€¦ · V o r w o r t. Die Aufgabe der historischen Erforschung Pompey’s ist eine doppelte:...

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Pemp ej an i s oh e B e i tr ag e

Augu st Man

iM i t d r e i T a f e l n

B e r 1 i n

Druck und Verlag von G. Re im e r

1 879

aohtzehnhunder’

gahrigen Erinnerungsfeier

Versehuttung Pompey’s

gewidmet .

V o r w o r t.

Die Aufgabe der historischen Erforschung Pompey’s ist eine

doppelte : erstens,die Entstehungszei t aller irgend wichtigen Ge

baude zu bestimmen,ihre ursprüngliche Gestalt festzustellen

,die

Späteren Veränderungen genau zu verfolgen und auch ihnen ihre

Zeit anzuweisen ; zweitens , in j edem einzelnenFalle die Ursachen ,die historischen Bedingungen zu erkennen

,aus denen der Bau

oder Umbau hervorging . Nur so kann das reiche hier vorliegende

und täglich wachsende Material seine volle V erwerthung finden .

In H. Nissen’s zum Theil auf Grund von Vorarbeiten R . Schöne’s

bearbeiteten Pompej a_nischen Studien zur Städ tekund e des Alter

tums “ (Leipzig 1 877 ) sind beide Theile der Aufgabe rustig in

Angriff genommen worden,und wir dürfen dem Verfasser dafur

dankbar sein : nur so war es moglich,den ganzen Umfang der

selben und den dabei zu erzielenden Gewinn in grossen Zügen

darzulegen und der weiteren Detailfo rschung die Wege zu weisen .

Diese aber ihrerseits darf nicht in gleicher Weise verfahren ;sie darf sich nicht der Gefahr aussetzen

,die ganze Forschung da

dur ch zu d iscred itiren,dass ihr irgend welche Vorgänge a ls mit

der historischen Entwickelung in Uebereinstimmung , vielleicht als

hochst bedeutsam für dieselbe erscheinen,nachher aber der Sach

verhalt si ch als ein ganz anderer herausstellt . Verschiedene

Capitel Nissen’s,z . B . die uber den V enustemp el und die Basilica ,

mogen das gesagte erläutern : nicht j eder kann durch gleiche

Vorzüge solche Mängel aufwiegen . Wenn die Resultate der

grundlegenden Lo ca lfo rschung von verschiedenen Seiten geprüft

und dieselbe zu einem gewissen Abschluss gelangt sein wird,

Vo rwo rt .

dann wird es Zeit sein,einmal wieder an die hi storische Ver

werthung derselben zu gehen .

Die folgenden Beiträge beschranken sich daher auf sorgsame

Erforschung des Tha tbes tand es und. dessen,was sich unmittelbar

aus demselben,in Verbindung mit den feststehenden historischen

Da ten,ergiebt . Nissen

’s„Studien “ gaben den Anlass zu ihrer

V eröffen tlichunw0 ,sie wurden vermuth lich später und in durch

gearbeiteterer Gestalt erschienen sein , wenn ich nicht die Ver

pflichtung gefuhlt hätte , baldigst das meinige zu thun , um den

Fachgenossen ein begrund etes Urtheil uber ein s o wi chtiges

Werk zu erm oglichen und von den zahlreichen Irrthüm ern d es

selben di e hauptsächlichsten zu berichtigen,wozu ich durch

anhaltende und genaue Betrachtung der Ruinen Pompej i’s hin

längli ch befähigt zu sein glaubte .

Der Werth des N issen ’

schen Werkes soll durch diese Berich

tigungen nicht herabgesetzt werden . Wer j e mit Forschungen

dieser Art sich abgab,der weiss

,dass Dinge

,welche

,einmal

wahrgenommen,auf der Oberflache zu liegen scheinen , sich doch

häufig erst nach anhaltender und wiederholter Betrachtung dem

geübteren Auge offenbaren . Manches sah auch ich erst , nachdem

mir durch die Sch öne -N is sen’

schen Untersuchungen der Blick

geschärft war. In Betreff der Messungen lehrt erst die Erfahrung ,

wie schwer es ist,dieselben in gro s serer Anzahl vorzunehmen ,

ohne dass si ch Fehler einschleichen .

Auch meine Arbei t i st durch die stets bereite Gefa lligkeit

der Beamten der Ausgrabungen in j eder Weise erleichtert und

gefordert worden . Ihnen allen,sp eciell dem Director , Herrn

M . Ruggiero,der mir durch eigens zu diesem Zweck vo rgenom

mene Ausgrabungen die genauere Erforschung der Basilica er

m öglichte , ferner den S oprastanti Cav. Andrea Fraia und Camillo

Lembo und meinem Freunde A . Sogliano sei hiermit öffentlich

der wärmste Dank ausgesprochen .

Pompey,1 . September 1 879 .

A. Man.

I n h a l t.

Se i te

Capitel I . A l l g e m e i n e s

1 . Die b ish erigen E rm i ttelungen uber Alterskriten en

Wandd eco rationen

Netzwerk

Der gelbe Tu ff

Röm i s ches und o skische s Ma ss

Capitel I I. E i n ä l t e s t e s B a u w e r k

Capitel III. K a l k s t e i n a t r i e n

Capitel IV . D e r V e n u s t em p e l

Capitel V. D i e S t a b i a n e r T h e rm e n

Capito l VI . S e p t a

Capitel VII . D i e B a s i l i c a

Capitel VIII . E i n i g e d e r B a s i l i c a g l e i c h z e i t i g e B a u t e n

1 . Der Jup itert emp el

2 . Die ä l testen Thei le d es gro ssen Thea ters

3 . Thurme,Mau e1 und Th o re

V I II Inha lt .

Capitel IX. D i e e r s t e n B a u t e n d e r r ö m i s c h e n C o l o n i e

l . Die Fo rum stherm en

2 . Der Aescul aptemp el

3 . Po rta Marina

Cap ito l X . Z u r E n t fe s t i gu n g s fr a g e

Capitel XI . C h r o n o l o g i e d e r B a u t e n ö s t l i c h v o m F o r u m

Capitel I .

A l l g e m e i n e s .

1 . Die bisherigen Ermittelungen uber Alterskriterien .

Welches sind die Kennzeichen,nach denen wir das Alter

pompejanischer Gebäude bestimmen,verschiedene Epochen in

der Baugeschichte der Stadt unterscheiden können ? Die Beant

wo rtung dieser Frage versuchte zuerst Giuseppe Fiorelli in seiner

den pompejanischen Studien eine neue Richtung weisenden Schrift :

G l i S c a v i d i P o m p e i d a l 1 8 6 1 a l 1 8 7 2,R e l a z i o n e a l M i

n i s t r o d e l l a I s t r u z i o n e p u b b l i c a,N a p o l i 1 8 73

,wo die

betreffend en Abschnitte sich 8 . VII— XI II und. 78— 86 finden .

Na ch ihm zerfallen die Gebäude Pompej i’s in drei Gru ppen,

entsprechend der o skischen,samnitischen und römischen Periode .

Der ersten Periode,cha rakterisirt durch die ausschliessliche

Verwendung d es Kalksteins ( p i e t r a d i S a rn o ) , gehören vonöffentlichen Monumenten nur der alte Tempel des Forum trian

gulare und die ältesten Theile der Mauern und Thore,von Priva t

häusern die von Nissen Cap . XX,S . 397 ff. behandelten Kalk

s teina trien an . Und zwar unterscheidet Fio relli innerhalb dieser

Periode zwei C onstructio nsa rten,den Quaderbau und das von

Nissen pa ssend so genannte Ka lks teinfa chwerk : letzteres gehört

nach ihm auch der ersten Periode an,steht aber schon auf der

untersten Grenze derselben .

Die zweite Peri ode wird charakteris irt durch die Verwendung

des Tuff’s p i e t r a d i N o c e r a ) und durch den Säulenbau . Aussereiner ansehnlichen Zahl öffentlicher Gebäude (8 . X . XI) gehörenihr die sta ttlichen Privathäuser mit Tufffaca d én an , endli ch die

M a n, p o m p ej a n B e rt ra g e 1

2 Capite l I .

o beren,nach Fiorelli j ungeren Theile der Mauern samm t den

Thürm en .

Alles ubrige , cha rakterisirt durch häufigere Verwendung

vulcanischer Materialien vom Vesuv, geh o rt der letzten , römischen

Periode an .

La ssen wir die Combina ti on der Baugeschichte mit den drei

Perioden der politi s chen Geschichte Pompej i ’s bei Seite,s o is t

anzuerkennen,dass die beiden wichtigsten Gruppen pompej a

mischer Gebäude,welche ohne Zweifel j ede eine bestimmte Periode

aus der Sta dtgeschichte rep räsentiren ,von Fi orelli vollkommen

richtig erkannt sind . Freilich aber is t seine Charakteristik dieser

Gruppen nicht erschöpfend und wohl in Folge dessen sind bei

der auf seinen Tafeln (R e l a z i o n e t . II . III . IV) versuchten Zu

theilung zahlreiche Irrthüm er begegnet , und e s haben sich ihm

daher Resultate ergeben,welche n icht haltbar sind .

F io relli’

s Charakteri stik der beiden ältesten Gruppen i st von

H . Nissen ( p o m p ej a n i s c h e S t u d i e n z u r S t a d t e k un d e d e sA l t e r t h um s

,Leipzig 1 877) namentli ch in 4 Punkten beri chtigt

worden (S . 34

1 . Ka lksteinqua d erbau und Ka lksteinfa chwerk d urfen zeit

lich nicht getrenn t werden : in den vollkommensten Beispielen

dieser Gruppe sind sie untrennbar verbunden .

2 . Die erste Gruppe verwendet als Bindemittel durchweg

nicht Kalkmörtel,sondern Lehm . Erst durch diese Entdeckung

lernen wir die Technik des Ka lksteinfa chwe rks verstehen : der

Lehm konnte seiner Natur na ch keinen cons tructiven Werth

haben ; er diente nicht, wie der Kalkmörtel, die Mauer zusammen

zuhalten,s ondern sie dicht zu ma chen

,die Fugen zwischen d en

Ste inen_

zu füllen . Das Zusammenhalten der Mauer beruht viel

mehr auf der Art wie zwischen dem aus Quadern bestehendenFachwerk die der Ziegelform sich nah ernd en kleineren Steine

geschichtet sind : mehrfa che Beispiele,wo der Lehm sich in Staub

auflö st,beweisen

,da ss auch ohne ihn die Mauer allenfalls stehen

konnte .3 . Der Kalkstein war nie ausschliesslich im Gebrauch

,

namentlich i st Tuff schon in der a ltesten uns erkennbaren Zeitangewandt worden : die mit Ausnahme der Cap itelle aus Tuff

bestehenden Reste des dorischen Tempels bewe isen dies unwid er

A llgeme ines . 3

sp rechlich . Damit fa llt auch Fio relli’s Annahme , dass die Stadtmauer

ursprünglich nur 3 — 4 Meter hoch gewesen und erst in der zweiten

Periode durch Tuffqua d ern erhöht worden s ei . Diesen vo n Nissenangeführten Beispielen alten Tuffbaue s kann ein drittes

,besonders

evidentes hinzugefügt werden,welches namentlich den Tuff

quaderbau zum Ka lksteinfa chwerk in chronologi sche Beziehung

setzt : der im Sudwestwinkel der vierzehnten Insel der siebenten

Region erhaltene grosse monumentale Brunnen aus Tuffquad ern ,von dem weiterhin (Cap . II) die Rede sein wird , seine Anteri0 1 ität

gegenüber der über ihn hingebauten Fa chwerkm aue 1 der c a s ad e l l a r e g i n a d ’

I n g h i l t e u a (No . 5 ) unte1 liegt keinem Zweifel .

4 . Ka lksteinquad e 1 n wu1 d en auch in de1 Zeit de1 zweiten

Gruppe (der „Tuffp erio d e

) nach Nissen auch noch später

für die stark belasteten Wandpfosten um die Atrien verwandt

so finden sie sich durchweg in den grossen Häusern der Tuff

periode . Fio re lli’

s Annahme,als sei hier j edesmal ein a lter

Kern durch spätere Anbauten erweitert worden,i st unhaltbar.

Was sich aus diesen Berichtigungen,im Verein mit allge

m eineren Erwägungen , für die älteste Gestalt, für die Grundungsgeschichte der Stadt ergiebt, kann hier übergangen werden : in

Betreff der weitgehenden Folgerungen , welche Fiorelli a n die

Zahl und V ertheilung der ältesten Ka lksteinhäus er geknupft ha t ,is t bei Nissen alle s n öthige gesagt worden.

