pfei ler in der dritten Bauperiode annimmt .
Offenbar liegt der Schlussel zur Geschichte der ganzen An
lage in der richtigen Würdigung der durch Füllmauern verbun
denen P feilerre ihe am Forum und ihres Verhältnisses zu den
übrigen Theilen .
Es ist nun ohne weiteres zuzugeben,dass die Zwischen
ra ume der Pfeiler einst offen waren : die darauf bezüglichen
Beobachtungen sind durchaus richtig,und e s wird daher a uch an
der Deutung der Inschrift nicht gezweifelt werd en können . ImUebrigen aber kann die Nissen - Sch öne
’
sche Behandlung dieser
Theile nicht aufrecht gehalten werd en .
Dass die Pfeiler neben dem Tempel den a ltesten Theil derganzen Anlage bilden
,wird aus der C onstructio n sa rt und aus
den Massen derselben geschlossen .
Von der Construction wi rd gesagt (S . dass sie„ziemlich
„hoch hinaufreicht . An dem 5—9 . (richtiger von der B a
„ silica aus gerechnet , sind auf der Innenseite deutlich die Kalk
steinquadern zu erkennen,aus denen sie a ufgebaut sind ; 1— 3 .
„5 zeigen nach aussen Tufi blöcke von der gewöhnlichen sorg
„fältigen Bearbeitung , wie sie an den Privathäusern vorkommt ,
„und an ihnen sind vereinzelt a lter thüm lich e aufgemalte Inschrif
„ ten erhalten“
.
100 Capite l IV .
Hier e rg iebt aber eine genauere Betrachtung andere Resul
tate . Die Pfeiler zeigen na ch 3 Seiten (N .
,W .
,S .) Kalkstein
quadern,nur gegen das Forum liegt das zur Ausfüllung verwandte
o p u s in c e r t um (vorwiegend auch Kalkstein) bloss , s ofern esnicht durch die auch über die V o rd erfiäche der Pfei ler sich er
streckende späte Füllmauer verd eckt wird : sollte dies die
ursprüngli che Form sein ? Ferner hat j enes o p u s in c e r tumgegen das Forum hin eine senkrechte und gleichmässige Ober
fläche,die gleichwohl keine Spuren der Maurerkelle zeigt
,wie
dies wohl sonst der Fall i st,eine Oberfläche vielmehr
,wie sie
nur dann entstehen kann,wenn das betreffende Mauerwerk nicht
frei hingestellt,sondern an eine schon bestehende Fläche ange
lehnt wird . Und alsbald zeigt si ch auch,welcher Art diese
Fläche war : nicht nur 1— 3 und 5,sondern j eder dieser Pfei ler
hatte gegen das Forum eine Facade aus Tuffqua dern . Nur am
4 . Pfeiler ist sie nicht sichtbar, s onst kommt sie überall mit vo ll
k omm ener Deutli chkeit unten am Boden hier stets aus drei
Blöcken bestehend zum Vorschein . Die ersten Pfeiler sind
wegen ihrer geringen Dicke gleich ganz aus Tuff aufgesetzt ;4 ist ganz modern aufgemauert
,1 0 hohl und auf das Forum
geöffnet : bei den_
übrigen die oben beschriebene Construction .
Mithin ist kein Grund vorhanden,die ersten Pfeiler zei tlich
von den übrigen zu trennen : wenn aber ihre C onstruction auf
eine j üngere Epoche deutet,s o ist dieser Schluss ohne weiteres
auf die ganze Reihe auszudehnen . In der That berechtigt unsnichts
,diese Pfeiler einer anderen Zeit zuzuweisen als di e ahn
l ichen C onstructio nen an: Privathäusern,an der Basilica und über
haupt rings um einen grossen Theil des Forums,an welchem
wir j etzt von der Abbondanza stra sse bis an die s og . Curien und
dann wieder bis an ’
s Ende der in Rede stehenden Anlage einefortlaufende Reihe solcher Pfeiler nachweisen können : überall
da also wo es nicht durch j üngere,ganz oder theilweise aus
Ziegeln aufgeführte Gebäude begrenzt wird .
Es sei hier noch bemerkt,dass der die Nische mit dem Mass
tisch enthaltende Pfeiler (10) einen späten Umbau erfahren hat
d er grösste Theil der Rückseite zeigt O p u s i n c e r t um aus Lava
mit Eckpfeilern aus Ziegeln,weiter oben o p u s in c e r tum aus
Kalkstein . Doch i st nicht daran zu denken,dass durch den
Cap rtel IV .
e s denn damals angefangen habe , um j eden „Dachbalken“ auf
einen Pfeiler und eine Säule zu stützen . Da nun einmal di eSäulen nicht so weitläufti
_g stehen konnten mit doppelt s o
grossem Abstände wie j etzt dass j edem Pfeiler nur e i n e ent
spre chen hätte,so war nur a uf zweifache Art ein rati onales
V erhältnis s möglich : entweder die Säulen entsprachen abwech
selud einem Pfeiler und einem Lumen,und dies ist die Stellung
der Säulenspuren , aus denen Nissen die ältere dori sche Porticus
erschlies st,auf welche wir noch zurückkommen
,oder s ie standen
j e 2 und 2 vor j edem Lumen , so dass den Interco lumnien ab
wechselnd ein Pfeiler und ein Lumen entsprach,durch j edes
Lumen vom Forum aus zwei Säulen sichtbar waren . Es genügt
ein Blick auf den Plan,um sich zu überzeugen
,dass letzteres
die Anordnung der erha ltenen Porticus ist . Von einem Aufliegen
der„Dachbalken “ aber
,wie es sich Nissen denkt
,kann weder
im einen noch im anderen Falle die Rede sein .
Also das rationa le V erhältniss ist doch vorhanden : lehr
reicher aber noch als dieses selbst sind gewi sse Ungleichmässig
keiten in der Anordnung der Pfeiler,welche sich ganz allein
durch die Rücksicht erklären,die m an auf die Säulen nahm :
mithin sind letztere entweder den Pfeilern gleichzeitig oder älter.Obige Regel ist nämlich durchgeführt bis zu den beiden Enden
,
wo eben di e Reihe der Säulen aufhört und an ihre Stelle die
Enden der Querhallen treten : hier finden sich die bezeichneten
Ungleichm a ssigke iten .
Am Südende entspricht dem letzten Interco lumnium ein
Lumen . Hätte m an nun diesem (dem Lumen die Grosse
der übrigen (etwa gegeben , und ebenso dem folgendenPfeiler (etwa s o blieb bi s zur Südwand noch eine Ent
fernung von c . Grösser also konnte dann das letzte,
der Südp o rticus entsprechende Lumen nicht werden,und
selbst dann musste es gegen alle Symmetrie bis in die Ecke
a usgedehnt werden . Indem m an hingegen sowohl das Lumen
als den Pfeiler erheblich kleiner machte a ls die
übrigen,wurd e
_es moglich , der Südp o rticus ein hinreichendes
Lumen,von entsprechen zu lassen
,welches nicht bis in die
Ecke reichte,so ndern d urch das betragende Stück
,um
welches der erste Pfeiler vor d ie S üdmauer vorspringt,vo n der
Der V enus temp e l . 1 03
selben getrennt war . Dem gegenüber ko nnte man es sich gefallen lassen
,dass nun allerdings d a s vorhergehende Lumen
kleiner wurde : die beiden entsprechenden Säulen konnten nicht,
wie bei den übrigen,vom Forum aus gesehen werden
,sondern
die Ecksäule war durch den Pfeiler verdeckt,der noch
über sie hinaus nach N . vorsprang . So erklären sich in völligbefriedigender Weise d ie sonst ganz unverständlichen wesentlich
kleineren Dimensionen des ersten Lumen und des zweiten P feilers
,während im übrigen die Differenzen unerheblich sind .
Etwas anders lag die Sache im Norden . Hier kam auf dasletzte Interco lumnium ein Pfeiler : es war also hier nicht unm öglich
,demselben die gewo hnliche Ausdehnung zu geben und ein
weites,der Ecksäule und der N o rdp o rticus entsprechendes Lumen
zu lassen . Nun aber sol lte dies letzte Lumen den Zugang zur
nördlichen Querhalle bilden,es mochte also angemessen scheinen
,
es dem mittleren Theil derselben entsprechen zu lassen , während
es bei gewöhnlicher Ausdehnung d es letzten Pfeilers auch die Ecksäule mit umfasst haben würde . Und in demselben Sinne musste
sich die Ford erung der Symmetrie mit dem Eingang zur Südhalle geltend machen . Um aber d ie so verlangte Anord nungzu erha lten
,musste dem letzten Pfeiler eine grössere Ausdehnung
gegeben werd en ; und d a s ist denn a uch geschehen,indem er
gegen das Forum offen gelassen und eben hier die Nische fürden M a sstis ch angebracht wurde : der Pfeiler misst j etzt
und überragt die Ecksäule noch um etwa Dennoch blieb
dieser Zugang zur N o rdp o rticus grösser als der zur südlichen :
man wollte wohl den die Nische enthaltenden Pfeiler nicht zu
sehr über das B edürfniss hinaus vergrössern .
Es durfte durch diese Bemerkungen hinlanglich festgestellt
sein,dass die P feilerreihe von Anfang an bestimmt Wa r
,dem
j etzigen Saulengange , oder einem ganz gleich d isp onirten ,zu
entsprechen,dass sie a lso nur entweder gleichzeitig mit dem
selben oder später,ke inenfa lls aber früher erbaut sein kann .
Es muss aber ferner gleich j etzt der Nissen—Sch one ’
schen
Darstellung gegenüber co nsta tirt werden,da ss die Südmauer mit
dem je tzigen Ha up te ingange , weit entfernt a us der Zeit der Vermauerung der e mina zu d a tiren , vielmehr schon vorhanden
104 Cap ite l IV .
wa r,als die Pfeiler erbaut wurd en . Dies ergiebt sich aus einer
genaueren Betrachtung des ersten Pfeilers,an der Ecke der
Strasse,die vom Seethe r aufs Forum führt (auf Taf. I von der
Os t und Südseite abgebildet) . Hier läuft nämlich di e Südmauer
in einen Pilaster aus,dessen östliche
,die Dicke der Mauer
rep räsentirend e Sei te breit i st : d . i . 1 ' 10” osk . 5 Milli
meter . Er endet oben in ein Capitel!,welches offenbar bestimmt
war,ein Epistyl zu tragen
,dessen anderes Ende auf der nächsten
der in der Au smündung der S t r a d a d e l l a M a r i n a stehenden
Säulen aufliegen musste. Dieser Endp ila ster nun is t in seiner sehr
s orgfältigen Arbei t durchaus dem östlichen Pfeiler des Einganges
gleichartig und sicher gleichzeitig (der westliche ist irgend wanneinmal zerstört gewesen und trägt die Spuren Späterer B estau
ration) . Um nun diesem Eckp ila ster gegen das Forum eined en ubrigen Pfeilern einigermassen entsprechende Breite zu
geben,und gleichzeitig um den Zugang zur Südp o rticus sym
metrischer zu machen,hat man nörd lich ein Stück an denselben
angesetzt,welches sich deutli ch von ihm unterscheidet
,wie di e
Tafel zeigt . Es ist aus kleineren Steinen aufgesetzt :
wa hrend die des Eckpfeilers hoch sind .
Die Gleichartigkeit di eses angesetzten Stücks mit den folgenden
Pfeilern kann nicht in Frage gestellt werden : Steine vonbis kommen auch im zweiten Pfeiler neben solchen von
vor,während die des dritten hoch
sind . Ferner ist die Bearbeitung d es angesetzten Stucks weniger
sorgfältig als die des Endstücks der Südmauer,während sie der
der folgenden Pfeiler gleichartig ist : wenn bei Nissen die beiden
ersten Pfeiler als dem Südeingang gleichartig bezeichnet werd en,
s o ist das entschieden ungenau . Nördlich schliesst sich die
Schwelle oder Stufe mit dem viereckigen Loch für d ie Ante
p agm enta an ; P r o g r am m a t a a n t i q u i s s im a stehen auf bei
den Theilen des Pfeilers (C . I . L . IV,36 erstreckt sich über
beide) . Die Pri orität aber des sorgfältig gearbeiteten,soliden
eigentlichen Eckpfeilers vor dem aus kleinen Steinen bestehen
den Ansatz,welcher allein kaum hätte stehen können
,i st evident ;
und damit auch die Priorität des ganz gleichartigen Südeingangeserwiesen .
106 Cap i te l IV
obere Ende des Daches eine feste Stutze ha t,wurden s ie eine
sinnlose Ho lzverschwendung sein . Demgemäss ha t der antikeDachziegel wohl an j eder Seite eine Erhöhung
,uber welche der
Hohlziegel gelegt wird,nicht aber einen hakena
‘
rtigen Vorsprung ,wie der modern e , um ihm auf horiz ontalen Latten einen Haltzu geben .
Uebrigens ruhte auf dieser Porticus zuna chst nicht das Dach ,sondern eine h orizontale Bedeckung : in der Rückseite der Gebälks tücke mit dem Triglyphenfries sind die Löcher vorhanden
für so lide,horizontale
,auf die schmälere Seite gestellte Balken
(stark 0 . von denen auf j edes Interco lumniumkommen . Die Stärke und geringe Distanz derselben schliesst
d en Gedanken an eine getäfelte Decke a us : ohne Zweifel haben
wir h ier den Fussboden eines oberen Umganges zu erkennen,
dem d a s obere,vo rsp rrngend e Gebälks tück mit den Tropfen als
eine Art Brüstung diente . Dass dann noch ein von einer oberen
Säulenstellung getragenes Ziegeldach folgte,is t an sich wahr
s che inlich und folgt auch doch wohl aus den t e g u l a e,welche
in der a uf die Schliessung der Lumina bezüglichen Inschrift er
wähnt werden,und unter denen man schwerlich wird Boden
ziegel verstehen wollen,die etwa den Fussboden des oberen Um
ganges gebildet haben könnten . Dass von oberen Säulen nichts
erhalten ist,darf nach den Verwüstungen des Erd bebens vom
J . 63 nicht Wunder nehmen .
Die Irrigkeit aber der Meinung,a ls sei die Existenz der
j etzigen Porticus vor Schliessung der Lumina unmögli ch gewesen,
wird in noch handgreifi ich erer Weise dadurch d em o ns trirt, dass
einige Lum rna bis zuletzt offen geblieben sind . Das 7 . und
8 . Lumen sind nie geschlossen w e rd en ; es e rgiebt sich dies mit
Sicherheit aus dem Um stand e,dass die evident (s . auch Nissen
S . 2 1 5 ) der letzten Zeit Pompej i’s angehörige Stuckbekleidung
der Pfeiler hier an den Vorderecken derselben umbiegt,um a uch
die dem Forum zugewandte Seite zu bedecken . Wer sich die
Mühe nimmt,die moderne Füllmauer zu ersteigen
,kann dies
von oben j ederzeit mit aller Sicherheit consta tiren . Wollte manalso die V erm auerung a uch dieser Lumina für antik halten
,so
könnte s ie j edenfalls nur in der allerletzten Zeit Pompej i’s statt
gefunden haben,später noch a ls die durch d a s Erdbeben von
Der V enu s temp e l . 107
63 n . Chr . veranlasste M o d ernisirung . Das im 6 . Lumen ver
mauerte Gebälkstück (Nissen S . 2 1 9) kann da gegen natürlichnicht beweisen . Gegenüber dem 7 . Lumen ist der Styl obat unter
brochen,verm uthlich um beqrrem eren Zutritt zur unbedeckten
Area zu gewähren . Auch das letzte Lumen ( 1 0) wurde nichtvo llständig geschlossen
,behielt vielmehr eine Thür von c .
(dies die Länge der Lava schwelle) . Und bei Gelegenheit d es
auch die Aussenseite der Pfei ler bedeckenden Stuckes se i be
merkt,dass Spätestens bei V ermauerung der Lumina die Tuff
faead en zerstört wurden, mit Ausnahme der 3 . und 5 . Die
oberen Steine nahm man fort,von den unteren
,die man nicht
aus dem Boden entfernen wollte,schlug man
,soweit sie hervor
ragten,vorne ein Stück ab
,theils um Pla tz fur die Stuckbeklei
dung zu gewinnen,theils benutzte man wohl die Gelegenheit
,um
die F o rum sp o rticus um ein weniges zu verbreitern .
Wir kennen aber mit ziemlicher Sicherheit in unseren
Nachforschungen uber d a s Alter dieser P feile rre ihe noch einenSchritt weiter gehen
,und zwa r müssen wir zu diesem Zweck an
den lehrreichen P unkt'
zuruckkehren,wo die verschiedenen Con
structionen,die Pfeiler und die Südmauer
,zusammenstossen : an
den Eckpfeiler der S t r a d a d e l l a Ma r i n a . Nämlich der s chon
oben besprochene Endp ila ster der Südmauer ist nicht ganz un
versehrt in seinem ursprünglichen B e stand e . Nur die untersten
Steine stehen auf ihrem alten Platze,die oberen sind viel
leicht in Folge von Zersto rungen , die ein früheres Erdbeben an
gerichtet haben mochte etwas nach dem Forum zu verruckt
we rd en (um c . Die alsdann über die unteren Steine nachdem Forum zu hervorragenden Theile sind abgehauen
,und an
die s o entstandene Fläche ist nörd lich das Stück angesetztwe rd en
,welches diesen Eckpila ster in e inen Pfeiler gleich den
übrigen verwandeln sollte . Aus diesem Grunde,und weil auf
die s o entstandene Ostfläche p r o g r amma t a a n t i q u i s s im a ge
schrieben sind,kann an d a s Erdbeben von 63 in keinem Fa lle
gedacht werd en . Nach der S t r a da d e l l a M a r i n a zu springt d a sletzte Stück der Mauer p ila stera rtig ein wenig vor : dieser V e rsprung is t in Folge der angedeuteten Verschiebung an den oberen
Quadern um schmäler a ls an den unteren,die auf ihrem
108 Caprtel IV
Platz geblieben sind . Mithin is t die P fe ilerre ihe j unger nicht
nur a ls die Erbauung der Südmauer,sondern a rrch al s ihre theil
weise Zerstörung .
Betrachten wir nun etwas naher die der S t r a d a d e l l a
M a r i n a zugewandte Seite d es Eckp ila sters , s o finden wir da
selbst Reste eines alten Stucküberzugs (auf der Tafel mit a be
zeichnet) , welche unverkennbar der ersten der uns bekanntenDeco ra tio nsa rten angehören , derj enigen Decorati on , welche inplastischer Stuckarbeit eine M a rm o rbekle idung nachahmt , und
von der d ie Basilica unter den öffentlichen Gebäuden das einzige
Beispiel bietet . Es ist aber weiter klar,dass diese Decorati on
hier älter i st a ls die erwähnte Beschädigung und. Umgestaltungd es Eckp ila sters . Denn wäre sie j ünger
,s o hätte man unfehlbar
entweder j ene Ungleichhei t des an den oberen und unteren
Steinen nicht übereinstimmenden Vorsprunges durch den Stuck
ausgeglichen,oder auch m an hätte
,was j a leicht war
,an den
unteren Steinen so viel von j enem Vo rsprung fortgenommen,
dass er in eine senkrechte Linie m it dem der oberen Steine
gekommen wäre,wenn nicht von vorn herein j ene sorgsam und
genau arbeitende Periode eine sorgfältigere Restauration des
ganzen Pfei lers geliefert haben wurde,als s ie j etzt vorli egt.
Von dem ist aber nichts geschehen . Diese Deco ra tio nsresteschliessen sich genau an die Formen der Steine an : ein bei ihrer
j etzigen versch obenen Lage widersinniges Verfahren,welches
aber,die alte Lage vorausgesetzt , ganz der Uebung j ener ersten
Deco ra tionsep o ch e entsmicht.
Es ergiebt sich hieraus , dass die Herstellung der Pfeiler
spa ter fa l l t a ls die B lüth ezeit der ersten Deco ra tio nsmanier,deren
Zeit durch die 78 v . Ohr: schon mit ihrer j etzigen Decoration
vorhandene Basilica ungefähr bestimmt wird,und deren Spuren
wir auch im Tempel selbst fanden .
Wenden wir uns nun endlich zur Betrachtung der Masse
der in der oben bezeichneten Weise von der F o rum seite aus gem ess enen Pfeiler und Lumina . Ich glaube die folgenden An
gaben als genau bezeichnen zu dürfen,da eine Gesamm tm essung
und die Summ in der Einzelmessungen ein ganz ubere in
stimmendes Resultat ergaben . Bei den eingeklammerten Zahlen
1 10 Cap ite l IV .
Aus dieser Tabelle i st ersichtlich , dass weder die Reducti on a uf o skisches noch die auf römisches Mass s o runde und
einfache Grössen giebt,auch die gefundenen Grössen nicht so
genau den vorhandenen Massen entsprechen , dass sie eine unmittelbare Ueberzeugungskra ft hätten . In beiden Fällen wirdanerkannt werd en mussen
,dass
,wenn ein bestimmtes Mass für
Pfeiler und Lumina zu Grunde liegt,doch von demselben viel
fach abgewichen werd en ist . Die ganze Linie,
- einschliesslichder mit dem (1
’ 1 0" osk .) dicken Pilaster end igend en Südmauer beträgt
,200 ’ 6 ”
o sk . 7 Mill .) 1 86 ' 4 "
röm . 9 Dass hier die o skische Summe einer einfachen
Grösse sich mehr nähert,beweist ni chts
,da ja diese Dimension
längst vor dem Bau der Pfeiler feststand. Beseitigen wi r nun
zunächst die Pfeiler und. Lumina 1,2,und 10
,sowie das Pfeiler
stück am Nordende,deren Grosse aus den oben dargelegten
Gründen abweicht,so sollten die übrigen eigentlich gleich gross
sein,d a für eine Verschiedenheit absolut kein Grund vorliegt ;
auch entsprechen die vorhandenen Verschiedenheiten keineswegs
den gleichfa lls vorhandenen Verschiedenheiten der Interco lumnienwir dürfen als o die Ungleichheiten getro st auf Rechnung ungenauer
Ausführung setzen und können immerhin versuchen zu finden,
welches d a s f estgesetzte Mass war,von welchem abgewichen
wurde . Die fragliche Strecke vom 3 . Pfeiler bis zum 9 . Lumen
beträgt 1 35 ' röm . 1 4 5 ’ 3 " o skisch . Die Lumina
haben alle etwas weniger a ls 1 3 ’ oskisch oder 1 2 ’röm . nur
einmal (9) wird diese Grosse erreicht die Pfeiler bald etwas
mehr,bald etwas weniger als 8 ' osk . 7 röm . Nehmen wi r
nun als o skisches N o rm a lma ss 8' für die Pfeiler
,1 3’ für die Ln
mina,so gaben 7 Pfeiler und 7 Lumina als o 1 ’ 9" mehr
als die auszufüllende Entfernung . Nun ist es sehr wohl mög
lich,dass man dies N o rma lma ss annahm
,mit der Absicht j edoch
alle Einzelm a sse etwas knapp zu nehmen,um die 1 ' 9 ” zu ge
winnen,dass dagegen in der Ausführung auch ein Pa ar Mal
j enes Mass überschritten wurd e : finden wir doch Ungenauigkeitenauch in den Distanzen der Säulen . Gerade s o möglich ist e s aber
auch,dass man mit einem römischen N o rma lma ss von 1 2 und
ebenso verfuhr,und wir werden wohl eingestehen müssen
,
dass die M a sse'
hie r keine Entscheidung geben .
De r V enu s tempe l. 1 1 1
Es mag hier hinzugefügt werd en,was uber die Masse der
Porticus zu sagen ist .Auf Grund von Messungen Breton ’s will Nissen nachweisen
,
dass diese Ma sse römisch sind,dass also die gegenwärtige Dis
positi on des Hofes aus römischer Zeit stamme . Die Area näm
lich,der unbedeckte Raum m it den Altären
,misst nach Breton
was genau 1 50 x 75 Fuss röm . entsprechen würde .
Ind ess s o genau trifft das doch nicht zu . Sorgfältige Messungam Rande des Styloba ts (wo offenbar auch Breton gemessen)ergab für die Ostseite für die Westseite für die
beiden kurzen Seiten genau übereinstimmend d . h . 1 5 1 '
7—8 " x röm . oder 1 63 ’ 1 81 ' 3 " o sk . Mithin haben
wir statt j enes genauen Zutreffens nur eine grössere Annäherung
an runde Zahlen bei Reduction auf römisches als bei der auf
o skisch es Mass,was doch auf keinen Fall hinreicht
,um die An
lage der Porti cus in römische Zeit herabzurücken,zumal dies
nach obigen Untersuchungen mindestens sehr unwahrscheinlich
ist . Die Masse der Südwand mit dem Haupteingang ergeben
kein Resultat : Thürwe ite : 1 1 ’ 7" 6 Mill. ) osk . 10'
9" röm . Dicke des ö s tl . Thürpfeilers (der westliche i st j üngeren
Ursprungs) : 2 ' 3" 6 Mill .) osk . 2 ' röm . Dickedes Pfeilers
,mit dem die Mauer nach 0 . abschliesst : 1 '
10" 5 Mill .) o sk 1 ' 8" 7 Mill .) röm .
Nach Nissen freilich haben wir noch ein weiteres Zeugnissfur die Erbauung der Porticus in rom ischer Zeit : die Errichtung
des grossen Altars,welche durch die Inschrift etwa in die Jahre
80—60 v . Chr . gesetzt wird,ist nach ihm unzertrennlich von einer
neuen Limitation der Area,diese wiederum vom Bau der P o rtiken .
Also stammen auch diese aus den Jahren 80— 60 v . Chr .
Ohne aber auf die Unzertrennlichkeit der Stiftung des Altarsund einer neuen Limitation einzugehen
,wird doch wohl be
zweifelt werden d urfen,dass diese letztere nothwendig mit einem
Neubau der Porticus verbunden sein musste : die C onseqnenz einersolchen Annahme würde sein
,dass bei einem von einer Porticus
umgebenen Tempel nie ein schadhafter,verfallener Hauptaltar
durch einen neuen hätte ersetzt werd en können,ohne zugleich
die Porticus einzureissen . Es wird a ber doch wohl möglich ge
wesen sein,die neue Limita tion auf eine einfa che Förmlichkeit
1 1 2 Capi te l IV
zu red uciren,der Art
,da ss s ie sich mit der alten deckte und
die Porti cus stehen bleiben konnte .
Noch einma l kommen wir auf die dorische Porticus zurück,
welche nach Nissen der gegenwärtigen dorisch-ionischen vorher
ging,und von der sich auf dem Stylobat noch die Spuren finden
soll en . Das von ihm aus der vermeintlichen Unverträglichkeit
der j etzigen Säulenstellung mit der P feilerreihe hergeleitete Argu
ment für die Existenz derselben'
i st oben schon beseitigt werd en .
Es ist aber zu bedauern,dass Nissen auf die Dispositi on j ener
älteren Porti cus,die j a doch aus den Spuren der Säulen sich
musste erschliessen lassen , gar nicht eingeht : es würd e ihm
dann nicht entgangen sein , dass auch sonst seine Annahmen auf
unüberwindliche Schwierigkeiten stossen . Nach ihm ist die j etzige
Porti cus im Jahre 1 0 v . Chr . erbaut,während die noch j etzt vor
liegende Limitation der Area,des unbedeckten Raumes
,gleich
zeitig sein muss mit der Weihung des grossen Altar’s (80— 60v . es kann mithin nur die V ertheilung der Säulen vor dem
Jahre 1 0 v . Chr . eine andere gewesen sein als j etzt : nach Nissen
s o,dass die Dachbalken auf Säulen und Pfeilern aufliegen
konnten ; der Styl obat musste auf der gleichen Stelle liegen .
Betrachten wir nun die auf dem Stylobat vorhandenen,von
Nissen auf eine frühere Säulenstellung bezogenen Spuren,so
finden wir dieselben mit einiger Sicherheit nur an den Lang
seiten stets in der Mitte der Interco lumnien ; das V erhältnis s
zu den Pfeilern wurde sich dabei so gestalten,dass abwechselnd
eine Saule einem Pfeiler und eine einem Lumen entsprochen
haben würde . Wir kommen j edoch in’s Gedränge,sobald wir
uns den Ecken nähern : hier ist j edesmal die letzte Spur der
früheren Säulenstel lung nur um ein halbes Interco lumnium von
der Ecke des Styloba ts entfernt : diese Ecke müsste also ent
weder an der Stelle j ener Säulenspur , oder noch ein halbes
Interco lumnium über die j etzige Ecke hinaus gelegen haben,
was nach Nissen nicht möglich i st . Also die Area müsste j edenfalls eine andere gewesen sein : wir müssten absehen von dem
,
was Nissen über die Verbindung der Limitati on derselben mitder Weihung des Altar’s sagt
,und
,indem wir uns auf ganz
anderen Boden stellten,annehmen
,dass bei der Umgestaltung
der Porti cus auch die Area um ein halbes Interco lumnium im
1 1 4 Capite l IV .
welchen ? das wird sich kaum feststellen lassen . Es sind ubrigens
nicht bei Bearbeitung des Steins stehen gelassene runde Erh öhungen , wie in der Porticus d es Isistemp els , sondern sie unter
scheiden sich von der übrigen Oberfläch e der Steine nur durch
eine andere Farbe,bedingt durch eine abweichende Entwickelung
der C ryp togam enfi o ra , die ihrerseits durch eine von früherem
Druck herrührende M o d ifica tio n der Oberfläche bewirkt sein wird .
Was nun einmal hier gestanden haben m ag , das wird wohl , wie
s o vieles,uns unbekannt bleiben ; selbst ein moderner Ursprung
dieser Flecken gehört kaum zu den Unmöglichkeiten : sollten nicht
irgendwann einmal Säulentrommeln,ehe sie aufeinander gesetzt
wurden,hier gestanden haben können? Wie aber dem auch sei
,
wenn wir keine genügende Erklärung finden,so berechtigt uns
das doch nicht,zu einer Annahme zu greifen
,welche aus den
oben dargelegten Gründen unstatthaft ist .
Am allerwenigsten aber durfte aus der runden Form j ener
Spuren geschl ossen werd en,dass die vermeintliche ältere Säulen
stellung eine dorische gewesen sei . Denn auch die j etzigen
p seud o io nischen Säulen stehen ohne V erm ittelung von Basen
auf dem Stylobat : die vorhandenen Basen bilden keine Unter
lage,sondern sind an den Fuss der Säule hinangemauert, ihrem
ganzen Charakter nach wohl erst bei der M o d ernisirung nach dem
Erdbeben von 63 . Wenn sie aber auch älter sein s ollten,s o üben sie
doch keinen nennenswerthen Druck auf die von ihnen bedecktenTheile und könnten kaum eine dauernde Spur auf dem Stylobat
hinterlassen . Ganz dasselbe wiederh olt sich häufig genug in
Privathäusern,z . B . VIII
,3,8 ( c a s a d e 1 c i n gh i a l e ) und VIII,
6,10 ; im letzteren Falle ist die nachträglich hinangeputzte Basis
rund. Also runde Säulenspuren gestatten durchaus keinen Schluss
auf dorische Ordnung .
Die Baugeschichte des V enustempels gestaltet sich also
wesentlich anders als bei Nissen . Folgendes sind die im vorher
gehenden festgestellten Ergebnisse .
1 . Der Tempel,die Porticus und die Sudmauer sind in der
j etzigen Gestalt in der s og . Tuffp erio d e , d . h . vermuthlich im
zweiten Jahrhundert v . Chr .,eher gegen das Ende desselben ,
erbaut und vermuthlich gleich damals im Stil der Basilica deco
De r Venustemp e l . 1 1 5
rirt w e rd en . Die innere Decorati on der Cella dürfen wir uns
ähnlich vorstellen , wie die des Tribunal , d ie Innenwände der
Porticus,und wohl auch die Aussenwand der Cella
,wie die des
Hauptraums der Basilica . Endlich für die Stra ssenwand,wo die
erhaltenen B este zu gering sind um ein Urthe il zu gestatten,
können wir mit grosser Wahrscheinli chkeit eine einfache Decoration voraussetzen
,gleich der
,welche die Vorhalle und die
Aussenseite der Ba silica zeigt : gelben Sockel,ro then Streifen
über demselben,im übrigen glatte weisse Wand . Für eine
zeitliche Trennung von Tempel,Porticus und Sudwand liegt
kein Grund vor : den Tempel weisen der Tuffablauf des Unter
baues,die Tuffba sen der Thürp fo sten ,
endlich seine Säulen,
welche denen der Po rticus durchaus ähnlich sind,der beze ich
neten Epoche zu ; ob hier früher ein älterer Tempel stand , dar
über wissen wir nichts . Sicher ist fern er,dass die Porticus nicht
j ünger sein kann a ls die Südmauer mit dem Haupteingang,da
j a die Lage des letzteren neben der Temp e laxe nur durch sie
ihre Erklärung findet . Wie damals der Tempelhof vom Forum
geschieden war,ob durch eine Mauer mit einem oder mehr Ein
gängen,ob die Porticus von zwei Säulenreihen gebildet wurde
oder endlich ob ähnliche Pfeiler wie später sch on damals vorhanden waren
,das lässt sich nicht feststellen .
2 . An dieser Seite wurden alsdann die Pfeiler erbaut,in
s o früher Zeit, dass auf den ersten derselben,zwei auf die Wahl
eines Quaestor bezügliche Programme gemalt werd en konnten
(OIL . IV,35 . Durch die Zwischenräume stieg man über
eine Stufe vom Forum in die Ternp elp o rticus ; j eder dieser Ein
gänge war zu beiden Seiten mit hölzernen Antepagmentis ver»
zier t ; dass sie auch verschliessbar waren,wi e Nissen S . 2 20f.
2 2 9 annimmt,ist nicht erweislich : die viereckigen Löcher in den
Stufen deuten eben nur auf Antepagmenta,nicht auf Thürange ln .
Wenn aber Thürflügel da waren , s o konnten die Angeln nur inder oberen Stufe angebracht sein
,welche nicht darauf hin unter
sucht werden kann ; denn wären sie in dem unteren Stein gewesen , s e ha tten die Thuren sich auf die F o rum sp o rticus geöffnet und dort die Passage gehindert . Waren s ie hingegen in
der oberen Stufe,s o konnten die Thürfiuge l na ch innen geöffnet
8*
1 1 0 Cap ite l IV .
und an die Seitenfla chen der Pfeiler angelehnt werd en,wo sie
wenigstens weit weniger unbequem waren .
3 . Später,um’s Jahr 1 0 v . Chr.
,wurden dann diese Ein
gange vermauert und nur der 7 . und 8 . von S . offen gelassen,
ausserd em eine schmalere Thur am Nordende,d er N o rd p o rticus
entsprechend.
4 . Endlich erfolgte nach dem Erdbeben von 63 n . Chr. dieletzte Erneuerung und M o d ernisirung ; gewi ss mi t Recht hat
Nissen eben dieser Zeit die Malereien der Porti cus zuge
schrieben .
Cap ite l V .
danach ursprünglich nicht nur ohne d omrelte Wande,sondern
auch ohne susmnd irten Fussboden gewesen sein , und zwar sollen
diese Einrichtungen allmählich entstanden sein . Zuerst,in sulla
nisch er Zeit , die Suspensi on des F rauenca ld arium s ; denn auf
diese wi rd,wenigstens vermuthrrngsweise , das l a c o n i c u m
fa c i un d . l o c a r u n t der bekannten Inschrift (C . I . L . I,1 2 5 1 )
bezogen . Wunderbarer Weise soll dann erst später,etwa
1 bis 30 n . Chr . die Suspension und Tubulation des Manner
caldariums erfolgt sein,endlich etwa 40 —60 n . Chr. die Sus
pension der beiden Tep id a rien und die Fütterung der Wände
derselben s o wie der des Frauenca lda rium s mit t e g u l a e m am
m a t a e . Erst nach dem Erdbeben von 63 erhielt das Männer
tepidarium einen a l v e u s ; zugleich wurde die Westseite der
ganzen Anlage umgebaut und die Eingänge geändert ; aus der
s elben Zeit stammt die j etzige Decoration .
Um über a l le s dies uns e in Urtheil zu bilden,wird es am
geeignetsten sein,da ss wir die Anlage durchwandern
,mit sorg
fältiger Beachtung alles dessen,was zur Bestimmung des Alters
der einzelnen Theile dienen kann,und aller Spuren na chträg
l i cher Veränderungen . Und zwar werd en wir am natürlichstend a beginnen
,wo Schone und Nissen die a ltes ten Theile finden
,
mit dem Gang (a ) vor den Einzelzellen (b) .Die aus Tuffquad ern bestehende Thür , durch welche wir
eintreten,weist mit aller nur möglichen Deutlichkeit auf eine
ganz bestimmte Zeit,die von Nissen s o genannte Tuffp erio d e .
Dass diese Periode zugleich die des ersten Deco ra tio nsstils ist,
kann eben hier ziemlich deutlich erkannt werden ; denn das
mit weis sem Stuck überzogene Zahnschnittge sim s über der Thür
entspricht genau demj enigen,welches sich fast regelmässig auf
Wänden dieses Stils findet.Wa s wir drinnen finden
,stimmt damit vollkommen ube rein
rechts und links haben wir unten s o rgfa ltiges Lava ince rtum ;
namentlich rechts,etwa s von der Thür entfernt
,ist deutlich
,
dass dies,in ziemlich gerader Linie end igend , bis h inauf
reicht . Gleich links sind einige Ka lksteinstücke eingemischt,
deren dem Ziegel si ch nähernde Form es wahrscheinlich macht,
da ss sie früher einmal in einem Fachwerkbau verwandt gewesen
sind . Weiter oben folgt a llerlei anderes Materia l,Kalkstein
,
Dre Stabiane r The rm en . 1 1 9
Oruma , Tufi°
,alles in g ro sseren Strrcken . Der Mortel
,in den
oberen und unteren Theilen identisch,i st von vo rzüglicher Qua
lität : er erscheint als eine weissliche,schwarz punktirte Ma sse ;
denn statt der P uzzo lanerd e i st schwarzer M eersand und Lava
brocken verwandt we rden . Die sorgfältigere Behandlung der
unteren Theile,sp eciell die Herstellung derselben aus Lava , i s t
bei Bauten der Tuffpe rio d e ungemein häufig. An den Thürender Badezellen wird das Incertum abgeschlo s sen durch Pfosten
aus mässig gro ssen Ka lks teinb löcken , die abwechselnd horizontal
und vertical gelegt sind : eine Constructionsa rt,wie sie an den
Pfeilern der Atrien aus der Tuffp erio d e ganz gewöhnlich ist . Ob
zwischen den Blöcken Mörtel li egt,und in wie starken Schichten
,
i st bei der grossen Aehnlichkeit desselben mit der untersten
Schicht des B ewurfs schwer zu erkennen,doch passen die Steine
nicht genau genug auf einander , um das Fehlen d es Mörtels
gla ublich erscheinen zu lassen . Aehnlich gebildet ist der Eck
pfeiler rechts,da wo sich der Gang nach rechts in rechtem
Winkel zur Palaestra wendet . Der linke Pfeiler der ersten Zelleist in seiner unteren Hälfte mit ziegelförm igen Tuffsteinen aus
gebessert . Von den beiden Thüren rechts i st die erste,zu dem
kleinen Zimmer (0) mit gemauertem Bett, nicht s o gebildet, s o n
dern das Incertum reicht ganz bis an die Thür . Bei der zweiten
(d) ist wegen der Stuckbekleidung nichts zu erkennen ; ebensolinks am Eingang d es Durchgangsraumes (8) zum Abtritt (f) .Ohne Pfosten aus Quadern ist auch die Thür der einzigen auf
der Ostseite des kurzen nach Süden gewandten Theils des Ganges
befindlichen Zelle . Der Gang war bis kurz vor den Zellen
horizontal überdeckt,von d a an gewo lbt . Die Wölbung beginnt
mit einem construirten Bogen aus Kalkstein in nicht allzu grossenStücken , mit reichlichem Mörtel . In der Wölbung sind weiterhin
vier nach oben sich verengende viereckige Oefi'
nm gen .