Es ist richtig (Nissen S . dass sich fur den Bruch steinbau

mit Ka lkm o rtel ( o p u s in c e r t um ) nicht wohl bestimmte Alterskriterien feststellen lassen

,dass aber im Allgemeinen für die

äl tere Zeit eine vo rzüglichere Technik unter Anwendung kleiner

Steine,gleichmässigeres Material

,mit Vorliebe Lava (Nissen

S . 5 7 und besserer Mörtel (a . a . O . S . 4 3) charakteristisch ist .Ein einigermassen geübtes Auge wi rd d a s Incertum der Tuffperiode meist mit ziemlicher Sicherheit von dem späterer Zeiten

unterscheiden : e s kann z . B . an der Basilica und an den j ungerenTheilen der Stadtmauer

,namentlich auch den Thürm en östlich

vom Herculanerth o r,mit Bequemlichkeit stud irt werden . N ament

lich der Mörtel,welcher meist durch beigemischte Lavabrocken

schwarz punktirt erscheint , ist durchaus charakteristi sch . InPrivathäusern is t besonders häufig in den unteren Theilen aus

schliesslich Lava , weiter oben andere Steinarten , unter denen

4 Capite l I.

entweder der Kalkstein oder die C ruma vo rwiegt , angewandt .Ganze Mauern aus Ka lksteinincertum gehören im Allgemeinen

einer späteren Zeit an ; ein annähernd d a tirba res Beispiel ausälterer Zeit bietet die Mauer

,welche den Peribolos des Venus

tempels von der S t r a d a d e l l a M a r i n a scheidet . Ob sie den

ofi"

enba r der B lüthe der Tuflzeit angehörigen Pfeilern,in welche

sie an der Thur und an der Ecke d es Forums endigt , gleich

zeitig ist,kann wohl nicht mit Sicherheit ausgemacht werden .

Soviel aber steht fest,dass nach dem Bau derselben der Eck

pfeiler am Forum theilweise beschädigt und seine oberen Steine

nach Osten (gegen das Forum) verrückt wurden , dass dann vonder F o rum seite durch Abm eisseln der in Folge dieser Verrückung

vorstehenden Theile eine ebene Fläche hergestellt und auf diesedie p r o g r am m a t a a n t i q u i s s im a C . I . L . IV

,35 . 36 gemalt

wurden . Andererseits finden wir das vo rzuglichs te Lava incertumin d en unteren M auerth e ilen des sogen . Pantheon (nach NissenMa cellum) , dessen Bau nach Nissen

’s sehr wahrscheinlicher An

nahme in die Jahre 1 4— 1 9 n . Chr . fa llt .

Ziegel sind in dieser Peri ode für die Mauern nur ganz aus

nahm sweise verwandt worden : s o fur die Front der Ba silica

gegen d a s Forum ; dass es mit den Ziegelpfo sten der Süd thürd esselben Gebäudes eine andere B ewand tniss hat , werden wir

weiterhin sehen . Ziegelsäulen aus dieser Zeit finden wir eben

falls in der Basilica,ferner im zweiten Peristyl der c a s a d e l

F a u n o,welches schwerlich

,wie Nissen meint

,in römischer Zeit

hinzugefugt worden ist . Vielmehr weist a lles da rauf hin,dass

die c a s a d e l F a u n o in ihrem gegenwärtigen Umfange auf ein

ma l,und zwar in der Tuffp e rio d e , erbaut worden ist : die Nord

westecke,aus Kalksteinquadern bestehend

,kann kaum einer

anderen Zeit angehören . Wesentlich gleichzei tig ist die c a s a

d e 1 L a b e r i n t o,wo ebenfalls die Säulen des P eristyls aus

Ziegeln bestehen : auch dies Haus is t auf einmal in seinem

j etzigen Umfang erbaut worden . Für Thurpfo sten und die Pfeilerum

s Atrium wurden regelmässig Kalksteinquadern verwandt.

Aus Tuffqua d ern bestehen die Pfosten des nörd lichen Eingangesder Basilica ; s ie finden sich an den Hausein gängen natürlich da

,

wo für die Faca de derselbe Stein verwandt i st. M örtelschich ten

zwischen den Kalksteinquadern sind häufig,während in anderen

A l lgeme ines . 5

Fa llen die Quadern s o genau auf einander passen,dass ein Binde

mittel nicht consta tirt werden kann . Aus solchen Unterschieden

auf zeitliche Verschiedenheit zu schliessen,i s t kein genügender

Anhalt vorhanden . Es kann als Regel gelten,dass Thürpfo s ten

und Ecken aus ziege lförm ig zugehauenen Kalk und Tuffsteinen

dieser Periode fremd sind ; einige vereinzelte Beispiele dieser in der’

folgenden Periode ganz allgemein verbreiteten C onstructionsweisewerden sich uns weiterhin wenigstens als sehr wahrscheinlich

erg eben .

Durch diese Kennzeichen konnen wi r eine bedeutende Anzahl pompejanischer Gebäude aus der ganzen Masse ausscheiden .

Offenbar rep räsentiren sie eine wichtige und verm uthlich nicht

kurze Periode der Baugeschichte,innerhalb deren die Stadt eine

gründliche Umgestaltung,einen umfassenden Neubau erfahren

haben muss. Wa s Nissen S . 3 1 ff. über den Flickbau der Pom

p ej aner sagt , gilt für die grösseren Bauten dieser Periode nur

in sehr beschränkter Weise . Ohne Zweifel war der Platz derBasilica

,der Stabianer Thermen früher von Häusern eingenommen :

aber nicht der mindeste Rest alten Mauerwerks ist für diese

umfassenden Anlagen verwandt worden . Dasselbe gilt von den

grösseren Privathäusern,der c a s a d e l F a un o

,der c a s a d i

P a n s a,der c a s a d e l t o r o (V, 1 , dem Haus des L . Ca ecilius

Jucund us (V, 1 , den Palästen der Insel VII,4 ( c a s a d e

c a

p i t e l l i c o l o r a t i u . s . hier überall i st erst vollständig auf

geräumt und dann von Grund auf neu gebaut worden . Beim Bau

der c a s a d e l L a b er i n t o ist für das Nordende der Ostmauer

die Front eines alten Hauses benutzt worden ; sonst ist auch hier

alles aus einem Guss . Alle vorrömischen öffentlichen Gebäude,

mit Ausnahme des dorischen Tempels , des alten Brunnens der

Insel VII,1 4 und der älteren Theile der Stadtmauer

,tra gen den

deutlichen Stempel dieser Peri ode : auch die Thürm e,wenigstens

der Mehrzahl nach,und die innersten Theile der Thore . Wir nennen

diese Periode von Fiorelli als samnitis che Zeit bezeichnet

nach Nissen’s Vorgang die Tufi‘

p erio d e , d a die Verwendung dieses

Steins zu Facad en und Säulenhallen fur s ie charakteristisch i st .Es ist sodann von Schöne (Q u a e s t i o n um P o mp e i an a

r um s p e c i m e n,L ip sia e wiederholt bei Nissen

,pompej .

Studien S . 1 32 ) auf eine Gruppe öffentlicher Gebäude aufmerk

6 Ca p i te l I .

sam gemacht worden,welche durch ahnlich e C ons tructio nsart

si ch al s zeitlich zusammengehörig erweist,und den Anfängen der

römischen Colonie angehört : d a s Amphitheater,das t h e a t r u m

t e c t u m,die F o rum stherm en . Charakteristi sch für diese Bauten

i st ein dem Reticula t sich annäherndes Mauerwerk wir

können es Qua sireticula t nennen aus Lava,mit Eckpfosten

entweder aus Ziegel (Theater , F o rumsth erm en) oder aus ziegelförmigem Haustein (Amphitheater) . Von zwei weiteren

,di eser

Zeit angehörigen Gebäuden soll weiterhin ( Capitel VIII ) dieRede sein .

Dies sind die Gruppen,welche bisher als zeitlich zusammen

gehörig aus_der ganzen Masse haben ausgeschieden werden

können,n ämlich : 1 . die sicher oder muthm a sslich vor die Zeit

der Ka lkste ina trien fallenden Bauten : der Tempel auf dem Forum

tri angulare,der Brunnen v n

,1 4

,die alten Theile der Stadt

mauer ; 2 . die Ka lksteina trien ; 3 . die Gebäude der Tufi‘

perio d e ;

4 . einige Bauten der ersten Zeit der C ol onie,und end li ch 5 . alles

was Später entstanden ist . Wenn gewisse , besonders neu aus

sehende Bauten,namentlich solche

,die noch nicht vollendet

waren,der letzten Zeit

,nach dem Erdbeben von 63 n . Chr .

,zu

gewiesen werden,wenn sonst für einzelne Bauten eine Da tirung

möglich ist,s o handelt es sich mehr um Indi cien , di e sich aus

dem einzelnen Fall ergeben,als um allgemein anwendbare

Kriterien .

2 . Wanddecorationen .

Ein wichtiges Alterskriterium ist bisher nicht ausgebeutet

worden : die Decoration der Wände Die Punkte , auf welche

es hier ankommt,sind folgende :

Die älteste der uns vorliegenden Deco ra tion sarten (Basili ca ,c a s a d i S a l l u s t i o

,c a sa d e 1 F a un o ) ahmt eine Wandbeklei

dung mit farbigem Marmor s o nach,dass sowohl die Marmor

Meine darauf bezuglichen Untersu chungen finden s ich im G i o r n a l ed e g l i S c a v i d i P o m p e i

,N u o v a S e r i e , Bd . H

,S . 386 ff .

,4 39 ff. , und wer

den demnä chs t durch eine im Auftrage d es deu tschen arch äo lo gisch en In s ti tutsers che inende , m rt d en n o thigen Ta fe ln versehene Darste l lun g zuganghcher ge

ma cht werden .

Allgeme ine s . 7

platten mit Fugenschnitt als auch die sie trennenden Gesimse

namentlich ein selten fehlendes mit Zahnschnitt auch in p la stischer Stuckarbeit dargestellt werden . Die in diesem Stil ausgeführte Decoration der Basilica bestand schon im Jahre 78 v . Chr .

,

in welchem C . P um id ius Dip ilus seinen Namen und die der Con

suln des genannten Jahres darauf schrieb (C . J . L . IV,

Der zweite Deco ra tions stil ahmt theils ebenfalls eine Ma rmor

bekleidung nach,aber nur durch Malerei

,ohne plastische Stuck

arbeit,theils schmückt er die Wände mit Architecturm a lere i

,von

der Cha rakterisirung einzelnerWandglied er Gesimse,Sockel

bis zur Darstellung ganzer Gebäude,P o rtiken u . dgl . C la ssisch e

Beispiele sind die c a s a d e l L ab e r i n t o und das Haus d es Germanions auf dem Palatin (Visconti und Lanciani , G u i d a d e lP a l a t i n o

,S .

Der dritte Stil,dessen Entstehung man einer Reaction gegen

die Ausartungen des vorigen zuschreiben möchte,giebt die archi

tectonische Cha rakterisirung der einzelnen Wand the ile ganz auf

namentlich an die Stelle der horiz ontalen Gliederungen (obererVorsprung des Sockels

,Gesimse) treten einfa che Ornam entstreifen

die Wand giebt sich einfach als mit Ornamenten zu d eco rirend eFläche . Nur in der Mitte derselben erscheint mit Vorliebe ein

zur Aufnahme eines als Tafelbild gedachten Gemäldes bestimmtes,

baldachinartiges Gerüst. Die Fa rbenstimmung und das System

der fla chgema lten Ornamente , die Abneigung gegen M o d e llirung ,unterscheiden diese Wände auf das bestimmteste von denen der

letzten Zeit. Eine derselben tragt einen Graffito aus dem Jahre

1 7 n . Chr . (C . I . L . IV,

Es is t wahrscheinlich,dass um

die Zeit des Erdbebens (63 n . Chr .) dieser Stil schon nicht mehrüblich war (Bu l l . d . Inst . 1 874

,S . 1 4 1 Beisp iele : d a s Haus

d es M . Spurius Mesor (VII, 3 , 29) und d a s kürzlich ausgegrabenedes L . Caecilius Iucundus (V, 1 ,

Die ganze übrige Masse gehört im wesentlichen den letzten

Jahrzehnten Pompej i’s an .

Suchen wir nun diese De co ra tio nsa rten mit den bisher gefund enen Gruppen älterer Gebäude in V erbindung zu setzen

,s o

handelt es si ch wesentlich um die erste Manier. Diese steht ineiner unverkennbaren

,schon früher (G i o r n . d . s c . d . P o m p . a . a . O .

S . 4 4 4 ; vgl . Nissen S . 5 7) hervorgehobenen Beziehung zu den Ge

8 Cap ite l I .

bauden der zweiten Gruppe Fio relli’

s, der Tuffperio d e Nissen

’s .Nur ganz a usnahmsweise , z . B . in der Basilica

,findet sie sich

auf Ziegeln . Das j üngste da tirba re Beispiel bietet wahrscheinlich

der aus sullanis cher Zeit s tammende Ae sculap temp el ; im übrigenhaben die Bauten aus der ersten Zeit der C ol onie Forums

thermen,kleines Theater

,Amphith eater keine Spur derselben

bewahrt . Dagegen war das kleine Theater vermuthlich von

Anfang an im zweiten Stil gemalt : wir dürfen als o wohl an

nehmen,dass auch dieser sch on in sullanischer Zeit üb li ch war.

Und wenn wir nun das im reinsten Re ticula t,mit Eckpfeilern

aus ziegelfo rm ig behauenem Tuff erbaute Haus

des Germanicus auf dem Palatin in diesem Stil ausgemalt finden,

wenn wir weiter (S . 1 0) finden , dass gleiches Mauerwerk es war

nach V itruv in seiner , der Zeit d es Augustus , allgemein üblich

geworden auch in Pompej i wahrscheinlich in diesem Stil be

malt war,s o werden wir wohl nicht allzusehr irre gehen

,wenn

wir annehmen,dass er von der sullanischen Zeit bis in die erste

Zeit des Augustus im Gebrauch blieb .— '

Für den dritten Stil bleibt

dann die erste Kaiserzeit bis etwa zum Jahre 5 0 n . Chr . übrig .

Uebrigens i st klar , dass die Decoration für die Ents tehungszeit der betreffenden Mauer stets nur die untere Grenze giebt

,

d a ihr j a eine andere vorhergegangen sein kann,dass also der

Werth der späteren Deco ra tionsa rten fur die Zeitbestimmung der

Bauten geringer ist als der der früheren . Andererseits freilich

ist zu beachten,dass in Privathäusern

,wo einst eine ältere

Decorati on vorhanden war, sich meist in irgend einem Winkel ,einer vernachlässigten Kammer

,ein Rest derselben erhalten ha t.

Fehlen also in einem einheitlich d eco rirten Hause solche Reste,

so mögen wir e s immerhin mit einer gewissen Wahrscheinli chkeit,

wenn nich t Gegenind icien vorliegen , der Zeit d es betreffenden

De co ra tionsstils zuweisen .

3 . Netzwerk .

Neben dem Incertum tritt seit den Anfangen der romischenC o l onie

,zuerst in unvollkommener Gestal t

,dann vollig ausge

bildet das Netzwerk auf (Nissen S . 5 8 ohne doch j e eineausgedehnte Verbreitung zu erlangen oder gar das Incertum zu

1 0 Capite l I .

d a s Haus des Germanicus auf dem Pala tin im schönsten und

sorg fältigsten Reticula t aus Tuff erbaut , mit Stuck bekleidet und

im zweiten pompej anischen Sti l ausgemalt . Der Reticula tbauwar nach dem Zeugnisse V itruv’

s zu seiner Zeit,der Zeit des

Augustus,allgemein übli ch geworden : er mag als o in der letzten

Zeit der Republik aufgekommen sein ; eben damals musste die

Zeit j ener Deco ra tionsweise sich stark ihrem Ende nähern . Wäre

also hier die Decorati on nicht gleich von Anfang an in Aussicht

genommen sondern in einer spätern Periode , auf Grund veränd erter Geschmacksrichtung

,hinzugefügt worden

,s o würde sie

sicher in einem andern Stile gehalten sein . Und wer möchte

auch glauben,dass man in Rom zur Zeit des Augustus oder kurz

vorher in einem durchaus nicht ärmlichen Hause die nackten

Tuffwänd e geduldet habe ? Mag man also die verschwendete

Mühe noch so unbegreifli ch finden,in diesem Falle lässt si ch

das Factum nicht bezweifeln .

Es kann aber auch für P omp ej r derselbe Beweis fast mit

gleicher Evidenz geführt werden . Das grosse mehrstö ckige Haus

nördli ch der s c u o l a a r c h e o l o g i c a (VI i n s . o c c i d . 2 4 ) ist in

Reticula t erbaut , mit Eckpfeilern aus ziege lfo rm igem Tufi‘

stein,

und im dritten De co ra tionsstil ausgemalt . Es lässt sich j edoch

nachweisen,dass dies nicht die erste Decoration des Hauses ist :

in der Rückwand des Mittelraumes im Mittelst ock ist ein grosses

Fenster mit unregelmässigem Incertum,in der Nordwand des

nördlichsten Zimmers desselben Stocks eine Thür mit grobem

Ka lkste inreticula t zugesetzt worden , beides bevor die Decorati on

dritten Stil s gemacht wurde . Auf der Nordwand des Mittel

zimmers konnte an einer Stelle,wo der Stuck abgefallen war ,

am 1 4 . August 1 878 con sta tirt werden,dass unter der Decorati on

dritten Stil s Reste einer älteren vorhanden sind. Im Allgemeinenzwar scheint nur die grobe Unterlage erhalten zu sein , doch

war ziemlich in der Mitte der Nordwand ein kleiner Rest eines

schwarzen Sockels si chtbar . Im nördlichsten Zimmer ist die

Wand mit Ziegeln belegt und auf diesen die Decoration dritten

Stils ausgeführt . Unter den Ziegeln is t die Wand mit Sand stuck

bedeckt,auf dem eine dunne Lage weissen

,nicht besonders sorg

fältig bearbeiteten Stucks liegt . Letztere ist unter den Ziegeln

zwecklos : vermuth lich haben wir auch hier einen Rest einer

Allgeme in es . 1 1

a lteren Decoration zu erkennen . Da nun eine Decorati on,welche

der dritten Stil s vorherging,wahrscheinlich der Zeit des zweiten

,

spätestens den Anfängen des d ritten Stils angehört haben wird,

s o können hier , d a das reine Reticula t doch schwerlich für

Pompej i wesentlich älter anzusetzen sein wird,a ls für Rom (das

Ha us liegt ausserdem auf der ehemaligen Stadtmauer) , ziemlichdieselben Betrachtungen angestellt werden

,wie in Betreff des

pa la tinischen Hauses .

Damit ist Nissens erstes Argument fa ctisch widerlegt . Die

eingelegten Muster beweisen,wo sie sich

,was meistens der Fall

,

auf der Aussenseite der Gebäude finden,doch nur für diese

,und

auch s o nur für den j edesmal vorliegenden Fall . Und dasselbe

gilt von den Inschriften,welche ausserdem aus der Zeit stammen

können,wo der Bau unvollendet

,oder vollendet aber noch nicht

getüncht war. Ind ess s ol l nicht bestritten werden,dass man auf

der Aussenwand gelegentlich den Bewurf sparte und sich mit der

durch d a s Netzwerk hergestellten glatten Oberfläche begnügte .Eingelegte Muster finden sich z . B . in dem eben besprochenen

mehrstöckigen Hause,wo sie durch Cruma stücke hervorgebracht

werden,welche in da s aus Tuff bestehende Reticula t eingestreut

sind : besonders deutlich is t das auf der Nordwand des derStrasse zunächst liegenden Raumes . Nun ist freilich dieser Raum

ein Garten,und es könnte deshalb eher j emand geneigt sein zu

glauben,die Mauer sei ursprünglich bestimmt gewesen roh zu

bleiben . Die Möglichkeit mag zugegeben werden,obgleich es

kaum wahrscheinlich ist,dass man zur Zeit des zweiten oder

dritten Deco ra tionsstils in einem grossen und offenbar ohne Spar

samkeit erbauten Hause von der zwei Jahrhunderte hindurch zu

verfolgenden Sitte,auch die Ga rtenwänd e gleich den Zimmer

wänden zu d eco riren,abgewichen sein sol lte . Einen unw id er

sprechlich en Beweis giebt uns a ber eines der j üngsten Häuser

Pompej i ’s . In derselben Insel macht das Haus No . 36 durch die

vollkommene Erhaltung des Mauerwerks den Eindruck spa ter

Entstehung. An der Front und an den Thürpfeilern i st in aus

gedehnter Weise Backstein verwendet,dazwischen aber sind die

eigentlichenWandflächen sorgfältig gearbeitetes Netzwerk aus Tuffmit reihenweise eingelegten C ruma stucken ,

s o dass auch hier

Muster ents tehn . Rechts und links vom Atrium sind beide Seiten

1 2 Cap ite l I .

der Mauern,auch gegen die Z immer

,auf diese Art behandelt

es ist eine anerkannte Sache,dass diese Bauart j ünger is t als d a s

der ersten Kaiserzei t angehörige Reticula t mit Eckpfeilern aus

Tufi‘

ziege ln. Je j ünger nun aber das Haus is t,um s o unglaub

licher ist e s,dass die Decoration im letzten pompej anischen Stil

,

welche in den Zimmern am Atrium erhalten ist und nach sicheren

Spuren auch uber dieses selbst sich erstreckte,ein nachträglicher

Zusatz,nicht von Anfang an beabsichtigt gewesen sein sollte

,

zumal es auch hier sich um ein ziemlich grosses und j edenfalls

reiches Haus handelt : es kann als sicher gelten,dass geräumige

und regelmässige Atrien,wie wir es hier finden

,wenigstens in

der letzten Zeit nur in wohlhabenden Häusern angelegt wurden .

Es is t mithin ganz unzulässig , aus derartigen Mustern Fol

gerungen zu ziehen,wie sie Nissen gezogen hat : in ihnen zeigt

sich nur j ene Freude an sorgfältiger und zierlicher Arbeit,welche

allein die Herstellung von Reticula tmauern wie die im Hause

des Germanicus ermöglichen konnte. Und da wir auch den In

schriften keine zwingende Beweiskraft zuerkennen konnten , s o

wird nicht einmal für die Aussenwände die von Nissen aufge

stellte Regel allgemeine Geltung beanspruchen konnen .

Noch weniger glaublich aber erscheint dieselbe in Betreff

des dem Re ticula t nur sich nähernden M auerwerkes . Das unter

1 aufgeführte Arg ument findet hier nur eine beschränkte An

wendung : zwar ist mehr Mühe aufgewandt als nothwendig ge

wesen wäre,aber doch nicht in dem Grade wie beim eigentlichen

Netzwerk,und“ namentlich ist eine glatte Oberfläche nicht vor

handen,und stosst das Haften des Stucks auf keine Schwierig

keit . Inschriften zeigt hier nur d a s Amphitheater , und es ist

recht wohl denkbar,dass in Anbetracht der bedeutenden Kosten ,

welche die Stuckbekleidung eines s o um fanglich en Ba ues ver

ursachen musste,man ihn langere Zeit so stehen liess . Dass

aber die Nacktheit der Mauern in der Intention der Erbauer

gelegen habe,für eine solche Annahme liegt kein Grund vor,

und noch weniger darf aus diesem vereinzelten und zweifelhaften

Fall eine allgemeine Regel abgeleitet werden . Ein eingelegtes

Muster findet sich über dem Eingang der F o rum sth erm en : überdie geringe Beweiskraft solcher Muster ist schon ge smo ch en

worden ; ferner handelt es sich auch hier um eine Aussenwand

Allg eme ines . 1 3

und wurde also selbst im gunstigsten Falle fur die Innenwände

nichts bewiesen sein . Es ist aber dies Qua s ireticula t mehrfach

auch für Innenwände verwandt worden : im Eingang der Forums

thermen,in dem Gange

,der ebenda aus dem Apodyterium zum

Heizraum führt,in den B o ttegen ebenda und im Ae sculap temp e l .

Diese Art Ma uerwerk gehört der ersten Zeit der römischen Coloniean (Schöne , Q u a e s t . P o m p . s p e c .