Die unterste Schicht des B ewurfs i st eine dem Mörtel a hnliche
,nur noch grobkö rnigere , steinharte Masse ; durch sie ist
eine ebene Fläche hergestellt we rden , der Art , dass die Vorder
fiäche etwas mehr vortretender Steine frei blieb ; an der Innenseite der Tuffpfeiler des Einganges hat m an diese Schicht gespart . Dann folgt eine feinere Schi ch t
,0 . stark
,mit
M e ersand , endlich die letzte aus feinem Ma rm o rs tuck , stark am
1 20 Cap ite l V .
rothen Sockel oben , wo sie weiss ist und weiter
ve rtritt am Hervortreten des oberen Theils gegen
den Sockel erkennen wir sofort den ersten Deco ra tionsstil . Er
halten ist diese Decorati on,d . h . die oberste Schicht
,an der
linken Wand bis zur ersten Zelle,in zerstörterem Zustande
zwi schen den beiden ersten Zellen . Doch sind auch di e unteren
Schichten s o charakteristi sch , dass sie mit Hülfe derselben noch
weiter verfolgt werden kann . Sie war also in dem ganzen Gang
vorhanden,auch auf der V o rd erfiäche der Wölbung ist sie deut
lich ; dagegen ist e s wohl zweifelhaft , ob der weisse Stuck des
Gew o lbes selbst dazu gehört . An der rechten Wand,oberhalb
d es Lava incertum s,ist diese Decoration irgendwann einmal zer
stört word en,und zwar auch die unteren Schichten : nur Reste
derselben finden sich unter einer groben M örte lschicht,die wohl
einer späteren Decoration als Grundlage diente . Sicher waren
ferner die Zellen s o d eco rirt : der Stuck des Ganges,dessen Zu
gehörigkeit zu dieser Decoration ausser Zweifel ist , erstreckt
sich in die zweite Zelle ; in den folgenden sind die unteren
Schichten mit hinlänglicher Sicherheit zu erkennen ; in der ersten
ist nach Abfall der obersten Schicht die zweite roh weiss an
gestrichen . Im Abtritt und dem Vorraum desselben ist durch
den j üngeren Stuck j ede Spur älterer Decoration verdeckt . In
der Zelle (9) ö stlich des der Palaestra zunächst liegenden Theilsdes Ganges sind Reste der alten Decorati on der untersten
Schicht nur auf der Rückwand erhalten : es ist wohl möglich,
dass die Vord erwand,mit der Thür ohne Ka lksteinpfo sten , j ün
geren Ursprunges,d . h . diese Zelle erst später vom Gange ab
getrennt word en ist . Jungeren Ursprunges sind wohl auch diebeiden Räume rechts (0 , d ) : an den Thüren ist keine Spur alter
Decorati on ; die erste (0) wa r anfangs mit Ziegelstuck verkleidet
und erhielt später,nach theilweiser Zers to rung desselben , einen
anderen groben Bewurf bei der zweiten (d) i st alles mit modernem Stuck bedeckt . Werfen wir ferner einen Blick in diese
Räume selbst,so finden
'
wir sofort,dass ihre sämm tlichen an
deren Mauern j ünger sind als die,welche s ie vom Gange trennt
,
gemacht als diese letztere schon Stuck hatte : namentlich imersten Raum ist die ältere Stuckbekle idung , alter als die im
1 2 2 Caprtel V .
Sockel von Wänden,die im Uebrigen mit Marmorstück bekleidet
sind,ohne dass daraus irgendwie eine zeitliche Verschiedenhei t
abgeleitet werden könnte . Von dem V erhältnis s des in den Zellen
erhaltenen Stucks zu dem des Ganges war schon oben die Rede :es kann als sicher gelten
,dass derselbe nichts and eres ist
,als
die grobe Unterlage der im Gange erhaltenen Decorati on ersten
Stils . In der zweiten Zelle i st die niedrige Mauer,durch welche
di e Wanne gebildet wird,gebaut werd en
,a ls die Wand der Zelle
wohl diesen groben S tucküberzug erhalten hatte , noch ni cht aber
den obersten und feinsten .
Dass der Vorraum (e) der Latrina (f) aus einer funften Zellezurecht gemacht sei
,indem man ihre vordere und hintere Wand
einriss,scheint mir ganz unerweislich . Das „Fehlen der üblichen
Eckenverkleidung durch Quadern“ kann eben so gut a uch durch
eine blosse Erweiterung der Thuren veranlasst werd en sein . Auch
weiss ich nicht,welche Umstände es sind
,die nach Nissen
(S . 1 4 8) darauf hindeuten , dass die Zellen ursprünglich sich bis
an die Rückwand des Apodyteriums der Frauen fortsetzten,s o
dass ihrer sieben gewesen wären.
Der parallele Gang h, welcher weiter no rd lich von Westen
ins F rauenap o dyterium i fuhrt,ist ganz ähnlich . In der Bauart
ist der Unterschied,dass in der rechten Wand , um die Mitte ,
a uch unten Kalkstein in ziemlich gro ssen Stücken verwandt ist .
Am Durchgang zum Apodyterium finden wir Ka lks teinpfo s ten .
Die Ecke rechts am Gange ist mit ganz unregelmässigen Ziegelstücken nachträglich zurecht gemacht we rd en . Die Deco
ra ti on es fehlt der rothe Sockel : die Wand ist weiss bis ganz
unten ist viel mehr erhalten,theilweise aber mit Ziege lstuck
ausgebessert,welcher gleich im Anfang einen ziemlich hohen
Sockel bildet . Der Fussb oden besteht im Anfang aus quadra
tischen B o d enziegeln , weiterhin aus e p u s s p i c a t um ,im letzten
Stück aus rautenförmigen,durch M o sa ikstreifen getrennten Zie
geln ,übereinstimmend mit dem Fussboden d es Apodyteriums .
In der e igenthüm lichen ,“
schrägen,gerade in die Ecke des Apo
dyterium s mündenden Thür ist der Boden mit zwei Reihen länglicher
,gerade in der Richtung des Durchganges liegender Lava
pla tten belegt . Denselben Stein finden wi r in einem Theil des
Apodyteriums .
Die Sta bi aner Thermen . 1 9 3_J
Treten wir nun in dieses ein,
s o ko nnen wir zu dem vo n
Schone beobachteten noch einiges hinzufügen . Die N ischenre ihewar ursprünglich auch hier
,wie in den Tep ida rien und Ca lda rien ,
eine doppelte. Von der unteren ist nur ein kleiner Theil in der
Südwand über der Wanne k erhalten,doch ist sie längs der ganzen
Südwand deutlich zu erkennen an der verschiedenen Färbung,
die der Stuck angenommen hat,j e nachdem er über den ehe
m a ligen Nischen oder den sie trennenden Steinen liegt . Und in
derselben Weise erkennen wir,dass auch die obere N ischenreihe
ursprünglich auf der ganzen Sud seite,auch über der Wanne
,wo
s ie später ausgefüllt werd en ist,und ebenso auch auf der West
s eite vorhanden war.Es geht schon hieraus hervor
,dass die Wanne spa ter in das
Apodyterium hineingebaut we rden ist : wäre s ie von Anfang an
beabsichtigt gewesen,so hätte man hier gleich die Nischen fort
gelassen und nich t no th ig gehabt , sie später auszufüllen . Die
Ostmauer der Wanne endet gerade in einer der unteren Nischen :
diese wenigstens würd e man ausgelassen haben,wenn die Wanne
im ursprünglichen Plan gelegen hätte . Ihr späterer Ursprung
wird bestätigt durch die Bauart s ie besteht aus Ziegeln
sowie dadurch,dass das Paviment rings rrm in unregelmässiger
Linie abbricht,also wohl nachträglich gebrochen we rd en i st .
Vom Fussboden war schon oben die Rede . Die rautenfo r
m igen ,durch M o sa ikstreifen getrennten Ziegel haben eine Art
Glasur von grosser Härte ; die ganze Arbeit ist von a usserster
Sorgfa lt und So lidita t und stammt sicher auch aus der sorgfältig
arbeitenden Tuffp erio d e . Doch war niemals der ganze Fussboden
in dieser Weise behandelt ; an der Ostwand entlang ist ein c .breiter Streifen
,als Verbindung zwischen der Nordost und Süd
o stthür,m it eben solchen Steinen belegt
,wie wir sie im Nord
westeingang gefunden haben . Jetz t berührt sich dieser Streifennur an seinem Südende mit j enem Ziegelfussbo d en ; im übrigenschiebt sich dazwischen ein Stück späten rohen P avim ents
,
welches nach Art des o p u s S i g n i n um ,nur mit Verwendung von
Lavabrocken statt der zerstampften Ziegel hergestellt i st und
sich auch am grössten Theil der Nordwand entlang zieht .
Aus Lava besteht auch die Schwelle des Einganges von der
Stabiane rstra sse (l) , und mit eben solchen Lava p la tten ward
1 2 4 Cap ite l V .
der Durchgang zum Tepidarium m gepfla stert zu einer Zeit , wo
er eine von der j etzigen abweichende Form hatte . Der j etzigeDurchgang
,der schon durch die Ziege lverkleidung der Pfosten
als j üngeren Urwrunge s kenntlich is t , steht senkrech t auf den
Langseiten beider Räume und. ist (reichlich röm .) breit,während der frühere schräg durch die Mauer ging
,genau wie
der N o rdwe steingang des Apodyteriums ; seine Breite betrug etwaoderetwas mehr
,vielleicht 3 ' o sk . Damals konnten
die hier fortlaufenden Steine des N ischenfriese s zugleich als Ar
chitrav dienen ; bei der Umgestaltung aber kam eine Sto ssfugeim Apodyterium am Westende
,im Tepidarium am Ostende über
die Thür ; man hielt es daher für n o thig einen horizontalen Bogen
aus Ziegeln darunter zu spannen . Dass die Pfosten auch hier
ursprünglich aus Kalksteinquadern bestanden,wie an dem er
wähnten N o rdwes teingang , dürfen wir wohl nicht bezweifeln . Wie
es in dieser Beziehung mit dem N o rd o steingang (l) steht , deroffenbar seine alte Form bewahrt hat
,i st bei der vollkommen er
ha ltenen Stuckbekleidung nich t zu erkennen . Hingegen hat die
nach Süden in einen an die Palaestra anstossenden Raum (n)führende Thür
,wie keine Ka lksteinpfo sten ,
s o auch keine
Schwelle : die Fundamente liegen hier einfach zu Tage,zum
Thei l höher al s der Fussboden : eine offenbare Bestätigung für
Schöne’s Annahme,dass diese Thür späteren Ursprunges ist .
Diese Annahm e wird aber zu völliger Gewissheit erst durch die
Beobachtung,dass die Rückwand einer der beiden durch die
Anla ge der Thür zerstörten Nischen der zur Rechten noch
vollkommen deutlich erkennbar ist : sie ist mit einer 0.
starken,mit M eersand zubereiteten Stuckschicht bedeckt . Das
Fenster in der westlichen Lünette hat keine Pfosten : es is t
entweder erst später hergestellt,oder doch nachträglich erweitert
we rd en.
Eine junge Decoration bedeckt die Wande bis zu dem uber
den Nischen sich hinziehenden Gesims ; unter ihr kommen Reste
der alten Decoration zumVorschein . Das die beiden Nischen
reihen trennende Gesims besteht aus Kalkstein ; die sorgfältige
P ro fi lirung i st nur in der denselben bedeckenden dicken Stuckschicht ausgeführt. Dagegen ist das Profi l des oberen , aus Tuff
bestehenden Gesim ses aus dem Stein selbst hergestellt, und nur
1 2 0 Capite l V .
B ewurfs,aber nur bis zur Hohe von c . Dann folgt augen
s ch einlich j üngeres Mauerwerk . Zunächst eine sechsfache Zie
gelschicht . Darauf in der Mitte ein viereckiges Fenster mit
Pfosten von Ziegeln,ziegelförm igen Kalk und einzelnen Tuff
steinen,welches aber nicht in ganzer Höhe erhalten und später
wi eder zugesetzt we rd en i st . Darauf ist endlich ein höher lie
gend es und breiteres Fenster gemacht we rd en . Wir unterscheiden
also an dieser Wand deutlich drei Peri oden : nur die untersten
Theile gehören der Tuffp erio d e und der Zeit d es erstenDeco ra tio ns stils an . Die Posteri orität der zweiten Periode auchdem Bewurf der unteren Theile gegenuber ist vollkommen deut
lich,da ihr Mörtel über denselben gestri chen ist ; das Zusammen
treffen des Mauerwerks der zweiten und dritten Periode i st wegen
des erhaltenen Stucks nicht recht zu erkennen .
Wir consta tiren zugleich,ebenfalls von aussen
,dass an der
anstossenden Westwand des Caldariums (0) genau derselbe Vor
gang wahrnehmbar ist,nur i st hier der Rest des ältesten Mauer
werks um niedriger .
Dasselbe alte Mauerwerk zeigt ferner,von aussen (p ) be
trachtet,die Ostmauer des Tepidariums
,wenigstens bis zur Höhe
d es Ansatzes der Wo lbung ; ebenso die vom Laden No . 1 6 (q)aus sichtbare Nordmauer . Diese setzt sich na ch Osten über die
Nordostecke hinaus fort,als Trennungsm auer zwischen p und q .
An der Thür zwischen diesen beiden Räumen endigt sie in einen
Ziegelpfo s ten , doch ist deutlich genug zu erkennen , dass derselbeerst nachträglich angesetzt werd en is t. De r andere Pfosten der
selben Thür besteht aus abwechselnd horizontal und. verti cal
gelegten Ka lksteinblö cken,genau wi e bei den Thüren der Einzel
zellen : es kann keinem Zweifel unterliegen , dass ursprünglich
beide Pfosten so beschaffen waren,und dass wi r uns immer
noch in dem gleichen Bau aus der Tuffp erio de befinden .
Dagegen zeigt die Ostmauer des Caldariums einen ganz an
deren Charakter : hier i st viel Tuff verwandt,der Mörtel ist
weit geringer,die Mauer voller Risse , was bei den alten Mauern
nicht der Fall ist ; endli ch , um dies vorweg zu nehmen , sind aufder Innenseite derselben die bekannten N ischenreihen nie vorhanden gewesen . Offenbar haben wir hier mit einer späteren Re
staura tion zu thun . Die Verschiedenheit von dem alten Mauer
D ie Stabianer Thermen . 1 2 7
werk ist beso nders deutlich am Ostende der Nordmauer,si chtbar
von p aus : man sieht hier ganz klar, wie die mit der Ostmauer zusamm enhängend e Ziegelecke nachträglich an die alte Nordmauerangesetzt is t
,und nichts kann deutlicher sein als das Zusammen
treffen des älteren und j üngeren Mörtels . An der Südecke verbietet die modern e V erputzn dies zu co nsta tiren ; da aber die
ganze Mauer,samm t der südlichen Ziegelecke , mit der als
zweifellos jung erkannten Nordecke untrennbar zusammenhängt,
s o kommt darauf wenig an,und es steht hinlänglich fest
,dass
wir für die alten Theile keine Ziegele cken zu co nsta tiren haben .
Das der Ecke zunächst liegende Stück der Südmauer gehört
noch zu den jungen Theilen : es sieht eben so aus und hat die
selben Risse . Im übrigen ist die nur in geringer Hohe erhaltene
Südmauer alt,wenn auch vielleicht stellenweise ausgebessert :
die bekannten Nischen zeugen dafür. Es mag gleich hier erwähnt werden
,dass aus demselben Grunde an dem Alter der
Trennungsmauer zwischen Tepidarium und Caldarium nicht gezweifelt werd en kann .
Treten wir nun nach dieser äusseren Besichtigung der
Schwitzräum e zunächst in das Tepidarium (m) , so ergänzen sichunsere bi sherigen Wahrn ehmungen glücklich mit dem
,was von
innen beobachtet werden kann . Denn auf der Westwand ist
von innen der Stuck und die Tubula tion vollstandig erhalten,
während auf den drei übrigen Wänden der von Schöne entdeckte
doppelte N isch enfries deutlich zu erkennen ist : dass er auch auf
der Westseite war,kann bei dem von aussen consta tirten Alter
der Mauer nicht bezweifelt werden . Die übrigen von innen
wahrnehmbaren Veränderungen sind von Schöne nur theilweise
berichtet werd en .
Die Tubulation wurd e anfangs nur bis an den Ansatz der
Wo lbung gemacht, erst in einer Späteren Periode auf die Lünetten
und die Wölbung ausgedehnt . Es geht dies aus Folgendemhervor . Ehe Wölbung und Lünette tubulirt wurden
,war erstere
mit glat tem weissen Stuck bedeckt,letztere hatte an ihrem g e
krümmten Rande ein aus einem Eierstab und zwei Rundstäbenbestehendes Gesims ; beides Wa r gleichzeitig : man sieht, da ss derStuck der Lünette an den der Wölbung hinangestrichen wurde ,als dieser noch fri sch war . Diese Decoration konnte einersei ts
1 2 8 Capi te l V .
selbstverständlich nur gemacht werd en , ehe man daran dachte ,Wölbung und Lünette zu tubuliren
,s ie kann aber andererseits
auch nicht einer ganz alten Periode,vor der Tubulati on der
Wände,angehören . Denn erstens verbietet sowohl di e Beschaffen
hei t des S tucks als die Form des Gesim ses der Eierstab
auf das bestimmteste,an eine Decorati on ersten Stils zu denken
,
deren Reste wir im Apodyterium an den entsprechenden Stellen
fanden . Zweitens wurden die Wände zum Zweck der Tubulati on
nach Abhauung der Gesimse und Ausfüllung der Nischen zu
nächst mit Ziegelstuck überz ogen . Nun aber la sst sich nament
l ich auf der Südwand mit Bestimmtheit consta tiren,dass der
weisse Stuck der Wölbung über diesen Ziegelstuck gestri chen ,also j ünger i st . Es folgt daraus
,dass man bei der Tubulati on
der unteren Wande,oder gar noch später
,der Wölbung und.
den Lünetten eine Decorati on gab,welche selbstverständli ch
sichtbar bleiben sollte .
Dass dieselbe nicht den Anfangen des Baues angehört,er
giebt sich übrigens noch aus einem anderen Umstände. In der
östlichen Lünette war ursprünglich ein rundes,nach aussen sich
verengendes Fensterchen : später ist e s zugesetzt we rd en ,und
die V ermauerung wird von dem fraglichen Stuck bedeckt .
Dass j edoch dieser ein gewisses Alter hat,folgt theils aus
der Einfachheit desselben man vergleiche z . B . den Lünetten
schmuck im Caldarium und im Männerbad theils daraus,dass
er auf der Westmauer nur die alten Theile bedeckt . Wo das
alte Mauerwerk aufhört,genau da bricht auch die Decoration in
gerader Linie ab : weiter oben folgt ein roher Bewurf,wie es
scheint Ziegelstuck ,welcher nur der Tubulation als Grundlage
dienen sollte . Es ist mithin der zweimalige Umbau der West
wand die Oeffnung eines Fensters, und die Schliessung des
selben um ein anderes,höher gelegenes
,zu öffn en j ünger als
die fragliche Decorati on mit dem Eierstabgesim se .
Andererseits i st die Tubulation der Decke und Lunette nicht
j unger als der erste Umbau der Westwand . Denn wenn damals
die Lünette noch frei geblieben wäre,so hätte sie eine Deco
rati on erhalten müssen,und dieser ha tten die Reste der alten
Decoration,namentlich das Gesims mit dem Eierstab
,weichen
müssen : dasselbe konnte nur bleiben weil die ganze Wand s o
1 30 Cap ite l V .
in Verbindung mit the ilwe iser M a rm o rbekleidung , kann gleich
zei tig sein mit der Ausdehnung der Tubula ti on auf Wo lbung
und Lunetten . Doch haben wir gesehen,dass auch spa ter noch
bedeutende Veränderungen sta ttgefunden haben : e s i st mindestens
eben s o möglich,dass mit dem zweiten Umbau der Westwand
und der Anla ge des gro s seren Fensters eine N eud e eo rirung des
ganzen Raumes verbunden wa r .
Es ergieb t sich uns a ls o folgende Geschichte dieses Raumes1 . Ursprünglicher Bau in der Tuffp erio d e , mit doppelter
N ischenreihe .
2 . a . Aend erung und Erweiterung des Einganges aus dem
Apodyterium : Ziege lpfo sten . Tubula ti on des unteren
The ils .
b. N eud eeo rirung derWo lbung und Lune tten : Schliessung
des kleinen Fensters nach Osten .
3 . Neuba u der Westwand mit einem brei ten,ganz
innerhalb der Lünette liegenden Fenster . Tubulation
der Lünetten und der Wölbung .
a . Zweiter Umba u der Westwand,mit einem brei
ten,oben über die Lünette hinausreichenden Fenster .
b. N eud eeo rirung mit theilweiser M a rm o rbekleidung .
Hierbei ist zu bemerken,dass die mit a
,b bezeichn eten’
und unter einer Nummer zusammengefa ssten Vorgänge nur ver
muthungsweise als gleichzeitig bezeichnet werden konnen : wollte
j emand 4 0 lieber zu 3 ziehen,s o könnte dem nicht mit Bestimmt
heit widersprochen werden ; kann möglicherweise etwas später,
nicht früher,a ls 2 a stattgefunden haben .
Im Caldarium (0) sind die Nischen nur auf der Sud se ite zu
consta tiren . Dass sie in der Nordma uer wo sie im Tepidarium
sichtbar sind und in der von a ussen als alt kenntlichen,von
innen ganz durch die Tubulati on bedeckten Westmauer nicht
fehlen,dürfen wir wohl annehmen . Dagegen fehlen sie in der
,
wie wir sa hen, j ungeren Ostmauer .
Decorati on und Tubulati on waren zur Zeit der Verschüttung
von der des Tepidariums nicht verschieden . Die Tubulation um
fasst D ecke und Lünetten ; sie ist mit t e g u l a e m a m m a t a e
hergestel lt ; der an der Thur übrig bleibende Streifen is t mitrechtwinkligen Thonröhren
,die Wölbung mit länglichen Ziegeln
,
Die Stab ianer Therm en . 1 3 1
die an j eder Ecke einen Vorsprung haben,belegt. Das Fenster
na ch Westen reicht auch hier über die Wölbung hinaus . Die
Decora ti on setzt auch hier M a rm o rbekleid ung an den Thurenund am Boden entlang voraus ; ganz gleichartig i st auch die
M a rm o rb ekle idung der Wanne : es ist sch on daraus klar,dass
diese Decorati on der des Tepida riums gleichzeitig ist ; eineandere
,gleich nach der Tubulati on angelegte
,muss ihr voraus
gegangen sein .
Ein Unterschied vom Tepidarium ist der,dass hier a n der
Wo lbung und den Lünetten unter den t e g u l a e m a mm a t a e
nicht eine ältere Decoration,sondern derselbe Ziege lstuck zum
Vorschein kommt,welcher unten
,an den Wänden , der Tubulation
a ls“
Grundlage dient . Es ist a ls o eine nahe liegende Verm uthung ,
dass di e Tubula ti on hier nicht gleichzeitig ist m it der der ent
sprechenden Theile im Tepidarium denn dann wurde m andoch wahrscheinlich in beiden Räumen auf gleiche Art verfa hren
sein sondern da ss m an s ie gleich anfangs,um gro s sere Hitze
zu erzielen,auf Lünetten und Wölbung ausdehnte .
Im U ebrigen wird die Geschichte dieses Raumes von der
des Tepidariums nicht verschieden sein ; nur kommt hinzu der
Neuba u der Ostwand. Derselbe ging der Tubulation voraus,
deren Ziege lstuckunte rlage gleichmässig alte und jüngere Mauer
theile bedeckt,womit e s stimmt , da ss die Ecken , wie die Pfosten
der ebenfa lls vor der Tubula tion umgebauten Thür zwischen
Ap odyterium und Tepidarium,aus Ziegeln bestehen .
Die Heizeinrichtungen (r ) , aus Ziegeln erbaut , sind in ihrerj etzigen Gestalt augenscheinlich nicht sehr alt ; dass sie aber auch
früher eben hier ihren Platz hatten,kann nicht bezweifelt wer
den,da die Disposition der ganzen Anlage darauf begründet ist.
Wenden wir uns nun zu der den M annern bestimmten Abtheilung des Bades , so haben wir zuna chst auch hier , wo nicht
spätere Veränderungen sta ttgefunden haben,dasselbe a lte Mauer
werk zu c onsta tiren : Lava incertum mit dem oben beschriebenen
treffli chen Mörtel . Thürpfo sten aus Kalkstein sind in diesem
Theil nicht erha lten,wohl aber etwas ihnen analoges . In der
Nordwand nämlich des Caldariums (8) befindet sich auf der Aussensei te , da wo die s c h o l a l a b r i beginnt , eine später a usgefüllte
9%
1 32 Cap ite l V .
gewölbte Nische dass es nicht etwa eine Thur i st,kann an
der nach innen sich verengenden Wölbung deutli ch erkannt
werd en deren Pfosten aus a bwechselnd h ori zontal und vertica l gelegten Kalksteinqua dern gan z in der bekannten Art
hergestell t sind . Wir werden demnach ni cht zweifeln,dass wir
un s immer noch in demselben aus der Tufl"
zeit stammenden Bau
befinden,und wenn wir an der Thür zwischen Apodyterium (u)
und Tepidarium (t) Ziegelpfo sten finden,s o werd en wir diese
ohne Bedenken einer später vorgenommenen Veränderung zu
schreiben,wie vvir sie j a an der entsprechenden Thur des Frauen
bades mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit consta tiren
konnten .
Späteren Restaurationen verd anken j edenfalls die Ostwand edes Ca ldariums und Tepidariums ihre Entstehung . Die Nordost
ecke des Caldariums (s) i st a us Ziegeln , ebenso ein Entla stungsbogen am Südende der Ostmauer und das Mauerwerk über wi e
unter demselben : nach den im Frauenca lda rium gemachten Er
fahrungen werden wir nicht bedenklich sein , dies als Beweis
geringerenAlters anzunehmen . Die Ostwand d es Tepidariums (t)ist sch on dadurch verdächtig
,dass sie keinen N ischenfries hat
,
während er in der entsprechenden Wand des Frauentepida rium scon sta tirt werden kann . Die Nordostecke besteht aus z iegel
förmigem Tuff,eine den alten Theilen fremde C onstructionsart ;
auch das Incertum zeigt einen durchaus abweichenden Charakter,
namentlich viel schlechteren Mörtel . Die Ostwand des Apody
terium s kann bei der vollkommenen Erhaltung des Stucks ni cht
untersucht werden ; die Ziege lp fo sten der Thür können j unger
sein als die Mauer selbst . Ohne Zweifel sind alle diese Um
bauten auf der Ostseite der Anlage,auch die der Heizvorri chtungen
und der Mauer gegen di e Stabianer Strasse,zu gleicher Zeit
und aus einer gemeinsamen Ursache vorgenommen w erd en . Die
Zei t derselben konnten wir bei der Betrachtung des Frauen
caldarium s dahin bestimmen,dass sie von der Tubulati on voraus
gesetzt werd en . Wir werd en sehen,dass dem a uch im Männer
bade nichts widerspricht .Ueber das Innere des Tepidariums und Caldariums und die
dort zu cons ta tirend en Veränderungen hat Nissen S . 1 4 4 ff. be
sonders ausführlich gehandelt : doch bedürfen seine Ausführungen
1 34 Capite l V .
die Wahrscheinlichkeit,mindestens die M üglichkeit einer eben
damals erfolgten vollständigen Erneuerung d es oberen P avim entsund der dasselbe stützenden P feilerchen nicht in Abrede gestellt
werden können . Es würde danach die uns vorliegende Suspensur
d es Calda riums einer nicht genau bestimmbaren , j edenfalls aber
ziemlich spaten Epoche angehören . Wenn dem gegenüber bei
Nissen (S . 1 5 3) bemerkt wird ,dass in dem Fehlen der Stuck
bekleidung der P feilerchen sich eine ältere wei l unvollkommenere
Technik zeige,und daraus im Verein mit dem verschiedenen
Charakter d es unteren Bodens längliche,aus Dachziegeln
zurechtgemachte Platten,während im Tepidarium die gewöhn
li chen quadratischen B o d enziegel verwandt sind auf höheres
Alter der Susp ensur des Caldariums im Vergleich mit der des
Tepidariums geschlossen wird,s o i st darauf erstens zu bemerken
,
dass durch diese Art von Argumenten wohl Resultate,die aus
anderen Gründen schon einigermassen feststehen,noch weiter be
stätigt werd en konnen , dass aber sie allein keine Beweiskraft
haben,am wenigsten wo aus entscheidenderen Tha tsa chen sich
andere Resultate ergeben . Das Fehlen der Stuckbekleidungkann mindestens eben s o gut auf die geringere Sorgfalt einer
späteren Epoche vielleicht nach d em E rdbeben wie aufdie minder entwickelte Technik einer älteren Zeit zuruckgeführtwerden . Das andere Argument aber die Verschi edenheit der
Ziegelplatten beweist do ch hö chstens di e Exi stenz irgend
einer Susp ensur , nicht die der noch j etzt erhaltenen , ineiner der Susp ensur des Tepidariums vo raus liegend en Epoche.Im Gegentheil , wenn es in diesem Sinne beweisend is t
,so
beweist e s auch,dass das erhaltene obere Paviment
,und
damit auch doch wohl die P feilerchen,dieser älteren Zeit nicht
angehören können ; denn das obere Paviment ruht genau auf den
selben B o d enziegeln , welche den unteren und oberen Boden desTepidariums bi lden . Und in der That werden wir vielleicht s oschliessen d urfen . Denn stammt die j etzt vorliegende Susp ensuraus so j unger Zeit
,i st sie j ünger als di e Tubulation der Wände
,
so ging ihr selbstverständlich eine ältere vorher : tubulirte Wände
sind nicht denkbar ohne Susp en sur , diese i st mindestens 80 altwie j ene .
Eine andere Frage ist die,ob auch vor Anlage der Tubu
Die Stab ianer Thermen . 1 35
lation,zur Zeit der N ischenfriese
,der Boden susp end irt gewesen
sei . Nissen (S . 1 4 6) leugnet es auf Grund folgender Argum en
ta tion : Es ist ein Stück Tuffgesim s als Fundament für d ieWa nne (nämlich das Labrum am Westende d es Caldariums)„benutzt werden . Dasselbe kann nicht weit hergeholt sein , s ondern rührt aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Gesims her ,das ursprünglich den N ischenfries krönte . Daraus ergiebt sich
aber d es Weiteren mit Wahrscheinlichkeit,dass das Caldarium
anfänglich auch keinen Doppelboden besass,denn die kleinen
Zieg elpfe iler, die denselben tragen , mussen ihrer Anord nung nach
zu derselben Zeit wie die Wanne mit ihrem Fusse errichtet
werd en sein .
“
Die Schwa che d ieser B eweisfuhrung geht sch on aus dem
oben gesagten hervor . Gesetzt wirklich,d a s Labrum se i
,wie
Nissen aus j enem Gesim s stück schliesst,erst gleichzeitig mit der
Zerstörung des N ischenfrieses und der Tubulirung der Wände
gebaut we rd en,so folgt doch aus der Anordnung der P feilerchen
um da sselbe nur,dass eben diese j etzigen Pfeiler und d a s auf
ihnen ruhende Paviment nicht einer älteren Zeit angehören kann ;denn dass es noch j ünger sei
,dem steht auch nach Nissen nichts
entgegen . Ist aber unsere obige V ermuthung richtig , so ging
dem j etzigen susp end irten Fussboden ohne a l len Zweifel ein ähnlicher vorauf
,der sehr wohl auch älter sein konnte als d a s
Labrum und als die von Nissen mit demselben in Verbindung
gebrachte Zerstörung des N isch enfriese s .
Ferner aber ist j enes Gesim s stück mit Unrecht benutztw erd en
,um die Erbauung des Labrums mit der Zerstörung des
N ischenfrie ses,und fo lgewe ise mit der Anlage der Tubulation
in Verbindung zu bringen . Erstli ch liegt es keineswegs in d en
Fundamenten sondern oberhalb d es Fussbodens , könnte alsoa uch einer späteren Umgestaltung d es Labrums
Zweitens ist es durchaus nicht erwiesen,vielmehr recht unwahr
sch einlich,dass es j enem N ischenfrie s angehört hat . Von dem
über den Nischen sich hinziehenden Gesims wurden,wie deut
lich sichtbar , nur die vorstehenden Theile abgeschlagen und zurAusfüllung der Nischen benutzt
,nicht aber die Steine aus der
1
) D ies bemerkt au ch A . Ho lm in B rns ian’s Jahresber . S . 2 5 7 .
1 36 Capitel V .
Mauer gerissen : hier aber haben wir einen vo llstand igen c.
tiefen Stein,der vom in ein Gesims endigt. Es fällt mithin
j eder Bewei s für die Gleichzeitigkeit des Labrums mit der Aus
füllung der Nischen und. der Tubulati on . Es sind aber nicht nur
die vermeintlichen Gründe gegen ein höheres Alter der Suspen
sur als der Tubulation hinfällig , sondern es lasst sich auch der
positive Beweis für dasselbe führen .
Zum Zweck der Tubulati on wurde die Wand zuerst mit
einem durch eine Beimischung von Ziegelstaub gelblich gefärbten
Stuck überzogen,dann die Röhren gelegt und über diese die
sichtbar bleibende Stuckbekleidung . Wäre nun damals die
Susp ensur gemacht we rd en , so könnte auch die nur dieser dienende
Vertiefung des Bodens nicht älter sein,und wir würden ohne
Zweifel die Wande,bis auf den untersten Boden
,gleichmässig
mit j enem selben Ziege lstuck überzogen sehen . Statt dessen aber
finden wir unterhalb d e s oberen Fussbodens einen anderen und.
dies kann nicht zweifelhaft sein älteren Ziegelstuck : nicht
nur sein Aussehen beweist für h oheres Alter,sondern man
sieht auch an versch iedenen Stellen deutlich,dass da
,wo die
beiden Stuckbekleidungen zusammenstossen , die untere gebrochen
war,die obere aber an sie hinan gestrichen wurd e . Also : ent
weder war,als der N ischenfries zerstört und die Wande tubulirt
wurden,ein susp end irter Fussboden sch on vorhanden , oder j ener
obere Ziegelstuck samm t den Röhren is t nicht der damals gemachte
,s ondern gehört einer späteren Erneuerung an . Für
letztere Annahme aber ist durchaus kein Anhalt vorhanden ; am
wenigsten darf sie mit der von uns vermuthungsweise ange
n omm enen Erneuerung des Fussbodens bei der Herstel lung der
grossen Wanne in Verbindung gebracht werd en : dass damals
die vorhandene Tubulati on blieb und th eilwe ise beschädigt wurde,
i st schon oben bemerkt we rd en . Uebrigens würden,bei dem
Zustand dieser Wände,von einem älteren Stuck sicher Reste
,
sichtbar sein .
Als o ein susp end irter Fussboden bestand sch on zur Zei t desN ischenfrie ses ; der j etzige ist vielleicht der grossen Wanne amOstende gleichaltrig .
Das Labrum hat a uf der Aussenseite unter dem Fussboden
den älteren Stuck,und es ist kein Grund vorhanden
,es für
1 38 Capitel V
annehmen wollen,dass der durch diesen alten Ziege lstuck ropra
sen tirten Susp ensur , welche älter ist a ls die Tubulati on der
Wände,doch noch eine ältere vorherging eine Annahme
,die
nicht eben wahrscheinlich is t,wenn gleich ein Gegenbeweis be
g re iflicherweise sich nicht führen la sst s o bleibt nur übrig,
dass dieser Zusatz j unger a ls der urs prü ngliche Bau,wa hrend
er do ch die Vertiefung d es Bodens,mithin eine Susp ensur oder
die Absicht,eine solche anzulegen
,voraussetzt gleichzeitig ist
mi t der ersten Anlage der Susp ensur , woraus sich wiederum
e rgiebt , dass der ursp runglich e Bau eine Zeit lang ohne Sus
p ensur war .
Anders liegt die Frage in Betreff des Tepidariums (t) . Hier
geht der hinter der Tubulati on liegende Ziegelstuck gleichmässig
bis auf den untersten,mit gewöhnlichen quadratischen Boden
ziegeln belegten Boden,so dass von dieser Seite nich ts im Wege
is t,Tubula ti on und Susp ensur hier für gleichzeitig zu halten .
Nehmen wir dazu die auffallende Verschiedenheit d es unteren
Bodens,und bedenken wir
,da ss in den F o rum stherm en
,sowie
in wenigstens zwei Bädern in Privathäusern,das Tepidarium der
Susp ensur entbehrt , so scheint es allerdings wahrscheinlich , dasshier die Susp ensur j ünger a ls im Caldarium i st und erst gleich
zeitig mit der Tubulation der Wände hergestellt wurde . Und
zwar steht nich ts der Annahme im Wege,dass j ene erste Sus
p ensur die noch j etzt erhaltene ist ; denn bei Anlage der Wanne
am Ostende fand keine Erneuerung derselben statt,vi elmehr
wurden die schon früher mit Stuck bekleideten P fe ilerchen unter
der Wanne,um diese tragen zu können
,durch Anmauerungen
verstärkt .Ferner haben wir das m erkwurd ige Factum zu consta tiren
,
dass Wölbung und Lünetten hier nicht,wi e im Frauen
tepidarium,in der letzten Zeit tubulirt waren . Aber unter der
Decoration der Wölbung und. der Lünetten wird Ziegels tuck
sichtbar,wie der
,welcher unter der Tubulation liegt , und zwar
kann er bi s ziemlich hoch hinauf,bis an den oberen Rand des
Frieses mi t den Schiffen,etwa weiter
,als bis wohin die
Tubulation reicht,co ns ta tirt werd en : es darf also wenigstens
vermuthet werd en,dass a uch hier die Tubulati on sich einmal
über diese Theile erstreckte,dass man s ie aber später, weil man
Die Stabianer Thermen . 1 39
für das Tepidarium eine gem a ss igtere Temperatur wünschenswerth fand
,entfern te
,wahrend m a n sie im F ra uentepid a rium
bestehen liess . Diese Annahme erfährt keinen Widerspruch von
Seiten der offenbar der letzten Zeit Pompej i ’s angehörigen De
ce rati on mit Stuckreliefs ; s ie befreit uns vo n der N o thwend igke it ,entweder an eine verwunderliche Bevorzugung des sonst eher
verna chlässigten Fra uenbades,oder an ein daselbst vo rgen om
menes e xp e r im e n t um i n c o r p o r e v i l i zu glauben : beidesgleich unwahrscheinlich . Trifft sie das wahre
,s o dürfen wir
vermuthen,dass etwa gleichzeitig mit dem Bau der Wanne die
Tubulation von Wölbung und Lünetten wieder entfernt ward .
So ist die Geschichte der beiden Räume,j eder für sich be
trachtet,vollkommen klar. Und zwar ergab sich
a . fur das Caldarium : 1 . ursprüngliche Erbauung ohne Sus
p ensur und Tubulation ; 2 . Anlage der Susp ensur ; 3 . Neuba u
der Ostwand ; Anlage der Tubulati on mit Zerstörung des Nischen
frieses ; 4 . Erbauung der Wanne und der Ziegelmauern am Os t
ende ; Erneuerung der Susp ensur , nicht aber der Tubulation .
b. Für das Tepidarium : 1 . ursprüngli che Erbauung ohneSusp ensur und Tubulation ; 2 . Neubau der Ostwand ; gleichzeitige
Anlage der Suspensur und Tubulati on ; 3 . Erbauung der Wanne,
ohne Erneuerung der Susp ensur (Entfern ung der Tubulation vonWölbung und Lünetten) , N eud eeo rirung .
Hingegen kann man zweifeln,wie diese beiden Reihen von
Daten mit einander zu combiniren sind .
Es liegt in der Natur der Sache,dass Susp ensur und Tubu
lation des Tepidariums j ünger sind a ls die Susp ensur des Cald a rium s
,und. nicht älter als die Tubulati on eben desselben . Sind
sie aber dieser letzteren gleichzeitig oder noch j ünger ? Nach
Nissen ist letzteres der Fall,und zwar schliesst er dies aus der
verschiedena rtigen Herstellung der gefutterten Wande,im Cal
d a rium mit viereckigen Thonröhren,im Tepidarium mit t e g u l a e
m a mm a t a e : in der Anwendung der letzteren glaubt er (S . 1 5 3)eine jüngere C onstructionsa rt erkennen zu dürfen . Darauf ist
zu erwidern,dass ohne Zweifel die j ungere C onstructionsa rt
vielmehr die mit Rohren ist . Es liegt dies zunächst in der Naturder Sache ; denn die Rohren sind eigens für diesen Zweck gebrannt
,während die Wa rzenziege l schon früher benutzt werden
1 40 Cap ite l V .
konnten,um Wande vor Feuchtigkeit zu schutzen . Ferner
,wo
immer in Deutschland,England und Frankreich Badeanlagen
aus spätrom ischer Zeit gefunden werd en , da finden sich auch
diese Th onröhren . Sie finden sich in einem offenbar recht späten
kleinen Bade auf der Südwestecke des Palatin,endlich in Pom
pej i selbst in den neu entdeckten,zur Zeit der Verschüttung
noch im B au begriffenen Thermen am Kreuzpunkt der beiden
Haup tstra ssen (Reg . IX ins . 4 : s . B u l l . d . I n s t . 1 877,S . 2 2 1
Dennoch würde es übereilt sein,nun den umgekehrten
Schluss ziehen und die Fütterung der Wände im Tepidarium
für älter halten zu wollen als im Caldarium : man müsste
dann in letzterem eine Ern euerung annehmen,von der sonst
keine Spur zu finden i st . Entweder ist in beiden Räumen gleich
zeitig diese Vorrichtung hergestelltwe rd en,und man hat
,vielleicht
um mit beiden Systemen eine Probe zu machen,hier das eine
,
dort das andere zur Anwendung gebracht,oder
,wenn wir mit
Rücksicht auf die in Rede stehende Verschiedenheit Gleichzeitig
keit nicht annehmen wollen,s o is t aus allgemeinen Gründen
,
wie schon angedeutet,d ie Futterung der Wände des Tepi
d a rium s für j ünger zu halten . Man konnte für diese letztere
Annahme geltend machen,dass j a im Caldarium ursprünglich
die Röhren,na ch dem Umbau aber die Wa rzenziege l zur An
wendung gekommen sind . Ind e s s ist die Gleichzeitigkeit viel
wahrscheinli cher und kann fast als gewi ss gelten . Denn wir
dürfen doch wohl in keinem der beiden Räume den Neubau der
Ostwand ohne N ischenfries e von der Zersto rung des letzteren
a uf den anderen Wänden,d . h . von der Anlage der Tubula tion
trennen . So lange wir als o an der äusserst wahrscheinlichen
Annahme festha lten,dass der durchgreifende Umbau der ganzen
Ostseite auf einmal erfolgt i st,s o lange können wir auch die
Suspension und Tubulati on d es Tepidariums zeitlich nicht vo n
der Tubulation des Caldariums trennen .
Es wurde schon oben die V ermuthung geäussert , dass die
mangelnde Stuckbekleidung der P feilerchen des Caldariums auf
einen eiligen Bau nach dem Erdbeben zurückgehe . Ebendahin führt die Verstärkung der Mauern und des Gewölbes ,welche durch damals stattgefundene Beschädigungen ihre besteErklärung finden würd e . Hat nun Nissen aus der Verwendung
1 4 2 Cap ite l V .
der Nordwand,einer dunnen Schi cht feinen weissen Stucks
,
deren Stärke etwas wechselt nach den Unebenheiten des Steins
nirgends a ber si ch über 6— 7 Millimeter erhebt .Im Caldarium ist mit voller Sicherhei t zu consta tiren
,dass
die Nischen zuletzt,ehe sie ausgefüllt wurden
,mit Ziegelstuck
ausgeputzt waren . Dagegen tragt ein in die zweite Nische gleich
links vom Eingang vermauertes a bgeschlagenes Gesim ss tück einen
6— 7 M illim . starken weissen Stuck . Ziege lstuck in den Nischen
bei wei ssen Gesimsen konnte unm oglich die ursprüngliche De
ce rati on sein : stellenwei se Verwendung von Ziege lstuck ab
gesehen etwa vom Sockel auf einer ubrigens sorgfältig deco
rirten» Wand wäre unerhört . Und auch hier fehlt es nicht an
einem älteren Rest : in der o stlich sten Nische der unteren Reihe
der Nordwand finden wir feinen,harten
,weissen M a rm o rstuck
auf einer mässig dicken Sand s tuckunterlage , welche bei dem für
die untere Reihe verwandten Kalkstein nothwendig wa r und auf
dem Tuff der oberen Nischen wohl gefehlt haben wird : das ganze
i st c . stark .
Es ist nun eine nicht unwahrscheinliche Annahme,d ass man
bei Anlage der ersten Susp ensur , für welch e j a auch Ziegelstuck
verwandt wurde,mit eben demselben a uch die Nischen
,wo der
alte Stuck schadha ft geworden sein mochte,ausputzte . Da das
Tepidarium damals wahrscheinlich keine V era nd erung erfuhr, s o
kann die dort beobachtete j üngere,ro thweis se Decorati on auch
etwas spa ter gemacht w erd en sein ; früher kaum ,d a die geringe
Beschaffenh ei t des Stuckes verbietet,ihn über die Anfänge der
C olonie hinaufzud a tiren .
Gehen wir von der wahrscheinli chen Voraussetzung aus,dass
die wi chtigeren Veränderungen glei chzeitig im Männer und im
Frauenba d e vorgenommen wurden,so ergiebt sich uns diese
Reihenfolge derselben
1 . Ursprünglicher Bau in vo rrom ischer Zeit , mit Nischen
friesen,ohne Susp ensur und. Tubulati on .
2 . a . Suspension der Ca ld a rien . Im Männerca ldarium wird
die Decorati on der Nischen in Ziegels tuck erneuert.b . Ro thweisse Decoration des Männertep id arium s .
3 . a . Neubau der Ostwänd e in beiden Ca ld a rien und. imM ännertep ida rium . Erweiterung einiger Thüren und
Die Stabian er Thermen . 1 4 3
Verkleidung derselben m it Ziegeln . Tubula ti o n d er
Ca ld a rien ; Suspensio n und Tubula ti on der Tep id a rienmit Ausschluss der Wölbungen und Lünetten . Zer
störung der N ischenfrie se .
b. N eud ee o rirung vonWo lbung und Lünetten wenigstens
im F rauentepida rium ; ebenda Schliessung des kleinenFensters in der Ostwand .
4 . Neubau der Westwand d es Fra uenba des,mit breiten
,
innerhalb der Lünetten liegenden Fenstern . Tubulation
der Lünetten und Wölbungen der Tep id arien .
5 . a . Umbau der Westwand d es Frauenbades mit
breiten,über die Lünetten hinausreichenden Fenstern .
b . N eud e eo rirung mit the ilweiser M a rm o rbekleidung ;
Entfernung der Tubulati on von der Wölbung und den
Lünetten im Männertep id a rium . Bau der Wanne imFrauenap o dyterium und M ännertepida rium ; Erneue
rung derselben,verbunden mit anderen Ziegelbauten
,
im Männerca ld arium (und im Frauenca ld a rium ? j eden
fa ll s wurde sie hier dam als mit Ma rmor bekleidet) .
Erneuerung der Susp ensur im M ännerca ld a rium .
Hiervon fällt wa hrscheinlich 2 in die sullanische Zeit,5 nach
63,3 und 4 in die Zwi schenzeit . Wann d a s F rauena p o dyterium
durch die Herstellung einer Thur in der Südwand von der Pa
la e stra aus zugänglich wurde,d a s zu bestimmen fehlt j eder Anhalt .
Endlich ist noch eine merkwürdige Veränderung zu erwähnen,
deren Zeit a ber dunkel bleibt und welche uberhaup t noch naherer
Aufklärung bedarf. Es scheint nämlich sicher,dass in dem
kleinen,von der Porticus und früher auch von der Strasse (bei
zuganglichen Vorraum des Männerbades,aus dem m an nörd
li ch in ’
s Frigidarium w,ostlich in’s Apodyterium u gelangt
,früher
einmal ein Badebassin war,welches den ganzen westlichen Theil
des Raumes,mit Freilassung nur eines nicht breiten B and es
,ein
nahm . Da s Mauerwerk,
'
namentlich aber die dicke Schicht einer
dem o p u s S i g n in um ähnlichen Masse , mit der es bekleidet ist ,i st auf der Westseite gleich an der Thür aus der Porticus
und auf der Ostseite gerade vor der Thur in’s Frigidarium
auf’ s deutlichste sichtbar . Eine nähere Untersuchung wa re
äusserst wünschen swerth .
1 4 4 Cap i te l V .
Es ergieb t si ch dabei , dass von den beiden Thuren der
aus der Porti cus und der in’s Frigidarium die eine durch
dies Bassin gewissermassen gesperrt war,wenn gleich der Rand
breit genug ist . um allenfalls auch als Passage zu dienen , die
andere einen unbequemen Platz ha tte . In Betreff der Thür aus
der Porticus könnte man a llenfalls vermuthen,sie sei
,wie die
des Frauena p o dyterium s,erst nachträglich
,nach Ausfüllung des
Bassin s,durchgebrochen w e rd en
,s o dass ursprünglich auch
das Männerba d keine directe Verbindung mit der Palaestra ge
habt hätte . Und für eine solche V ermuthung könnte angeführt
werden,dass auch diese Thür keine Ka lks teinpfo s ten hat
,
sondern das Incertum unmittelbar an sie hinantritt. Hingegen
musste das Frigidarium doch wohl immer von dieser Seite zu
gängl ich sein ; denn eine frühere Verbindung mit dem Tepidari um
anzunehmen verbietet der Cha rakter der Zwischenmauer,welche
mit ihrem alten Incertum und dem N ischenfries offenbar dem
ursprüngli chen Bau angehört und keine Spur einer etwa zuge
setzten Thür zeigt. Wenn wir nun aber finden,dass die Pfosten
der Thür des Frigidariums aus ziemlich gro ssen ziegelförm igen
Kalksteinen bestehen eine dem ursprünglichen Bau fremde,
etwa auf sullani sche Zeit deutende C on structio n sa rt s o müssen
wir doch wohl annehmen,dass hi er na ch Ausfül lung des Bassins
eine Veränderung stattgefunden ha t,uber die wir aber bei der voll
komm enen Erha ltung des - Stucks näheres ni cht ermitteln können .
Die Ausfüllung des Bassins könnte man mit der Anlage der
Piscina a: an der Palaestra in Verbindung bringen ; denn alle
die Räume a uf der Westseite der Palaestra gehören nicht dem
ursprüngli chen Bau an,sondern zeigen j ungeres Mauerwerk .
Es steht nichts im Wege,anzunehmen da ss hier Uu lius und Aninius
thätig waren , und z . B . das De strictarium,wie a uch Nissen
(S . 1 5 7) thut , hier zu suchen ; doch sind dann die j etzt ve rlie
genden Bauten,abgesehen von der Piscina
,schwerl ich noch die
dama ls von ihnen hergestellten : ihr Mauerwerk gleicht etwa
dem des Umbaues der Ostseite .
Eine weitere Steigerung der Hitze finden wir in den 1 877
ausgegrabenen Thermen,die i ch wegen ihrer Lage im Centrum
der Stadt,am Kreuzpunkt der beiden Haup tstra ssen ,
die Cen
1 4 6 Capite l v.
d arium aus zugänglich war,entspricht vollkommen der Vorschrift
V itruv’
s (a . a . O .) und der Bestimmung dieser Räume . Denn dasTepidarium benutzten noch alle Besuch er ; von da aus aber gingendie einen in’s warme Bad ( c a l d a r i um ) , die anderen in
’s Laco
nioum (oder a s s u m ,C ie . a d Q u . fr . III
,1,2 ) um hier im s i c c u s
c a l o r (Cels . II , 1 7 , 1 ) zu schwi tzen . Auch Vitruv dachte sich
das Laconicum mit tubulirten Wänden : i p s um q u e a d c i r c in um
fi e r i o p o r t e r e v i d e t u r,u t a e q u a l i t e r a m e d i o f l am m a e
v a p o r i s q u e v i s p e r c u r va tu r a e r o tun d a t i o n e s p e rva
g e tu r . Diese Worte sind doch wohl nur so zu verstehen,dass
in dem runden Raum die Wärme leitenden Hohlwänd e überall
gleich weit vom Mittelpunkt entfernt sind . Nissen’s Zweifel
(S . ob di e Tubulation der Wände V itruv bekannt gewesensei
,wird hierd urch widerlegt .
Einen s olchen Raum enthalten die Stabianer Thermen nicht,
wahrend doch die bekannte,in einem Zimmer an der Nordseite
der Palaestra gefundene Inschrift den Duumvirn C . Uulius und
P . Aninius die Herstellung eines solchen zuschreibt. Die Inschrift
lautet
C °V V LIV S ° C ° F ° P °AN IN IV S C ° F l l °V ° I° O
LAC O N IC VM ET DEST RICTARIVM
FAC IV ND° ET ° PORT !CV S °ET ° PALAEST R
EA ° P EO.V N IA O .V O O EO S E LEGE ‘
IN LV DO S AV T IN ° N\O N VM EN T O
C O N SV N\ERE O P O RT V IT ° FAC IV N
C O ERARV N T ° EIDEM Q V E ° PRO BARV
Dass sie sich auf eben diese Thermen bezieht , ist nie be
zweifel t word en . Nachdem nun aber in nicht allzu grosser Entfernung (IX ,
4 ) eine Thermenanlage mit einem Laconicum gefunden ist
,wird es vielleicht nicht überflüssig sein
,zu bemerken
,
dass an eine Verschleppung von dort her nicht gedacht werden
kann . Es darf als sicher gelten , dass diese neuen Thermen zurZei t der Verschüttung nicht reparirt, sondern ganz neu angelegt
wurden,das s sp ecie ll die Hallen der Palaestra auf einem Grunde
angelegt wurden,der bi sher von ganz anderen
,auf verschiedenem
Niveau liegenden Räumen,ve rmuthlich Privathäusern
,einge
Die Stabianer The rmen . 1 4 7
nommen war. Also hierauf kann sich die der sullanischen Zeitangehörige Inschrift nicht beziehen .
Fern er ist von Nissen mit vollem Recht hervorgeh oben
we rd en,dass e s unthunlich is t
,das Laconicum anderswo zu
suchen,als in dem um den Heizapparat grupp irten Complex
erwärmter Räume . Auch verwirft er mit Recht den Ausweg,
anzunehmen,dass die s c h o l a l a b r i hier Laconicum genannt
s ei,theils
,wi e er selbst hervorhebt
,weil dies eben der vom
Ofen entfern teste Theil des Ca ldariums ist,theils weil
,wenn das
Caldarium später um di esen Thei l erweitert werd en wäre,dies
sicher kenntlich sein würde . S o bleibt wohl nichts anderes übrig,
als mit Nissen unter l a c o n i c u m hier das Caldarium zu verstehenund l a c o n i c um fe c i t mit b a l i n e um s u s p e n d i t zu erklären .
Ein weiterer Gebrauch des Wortes l a c o n i c u m dürfte auch beiDie Cass . LIII
,2 7 anzunehmen sein ; denn Agrippa baute doch
wohl nicht nur ein Laconicum im engeren Sinne,sondern eine
ganze Badeanlage . Obige Erklärung können wir uns um so mehr
aneignen,a ls wir zu dem Resultat gekommen sind
,dass das
Männerca ld arium nicht,wie Nissen annimmt
,zu einer Zeit
,wo
man auch die Wande tubulirte,susp endirt wurd e , s ondern schon
früher,so dass wir nicht gezwungen sind
,mit ihm bei l a c o
n i o u m fe c i t nur an die Suspension des Frauenbades zu denken .
Aus diesen Gründen,und weil die Susp ensur nicht wohl
dem ursprünglichen Bau angeho ren kann , haben wir oben diem it 2 bezeichneten Vorgänge in die sullanische Zeit versetzt
,d . h .
auf die Thätigkeit des C . Uulius und P . Aninius zurückgeführt .
Ueber die P o rtiken handelt Nissen S . 1 4 9 ff. Die gekanteten
dori schen Tuffsäulen,der Styl obat mit der durch viereckige
Bassins unterbrochenen Rinne,stimmen zu dem Charakter der
alten Theile des Baues und weisen gleichfalls auf die Tuffp erio d e .
Ihre letzte,im Geschmack der letzten Zeit Pompej i’s gehaltene
Umgestaltun g,mit Einhüllung der Säulen in einen dicken Stuck
mantel,erfuhren sie ohne Zweifel nach 63 .
Nun wird aber bei Nissen S . 1 50 , nach BeobachtungenSchöne’s ausgeführt
,dass damals auch die Anordnung der Säulen
verändert,sro weiter aus einander gerückt word en seien : die
D istanzen von Centrum zu Centrum seien ursprünglich ge1 0
"
1 4 8 Cap ite l V .
wesen , j etzt aber Die ehemalige Anordnung soll aus dentheilweise stehen gebliebenen Lehren noch vollkommen zu erkennen sein .
Ich weiss nicht , ob es sich hier vielleicht um ein M issve rstandniss handelt. Meine Beobachtungen sind folgende .
Die Säulend istanzen der Ostp o rticus sind nicht sehr gleichma ssig ; von Norden an betragen sie (von Centrum zu Centrum)
Von den Saulenlehrenhabe ich keine Spur gefunden . Dagegen entsprechen die vi er
eckigen Bassins,durch welche die Regenrinne unterbrochen wird
,
regelmässig j eder dritten Säule,was doch wohl darauf führt
,
dass die Anordnung der letzteren so alt ist,wie die Rinne mit
ihren Bassins,d . h . vi el älter als die Umgestaltung und Ver
dickung der Sanlen . Richtig ist es,dass auf der Südseite
,
dem j etzigen,späteren
,Eingang (y, der ältere bei 8 ist ver
mauert) entsprechend , nachträglich eine weite Oefi'
nung geschaffen
werd en i st : diese nebst den zwei längli chen Pfeilern mag etwa
4 Säulen entsprechen : ähnlich ist auf der Nordseite verfahren
we rd en . Auf dem Westende sollte das letzte Interco lumnium
dem Sphaeristerium,oder was es sonst ist
,entsprechen
,und
musste deshalb weiter sein,als die übrigen . Es ist aber auch
das zweite weiter,und zwar kommt die Rechnung z iemlich genau
aus,wenn man annimmt
,dass hier zwei Säulen fortgenommen
und nur eine etwa in die Mitte d es Interco lumnium s gestellt
we rd en i st . Wir können also auch hier mit einiger Wahrschein
li chkeit eine nachträgliche Aend erung vermuth en .
Die östliche Säulenreihe misst von Centrum zu Centrum
rechnen wir dazu einen Säulendurchmesser so nimmt die ganze
Reihe einen Raum von 1 2 4 ' 5 " osk . 1 1 5 ' röm .
ein . Es ist mithin eine nicht ganz von der Hand zu weisende
Annahme,dass 1 2 5 ' o sk . beabsichtigt waren
,und dass di e Ah
weichung um einen halben Fuss auf Rechnung der ni cht ganz
genauen Ausfuhrung zu setzen ist : für einen stringenten Beweis
ist das Zutrefi"
en nicht genau genug .
Erst bei Gelegenheit des Therm enbaues sind,wie es scheint
,
zwei Inseln zu der ungewöhnlich grossen VII,1 vereinigt wor
1 50 Cap ite l V .
Wande,i st nich t festzustellen : die fur die Wanne bestimmte
Nische am Ostende,mit dem Loch in der Mauer für die Heizung
unter dem Fussboden,ist j ünger . Das Tepidarium (Malerei
im dritten Sti l) hat weder Suspensur noch Tubulation , sondernwurde erwärmt durch die aus dem Caldarium vermittelst eines
runden Loches in der Zwi schenwand einströmende warme Luft .
3 . D om u s M . C a e s i B l a n d i (VII, 1 , 4 0 Fiorelli D e s c r .
S . d eco rirt im zweiten Stil. Das Caldarium hat Susp ensurauf Ziegelpfe ilern ohne Stuck , an den Wänden Tubulation mit
t e g u l a e m a mm a t a e . Das Tepidarium hat keine Leitung inden Wänden
,wohl aber Susp ensur , wie der eingesunkene Boden
beweist. In der Zwischenwand ein Loch.
4 . VII,1 5 1 . 2
,das Caldarium im zweiten
,das Tepidarium
im dri tten Sti l gemalt,wie es scheint gleichzeitig
,al s o aus der
Uebergangszeit zwischen beiden Stilen . Das Caldarium hat
Susp ensur auf Ziege lpfe ilern ohne Stuck , an den Wänden t e g u l a e
m a m m a t a e . Im Tepidarium keine Tubulati on,wohl aber
,wie
es scheint,Susp ensur .
5 . C a s a d e l T o r o (D omu s L . P o n t . S u c c e s s i,V,1,
gemalt im dritten Stil . Caldarium und Tepidarium susp endirt ;
auf welche Art,is t nicht festzustellen . B ohle Wände (mit t e g u l a e
m a m m a t a e ) nur im Caldarium . In der Zwischenwand ein
rundes Loch .
6 . C a s a d e l L a b e r i n t o (VI , 1 1 , Malerei im dritten
Sti l . Caldarium und Tepidarium haben Susp ensur auf Cylin
dern,wie 1
,und an den Wänden t e g u l a e m a m m a t a e .
7. C a s a d e l c i t a r i s t a (D o mu s L . P 0 p i d i S e cu n d i
Au g u s t i a n i , I, 4 , Malerei im letzten Stil . Caldarium und
Tepidarium sind susp end irt (wi e , i st nicht kenntlich) und habenan den Wänden t e g u l a e m amm a ta e .
8 . V i l l a d i D i o m e d e (Fiorelli D o s e r . S . Ma lerei
im letzten Stil . Das Caldarium hat Susp ensur deren B eschaffenheit nicht deutlich und t e g u l a e m am m a ta e
,das
Tepidarium,wie es scheint
,keins von beiden
,dagegen ein rundes
Loch in der Zwischenwand.
9 . IX,7,1,erst j etzt (1 879) ausgegraben , gemalt im letzten
Stil . Caldarium und. Tepidarium haben Susp ensur auf Thoncylind ern und. t e g u l a e m amm a t a e . Im Tepidarium sind letz
Die Stab ianer Thermen . 1 5 1
tere nur auf zwei Wänden,und auch hier erst nachträglich ge
legt : man sieht unter der Tubulation die ältere,aber auch schon
im letzten Sti l gehaltene Decoration .
Es ist also die Steigerung der Warme auch hier zu verfolgen .
Unter den 3 zur Zeit d es zweiten Decora tionsstils schon vor
hand enen Bädern (2 . 3 . ist zwar nur eines welches im
Caldarium sich mit blosser Susp ensur denn diese wird doch
wohl vorhanden gewesen sein ohne hohle Wände begnügte ;dasselbe erwärmte das Tepidarium nur durch die aus dem
Caldarium durch ein Loch in der Zwischenwand welches auch
in 4,falls hier keine Susp ensur sein sollte , vorausgesetzt werden
muss einströmende warme Luft ; die beiden übrigen begnügten
sich im Tepidarium mit der Susp ensur . Und s o i st es auch noch
in 5,dessen Malerei dem dritten Stil angehört
,während wir
neben demselben Stil in 6,und in 7 bei Malereien der letzten
Zeit,auch im Tepidarium den vollständigen Heizapparat finden.
Auffallend scheint es auf den ersten Blick,dass in 8
,bei
Malereien letzten Stils,die Heizvorrichtungen mit 2 stimmen ;
doch löst sich das Räthsel sehr einfach . Die s og . Villa des
Diomed erhielt ihre j etzige Gestalt schon zur Zeit des zweiten
Deco ra tionsstils , dessen Malereien noch in verschiedenen Räumen,
sowohl oben als auch unten am Garten,erhalten sind . Es is t
demnach kaum zu bezweifeln,dass aus derselben Zeit die Ein
richtungen des Bades stammen und unverändert blieben,auch als
man in der letzten Zeit Pompej i’s die Wände neu bemalte. Aus
nahmsweise glaubte man in 9 noch zur Zeit des letzten Stils
anfangs sich für d a s Tepidarium mit blosser Susp ensur begnügen
zu können,kam aber bald davon zurück .
Capitel V I .
Sep t a.
Der von Nissen (S . 1 85 ff.) als Septa , fruher meist als Schulebezeichnete Bau wird von ihm (S . 1 90 f.) einschliesslich der Tuffpfeiler am Forum auf Grund der Masse in römische Zeit gesetzt.Seine Masse sind im wesentlichen genau und gegen die Reducti on auf römische Fuss wäre an sich nichts einzuwenden ; frei lich
giebt er selbst an,dass das erste und zweite Lumen genau 9 '
oskisch misst . In Betreff des ersten ist dies nicht ganz genau : esmisst nur 8 ' 1 1 ” oskisch
,doch würde es keine Schwierig
keit haben,dies auf Rechnung ungenauer Ausführung zu setzen
,
wie auch die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen sein dürfte,
dass für die beiden letzten Lumina und. das beab
sichtigte Mass eben 9 ' oskisch war. Wenn wir nun
auch anerkennen,dass dieselben Masse sich auf 8 ' 3— 4 ”
röm .
reduciren lassen , dass also d a s beabsichtigte Mass röm .
eine durchaus nicht unannehmbare Grösse gewesen sem
kann,s o erford ert doch die Billigkeit
,nun auch andererseits
anzuerkennen,dass die meisten der von Nissen auf ganze römi sche
Fusse reducirten Entfernungen,wenn wir si e auf o skisch es Mass
reduciren,auch keine grösseren Brüche geben
,als Fuss.
4 ' röm . sind etwas mehr als o sk .
,3 ’
röm . osk . Das
gewichtigste Argument für römisches Mass l iefert der von Nissen
auf 1 0’ berechnete mittlere Eingang : er misst 10'1 " röm .
1 0’ 10" osk .
Ich gebe im folgenden die Masse der dem Forum zuge
wandten Pfeiler und Oeffnungen in derselben Reihenfolge und
1 5 4 Capite l VI .
teren Reihe annehmen,w elche stattgefunden haben musste , ehe
j ener alte Stylobat bis auf die genannten Basen fo rtgehauen
wurde : eine höchst bedenkliche Annahme , da eine solche Um
stellung wegen der dann nicht mehr passenden Gebälkstücke
sehr schwi erig sein musste .Das südlich an die sog . Schule anst ossende Haus regel
massiges Atrium aus Kalkstein muss schon früh spätestens
als die F o rum sp o rticus gebaut wurd e links von seinem Ein
gange zu Gunsten des Forums verkürzt we rd en sein , wenn es
ni cht , was auch nicht unmöglich , gleich von Anfang an mit Rück
sicht auf das Forum s o gebaut wurde . Dagegen hatte es ur
sprünglich die Z immer links (N .) vom Atrium und wurde derselben erst später zu Gunsten der sog. Schule beraubt : di eoffenbar späte V ermauerung der Thüren liefert den Beweis .
Das Haus hat links am Eingang einen unten c . di cken
Tuffpfeiler , der zugleich den linken Eingangspfeiler der v i a
d e l l e s c u o l e bild ete . Und ein eben solcher Pfei ler stand,wie
es scheint,auch ganz im Anfang (S .) des zu Gunsten des Forums
zurücktretenden Theils der Front , den Abschluss der Ostseite
d es Forums bildend : j etzt i st davon nur der unterste,c. lange
,
c . aus dem Boden ragende Stein erhalten . Nissen S . 1 92
halt diesen Stein für die Schwelle einer vermauerten Thür,durch
welche einst das Tribunal einen separaten Zugang vom Markte
aus gehabt habe . Eine Schwelle aus Tuff ist schon an sich
verdächtig ; sie musste , bei der Beschaffenheit des Steines , sehr
abgenutzt sein,was durchaus nicht der Fall ist ; der Augenschein
lehrt ohne Weiteres,dass wir es hier mit dem untersten Stein
eines der gewöhnli chen Tuffpfeiler zu thun haben . Es folgt dann
(nach N.) ein weiterer Tufl°
pfeiler und das von Nissen
S . 1 93 erwähnte Suggestum beide aber sind j üngeren
Ur°spr°ungs ; denn sie stehen auf Fundamenten aus Incertum,
welche c . aus der Erde ragen,also sicher nicht von Anfang
an bestimmt waren,Tuffpfeiler zu tragen
,deren unterster Stein
stets im Boden liegt. Es stand als o das Tribunal wohl inVerbindung mit einer Vorrichtung, um irgend etwas auf
’s Forum
hinaus zu verkünden,war aber nicht von dieser Seite zugänglich .
Zur Vervollständigung obiger Tabelle folgen hier noch dieMasse der eben besprochenen Theile :
Sep ta . 1 5 5
der a lte Pfe i ler 4'I l
"o sk . 3
'7" rom .
der jüngere Pfe i ler 7' 7
'
Suggestum 10'1 1 10
'
Es is t klar,dass die einzelnen B estand theile des Baues ver
schiedenen Zeiten angehören . Die Reihenfolge , soweit sie sich
feststellen lässt,is t folgende :
1 . Pfeiler am Forum ,j edenfalls als Front eines im allge
meinen dem j etzt vorliegenden ähnlichen B aumes .
2 . Pfeiler der Nordseite an der s t r a d a d e l l ’ Ab b o n d an z a ;Herstellung der West und. Südmauer in ihrer j etzigen Gestalt
(Qua sire ticula t mit Ziegelecken) ; Vergrösserung auf Kosten desNebenhauses zum Zweck d es Baues der Tribüne . Dass alles dies
gleichzeitig ist,geht daraus hervor
,dass erstens da s Ziegelwerk
der Südostecke und der Südmauer dem der Pfeiler auf der Nordseite ganz gleichartig ist
,auch im Mörtel
,bestimmt geschieden
von dem östlichsten Stück der Nordmauer,zweitens die Thüren
nördli ch am Atrium des Nebenhauses mit eben j enem Quasi
reticula t vermauert sind.
3 . Herstellung des Ziege lstucks am Ostende der Nordmauerund des anstossenden Stücks der Ostmauer . Die Ziegel habenhier eine hellere Farbe
,auch der Mörtel ist anders : ihm fehlen
die grossen Lavabrocken , er sieht gelblich aus statt weiss und
schwarz und. is t viel weniger hart . Das erwähnte Stück derOstmauer hat Reticula t nur als Ausfüllung der Verzahnungen
,
und hier unterscheid e t . es si ch bestimmt von dem der älterenTheile : es ist hier viel Oruma und Tuff
,dort durchweg Lava
und. Kalkstein verwandt namentlich an solcher Stelle kommt
Oruma dort nicht vor ; ferner ist das Reticula t hier feiner , die
Mörtelschichten dünner. Im übrigen besteht dies Mauerstückaus Incertum .
4 . V ermauerung der Lumina : kann mit 3 gleichzeitig sein .
1 5 8 Cap ite l VII .
werd en darf: denselben zu liefern ist nicht versucht we rd en. Istder Grundplan nicht auf ein Tribunal berechnet
,s o können d ie
beiden an den Vorderecken des letzteren stehenden und zum Theil
in die Mauern desselben eingebundenen Säulen dem ursprüng
li chen Grundplan nicht angehören ; denn theils sind sie mit dem
Tribunal untrennbar verbunden,theils erklärt sich ihre von den
Dreiviertelsäulen des Haupteinganges abweichende Stellung nur
durch die Rücksicht auf dasselbe : ein Blick auf den Plan lässt
darüber keinen Zweifel . Eine solche Annahme aber stösst auf
erhebliche Schwierigkeiten,auf die wir noch zuruckkomm en. Es
kommt also alles darauf an,ob der unter 4 aufgeführte Grund
stichhal tig ist,d . h . ob sich Spuren eines Umbaues
,wie ihn
Nissen annimmt,nachweisen lassen .
Diese Untersuchung wird dadurch erleichtert,dass di e B a
silica wie aus einem Guss gebaut ist ; Steine , Mörtel und Bauart
sind ubera ll gleich : j eder fremdartige Zusatz müsste als solcher
ohne weiteres kenntlich sein . Das Mauerwerk ist treff liches
o p u s in c e r t um ,ausschliesslich aus Lava ; der Mörtel erscheint
wegen der Beimischung zerstossener Lava schwarz punktirt ; die
Säulen,sowie die ganze Ostfront
,sind aus Ziegeln . Die Pfeiler
der Vorhalle,Geba lkstücke und kleinere Säulen , Halb und Drei
viertelsäulen,über deren Bestimmung man nicht im B einen i st ,
die Pfosten des Nord einganges,endlich auch die Basen der Halb
säulen sind aus Tuff. Ganz besonders charakteristi sch ist die
Art wie die Ecken gebildet sind : grössere,aber lange und flache
Lava stüeke (an der Südwestecke hoch) sind so gelegt,dass sie mit ihrer Länge sich abwechselnd in die eine und indie andere Mauer erstrecken . An den beiden frei liegenden
Flächen sind sie ziegelartig behauen , im übrigen roh .
Schon im J. 1 873 habe ich es ausgesprochen (G i o rn . d .
S c a v i d i P om p e i II S . dass das Tribunal nicht j ünger sein
kann als die im Jahr 78 v . Chr. schon vorhandene (C . I . L . IV,
1 84 2 ) Stuckd eco ra tion der Basilica,welche in ganz gleicher
Weise auch die Vorderseite desselben bedeckt . Nissen stelltdem eine Aussage Schöne’s gegenüber
,nach welcher die Deco
rati on des Tribunals einen etwas abweichenden Charakter ( „ sehrhoch aufgetragene Qua d erfeld er und comp licirtere Einfassungen
“
)zeigt (S . ausserdem wird für ihn der Werth meines Zeug
Die Ba s i l ica . 1 5 9
nisses sehr wesentlich dadurch beeinträchtigt,da ss ich auch in
der Bauart des Tribunals nichts finde,was auf nachträgliche Ent
stehung deutet .Der scheinbare Widerspruch zwischen Schone und mir kla rt
sich dadurch auf,dass wir von verschiedenen Dingen reden
Schone von der inneren Decoration,i ch von der der Vorder
(Aussen-)Seite , während in B etreff der Inn end eco ra tion meinZeugniss (S . 391 ) mit dem Schöne
’s übereinstimmt . Ich fügej etzt hinzu
,dass auch die innere Decorati on sich trotz einiger
Verschiedenheit zu eng an die der ganzen Basilica anschliesst ,um eine spätere Entstehung glaublich scheinen zu lassen
,und.
dass auch die Bauart den p osi tiven Beweis für die gleichzeitigeEntstehung des Tribunals und des ganzen Baues liefert.
Der Unterbau nämlich und die Mauern des Tribunals zeigen
genau dasselbe ausschliesslich aus Lava bestehende o p u s i nc e r tum
,genau denselben Mörtel wie die ganze Basilica
,und
genau in der oben bezeichneten Weise sind auch hier die Ecken
gebildet (die Steine sind hoch) . Da diese Bauweise
keineswegs häufig ist,sondern nur noch an einigen wenigen Ge
bänden sich findet,da ferner an eine absichtliche Nachahmung
nicht gedacht werden kann denn nicht nur sollte der Unterbau des Tribunals von Anfang an mit Stuck bekleidet werden
,
sondern,wenn es nachträglich hinzugefügt werd en wäre
,s o
hätten,als dies geschah
,die Ecken des alten Baues wegen des
Stucks nicht si chtbar sein konnen ; endlich fehlt für eine solche
Nachahmung j ede Analogie s o ist diese Gleichheit eine voll
gültige Widerlegung der N issen’
schen Hypothese . Zu dieser Bil
dung der Ecken passt vortrefflich die horizontale Wo lbung desnördlichen der beiden Fenster des Souterrain , sorgfältig hergestellt aus ahnlichen flachen Lava steinen ,
die aber nicht genau
an einander gepasst,sondern durch Mörtel verbunden sind . Nur
das südliche Fenster liegt in dem Theil,dessen geflicktes Aus
sehen Nissen,statt auf eine Restaurati on
,lieber auf den ur
sprünglichen Bau des Tribunals zurückführen möchte . Ferners ind
,wie schon bemerkt
,die Säulen an der NO und SOecke
des Tribunals von diesem selbst,in dessen Mauern sie zum Theil
eingebunden sind,unzertrennlich . Auch ihre Stellung erklärt
sich nur durch die Rücksicht auf dasselbe : sie liegen nicht ganz
1 60 Cap ite l V II.
in gleicher Linie mit den Säulenreihen der Langseiten,sondern
etwas mehr gegen di e Seitenwände , während die entsmechend en
Säulen am Eingang in entgegengesetzter Richtung,gegen die
Mitte hin,abweichen : ohne allen Zweifel sind j ene beiden Säulen
a us einander gerückt,weil zwi schen ihnen das Tribuna l
„einge
zwängt “ werden sollte . Nun sind aber diese Säulen ganz in
derselben e igenthüm lich en Weise aus Ziegeln von ganz besonderer
Form hergestellt,wie die übrigen Säulen
,und gleichen ihnen s o
vollkommen,dass auch hier an einen späteren Ursprung nicht
gedacht werden kann .