,S . 9

,Nissen S . 1 32 ; in Betreff

d e s Ae sculap temp els s . weiter unten Cap . VIII) , einer Zeit , welchea uf die B lüthe d es ersten Deco ra tionsstils folgte

,wo also vermuth

lich alle öffentlichen Gebaud e sicher z . B . die Basilica (auch auf

der Aussenseite) , der V enus temp e l mit dem Peribolos (auch hierdie Aussenseite nicht ausgenommen) und di e Stabianer Thermen ,höchst wahrscheinlich a uch der Jupitertempel

,ferner alle einiger

massen ansehnlichen Privathäuser die sehr zahlreichen Reste

lassen darüber keinen Zweifel j ene sorg fältige , stilvolle und

namentlich für grössere öffentliche Gebäude durchaus angemessene

Deco rati on zeigten . Da ss nun damals eine Zeit,welche mit beden

tenden Mitteln grosse Ba uten in’s Werk setzte,es ertragen haben

sollte,diese trotz der Annäherung an das Netzwerk recht rohen

Wände so nackt stehen zu lassen,i st unglaublich

,am unglaublich

sten in Betreff der Innenwände des Tempels . Aber a uch für d ie zu

den Fo rum sth erm en gehörigen,an zwei Haup ts tra s sen liegenden

Läden e s se i hier bemerkt,dass di e mühevolle Decoration

der ersten Periode auch in den Läden angebracht wurde : Reg .

VII ins . 2 n . 1 7,

und für den Eingang der Thermen selbst isteine solche Annahme unzulässig . In Betreff der Aussenwände

der Thermen und des kleinen Theaters könn te m an allenfa lls

zustimmen,wenn nur irg end ein zureichender Grund vorläge

um eine Abweichung vom gewöhnlichen,der Stuckbekleidung ,

anzunehmen : dass eine solche in dem über der Thür der Thermen

angebra chten Muster nicht gefunden werden darf,wurde schon

bemerkt .

Entscheidender aber als diese allgemeinen Betrachtungen ist

der Gegenbeweis,welcher für den Aesculap temp el genau so wie

für d a s Haus des Germanicus,nur in noch zwingenderer Weise

geführt werden kann . Von der Wand d eco ra tio n di eses Tempelsist j etzt nichts mehr erhal ten

,doch wa ren wenigstens von der

j enigen der Nordwand ansehnliche Reste noch zur Zeit Ga u ’s

1 4 Cap itel 1 .

vorhanden ; sie sind von ihm gezeichnet und abgebildet bei M a zo isBd . IV

,Taf. 4 : ein ziemlich hoher S ockel

,dann ein schmaler

dunkler Streifen und uber diesem imitirte Ma rm o rbekle idung in

stehenden,abwechselnd breiten und schmalen Rechtecken

,alle

,

wie es scheint,von gleicher Farbe . Nun lässt zwar die Abbil

dung natürlich nicht erkennen,ob di e Marmorplatten auch durch

plastische Stuckarbeit oder nur durch Malerei auf der glatten

Wand nachgeahmt waren ; doch spricht alles dafür, dass d a s erste

der Fall war,dass wi r also hier den ersten De co ra tionsstil zu

erkennen haben . Diese Form des S ockels eine einfarbige,

durch einen dunkeln Streifen abgeschlossene Fläche is t dem

zweiten Sti l fremd,welcher ihm vielmehr eine a rchitectonische

Form,mit Karnies und Ablauf

,giebt. Hingegen für den ersten

Sti l i st eben diese F orm fast regelmässig,und es wird hier mit

Vorliebe ein helles Gelb angewandt : eine Farbe,welcher die

Scha ttirung der Gau’

s chen Zeichnung nicht widerspricht . End

lich liegt auch e in ausdrückliches Zeugniss vor , welches ich der

Freundschaft A. S ogliano’

s verdanke,der auf meine Bitte nach

forschte,ob etwa sich unter den älteren Custo d en Pompej i’s eine

Erinnerung an j enen Deco ra tionsrest erhalten hätte . Auf sein

Befra gen versicherte der älteste derselben,der Brigadiere Gia

como Cacace,er habe auf der nördlichen Wand des Vorhofes

,

an der Trepp e , einen Deco ra tionsrest gesehn , bestehend aus

rothen,in Relief ausgearbeiteten Rechtecken ; als man ihm die

Decorati on der c a s a d i S a l l u s t i o zeigte,erklärte er

,es sei

eben dieselbe Art gewesen . Dies Zeugniss verliert ka um an

Werth dadurch,dass hier offenbar ein Gedächtnissfehler vorliegt :

ohne Zweifel sah Cacace den De co ra tio nsrest auf der Nordwand

des Tempels selbst,wo ihn Gau verzeichnet

,welcher dagegen

(vor 1 837) die Wand an der Trepp e ohne solche Reste fand .

Nun ist es absolut undenkbar,dass eine Decoration

,welche

der Tempel erst nachträglich erha lten,im ersten Stil ausgeführt

sein könnte ; denn offenbar gehört der Bau der allerletzten Zeit

dieses Stils an,und wenn nicht die ausdrückli chen Zeugnisse

vorlägen,so würden wir schwerlich vermuthen

,dass er in einem

Sti l d eco rirt gewesen sei,dessen Reste sich fast ausnahmslos

auf Mauern finden,welche durch die oben beschriebenen Kenn

zeichen sich a ls der Tutfp erio d e angehörig zu erkennen geben.

Allg eme ines . 1 5

Die Decoration in diesem Falle spa ter als den B a u selbst anzusetzen

,i st unm o glich .

Drei Arten von Re ticula t kommen in Pompej i vor : da s

Qua sireticula t der sullanischen Zeit , d a s reine Re ticula t , d . h .

mit Ecken aus ziegelfö rm igen Stücken desselben Steins , d a s Reticula t mit Ziege lecken . Da s reine Re ticula t war zu V itruv’

s

(II, 8 , 1 ) Zeit al lgemein ublich : es wi rd also gegen das Ende

der Republik aufgekommen sein . Da ss das Re ticula t mit Ziegel

ecken einer j üngeren Zeit (etwa bis auf Hadrian) angehört , is teine anerkannte Tha tsa che (s . z . B . B u l l e t t . d . c o m m i s s . a r c h .

mun i c . d i R o m a 1 874,S . 1 4 7 da s älteste d a tirba re Beispiel

dieser C ons tructionsa rt bietet wohl die Südwand des nach Nissen’s

einleuchtender Beweisführung in den Jahren 1 4 —1 9 n . Chr. er

bauten s ogen . Pantheon oder Macellum ; ein schon oben (S . 1 1 )erwähntes

,in dieser Weise geba utes Privathaus gehört offenbar

der letzten Zeit Pompej i’s an .

Damit stimmt d a s Zeugniss der Wand d eco ra tionen . Fur da s

Qua sireticula t ist uns in einem Falle die erste D eco ra tionsart

bezeugt. Keines der übrigen hierher geh o rigen Gebäude zeigtReste derselben

,da gegen d a s kleine Theater solche zweiten Stils :

wir dürfen sagen,da ss d a s Qua sireticula t auf der Grenze steht

zwischen der Zeit des ersten und der d e s zweiten Stils,dass

aber der zweite Stil damals sch on überwog .

Bei dem vollständigsten Beispiel reinen Reticula tbaues (obenS . 10) fanden wir unzweideutige Spuren , dass der Decora ti ondritten Stils eine a ltere

,vermuth lich dem zweiten Stil ange

hörige denn ein schwarzer Sockel müsste im ersten Stil sehraufi

a llen vorherging . Die gleiche Bauart und gleichfa lls eineDecora ti on dritten Stils zeigt die sogen . A c c a d em i a d i m u s i c a

(VI , 3 , Auch hier sind Veränderungen zu consta tiren : zwischen

dem Gang,der vom Atrium zu den hinteren Räumen führt und

dem nördlich da ran s to ssend en Zimmer ist eine Thür vermauert ;die Thür

,welche aus dem Zimmer in der Südostecke des Hauses

nach Westen führt,ist verengert oder weiter nach Norden ver

legt worden ; und zwar sind auch hier diese Veränderungen

namentlich bei der ersten ist e s deutlich älter als die Decoration dritten Stils . Und nach der in dem oben besprochenen

Falle gemachten Erfahrung werden wir geneigter sein anzu

1 6 Capite l I .

nehmen,dass der Decoration dritten Stils eine a ltere vorherg ing,

als dass diese Aend erungen während des Baues , vor der Tünchungder Wände , vorg enommen wurden , wenn auch diese Möglichkeit

nicht auszuschliessen ist . Die an die Stadtmauer angebauten Theile

der c a s a d e l l e V e s t a l i (VI , 1 , das dritte einigermassen aus

gedehnte Beispiel reinen Reticula ts,tragen eine Decoration dritten

Stils,ohne Spuren einer älteren . Setzen wir darauf hin das reine

Reticula t in die letzte Zei t des zweiten und. die erste des dritten

Stils,s o stimmt dies mit dem

,was an rom ischen Gebäuden be ob

achtet werden kann : auch hier finden wir auf Wänden dieser Art

Deco ra tionen zweiten Sti ls , wie in dem Hause des Germanicus

und. in dem weitla uftigen Hause , welches eben j etzt (Juni 1 879)durch die Tibera rbeiten im ehemaligen Garten der Farnesina auf

gedeckt wird,und dritten Stils

,wie in dem sogen . Auditorium

des Maecenas ‘) und auf mancherlei Mauern,die in Rom gelegent

li ch zu Ta ge kommen .

Endlich auf Re ticula t mit Ziege le cken i st keine andere De

co ra tio n a ls die der letzten Zeit Pompej i ’s erhalten ; doch werden

wir sehen,da ss der erhaltenen Decoration des Pantheon eine

andere vorhergegangen sein muss,welche wir

,in Anbetracht

der Erbauungszeit,1 4— 1 9 n . Chr .

,uns wohl sicher als im dritten

Stil ausgefüh rt zu denken haben . Dass hingegen in dem schon er

wähnten Ha use VI,in s . o c c i d . 36 die erha ltene Decora ti on letzten

Stils auch die ursprüngli che is t,wird wohl niemand bezweifeln .

“ Es m a g noch erwähnt werden , dass sehr häufig bei Ma uern

a us Incertum,welche in verzahnte Pfei ler endigen

,diese Ver

zahnungen mit Reticula t ausgefüllt sind : ein Verfahren , welches

wohl nur auf einem Einfall des Arbeiters beruht . Nissen ha t

dies nicht beach tet und zieh t desha lb (S . 2 4 7 f.) aus einem solchenBeispiel ganz unberechtigte Folgerungen . Einige Beispiele sind

folgende : Die Südseite der Südostecke der Insel VI,1 3 ; VII, 2 , 20

(d om u s P 0 p i d i F r i s e i ) links am Eingang ; VII , 3 ,7,links

am Eingang des Ladens ; VII , 3 , 2 5 , links der Thur d es Zimmers rechts vom Eingang (hier aus Ziegel) ; VII , 10 , 1 4 , links

der Thür ; VII , auf der Ostsei te der Nordostecke der

Insel ; IX ,4 (neue Thermen) an der Südwestecke .

B u l l . d . c o m ur. a r c h . m u n i c . d i R o m a 1 8 7 4 , S . 137 if. V g l . me inei e rnerkunge rr B u l l . I n s t . 1 874 , S . 1 4 1 if . 1875

,S . 89 ff.

1 8 Cap ito l I .

wenigstens die Mo glichkeit zugeben,dass dieser Decorati on noch

eine andere vorherging,dass also der Bau in noch frühere Zeit

hinaufreicht . Wie dem aber auch sei,j edenfalls haben wir an

der Epoche des dritten Deco ra tio nss tils eine sichere untere Zeit

grenze,es geh o rt mithin in diesem Fall der Bau aus gelbem

Tuff keineswegs der letzten Zeit Pompej i ’s an .

2 . Da s Haus V I , 1 4 , 5 zeigt in keinem Theil eine besonders

a lte Bauart : wir finden Incertum mit Eckpfeilern grö sstentheilsaus Ziegeln

,die bisweilen auch mit ziegelförm ig behauenem

Kalkstein wechseln ; die Eckpfeiler zwischen Flur und Atrium

bestehen aus ziege lförm ig behauenem gelben Tuff . Entsprechend

der geringen Solidität des Steines erstreckt sich dies Mauerwerk

ungewöhnlich weit über die beiden hier zusammenstossenden

Wände und nimmt s o ziemlich die ganze Vorderwand des

Atriums ein .

Nun trägt die rechte Wand des Atriums eine Stuckd eco ra tio n

im dritten Stil,welche zu den wenigen gehört

,deren Alter wir

bis zu einem gewissen Grade bestimmen können : die daselbst

eingekra tzten Inschriften bieten Consulate , welche bis zum Jahre

1 7 n . Chr . hinaufreichen Als o damals bestand diese Decoration

schon,und wenn wir annehmen dürfen

,dass man die nicht ohne

Sorgfalt ausgeführte Wand,so lange sie neu war

,mit diesen

Kritzeleien verschont haben wird,so können wir sie immerhin

a ls noch etwas älter betrachten .