Nicht weniger zwingend ist der von der Stuckd eco ra tion
hergenommene Beweis . Die Decoration der Westseite des Haupt
raumes,d . h . der kurzen Wandstücke zwischen den Vorderecken
des Tribunals und den eben erwähnten Säulen ist einerseits vollständig identisch mit der des ganzen Hauptraumes
,sieht auch
nicht im geringsten neuer aus als die der übrigen Wände,anderer
seits bedeckt sie M auertheile,welche dem Tribunal untrennbar
angehören,j a die Mauerstücke selbst zwischen den Säulen und
dem Tribunal konnten ohne dies letztere gar nicht existiren .
Ganz besonders deutlich i st es an der nördlichen Ecke,dass die
Decoration dieser Mauerstücke,wo sie mit derj enigen der vor
Spr°ingenden Seitenmauer des Tribunals zusamm entriflt, uber der
selben liegt,also später gemacht ist . Mithin ist das ganze Tri
bunal älter als die Decorati on,deren Existenz im J. 78 v. Chr .
inschriftlich bezeugt ist .Die innere Decoration des Tribunals weicht allerdings
von der des Hauptraumes ab : sie zeigt namentlich reichere Profi le
,und die im itirten Marmorplatten treten mehr aus der Wand
hervor ; doch sind diese Abweichungen um nichts grösser alsz . B . di ej enigen der verschiedenen Räume der c a s a d e l F a u n o
,
und erklären sich hinlänglich aus dem verschiedenen Charakter
der beiden Räume : dass ein reservirter Raum mit grössererS orgfalt d eco rirt ward
,ist nur natürlich
,und. daraus auf zeitliche
Verschiedenheit zu schli essen ganz unstatthaft. Bei al ler Ver
schied enheit aber schliesst sich in e i n e r Beziehung die Decoration
des Tribunals genau an die des Hauptraumes an . Im Hauptraum
wird in j edem Interco lumnium der S ockel durch ein hohesRechteck
,vi olett mit grünem ,
nach der Art dieser Decora
1 62 Cap ite l V II.
schliesslich des no rd lichen Kellerfensters,von dessen Construction
oben die Rede war . Es ergiebt sich also hier mit Sicherheit,dass das Tribunal mit seinem Souterrain und dessen Fenstern
unzweifelhaft der ursprunglichen Anlage angeh o rt, und dass von
dieser Seite di e Basilica stets geschlossen war .
Die Ausflickung hielt Schöne (S . 1 97) für „nicht durchaus
modern “
,i ch glaube aber mit Bestimmthei t versichern zu können
,
dass sie di es doch ist . Das Mauerwerk ist ganz gleichartig,
s o dass nur die Wahl bleibt,es entweder für ganz antik oder
für ganz modern zu halten,und zeigt
,aus Fragmenten der
verschiedensten Art bestehend,durchaus den Charakter vieler
modern en Restaurationen Pompej i’s. E s ist s o h och geführt,dass
eine gerade Linie hergestellt i st : ein Verfahren,welches genau
s o noch j etzt bei den Restaurationen üblich ist,während es nu
glaublich scheint,dass die zerstö rende Wirkung der Zeit zu eben
diesem Resultat geführt haben s ollte .Betrachten wir nun die Rückwand des Tribunals von innen .
In den Ecken ist j e eine V ierte lsäule angebracht , zwischen ihnen
vier Halbsäulen . Von allen diesen ist nur di e Basis und noch
ein langes Stück des Schaftes aus Tuff. Darüber ist
die V iertelsäule der linken Ecke aus Lava stüeken aufgemauert,wi e auch die Halbsäulen der Seitenwände : da die Ha lbsäuleir
des Hauptraums der Basilica ebenso gebildet,nur statt des Lava
bruchsteins dort Ziegel verwandt sind,so i st dies ein weiteres
Argument gegen eine nachträgliche Einfügung des Tri bunals . Ohne
Zweifel waren in gleicher Weise auch die Halbsäulen der Rück
wand und die V iertelsäule der rechten Ecke aufgemauert : j etzt
stehen auf den Füssen der Halbsäulen Stücke von ganzen Saulen,
noch mit Stuck bekleidet . Man könnte auf den Gedanken kom
men,als s ei die Mauer mit den Halbsäulen nur ganz niedrig
gewesen,und diese letzteren oberhalb der Mauer durch frei
stehende Säulen fortgesetzt gewesen ; und. dies scheint di e MeinungMa zo is
’ gewesen zu sein (III pl . XVII , c o u p e e n t r a v e r s ) .
Doch ist dies schon aus Zweckm a ssigkeitsgrund en nicht glaub
lich ; d ie auf dem Tribunal befindlichen Personen würden dem
lästigsten Zugwind ausgesetzt gewesen sein,und wenn s ie
,was
doch sicher der Fall war,gegen die Basili ca hin zu sprechen
hatten,so wurde es ihnen durch den Mangel einer Rückwand
Die Bas i l i ca . 1 63
sehr erschwert,sich verständlich zu machen . Und auch der
Tha tbestand is t obiger Annahme nicht günstig . Die beiden
Trommeln der ersten Ha lbsäule (von ergeben sich durch
fla chere Canne luren und breitere Stege al s nicht zu dem Fusse ,auf dem sie stehen
,gehörig ; da sselbe gilt von den beiden Trom
m eln der folgenden , welche überdies beide auf dem Kopfe stehen .
Von derselben a bweichenden Art sind die Trommeln der beiden
übrigen Halbsäulen ; auf dem Fuss der rechten V iertelsäule
steht gleich das oberste Ende einer Säule . Alle diese Flickerei
wäre undenkbar,wenn dies der Anfang zu wirklichen Säulen
oder Halbsäulen wäre,erklärt sich aber vollkommen
,wenn es
sich nur um einen r i s t a u r o bis zu der j etzt vorhandenen Höhe
handelte,und ist ohne Zweifel modern . Da s Tribunal war hinten
geschlossen durch eine Mauer mit Halbsäulen,welche über Tuff
basen aus dem Lava incertum der ganzen Basilica aufgemauert
waren . Auch an den Vorderecken des Tribunals sind auf die
theilweise zerstörten Dreiviertelsäulen Trommeln ganzer Säulen
aufgesetzt,welche links (S .) auch auf dem Kopfe stehen : es wird
wohl alles dies modern e Flickerei sein .
Also mehr Eingange a ls in der letzten Zeit hat die Basilica,
s o viel sich erkennen lässt,nie gehabt : wohl aber lässt sich
wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit erweisen,dass einer
der vorhandenen Eingänge,und zwar der südliche
,erst nach
träglich angebracht we rd en i st .Es ist sch on Verdacht erregend
,dass die Pfosten dieser
Thur aus Ziegeln,die des entsprechenden Nordeinganges aus
grossen Tuffblöcken gebildet sind,welche theils aufrecht stehen
,
theils liegend sich bis zu in die Mauer erstrecken . Letzteres
ist wichtig,weil dadurch die Annahme ausgeschlossen wird
,als
sei ursprünglich der Südeingang dem Nordeingang gleich gewesenund erst nachträglich geändert we rd en : diese grossen liegenden
Steine,oder doch ihre Spuren
,würd en j edenfalls sichtbar sein
,
ganz abgesehen davon,dass für eine solche Veränderung sich
schwer ein Grund denken lassen würde . Der Verdacht wirdbestärkt durch die Beobachtung
,dass die Ziegel von den für
die Säulen und für die ganze Ostfront des Gebäudes verwandtenverschieden sind . Die Dicke der letzteren betragt mit sehr ge
1 1*
1 64 Cap ite l VII.
ringen Variati onen wahrend die des Sud einganges
wesentlich dünner sind und von sich nicht merklich
entfernen .
Westli ch der Thur i st di e Mauer bi s auf eine sehr geringe
Höhe zerstört. An der Ostseite aber können wir sehen,in welcher
Weise das Incertum der Mauer und das Z iegelwerk des Ein
ganges in einander greifen . Und da fa l lt es sofort auf,dass eine
r°
egelm assige Verzahnung , wie sie sich stets findet , wo eine
Mauer aus Incertum von Anfang an in einen Ziegelpfeiler endigte,hier nicht vorhanden
,s ondern die Berührungslinie der beiden
C onstructionen eine ganz unregelm a ssige i st , was sich in einfa chster Weise dadurch
,aber auch nur dadurch e rkla rt
,dass hier
die Mauer gebrochen und der Ziegelpfo s ten an den natürlich un
regelmässigen Bruch hinangem auert wurde . Der Mörtel des Ziegel
werks i st von dem der alten Theile verschieden ; wo sie zusammen
stossen,ist sch on dadurch die Ansatzlinie genau bezeichnet .
Es ist ferner klar,dass beim Durchbruch auch die westli ch
anstossende Halbsäule beschädigt wurde . Ueber der Tufi'
ba sis
folgen nur 5 (viellei cht 6) Schichten der alten , für alle Säulenund die Ostfront gleichmässig verwandten Z iegel : die dann fol
genden sind identisch mit denen der Thürpfo sten . Wie hoch die
Zerstörung ging,ist bei der geringen Höhe
,bis zu der Mauer
und Halbsäule erhalten sind,nicht festzustellen .
Ferner ist klar,dass die an den Langwänd en sich hinziehende
Stufe,auf der di e Halbsäulen s tehen
,hier ursprünglich fortlief
'
und erst nachträglich gewaltsam unterbro chen werd en ist. Ein
Vergleich mit dem Nordeingang lehrt di es unwidersprechlich .
Jede Halbsäule steht auf einer Ka lksteinquad er , welche nach
beiden Seiten noch etwa uber den Ha lbsäulenfuss hinaus
reicht ; neben dem Nordeingang aber sind diese Quadern kleiner
und reichen nicht einmal ganz an die Peripherie des Halbsäulen
fusses . Diese geringere Breite,welch e nothwendi g is t
,um den
Eingang frei zu lassen,haben sie auch neben dem Südeingang :
doch sieht man deutlich an der unregelmässigen B ruchfläche,
dass dies ursprünglich nicht der Fall war,sondern hier eine nach
trägliche Verkürzung stattgefunden hat . Und auch zwischen
diesen beiden Steinen,vor dem Eingang selbst
,sind die Reste
der Stufe deutlich zu verfolgen .
1 66 Capite l V II.
Regel : V itruv spricht in der Beschreibung seiner Basilica in Fanum
von der m e d i a n a t e s t u d o als von einer selbstverständlichen
Sache (V, 1 , die Vergleichung des o e c u s A e gyp t iu s mit
der Basilica (VI , 5 , 9) setzt die Bedeckung voraus . Auch die
von ihm (V, 1 , 4 ) vorgeschriebenen Verhältnisse des Grundrisses
dass die Breite des,ganzen Hauptraumes nicht di e Hälfte der
Lange überschreiten dürfe,wobei natürlich der Mittelraum eine
noch weit mehr langgestreckte Form erhält haben doch nur
dann Sinn,wenn die Bedachung dadurch ermöglicht werden
sollte ; und dies V erhältniss is t auch in der pompej anischen
Basilica (1 6 7) eingehalten .
Eben dahin führen andere Betrachtungen . War der Mittel
raum unbéd eckt,s o waren die P o rtiken der Theil
,auf den es
ankam ; der Mittelraum ,der V o rm ittagsonne und dem in diesen
Gegenden haufigen Regen ausgesetzt , war nur der zwischen ihnenübrig bleibende Raum und von geringerer Bedeutung . Handelte
es sich aber nur um die P o rtiken,s o erscheint es geradezu un
glaublich,dass man um deren wi llen diese gewaltigen
,über
starken,gegen hohen Säulen aufgeführt haben s ollte . Eine
s o col ossale Kraftvergeudung ist am wenigsten da glaublich,wo
m an mit Ziegeln gebaut hat,und liegt durchaus ni cht im Cha
rakter der Epoche,welcher die Basilica angehört . Und dass
auch derartige Verhältnisse ihrem Geschmack nicht entsprachen,
lehren uns die P o rtiken des V enustemp els , des Forums , des Fo r um
t r i an g u l a r e u . s . w . Endlich erreichte man durch diese gewaltige
Anstrengung nichts anderes,a ls dass die gegen hohe Por
tious ohne entsprechende Tiefe ihrem Zweck,gegen Sonne und
Regen zu schützen,weit weniger entsprach
,als sie bei gewöhn
li chen Prop ortionen gethan haben würde .
Der letzterwähnte Uebelstand fiel fort,sowie der Mittelraum
bedeckt war . Ferner war dieser alsdann das Centrum der ganzen
Anlage ; durch di e Rücksicht auf ihn bestimmte sich die Grösse
der Säulen,und diese konnten sehr wohl
,j a sie mussten so sein
wie sie sich uns aus den Resten ergeben . Und nehmen wirhinzu
,dass die Säulen die Aufgabe hatten , den j edenfalls sehr
schweren Dachstuhl entweder ganz zu tragen oder doch zu stützen,
s o werden wir uns über ihre ungewöhnlichen,sonst nicht erklär
lichen Dimensionen nicht mehr wundern .
Die Basi l i ca . 1 67
Die hier entwickelten Anschauungen liegen auch den Vor
schriften V itruv’
s zu Grunde und sind von ihm selbst beim Bauseiner Basilica in Fanum befolgt we rd en . Die P o rtiken
,schreibt
er vor,sollen die Höhe gleich der Breite haben ; der Mittelraum
aber muss höher sein,und di es wird durch eine obere Säulen
stellung erreicht. In V itruv’
s eigener Basilica ruhte das Dachdes Mittelraumes auf 50 Fuss hohen Säulen
,die P o rtiken aber
waren niedriger : ihre Decke wurd e getragen von an die Säulen
angelehnten,20 Fuss hohen Pilast ern
,welche auch die 1 8 Fuss
hohen Pilaster des oberen Umganges trugen : als o zwei ganz
getrennte Systeme : hohe Säulen für di e Mittelhalle , niedrigePfeiler für die Umgange . Es ist mithin ganz im Sinne V itruv’
s,
wenn wir aus der Höhe der Säulen schliessen , dass sie vorzugs
weise zum Mittelraum in Bez iehung standen,dass dieser der
Hauptraum,dass er deshalb bedeckt war .
Gegen die Bedachung des Mittelraumes hat Breton geltend
gemacht,dass die Säulenreihen der Schmalseiten dann fehlen
würden,man sich vielmehr
,wie in den christli chen Basiliken
,
mit zwei den Langseiten parallelen Säulenreihen begnügt haben
würde. Diesem Einwand begegnet Schöne (S . 200 f.) mit Hinweisauf den oberen Umgang : es se i doch natürlich gewesen , diesen
rings herum zu führen und. nicht die beiden langen Schenkel
getrennt zu lassen . Nissen deutet in der Anmerkung S . 201 an,
dass durch seine e igenthüm liche Anschauung von der ursprüng
lichen Form der Basilica diese Schwierigkeit eine sehr einfache
Lösung finden werde.Wenn ich recht verstehe
,haben Schöne und Nissen j enen
von Breton nicht naher begrund eten Einwand von zwei ver
schiedenen Seiten aufgefasst,und in der That beruht derselbe ,
s o viel i ch sehe,auf zwei Betrachtungen . Erstlich sind bei B e
deckung des Mittelraumes die Säulen d e r° -Langseiten von constructiver Bedeutung
,da sie das Dach stützen mussten : die
fraglichen vier Säulen aber sind,s o meint Breton
,constructiv
betrachtet,werthlo s . Dies räumt Schöne ein
,so weit es sich
auf d a s Tragen des Dachstuhls bezieht,meint aber
,sie hatten
den aus praktischen Gründen erford erlichen oberen Umgang
getra gen. Zweitens aber verdecken die beiden hinteren Säulenfür den
,der im Mittelraum
,d . h .
,wenn er bedeckt war
,im Haupt
1 68 Cap ite l V II .
raum steht,das Tribunal . Dem könnte man begegnen durch
Breton’s Annahme , dass der Mittelraum unbedeckt,also kein
Hauptraum war ; Nissen hingegen glaubt durch s eine Annahme
einer Späteren Einfügung des Tribunals helfen zu können .
Breton’s Einwand ist von grossem Gewi cht : ein den ganzen
Hauptraum bedeckendes Giebeldach ist in der That unwahr
s ch einlich wegen der alsdann eintretenden Functionslo sigkeit
dieser vier Säulen . Von den drei Annahmen aber,durch di e
man ihre Exi stenz hat rechtfertigen wollen,i st keine haltbar.
Von Breton’s Annahme,der Mittelraum sei unbedeckt gewesen ,
war eben die Rede. Nissen’s Annahme einer späteren Einfügung
des Tribunals ergab sich uns al s ganz unmögli ch ; dass ein oberer
Um gang fehlte,soll s ogleich gezeigt werd en . Ueber die con
s tructiven Functionen dieser Sanlen können wir j etzt noch nich t
urtheilen ; wir sehen einstweilen nur , dass sie di e kurzen P o rtiken
vom Mittelraum trennten . Die kurzen P o rtiken mussten vor
handen sein ; denn gewiss machten die Erfordernisse des Verkehrs
es wünschenswerth,den Umgang rings herum zu führen
,statt
die beiden langen Schenkel getrennt zu lassen . V itruv schreibt
vor,dem p l u t e u s des oberen Umganges eine hinlängliche Höhe
zu geben,u t i s u p r a b a s i l i c a e e o n t i gn a t i o n em am b u l a n t e s
a b n e g o t ia t o r i b u s n e c o n s p i c i a n tu r (V, 1 , Natürli ch
konnten di ese Spaziergänger nur vom Mittelraum aus gesehen
werden,und wenn hier nur die n e g o t i a t o r e s genannt werd en ,
s o werden wohl diese hier vorzugsweise ihre V erkaufstellen auf
geschlagen haben,während das kaufende Publicum vorwiegend
in den unteren,das ambulirend e in den oberen Umgängen cir
culirte . Wie wünschenswerth es nun aber sein musste , dassdiese Circulation ringsum ungehemmt war
,dass man nicht
,um von
einer Se ite auf die andere zu kommen,sich zwischen den Tischen
der Verkäufer durchdrängen musste,das bedarf woh l keiner
weiteren Ausführung.
Einen oberen Umgang glaubte man nicht annehmen zu
d urfen,weil
,wie man allgemein annahm
,die Halbsäulen an den
Wanden niedriger waren als die freien Säulen . Dieser Annahme
hat Schone wid erspre chen , oder wenigstens geleugnet , dass dieGründe dafur zwingend seien . Die Stärke der Säulen verhält
1 70 Cap ite l V II.
durfen wir ihn von vorn herein zu Grunde legen und. wichtigePunkte der Resti tution durch ihn begründen .
Was ferner di e grössere Zahl der Canneluren (1 1 statt 10)angeht , s o ist dies erstens wie Schöne richtig bemerkt
nur das bei Halbsäulen,auch wenn sie den Säulen an Stärke
gleich sind,gewöhnliche Verfahren ; zweitens entspricht di e Ver
mehrung der Cannelür en keineswegs der Verschiedenheit der
Stärke (5 noch weniger ist das V erhältniss das von V itruvgeforderte
Andererseits sprechen gewichtige Grunde gegen die Annahme
Schone’s . Es geht aus seiner Darstel lung nicht deutlich genug
hervor,dass es sich keineswegs bloss um di e Halbsäulen handelt
,
s ondern auch um di e Säulen des Einganges (2 freistehende und2 Dreiviertelsaulen) und um die beiden Dreivi ertelsäulen an denVorderecken des Tribunals
,welche alle nur die Stärke der Halb
säulen haben . Bei den Eingangsäulen aber trifft nicht nur keiner
der Umstände zu,welche nach V itruv eine gerin gere Stärke recht
fertigen,sondern das V erhältniss ist genau das umgekehrte : nach
Anal ogie der Frontsäu len zwischen den Anten und der hinter
ihnen stehenden müssten doch offenbar vi elmehr die Eingang
säulen stärker sein als die des inneren Raumes . Wenn sie statt
dessen dünner sind,so haben wir allen Grund
,anzunehmen
,dass
sie auch kürzer waren .
Betrachten wir ferner etwas genauer die erhaltenen Theile .
Wenn die Halbsäulen gleiche Höhe mit den Säulen,also schlan
kere Proporti onen haben sollten,so musste sich das sch on an
den unteren,erhaltenen Theilen zeigen : der Säulenfuss musste
bei den Rund saulen und Halbsäulen gleiche Höhe,also bei den
Halbsäulen schlankere Verhältnis se haben . Wie es damit steht,
zeigt deutlich die Zeichnung beider in verha ltnissmässiger Grössebei M azo is IH
,pl . XX
,Fig . III . IV . Die Halbsäulen stehen auf
einer an der Wand entlang laufenden Stufe von c . Höhe
(ohne die Bekleidung mit o p u s S i gn i n um ) , die Säulen aufis o lirten quadratischen Lavaunterlagen von ziemlich gleicher Höhe,vielleicht noch etwas höher (0 . doch konnte dieser Unters chied bei der ungleichen Beschaffenheit des Terrains nicht mit
Genauigkeit festgestellt werden und soll darauf kein Gewichtgelegt werden . Darüber nun besteht der Säulenfuss aus einer
Die Ba si l i ca . 1 71
Hohlkehle,einem Torus
,einer zweiten Hohlkehle und. einem
zweiten Torus : die Gesamm thöhe ist bei den Säulen beiden Halbsäulen Also die Höhe des Fusses ist bei den
letzteren geringer nicht nur im gleichen V erhältniss wi e die
Dicke (0 . sondern in noch stärkerem Die obereHohlkehle (von der äussersten Peripherie der beiden Toren) misstbei den Säulen bei den Halbsäulen hier also ist das
V erhältniss für letztere noch ungünstiger , und es ist klar,dass
dadurch bei den Säulen der Eindruck der in der That vo rhandenen grösseren Schlankhei t noch verstärkt wurde . Also die
erhaltenen Theile deuten vielmehr auf ged rucktere Verhältnisse
bei den Halbsäulen und lassen es a ls ganz unglaublich erscheinen,
dass diese trotz ihrer geringeren Stärke sich zu gleicher Höhe
mit den Säulen erh oben haben sollten .
Es mag noch erwähnt werd en,dass die Säulen und Halb
säulen des Tribunals,ohne Zweifel alle von gleicher Höhe
,keine
Verschiedenheit der Stärke zu Gunsten der Säulen zeigen . DreiCanne lüren messen an den letzteren am Fuss
,ohne Stuck
,
an den Halbsäulen der Seitenwände mit dem ziemlich dünnen
Stuck diese sind also eher etwas starker an denV iertelsäulen der Rückwand an der ersten Ha lbsaule von1. an den anderen Auch hier haben die Halbsanlen 1 1
,die V iertelsäulen 6 , die Dreiviertelsäulen 1 6 Cannelüren .
Meine Messungen ergeben,dass j e 3 Cannelüren bei den
grossen Säulen sie haben deren 20 ohne Stuck
betragen,bei denen d es Einganges und den Halbsäulen
nur ganz unten kommt m an einzeln auf an der Halb
säule rechts am Südeingang,an dem Fuss aus Tuff
,wo also
genaue Arbeit und. genaues Mass vorauszusetzen ist,kaum auf
Der Durchmesser der grossen Säulen c . über der Basis istziemlich constant der der Säulen am Eingang d a s
Mass der Durchmesser ist sicherer und brauchbarer als das der
seh r zerstörten und nicht eben gleichmässigen Canne lüren .
Die Säulenstellung (Interco lumnium Durchmesser) steht
in der Mitte zwischen dem Eustylo s und dem Dia stylo s (Interc.
resp . 3 Durchmesser) des V itruv (III, 3 , 4 . Bei j enemwar nach demselben die Höhe der Säulen gleich bei diesemgleich hier als o vermuthlich etwa gleich 9 Durchmessern .
1 72 Cap ite l V II .
Bei einer solchen Höhe wurden die grossen Saulen die
Eingangs und Halbsäulen hoch gewesen sein : die Differenz
wird um grösser,wenn man mit M a zo is kori n
thisch e Cap itelle für die grossen Säulen annimmt ; denn da
(V itr . IV,1,1 ) das korinthisch e Cap itell gleich dem Durch
messer,das i onische gleich Durchmesser ist, s o haben wir
Durchmesser hinzuzufügen .
Waren aber die Säulen und Halbsäulen nicht von gleicher
Höhe,s o i st die Annahme eines auf ihnen ruhenden oberen Um
ganges hinfällig .
2 . Ein Aufgang zu einem oberen Umgang ist nicht vor
handen . Ganz abzusehen ist hier natürli ch von der auf die
F o rum sp o rticus führenden Treppe an der Südostecke der Basilica :
sie ist,wie Schöne S . 1 98 richtig bemerkt
,erst später an die
Basilica angebaut,nachdem dieselbe bereits auf der sud lichen
Aussenseite ihren Stucküberzug hatte . Dagegen kommen zwei
Punkte in Betracht : der kleine Raum südlich neben der Vorhalle,
zwischen dieser und der erwähnten Treppe,und gewisse Reste
auf der Westseite .Hier° nämlich sah Schöne (S . 203) „ungefähr in der Mitte
zwi schen der (No rdwest-)Ecke und der ersten Tribuna lwand“
(d. h .
der Nordwand des nördlichen Trepp enraum s) „drei Stufen
,welche
sich weiter fortgesetzt zu haben scheinen ; endlich fo lgt , der
zweiten Tribuna lswand ( d . i . der Nordwand d es eigentlichenTribunals) ungefähr entsprechend , ein an die Wand angelegter,ziemlich quadratischer Pfeiler von gelblichem ziegelfö rm igem
Tuff,welcher auf der Nordseite eine rechtwinklige Rinne nach
Art der Wa sserleitungspfeiler hat“
. Schöne hält es nicht für
unmöglich, „
dass hier eine Treppe nach dem Obergeschoss ge
führt hätte,vor allem nach der Decke des Tribunals
,von de r
dann Treppen in die schmalen Seitenräume herabführen konnten “.
Hiermit bri ngt Schöne eine Notiz der R a p p o r t i in Verbindung,
wo unter dem 2 7. Febr . 1 81 4 berichtet wi rd : a l l a B a s i l i c a s i
e i n c o m i n c i a t o a v e d e r e d a l l a p a r t e d i p o n e n t e u n a
s c a l a c h e a s c e n d e v a s u l p o r t i c o , i l q u a l e c i r c o n d aq u e s t o e d i fi z i o ; r e s t a qu e s t a d a l l
’ a l t r a p a r t e d i q u e l l a
t r o v a t a p o c h i m e s i f a e c h e s e r v i v a a l l e s t e s s o u s o
(d . h . die Treppe an der Südostecke der Basili ca) . Diese An
1 74 Cap ite l V II.
findet sich auch nicht no rd lich,wie es bei Nissen a . a . O . heisst
,
von den drei von Schöne gesehenen Stufen,sondern südlich
,
gehört endlich nach Materi al und Const ruction einer wesentlich
j üngeren Zeit an,als die Basilica
,wenn gleich Nissen mit Unrecht
die Verwendung des gelben Tuffs auf die letzte Zeit Pompej i’s
hat beschränken wollen . Eine Treppe aber,welche
,an d em
von Schöne bezeichneten Punkte beginnend,den Oberstock der
Basilica oder des Tribunals erreichen sollte,musste sich mit
ihren Unterbauten weit über diesen Punkt erstrecken : a lso als
der besagte Pfeiler gebaut wurd e,bestand eine solche Treppe
nicht . Uebrigens hat schon Callot (Ma zo is IH ,S . 39) hier
eine Treppe (zum Tribunal) angenommen , welche er an ebendiesen Pfeiler anlehnen wollte . Gau verwirft diese Annahme
,
weil dadurch die nur 7 Fuss breite Strasse die Hälfte ihrer
Breite verloren haben würde,und wei l auf dem (mir nicht be
kannten) Plan Dona ldson’ s ( l e p l a n d e l
’
o uv r a g e d e M . D o
n a l d s o n ) dort, wo die Treppe sein müsste , Stra ssenpfla ster ver
zeichnet sei . In der That bleibt zwischen den von Schöne
bemerkten vermeintlichen Stufen und der gegenüber liegenden
Mauer ein Zwischenraum von nur M .
An der fraglichen Stelle,wo einige Steine sichtbar waren
,
deren Zugehörigkeit zu einer Treppe mir von Anfang an sehr
zweifelha ft erschien,liess im October 1 878 auf die Bitte Herrn
Sikka rd’
s,den ich um Anfertigung der auf Taf. II veröffent
lichten Zeichnung ersucht hatte,der Director der Ausgrabungen ,
Herr M . Ruggiero,mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit nach
graben,und es ergab sich mit voller Sicherheit
,dass hier keinerlei
Reste einer Treppe vorhanden sind Am Fuss der Mauer der
Basilica ist aus Gusswerk eine ebene Fläche hergestellt,welche
vermuthlich einst das Stra s senpfla ste r trug . Auf dieser Gusswerk
fläche la gen theils unregelmässig neben einander,theils über
einander,einige Stücke Kalkstein (auf der Tafel mit t bezeichnet) ,
welche keine Aehnlichkeit mit einer Treppe , wohl aber grosse
mit den weiter oben zur Restauration verwandten Steinen haben :
es ist äusserst wahrscheinlich,dass sie eben damals hierher ge
Ich war dama ls n i ch t mehr in P ompej r und verdanke d ie fo l gendenNo t i zen Herrn Sikkard d ie Genau igke i t derse l ben habe ich j etz t ( 1 879) verificirt.
Die Bas i l ica . 1 75
kommen und liegen geblieben sind . Denn es war ersi chtlich,
dass diese Partien sch on früher einmal a ufgegraben wa ren .
In dem kleinen Raum südlich der Vorha lle verzeichnet M a zo isTreppen
,und in der That scheint der Raum einzig dazu geeignet ;
Schöne hebt j edoch selbst hervor,da ss m an nicht sieht
,wie eine
solche Treppe zugänglich war . Ein Zugang is t nun frei lich vor
handen,wenn gleich ich nicht finde dass schon j emand ihn bemerkt
hätte : ein in seinen oberen Theilen zerstörtes Thürchen,c . über
dem Boden der Vorhalle,ganz am Anfang der linken Seitenwand
,
zu dem man also mit einer Leiter aufsteigen musste. Es ist
ohne weiteres kla r,dass dies nicht der für d a s Publikum be
stimmte Aufgang zu einem oberen Umgang sein kann ; wohl
aber konnte hier eine enge Treppe sein,um den Dachraum zu
besteigen : eine Vorrichtung,deren N o thwend igkeit Schöne (S . 202 )
hervorhebt . Wenn wir aber mit Recht eine solche hier erkennen,
s o beweist sie gegen einen oberen Umgang ; denn , wäre ein
solcher vorhanden gewesen,s o würde m an doch von diesem
,
nicht vom unteren Raume aus,den Dachraum bestiegen haben .
3 . Die ausserordentliche Hohe und Stärke der Säulen haben
wir schon für die Bedeckung des Mittelraumes geltend gemacht ;sie spricht aber eben s o sehr gegen die Existenz eines oberenUmganges . Zunächst wird durch sie die für den letzteren an
geführte Autorität V itruv’
s hinfällig . Es geht zwar aus seinen
Worten (V, 1 , 5 ; VI , 5 , 9 ) hervor , dass er einen oberen Um
gang in der Basilica als etwas ganz gewöhnli ches betrachtet,
zugleich aber auch,dass dann ganz andere Proportionen üblich
waren,als sie hier vorliegen . Die Höhe der Säulen soll der
Breite der Porticus gleich sein : hier i st diese während die
Säulen doch wohl mindestens hoch waren . In V itruv’
s
Basilica in Fanum zwar waren die Säulen 50' hoch , während
die Porticus nur 20' mass : aber hier hatten Säulen und Porticus
nichts mit einander zu thun : das Dach der letzteren ruhte auf
eigenen,an die Säulen angelehnten
,2 0' hohen Pilastern ; die
gleichartigen Pilaster des oberen Umganges massen s o
dass auch dieser noch von den Säulen überragt wurde und oben
zwi schen den letzteren das Li cht in den Innenraum fiel .
Wir dürfen,wenn der Mittelraum bedeckt
,und wenn mit
Rücksicht auf ihn die Höhe der Säulen bemessen war,die
1 76 Capite l VII.
Autori tät Vitruv’
s eher gegen den oberen Umgang in’s Feld führen .
In der von ihm gebauten Basilica war der Mittelraum 60' breit,
di e für ihn berechneten Säulen 50' hoch,das V erhältniss i st a ls o
wi e Die Breite des inneren Raumes der pompej anischen
Basilica ist ziemlich 4 0' oskisch zwi schen den Säulen
basen,wie bei V itruv i n t e r c o l umn a s ) ; die Säulenhöhe be
rechneten wir approximativ zu d. i . etwa 35 ' oskisch . Alsodas V erhä ltn iss ist hier s o ziemlich und weicht schon von
d em,welch es V itruv einhielt
,zu Gunsten der Säulen ab . Rechnen
wir nun aber noch Zwischengesim s und obere Säulen hinzu
zusammen doch wohl nicht viel weniger als 20' s o übersteigtdie Säulenhöhe die Breite des M ittelraums und. verhält sich zu
ihr wie 1 1 8,ein nicht nur den Angaben V itruv
’
s wider
sprechendes,sondern auch an sich ubertriebenes nnd unglaub
liches V erhältniss .
Kurz : um der P o rtiken willen sind,wie schon oben erörtert
wurde,diese gewa ltigen Säulen nicht gemacht ; sie erklären sich
nur durch die Beziehung auf den Mittelraum,aber auch so nur
unter der Voraussetzung,dass sie keine obere Säulenstellung
trugen ; mit dieser liess sich eine genugend e Höhe in weit weniger
kostspieliger und sicher dem Geschmack j ener Periode besser
entsprechender Weise erreichen .
Wenn im vorhergehenden die Beschaffenheit d er Säulen
gegen das Vorhandensein eines oberen Umganges geltend gemacht
wurde,s o geschah dies nur theils von Seiten des ästhetischen
Eindrucks,der Richtigkeit der Verhältnisse
,theils mit Beziehung
auf die Angaben V itruv’
s . Doch kommt hier noch anderes in
Betracht . Es wurde schon bei Gelegenheit der Frage nach der
Bedeckung des Mittelraumes angedeutet,dass die aussero rd ent
li che Stärke der Säulen auch dadurch m o tivirt sein dürfte,dass
sie bestimmt waren den Dachstuhl zu tra gen oder doch zu
s tützen . Es ist aber klar,dass sie diesem Zweck nicht dienten ,
und als o in dieser Beziehung ihre Stärke verschwendet war,s o
wie eine obere,viel schwächere Säulenstellung zwischen s ie und
den Dachstuhl eingeschoben war. Die weitere Verfolgung dieses
Gesichtspunktes wird uns zwingen,di e Fragen , welche wir an
die Ruinen richten,etwas allgemeiner zu fassen . Wie haben
1 78 Cap ite l V II .
bis zur Hohe von c . erhalten sind oder zu M azo is ’ Zeit er
halten waren die von ihm (III pl . XVIII) verzeichneten RestederWand d eco ra tio n gestatten dies ziemlich genau zu berechnenohne dass sich von Fenstern eine Spur zeigte
,die Höhe der Halb
säulen aber von uns auf etwa 7‚1 1 veranschlagt wurde
,s o bleibt
kein genügender Raum für Fenster von solcher Grösse,dass ein
so ausgedehntes Gebäude durch sie genügendes Licht hätte er
halten können . Dann aber muss oberhalb dieser Halbsäulenstellung die Wand durchbrochen gewesen sein : in welcher Weise
,
um das zu beurtheilen müssen wir untersuchen , was von d enin der Basilica gefundenen Tuffsäulenfragmenten zu halten sei .
Dass dieselben der Basilica angehören,ist mehr als wahr
scheinlich . Zunächst,wie sollten sonst diese unter sich ganz
gleichartigen,offenbar e i n e m Gebaud e angehörigen Säulenfrag
mente hierher kommen ? Sie sind ferner auch den Säulen des
Tribunals durchaus gleichartig und. zeigen endli ch ganz besondere
Formen,welche für ihre Unterbringung an der Basilica deut
lichen Anhalt bieten,es aber sehr unwahrscheinlich machen
,dass
sie anderswo verwerthet gewesen sein s ollten .
Besonders charakteristisch und für die Restitution des Baues
von hoher Wichtigkeit sind die Fragmente von Dreiviertelsäulen,
welche mit einem keilförmigen,aus demselben Stein gearbeiteten
Stück in die Wand,deren Abschluss sie bildeten
,eingefügt
waren . Und zwar diente die eine Flache dieses keilförmigen
Stücks zugleich als Wandfla che : sie setzt an dem Punkt, wo dieCannelüren aufhören
,als Tangente an
,i st glatt bearbeitet und
trägt eine feine,in wenigstens einem Falle zunächst der Säule
weisse,weiterhin roth gemalte Stuckschicht. Die andere Fläche
s ol lte in der Wand verb orgen sein : sie ist nicht bearbeitet und
läuft von dem Punkt,wo die Canne lüren aufhören , auf j ene
erste Fläche zu,um sich mit ihr in spitzem Winkel zu treffen .
Es ist nun klar,dass die Säule nicht vor die bearbeitete
,als
Tangente sich ihr anschliessende,wohl aber als Halbsäule vor
die andere,aus Mauerwerk hergestellte Fläche vertra t. Dies
hatte nur dann Sinn,wenn auf dieser Seite Halbsäulen an die
Mauer gelohnt waren , wie in der Basilica . Nehmen wi r alsomit Recht an
,dass diese Fragmente hierher gehören
,so haben
wir die letzterwähnte Seite a ls die Innenseite zu betrachten,
Dre Ba s i l ica . 1 79
und in der That finden wir hier zu ebener Erde ganz entSprechende Dreiviertelsäulen : an den beiden Vorderecken desTribunals
,mit dem s ie durch ein Mauerstück verbunden sind .
Dass diese Uebereinstimmung in einer doch nicht eben häufigen
Form zufällig sei,wird m an schwerli ch annehmen wollen
,viel
mehr i st nichts wahrscheinlicher,als dass über diesen zwei Säulen
am Tribunal zwei der erwähnten kleineren Säulen standen . Freilich aber werd en damit nur zwei derselben untergebracht
,wahrend
wi r das Vorhandensein von vieren (so viel Ca p ite lle und Oberenden von Schäften sind erhalten) consta tiren können , von deneneine nach rechts (von innen gesehen) , drei nach links hin ein
Wandstück abgeschlossen haben . Da aber ohne Zweifel eben
s o viele nach rechts wie nach links abschlossen , so dürfen wir
sechs solche Säulen für bezeugt halten . Das links vorne am
Tribunal liegende Dre ivi ertelcap itell hat einen etwas anderenM aueransa tz und. gebe rt zu der an die rechte Ante des Tribunals
angesetzten Säu le . Es lehrt uns,im Verein mit den erhaltenen
Säulenfüssen,dass di e Säulen des Tribunals und zwar die
d es unteren Stockwerks den in Rede stehenden ganz gleich
artig waren,s o dass es nicht möglich i st
,zu entscheiden
,ob
ein Fragment hier oder dorthin gehört,wenn nich t
,wie in
diesem Falle,die ganz besondere Stellung zu Hülfe kommt .