Es ist aber ganz klar,dass dieselbe Decoration auch die aus

gelbem Tuff bestehende Mauer bedeckte : deutlich sieht man,wie

sie an der Ecke umbog,wie die grobe Stucklage , welche noch

j etzt die Tufi‘

mauer bedeckt , die F ortsetzung is t derj enigen , welche

der genannten Decorati on als Grundlage dient , und zum Ueber

fluss i st am Boden ein Rest r o thbema lten Stucks übrig geblieben,

entsprechend dem rothen Streifen,welcher auf dem erhaltenen

Stücke unter dem schwarzen Sockel sich hinzi eht . Es ist also

klar,dass diese Tufi

mauer vor dem Jahre 1 7 n . Chr. schon bestand .

3 . Im Peristyl der d o m u s M . Gav i Ru fi (VII , 2 , 1 6) findetsich auf der linken Seite

,ziemlich nach hinten

,auch gelber Tuff

C . I . L . IV,1 5 5 2 — 1 5 5 6 Es ist n i cht r ich tig

,wenn Zangem eister an

giebt , e in ig e d ieser Inschr iften se ien i n t e c t o r i o r u d i : sie s tehen au f imd ri tten St i l bema l tem S tu ck ; au ch n icht 1 11 p a r i c t e s u m m o .

Allgem eines . 1 9

in ziege lfo rm igen Stucken verwandt . Der betreffende Pfei ler

(zwischen zwei Thüren) hat seine S tuckbekleidung bewahrt undis t

,wie das ganze Haus

,im zweiten Deco ra tio nsstil bemalt .

4 . Im Hause VII,2,1 1 besteht die Ostwand des letzten

grossen Zimmers auf der linken Seite d e s nach der The ilungdes Hauses als Eingangsraum und Werkstätte dienenden P eristylsin ihrem südlichen Theil aus Ince rtum

,in welchem aussch liess

li ch Lava verwandt i st,während das nördliche Ende

,wohl in

Folge theilweiser Zerstörung,aus gelbem Tuff ergänzt i st ; den

Abschluss bildet ein Ziegelpfeiler . Die ganze Wand aber,auch

der aus Tuff bestehende Theil,ist im Stil der zweiten Decorati ons

epoche bemalt . Und dass gerade in diesem Hause die Malereien

zweiten Stils einer älteren Epoche angehören,zeigt sich zum

Ueberfluss in den Zimmern auf der Rückseite des P eristyls , wo

die im zweiten und dri tten Stil gehaltenen Deco ra tionen der

Rückwände evident älter sind,als die Wände

,welche die Zim

mer trennen .

5 . Die Südmauer des meistens P an t h e o n,von Fiorelli

Au g u s t e um ,von Nissen Ma c e l l um genannten Gebäudes

,zeigt

auf der Aussenseite Re ticula t,unten aus grauem

,oben aus gelbem

Tuff. Die Verzahnung mit den Ziegelpfeile rn des Südeinganges ,welche den ältesten Ziegelpfeilern des Gebäudes gleichartig sind ,beweist

,dass diese Mauer nicht späterer Restauration

,sondern

dem ursprünglichen Bau angehört,welchen Nissen wohl mit

Recht in die Jahre 1 4— 1 9 n . Chr . setzt .

6 . Aus dem kleinen Hofe hinter der Fra uenabtheilung der

F o rum stherm en fuhrt ein niedriger gewölbter Gang unbekannter

Bestimmung unter das Männerca ld arium . Er th eilt sich gleich

im Anfang in zwei Arme,deren einer sich links wendet

,der

andere gerade aus unter die s c h o l a l a b r i geht ; unter der Mauer

derselben ist dieser Arm später vermauert worden . Die Eingangs

wölbung des Ganges besteht aus gelbem Tuff und is t offenbar

s o al t wie die ganze Mauer ; diese selbst aber haben wir keinen

Grund für j ünger zu halten a ls den Bau der ganzen Thermen

anlage,den Schöne nach der Aehnlichkeit mit dem kleinen

Theater in die sullanische Zeit setzt . Ferner finden sich an den

F o rumsthermen mehrfach Thürpfo sten aus gelbem Tuff , nich t

nur auf der Westsei te,welche Schöne fur j ünger hä lt , sondern

2.

20 Capite l I .

auch in den Ra um en oberhalb des Männerbades,in Verbindung

mit dem für die erste Zeit der C olonie charakteristischen Quasi

reticula t aus Lava .

Es ist durch diese Beispiele festgestellt,dass man seit den

ersten Zeiten der römischen Colonie sich nicht scheute,den

gelben Tuff als Baumaterial zu verwenden .

5 . Romisches und o skisches Mass .

Den vom Material und der Bauart hergenommenen Alters

kriterien hat Nissen in seinem dritten Capitel ein weiteres,sehr

wichtiges hinzugefügt : das Mass . Seiner auf die Angaben der

Feldmesser gegründeten Beweisführung,dass der o skische Fuss

M . mass,wird es schwer sein sich zu entziehen . Es ist

ferner unzweifelhaft richtig,dass bei den älteren

,vorrömischen

Bauten Pompej i ’s die Mauerdicke durchweg Fuss os

kisch,bei den späteren Fuss romisch beträgt

,dass

bei einer Anzahl von Bauwerken aus der letzten Zeit das rö rriischeMass evident i st

,und dass an

,

älteren Bauten manche Masse sich

zwanglos auf den o skischen Fuss reduciren lassen . Wenngleich

in letzterer Bez iehung Nissen’s Angaben vielfacher Berichtigung

bedürfen,so ist doch der Beweis

,dass in älterer Zeit nach einem

Fuss von gemessen wurd e,für geführt zu erachten .

Welchen praktischen Werth haben nun aber diese beiden

Masse als Alterskriterien ? P rincipiell liegt die Sache einfach

und ist von Nissen vollkommen klar gestellt : kern städtisches

Geba ud e mit römischem Mass kann vor , keins mit o skisch em

nach 80 v . Chr . entstanden sein , während im Privatbau der os

kische Fuss noch etwas länger angewandt worden sein kann . Ist

aber j ederzeit mit einiger Sicherhei t festzustellen,nach welchem

Mass gebaut is t ? Durch Nissen ’s Darstellung erhält man den

Eindruck,a ls brauche man überall nur die Messschnur anzulegen

,

um Masse zu finden,die sich entweder nur a uf den o skischen

oder nur auf den rom ischen Fuss mit Leichtigkeit reduciren

lassen . Ist dies wi rklich so ? haben die pompej anischen Archi

tecten m it einer solchen Genauigkeit nach Mass gearbeitet ?

D iese Frage verd i en t die genaueste Prüfung,d a sie für die

Allgem e ines 2 1

Methode künftiger pompej anischer Studien von gro ss ter Wichtig

keit is t . Kann nun auch eine erschöpfende Behandlung derselben

hier nicht gegeben werd en die Beschaffung a l ler hier in Be

tracht kommenden Masse wurd e mehr Zeit erford ern als der

Verfasser dieser Schrift darauf verwenden konnte so werden

doch die folgenden Angaben j ene durch Nissen ’s Darstellung

hervorgerufene Vorstellung wesentlich berichtigen . Bei den zu

Grunde gelegten Messungen lagen Nissen’s Angaben vor,und

die häufigen Abweichungen von denselben sind j edesmal sorgfältig consta tirt werd en .

Ein sicheres Beispiel o skischen Masses bietet die s ogenannteC u r i a I s i a c a (nach Nissen P a l a e s t r a ) . Die Plätze der Säulensind hier durch Querlinien bezeichnet

,welche

,ehe die Säulen

gesetzt wurden,den Centren derselben entsprechend

,in den

Styl obat eingeritzt wurden . Wir stellen zuerst die sich ent

sprechenden Distanzen der Nord und Südha lle einander gegen

über und. lassen dann die der kürzeren Westhalle folgen .

No rdha l le (vo n O .) Sudhall e (von O . )

Westha l le (vo n N .)

Die vorletzte Saule der Nord halle steht vielleicht nicht an

ihrem Platz ; ebenso ist dies von der vorletzten der Westhallenicht ganz sicher .

Die Summe der Distanzen auf der Westseite der einzigvollständig vorliegenden is t 34 ' 8 " osk . (32

' 2 ”

Den ganzen von der Säulenreihe eingenommenen Raum erhalten

2 2 Cap ite l I .

wir durch Hinzuzäh lung eines Sa ulendurchm essers :wie auch bei Nissen berechnet is t

, 36 ’ osk . (33'

6 "

Die Ausdehnung der längeren Säulenreihen la sst sich eben

falls berechnen , und meine Rechnung giebt dasselbe Resultat

wie die Nissen’s . Die Summe der 7 vorliegenden Distanzen der

Südseite i st Es kann nach den Raumverhältnissen nicht

zweifelhaft sein , dass noch 2 fehlen . Da nun d ie'

beid en ersten

(W.) etwas grösser sind als die übrigen , s o nehmen wir diesauch für die letzten an und rechnen sie gleich j enen zu

Dann beträgt die Distanz der beiden äussersten Centren

Dazu ein Säulendurchmesser giebt was 90 ’o sk .

noch näher kommt als die von Nissen berechnete Ausdehnung

von Dieselbe Rechnung ergiebt für die Nordseite

s o dass die Ausdehnung der Säulenreihen auf 36 und 90 'o sk .

wohl als si cher gelten kann .

Die Theilung von 90’ in 9 Interco lumnien wurd e sehr ein

fach gewesen sein,wenn nicht

,um von Centrum zu Centrum

rechnen zu konnen,von obiger Summe ein Säulendurchmesser

(1’

subtrahirt werd en müsste . So musste die Distanzj edesmal etwas weniger a ls 10 ' betragen ; man knapp te von denbeiden ersten Distanzen

,nach einer auch sonst z . B . in der

Basili ca zu beobachtenden Pra xis,nur ganz wenig ab

,von

den übrigen j e c . so haben diese Distanzen keinen Anspruch,

ein rundes Mass zu rep räsentiren . In der We streihe mussten

von 9 ' (111 . j e etwa 4 " abgezogen werden,was auch mit

geringer Ungleichmässigkeit geschehen ist .Es scheint sicher

,dass der Architect in seinem Plan von

dem V e rhältniss der Säulenreihen ausging : die Lange

und Breite des ganzen Hauptraumes (mit Ausschluss der Zimmerim W .) stehen in keinem so einfachen V erhältniss , was sich na türli ch daraus erklärt

,dass s ie nur durch Hinzufügung von j e 2 8 '

(doppelte Breite der Porticus) zur Länge der Säulenreihen ent

standen sind . So erg eben sich 64 X Meine Messung stimmtziemlich mit dieser Zahl : Breite im O . (63

’ imW . (63

' 10 ” Länge in der Linie der nörd lichen

Säulenreihe (1 1 7' Auch die Hinzurechnung der Mauer

d icke gieb t keine runderen Verhältnisse .

Allgeme ines . 2 3

Die Breite d e s Haupteingangs ma ss ich (N issenwas 6 Fuss oskisch die Nissen’s Messung genau entsmechen

würden so nahe kommt,dass dies als d a s beabsichtigte Ma ss

gelten kann .

Unzweifelhaft oskisch sind nach Nissen (S . 1 71 ) die Masseder P o rtiken d e s Isis temp e ls : die Schmalseite die

Langseite Doch sind diese Masse nich t genau .

Die Wes tp o rticus , zwischen den Centren der Ecksäulen , misst

die Ostp o rticus dazu ein Säulendurchmesser,giebt

und Die Südp o rticus misst die N o rd p o rticus

resp . und Wir haben also hier keineswegs

genau zutreffende runde Grössen,sondern nur eine freilich sehr

auffallende Annäherung an dieselben . Wollen wir eine solche

Annäherung nicht für zufällig halten,s o e rtheilen uns doch diese

P o rtiken eine eindringliche Lehre in Betreff der Genauigkeit,mit

welcher die beabsichtigten Masse innegehalten wurden : die Ab

we ichungen sind s o gross,dass j ede Beweiskraft wegf allen

würde,wenn es sich nicht um so runde Zahlen wi e 50 und 60

handelte .

Die Haup tco lonm d e der Stabianer Thermen misst nach Nissen

(S . 1 5 6) 1 2 5 ’ oskisch . Genauer j edoch misst sie von

Centrum zu Centrum dazu ein Säulendurchmesser mit

giebt 1 2 4 ' 5 " oskisch . Ind ess so gut wie die 5 0 und

60 ' des Isistempels mogen wir auch hier 1 2 5’a ls beabsichtigt

gelten lassen,müssen dann j edoch die hier wie dort consta tirte

Ungenauigkeit der Ausführung a ls sehr bem erkenswerthe s Factum

wohl im Gedäch tniss behalten . Die ubrigen von Nissen S . 1 5 6

nach Breton angeführten und auf den o skischen Fuss reducirten

Masse der Stabianer Thermen kann ich nicht contro liren .

Besonders uberzeugend scheinen die von Nissen (S . 2 5 8) aufGrund der Angaben B reton ’s berechneten Masse der Gladiatorenkaserne : Länge 5 5 M . Breite Doch sind

leider diese Messungen nicht genau : die wahren Dimensi onendes ganzen Raumes sind folgende

2 4 Cap ite l I

Meter o skisch romi schö stl . Lange 203 ' 1 88 ' 7 "

west!. Länge 203’ 1 1 " 1 89 ' 5 "

nö rd l . Breite 1 5 2 '

südl . Breite 1 5 3 ' 1 "

Auch für die Lange der Säulenreihen erg iebt sich kein Re

sulta t ; dieselbe betragtMeter o sk i sch romi sch

im Osten 1 74 ’ 1 1 "

im Westen 1 74 ' 4 " 1 62 '

im Nord en 1 33 ' 1 2 3’ 7 "

im Süden 1 33 ’ 8 " 1 2 4 ' 2 "

Und wenn wir von diesen Massen j e einen Säulendurch

messer mit abziehen,d . h . nur die Entfernung der Centren

der Ecksäulen in Rechnung bringen,so erha lteri wir

Meter o ski sch röm i schim Osten 1 73 ?

im Westen

im Nord en 1 3 1 ’ 1 " 1 2 1 ' 10"

im Süden 1 2 2 ' 5 "

Die Saulend is tanzen (von Centrum zu Centrum) sind ungleichm a ssrg ; s1e va rrrren im Osten von bis (Durchschn .

im Westen von bis (Durchschn . im Nord en von

bis (Durchschn . im Süden von bis

(Durchschn . Gesamm tdurch schnitt Auch hier also

kein Resulta t ; denn sind osk . 7 röm .

Am V enustemp el ist der Unterbau 80 Fuss lang , die seit

l ichen Um gänge j e 10 Fuss breit , der Eingang 1 2 Fuss weit

auch hier wird der Schluss berechtigt sein,dass der Tempel

nach o skischem Mass gebaut ist . Wenn dagegen Nissen auch

für die den Tempelhof vom Forum trennende Reihe von Pfeilern

mit den dazwischen liegenden Oeffnungen denselben Beweis führen

will,s o werd en schon die vi elen Brüche (Nissen S . 2 20. 2 2 1 )

misstrauisch machen . Der V enus temp el soll weiterhin in einem

eigenen Abschnitt behandelt und dabei nachgewiesen werd en,

dass diese letzteren Masse sich eben s o leicht auf den romischen

wie auf den o skischen Fuss zurückfirlrren lassen .

2 6 Cap ite l I .

doch ist von den unteren Stufen a uf der süd o stlichen Schmal

seite und der südwestlichen Langseite genug vorhanden,und die

Breite derselben oskisch) steht hinlänglichfest

,um die ursprüngliche Ausdehnung der Oberfläche ziemlich

genau bestimmen zu können : sie kann von der j etzigen nur ganz

unwesentlich verschieden gewesen sein,und es ist ganz unm ög

li ch,di e Breite um d . h . um die halbe Breite einer

Stufe,grosser anzunehmen . Etwas anders steht es mit der Länge

auf der Nordostseite ist wohl kein Stein alt,wir müssen also

,

um hier die urwrünglich e Ausdehnung zu finden,andere Er

wägungen anstellen,für welche glücklicherweise d a s Material

vorhanden ist .

Die j etzige Lange ist NO . SW . die Breite SO .

NW . Das Interco lumnium ,am Boden gemessen

,

beträgt subtrahiren wir dies von der am Stylobat sicher

messbaren Entfernung der Säulencentren ,s o erhalten wir

den Durchmesser (ganz unten) mit Das hintere Ende der

nord östlichen Säulenreihe musste mithin vom Centrum der er

entfernt

sein . Die Entfernung von diesem Punkte vom j etzigenN o rd rand e) bis zum Vorderrand musste nach Nissen (bei einem

Rande von wie er ihn annimmt) 99 betragen,

beträgt aber in Wirklichkeit nur es müsste also vorn

eine Verkürzung um (1 . h . um c . der Breite einer Stufe,

stattgefunden haben,eine Annahme

,die nach dem oben Gesagten

ganz unstatthaft ist . Nur hinten ist die alte Ausdehnung nicht

festgestellt ; es bliebe also , um die 100' zu retten

,nichts anderes

übrig,als hier eine V erkurzung um anzunehmen

,so dass

hier am Fuss der Säulen ein freier Rand von

geblieben wäre . Dies aber ist gänzlich unglaublich . Denn da die

Säulenreihe nach unserer Rechnung (1 0 xlang

,ihr nörd licher Endpunkt aber vom V o rd errand e des Sty

lo ba ts entfernt war,s o bleibt vorn nur ein Rand von

ubrig : in Wahrheit mag er vielleicht , wenn die Distanzen

und Durchmesser der Säulen nicht ganz gleich waren,

betragen haben ; der Rand an den Langseiten misst Dass

nun dem an der Rückseite ein dreimal so breiter Rand ent

ha ltenen vorletzten Saule noch

Allgeme ines . 2 7

Spro chen haben sollte , i st bei einem vo n a llen Seiten frei stehenden

und sichtbaren Tempel nicht anzunehmen und wa re wohl ohne

Beispiel .

War hinten und vom der von uns berechnete Rand von

so betrug die Gesamm tlänge 99 ’ 6 Siestellt sich auf wenn wir den Rand zuannehmen . Endlich d urfen wir die Möglichkeit nicht ausschliessen ,dass der vordere und hintere Rand dem der Langseiten

gleich war : dann erg iebt sich eine Länge vonDie Breite beträgt reichlich

Die von Breton angegebene Weite der Thur des Pronaoslässt sich auf die runde Zahl von 8 ’ oskisch reduciren .

Doch misst diese Thür eine Grösse,welche 9 ' o skisch

um überschreitet . Im ubrigen erschwert die Geringfügig

keit der vorhandenen Reste eine genügende Untersuchung : etwas

mehr würde sich wohl feststellen lassen,wenn man sie von der

manches verbergenden Erd e befreite. Die Mauer der Cella

ist da,wo sie an der Nord seite gut erhalten ist

,2 ’

an der Rückseite (Lava) 22

6 Mill .) dick . Die Lange

des eigentlichen,von Mauern umschlossenen Gebäudes ergiebt

sich mir folgendermassen :

Von der Schwelle des Pronaos

(incl .) bis an die der Cella

Schwelle der Cella

Tiefe der Cella

Rückwand

4 9 ' 5

Die innere Breite der Cella (in der Westecke sind Reste derStuckbekleidung und. des Fussbodens aus c p u s S i g n inum erhalten) ist 1 5 ' In der Mitte der Rückwand warnach der Aussenseite ein Vorsprung

,dessen Reste aus 2 Quadern

bestehen , einer (O .) aus Kalkstein , der anderen aus Tuff dieselbenspringen um vor die Mauer vor ; Breite

4 Die Verschiedenheit des Materials weist deutli ch

1) Ich verdanke ch e s Ma ss A . So gl iano

,d en i ch um Verifi cirung d er B reton

schen Angabe h at . Um d ie Schwe l le me ssen zu können ,mu sste ers t d ie Erde

en tfern t werden .

2 8 Capite l l .

auf eine von Anfang an in Aussich t genommene Stuckbekle idung .

Rechnen wir diesen Vorsprung ein,s o stellt sich die Länge des

Gebäudes,ohne die Umgänge , auf 5074 Fuss .

S o l len wir nun wieder sagen die Annäherung dieser letzten

Gro sse an 5 0,die der Gesamm tlä nge an 1 00 Fuss könne nicht

zufällig sein ? Sollen wir die Abweichung auf ungenaue Ausführung schieben ? In diesem Falle

,bei einem Tempel

,wo

,wie

Nissen richtig bemerkt,die Hund ertzah l eine sacra le Bedeutung

ha ben musste,bei gänzli ch freier Lage

,wo di e genaueste Aus

führung durch nichts behindert war,würde dies Auskunftsmittel

doch sehr grosse Bedenken haben . Es wurde nahe liegen zu

sagen : wenn die Annäherung an 1 00 Fuss nicht zufällig,wenn

der Tempel ein Heka tomp ed o s is t , so ist er nach einem noch

etwas kleineren Fusse gebaut worden : eine Annahme,die freilich

sonst durch nichts unterstützt wird .

Wer aber doch hier 100 Fuss fur beabsichtigt halten will,

der wird um s o mehr einer Folgerung beistimmen müssen,die

wir sch on aus unseren Beobachtungen beim Isistemp el und bei

den Stabianer Thermen ziehen können . Wenn hier eine s o be

deutende Abweichung vom beabsichtigten Mass möglich war,

welchen Grad von Genauigkeit dürfen wir dann da erwarten,

wo das bestimmte Mass keine sol che Bedeutung hatte,wo man

sich ferner allerlei lo ca len Bedingungen anbequemen musste ?Wenn die alten Architecten so wenig genau nach Mass arbeiteten

,

so ist es reiner Zufall,wenn sie einmal dasselbe genau inne

gehalten haben . Es ergiebt sich uns daraus die Regel , dass d emblo ssen Aufgehen eines Masses in ganze oder gar in halbe o skischeoder römische Fuss nur bei kleinen Entfernungen irgend welche

Beweiskraft innewohnen kann : s o wie die Entfernungen wachsen,

müssen wir uns auf Ungenauigkeiten gefasst machen,welche der

Differenz zwischen der scheinbar sich ergebenden Grösse undder nächsten Fusszahl des anderen Masses leicht gleich kommen

können . Bei einigermassen grösseren Entfernung'

en sind di e

Reductio nen nur dann als Argumente für die Anwendung des

einen oder anderenMasses brauchbar,wenn sie sich runden und

an sich überzeugenden Grossen wie oben 5 0,60

,1 2 5 Fuss

,

in aufl‘

a llend er Weise nähern . Ein grosser Theil der bei

Nissen als beweisend angeführten Reductionen wird durch diese

Allge rnö ines . 2 9

Regel,für die wir noch manche Bestätigung finden werden

,

beseitigt.

Vom Jupiter und Aescula ptemp e l wird weiterhin die Redesein . Beide sind

,wie Nissen glaubt

,evident nach o skischem

Mass erbaut : es wird gezeigt werden , dass bei keinem von beiden

dieser Beweis erbracht werden kann . Beim Aesculap temp el er

giebt sich das merkwürdige Resultat,dass seine Dimensionen

von aussen gemessen,wie Nissen thut

,o skisches

,von innen

römisches Mass zu ergeben scheinen .

An den Privathäusern hebt Nissen mit Recht als besonders

beweiskräftig hervor die Länge der Facade , die Thürwe ite und

die Dimensionen des Hofes (Atrium) : hieraus sucht er S . 87 f. zu

erweisen,dass die ältesten Häuser (Ka lks teina trien) nach oski

schem Fuss erbaut sind .

Nissen giebt S . 87 die Masse von 1 4 Facad en , von welchen

sich 1 2 auf ganze,2 auf halbe o skische Fuss reduciren lassen

,

der Art,dass nur zweimal die geforderte Grösse um über

schritten ist . Gewiss ein höchst wichtiges und eminent beweiskräftiges Resultat .

Doch ist vor allem eins zu bemerken . Die Lange der

Facade geht nicht auf den Bau , sondern auf die Assignati on

zurück : von einem Zwischenraum zwischen den Ha usern ( a m

b i t u s ) ist, wie Nissen richtig herv orh ebt , in Pompej i keine Spur ,sondern die Front entspricht und entsprach von Anfang an der

ganzen Strassenseite des dem Bürger zugewiesenen Grundstücks .