Sodann sind unter den Fragmenten vier Füsse von Halb
säulen und drei Ha lbsaulencap itelle , fern er das oberste Stückdes Schaftes einer Dreiviertelsäule
,welche j edoch die Wand s o
abschliesst,dass beide Flächen derselben mit der Peripherie den
gleichen Winkel bilden und eine die Mitte der Mauer repräsen
tirend e Fläche die Säulenaxe treffen würd e . Für die Halbsäulen wie für. die Dreiviertelsäule lässt sich in dem übrigen uns
bekannten Pompej i keine Verwendung finden,während auch sie
im Erdgeschoss der Basilica ihr Gegenstück haben : die Dreiviertelsäule in den beiden äussersten der vier im Eingang stehenden
Säulen,an deren j ede gegen die den Seitensch ifi
‘
en entsprechenden Eingänge hin einWand stuek genau in der bezeichneten Weise
angesetzt i st (Gau’s bei Overbeck wiederholte Ansicht der B a
silica,M a zo is III pl . XVI
,i st in diesem Punkte ungenau , der
Grundriss zeigt das ri chtige) .Ferner sind 1 5 Cap itelle von freien Sa ulen erhalten , von
1 2"
1 80 Capite l V II .
denen freilich zwei s o beschädigt sind, dass man nicht mit Sicher
heit sagen kann,o b sie nicht vielmehr den an erster Stelle be
sp ro chenen Dreivi ertelsäulen angehört haben , und Schaftfragm entevon mindestens 1 1 Säulen . Es sind also alle im Erd geschoss
vorkommenden Formen vertreten,mi t Ausnahme der gekoppelten
Ecksäulen . Diesen aber konnten in den Vorderecken einfache
V iertelsäulen entsprechen ; und in der That ist ein V iertel säulen
cap itell erhalten , welches freilich auch dem Tribunal angehören
kann. Nur für zwei Cap itelle lässt sich unten nichts entsprechen
des nachweisen . Von diesen ist eines ein Doppelsäulencap itell ,ringsum freistehend
,mit Ausnahme der Halfte einer Langseite
,
wo eine Mauer angesetzt zu haben scheint ; es liegt rechts vorn
am Tribunal . Das andere östlich am Sud eingang ist ein
P ilastercapitell , von dem man nicht recht sagen kann,ob es
von zwei oder drei Seiten sichtbar war. Dass alles di es zufällig
sein und die Säulenfragmente doch anderswoher stammen sollten,
wäre eine äusserst gewagte Annahme : gehören sie aber der
Basilica an,s o bieten sie für die Restaurati on derselben ein
wichtiges und noch keineswegs ausgenutztes Material .
An sich wäre es nicht gerade unmöglich , dass di e ver
schiedene Höhe der Saulen und Halbsäulen einfach der Schrä
gung des unmittelbar auf ihnen ruhenden Daches entspro chenhätte. Die Neigung des Daches würd e dann etwa die
Länge der Dachbalken 1 4 Meter gewesen sein ; doch brauchten
ja letztere,in Anbetracht der in der Mitte zwischen First und
Seitenwand stehenden Säulenreihe,nicht aus einem Stück zu sein .
Diese Annahme,auf den ersten Blick die einfachste
,muss so
fort verworfen werden , weil so die besprochenen Tufi’
säulen
fragmente keine Erklärung finden . Ausserdem würd en wir mit
dem Licht in ’
s Gedränge kommen , d a ,wie schon bemerkt
,die
Wand zwischen den Halbsäulen zu weit erhalten i st,als dass für
hinlängliche Fenster der Pla tz übrig bliebe .Die Seitenwand mus s noch höher gewesen sein als die
Halbsäulen mit ihrem Gebälk,und. muss in diesem oberen Theil
durchbrochen gewesen sein,um Licht einzulassen . Damit stimmt
das auf anderem Wege gefundene Resultat,dass von den Tuff
säulenfragmenten zunächst die Halbsäulen und die nur vor di e
eine Wandfläche vorspringenden Dreiviertelsäulen welche
1 82 Cap i te l V II .
zu ihrer Sta rke viel weitlauftiger stehen , das von V itruv (III ,3,1 0) für we itläuftige Säulenstellungen (a r a e o s t y l e s ) geforderte
V erhältniss,di e Höhe gleich 8 Durchmessern und berechnen wir
das Gebälk beider ebenfalls nach den V itruv schen Verhältnissen
(III, V, s o erhalten wir eine etwas grössere Höhe für die
Seitenwand :
grosse Saulen (mit korinthischen Capite llen)Gebälk
Danach wa re die Seitenwand um hoher gewesen,und da
di e Porti cus (bis zu den Centren der Säulen) breit ist,s o
würde ein das Geba lk der grossen Säulen mit der Seitenwand
verbindendes Dach eine Neigung von 1 0 0 gegen den Innenraumgeha bt haben . Dass die grossen Säulen korinthische Ca p itellehatten
,wie bei dieser Rechnung (mit M a zo is) angenommen wurde ,
i st mit Rücksicht auf di e obere Säulenstellung der Sei tenwände
wahrscheinlich : war es nicht der Fall,so wird dadurch di e Höhen
differenz und di e Neigung des supp onirten Daches noch grösser.
Ind es s dies V erhältniss,wenn es uns auch a ls wahrscheinli ch
erscheint,kann doch nicht als erwiesen gelten . Vielleicht war
die sich uns ergebende Höhend ifi"
erenz durch ged rücktere Ver
hältnisse,namentlich der unteren Halbsäulen
,vielleicht auch durch
erhöhtes Gebälk der grossen Säulen ausgeglichen,so dass letz
teres und das der oberen Halbsäulen die gleiche Höhe erreichten
eine sa chverständ igere technische Untersuchung wi rd hier vielleichtbestimmteres ermitteln können .
Wir nähern uns mit dieser Annahme der Restauration Ma
zois’ (III , pl . XVII . XVIII) . Auch nach ihm hatten die Seitenwände über dem Gebälk der Halbsäulen noch einen oberenWand theil
,aus dem gleichfalls Halbsäulen hervortraten ; zwischen
j e zwei Halbsäulen war ein hohes viereckiges Fenster . Die Ca
p itelle der oberen Halbsäulen erreichen die gleiche Höhe mit
Dre Ba srlrca . 1 83
denen der grossen Säulen . Auf den letzteren liegt zweierleiGebälk : ein niedri ges
,gleich dem der oberen Halbsäulen
,nach
der Seite der P o rtiken , ein ho heres , der Höhe der Säulen selbst
angemessenes,gegen den Mittelraum . Sowohl über diesem als
über den P o rtiken nimmt Ma zo is eine ca sse ttirte Decke an . Die
so entstehende Hohend ifferenz ermöglich t einen grossen , denganzen Hauptraum bedeckenden Dachstuhl .
So ohne weiteres kann nun diese Restauration keinenfa lls
a ccep tirt werden , sch on weil sie den erhaltenen Tufi°säulen
fragmenten keine Rechnung trägt : wir mussen sie zunächst dahinm o d ificiren
,dass die Durchbrechung des oberen Wand th eils s o
war,wie oben dargelegt wurde . Ferner ist doch die Annahme
wenig befriedigend,dass die grossen Säulen gegen die P o rtiken
nur ein niedri ges,den kleinen oberen Halbsäulen der Wand
entsprechendes Geba lk gehabt haben sollen . Lieber werden wir
annehmen,dass die Säulen von den Halbsäulen um ein weniges
überragt und die Differenz durch das Gebälk,welches über den
Säulen nach beiden Seiten gleich war,ausgeglichen wurde . Damit
verlieren wir nun zwar die für den Dachstuhl erforderlich e Höhen
differenz,doch konnte diese durch eine Aufmauerung über dem
Gebälk der grossen Saulen hergestellt sein .
Ferner : ein der ganzen Länge des Hauptraumes entsprechen
des,über der Ostfront und über den Säulen zwischen Haupt
raum und Tribunal durch Tympana abgeschl ossenes Dach istschwerlich anzunehmen ; schon deshalb nicht , weil dann die j e
zwei Mittelsäulen der kurzen P o rtiken nur dienten,diese vom
Mittelraum zu trennen,constructiv aber werthlo s waren
,was um
so bedenklicher ist , als durch diej enigen der Westseite in uner
wünschter Weise das Tribunal für den im Mittelraum stehenden
verdeckt wird .
Zu weiteren Bedenken führt der Versuch,die Ostfront
,gegen
das Forum, zu reconstruiren . Die Säulen und Dr°eiviertelsäulenderselben setzen die Halbsäulen der Langseiten fort ; sie sindihnen an Dicke und selbstverständlich a uch an Höhe gleich
,
mussten also auch in entsprechender Weise eine obere Säulenstellung tragen ; und wir sahen (S . dass eine Dreiviertelsäule erhal ten ist
,welche eben nur hier passend untergebracht
werden kann . Bedeckte nun aber ein grosses Giebeldach d en
1 84 Cap i tel V II .
ganzen Hauptraum,vom Tribunal bis zur Vorhalle
,so war es
unvermeidlich,dass eben hier
,dem Foru m zugewandt, ein Tym
panon lag,welches schon wegen seiner ausserordentlichen
Breite nicht ganz leichte und z ierliche Verhältnisse haben konnte .Wenn wir nun zu der Annahme gezwungen sind
,dass dies auf
einer doppelten Säulenstellung lag,deren obere Säulen noch
dazu verhältnissmässig leicht waren , s o ist dies si cher ein für
den Schönheitssinn sehr unbefriedigendes,auch j eder Analogie
entbehrendes Resultat . Und es bleibt nicht einmal die schlechte
Ausrede übrig,als sei dieser Uebelstand von dem nun einmal
aus anderen Gründen für zweckmässig befundenen Bauplan un
zertrennlich gewesen ; denn nichts hinderte den Architecten , hieran die Stelle der doppelten Säulenstellung eine einfa che zu
setzen,die Eingangsäulen an Dicke und Höhe nicht den Halb
säulen,sondern den grossen Säulen der P o rtiken gleich zu machen
und auf ihnen direct das Tympanon aufliegen zu lassen . Wir
werd en also wohl schliessen dürfen : weil hier eine doppelte
Säulenstellung war,s o war kein Tympanon
,als o auch kein bis
hierher reichendes Giebeldach . Hatte der ganze Hauptraum ein
gemeinsames Dach,s o muss dies nach allen vier Seiten geneigt
gewesen sein,s o dass die Lange des Firstes noch geringer war
als die des von den P o rtiken eingeschlossenen Mittelraumes .Hierbei ergiebt sich der Uebe lstand einer Dachtraufe über demHaup teingange , ein Uebelstand , der durch höhere Eingangsaulenund ein über denselben angebrachtes Tympanon leich t vermieden
werd en konnte .
Wenn wir also eine solche Construction nicht als unm o glichabweisen dürfen
,s o werd en wir doch wohl thun
,auch eine andere
Möglichkeit in ’
s Auge zu fassen,die nämlich , dass die m e d i an a
t e s t u d o nur den mittleren,von den P o rtiken eingeschlossenen
Raum bedeckte,diese letzteren aber ihr ge sondertes Dach hatten .
Eine solche Constructi on aber ergiebt sich von selbst,sobald
wirklich die Seitenwände,wie wir oben ausrechneten
,höher
waren als die Säulen mit ihrem Gebälk : das nach innen sich
senkende Dach der P o rtiken musste dann auf eben diesem Ge
bälk mit dem des Mittelraumes zusamm entrefl'
en . Letzteres
konnte vorn und hinten entweder in Tympana endigen,welche
auf d en Säulen der kurzen P o r tiken ruhten , oder auch hier ab
1 86 Capite l V II.
nung vollkommen genau is t,ausserdem aber einige Eigenthum
lichkeiten,die aus der Zeichnung nicht ersichtlich sind . Der
Dur chschnitt der Rinne bildet ziemlich ein Quadrat von
sie i st aus Incertum hergestellt und mit Ziegelstuck von geringer
Festigkeit bekleidet , an den von M a zo is bezeichneten Stellendurch Bassins von annähern d quadrati scher Gestalt unterbrochen :di e Seiten derselben va riiren von bis Und zwar bilden
sie mit der Rinne ein e igenthüm liches System : die letztere senkt
si ch nämlich von einem Bassin zum anderen,s o dass sie in j edem
derselben,mit Ausnahme der Endbassins
,an der Nordwest und
Südwestecke,und desj enigen an der Nordostecke
,eine Einmün
dung und einen höher liegenden Auslauf hat. Der Ausgangs
punkt dieses Systems i st nämlich eben das N o rd o stba ssin : von
da senkt si ch die Rinne gegen das nach Westen nächste,und
so weiter die Nordseite entlang bis an d a s Westende derselben,
andererseits gegen das südöstliche Eckba ssin und weiter bis zum
Westende der Südseite . Das N o rd o stba ssin i st tief,die der
Nordseite die der Südseite von Osten— 5 0 ; Die Rinne liegt da
,wo sie vom Nord
bassin ausgeht,s o h och , dass sie mit demselben sich nicht mehr
berührt,namentlich auf der Südseite ; sollte aus dem Bassin
Wasser hineinlaufen,s o musste der Boden wesentlich h öher sein,
als er j etzt erscheint . Sie ist bedeckt mit fragm entirten Ziegeln ,auf denen sich wiederholt der o skische Stempel 3 | F1Vfl » lN
findetDie Rinne also
,statt die Reconstruction des Gebäudes zu
erlei chtern,giebt uns nur neue Räthsel auf. Dies System der
immer von einem Bassin zum anderen sich senkenden Rinne kann
nur e i n e n Zweck haben : das Wasser,welches von der Nord
ostecke aus durch die Bassins hindurch an die Südwest und
Nordwestecke gelangte,wurd e unterwegs in den Bassins abge
klärt . Wo es a ber schliessli ch blieb,zu welchem Zweck es in
die Endbassins,welche keinen Abfluss haben
,geleitet wurd e
,
das bleibt räthse lhaft. Auf die Frage,wohin das vom Dache
kommende Wasser geleitet wurd e,giebt uns diese Rinne keine
Antwort ; denn durch das auf ein so grosses Da ch fallende Wasser
musste s ie in einem Augenblick überfüllt werden : selbst für dasWasser der P o rtiken allein würde sie nicht im mindesten genügt
Die Ba s i l ica . 1 87
haben ; und vor allem musste ein Abfluss da sein . Am aller
wenigsten kann natürlich eine nur breite Rinne mit quad ra tischem Durchschnitt einfach einer Dachtraufe entsprochenhaben
,zumal unter einer s o hohen Porticus ; ohne Zweifel würde
man für so lchen Zweck eine breite Tuffrinne gemacht,s ie auch
an allen vier Seiten herumgeführt haben : in dieser Beziehungbleibt das von Schöne (be i Nissen S . 201 ) gesagte vollkommenbestehen .
Was uber diese ra thselhafte Rinne allenfalls gesagt und
daraus geschlossen werden kann,i st folgendes . Da sie nach dem
gesagten zur Fortleitung des Wassers nicht dienen konnte,so
bleibt nur übrig , dass man zu irgend einem uns dunkeln Zweck
Wasser hierher,und zwar an die Nordostecke
,von wo d a s
System ausgeht,leiten und. durch dies ganze System abklären
wollte . Dann aber ist schwer anzunehmen,dass dies anderes
als Regenwasser gewesen sein sollte,und. wenn Gelegenheit war
,
an diese Stelle Regenwasser zu leiten,s o scheint das für die
in Rede stehende , von beiden Seiten auf das Gebälk der grossen
Säulen geneigte Da chconstruction zu sprechen . Für die Haupt
masse des Regenwassers musste dann freilich ein anderer Abfluss
vorhanden sein . Ind ess wird es gera then sein , allen aus einer
Vorrichtung so unklarer Bestimmung gezogenen Schlüssen ge
ringes Gewicht beizulegen,zumal die wenig solide Constructi on
und. die dürftige Beschaffenheit des Stucks ni ch t eben auf hohes
Alter deuten .
Fragen wir also von neuem,wohin denn bei der angege
benen Da chco nstruction das Regenwasser geleitet werden konnte,
so e rgiebt sich uns eine weitere Frage , die wir auch nicht beantworten können ; nämlich : gab es C isternen in der Basilica?
Eine scheinbare B runnenöffnung finden wir auf der Nord
seite,gegenüber dem Eingang : ein Ma rm o rstein ,
imQuadrat
,hoch mit runder Oeffnung von im
Durchmesser,die sich nach unten etwas erweitert ; um dieselbe
läuft ein etwa hoher breiter Rand,dessen Oberfläche
für die Aufnahme d es Putea l rauh bearbeitet i st . Es ist diesaber eben nur eine scheinbare B runnenöffnung und. liegt a uf
einem auch innerhalb der Oeffnung nicht unterbrochenen Paviment aus 0 p u s S i gn in um ,
welches drinnen rings am Rande d er
1 88 Ca pite l V II.
Oeffnung eine ringförmige Erhöhung hat : es geht daraus hervor,dass diese B runnenmündung hier schon lag , als das Paviment
gegla ttet wurde . Ein Bleirohr äusserer Durchmesser nicht
über senkt sich aus dem innéren schräg gegen Süden,
und kommt unten am Rande d es erhaltenen P avimentstücks,
hier etwas nach Westen geb ogen,zum Vorschein . Ein ähn
l ich geformter Stein aus Lava liegt weiter ö stlich auf demFundament der Säulenreihe ; auch hier ist keine Oeffnung ; vonPaviment ist hier nichts erhalten . Dasselbe gilt endlich von
dem Fragment eines dritten derartigen Steines,auch aus Lava
,
welcher dem letztgenannten gegenüber zwischen den Säulen der
Südseite liegt . Nun können zwar B runnenöffnungen aus s o un
scheinbarem Stein nicht wohl als blosse Zierde verwandt gewesen
sein ; doch muss uns j ene M arm o röfl°nung , die keinem Brunnen
entsprach und doch irgend einem Zweck diente,etwas miss
trauisch machen,und wir werden die Existenz von C istern en
,
welche d a s Regenwasser hätten aufnehmen können,nicht für
erwi esen halten dürfen . Nachgrabungen wurden hierüber Gew isshe it geben können .
Gab es keine C isternen,so bleibt immer noch die M o glich
keit,dass das Wasser irgend wie durch Röhren auf die Strasse
geleitet wurde .Also : diej enige Bestätigung fur eine Da chconstruction wie
die in Rede stehende,welche sich ergeben würde
,
‚
wenn wir
nachweisen könnten,wie für den Ablauf des Regenwassers
gesorgt war,ist nicht vorhanden ; andererseits aber ist eben so
wenig erweislich,dass die bezüglichen Vorrichtungen fehlten .
Es is t mithin möglich,dass das Dach die bezeichnete Form
hatte. Das Vorhandensein von Stirnziegeln aus der Basili ca beweist nicht dagegen : sie können dem nach hinten gesenkten
Dache des Tribunals und der beiden Seitenzimmer angehören ,und in der That wurd e einer
,ähnlich oder gleich dem einen
(pa lm ettenförmigen) der beiden bei Gell und Gandy (P o m p ej a n aTafel 50) abgebildeten , bei der schon erwähnten Nachgrabungauf der Rückseite der Basilica gefunden .
Waren aber doch Wand und Säulen gleich hoch,so konnten
die P o rtiken zuna chst mit einer horiz ontalen , vermuthlich cassettirten Decke versehen sein ; doch musste über derselben durch
1 90 Capite l V II.
Sä ulenba sen sind keineswegs einfach vertical und gleichmässig
bearbeitet,sondern der obere Rand (0 . tritt etwas weiter
zurück und ist in vielen Fällen deutlich glatter gearbeitet . Es
lässt dies kaum eine andere Erklärung zu,als dass nur dies
obere Stück bestimmt war,aus dem Fussboden hervorzuragen .
Wenn aber eine solche Absicht bestand,so scheint dieselbe nicht
zur Ausführung gekommen zu sein ; denn wenn wir sehen , dass
an der Säule links vom Südeingang die erwähnten Reste ganz
bis an den oberen Rand der Basis gehen,und hier noch gar
nicht einmal Signinum sind,s o wird es wahrscheinlich
,dass
hier,wie bei den Halbsäulen
,die unterste Hohlkehle im Sigu i
num verborgen war : es würde di es mit der Höhe der bei derB runnenöffnung erhaltenen Reste übereinstimmen .
Wie weit erstreckte si ch nun dieser s o hoch gelegene Fuss
boden ? Se viel i st klar,dass die P o rtiken tiefer lagen : das
Niveau der Eingänge,die S tuckbekleidung auf der Seitenfla ch e
der Stufe fur die Halbsäulen lassen da ruber keinen Zweifel auf
kommen . Da es nun nicht wohl denkbar ist,dass nur der Sty
lebat,auf dem si ch di e B runnenmündung befindet , durch eine
Erhöhung bezeichnet gewesen s ei abgesehen von allem a n
deren würd e man eine solche Erh ohung doch ohne Zweifel aus
Incertum ,wie die Stufe für die Halbsäulen
,mit den Fundamenten
zusammen aufgemauert haben so sehen wir uns zu der aller
dings seltsamen und überraschenden Annahme gedrängt,dass
der Mittelraum einschliessli ch des Styloba ts hoher lag als die
P o rtiken . Und dafür scheinen auch die dem Mittelraum zu
gewandten Stuckreste an den Säulenba sen zu sprechen,wenn
gleich diese auch allenfalls als Reste einer Stuckbekleidung auf
gefasst werden könnten . Einen höheren Fussboden scheint
auch die Basis vor dem Tri bunal vorauszusetzen,denn ihre
Seitenflächen bestehen erst etwa von der Höhe der Säulenba sen
an aus Tuffziegeln , weiter unten aus ganz unregelmässigem Incer
tum,welches namentlich nach Westen stark vorspringt, also doch
wohl als Fundament zu fassen ist. Freilich könnte es sich hier
nur um ein sehr j unges Paviment handeln : am Fuss der Basi sragt ö stli ch ein Fragment von einer j ener kleineren Tuffsäulen
hervor,und es scheint nähere Untersuchung wäre wünschens
we’
rth dass es schon da gelegen haben muss,als die Basis
Die Ba s i lica . 1 9 1
errichtet wurde . Endlich konnte in einem h o heren’
Fussb o d en
die oben besprochene Rinne m it dem Bassin an der Nordostecke
in Verbindung stehen : eine solche Verbindung ist j etzt nichtvorhanden
,und konnte nur oberhalb der j etzigen Oberfläche
stattfinden.
Diese Tha tsa chen , uber deren Zusammenhang für j etzt keine
genugend e Aufklärung gegeben werd en kann , mögen hiermitkurz erwähnt und der Beobachtung Mitfo rschend er empfohlen sein .
Von der Wand d eco ra tion der Basilica war schon oben kurz
die Rede. Sie zeigt im inneren die gewöhnliche Form d es ersten
pompejanischen Deco ra tionsstils,Nachahmung bunter Marmor
platten,in der Vorhalle und auf der Aussenseite im Süden
und Norden erhalten einen gelben Sockel,der durch einen
etwas vorspringenden Streifen von der oberen,weissen Wand
fläche getrennt ist : auch dies eine haufige Form j enes Stils .Durch neuen Stuck ersetzt ist diese Decoration namentlich auf
dem östlich des Einganges liegenden Stück der Nordwand . Hierist zunächst
,beginnend an der Holzverschalung der Thur
,in
einer Länge von der alte Stuck vom Boden an bis zurHöhe von entfern t und durch einen j üngeren rothen Stuck
ersetzt we rd en,welcher in der Mitte des bezeichneten Stücks eine
lange,c . hohe rechtwinklige Ausbiegung nach oben
hat . Die völlig geraden Linien,mit denen der alte und der
neue Stuck zusammentrefi‘
en,lassen keinen Zweifel
,dass der
erstere nicht durch die Zeit oder Zufall zerstört war,sondern
absichtli ch entfernt wurd e,um der Mauer einen zeitge
mässeren Schmuck zu geben . Von da nach Osten folgt in der
selben Höhe ein noch j üngerer Stuck,von hellerem Roth
,mit
zwei eben solchen Ausbiegungen nach oben , deren zweite derVorhalle entspricht : dass di eser zweite rothe Stuck jünger ist
als j ener erste,i st da
,wo sie zusammenstossen , deutli ch kennbar .
Dieser rothe Stuck bietet den einzigen Ort , wo die in denRa p p o r t i unter dem 1 0. Februar 1 81 4 erwähnten Malereien ge
wesen sein können : g r a n d i o s e a r c h i t e t t u r e g r o t t e s c h e en e l m e z z o d i q u e s t e d e l l e f i g u r e . Nach den Resten desornamentalen Theils der Malereien zu urth eilen kann es mit der
G rand io sität nicht weit her gewesen sein , doch ist es sehr wohl
1 92 Cap ite l V II .
denkbar,dass die durch die erwähnten oberen Ausbiegungen ge
bildeten grösseren Felder in der Mitte Figuren enthielten . Waren
diese auf den rothen Grund gemalt,so i st ihr in den R ap p o r t i
erwähntes Abfallen in Folge der starken Fröste wohl begreiflich,
da alles,was auf schon bemalten Grund aufgesetzt i st
,von ge
ringer Haltbarkeit zu sein pflegt .
Die durch diese j üngeren Malereien bezweckte V erschönerung galt nicht der Basilica
,sondern dem an’s Forum anstossen
den Theil der s t r a d a d e l l a M a r i n a : wir finden namlich den
rothen Stuck j enes ersten,dem Eingang zunächst liegenden Ab
schnittes in ganz gleicher Weise auch auf der gegenüberliegenden
Umfassungsmauer d es V enustemp els . Nur j ene Ausbiegungen
nach oben finden sich dort nicht ; theilweise zwar sind die betreffenden Theile zerstört
,doch war gegenüber der dem Forum
zunächst liegenden sicher keine vorhanden . Hier ist dieser Stuck
j ünger als eine den ersten Stil im itirend e,sicher aber einer
Späteren Periode angehörige Decorati on dieser Umfassungsmauer.
Dass die Basilica in o skischer Zeit erbaut sei , hat Nissen
aus den Massen zu erweisen gesucht . Da mir eigene sorgfältige
Messungen zu Gebote stehen und es wichtig ist,über die für di es
Alterskriterium anzuwendende Methode möglichst in’s klare zu
kommen,s o dürfte eine Revision der Frage
,welche bei Nissen
doch einfacher erscheint,als sie ist
,wohl am Platze sein .
Es ist hier wohl zu unterscheiden zwischen denj enigen Entfernungen ,
welche durch die dem Bau vo rausliegend en lo ca len
Verhältnisse von vorn herein gegeben waren,und denen
,welche
der Architect nach freiem Ermessen bestimmen konnte . Nur die
letzteren beruhen auf einer bei Anlage des Baues vorgenommenen
Messung,nur bei ihnen konnen wir darauf rechnen
,dass sie
wenn eben genau nach Mass gearbeitet wurde ein mehr oder
weniger einfaches Mass repräsentiren . Wenn dies trotzdem auch
bei den durch die Verhältnisse vorgeschriebenen Entfern ungen
der Fall sein sollte,s o hat es natürlich für den vorliegenden Bau
keine Beweiskraft,s ondern kann eben s o gut auf eine ältere ,
na ch °M a ss gemachte Disposition des Raumes zurückgehen.
Dass zunächst die Länge des ganzen Baues gegeben war,lehrt die auf j edem Plan erkennbare unregelmässige Gestalt des
1 94 Cap ite l V II.
Wichtig aber sind die Verhältni sse des grossen Hauptraumes .Zwar die Breite war auch hier gegeben : vorn hinten
dazu 2 Stuckbekleidungen , al so 0 . 87 ' was eher knappgerechnet i st (röm : 80
'
Die Länge ist auf der Nordseite auf der Südseite
bleibt also um 5 Zoll unter den von Nissen berechneten
doch liegt es allerd ings nahe , eine so vorzugsweise rundeZahl trotz diesem nicht ganz genauen Zutreffen für beabsichtigt
zu halten . Reduciren wir j edoch dieselbe Entfern ung auf
römisches Mass,s o erhalten wir auch hier eine von einer sehr
annehmbaren Grosse nicht weit entfernte Zahl : Und
wenn wir bedenken,dass von 80' nicht eben viel weiter
entfernt sind,a ls 1 99
' 7 resp . 2 ” von s o können wir,mit
einiger Abrundung der Zahlen,die Dimensionen des Hauptraumes
s o feststellen :
oskisch : 87 X 200
römisch : 80
Die Zahlen für sich geben hier keine Entscheidung : sie sind
eher dem römischen Masse günstig ; für das o skis che spricht nur
der Umstand,dass eben die auf ganz freier Messung des Archi
tecten beruhende Länge der eminent runden Zahl so nahe
kommt,und allenfalls die Erwägung
,dass auf die grössere
Distanz die Ungenauigkeit leichter eintreten konnte.
Es sei noch bemerkt,dass obige Masse bis an die e igent
li chen Mauern genommen sind , ohne Berücksichtigung der Stufe ,auf der die Halbsäulen steh en und der vor°springenden Lavaba sisder Ostseite . Man könnte aber auch Stufe und Basi s zur Mauer
und den inneren Raum bis an den Fuss derselben rechnen .
Wir erhalten s o fur die Länge
auf der Nordseite 1 98 ' 10 osk . 1 84 ' 8" rom .
auf der Südseite 199 ' 2 1 85 ' 2 "
und für die Breite vorn 82 ’ 4 " 76'6"
hinten 82'6 76
'
Da aber bei dieser Rechnung die Lange hinter 200’o sk . noch
mehr a ls bei j ener anderen zurückbleibt,auch die Differenz
zwischen der nörd lichen und südlichen Länge grösser wird,so
werd en wir wohl die erste Rechnung vorziehen dürfen
Wichtig ist ferner der vo n den Säulenreihen eingeschlossene
Die Ba s i l ica . 1 95
Raum,und die Langen der Säulenreihen selbst. Es fragt sich
,
wo hier die ma ssgebende,vom Arch itecten zu Grunde gelegte
Entfernung zu suchen ist . Zuna ch s t d a rf e s uns nicht einfallen,
etwa von der Breite der P o rtiken auszugehen,und den Mittel
raum a ls das alsdann übrig bleibende zu fassen . Ausser dem
oben über die Bedeutung d e s Mittelra umes gesagten seihier noch bemerkt
,dass die Breite der P o rtiken ungleich ist
die der Langseiten sind tiefer als die der Schma lseiten
Also auf die Säulenreihen selbst und den von ihnen
eingeschlossenen Raum kommt e s an . Wie ist nun hier zu
messen ? Auf Tuffstyloba ten älterer Bauten sind die Centren der
Säulen durch eingeritzte Linien bezeichnet : man konnte 1 ) dieEntfernungen der Centren der Ecksäulen fur die zu Grunde gel egten halten , wenngleich bei der c u r i a I s i a c a ein rundes Mass
sich erst dann ergiebt, wenn man die Säulen selbst mitrechnet .Da j edoch hier ein Stylobat
,auf dem die Entfern ungen hätten
aufgetragen werden können,nicht vorhanden ist
,so ist diese
Annahme wenig wahrscheinlich : die dann sich ergebenden Ma sse
sind im Folgenden der Vollständigkeit halber mit aufgeführt .Ferner kann m an sowohl 2
,am äusseren a ls 3
,am inneren Fuss
der Säulenba sen entlang messen : letzteres würde gut zu der oben
entwickelten Anschauung passen,dass der mittlere Raum der
Hauptra um war,mithin seine Verhältnisse fur den ganzen B au
massgebend sein mussten . Bei diesen drei Annahmen ergeben
sich folgende Zahlen .
Meter o sk isch romis ch
1 . 4 4 ' 8”x 1 60
'2 " 4 1 ’ 6" X 1 4 9
' 6"
2 . 4 9 ’ 1 1 " x 1 65' 5 " 4 6' 4 " X 1 5 3
' 8"
3 . 39 ' 6" X 1 5 5 ' 36' 8" X 1 4 4’
Es scheint nun weitaus das wahrscheinlichste,dass man
vor a llem darauf ausging,dem mittleren Hauptsaa l angemessene
Dimensionen zu geben,dass also von den unter 3 verzeichneten
Zahlen auszugehen ist. Um hier einfa che und überzeugende
o skische Masse zu gewinnen , müssen wi r eine kleine Abweichung
von den eigentlich beabsi chtigten Dimensionen annehmen ; wirmüssen die Summe der Breite etwas abrunden und erhalten so
die sehr annehmbaren Zahlen 1 5 5 . Um unparteii sch zu1 3
"
1 96 Capi te l VI I .
sein,mussen wir aber dasselbe Verfahren auch auf die rom ischen
Masse anwenden und zugestehen,dass 36' 8" von 36' nicht wesent
li ch weiter entfernt sind,als von 40. Dann aber werden
wir nicht leugnen können,dass die hier sich ergebenden Zahlen
36 X 1 4 4,welche genau dem V erhältniss entsprechen
,fast
noch grössere Ueberzeugungskra ft haben , als 40 x 1 5 5 . Man
könnte zu Gunsten derselben noch geltend machen,dass die
P o rtiken der Langseiten tiefer sind,a ls die der Schmalseiten
,
dass also ein Ueberschreiten der für den Mittelraum ursprüng
li ch beabsichtigten Brei te auf Kosten der P o rtiken auch in diesem
Um stand e eine gewisse Entschuldigung findet,während für ein
Zurückbleiben hinter derselben sich keine Erklärung geben la sst .Wenn wir aber auch bei der Kleinheit der Differenz auf solche
Erwägungen kein Gewicht legen wollen,so ist doch festzuhalten
,
dass sich für das römische wie für das o skische Mass die gleiche
Wahrscheinlichkeit ergeben hat .
Betrachten wir sodann die unter 2 aufgeführten Zahlen,so
nahern si ch auch hier die o skischen Masse den runden Summen1 65
,freilich mit Ueberschreitung um etwa einen halben
Fuss in der Länge,als o auf Kosten derj enigen P o r tiken
,welche
weniger tief sind als die anderen,während es doch nahe gelegen
hätte,sie
,als Eingangsraum und Raum vor dem Tribunal
,etwas
tiefer zu machen . Das römische Mass ist von 1 5 5 doch
allzu weit entfernt . Dass sich in o skischem Mass bei beiden
Berechnungen,2 und 3
,Summen ergeben
,welche runden Zahlen
sich in gleicher Weise nähern,der Art dass bei 2 die eine
,bei
3 die andere Dimensi on um etwa Fuss abweicht,während
bei römischem Mass nur 3 eine annahernd runde Summe ergiebt,beruht darauf
,dass die Breite der Säulenba sen (d . h . die auf
den P o rtiken rechtwinklig stehenden Seiten) constantbeträgt
,(1 . i . osk . ; röm . Da nun die Distanzen von
2 s o entstehen, dass zu denen von 3 zweimal diese Breite
a ddirt wird,s o ergiebt sich obiges Resultat von selbst :
1 5 5
5 0 1 65 72Dies zusammenpassen und gewissermassen sich ergänzen derMasse kann neben der 200' sich nähernden Länge d es Haupt
1 98 Capi te l V II .
Der Nordeingang ist weit
m . 7 ' 8" o sk . 7 ' rom .
der Südeingangm . 7' 5 " osk . 6
' rom .
Also hier haben wir keine Entscheidung .
Hingegen ist von den beiden äussersten Eingangen der Ost
seite der nörd li che genau 1 0' oskisch weit während der
südliche nur s o wenig von diesem Masse abweicht, dass
m an die Abweichung allenfa lls auf Rechnung einer kleinen Un
genauigkeit in der Ausführung setzen kann : natürlich ergiebt
sich hier kein einfa ches römisches Mass .
Die Ausdehnung der Front der Vorhalle la sst sich am Sud :
ende nicht ganz genau feststellen . Die Eingänge derselben haben
folgende Weite (von N.)m . 1 2 1 1 " o sk. 1 2 ' rom .
1 1 ' 5 1 0 Mill .) 1 0'
7"
1 1 ' 5 10 10'
8"
1 1 ' 3 6
1 3 ' 2 1 1'7"
Auch die Mauerstücke oder Pfeiler dieser Front geben kein
m e tro l o gisches Resulta t . Ihre Grösse is t (vo n N .)m . 6
'10" o sk . 10 Mill . ) 6 ' 4 " röm .
8 3" 9 9 9 Mill .)
- 7 = 3 ' —1 - 7079 1
8 4 8 1 1
(o ben
9 8 8 7
Dass sich bei den o skischen Massen die einfachen Brüche
V, ) öfter ergeben , ist doch e in sehr ungenügender Beweis,zu
mal die Ausdehnung des letzten Pfeilers sich nicht ganz genau
bestimmen lässt .Als Mauerd icke fanden wir am Nord eingang osk .
röm .
am Südeingang : osk . 8 Mill .) 2 ' 2 " rom . 9
wa s offenbar kein sicheres Urtheil e rm o glicht .Es ergeben sich also aus der Untersuchung der Masse fol
gende für o skis ch en Ursprung des Gebäudes sprechende Fa cten
Die Ba s i l ica . 1 99
1 . Die auf freiem Ermessen des Arch itecten beruhend e,
an 200' o sk . sich auffallend annahernd e Länge des Hauptraumes .
2 . Die Lange der langen und. kurzen Säulenreihen,welche
mit der Breite der Basen sich in so eigenthüm licher Weise er
gänzen , dass , j e nachdem man am ausseren oder inneren Fuss
derselben misst,das eine Mal die lange Reihe um Fuss die
runde Zahl überschreitet,das andere Mal die kurze um Fuss
hinter ihr zurück bleibt . Daraus ergab sich auch die einfache
Theilung des Querdurchschnitts : 87 39 (2 x50 37 .
3 . Die Weite der beiden Osteinga nge , deren einer genau 10'
misst,der andere dies Mass nur wenig überschreitet.
Hingegen kann zu Gunsten der römischen Masse angeführt
werden :
1 . Die an 1 85 sich stark annähernden Dimensionen
des Hauptraumes .2 . Die von 36 x 1 4 4 (1 4 ) nur wenig abweichenden Masse
der Säulenreihen .
Mag also immerhin die Entscheidung eher zu Gunsten des
o skischen Masses ausfallen,s o kann doch von einem so zwingen
den Beweis,wie ihn Nissen (S . 1 95 ) hier zu finden glaubt
,nicht
die Rede sein . Die auch auf rom isches Mass reducirba ren
Grössen d em o nstriren deutlich genug,dass
,wenn einmal
,wie
hier,auf genaues Zutreffen einfacher Masse verzichtet werd en
muss,das von Nissen gelegentlich angewandte Argument
,der
gleichen konne nicht ein Werk des Zufalls sein , von geringem
Werthe i st.
Capitel VIII .
Einige der Basilica gleichzeitige Bauten.