Da nun,wie auch von Nissen hervorgehoben ist

,die Stadt durch

aus mit p a r i e t e s c o m m un e s erbaut ist,der Art

,dass hinter

j eder Stra ssenfront eine Seitenmauer steht,s o darf

,um obige

Grösse zu finden,eben auch nur e i n e Seitenmauer mitgemessen

werden . Die von Nissen angegebenen Masse umfa ssen aber im

Allgemeinen,wie aus seiner Besprechung der betreffenden Häuser

hervorg eht , beide Seitenmauern ; einmal (No . 1 8) ist keine derselben

,die hier beide hinter den Fa0a d en der Na chbarhäuser

stehen,eingerechnet ; in drei Fällen (4 7 , 4 8 , 4 9) geht aus seiner

Darstellung nicht hervor wie er gemessen hat ; ind e s s zeigt dieVerg leichung mit meiner Messung , da ss bei 4 7 wohl beide , bei

30 Capite l I .

4 9 keine Seitenmauer mitgemessen i st . Die von 4 8 um

fa ssen ohne Zweifel beide : hier wie bei 1 1 habe auch ich beide

mitgemessen,da diese Häuser j edes am Ende einer Insula liegen

und deshalb ausser dem eigentlichen p a r i e s c o mm un i s noch

eine Stra ssenmauer hinter ihrer Front haben . Daraus e rg iebt

sich,dass die von Nissen gefundenen Masse sämm tlich um

reducirt werden müssen,s o dass nun überall

,wo nur

ganze Fuss vorzuliegen schienen,der Bruch von eintritt

,und

umgekehrt . Schon hierdurch,und indem so eine Anzahl runder

Grössen (2 4 , 36, 5 0, 5 6) verloren geht , wird die Ueberzeugungs

kraft des N issen’

schen Resultats vermindert .Ferner sind Nissen’s Messungen nicht immer ganz genau .

Suchen wir die wirklichen Masse der Faca d en auf den o skischen

und auf den römischen Fuss zu reduciren,s o e rg iebt sich keines

wegs ein entschiedenes Resultat zu Gunsten des ersteren , wie

die folgende Uebersicht zeigt . In derselben sind bei Nissen’s

Messungen,wo nichts bemerkt ist

,beide p a r i e t e s c o mm un e s

,

bei den meinigen einer einbegrifi'

en . Der römische wi e der

o skische Fuss ist,um eine genauere Reduction zu ermöglichen ,

in 1 2 Zoll getheilt ; in Klammern sind die Abweichungen des

effectiven Masses von der Grösse , auf welche es reducirt i st ,angegeben . Die Zahlen der ersten C o lumne beziehen sich auf

das V erzeichniss der Ka lksteina trien bei Nissen Cap . XX .

Nissen .

Meter o skis ch me ine Messung o sk isc h romisch

5 6'

5 4'9 50

'

1 1

4 6’ c . ( 2 p . c . ) 4 6

’10 4 3

'6"

5 1’

( 2 p e ) 5 4’

3 50'

4"

( 2 37'8 35

4 7’

4 5'

8 4 2'

5 ”

33' 3 1

'2 28

'

1 1"

33'

3 1’

2 8’10

2 4'

(o h ne p . c . ) 2 4'

2 2'4

36’ 34

’ 3 1’8"

50' 4 4

'2

34’ 32

’7” 30

'

4"

5 8’

(2 p . e . ) 5 8’

5 5 4'3”

36’ 35

'10 33

’3"

(2 c . ) 50'

l 4 6'7"

Allge rncrrre s . 3 1

Es konnen also von diesen 1 4 Fa0ad en drei (1 6. 1 8 . 2 6)einigermassen genau auf den Fuss von reducirt werden ;ob aber 1 6 j e die Strassenseite eines alten Grund s tucks reprä

sentirte,ist mehr als zweifelhaft : die Fa r; ad e i st j etzt in dieser

Länge massiv,das Haus aber dehnte sich schon in der Kalkstein

peri ode nach beiden Seiten weiter aus . Und bei 1 8 is t keine

Zwischenmauer mitgerechnet,weil keine hinter der Fa0ade steht ;

wenn die östliche ursprünglich zu dem Grundstück gehörte,s o

erhalten wir 2 5 72 statt 2 4 . Dem gegenuber lässt s ich 1 1 besser

auf den römischen Fuss reduciren ; drei (1 . 4 9 . 5 5,davon 4 9 ohne

,

5 5 mit 2 p . e .) nähern sich so ziemlich einer runden Grösse

o skischen,drei (6. 4 0. 4 7) einer solchen römischen Masses ; für

die übrigen (1 3 . 1 4 . 4 8) erg iebt keine der beiden Reductionen einwahrscheinlicheres Resultat als die andere . Es muss also der

von der Länge der Fa <; a d en hergenommene Beweis als gänzlich

verf ehlt bezeichnet werd en .

An zweiter Stelle untersucht Nissen die Thü rweite . Hier

durfte mit grösserer Sicherheit ein Resultat erwartet werden .

Die Thürweite konnte vom Architecten frei bestimmt werden,

mit Rücksicht theils auf Zweckmässigkeit,theils auf ein auge

m e ssenes V erhältniss zur Facade und zu den Dimensi onen d esAtriums . Auch hier mussten Nissen ’s Messungen vielfach be

rich tigt , ferner die Gegenprobe der Reduction auch auf den

römischen Fuss angestellt werd en . Das Resultat ist aus der

folgenden Uebersicht der von Nissen S . 87 f. aufgezählten Thürweiten ersichtlich . Bei einer (1 ) ist die ursprüngliche Ausdehnung

rechts nicht ganz genau festzustellen . Da eine Reducti on aufz . B . Fuss keine Wahrscheinlichkeit hat

,s o sind keine an

deren Brüche angenommen worden als V„ di e

eingeklammerten Zahlen bezeichnen diej enige Grosse,welche

dem angenommenen o skischen oder römischen Mass genau ent

sprechen würde . Ungenauigkeiten sind zugelassen b is zu zweiCentim etern .

3 2 Capitel

Mete r n a ch me inerMessung o skisch rom isch

1 . 9’

5 . 8'

8 .

1 3 ,

mg 160 .

2 7 .

4 2 . 4 8 .

5 5 .

4 7 .

1

6'

1 1 .

10.

5 3 .

2 5 ' 4

2 1i 6’

2 6 .

3

1 6 .

2 3 .

5 8 . 5'

5'

50. 1 0 6 15 6 .

4 1 .

( 1 12 38)

Es erg iebt sich aus dieser Uebersicht , dass von den 38 Thur

weiten 1 9 sich besser auf o skisches als auf römisches Mass re

d uciren lassen,und zwar 1 1 (1 . 5 . 5 2 . 5 3 . 3 . 1 9 . 2 4 . 2 5 . 40. 4 . 1 4 )

auf ganze,drei (2 3 . 5 6. 4 1 ) auf halbe Fuss , 6 (8. 1 3 . 3 1 . 1 6. 4 9)

mit kleineren Brüchen . Denen stehen 9 gegenüber,die besser

in den römischen Fuss aufgeb en , und zwar 2 (28 . 1 1 ) in ganze ,2 (6 . 2 6) in halbe Fuss , 5 10. 5 0) mit kleineren Brüchen ;und von diesen können 2 8 und 6 ohne allzu grosse Ungenauigkeitauch auf und 6’ osk . red ucirt werd en . Von den 10 übrigen lassensich No . 1 2 . 20. 4 7 5 8 gleich gut auf halbe o skische wie auf ganze

römische Fuss reduciren,4 (1 7. 9 . 2 1 . 5 5 ) geben in beiden Massen

kleinere Brüche,während endlich N o . 4 4 in keinem ein bra uch

34 Cap ite l I .

eine bes ondere Beweiskraft haben ; dann namlich , wenn sich aus

ihrer Untersuchung ein deutliches Resultat ergiebt. Hier konnte

der Architect frei d isp oniren : die umliegenden Kammern mussten

sich mit dem Raum begnügen,der eben übrig bli eb ; und wir

lernen aus V itruv,dass man auf gute Verhältnisse des Atriums

Gewicht legte . Nissen giebt die Masse von 10 alten Atrien,

indem er sehr verständig diej enigen bei Seite la sst,deren Breite

der des ganzen Hauses gleich ist . Ich gebe auch hier di e ge

nauen Masse und die denselben zuna chst li egenden einigermassen

runden Grössen in römischen und o skischen Fussen .

Oski sch . Romis ch .

Lange rechtslinks

Breite

Lange

Breite

Lange

Breite

Lange

Breite

Lange

Breite

Lange

Brei te

vorn

hinten

rechts

links

vom

hinten

rechts

finks

vorn

hinten

rechts

links

vom

hinten

rechts

ünks

vornhinten

rechts

links

vom

hin ten

10 038

39 '

Al lgeme ine s . 35

Oskisch . Romisch .

35 ’

Die Untersuchung ist hier etwas complicirter . Wir haben

nicht nur zu fragen,auf welchen Fuss sich die vorhandenen

Masse ohne zu gro ssen Rest reduciren lassen,sondern auch

,ob

sich für die Länge und Breite solche Zahlen ergeben,welche

ein einfaches V erhältniss ausdrucken , wie z . B . 30 36.

In letzterem Falle dürfen wir glauben,die vom Architecten be

absichtigten Masse und den Fuss , nach welchem er baute , ge

funden zu haben . Wir durfen endlich a uch da,wo eine Reduction

auf runde,oder überhaupt auf ganze Zahlen nicht mögli ch ist

,

fragen,ob etwa die beiden sich erg ebenden Grössen solchen

Zahlen sich der Art annähern,dass wir diese für beabsichtigt

halten und die Abweichung auf Rechnung ungenauer Ausführung

schieben dürfen .

Es erg iebt sich nun aus obiger Uebersich t , dass erstens inder Tha t eine ganze Anzahl runder Summen o skischer Fussedeutlich hervortritt ; wir finden 30 (1 . 2 0 32 (2 9) 2 4 (2 9 .

35 2 7 (30) Fuss . Daneben aber ergeben sich auch 2 8

36 (9) und 2 6 (30) Fuss römisch . Dass dies zufällig ist,

kann bei diesen a lten Hausern nicht zweifelhaft sein :

aber eben3

36 Cap i te l

die Moglichkeit eines so lchen Zufalls muss uns für die Fa lle,

wo die Zeit des Baues nicht feststeht,sondern mit Hülfe der

Masse gefunden werd en soll,zur äussersten Vorsicht mahnen

nicht das Aufgehen in ganze Fuss kann beweisend sein,sondern

höchstens eine runde und an sich wahrscheinliche Zahl .Fragen wir nun weiter

,ob die sich ergebenden Zahlen ein

fache Verhältnisse deutlich ausdrücken,so tritt eigentlich nur in

No . 2 9 (2 4 32 ) das o skische Mass klar und unzweifelhaft zu Tage .

Wenn wir ferner annehmen,dass in No . 6 das beabsichtigte Mass

36 30,in No . 5 30 4 0 war

,so müssen wir schon grössere Un

genauigkeiten annehmen,s o dass bei No . 5 die Reduction auf

36 2 7' römisch ni cht wesentlich schwieriger i st . Es können

mithin auch Zahlen,die an sich überzeugend scheinen

,wenigstens

annähernd durch Zufall entstehen ; sie dürfen als o,wo sie nicht

ziemlich genau aus dem effectiven Mass resultiren,nur mit grösster

Vorsicht und im Verein mit anderen Indicien als Beweis ver

werthet werden . S o dürfen wir,da das Alter dieser Hauser

ohnehin feststeht,wohl vermuthen

,dass ähnliche einfache Ver

hältnisse bei No . 1 (36 9 (40 2 (35 2 8) beabsichtigt

waren ; doch mussen dann s o grosse Ungenauigkeiten in der

Ausführung angenommen werden,dass es verwegen sein würde

,

aus solchen Zahlen allein auf das Alter eines Hauses schliessen

zu wollen . Denn schliesslich war es doch sehr wohl möglich,

und die räumlichen Bedingungen konnten dazu zwingen,Länge

und Breite in ein angemessenes V erhältnis s zu setzen,ohne dass

die s durch so einfache Zahlen ausdrückbar gewesen wäre . Ver

langen wir aber dies nicht,s o können wir

,s obald wir so grosse

Ungenauigkeiten zulassen,in j edem Mass auf ganz annehmbare

,

aber doch nicht beweisende Zahlen kommen .