Von der charakteristischen Bauart der Basilica war oben
die Rede . Wenn wir nun dieselbe , namentli ch die eigenthüm liche ,seltene Eckenbild ung , an einigen anderen , aus gleichem Incertum
aufgeführten Bauten finden,so dürfen wir wohl ohne zu grosse
Kühnheit auf wenigstens ungefähre Gleichzeitigkeit schliessen . Der
s o entstehenden Gruppe gehören ausser der Basi lica noch fol
gende Gebäude an : der Jup itertemp el , die alten Theile des grossen
Theaters,die M auerthürme
,oder wenigstens eine Anzahl der
selben,und gewrs se Theile der Thore . Von der Basilica ist eben
ausführlich gehandelt we rd en ; untersuchen wir nun nach einander
die übrigen hier in Betracht kommenden Bauten .
l . Der Jupitertempel .
Ob der Jupitertempe l auf dem Forum nach o skischem oder
nach römischem Fuss erbaut is t,lässt sich aus den Massen des
selben nich t entscheiden . Nissen (S . 90) glaubt den o skischen
Fuss erkennen zu können,und führt dafur folgende Masse an :
1 . untere Treppe
2 . obere Treppe 8 '
3 . Vorhalle breit 5 4 '
4 . Vorhalle tief 4 4 '
5 . Ce llam auer (Vord ermauer) 3 ’
6 . Ce l lathür 1 6'
202 Cap ite l V II I .
uns an die rechte Seite halten mussten . Wo aber die Ausfuhrungso ungenau ist
,dass die Seitenlängen von der mittleren
,nach
Nissen der beabsichtigten,um7—8 Centim . abweichen
,da ist
eine metro logische Folgerung nur dann erlaubt, wenn es sich um
eine vorzugsweise runde Zahl handelt ; eine solche aber ist 44
nicht. Also auch 4 strei chen wir aus der Liste der beweis
kräftigen Zahlen . Auch in römischen Massen ergiebt sich nichts
rundes .
Also weder die Treppe noch die Vorhalle liefert einen Be
weis nach der einen oder anderen Seite .
5 . Namentlich überzeugend scheint die 3 Fuss dicke Cella
mauer : Mauerdicken geben j a besonders häufig ein m etro logisches
Resultat . Doch ist zu bemerken,dass unten
,wo man am ehesten
erwarten so llte,das beabsichtigte Mass zu finden
,di e Mauer
dick ist ; weiter oben freilich mass auch ich
letzteres 3 ’ osk . In römischem Mass ergiebt sich keine an
nehmbare Grösse . Immerhin mag _ diesem Mass einiges Gewicht
beigelegt werden .
6 . Cella thür genau Dreimalige Messung ergab
aber bis o sk . ,was keine überzeugende Grösse
i st. In römischem Mass i st die nächs te runde Grösse 1 5 '
eine Ungenauigkeit von 2— 3 Centim . ist in der Thürweite doch
wohl hinreichend,um die Beweiskraft aufzuheben . Allenfalls
mag also für das o skische Mass angeführt werden .
Die Masse der Cella sind genau folgende7 . B reite vorn
hinten8 . Tiefe rechts
links
Es ist also in der Breite Nissen’s Mass,
um 7—10 C tm .
3 —4 " überschritten . Die Reduction auf romisches Mass ergiebt
4 1 ' resp . als o keines von beiden stimmt in überzeugen
der Weise . 5 7 osk . würd e,wenn es auch richtig wäre ,
ohne Beweiskraft sein ; d enn ist 5 3 ' röm .
,und keine
der beiden Zahlen ist uberzeugend er als die andere .
9 . Der Raum zwischen der Rückwand der Cella (diese eingerechnet) und der des ganzen Gebäudes ist (nichtt ief : ein Ma s s
,welches näher an röm .
,a ls an
Ein ige d er Ba s i l ica g le i chze i t ige Bau ten . 203
5 ' osk . liegt . Ohne die starke Zwischenmauer erhalten
wir c . 3 ' 5 " osk . 3 ' 2 " röm . : beides keine irgendwie
überzeugenden Grossen .
10. Die Stärke der Rückmauer ist reichlich Nissen
muss am Ostende gemessen haben , wo s ie von aussen beschädigt
ist ; aber liegt näher an 2 ' röm .
,als an irgend einer
annehmbaren Grösse o skischen Masses .
Die Breite des Naos einschliesslich der Seitenmauern be
rechnet Nissen S . 362 auf 4 4 + 6 von der Voraussetzung
ausgehend,dass die Seitenmauern an Dicke der Vordermauer
gleich sind. Die Seitenmauern ruhen auf Quadern,welche nach
aussen um bis vor die Mauern vorspringen : die Erhal
tung des Stucks verhindert eine genauere Bestimmung . Die
Entfern ung der Rander dieser Quadern von einander entspricht
der Breite der Vorhalle,
also Breite des Naos mit den
Mauern — c. was von 50’o sk. um
abweicht. Doch soll die Möglichkeit,dass dies d a s beabsichtigte
Mass war,nicht geleugnet werden . Die Mauerd i cke stellt sich
2uns auf was der unteren Dicke der Vorder
mauer ziemlich genau entspri cht .Die Breite des Unterbaues findet Nissen durch Subtraction
der beiden Flügel des Forums neben dem Tempel von d er Ge
samm tbreite desselben : eine
Rechnung,bei der wir uns doch nicht beruhigen dürfen . Wir
finden die Breite des Unterbaues,indem wir zur Breite der Vor
halle,
die doppelte Entfernung vom Rande der Quadern
derselben bis an ein am Rande der Stufe am Fusse des Unter
baues errichtetes Loth,
a d diren : 61 ' 9 " osk .
5 7 4 " röm .
Bei Berechnung der Ge samm tlänge auf Grund von Messungen
Schone’s lässt Nissen (S . 362 ) ausser Acht, dass der Unterbau hinterder Rückmauer der Cella noch um c . (ohne den Carnies) vorSpringt . Eine directe Messung des ganzen is t wegen der seitlichen Anbauten schwierig und unsicher . Wenn Schöne die Länge
der Cella bis zur Aussenseite der Frontwand und der Rück
wand zu gemessen hat,so kann diese Messung nur unter
erschwerenden Umständen ausgeführt sein und a uf vollkommene
204 Capi te l VI II .
Genauigkeit keinen Anspruch machen . Die Gesamm tlänge ergiebt si ch mir folgendermassen
untere Treppe rechts links
obere TreppeVorhalle
C ellamauer
Cella'
hinterer RaumRückmauer
Vorsprung des UnterbauesGesamm tlänge
Suchen wir nun die na chs tliegend en annehmbaren Grössen o ski
schen und. römischen Masses,s o finden wir :
oskisch,
1 2 5 ' romisch .
Ohne Zweifel ist hier di e römische Zahl annehmbarer. Auf
keinen Fall aber darf behauptet werd en,dass an diesem B au
der o skische Fuss von irgendwie deutlich hervortri tt ,
Der Unterbau (sein Profi l bei M azo is III pl . XXXV) bestehtaus vortreff li chem Incertum
,fast nur aus Lava
,mit gutem
,hartem
Mörtel,dessen Farbe etwas ins violette Spielt . Der Ablauf und.
die darunter liegende Stufe sind aus Lava , der Carnies aus Tuff.Besonders charakteristisch ist die Constructi on der Ecken . Die
selben bestehen aus quaderartigen Lava stüeken ,welche s o ge
legt sind,dass sie mit ihrer Länge sich abwechselnd nach der
einen und nach der anderen Seite erstrecken,sind also den Ecken
der Basilica ähnlich,nur dass die Steine hier grösser und. etwas
regelmässiger behauen sind. Kenntlich ist diese Bauart nur an
der Nordwestecke,da die Nordostecke beim Anbau des Bogens
zers tört we rd en ist .
Die Quadern,welche dem Oberbau als Grundlage dienen
,
sind unter der Ce llamauer auf der Westseite alle aus Lava,auf
der Ostseite in dem hintersten Theil Lava,weiter vorn Tuff
(doch ist der letzte noch unter der Cellamauer liegende Steinwieder Lava ) , in der Vorhalle Travertin . Die ganze Vorhalleist nämlich mit Travertin gepfla s tert , was vermuthlich auf einesp a tere Restauration zurückgeht . Dafur spricht schon die geringe
206 Cap i te l VIII .
übrigen aus ziegelfo rm igen Ka lks teins tucken , von gro sserer Hohe
als man sie sonst findet,aufgesetzt und mit der Wand nicht ge
bunden . Sie für j üngeren Ursprungs zu halten,ist kein Grund
vorhanden : s ol che Pilaster mussten hier von j eher sein ; die Tuff
füsse stimmen trefflich zu dem Charakter des ganzen Baues und
erinnern an die Halbsäulen der Basilica,welche auch a us ver
schied enem Material auf Tufffüssen aufgemauert sind. Die
beiden Anten der Vorhalle besteh en aus dem gleichen Incertum
wie die Mauern der Cella : von später Restaurati on (NissenS . 32 1 ) ist hier keine Spur .
Betrachten wir weiter den drei Cellen enthaltenden,zum
Tragen des Cultbildes bestimmten Einbau . Seine Seitenwände
beginnen hinten mit auf Tufffüssen sorgfältig in Cruma incertum
aufgeführten Pilastern . Der oberhalb der letzteren liegende Theil
der Mauer springt etwas vor die untere Wand (nicht die Pilaster)vor
,und man kann allenfalls noch erkennen
,dass hier im Stuck
ein Architrav gebildet war. Der untere Rand dieses V 0 1‘
Sp l‘ll l
genden Theils i st ein h ori zontaler B ogen,sehr sorgfältig aus
Cruma cons truirt,und zwar so
,dass die obere Flache der Steine
einen wirklichen Bogen bildet,während sie unten an den beiden
Enden so viel kürzer sind,dass hier eine horizontale Linie
entsteh t. Die vorderen Eckpila ster waren ebenfalls s orgfältig
aus ziegelfö rm igen Oruma und Ka lksteinstücken hergestellt .
Doch sind hier nur geringe,nirgends si ch über Höhe er
hebende Reste des alten Mauerwerks erhalten . Alles übrige
geht a uf eine späte Restauration zurück,die sich durch das bunt
gemischte und schlecht gefügte Material und den schlechten
Mörtel sofort zu erkennen giebt . Noch später sind dann die
vorderen Eckp ila ster gegen die Seitenwände d es Tempels zu um
0 . verstärkt we rd en . Die Vord erseite dieses Einbaues trug
in der letzten Zeit eine Marmorverkleidung,oder sollte sie er
halten,wie an den Resten der dicken M örtelunterlage zu erkennen
i st . Früher war die Vorderseite mit Stuck bekleidet und durch
zwei Pilaster (ausser den Eckp ila stern) getheilt : von dem Fusse
d es einen ist ein Rest zwischen der mittleren und ö stlichen Thür
sichtbar .Die Analyse der Bauart ergab uns eine grosse Aehnlichkeit
mit derj enigen der Ba silica : Incertum aus Lava mit dem treff
Einige d er Bas i l i ca gl e ich ze it ige Bau ten . 207
lichen harten Mortel der Tufi°perio d e ; Constructio n von Eckenund Bögen aus demselben Material
,welches hier auch
,ein
seltener Fall,für die Pfosten des Einganges verwandt ist ; da
neben vereinzelt auch Ziegel ; aufgemauerte Pilaster m it Füssenaus Tuff. Dagegen fanden wir
,abweichend von der Basilica
,
auch ziegelförm ig behauenen Tuff, Oruma und Kalkstein , ersteren
an einer Stelle,wo nicht zu ersehen ist
,was man damit ha t
bezwecken wollen .
Wir dürfen also im Jupitertempel nicht nur ein Geba ud eder Tufi°p erio d e , der späto skischen Zeit
,erkennen schon die
Tuffsäulen lassen hieran nicht zweifeln sondern auch ihn mit
der Basilica und. den ihr verwandten Geba ud en zusammenstellen ;und zwar wird er
,da die Verwendung von C onstructionsa rten
welche eigentlich der Tufl’
p erio d e fremd sind , hier weiter ve rgeschritten ist
,der Basilica gegenüber eher für j ünger als für älter
gelten dürfen .
Schöne macht (bei Nissen S . 32 1 ) die Bemerkung , dass man
„ in der Rückwand , besonders links neben den Kammern , einige
Quadern,vermuth lich Reste eines älteren Baues
,erkennt . “ Diese
Beobachtung nimmt bei Nissen (S . 32 0) die Gestalt an , dass dietechnische Analyse
„mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen
lässt,dass vord em ein älterer Quaderbau hier gestanden ha t “ .
Es muss dagegen bemerkt werd en,dass die wenigen Quadern
auf denen diese V ermuthung aufgebaut ist , aus Lava bestehen .
Lavaqua d ern ,sonst in Pompej i selten (Schöne bei Nissen S .
sind,wie Schöne bemerkt (S . 320f.) am Jupitertempel mehr
fach verwandt word en : zum Ablauf des Unterbaues,am Eingang
,
als Unterlage der Cellamauern . Nichts liegt also näher als die
Annahme,dass j ene Quadern in der Rückwand zum Zweck
eben dieses Baues gebrochen,und
,d a sie übri g blieben
,an der
Stelle,wo wir sie sehen
,vermauert we rd en sind . M a g also aus
apriorischen Gründen die Existenz eines älteren Baues an dieserStelle wahrscheinlich sein oder nicht
,der Tha tbe stand bietet
einer solchen Annahme nicht den mindesten Anhalt .
Die innere Decoration (publicirt bei Ma zo is III pl . XXXVI)i st zweiten Sti ls : Nachahmung von M a rm o rbekle idung durch
blosse Ma lerei auf der glatten Wand . Dass aber derselben erne
208 Capite l VIII .
Decorati on ersten Stils,des Sti ls der Tufip eri o d e , vorherging ,
dürfen wir um s o mehr vermuthen , als wir in dem seiner Bauart
nach o ffenbar j üngeren Aesculap temp el eine solche mit grosser
Wahrscheinli chkeit nachweisen konnten . Und auf diese ältere
Decoration dürfen wir vermuthlich einige Reste trefflichen alten
weissen Stucks auf der Aussenseite des Tempel s wi e des Unter
baues zurückführen . Am deutlichsten sind sie da,wo westlich
der Bogen,welcher den Zugang zum Forum bildet
,an den Tempel
angebaut i st,sowohl am Unterbau
,wo man sieht
,dass der später
formlose Carnies damals reicher und feiner p ro filirt war , als
am Eckp ila ster des Oberbaues . An letzterer Stelle ist das
höhere Alter des fraglichen Stucks ganz besonders deutlich : er
i st älter als der Bogen,welcher ihn hier wie auch am Unterbau
bedeckt,während der spätere Stuck des Tempels auf der Rück
seite deutlich a uf dem Bogen liegt . Am Unterbau finden sich
dann noch auf der ganzen Westseite B este,welche überall di e
reichere und feinere P ro filirung auch des Ablaufs zeigen .
Ferner wird auf die Decorati on ersten Stils der alte Stuck der
Säulen zurückzuführen sein,von dem nur geringe Reste oder
vielmehr Spuren erhalten sind . Es ist aber zweifell os,erstens
,
dass diese tief ausgehöhlten Cannelüren nicht auf di e j etzige
Stuckdecke berechnet waren,zweitens
,dass die Säulen nie roh
waren . Die Bearbeitung der Oberfl äche ist nicht der Art,dass
man dies voraussetzen könnte,sondern ganz so , wi e sie bei den
regelmässig für Stucküberzug bestimmten Tuffsäulen zu sein
pflegt,z . B . in der c a s a d e l F a u n o . Die alte Stuckdecke hat
hier weisse Kalkspuren zurückgelassen .
Die Decorati on zweiten Sti ls ist in der ganzen Cella mi t
Ausnahme des Einbaues erhalten . Ihr gehört aber der Sockel
nicht an ; er ist im dritten Stil gehalten , und es i st ganz klar ,z . B . am Nordende der Ostwand , dass er später angesetzt werd en
i st : d er; obere Theil endet nach unten offenbar mi t einem Bruch .
Der Stuck ist geringer und weniger glatt gearbeitet . Ein Rest
des alten Sockel s ist in der Nord westecke erhalten .
Die Vo rmauerung der Thür in der Nord ostecke der Cella
ist j ünger als die Decoration zweiten Sti ls,wie die hier erhal
tenen Reste j üngeren vi o lettro then Stucks beweisen . Dagegenwird sie von dem Sockel dritten Stils bedeckt
,welcher frei lich
2 10 Capite l V II I.
Es bleibt übrig,die Masse dieser a lten Theile darauf hin
zu prüfen,ob sie auf o skische oder auf römische Zei t weisen .
So viel ich sehe deutet nur die Breite der Scene auf o skisch es
Mass . Sie beträgt,einschliesslich der am 0 stlichen und west
lichen Eingange 2 ' röm . starken Mauer genau 1 2 4 ' oskisch
1 1 5 ' rom .) Nehmen wir nun an , dass eine ältere
Mauer 2 Fuss oskisch statt 2 Fuss römisch stark war , so mass
die Scene selbst genau 1 20 Fuss .
Breite des ganzen Baues vor der Scene
1 72 ' 1 1 " osk . 2 Mill . ) 1 60'
1 0" rom . 6 Mill .)Weite des Westeinganges :
9 ' 3" osk . 6 Mill . ) 8' rom .
Weite des Osteinganges dazu 7 —8 C tm . Stuck
bis 9 ' osk . oder 5 Mill .) 8' rom .
Mauerdicke an der Westseite des Westeinganges
6 ' osk . 5 ' 10" röm . 4 Mill .)ebenda an der Ostseite
4 ' 5 " osk . 5 Mill . ) 4 ' rom .
Mauerdicke an der Ostseite des Osteinganges weniger
zwei Stuckschichten von j e 0 .
6 ' osk . 1 C tm .) 5 ' rom .
ebenda an der Westseite weniger eine Stuckschicht von
c .4 ' osk . 4 ' rom .
Es ist klar,dass alle diese Masse keine Entscheidung
1) Nissen
’s Un tersu chungen uber d ie Thea ter und d ie um lregend en P o rtiken
(Cap . XV . XVI) s ind gan z bes onders d anken swerth und uberzeugend . Zu be
r i chtigen ist, da ss ke in Grund vo rl iegt , d ie Thüren ,
we l che aus d em o berenCo rrido r auf d ie P o rticu s d es griech ischen T empe ls fuhren , fur nachträgl ich durchgebro chen zu ha l ten (S . 2 4 7 d re Ausfül lung d er Verzahnung d er Z iege lpfo sten durch Netzwerk , während rm ü br igen d re Mauer au s Incertum b esteht ,ist ein Verfahren ,
we l che s d em B etra chter P ompey’
s auf Schri tt und Tr i tt be
gegnet . Ferner : d re kleine Ha l le m rt dre i ion ischen Säu l en , in we l che di ehin ter d er Buhne d es kle inen Thea ters zur Gladrato renka serne führende Stra ssemündet , i st n i ch t e ine blo ss e F o rtsetzung d er do r ischen P o rt icu s an d er Wes tse i te d es kle in en Thea ters l iegt au ch n i cht gan z in derselben L in ie ;d ie Mau er , wel che be ide trennt , ist n i cht mo dern
,wenn gle i ch j ünger als d ie
Deco ra tion sreste zwerten S t i l s auf d er Au ssense i te d es Thea ters .
Einc d er Ba s i l ica gle rc lrzert ig e B au te n 2 1 1
3 . Tlrrrrme , Mauer und Thore .
An den beiden ersten Thürm en o stlich vom He rculanerth o r
(XII und. XI bei Nissen , Ca p . XXI,
1,S . 4 62 ff.) muss zwischen
den unteren älteren,und den oberen
,j üngeren Theilen unter
schieden werd en . Das alte Mauerwerk ist sorgfältiges Lavaincertum
,nicht verschieden von dem der anstossenden Mauer
stücke,erhalten bis etwas über die Höhe der Mauer. Die Ecken
sind so gemacht wie in der Basilica. Die Wölbung der Thür,
welche von der Stadtseite in den unteren Theil des Thurm esführt
,i st aus Lava mit gro sser Sorgfalt hergestellt ; j edes Ende
ruht a uf einem grösseren,in die Dicke der Mauer hineingehenden
Lava stein . Auf diesen a lten Theilen,und nur auf diesen
,finden
sich ansehnliche Reste der Decorati on im Stil der Ba silica ; dass
diese eben nur den alten Theilen angehören,i st besonders deut
li ch am zweiten Thurm (XI) , wo sie bis hart an die Grenze
derselben hinangehen , dieselbe a ber nie überschrei ten .
Davon grenzen sich die oberen,j üngeren Theile a uf das
bestimmteste a b,schon durch den verschiedenen Mörtel . Hier
i st in zum Theil grossen Stücken alles mögliche Ma teria l ver
baut : Tuff Ka lkstein,Lava
,Ziegel
,Fragmente von Fussböden
aus o p u s S i g n in u m ,Fragmente feinen Strrcks
,letztere o fi°enba r
der Decorati on ersten Stils angehörig und den Trümmern der
alten Thürm e entnommen , aus denen diese Theile a ufgebaut sind .
An den Ecken sind ziegelförm ige Stücken Tuffs und anderer
Steine verwandt,so weit sie gerade vorhanden waren
,aber ohne
Regelmässigkeit und Genauigkeit . Das Ganze zeigt die grösste
Eilfertigkeit und Liederlichkeit . Die Bögen der auf die Mauer
führenden Thüren sind auf der Aussenseite doppelt : zu unterstsind drei w ohlbehauene Bogenfragmente aus Tuff zu einer Wö lbung zusammengesetzt
,darüber ein zweiter Bogen aus ziegel
förmigen Stücken verschiedenen Materia ls ; der untere Bogensteht auf g rösseren , in die Ma uer hinein , nicht aber ganz hin
durch gehenden Steinen . Na ch innen ist die Wölbung nur aus
ziege lförm igen Stücken , vorwiegend Tufl° gebildet.
Zur Zeit der Restauration,welcher diese oberen Theile ihr
Dasein Verdanken,wa r der dritte Thurm (X ,
Gell und Gandy1 4
"
2 1 2 Cap ite l V II I .
P om p e i an a,1 85 2
,pl . 1 6) wohl erhalten oder doch die Zer
störung weniger fortgeschritten . Hier gehört alles noch stehende
den a l ten Theilen an . Auch die auf die Mauer führenden Thürensind hier mit Lava überwölbt
,nach aussen mit grö sseren
,keil
förmig behauenen Stücken,nach innen mit kleineren Steinen
,wie
das oben erwähnte Kellerfenster der Basilica . Auch die Decora
ti on ersten Stils erstreckt sich hier auf die oberen Theile : an
der erwähnten Wölbung sind die einzelnen Steine im Stuck aus
gedrückt . In dem vor die Mauer vorspringenden Theil finden
sich seitliche Sch iesslo cher,auch sie mit dem Stuck derselben
Decoration verkleidet .
Wenn Nissen (S . 5 1 3) meint , die Thurm e seien eilfertig gebaut ,s o ist das durchaus auf die spätere Restauration
,der die oberen
Theile der beiden ersten Thürm e angehören , zu beschränken .
Die unteren Theile zeigen von Eilfertigkeit keine Spur,im Gegen
theil,die Glei chartigkeit des Materials
,die Güte der Arbei t
,
endlich die Anwendung der mühsamen,Ma rm o rbekle idung nach
ahmend en Decoration , alles dies spri cht dafür , dass diese Ar
beiten in voller Ruhe und ohne Uebereilung ausgeführt wurd en .
In ganz gleicher Weise ist noch der Thurm nord östlich vom
Amphitheater (VII) gebaut , und. auch hier ist die Decorati onersten Stils erhalten . Auch die Bauart zweier sehr zerstörten
Thürme,südwestlich am Amphitheater (V) und zwischen Ca
puaner und. N o lanertho r (IX) , i s t dieselbe . Bei beiden sind Restedes Stuckbewurfs erhalten , bei V auf der Westseite , nahe der
Südwestecke,bei IX auf der Nordseite ; und zwar scheinen die
Reste von IX dem ersten Stil anzugehören : es ist,wie es scheint
,
an einer Stelle der vertiefte Rand zweier Felder erhalten .
Andere C o nstructionsa rten zeigen sich bei den übrigen
Thurmon. Die Ecken von VIII (zwischen Sarn o und N o lanerThor) bestehen aus ziege lfö rm igem Haustein , und zwar zum Thei l
aus ziemlich grossen Ka lksteinziege ln , die Pfosten der Thür nachder Stadtseite aus Tuff und einzelnen Sa rno ziegeln . Das Incertum
aber hat den gleichen Charakter wie das der oben besprochenen
Thürm e . Ueber der Tuffwö lbung der Ausfa llspfo rte (nach Süden)ist ein Entla stungsbo gen in der bekannten Art des Kellerfensters
der Basilica aus Lava hergestellt, und in gleicher Weise sind die
Schie ssscharten überwölbt . In den Ecken von IV (zwischen
2 1 4 Cap ite l V III .
Von den Thü rm en werd en wohl die aus Lava incertum auf
geführten Theile der S tadtmauer,welche sich gro ssentheils eben
an die Thürm e anschliessen und ähnliches Mauerwerk zeigen,
nicht getrennt werd en dürfen . Nissen zwar kommt in Betreff
des dem Herculaner Thor zunächst liegenden Thurm e s zu einem
anderen Re sultat . Wir lesen bei ihm folgendes (S . 4 60
M . ehe man an den Thurm gelangt,beginnt oben auf
„der Mauer sich eine Bekrönung von drei Schichten Kalkstein
zu zeigen,welche vor dem Thurm wieder aufhört . Wo
„sie beginnt
,schneiden die drei Ka lksteinblöcke in senkrechter
„Linie ab
,und was wichtiger ist
,diese Linie setzt sich deutlich
„in der Lavam a uer fort ; j edoch nicht ganz bis zum j etzigen Boden .
„Hier muss also nothwendig einmal ein Ab oder Einschnitt ge
„wesen sein : derselbe rührt ohne Zweifel von der nachträglichen
„Hinzufügung d e s Thurm e s her ; denn man erkennt , dass der
„Thurm in ein nach gleichem Princip erbautes
,mit drei Kalk
„steinschichten gekron te s Lava stück später hineingesetzt wor
den ist . “
Diese Arg umenta ti on ist , auch an Ort und Stelle gelesen ,unverständlich und
,wie auch immer zu verstehen
,j edenfa ll s
unrichtig . Die bezeichnete senkrechte Linie schliesst d a s mit
drei Kalksteinschichten gekrönte Stück gegen Westen,nach der
dem Thurm abgewandten Seite,nicht gegen diesen ab
,hat also
mit seiner vermeintlich nachträgli chen Einfügung nichts zu thun .
Es geht ferner dieser Abschnitt nicht bis auf den Boden,sondern
nur bis etwa zwei Meter unter di e Kalksteinschichten . Da s untereMauerwerk aber hängt mit dem des Thurm e s ohne irg end welchen
Ansatz zusammen . Jene Linie is t s o entstanden,dass das an
den Thurm anstossende,mit drei Kalksteinschichten gekrönte
Stück gegen Westen mit einer Ecke sie scheint ähnlich
gebildet wie an der Basilica und den Thü rm en abgeschlossen
wurd e,dass aber dann westlich in gleicher Flucht
,ohne irg end
welchen Vorsprung zu lassen,daran angebaut wurde : es ist also
dies m it dem Thurm zuriächs t zusammenhängende Stück nicht
in einen Bruch hineingeflickt , sondern erst fertig gemacht und
dann die westliche Fortsetzung daran angesetzt we rd en . Einesolche Eckenbildung konnte wohl nur durch die Absicht ver
anlasst sein,dies an den Thurm s to ssend e Stuck d e co ra tiv vor
Ein ige d er Bas il ica g le ichze itrge B au ten . 2 1 5
springen zu lassen,vielleicht bis hierher die Stuckd eco ration
des Thurmes auszudehnen ; doch muss diese Absicht schon wäh
rend des Baues aufgegeben we rd en sein .
So dient diese Beobachtung vielmehr dazu,den Zusammen
hang der Thürme mit den Mauerstücken aus Incertum zu be
stätigen . Es sei n och bemerkt , dass gegenüber der M ercurs tra s se ,ö stlich vom Thurm XI
,ein sol ches Mauerstück nach der Stadt
seite eine Quad erwand zeigt . Dass diese gerade hier j üngeren
Ursprunges sei als anderswo (Nissen S . fur eine solche
Annahme würden sich vielleicht bei vollständigerer Kenntnissder Mauer Anhaltspunkte finden ,
fur j etzt fehlen dieselben
gänzlich,und es dürfte überhaupt gera then sein , einstweilen
über das V erhältniss dieser Innenmauer zur ursprünglichen
Aussenmauer und zu ihren Restaurationen kein Urthe il auszu
sprechen .
Dass auch die inneren,überw o lbten Theile des N o laner und
Stabianer Thors und die entsprechenden Theile der anderen,
weniger vollständig ausgegrabenen The re derselben Gruppe von
Bauwerken angehören,soll nicht mi t Bestimmthei t behauptet
werden,is t aber z iemlich wahrscheinlich . Auf die wesentlich
gleiche Beschaffenheit des Lava ince rtum s mag kein grosses Gewicht gelegt werden . Von der Bauart wird im zehnten Capitel
weiter die Rede sein . Die Ecken gegen die Aussenseite sindähnlich wie die der Basilica und. der Thürm e
,die Wölbung in
der mehrfach erwähnten Weise aus Lava gebildet ; nur die ober
sten Steine sind am N o laner Thor Tufl° : es sind dies nach innen
fünf grössere,mit dem bekannten Kopf und der Inschrift
,nach
aussen zehn kleinere,nach Art der Tuffziegel ; der Kopf kann
auch fur die Zugehörigkeit des The res zu dieser Gruppe ange
führt werden ,da er sich eben so an dem hierher geho rigen
grossen Theater findet. Die Reste der Stuckd eco ra tion gehören
offenbar dem ersten Stil an .
Es handelt sich nun darum,dieser Gruppe ihren chrono
logischen Ort zu finden .
Die Tuffsäulen der Basilica und des Jupitertempels , die
2 1 6 Cap i te l VII I .
Beschaffenheit des Mauerwerks,namentlich auch des Mortels
,
die Thürpfo sten a us Quadern,die in zweien sicher
,wahrschein
li ch in dreien dieser Gebäude erhaltenen Reste des ersten De
co ra tionsstils : alles dies weist deutlich auf die Tuffp erio d e . Und
damit stimmt der bekannte Gra ffito der Basilica aus dem Jahre
78 v. Chr .Wenn die Saulen und Halbsäulen
,sowie die gro ss ten Theils
aus Säulen bestehende Ostfront der Basilica,aus Ziegeln
,einem
im allgemeinen der Tuffp erio d e fremden Material , aufgemauert
sind,so erklärt sich dies aus den ungewöhnlichen Anford erungen
,
welche hier an die Hohe und Stärke der Säulen gestellt wurd en .
Eine Analogie bieten ferner die Ziegelsäulen des zweiten P eris tylsder c a s a d e l F a u n o und die der c a s a d e l L a b e r i n t o : auch
sie gehören aller Wahrscheinlichkei t nach der Tuffperio d e , oder
doch der Zeit des ersten Deco ra tionsstils an ; denn wären ihnen
ältere Tuffsäulen vorhergegangen,s o hätten dieselben doch nicht
spurlos verschwinden können . Auffallender i st die vereinzelte
Anwendung von Ziegeln zu Thurpfo sten im Jup itertemp el .
Auch die Verwendung ziegelfö rmige r Kalk und Tuffsteine
zu Ecken und Thürpfo sten ist der Tufl‘
p erio d e fremd . Die ähnlich geformten Kalksteine
,aus denen gewisse Pilaster im inneren
des Jupitertempels aufgesetzt sind,weichen durch ihre Grösse
wesentl ich von der sonst üblichen Form ab,und. können fast als
kleine Quadern bezeichnet werden . Hingegen sind in der Rück
mauer des Jupitertempels Tuffziegel vermauert werden , ohne
pra ctischen Nutzen , vermuthlich nur weil sie eben zur Hand
waren : sie beweisen aber hinlänglich,dass ihre Verwendung der
Peri ode , welcher diese Bauten angeb oren , nicht fremd war . Ausziege lförm igen Steinen fanden wir ebenda die Vorderecken desE inbaues gebildet . Endlich fanden wir Ziegel und ziegelförm igenHaustein
,getrennt und verbunden
,an einigen wahrscheinlich
hierher gehörigen Thürm en .
Wir werden also an die letzte Zeit der Tuffp erio d e zu denken
haben , eine Zeit , wo die späteren C ons tructio nsa rten schon sich
zu verbreiten begannen . Und wenn wir am Nord eingang der
Basilica und am Eingang des Jupitertempels nicht die in dieserPeriode s o belieb ten Pi la ster
,etwa mit figurirten oder sonstigen
Capitel IX.
Die ersten Bauten der römisclreu Colonie.
Schone und nach ihm Nissen haben darauf aufmerksam ge
macht,dass das Amphitheater
,d a s kleine Theater und die
F o rum stherm en offenbar e i n e r Peri ode,und zwar den ersten
Zeiten der römischen Colonie angehören . Im folgenden soll zu
nächst über die F o rum s therm en und d ie Ansichten Schöne’s und
Nissen’s in Betre ff derselben (Nissen Cap . V) einiges bemerkt,und sodann gezeigt werd en
,dass derselben Gruppe noch zwei
weitere Bauwerke angehören .
1 . Die Forumsthermen .
Dass das Frauenbad (auf dem Grundriss F , G ,H , I ) der
F o rum sthe rm en erst nachträglich zu der ursprünglichen Anlage
hinzugefügt werd en se i,hat Schöne schon in seinem Qu a e
s t i o n um P o m p e ia n a r u m s p e c i m e n (1 868) zu erweisen ge
sucht ; Nissen hält dies für zweifellos (S . Und doch steht
diese Annahme auf schwachen Füssen .
Wir sehen ab von allgemeinen Erwagungen ,wie die
,
dass di e sullanischen C o lonisten die a ltere o skische Thermen
anlage mit gesondertem Frauenbad als Vorbild vor Augen hatten
haben doch auch die Ausgrabungen der letzten Jahre eine grosse
Thermenanlage zu Tage gefördert,die kein Frauenbad hat
(Reg . IX ins . 4 . s . B u l l . d . I n s t . 1 877 S . 2 1 4 ff. 1 878 S .
Prüfen wir vielmehr genau den Tha tbestand,dem j a auch
Schöne und Nissen ihre Arg umente entnommen haben .
Die ersten Bau ten d er rom ischen Co lon ie . 2 1 9
Diese Arg umente namlich beruhen darauf , dass vermeint
lich erstens das Mauerwerk verschiedenen Charakter hat,zwei
tens dass man da,wo beide Arten Mauerwerk zusammenstossen
,
deutlich sieht,wie das ältere von dem j üngeren überd eckt
wurd e,drittens
,dass das Tepidarium im F rauenba d e Luftheizung
hat,also einen bem erkensw erthen Fortschritt des C omforts gegen
das derselben entbehrende Tepidarium des Männerbades zeigt .Endlich soll auch ein Blick auf den Plan die spätere Anfügung
lehren .
In engem Zusammenhang mit dieser Frage steht die vonNissen aufgestel lte V ermuthung ,
dass a uch der Säulenhof (A)j üngeren Ursprungs s ei (S . s ie gründet si ch darauf
,dass
die südliche und westliche Einfa ssungsm auer desselben die ver
2 20 Caprtel IX .
m eintlich j üngere C onstructionsa rt des Frauenbades zeigen,und
dass die Arkaden der P o rtiken aus gelbem Tuff errichtet sind,
einem Material , welches nach Schöne und Nissen erst in derletzten Zeit Pompej i ’s üblich geworden ist.
Hier ergeben sich nun sofort wunderliche Con sequenzen .
Dass bei Erbauung d es Männerbades auch dieser Hof angelegt
wurd e,is t durch die ihm östlich vorgelegte B o ttegenreihe (alter
Construction) durch die auf ihn mündende Exedra (f) , durch denim Grundplan liegenden hinteren Ausgang des Apodyteriums (8)doch wohl hinlänglich gesichert. Dass er ohne P o rtiken ge
wesen sein sollte,ist mehr als unwahrscheinlich ; diese können
aber nach Nissen nicht aus gelbem Tuff errichtet gewesen sein .
Eine südliche und westliche Umfassungsmauer kann ihm auch
nicht gefehlt haben,und dass der zwischen diesen und den
Strassen übrig bleibende Raum schon damals von B o ttegen ein
genommen war,kann nicht zweifelhaft sein . Dies alles aber
musste nach Nissen in demselben Mauerwerk wie die B o ttegenan der Thermen und F o rum stra sse unvollkommenes Lavareticula t erbaut sein ; denn was wir j etzt dort finden
,soll j a
eben durch die Verschiedenartigkeit d es Mauerwerks al s j ünger
erwiesen werden . Nun dürfen wir aber wohl fragen,wie denn
die ursprüngli chen P o rtiken ,die alten Umfassungsmauern und.
B o ttegen , wenn sie in j ener soliden Weise erbaut waren , so spur
lo s haben verschwinden können,da doch die Lavam auern auf
der Nord und Ostseite der Insel s o trefflich erhalten sind. Wenns ie auch schadhaft geword en waren
,s o war es doch , wie bei
Nissen (S . 31 ff.) seh r richtig hervorg ehoben wird , durchaus nicht
pompej anische Art,in einem solchen Falle t a b u l a r a s a zu
machen,sondern man benutzte die Reste s o viel wie irgend
möglich . Es wird sich also doch wohl verlohnen,obige Argu
mente einer ern euten Prüfung zu unterwerfen .
Sehr gra vire nd wäre es in der That , wenn das Mauerwerk
des Frauenbades deutlich das der vermeintlich älteren Theile
bedeckte und so sich als j ünger erwiese. Nach Nissen (S . 1 3 1 )soll dies in dem Vorraum bei den Oefen (der Eingang auf demPlan mit 0 bezeichnet) deutlich sichtbar sein : „
man erkennt in
der Westwand den alten sorgfältigen Bau mit Lavabruchstein,der dann von dem dicken Gusswerk des neuen Caldariums über
2 2 2 Cap ite l IX .
Und mehr noch ist die s n och weiter oben der Fall,wo auch
Oruma rei chlich verwandt ist . Als o keineswegs i st das Materialregell o s durch einander vermauert
,sondern mit gutem Bedach t
hat man,wie s o häufig
,zu unterst die Lava
,als besonders festen
Stein,gewählt
,dann den auch dauerhaften Kalkstein
,zu oberst
endlich das lei chteste und am wenigsten feste Material . Ganz
ähnliches Mauerwerk zeigt die Westwand des schon erwähnten
kurzen Ganges und des über ihm liegenden Raumes,endlich auch
die Südwand des Tepidari ums G : auch hier finden wir in den
oberen Theilen reich liche Verwendung von C rum a,welche
,
zwischen dem helleren Materia l (Tuff und Kalkstein) verstreut ,den Mauern ein ziemlich buntes Aussehen giebt . Nur wenig ab
weichend ist das Mauerwerk des kleinen Raumes,welcher in die
Nord westecke d es Hofes,zwischen die Westwand desselben und
die Südwand des Tepidariums (vielleicht nachträglich) hinein gebaut worden ist . Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt werd en
,
dass aus diesem Raum einst eine Thür (oder war es nur eine
Nische ?) in’s Tepidarium führte
,dann aber zugesetzt werd en ist ;
j etzt ist er nur durch eine auf dem Plan fehlende Thür von K
aus zuganglich . Ganz das gleiche Mauerwerk hat aber die Ost
mauer des Hofes d . i . die von Nissen für j ünger gehaltene
Westmauer des Säulenhofes A. Hier ist an manchen Stellen
geradezu Netzwerk ; da die Mauer nichts trägt , i st namentlich
in den oberen Theilen Oruma reichlich verwandt ; gelber Tuff
findet sich weniger,doch ist aus demselben die Wo lbung eines
hier mündenden unterirdischen Ganges gebildet,der sich gleich
in zwei Arme theilt,von denen der eine (nach N) bald endet ,
der andere (nach 0) nachträglich unter der Mauer der s c h o l al a b r i des Männerca lda rium s zugesetzt we rd en ist. Ganz den
selben Charakter hat endlich die dem Säulenh o fe zugewandte
Südwand des Männerbades (C, E ) (die Westwand ist mit Stuck
bedeckt) .Abweichendes Mauerwerk hat nur die Westseite des Frauen
bades . Abgesehen von dem mit der Nordwestecke zusammen
hängenden,vo r den Rest der Mauer vorspringenden Stück
Ziegelmauer ist die Westwand des Apodyteriums H wohl ein Rest
eines älteren Ge bäudes : das trefl‘
liche Lava incertum,der sehr
harte Mörtel mit grossen Lavabrocken erinnern an die o skischen
Die ers ten B au ten d er röm ischen Co lon ie . 2 2 3
Bauten . Die Westwand des Tepidari ums G, gewo lrn liche s Ka lk
steinincertum,ist später daran angesetzt we rd en .
Wo bleibt nun also die Verschiedenheit d es Mauerwerks ?
Das dem Netzwerk ähnliche Lava incertum finden wir in den
Läden an der Nord seite,in dem Eingang ebenda
,und in dem
hinter den Läden aus dem Apodyteri um B zum Heizraum führendenCorridor
,in den Läden der Ostseite und eben daher auch an
der Ostmauer des Männerbades und d es Säulenhofes,welche j a
zugleich die Rückwand dieser Läden ist . Auch das Frauenbad
hat da,wo es sich mit der no rd lichen La d enreihe berührt
,das
gleiche Mauerwerk . Im übri gen zeigen die Mauern sowohl des
Männer als des Frauenbades das,was Nissen regellosen Bruch
steinbau nennt ; denn auch die Westmauer des Männerca ldarium s
scheint,so weit dies zu erkennen
,in derselben Weise gebildet
zu sein .
Einem Einwand e muss noch begegnet werden : die no rd liche
Stra ssenwand des Fra uenbades zeigt nicht das dem Reticu la t
ähnliche Lava incertum ,wie m an doch erwarten sollte
,d a sie
mit den Läden der Nordseite in einer Linie liegt . Allein damit
hat es eine andere B ewand tniss : die j etzige Frontmauer ist offenbar nicht die ursprüngliche . Zwar ihr j etz iges
,sehr geflickte s
Aussehen verdankt sie einem vermuthlich durch die Anbringung
der Fenster veranlassten Umbau ; sie bestand wenigstens
gro ssentheils aus Ziegeln,und weiter oben aus Kalkstein
incertum . Aber auch dies ältere Mauerwerk ist weder mit dem
Tonnengewölbe noch mit dem nord östlichen Eckpfeiler gebunden,
s ondern offenbar nachträglich unter j enes und an diesen gemauert
werd en,nachdem die Räumlichkeiten
,wie am Gewölbe sichtbar
,
vorn (N .) verkürzt worden waren . Damit stimmt es überein,dass
an der unten mit Ziegeln verkleideten Nordwestecke oben,nach
Norden zu,der Ansatz einer
,wie auch die Wölbungen der Bade
räume,aus gelbem Tuff gebildeten Wölbung sichtbar ist (s . die
Abbildung bei Gell,P o m p e i a n a
,1 832
,II . Taf. XXXIV) . Es
deutet auch dies darauf hin,dass das Gebaud e einst nach Nord en
weiter in die Strasse ve rtra t . Ueber diese Dinge ganz in ’
s klare
zu kommen,ist nicht leicht ; denn andererseits is t der nord
östliche Eckpfeiler,welcher die j etzige Länge vorauszusetzen
scheint,offenbar alt und mit dem Qua sire ticula t der Ostwand
2 2 4 Capite l IX .
genau in der Weise verzahn t,die wir hier auch sonst beobachten
können . Dagegen ist die Ziege lve rk le id ung der Nordwestecke
j ünger,und setzt die j etzige Frontmauer voraus
,mit der s ie im
Mauerwerk ziemlich übereinstimmt .Betrachten wir nun die südli ch vom Frauenbad und westlich
vom Säulenh o fe liegenden Theile,so finden wir
,dass die ganze
Westmauer d es kleinen Hofes K j üngeren Ursprunges i st : ihr
Incertum besteht aus allem möglichen Material,die Thurpfo s ten
aus Ziegelwerk,welches mit dem Incertum in der später allge
mein üblichen Weise viereckig und regelmässig verzahnt ist. Es
wurde schon erwähnt,dass zwischen dem kleinen Gelass in der
Nordwestecke von K und dem Frauentep idarium eine Thur ver
mauert zu sein scheint . Sie war niedrig und aus ziegelförm igem
Tuff gewölbt . Eben dies kleine Gelass hat nach Westen eine
modern vermauerte Thür (No . 9) auf die Strasse : ihr nördlicherPfosten is t noch al t und besteht aus grauem Tuff in Z iegelform ;mit dem südlichen Ziege lpfo sten beginnt der j üngere Thei l der
Mauer . Es folgt weiter ein ebenfalls modern vermauerter Zugang
zu dem kleinen Hofe,mit Ziege lpfo sten s odann ein
Laden (No . mit dessen nörd lichem Ziegelpfo sten das j üngere
Stück Mauer abschliesst . Der südliche Pfosten is t aus ziegel
förmigem gelbem Tufi° s orgfältig aufgemauert,ebenso der (allein
erhaltene) östliche Pfosten einer später vermauerten kleinen Thür,welche aus dem Laden nach Norden in den kleinen Hof führte.Alle drei Wände des Ladens zeigen Qua sireticula t , hier aber
nich t aus Lava,sondern aus verschiedenartigem Material
,nam ent
li ch Kalkstein,gelbem und grauem Tuff. Dies Qua sire ticula t
i st in allen Wänden durchaus gleichartig ; in der Rückwand geht
es oben über in Incertum aus Oruma,und hier
,in diesen oberen
Theilen,i st deutlich zu erkennen
,dass diese Mauer die ununter
bro chene und gleichartige Fortsetzung der Westmauer des Säulen
hofes (zwischen diesem und dem kleinen Hofe K ) i st , über deren
offenbare Zugehörigkeit zum ursprünglichen Bau oben gesprochen
wurd e . Daraus ergiebt sich , dass demselben auch dies e asireticula t
,trotz der Verschiedenheit des Materials
,angehört
,dass
es dem Qua sire ticula t der Nord und Ostseite gleichzeitig ist .
Es folgt weiter südlich ein antik vermauerter Zugang zur Latri na (II
,ein modern vermauerter (a
“
,No . 1 2 ) zum Säulenh o fe ,
2 2 6 Cap ite l IX .
Tuffpfo sten von den jüngeren,nachlässiger und mit viel sta rkeren
M örtelschichten gebauten des kleinen Vorhofes m vor dem Ein
gang zum Frauenbad und der einst über dem ( selbst später
erbauten ) Wasserreservoir L befindlichen Räume ; an beiden Stellen
sind auch die von ihnen abgeschl ossenen Mauern aus gelbem
Tuff nachlässig aufgeführt .
Es ergiebt sich uns s o eine neue Bestätigung unseres sch on
auf anderem Wege gefundenen Resultats,dass nämlich hier das
Qua sireticula t aus Kalkstein , Tuff und anderem Material zeitli ch
von dem aus Lava bestehenden der Nord und Ostseite nicht
verschieden ist . Wir haben vielmehr anzunehmen,dass auch
diese westlichen und südli chen Theile der ursprünglichen Anlage
angehören,und dass man in den auf zwei der frequentes ten
Strassen mundenden Läden der Nord und Ostseite mehr Mühe
auf das Mauerwerk verwandte ; denn die Bearbeitung der Lava
ist mühsamer .
Das gleiche Qua sireticula t aus Kalkstein finden wir nun in
den Zwi schenwänden der zweiten Hinterzimmer der nach Süden
gewandten Läden ; in diesen selbst aber und den ersten Hinter
zimmern j üngeres Mauerwerk . Wir dürfen als o,wenigstens mit
grosser Wahrscheinlichkeit,schliessen
,dass auch hier wie auf
den anderen Seiten anfangs nur eine einfache Reihe von Läden
ohne Hinterzimmer war,so dass hinter dem Jupitertempel noch
ein ansehnlicher freier Platz blieb . Nur s o erklärt es si ch,dass
diese Läden so unmässig reich mit Hinterzimmern ausgestattet sind
es hätte doch s onst nahe gelegen,vielmehr den Säulenhof etwas
weiter nach Süden auszudehnen . Die Südostecke der Insel
kann wegen der modernen Einbauten (Am tsloka l der S0pra
stanti) nich t näher untersucht werd en .
Wir haben also gefunden , dass die ganze Anlage , Manner
und Frauenbad,auf einmal erbaut word en ist
,indem für die West
mauer des Frauenap o dyteri um s eine ältere Mauer benutzt wurde.
Qua sireticula t wurde in den auf die Strassen geöffneten Räumen
und,im Osten wenigstens
,in dem darüber liegenden Oberstock
,
ausserd em in dem Corridor hinter der nördli chen B o ttegenreiheverwandt ; und zwa r wurde es an der Nord und Ostseite aus
Lava,an der West und Südseite aus geri ngerem Material her
gestellt . Beim Bau der Westmauer des Frauentepid a rium s gab
Die e rs ten Bau ten d er röm i s ch en Co lo n ie . 2 2 7
man sich nicht die Muhe , s ie dem Mauerwerk der übrigen Anlage
ähnlich zu machen,d a s ie j a nur die Fortsetzung einer älteren ,
ohnehin abweichenden Mauer ist . Die Thürpfo s ten und Eckpfeiler
wurden im Norden und Osten aus Ziegeln , im Westen und imOberstock aus ziegelförm igem gelbem Tuff gemacht ; auf der S üd
seite sind sie in Folge der späteren Zusätze nicht erhalten .
Wir haben ferner gesehen,dass das Frauenbad Veränderungen
erfahren hat,dass vorn die Räume verkürzt und hinten wahr
sche in lich ein Eingang geschl ossen we rd en is t . Da uns also
dieser Theil der Anla ge nicht in seiner ursprüngli chen Gestal t
vorli egt,so darf auch aus den vollkommeneren Heizvorrichtungen
ni cht auf jüngeren Ursprung geschlossen werd en .
Die östli chen Arca d en d es Säulenhofes A bestehen aus Ziegel
pfeilern,welche durch Bögen aus ziegelfo rm ig zugehauenem gelbem
Tuff verbunden sind. Die Zwickel sind mit Qua sire ticula t aus
demselben Stein ausgefüllt . Wenn daraus Schöne und Nissenauf Entstehung in später Zeit schliessen
,so können wir ihnen
auch hierin nicht beistimmen,nachdem wir beobachtet haben ,
dass in dem ganzen Bau gelber Tuff von Anfang an hie und d a
zur Anwendung gekommen ist.
2 . Der Aesculaptempel .
Ebenso genau wie F o rum s therm en und kleines Theaterunter einander
,stimmt der als Aesculap temp el bekannte kleine
Tempel mit dem Amphitheater überein . Genau dasselbe,dem
Reticula t sich nähern de Mauerwerk aus Lava,genau dieselbe
Einfassung desselben mit Pfosten aus ziege lförm igem Kalksteinund. Tuff
,welche hier wie dort nicht rechtwinklig
, wie bei
späteren Bauten,sondern schwach mit dem Mauerwerk verzahnt
sind,d . h . mit stumpfen Winkeln d reiecka rtig in dasselbe ein
greifen . Wir haben nur die Wahl,entweder den auf völliger
Gleichheit der Bauart beruhenden Beweis anzuerkennen,oder
überhaupt auf dies Hülfsm itte l der Chronologie,d a s wichtigste
von allen,zu verzichten . Hat also Nissen mit Recht den Bau
des Amphitheaters in ’
s Jahr 70 v . Chr . gesetzt,s o muss der Aes1 5
"
2 2 8 Cap itel IX .-l
culap tem p el in einer hiervon nicht allzu entfern ten Zeit entstanden sein )
Hier gera then wir nun freilich in Widerspruch mit Nissen ,nach welchem der Tempel sicher über das Jahr 90 zurückreicht
,
und. sehr wohl etwa dem dritten Jahrhundert angehören könnte .Fünf Umstände sind es
,welche Nissen S . 1 75 bis 1 77 zur
Altersbestimmung zu verwenden scheint
1 . Das a lterthüm liche,an den Sarkophag d es Consuls Scipi o
(298) erinnernde Aussehen des Altars .2 . Die Temp elsta tuen aus Thon , welche auf eine Zeit weisen ,
wo die Verbreitung des Marmors noch eine beschränkte war .3 . Der Umstand , dass , nach Nissen , der Tempel ursprünglich
ohne Stuckbekleidung zu bleiben bestimmt war .
4 . Die Beschaffenheit des Mörtels , welcher nicht aus Kalk
und Puzzolana besteht .
5 . Die o skisch en Masse .
Da es sich in 1 und 2 um unzweifelhafte Tha tsach en han
delt,beginnen wir mit 3 . Nissen’s Beweis beruht darauf
,dass
die sichtbaren Wände des Tempels Front und Innenwände
aus Netzwerk von Lava bestehen (richtiger aus dem Netzwerk sich
nähern dem Mauerwerk , wie die ersten Bauten der C olonie) , di e
nicht sichtbaren Aussenseiten dagegen aus unregelmässig ge
schichteten und geformten Lava und Ka lks teins tücken . Sollten
nun die Wande verputzt werden,s o
,meint Nissen
,hatte man
keinen Grund gehabt,die Verwendung des Netzwerks auf die
si chtbaren Wande zu beschränken . Das Arg ument ist von
derselben Art,wie das S . 60 in Betreff des Netzwerks überhaupt
verwandte :„In der That wäre es unbegre iflich , warum man sich
s o viele unnütze Mühe mit der Aussenseite einer Mauer hätte
geben sollen,die man mit Stuck überziehen wollte “
. Und s o
irrig di e dort gezogene Folgerung ist,dass das Netzwerk „wenig
stens in pompejanischen Bauten überall bestimmt war,roh zu
bleiben “
,so irrig ist auch die in Rede stehende in Betreff des
Aesculap temp els . Es ist nun einmal eine nicht wegzuleugnend e
Tha tsa che , dass sich die Alten diese „unbegreifliche
“ Mühe gaben ,deren Resultat nur kurze Zeit
,bis zu der wenigstens bei den
1) So schl iess t au ch A . Ho lm in der S . 1 35 Anm . erwähnten Recen s ion
S . 2 5 8 .
2 30 Cap ite l IX .
Die o skischen Masse fuhren uns höchstens uber die Zeit der
sullanischen Colonie hinaus,j a es dürfte uns nicht allzu sehr
Wunder nehmen,wenn auch später noch gelegentlich nach oski
schem Mass gebaut w erd en wäre ; und diese Möglichkeit ist um
s o gr össer,wenn der Tempel in der That
,wie Nissen annimmt
,
nicht von der Stadt,sondern von einer Corporati on erbaut
word en ist .
Uebrigens liegt hier die Frage doch nicht ganz so einfach ,wie es nach Nissen scheint . Einige Distanzen sprechen aller
dings für o skis ches Mass :
Thürweite 5 ' osk. 4'8" röm .
Tiefe der Treppe (links ; rechts misst sie
10' osk . 9 ' röm .
Wande der Cella von aussen :
vorn 1 9 ' 8" 9 Mill .) osk . 1 8 ' 3 " 2 Mill .) röm .
hinten 20'
1 Cent .) 1 8 ' 7" 1 Cent .)rechts 20
'
1 " 1 8’ 8" 5 Mill .)links 20' 1 Cent .) 1 8
’ 7" 1 Cent .)d . h . mit Ausnahme der etwas kürzeren Vorderseite , und mit
geringen Vari ati onen,20 ' oskisch auf j eder Seite . Wobei es
freilich bedenklich ist,dass gerade die einzig sichtbare Vorderseite
von dem runden Mass abweicht .Dem können aber andere Masse gegenuber gestell t werden
,
welche sich besser auf den römischen Fuss r educiren ; nämlich
Tiefe des Vorraumes
1 3 ' osk . 5 Mill .) 1 2 ' rom . 1 8 Mill .)nach Nissen
1 3 ' osk . 5 Mill .) 1 2 ' 1 " röm . 4 Mill .)Nissen führt dies Mass zu Gunsten des o skischen Fusses an
,doch
ist die Abweichung von 1 2 Fuss römisch einer unzweifelhaft
runderen Zahl nicht grösser als die,welche wir oben von den
20 Fuss oskisch der von aussen gemessenen Wände annehmen
mussten. Ferner die Wände der Cella von innen
vorn 1 6 10" osk . 1 5 ' 4 " röm . 6 Mill .)hinten 1 7' 1 5 ' 1 1
rechts 1 7' 3" 1 6'
1 4 Mill . )links 1 7' 1 5 ' 1 1
Abgesehen auch hier vo n der etwas kürzeren Vord erseite weichen
Die ersten Bau ten d er ro nrrschen Co lo n ie . 2 3 1
diese Masse von 1 6 Fuss romisch nicht wesentlich mehr ab,als
die der Aussenseite von 20 Fuss oskisch .
Andere Masse geben in keinem der beiden Fusse eine rundeSumme . Die Mauerd icke erhalten wir am besten durch Halbi
rung der Differenz zwischen der Innen und Aussenseite der
Wände ; diese Rechnung ergiebt , übereinstimmend mit d irecto rMessung am Eingange , ziemlich genau
1 ’ 5 " o sk . 1 ' 4 " röm . 4 Mill .)Ebenso verhält es sich mit den Massen des Altars :
7' 1 " 8 Mill .) 3 ' 8" 6 Mill .) osk.
6’ 7 8 Mill . ) X 3' 5 " 4 Mill .) röm .
Da es undenkbar ist,dass man theils nach o skischem
,
theils nach römischem Mass gebaut haben sollte,s o haben wir
zunächst anzuerkennen,dass entweder die 20 Fuss oskisch der
von aussen gemessenen Wände,die 5 Fuss der Thürweite und.
die 10 Fuss der Tiefe der Treppe,ganz zu schweigen von d en
1 3 Fuss des Vorraumes,oder aber die 1 6 Fuss römisch der
Innenwände und die 1 2 Fuss des Vorraumes ein Werk des Zu
falls sein müssen . Wir werd en fern er nicht umhin können,
sp eciell in diesem Falle entweder unser Urtheil zu susp end iren ,
oder, wenn wir uns für das o skische Mass entscheiden , dies mit
grösster Reserve zu thun,und uns bereit zu halten
,unsere Ent
scheidung,falls sich Gegenind icien herausstellen sollten , sofort
zu m o dificiren .
Dass endli ch von Nissen ’s Grunden die beiden ersten , vonder Form des Altars und den Th o nsta tuen hergenommenen , nichts
zwingendes haben,wird wohl allgemein zugestanden werden .
Die Motive des Altars sind zu einfach,als dass auf die Ueber
einstimmung mit dem Sarkophag des Consuls Scipio ein sehr
grosses Gewicht gelegt werden dürfte ; es.
sind ferner die Motivedes ersten Deco ra tio nsstils (Triglyph enfries in der c a s a d i
S a l l u s t i o und. in einem Zimmer des Hauses VIH,3,
und
wenn es Nissen auffie l, „dass die untere Quad ers chicht ge theilt,
die obere unge theilt vorgestellt i st ,“s o hat schon A . Holm a . a . O .
S . 2 58 bemerkt,dass dies eben nur die (in j enem Sti l übliche)
Nachahmung eines Quad erbaues ist . Die Seltenheit des Marmorskonnte wohl auch noch in späterer Zeit zur Aufstellung von
Thonsta tuen führen . Endlich treffen diese beiden Argumente
2 32 Capite l IX .
nicht den Tempel sel bst ; sie la sSen uns den Ausweg,fall s wirk
lich Altar und Statuen s o alt sein müssen,anzunehmen
,dass
der uns vorliegende Bau an der Stelle eines a lteren errichtet s ei,
eine Annahme übrigens,zu der doch kaum genügender Grund
vorliegen dürfte . Doch s ei immerhin bemerkt,dass durch die
selbe auch die nicht ganz genau zutreffenden o skisch en Masse eines
vermuthlich der römischen Zeit angehörigen Baues ihre Erklärungfinden würden .
Dem gegenuber fuhrt , wie wir sahen , der Charakter desMauerwerks mit gro s ster Bestimmtheit auf die erste Zei t der
römisch en Coloni e . Um den Tempel in eine viel frühere Peri ode,
etwa mit Nissen in’s dri tte Jahrhundert versetzen zu können,
müsste man annehmen,dass schon dama ls j ene Bauart üblich
gewesen,dann aber in der Tuffp erio de durch die bekannte mit
Eckpfeilern aus grossen Qua dern verdrängt w erd en und nach
über hundertj ähriger Unterbrechung von den sullanischen Vete
ranen und ihren Zeitgenossen wieder aufgenommen we rd en sei .
Nachdem uns eben bei Nissen gezeigt we rd en i st,wie die Ent
wickelung des p omp e ian ischen Bauwesens einen steten Fortschritt
von überschüssiger Festigkeit zur zweckmässigen Berechnung,
von Quader zu Ziegel und ziege lfo rm igem Bruchstein darstellt ,wird uns eine derartige Anna hme doch wohl schwer eingehen .
Vielmehr werden wir den Aesculap tem p el der der ersten
Zeit der C olonie angehörigen Gruppe zugesel len,ohne zu ent
scheiden,o b er etwa auf der Stelle eines älteren Tempels er
richtet word en ist . Auch würden wir zu weit gehen,wenn wir
aus der genaueren Ueb ereinstimmung mit dem Amphitheater
schliessen wollten,dass seine Erba uung dem Jahre 70 näher
liegt als dem Jahre 75 ; denn auch am Amphitheater kommenZiege lpfe iler , auch am Theater und den Thermen Pfeiler ausziegelfö rm igem Haustein vor. Ja selbst die Mögli chkei t
,dass
der Tempel in der letzten Zeit vor der Colonie erbaut worden ist,
dürfte nicht unbedingt a uszuschliessen sein ; an die Tufl‘
p erio d e
eri nnern , ausser der Decoration ersten Stils , die Tuifcapite llemit Stuckb ekleid ung (M azo is -Ga u IV, pl . VI) .
2 34 Cap ite l IX .
den Pfeiler,die andere die horizontale obere
,die Hypotenuse
die schräge untere Grenzlinie des in d a s Reticula t eingreifenden
Stückes bezeichnet . Eben solche Ka lksteinpfo sten hat auch ei ne
in der Nordmauer nach the ilweiser Zerstörung des hori zontal ge
w o lbten Sturzes und des ihn überspannenden Entla s tungsb o genszugesetzte Thür . Sturz und Entla stungsbo gen bestehen aus ziegel
förmig zugehauenen Kalk und einzelnen Tuffsteinen. Solche
Entla stungsbögen über den Thüren sind für die Bauweise dieser
Zei t charakteri stisch : sie finden sich in grosser Zahl über den
Thüren der Thermen und namentlich des Theaters . Aehnlich i st
der Stirnb ogen gebildet,mit dem das Tonnengewölbe gegen die
Stadt abschliesst : hier wechseln regelmässig Kalkstein und Oruma .
Offenbar ist dieser gewölbte Gang nur ein Thei l einer
gro sseren Anlage , deren Gestalt und Zweck sich aber unsererKenntniss entz ieht.
Capitel X.
Zur Entfestigungsfrage.
Nachdem wir an der P o r t a m a r i n a den späteren rom ischen
Zusatz erka nnt haben,bleibt uns noch übrig
,das alte Thor selbst
näher zu betrachten,es mit den anderen Thoren zu verg leichen
und über sein V erhältniss zu den verschiedenen Theilen derselben
in’
s klare zu kommen .
Die einzigen uns ganz vorliegenden alten Th e re sind , d a
das Herculaner Thor ganz um gebaut ist , die übrigen aber nicht
oder nicht ganz ausgegraben sind,das N o laner und Stabianer
Thor . Beide bestehen aus drei Theilen : einem äusseren Durch
gang,gebildet durch die mit Kalksteinquadern verkleideten End
stücke der Mauer,ernem inneren überwölbten Durchgänge und
einem um weniges breiteren,beide verbindend en Gange , dessen
Wände wir am N o laner Thor mit Tuffquad ern ,am Stabianer
Thor mit Kalksteinquadern,unter die j edoch einzelne Tufl
‘
qua d ern
eingemischt sind,bekleidet finden . Und offenbar sind dieselben
Theile auch am Vesuv und Sa rn usth o r vorhanden oder vorhanden
gewesen . An ersterem ist nur der aussere Durchgang und ein
Stück der mit Tuffquad ern belegten Westwand d es mittleren
Ganges sichtbar,an letzterem der aussere Durchgang zersto rt
,
dagegen die Südseite des inneren und zum Theil des mittleren
Ga nges erhalten : dieser ist auch hier mit Tuffqua d ern belegt .
Der äussere Durchgang wird wohl so a lt sein,wie die Mauern .
Der innere . ist am N o laner Thor von dem M ed d ix tuticus V ibius
P o p id ius erbaut und mit dem bekannten Kopf am Schlusssteinder Wölbung verziert we rd en . Die Bauart ist hier und am Sta
2 36 Cap itel X .
bianer Thor durchaus gleichartig . Die Innenwand e zeigen Lavaincertum
,naher dem äusseren Ende unterbrochen durch Thür
pfosten aus Kalksteinquadern . Die Incertum smauern finden nach
der Stadtseite ihren Abschluss durch die Quadern,mit denen die
hierher gewandte Front verkleidet is t. Diese Verkleidung biegt
an den äusseren Ecken um,um sich auf den Aussenseiten der
Seitenwände fortzusetzen . Hier ist sie nun freilich nicht überall
gleich vollständig durchgeführt : am N o laner Thor findet sie sich
rechts nur theilweise , links ziemlich vollständig (3 Schichten sind
sichtbar) ; am Stabianer Thor ist die Ostseite ganz verkleidet , dieWestseite nicht sichtbar . Die Quadern bestehen am N o laner Thor
aus Tuff,am Stabianer Thor aus Kalkstein . Man möchte nun
erwarten,dass diese Verkleidung an den Ecken gegen die der
Stadt abgewandte Front wiederum umböge und auch diese ver
kleidete ; doch ist dies nicht der Fall . Die Aussenfront,d. h .
die vor die Wände d es mi ttleren Ganges vorspringenden Ecken,
bestehen aus Lava incertum ,und sind
,soweit kenntlich
,aus ziem
lich flachen Lava steinen ähnlich gebildet,wie die Ecken an der
Basilica . Die äussere Bekleidung der Seitenwände nämlich setzt
sich in gerader Linie fort,und ihre Fortsetzung ist die Quader
bekleidung des mittleren Ganges,deren Material daher auch an
beiden Thoren mit den e a d ern des inneren Durchgange s über
einstimmt. Es kann hiernach nicht zweifelhaft sein , dass der
innere Durchgang und der mittlere Gang gleichzeitig sind . Die
Aehnlichkeit der beiden The re wird vervollständigt durch die an
beiden gleiche Decorati on ersten Stils : ein gelber S ockel tritt
gegen die weisse obere Wandfläch e etwas zurück . Offenbar war
der innere Durchgang des Sa rnustho res ebenso beschaffen : auch
hier i st die Aussenfro nt und ihre Ecken ganz ebenso aus Lava
incertum gebildet,die der Stadt zugewandte Front mit Tuff
quadern belegt ; von den Aussensei ten der Seitenwände ist nichts
sichtbar. Dass es sich mit dem V esuvth o r nicht anders verhielt,
dürfen wir vermuthen .
Es ist nun gewiss keine besondere Kühnheit,wenn wir aus
dieser vollkommenen Aehnlichkeit schliessen,dass alle diese
inneren Durchgänge zu e i n e r Zei t,oder doch innerhalb eines nicht
langen Zeitraumes erbaut word en sind . Die Bauart Lavaincertum mit Qua d ereinfa ssung und die Decoration gehören
2 38 Capi te l X .
die Wo lbung , in d en Raum zwischen den Tho rflugeln und der
Aussenfro nt vorgedrungen,s o waren sie gänzlich in Sicherheit .
Die Nische mit der Statue der Minerva lag ohne Schutz
ausserhalb des Th o rversch lusse s . Neben dem Haup tdurchgangeist g ro s serer Bequemlichkei t halber ein schmälerer (übrigens auch
verschliessbarer) für Fussgänger angebracht we rd en , und zwarnicht etwa erst nachträglich ; die Art , wi e si ch die Quad erbe
kleidung zu ihm verhält,der Charakter seiner aus grossen Kalk
steinkeilen mit a lterthüm licher Solidität construirten Wölbung,ähnlich der Wölbung der Nische , in welcher die Thonsta tue der
Minerva gefunden wurde,kurz
,der ganze Tha tbestand lässt da
rüber keinen Zweifel aufkommen,dass dieser zweite Durchgang
s o alt i st,wie der ganze Bau . Und wenn wi r nun das er
wähnte Stuck Incertum zwischen dem Thor und den Qua d erm auern
näher betrachten,s o finden wir
,dass es in seinem oberen Theil
aus Lava besteht und demj enigen dieses und der anderen Thore,
der Thürm e und der j üngeren Theile der Stadtmauer gleichartig
ist,unten aber allerlei gemischtes Materi al enthält und entschieden
j ünger aussieht . Wir bemerken weiter,dass diese beiden Theile
durch einen aus nicht grossen Kalksteinstücken gebildeten Bogen
getrennt sind,kurz dass hier eine 0 . hohe
,breite ge
wölbte Thür vermauert ist . Und zwar war d ieselbe nicht etwa
nachträglich durchgebrochen,sondern ebenso alt
,wie das auf
ihre Wölbung aufgemaue rte Lava incertum . Wohin sie führte, das
können wir bei den durchgreifenden Veränderungen,welche hier
Später stattgefunden haben,nicht erra then
,wi e wir j a auch
keine Vorstellung haben von den Räumen,zu welchen die ver
mauerte Thür in der Nord wand des inneren Ganges führte .
Wir dürfen nach alledem wohl annehmen,dass dies Thor
kein eigentli ches B efe s tigungs tho r war, dass es , wie das freilich
j üngere Herculaner Thor,weniger der V ertheid igung , als polizei
lichen Zwecken dienen sollte,dass zur Zeit seiner Erbauung
Pompej i auf dieser Seite gewissermassen entfestigt war , oder
man doch den Befestigungen nur geringe Wichtigkeit beilegte .
Da es nun aber dem Bau des V ibius P o p id ius gleichartig und
verm uthlich annähernd gleichzeitig ist,j edenfalls aber der Tuff
periode und der Zeit des ersten Deco ra tio nsstils angehört , so
werden wir dahin geführt,die Entfestigung dieser Stadtseite noch
Zu r Entfestigungsfrage . 2 39
in o skisch e Zeit zu verle g en und in ihr die Wirkung der langen
Friedensperiode zwischen dem hanniba lischen und. B und esgen o ssenkrieg zu erkennen .
Merkwürd ig ist daneben die Tha tsa che ,dass etwa um die
selbe Zeit die von Natur schwächeren Seiten der Stadt durchdie Herstel lung der Mauer und. den Bau der Thürm e neu be
festigt we rd en sind . Wir werden wohl anzunehmen haben,dass
erst in vollem Frieden die P o r t a m a r i n a gebaut ward,im übrigen
aber die Befestigung in Verfall gerie th ,dass dann
,als beim
Herannahen des Bundesgenossenkri eges eine erneute Befestigung
beschlossen wurde,man es unterliess
,auf dieser von Natur festen
Seite das für die V erthe id igung nicht zweckmässige Thor durch
ein anderes zu ersetzen . Aehnliche B efurchtungen mochten später,Nissen vermuthet während der Kämpfe nach dem Tode Caesar’s ,eine nochmalige Herstellung der Befestigungen durch T . Cusp ius
und M . Lo reius veranlassen (C . I. L . IV,S . 1 89 ; Nissen S .
In s olchen Fällen wird man,wo ein Thor nicht recht zweck
mässig,vielleicht auch die Mauer sch on stark überbaut war
,si ch
geholfen haben,so gut e s eben ging .
Sehen wi r nun zu,was sich etwa auf anderem Wege uber
die Zeit der Entfestigung ermitteln lässt .
Der zwischen der Stadtmauer und den zunachst liegenden
Häuservierteln frei gelassene Streifen,das Pomerium
,ist bei
dem j etzigen Stande der Ausgrabungen nur auf der kurzen Streckezwi schen Herculaner Thor und. v i c o d e l L ab e r i n t o
,d. h . auf der
Nordseite der Inseln VI,1 . 2 . 5 . 7 . 9 . 1 1
,deutlich sichtbar . Hier
kann vollkommen consta tirt werden,dass die Anwohner diesen
Streifen vielfach o ccupirt und bebaut haben . Und zwar sind
diese Occupa tionen j ünger als die P fla sterung der Strasse , welche
einst sich zwischen den Häusern und dem Pomerium hinzog
(Mauerstra sse) ; wenn schon früher Occupa tionen stattgefundenhaben
,so entziehen sich dieselben unserer Kenntniss . Die Mauer
strasse,und damit die Breite des P om erium s vor den Occup a tio nen ,
ist erhalten nörd lich der Insel VI,2 (zwischen v i c o d i S a l l u s t i o
und v i c o d i P a n s a) und an der Nordostecke der Insel VI , 7
(westlich der M ercurstra sse) . Auch VI , 1 1 hat , wenigsten s an
2 40 Capite l X .
der Nord ostecke,wesentlich dieselbe Ausdehnung wie zur Zeit
der Ka lks teina trien (s . oben S . 69 No .
Die Breite des P om erium s war schon vor der Occupati on
der Mauerstra sse nich t überall gleich . Messungen sind wegen
des unebenen Terrains schwierig,doch ist obige Tha tsa ch e schon
auf dem Plan zu erkennen . Nissen giebt bei Insel VI,2 eine
Breite von 8—9 M .
,bei VI
,7 von c . 1 5 M . an .
Die Occupation setzt Nissen in die Zeit nach dem Erdbeben
von 63,wegen des tumultuarischen Charakters der betreffenden
Bauten . Dieser Charakter ist aber nur sehr stellenweise nach
w eisba r,und es sind im Gegentheil hinlängliche Indicien für einen
älteren Ursprung vorhanden . „An der Labyrinth wie an der
P ansaga ssenecke (VI , 1 1 Nord ost und VI , 5 Nordwestecke) i stman auch vor dem ungefügigsten Material n icht zurückge
schreckt,um nur eine Wand zum Stehen zu bringen und damit
eine vollendete Tha tsa ch e zu schaffen .
“ Aber im Eckhaus derLabyrinthga sse (VI , 1 1 , 1 9) handelt es sich um Reparaturen oder
Umbauten,nicht um eine Erweiterung : s . S . 70. Das nördlichste
Haus der Insel V I,5 hat allerdings im inneren manche sehr bunt
aussehende und offenbar eilig,vielleicht nach dem Erdbeben her
gestellte Mauern . Von der Stra ssenwand aber sieht gerade das
nördlichste,der Stadtmauer zunächst liegende Stück weder j ung
aus,noch zeigt es die Spuren tumultuarischen Baues : es besteh t
aus Lava incertum mit Thurpfo sten aus Kalksteinquadern ; der
trefi°liche steinharte Mörtel enthält ge s to ssene Lava , die ihm ein
s chwa rzpunktirtes Aussehen giebt , und erinnert durchaus an die
besten Bauten der o skisch en Zeit . Nun brauchen wir zwar nicht
nothwendig in eine s o frühe Peri ode zurückzugreifen ; ähnlichesLava incertum wusste man auch noch später herzustellen , wie
das so g . Pantheon (Macellum) beweist , und auch Thürpfo stenaus Sarno quad ern mochten ausnahmsweise später gemacht werd en :
allein dass diese Mauer aus der Zei t nach dem Erdbeben stam
men sollte,darf ohne die a llerzwingend sten Beweise nicht ange
nommen Die über die M auers tra sse hinausgebauten
1) Die Occupa t ion d es P om eriums an d ieser Ste l le bringt Nissen irriger
We ise in Verbindung m i t d er von i hm S . 4 34 angenommenen Erwe iterung derc a s a d i N e t t u n o (VI , 5 , 3) um E rstl i ch ist es unerwe is l i c h, dass überhaupt e ine , nachwe i sl i ch fa ls ch
,dass e in e so b edeu tende Erwe i terun g d ieses
2 4 2 Capitel x .
Alles,wa s zwi schen diesen Strassen und der Mauer liegt
,setzt
die Entfestigung und di e Occupati on des P om erium s voraus .Nach dem Charakter dieser Bauten ist aber dieselbe nicht tumul
tuarisch,sondern in aller Ordnung und mit kaiserlicher Geneh
m igung erf olgt , und zwar unter Augustus , der j a die Stellung
der Municipien ordnete , vermuthlich etwa um den Beginn unserer
Zeitrechnung,j edenfalls in der ersten Hälfte des ersten Jahr
hund erts . Auf diese Annahme führt nach Nissen auch der That
befund : einerseits lässt sich nirgends auf den bezeichneten
Strecken eine Spur von altem Kalkstein und Lehmbau nach
weisen ; andererseits verbietet die Betrachtung der C onstructi on
und Decoration der betreffenden Häuser sie spater als 63 n . Chr .
anzusetzen .
Soweit Nissen . Dass ein grosser Theil di eser Ha user nicht
nach 63 entstanden sein kann , i st ohne Zweifel wahr. Dass
dieselben keine Reste ältester Construction enthalten,ist ent
schieden unrichtig . Durchwandern wir,um uns ein Urtheil zu
bilden,diese Häuserreihe
,indem wi r am Herculaner Thor be
ginnen .
Die ersten Hauser (1—9) enthalten nichts , was ni cht rechtj ung sein könnte ; No . 1 0 aber hat in beiden Seitenmauern an
sehnliche Reste von Fachwerk mit Lehm . Namentlich deutlich
ist dies in der südlichen Zwischenwand,wo das hintere Ende
der Fa chwerkmauer die aber hier keinen Abschluss hat
1 0 Meter von der inneren Steinwand der hier etwa breiten
Stadtmauer entfern t bleibt . Die Fa chwerkmauer ist,nachdem
sie zerstört war,mit j üngerem Mauerwerk erhöht und fortgesetzt
we rd en ; sie i st auf beiden Seiten bemalt , nördli ch im vierten ,südlich im dritten Sti l : beide Deco ra tionen sind j ünger als die
erwähnte Wiederherstellung . Das Fachwerk der nördlichen
Zwi schenmauer ist vom Atrium selbst aus nicht sichtbar,wohl
aber von dem Gange,der nörd lich an demselben entlang zu
unteren Räumen führt z-
es nähert sich der Stadtmauer bis auf
ohne hier einen Abschluss zu haben . Die Entfern ung
zwischen den beiden alten Seitenmauern betragt (0 .
Ein Stuckrest in der Südostecke des Atri ums hat ofl°en
bar einer Decoration zweiten Sti ls angehört. Der Gang No . 1 1
führt zu den unteren L o ca litäten,welche nicht nur bis auf
,rich
Zur Entfestigu ngsfrage . 2 4 3
tiger in die Mauer reichen,sondern von denen die untersten
sogar an die Aussenseite derselben angelehnt sind . Das Mauer
werk des M ittelsto cks,welcher bis an den äusseren Rand der
Stadtmauer reicht,zeigt gutes
,alt aussehendes Lava incertum mit
Endpfeilern aus den Tuff und Ka lksteinblöcken der Mauer ; hie
und d a sind auch Ziegel verwandt . Hier nun finden sich un
zweifelhafte Reste einerWandd eco ra tion zweiten Stils,und selbst
diese ist j ünger als die Erbauung der Räume selbst . Das Zimmer
nämlich gleich rechts von dem Gang No . 1 1 ist nachträglich
durch Zwischenmauern in mehrere Räume getheilt word en . Diese
Theilungsmauern zeigen einen ganz anderen Charakter : sie ent
halten wenig Lava,meist Kalkstein
,daneben Tuff und etwas
Oruma ; die Eckpfeiler bestehen aus ziege lförm ig behauenem Tuff
und Kalkstein ; auch der Mörtel i st weit geringerer Güte und
deshalb vielfach herausgefallen,während der der alten Mauern
stellenweise die Lava überdauert hat . Die Decoration zweiten
Stils aber ist unzweifelhaft jünger als die Theilungsmauern ,wo
durch der ursprüngliche Bau dieser Räume in noch ältere Zeit,
vielleicht in die Zeit des ersten Stils,die Tuffp erio d e , zu der
auch das Mauerwerk passt,j edenfalls aber in die früheren Zeiten
des zweiten Stils hinaufgeruckt wird . Das Mauerwerk der Theilungswänd e ist dem der j üngeren Wände des Atriums gleich
artig,und
,da auch die Deco ra tion übereinstimm t
,wohl sicher
gleichzeitig„ Wir haben also in diesem Hause Bauten aus drei
Peri oden,deren j üngste noch in die Zeit des zweiten Decorations
stils,d . h . spätestens in die erste Zeit des Augustus
,fällt ; sch on
in der zweiten aber ward die Mauer überbaut. Wie sich dazu
die Anlagen aussen am Fuss der Stadtmauer verhalten,i st bei
dem j etzigen Stande der Ausgrabungen nicht sicher zu consta
tiren ; das Mauerwerk sieht eher jung aus .Es folgt (No . 1 3) ein in der Weise der Tufi
°
perio d e (Lavaincertum
,eingefasst von Pfeilern aus Kalksteinquadern mit Kalk
mörtel als Bindemittel) erbautes Haus. Die Front ist (wie es
scheint modern) restaurirt bis auf geringe Reste : alt i st der
unterste Stein des linken Thü rpfo stens , die Pfosten im Flur ,die Eckpfeiler zwischen Flur und Atri um ; im inneren die ganze
rechte Seite d es Atriums . Auf dem rechten Eingangspfo sten
steht ein vermuthlich hier gefundenes korinthisches Tuffcapitell .
1 6*
2 4 4 Cap i tel X .
Das Impluvium ist aus Incertum und mit Stuck bekleidet.Die Bauart des Souterrain ist ähnlich ; hier finden sich einzelne
Ziegel verwandt,zahlreiche Reste vo n o p u s S ig n inum nur
in den hinteren,j üngeren Theilen . Die Deco ra tionsreste
gehören verschiedenen Stilarten an . Eine Decoration dritten
Stils in den beiden ersten Zimmern am Atrium ist j ünger als
die Zusetzung einer kleinen Thür (neben der noch vorhandenen
grösseren) zwischen dem ersten der beiden Zimmer und dem
Atrium . Eine Decoration zweiten Stils im dritten Zimmer der
selben Seite ist j ünger als di e Herstellung eben dieses Zimmers,
welches früher eine Ala war,und als die V ermauerung einer
Thür,welche dasselbe mit dem zweiten Zimmer verband Nun
ist zwar die Verwandlung der Ala in ein Zimmer wohl recht
alt das Mauerwerk ist von dem des ganzen Hauses nicht
wesentlich verschieden und beruht vielleicht auf einer wäh
rend des Baues selbst vorgenommenen Aend erung des Plans ,aber das Mauerwerk der zugesetzten Thur sieht j ünger aus
,s o
dass wir über die Zeit des zweiten Deco ra tionss tils hinausge
wiesen werd en . Und es scheint in der That,dass Reste einer
Decoration ersten Stils vorhanden sind : in der Nordostecke des
Atriums findet sich ein Fragment eines gelben Sockels : eine Farbe,
die für diesen Wand theil im ersten Stil sehr üblich ist,während
man später mit besserem Geschmack dunkle Farben
vorz0g. Ganz in der Ecke ist eben da ein Rest einer starken
Schicht feinen weissen Stucks erhalten,der nach seiner Qualität
sehr wohl der ersten Periode angehören kann und vielleicht
von einem Pilaster an der kleinen vermauerten Thür herrührt.
Dass letztere von Anfang an vorhanden war,geht aus der Bil
dung des Pfeilers der anstossenden grösseren Thür hervor. Doch
wa s es auch mit diesen Resten auf sich haben möge , es kann
nicht zweifelhaft sein,dass wir hier einen Bau aus der Tuff
periode,der Zeit der grossen P eristylhäuser , vor uns haben .
Von den Fachwerk'
resten in der nördlichen Zwischenmauer,gegen No . 10
,war schon die Rede . Das südliche Nebenhaus
,
No . 1 5 . 1 6,liegt etwas tiefer : betrachtet man die Zwischenmauer
1) So no tirte i ch im Sommer 1878 . Jetz t ( 1879) ist letzteres n i ch t mehr
zu constatiren,d a we i tere Stuckreste abgefa l len s ind .
2 4 6 Cap ite l X .
von dem (nicht erhaltenen) Tablinum gebildet . Hier wie in denZwischenwänden der Z immer links am Atrium dessen Wand
hier bis auf geringe Reste j ung,wenn nicht modern ist finden
wir ganz vorzügliches Lava incertum aus sehr kleinen Stücken .
Von der Strasse ist das Haus zugänglich durch eine Travertin
treppe,welche aber an die Stelle einer alten Tufftreppe getreten
ist,von der eine Stufe liegen geblieben ist . So sind auch im
inneren die Schwellen aus Travertin offenbar nicht ursprünglich :keine derselben liegt unter den betreffenden Thürpfo sten , sondernsie haben Ausschnitte
,mittels deren sie an den Fuss der Pfosten
und um dieselben herum gelegt sind. Hingegen erkennt m annoch in den Pfosten die Einschnitte
,in welchen die alten
Schwellen,vermuthlich aus Lava
,lagen : sie sind fur die j etzt
l i egenden Schwellen nicht benutzt worden . Im Atrium sind Reste
eines guten M o sa ikfussbo d ens,schwarz mit reihenweise gelegten
weissen Steinen,erhalten . Das Impluvium besteht aus Incertum .
Die hinteren Theile sind auch hier nicht ausgegraben ; doch sieht
man bis an die Stadtmauer Mauerwerk aus gutem Lava incertum
mit Resten einer Decorati on dritten Stils . Auch hier also weist
alles auf ziemlich alte Zeit ; namentlich das Cap itell mit den
Figuren werd en wir uns schwer entschliessen in eine andere
Periode als in die B lü thezeit der P eristylhäuser, die Tuffp erio d e ,zu setzen : es gleicht ganz den Capitellen der c a s a d e ’ c a p i
t e l l i fi g u r a t i (VII, 4 , der c a s a d e ’ c a p i t e l l i c o l o r a t i
(oder d’
Ar i a nn a,VII
,und der c a s a d e l t e r e (V, 1 ,
Dass aber schon in noch älterer Zeit hier ein Haus stand,
beweist ein Stück alten Mauerwerks aus Kalkstein und Gruma
in der Zwischenwand gegen das südliche Nebenhaus No . 1 9 : es
ist nicht Fachwerk,aber sorgfältig horiz ontal geschichtet
,mit
deutlichem Lehm,ohne Ka lkzusa tz ; Dicke Nach
der Strasse zu ist es fortgesetzt durch die Reticulatmauer d esNebenhauses
,welche um eine Mauerd icke weiter nach Süden
liegt,so dass auf einer kleinen Strecke die Mauer doppelt ist
,
nach hinten durch anderes Mauerwerk . Es hat also auch das
Doppelhaus 1 5— 1 7 in beiden Seitenmauern Reste der ältesten
uns erkennbaren Bauperiode .
Es folgt das Atrium der c a s a d i P o l i b i o,des grossen
mehrstöckigen Hauses (No . 1 9 bis 2 5 ) no rd lich der S c u o l a a r
Zur Entfestigungsfrage . 2 4 7
c h e o l o g i c a ,mit dem rechts (N .) anstossenden Garten . Da s
Atrium zeigt durchaus j unges Mauerwerk . Aber der Eckpfeiler
rechts zwischen dem Eingang und der Vorderwand ist an einen
älteren Ka lksteinpfeiler aus horiz ontal geschichteten Quadern ,zwi schen denen Schichten reinen Kalks liegen , angelehnt : eine
C onstructionsa rt,welche mit ziemlicher Sicherheit den Beweis
liefert,dass hier schon in der Tuffp erio d e ein Haus stand .
Die Nordmauer des Gartens rechts vom Atrium und die bis
an den äusseren Rand der Mauer reichenden Zimmer des Mittel
stockes zeigen ziemlich gutes Reticula t aus grauem Tuff ; nur
wenige,etwas weiter aufwärts liegende
,also wohl ältere Raume
haben Mauern aus Lava incertum mit schwach verzahnten Pfeilern
aus ziegelförmigem Tuff. Auf den Reticulatmauern sind nicht
bedeutende aber vollkommen sichere Reste einer Decoration
dritten Stils erhalten . Es ist ferner vollkommen sicher,dass
diese Mauern schon bevor sie diese Decoration erhielten Ver
änderungen erfahren haben,und wir fanden Reste einer älteren
Decoration : s . oben Cap . I,3 . Wir dürfen als o mit aller Wahr
scheinlichkeit sagen,dass vielleicht schon vor der Periode des
dritten Deco ra tionsstils,spätestens aber zu Anfang derselben
,
hier die Mauer überbaut wurde,was uns übrigens nach dem im
Hause No . 1 0 wahrgenommenen nicht mehr Wunder nehmen darf.
Da s folgende Haus (2 7— 30) ist durch den Bau der S c u o l aa r c h e o l o g i c a unkenntlich geworden . Einige Tuffsäulchen und
Halbsäulchen,auch ziemlich viel gutes
,alt aussehendes Lava
incertum,deuten auf relativ alte Zeit .
Hingegen enthält die Frontmauer des Hauses No . 3 1 bis 33
unzweifelhaft alte B estand theile . Angefangen vom Laden No . 31
besteht ein c. langes Stück (bis vor dem Haupteingang
No . 32 ) aus Kalksteinquadern (darunter eine Tuffquad er) , zwi schendenen dünne Kalkschichten liegen . Ueber diesen folgt ein etwas
niedri gerer Stein,dann rechts zwei Schichten kleinerer
,horizonta l
nach Art des Fachwerks gelegter Steine,dann wieder eine Schicht
Quadern . Daran schliesst sich das j üngere Mauerstück mit
dem rechten Thürpfo sten von No . 32 an : es besteht aus Lava
incertum,der Eckpfeiler aus mässig grossen
,nicht regelmässigen
Ka lksteinblöcken (einzelne aus Tuff) mit starken M örtelschichten ;darauf liegt ein später unförmlich behauenes Tuffcap ite ll , ein
2 4 8 Ca p ite l X .
Rest eines gleichen auf dem linken Pfosten . Links der Thur
folgen wieder Kalkstein und einzelne Tuffquad ern mit d rrnnen
Kalkschichten,bis zum Laden No . 33
,eine Strecke von
diese alten Theile sind dick . Das Mauerwerk im inneren
d es Hauses ist j ünger und wesentlich gleichartig mit dem des
rechten Thü rpfo stens : Lava incertum mit schwach verzahnten
Pfeilern aus ziegelförmigem Tuff ; Mauerdicke Ein Im
p luvium i st nicht vorhanden . Noch j üngeres Mauerwerk , Ziegel ,mit ziegelförmigem Haustein regelmässig wechselnd , mit reich
licher Verwendung gelben Tuffs,
finden wir in den hinteren
Theilen,von der Rückwand des Atriums angefangen : die Posteri e
rität desselben ist beim Zusammenstoss mit dem anderen Mauer
werk,in der rechten hinteren Ecke des Atri ums , vollkommen
evident ; Mauerd icke Wir haben als o hier Mauer
werk aus drei Bauperi oden ; auf dem der zweiten finden wir in
einem gewölbten Raum links am Atrium eine Decoration zweiten
Stils . Auch die Decoration der Stra ssenfront eine Imitati on
der bekannten,den Marmor nachahmenden Weise der ersten
Periode,j edoch ohne die sorg fältige Arbeit derselben bedeckt
den Thurpfo sten aus der zweiten Bauperi ode und mag wohl
j ener Decoration zweiten Stils gleichzeitig sein . Wir dürfen
also die zweite Bauperiode mit der Zeit des zweiten Stils,die
erste aber mit der Tuffp erio de , welche allein reinen Kalk als
Bindemittel verwendet,id entificiren .
Das nächste Haus (34— 38) ist j ung . Das Souterrain ist
aus Lava incertum mit Ziegelecken , die oberen Mauern ans s orgfältigem Tufl
'
re ticula t,eingefasst von sorgfältigem
,neu aussehen
dem Ziegelwerk . Auch hier fehlt das Impluvium . Decorations
reste letzten Sti ls finden sich mehrfach,altere nich t. Die Strassen
wand hat eine Decoration,welche der des vorigen Hauses sehr
ähnlich,aber doch nich t ganz gleich ist : es scheint
,dass man
sie der Gleichförmigkeit halber nachgeahmt hat .
Wie es scheint,gehörten die 3 letztgenannten Hauser (2 7
bis 38) irg endwie zusammen . Wenigstens war,s o viel man sieht
,
der hinter ihnen liegende,noch nicht ausgegrabene grosse Garten
aus allen dreien in gleicher Weise zugänglich .
Durch ähnli ches Mauerwerk wie d a s von No . 34—38 gehtman hindurch
,wenn m an am Westende der s t r a d a d e l l a F o r
2 50 Cap ite l X .
für die Occupation der Mauer betrachtet werden . Es mag darauf
hingewiesen werden , dass die gleichfalls an und auf die Mauer
gebaute c a s a d e l l e V e s t a l i (VI , 1 , 7) das gleiche Mauerwerk
zeigt wie das Haus des Polybius,und also wohl etwa der gleichen
Zeit angehören wird . Weitere Ausgrabungen wü rden vermuth
lich bestimmtere Resultate ergeben und zeigen,dass schon bei
dem Neubau einer Reihe dieser Hauser in der Tuffperio d enachdem di e Ka lksteina trien bis auf geringe Reste zerstört waren
die Mauer nicht mehr resp ectirt wurd e , dass als o die langeFried em p eri o d e zwischen dem hanniba lischen und dem Bundes
geno ssenkrieg eine erste Occupation derselben veranlasste : ein
Resultat , zu welchem uns j a auch die Betrachtung der P o r t am a r i n a führte .
In der siebenten und achten Regi on verhalt es sich nicht
anders : weder der v i c o d e l g a l l o noch die v i a d e ’ t e a t r i
sind als Mauerstra sse zu betrachten . Reste von Ka lksteina trien
lassen sich freilich bei dem j etzigen Stand der Ausgrabungen
hier nicht consta tiren,wohl aber ist es sicher
,dass in der Tuff
periode , zur Zeit des ersten Deco ra tionss tils,diese Strecken
bebaut waren .
Am v i c o d e 1 ga l l o liefert uns den Beweis das grosse Haus
gegenüber dem Brunnen,nach welchem der Vicus seinen Namen
erhalten hat (VUI, i n s . o c c i d . Die Bauart ist durchaus die
der genannten Peri ode : Lava incertum mit Eckpfeilern und Thür
pfosten aus Kalksteinquadern,die mit Kalkmörtel gebunden sind .
Das ganze Haus ist im zweiten Sti l ausgemalt,doch war dies
sicher ni cht seine erste Decoration . Es lassen sich eine Reihe
Veränderungen consta tiren,welche ihr zeitlich vo rausliegen : s o
die Verengerung der Eingänge des Oecus links vom Tablinum
und des ersten Zimmers links am Peristyl ; ferner die V ermauerungeiner Reihe von Thüren : derer die aus dem Atrium in die beiden
Oeci neben dem Tablinum führten,einer zwischen dem letzteren
und dem Oecus rechts,einer
,di e den Gang , der am hinteren
Ende der linken Seite des Atriums in’s Nebenhaus führt,mit
dem Oecus links neben dem Tablinum verband,endli ch
,wie
es scheint , noch mehrerer , deren Spuren in der linken Ala
sichtbar sind . Nun konnte zwar in einigen dieser Räume der
Zur Enü cstigungsfrage . 2 5 1
erhaltenen Decoration eine andere gleichen Stils vorhergehen
wahrscheinlich war dies der Fall in dem ersten Zimmer links
am Peristyl,wo unter der späteren Anmauerung der violette
Stuck des alten Thürpfo stens erhalten ist . Dieser letztere näm
l i ch besteht aus ziemlich grossen ziegelfo rm igen Steinen , eine
C onstructionsa rt,welche zum ursprünglichen Bau des Hauses
und zur Deco ra tion ersten Stils nicht recht passt . Im Tablinum
ist der Sockel später im dritten Stil erneuert we rd en,so dass
seine evidente Posteriorität gegenüber den Dreiviertelsäulen des
Einganges nichts beweist . Dass aber das Haus einst eine Deco
rati on ersten Stils hatte,zeigen die unzweifelhaften Reste der
selben im Zimmer links vom Eingang und im letzten Zimmer
rechts am Atrium. Ob es sich auf die Mauer erstreckt , wie
Nissen meint,kann wohl einstweilen nicht mit Sicherheit fest
gestellt werden : se viel ich sehe,zwingt bis j etzt nichts zu
dieser Annahme . Sollte es doch der Fall sein,s o würde uns
das nach den in der sechsten Region gemachten Wahrnehmungen
nicht überraschen . Die übrigen Häuser der Insel haben keine
Kennzeichen besonders hohen Alters : No . 1 0 ist im dritten Stil
d eco rirt ; bei der Decoration von No . 1 2 kann man zweifeln , ob
sie demselben oder dem zweiten Stil angehört .
Von der Häuserreihe südli ch der v i a d e ’ t e a t r i (VIII, 2 ,südli ch von VUI
,3 und 7) ist wenig sichtbar. Dennoch aber
erkennen wir mit Sicherheit,dass das Haus No . 34 der Zeit des
ersten Deco ra tionsstils und. der Tufl°p erio d e angehört. Die alte
Constructi on Lava incertum mit Ka lksteinpfeilern finden
wir am linken Pfeiler des Einganges mit dem anstossenden
Stück der Front und der linken Wand des Flurs,fern er in
der Eingangs-(Süd-)wand des hier liegenden Zimmers . Die Nordwestecke desselben besteht aus Ziegeln
,die mit ziegelförmigem
Haustein wechseln ; rechts vom Eingang finden wir Ziegel,aus
denen auch der rechte hintere Eckpfeiler des Flurs gebi ldet ist .Dagegen bestehen die Pfeiler rechts und links des nicht ausgegrabenen Atriums aus Kalkstein . Reste einer Decoration ersten
Stils finden sich auf den alten Theilen der Stra ssenwand und.
links im Anfang des Flurs,ebenso in der entsprechenden Ecke
des Zimmers zur Linken,immer nur auf den alten Mauertheilen .
Es waren als o auch diese Stad ttheile schon in der Tuff
2 5 2 Capite l X .
periode bebaut,und wir dürfen wiederum hinzufügen
,dass ein
s o breites Pomeri um,wie es sich auch hier nach Nissen’s An
nahme ergeben würde,bei der natürlichen Festigkeit auch dieser
Strecken undenkbar ist . Wenn wir für eine Occupation d er
Mauer , eine Entfestigung schon in s o früher Zeit auf dieser
Strecke keine neue Bestätigung finden,s o dürfen wir daraus
nichts schliessen . Denn nur an einer Stelle ( c a s a d e l l ’ I m
p e r a t o r o G i u s e p p e II, VHI, 2 , 38) kann , namentlich nach den
neuesten Ausgrabungen (1 879) auf der Südwestseite des F o r u mt r i a n g u l a r e
,mit Sicherheit consta tirt werden
,dass die bloss
gelegten Gebäude uber die hier ganz verschwundene Stadtmauer
hinausreichen . Hier finden wir Reste von Wandd eco ra tionen
dritten Stils auf Mauern aus gutem Lava incertum mit schwach
verzahnten Thürpfeilern aus ziegelförmigem Haustein,Mauern
,
welche gewissen Mauern an Gebäuden aus der sullanischen Zeit
wesentlich gleichartig sind,denen nämlich
,wo das Qua sireticula t
j ener Zeit nicht zur Anwendung gekommen ist : der Eingangs
wand d es Vorhofes des Aesculaptemp els , der Nordwand des
t h e a t r um t e c t u m . An letztgenannter Stelle und noch o fto r ,
s o in dem oben (S . 2 4 5 ) besprochenen Hause VI i n s . e c o i d .
No . 32,sind auf solchen Mauern Malereien zweiten Stils erhalten ;
auch d a s in demselben Stil d eco rirte Mauerwerk d es Hauses
VI i n s . e c o . No . (S . 2 40) unterscheidet sich von diesemnur durch das Materi al d es Incertum s . Daneben finden wir
einzelne Ziegelpfe iler, d ie j a auch an d en im vori gen Capitel bo
spro chenen Bauten mit den Pfeilern aus Hausteinziegeln wechseln .
2 5 4 Capite l XI .
n . Chr. bestimmt wird . Mit Recht sieht N issen keinen Grund,
d en Bau dieser Capello von d em des ganzen Gebäudes zu trennen .
Bei d er Zeitbestimmung der Fullonica geht Nissen von der In
schrift aus,nach welcher das Gebäude der C o n c o r d i a Au g u s t a
und P i e t a s„d. h . unsymbo lisch gesprochen der Kaiserinmutter
und d em regierenden Kaiser “ d ed icirt war. Dies war,wie N issen
feststellt,möglich in den ersten 8 bis 10 Rogierungsj ahren d es
Tiberius (c. 1 4 und zur Zeit der Anfänge N oro ’
s (5 4
Nissen entscheidet sich für das spätere Datum . Denn da d er
Grund nicht d er Erbauerin gehörte,auch nicht d er Stadtgemeinde
,
denn dann müsste d ie Genehmigung des Stad tra thes erwähnt
sein so liegt die V ermuthung nahe , dass dieser Platz wo,
wenn ich Nissen recht verstehe,wohl schon früher eine Fullo
nica war einem Tempel gehörte,dass also Euma chia auf
Kirchengrund,und deshalb mit Bewilligung d es Kaisers da a lles
Kirchengut dem p o p u l u s R o m an u s gehört ihren Bau de
d icirto . Da derselbe durch die Dedication das Privilegium d er
Immunität erhielt,s o meint Nissen
,e ine solche Freigebigkeit
sei d em sparsamen Tiberius , der die Adulation verachtete , nicht
zuzutrauen,wohl aber N ero
,der j a mit öffentlichem Gut durch
aus nicht haushälterisch umging. Es wird endlich d ie Möglichkeit
angedeutet,dass d ie Inschrift J . N . 2 2 1 5
iulia e AGRIPPINAE
9 9Tmam'
0z'
CAESARIS F
ii : Ola Dl l CAESARIS AV GV S'
TI
zu d er Statue d er Concord i a Augusta gehört habe : da dieselbe
Claudius als lebend voraussetzt, so meint N issen, man müsse in
diesem Falle die Dedication,welche auf ihn keine Rücksicht
nimmt,in seine letzten Jahre 5 2— 5 4 setzen , wo man ihn bereits
als abgedankt betrachtete . Zuletzt endlich wurd e die sog .
Curie erbaut,zur Ausfüllung d er Lücke zwischen Augustustompel
und Macellum,und mit Anlehnung an d ie Umfassungsmauern
derselben : wie in Pomp ej i d ie früheren Regierungen durch Ca
pellen geehrt we rden sind,s o ist es wahrscheinli ch , dass auch
die Thronbesteigung der Flavier ein monumentales Zeugniss
hinterlassen hat : daher die Bez iehung auf Vespasian und seine
Söhne,d eren Dreizahl für di e Hauptapsis und d ie beiden Seiten
apsiden trefi'
lich passt .
Chron o l o gie d er Bau ten ö s tl ich vom Forum . 2 5 5
Um die Chronologie Nissens zu würd igen,ist es nothwendig
,
den in den Gebäuden selbst vorliegenden Tha tbestand genauer
festzustellen,als dies von ihm geschehen ist
,und zu erwägen
,
we lche re la tive und absolute Zeitbestimmungen sich aus dem
selbon erg eben .
Als festen Punkt dürfen wir den Temp el d es Ge n i u s Au
g u s t i betrachten : dass di eser zur Zeit d es Augustus,und wahr
scheinlich in den von Nissen angenommenen Jahren 7—2 v. Chr .erbaut worden ist
,kann nicht füglich bezweifelt werd en .
Mit d em Augustustomp el stimmt aber das Gebäude der Eu
machia in der Bauart s o genau überein,dass wir es nicht ohne
zwingende Grund e einer vie l späteren Epoche zuweisen dürfen .
Die Construction aus ziegelförm igen grauen Tuffs to inen , die Ein
theilung d er Mauern in Feld er mit abwechselnd spitzem und
fla chgewo lbtem Giebel , alles dies kehrt genau s o wieder : die
Umfassungsmauern beider Gebäude sind sich s o ähnlich,wie nur
zwei Mauern in Pompej i s ein können . Ferner sind die Wändeim dritten Stil bemalt : dass dieser noch zur Zeit N o ro ’
s üblich
war,darf mindestens als sehr zweifelhaft gelten . Aus diesen
Gründen werden wir wohl thun , d ie Entstehung d es Gebäudes
in d ie erste Zeit d es Tiberius , nicht N oro’
s,zu verlegen . Was
Nissen dagegen anführt,i st nicht zwingend genug
,um solchen
,
vom Tha tbestand herg enommenen Gründen gegenüber in’s Gewicht
zu fa llen . Auch dass es sich hier um Temp o lgut handelte , ist
doch keineswegs erwiesen : gesetzt,da s Gebäude sei wirklich
eine Fullonica,s o kann doch sehr wohl der Bauplatz sch on früher
dem Collegium der fu l l o n o s gehört haben . Dass seiner in d er
Weihinschri ft keine Erwähnung geschieht,kann auf einer Defe
renz desselben gegen seine Wohlthäterin beruhen und darf uns
überhaupt nicht Wunder nehmen,nachdem wir uns einmal dari n
gefunden haben,dass d ie Erbauerin einer Fullonica sich an der
selben durch eine Inschrift verewigte,in der weder von Fullo nica
noch von fu l l o n o s die Red e ist .
Das Gebäude erhielt spä ter,gleichzeitig mit d em Augustus
tompel,eine neue
,ausschliesslich aus Ziegeln bestehende Front
hier finden sich keine Spuren j ener Decorati on dritten Stils .Die Curi e ist offenbar j ünger als d er Augustustompel . Die
2 5 6 Capitel XI.
etwas abweichende Ori entirung i st durch eine nach Osten dicker
werd ende Anmauerung an d ie Nordwand des Augustustomp o ls aus
geglichen werd en . Ganz das gleiche V erhältniss findet dem Ma
cellum gegenüber statt,nur dass hier d ie Anmauerung nach
Westen stärker wird . Hier wie dort ist d ie Posteri orität d erCurie evident .
Andererseits konnen wir V o rand orungen consta tiren , welche
sie in der Zwischenzeit zwischen ihrer Erbauung und dem Unter
gang Pompej i’s erfahren hat,und welche uns verbieten
,d iese
Zwischenzeit allzu kurz anzusetzen . In der Ostwand d e s Nord
flügels ist eine Thür,entsprechend der in der gleichen Wand
des Südflügo ls noch vorhandenen , zugesetzt werd en . Die V o r
mauerung,welche älter ist als d ie M a rm o rbekleidung des ganzen
Raumes,zeigt Reticula t . Und auf eine d er Marm o rbekleidung
vo rausliegend o Periode weist noch eine andere Spur : an d er
Aussenseite d er Westwand d es südli chen Flügels,nach d em
Forum zu,ist ein Rest vio letten Stucks erhalten
,evident einer
d er Marm o rbekleidung vorhergehenden Stuckd eco ra tion ange
hörig . Dass d iese sich auch über d en Innenraum erstreckte,is t
mit Rücksicht auf j ene vermauerte Thür mehr als wahrschein
lich . Ueber d en Stil d er Malerei gestattet das geringe Fragment
kein Urtheil ; aber in den aus d em südlichen Flügel zugänglichen
Hinterzimmern finden wir eine Decoration,welche trotz d er grossen
Einfachheit doch mit hinlänglicher Deutlichkeit d en dritten De
co ra tionsstil zeigt : wir dürfen also annehmen,dass in diesem
Stile einst das ganze Gebäude ausgemalt war. Mithin müssen
wir für d ie Da tirung d e s Baues j edenfalls über das Erdbeben
von 63,vermuthlich über das Jahr 50 n . Chr . zurückgreifen .
Damit stimmt es vollkommen,dass d ie dem Augustustompel
spater vorgelegte Ziegelfro nt, und d ie mit derselben untrennbar
verbundene des Gebäudes d er Euma chia offenbar j ünger sind als
d ie Curio : wo beid e zusamm ontreffon,sieht man deutlich , wie
das Ziegelwerk d es Augustustomp ols schlecht und unregelmässig
mit der offenbar gebrochenen Mauer der Curio verzahnt ist .
Es ist von Nissen S . 3 1 6 hervorgehoben we rden , dass an
d er Front d es Augustustomp o ls Veränderungen vorgenommen
we rd en sind .„Man erkennt an d en Fundamenten im B o d en
,
dass die beiden Seitenmauern um 0 . 3 M . weiter vo rsprangen ,
2 58 Cap ite l X I.
unter Vespasian,nach dem J . 70
,entstanden
,wohl aufgegeben
werd en . Es ist j ünger als d e r Augus tustomp e l , vermuthlich auch
als das diesem in d er Bauart ähnli che Gebäude der Eumachia
(c . 2 0 n . a lte r hingegen als d a s Verschwinden d es drittenD eco ra tionsstils
,c. 50 n . Chr .
Das Macellum ist,wie wir gesehen haben
,a lter als die
Curie,und gegen die N issen’
sch e Da tirung , 1 4—1 9 n . Chr.
,ist
nichts einzuwenden. Doch gilt dies nicht von d en B o ttegen am
Forum,welch e offenbar ers t später d em Hauptraum vorgelegt
we rden sind . Betrachten wir nämlich die Vorderseite genauer,
s o la ssen sich drei Peri oden in d er Geschichte d es Baues mit
voller Sicherheit unterscheiden
1 . Ursprüngli ch e Erbauung : di e Wando bestehen aus trefflichs tom Incertum
,unten Lava
,weiter o ben vorwi egend Kalk
stein : das Lava incertum gehört zu dem besten,was in Pompej i
zu finden ist . Dass es sich hier nicht um verschiedene Peri oden
handelt,sondern um d ie Verwendung besseren Materials in den
unteren,stärker belasteten Schichten
,wi rd durch d ie Zieg elpfeiler
an d en Ecken und Thüren bezeugt,welch e durchaus aus einem
Stück und mit beiderlei Mauerwerk gleichmässig untrennbar ver
bunden sind. Und aus demselben Grunde darf auch das sorgfältige Reticula t , aus d em ein grosser Theil der Südwand besteht
,
nicht , wi e N issen (S . 2 84 ) meint , fur späteren Ursprunges alsdas Incertum gehalten werd en : d er o stlicho Eckpfeiler ist mit
beiden gleich untrennbar gebunden . Auch is t es ni cht ri chtig,
dass man d a,wo beid e Arten Mauerwerk zusammenstossen
,
deutlich das Netzwerk als späteren Ansatz erkennt . Vielm ehr
gehen gerade hier beid e so in einander über, dass an d er Gleichzeitigkeit nicht zu zweifeln ist : man müsste sonst doch schon ,wo der Mörtel d es j üngeren Mauerwerks sich an den d es älteren
anschliesst ; aber davon ist keine Spur,derselbe Mörtel geht
gleichmässig weiter . In derselben Höhe,wo im Incertum d ie
Lava d em. Kalkstein weicht,tritt im Reticula t an die Stelle des
grauen der gelbe Tuff ; an einer Stelle hat d er d em Reticula t
zunächst liegende Lava sto in noch d ie Form der Reticula t
steine . Das Ziegelwerk d er Eck und Thürpfeiler i st vorzüglich : die Ziegel , von gleichmässig rother Farbe , sind
Chrono l ogie der Bau ten östl ich vom Fo rum . 2 5 9
bis d ie Schichten d es trefflichen steinharten Mo rtelsbis hoch
2 . V erstarkung d er Westmauer , an den beiden Eingängen
auf’s deutlichste erkennbar : d ie Westmauer wurd e von c . auf
die ungewöhnliche Stärke von c . gebracht . Die Ziegeldieser Verstärkung
,von ungleicher
,m e ist m ehr ins Graue spielen
der Farbe,sind die M örtelschichten
hoch . Zwischen den beiden Eingängen blieb damals eine Nische,
welche später einmal durch Einfügung eines Pfeilers an j ed emEnde und V ersetzung zweier Marmorsäulen in eine Aedicula ver
wandelt wurd e .
3 . Gleichzeitig mit dem Bau d er südlich anstossenden sog .
Curio wurden d ie B o ttegen am Markt hinzugefügt : durch ihreungleiche
,nach Nord en zunehmende Tiefe wurd e eine der Axe
des Marktes sich einigermassen annähernde Front gewonnen . Ind en beiden nörd li chsten dieser Räume (1 1 . 1 2 ) hat man aucheine dieser neuen Front parallele Rückwand erzielt
,ind em man
in No . 1 1 d ie schon einmal verstärkte Westwand d es Hauptraumes,
in No . 1 2 d ie d es westlichsten d er Läden auf der Nordseite (1 4 )ausgleichend verstärkte . Dass dieser Vorbau mit dem Bau der
Curi o gleichzeitig i st,fallt in d ie Augen . Der Südpfeilor d es
südlichsten Raumes es ist kein Laden,sondern nur e ine nicht
sehr tiefe Nische mit einer an d ie Rückwand angelehnten Basis
ist nichts anderes als das Nordende der Westwand des nördli chen Flügels der Curio
,und ihm sind d ie anderen Pfeiler völlig
gleichartig. Der so entstehende Eingangsraum ist mit Marmor
bekleidet werd en ; ob sogleich , kann fraglich erscheinen , und
da,wie wir gesehen haben , die sog. Curio nicht gleich Marmor
bekleidung erhielt,so liegt es nahe zu vermuthon dass es sich
mit diesen ihr gleichzeitigen Räumen ebens o vo rha lto .
Die Laden auf d er Nord seite sind älter,wie aus d em mit
den Mauern d es Hauptraums gebundenen und ihnen gleichartigen
Eingang deutlich genug hervorg eht . Von den sie trennenden
Mit Unre cht be ze i chnet N is sen (S . 77) da s Z iege lwerk d er so gen . 3 Gur ionan d er Sü dseite des F o rums a ls das beste Mau erwerk , d a s d ie Stadt au fwe is t .Sowo hl d a s in Rede stehende a ls d as d er B a s i l ica ist en ts ch ieden be sser
,nam ent
l i ch d or Mörte l .
2 60 Cap i te l X I .
Pfeilern bestehen nur die ersten 5,vom Forum aus
,und d er
letzte aus Ziegeln,d ie übri gen aus Tufl° und Kalksteinquadern .
Da diese a lterthüm lichen C onstructio nsa rten für d ie Zeit des
Tiberius nicht recht passen,so könnte m an vermuthen , dass s ie
von früher hier gelegenen Häusern herstamm on : man könnte
da für anführen,dass sie nicht in einer Linie liegen . Freilich
aber sind d ie beiden Tuffp feilo r am Eingang mit d en Seitenwänden
desselben gebunden,sehen auch ganz s o aus als ob sie an ihrem
ursprüngli chen P la tzo ständ on : sie setzen also an eben dieser
Stelle einen oben so breiten,für ein Privathaus zu breiten Ein
gang voraus . Wir werd en also diese Pfeiler für nicht älter halten
als den ganzen Bau,ihre Construction aber s o erklären , dass
wohl gerade d ie vo n älteren Bauten stammenden Quadern zurHand waren .
Auch im inneren sind na ch tra gliche V o rand o rungen zu con
s ta tiren . Das sogen . V o lcana l (Nissen S . 2 83) ist ers t na ch trägl i ch
,nach dem Mauerwerk zu urtheilen etwa gleichzeitig mit den
Veränderungen auf d er Westseite,hinein gebaut we rd en . Und
zwar is t dieser Einbau älter als d ie uns erhaltene Wandd eco
ration im Stil der letzten Zeit Pompej i’s . Das V o lcana l selbst
wa r mit Marmor bekleidet,d ieWandd eco ra tio n aber liegt rechts
auf d em Mauerstück,mit welchem e s an die hier etwas vor
spri ngende Ostmauer angesetzt i st und welches nich t älter sein
kann a ls das V o lcana l selbst ; links sieht man deutlich , wie der
Stuck an d en Marmor hinangestrichen wurde . Es ging also d er
j etzigen eine and ere,ohne Zweifel im dritten Stil gehaltene
Wandd e co ra tion voraus .
Noch j ünger ist das kleine,unter dem Namen d er Musi
kantontri büno bekannte,an d ie Nordwand angebaute Gehege
,
wo nach N issen S . 2 79 Gerippe kleinerer Thiere gefunden wur
den : o s wurd e gemacht,als der Hauptraum schon seine j etzige
Decoration hatte,und dann in demselben Stil bemalt .
Es ergiebt sich uns also folgende ziemlich sichere Chronologie
dieser Gebäude :1 . Augustustompel , 7
—2 v . Chr .2 . Gebäude d er Eum a chia
,1 4 — 2 4 n . Chr .
3 . Bau d es Ma ce llum s ohne die Läden am Markt,1 4 — 1 9