Wenn wir als o finden,dass die m etro logische Untersuchung

der Häuserfaca d en ,der Thürweiten und der Dimensi onen des

Hofes nicht s o häufig klare und sichere Resultate ergiebt, als es

nach Nissen den Anschein hat,wenn wir zugeben mussten

,dass

die sich ergebenden Zahlen gelegentlich auch P ro ducte des Zu

falls sein können,s o findet die hieraus resultirend e Unsicherheit

der einzelnen Masse a ls Alterskriterien ein Co rrectiv in der

grösseren Anzahl der in einem P riva thause mögli chen Messungen .

Allgeme ines . 37

Wenn die Weite des Haupteinganges,die Dimensi onen d es Ho fes

,

ferner die Weite der Thüren um ’s Atrium , die des Tablinum und

der Alen alle,oder doch grö sstenthe ils auf o skisches Mass weisen ,

wenn keine oder sehr wenige Masse auf den römischen Fuss

red ucirba r sind,da dürfen wir wohl mit Sicherheit die Anlage

des Baues der Zeit vor Einführung des römischen Masses zu

schreiben,und umgekehrt. Und zwar müssen wir bei derartigen

Untersuchungen s o viel wie möglich die Entstehung des Grund

risses zu verfolgen suchen,indem wir unterscheiden zwischen

den auf freier Dispositi on des Architecten beruhenden und den

als Rest oder sonst aus äusseren Verhältni ssen sich erg ebenden'

Massen . So werden wir nicht nur sichere chronologische Resulta te erzielen

,sondern auch das Verfahren der alten Architecten

uns anschaulicher machen können,als bei der meistens von

Nissen befolgten Methode,alle Entfernungen zu messen und dann

diej enigen Masse,die sich auf den einen oder anderen Fuss re

d uciren lassen,als Beweismaterial zu verwenden .

Da es sich hier mehr um Feststellung der Methode als um

die Erzielung neuer Resultate handelt,s o mag das Gesagte an

einem Hause erläutert werden,dessen Ursprung in o skischer Zeit

keinem Zweifel unterliegt,der c a s a d e 1 c h i r u r g o (Nissen

Cap . XX,No . um so mehr

,als hier in Wahrheit das o skische

Mass noch deutlicher hervortritt,a ls es nach Nissen der Fall

zu sein scheint . Die im Folgenden angegebenen Masse beruhen

auf eigenen sorg fältigen Messungen , bei denen Nissen’s Angaben

stets verglichen wurden,von Mauer zu Mauer

,nicht von Stuck

zu Stuck,und die Differenzen gegen Nissen’s Masse sind nament

li ch in den Seitenz immern meist d a s Resultat einer genauerenB erucksichtigung der Stuckschicht . Unter Breite ist stets die

Richtung der Queraxe , unter Länge die der Längenaxe des ganzen Hauses verstanden

,ohne Rücksicht auf die Form des ein

zelnen Zimmers .

Die Form des Haupthauses wir lassen die südli ch an

sto ssend en Dependenzen bei Seite ist die eines P a ra lleltrap ezesdie Nord und Südseite sind parallel

,während die Ost und West

sei te nach Süden convergiren und. beide mit den Langseiten schiefeWinkel bilden . Wie gewöhnlich in solchen Fällen ist für die

Vord erzimmer und für den Ho rtus j e ein sch iefwinkliges Stück

38 Cap ite l I .

abgeschnitten word en,so dass auf der in der Mitte ubrig blei

benden Fläche das Atrium mit den Seiten und Hinterzimmern

rechtwinklig angelegt werd en konnte .Die Front mi sst hinter ihr steht der sud

li che p a r i e s c o mm un i s (Nissen’s Mass umfasst sie beide)

rechnen wir diesen zu s o bleibt hier die Breite von

Dagegen beträgt die senkrechte Entfernung der Seitenwände

(messbar am Anfang der Alen) nur c. dies als o

sind die beiden Querseiten des für die Vord erzimmer abgeschnittenen Stücks . Die nördliche Länge desselben (Nordwand des

Ladens) betra gt die südliche (Nissen wenn wirdie Wand gegen d a s Atrium mit hinzurechnen

,resp .

mittlere Länge 1 2 ' 2 5 Länge des Flurs

(N . S . weil hier die Dickeder Frontmauer hinzukommt . Es scheint also

,dass man zunächst

von der Innenseite der Frontmauer ab ein im Mittel 1 2 Fuss

tiefes Stuck für die Vorderzimmer abschnitt. Wenn wir die Front

mauer mitrechnen,s o erhalten wir für die Südseite s o ziemlich

dieselbe runde Grösse

Demnächst handelte es sich um die Quertheilung dieses Stucks .

Uebere instimmend mit Nissen mass ich die Breite des südlichen

Vorderzimmers zu die des nördlichen nach der

Strasse nach dem Hofe Hingegen ist es nichtgenau

,wenn Nissen die Breite des Flurs zu angiebt ;

er misst vielmehr von Stein zu Stein woraus

hervorgeht,dass er von der 9 ' breiten Hausthur aus sich nicht

verengert,wie Nissen annehmen muss

,s ondern um ein weniges

erweitert : wohl nur eine kleine Ungenauigkeit der Ausführung .

So i st die Quertheilung der , wie wir sahen , messenden

Rückseite dieses ersten Abschnittes,wenn wir die beiden Zwischen

mauern zu annehmen,folgende

207. 1 7. 9 + 1 7. 207. 5 2 7.eine Theilung , w ie sie sich einfacher und einleuchtender nichtleicht finden la sst .

Alsdann wa r die Tiefe des rechtwinkligen The ils zu bestimmen . Atrium und Tablinum messen 5 5 ’

der auf das Atrium fallende Theil überschreitet 35 1

um c . während die Tiefe des Tablinums um

Allg eme in es . 39

hinter 20' zuruckbleibt : wir d urfen sicher annehmen,dass die

einfachen Zahlen 35 und. 20 beabsichtigt waren,und dass von

denselben,sei es aus Ungenauigkeit

,sei es aus irgend einem

Grunde,um ein weniges zu Gunsten des Atriums abgewichen

wurde .

Darauf war der Querschnitt d es mittleren Theiles zu be

stimmen . Die sud lichen Seitenzimmer sind die Alabreit : die Differenz von bezeichnet die Dicke der Mauerzwischen Atrium und Seitenzimmern . Von den nördlichen Zim

mern misst das erste c . das zweite die Alaalso Mauerdi cke hier Das Atrium ist breit. Wie

derum kann es nicht zweifelhaft sein,dass man die Gesamm t

breite von Fuss s o theilen wollte,dass man den Seiten

zimmern j e 10,dem Atrium 30 Fuss gab

,und. die übrig

bleibenden Fuss auf die Zwi schenmauern verwandte,die

als o durchschni ttlich nur statt Fuss dick werden konnten .

Die Mauerdicke direct zu messen ist wegen der auch von NissenS . 406 erwähnten Abschrägung an den Thüren nicht mögli ch

,

doch schien es mir deutlich,dass die gewöhnliche Dicke von

nicht vorhanden ist. Der beabsichtigte Querdurchschnittwar also wiederum sehr einfach und einleuchtend

1 0 30 10

oder :der wirkliche ist :Die kleinen Abweichungen werden uns nicht hindern

,diese in

einfachen Zahlen o skischer Fusse ausdrückbare Anordnung für

beabsichtigt zu halten .

Weiter handelte es sich um die Lange der Seitenzimm er :

an j eder Seite sind deren zwei und die Ala. Sie messen rechts

(S .) (nach Nissen es haben übrigens hier in j ün

gerer Zeit Veränderungen stattgefunden) , links (N. )Auch hier kann die beabsichtigte Eintheilung durch

kleine Ungenauigkeiten nicht verdunkelt werden : man gab dem

ersten Zimmer und der Ala j e 10 Fuss , so dass j enes quadratischwurde

,diese nur um die Mauerdicke davon abwich

,und liess

den Rest für d a s zweite Zimmer .Wenn wir mit Recht in der annähernd 20 Fuss betra genden

40 Cap ite l I .

Tiefe des Tablinum s ein auf freier Disposition des Architecten beruhendes Mass erkannt haben

,s o kann dies von der Breite d es

selben (vorn nich t wie Nissen angiebt , hinten

1 7’ resp . nicht gelten ; denn offenbar war fürdie Dispositi on der Hinterzimmer die Absicht massgebend

,den

beiden Eckzimmern quadratische Form zu geben . Die Masse

derselben sind folgende : Nördliches Eckzimmer,Breite vorn

hinten Länge rechts links Südliches Eckzimmer,

alte Brei te einschliesslich der Südma uer,

ohne diese also

etwa Länge links rechts Nun kann aber fre i lich

die durchschnittlich c . betragende Seite des

Quadrats auf doppeltem Wege entstanden sein . Entweder man

setzte zunächst,wie oben angenommen wurde

,die Ti efe auch

des hintersten Theils des Hauses fest : dann ergab sich die Seite

d es Quadrats der Eckzimmer von selbst aus eben dieser Tiefe

nach Abzug zweier Mauerdicken,und das Tablinum repräsentirt

den zwischen den Eckz immern übrig gebliebenen Raum . Oder

man bestimmte zuerst die Breite des Tablinums (3 Fuss wenigerals das Atrium) : alsdann ergab sich die Seite j enes Quadrats

als der rechts und links neben dem Tablinum und dessen Seiten

mauern übrig bleibende Rest der Gesammtbreite , und es bestimmte

sich danach die Tiefe auch des Tablinum s . Also entweder in der

Breite oder in der Länge des Tablinum s haben wir die zuerst

angenommene Grösse zu erkennen,aus der sich dann alles übrige

ergab . Sowoh l das eine wie das andere ist möglich : dass sich

bei Zugrundelegung der Länge für Atrium und Tablinum die

einfachen Zahlen 35 und 20 mit geringer Abweichung ergaben ,sahen wir schon oben ; aber auch die Querthe ilung der Hinter

zimmer ist s o einfach,dass nichts hindern würde

,auch sie als

aus freier Dispositi on hervorgegangen zu betrachten :

1 672 1 7 5 3 .

Da die Breite des Hauses nur beträgt,so muss in klei

nen Beträgen,namentlich wohl an den Mauern erspart worden

sein . Da aber 35 und. 20 eminent runde Zahlen,die der Quer

theilung aber nicht runder sind a ls sie eben sein mussten,sobald

man die beiden Eckzimmer gleich breit machte und die kleineren

Brüche in der Mauerdicke ausglich,so werden wir wohl lieber

bei unserer ersten”

Annahme bleiben . Und vielleicht dürfen wir

Capitel II .

Ein ältestes Bauwerk.

Die Ansicht,als ob der Ka lks teinqua d e r oder Fachwerkbau

stets älter sei,als der Bau mit Tuffqua d ern , i st von Nissen S . 36 ff.

widerlegt worden durch den Hinweis auf den griechischen Tem !

pel,die Stadtmauer und einige Beispiele in Privathäusern . Unter

diesen nennt er mit Recht al s vorzügli ch beweisend die c a s a

d e l l a r e g i n a d ’

In gh i l t e r r a (VII , 1 4 , 5 , Fiorel li B e s o r . S . 300,

Nissen Cap . XX,No . 38) und fügt nach Besprechung di eses

Hauses hinzu (S .„Mit einem Worte erwähnen wi ll ich nur

drei e igenthum liche Behälter nach dem v i c o d e l l a m a s c h e r a

hin,von denen der mittlere ans Quadern aufgeführt i st . Zwei

derselben sind c . M .

,der dritte M . breit und mit _hy

d raulischem Kalk ausgestrichen . An den Wänden hat sich eine

Art von Kochstein,der kalkige Niederschlag des pompej anischen

Wassers angesetzt . “

Diese drei Behälter verdienen eine nahere Untersuchung ;denn wir haben hier eines der ältesten Bauwerke Pompej i’s vor

uns,einen grossen monumentalen Brunnen mit einem viereckigen

Bassin an j eder Seite,dessen Zeit sich nicht genau bestimmen

lässt,der aber keinenfa lls j ünger

,viellei cht wesentlich älter ist

a ls die Ka lks teina trien : ein Alter,wie es keinem anderen öffent

lichen Bau ausser dem griechischen Tempel und der Stadtmauer

zugeschrieben werden kann . Ich habe nirgends eine Erw ähnung

desselben gefunden .

Der Brunnen und der Raum vor demselben ist gegenwa rtignicht o hne Uebers teigung von Mauern zugänglich . Man steigt

Cap ite l I I . Ein äl tes tes Bauwe rk . 4 3

über die Südmauer des sudwestlichs ten , auch von Westen (v i c od e l l a m a s c h e r a ) zugänglichen Raumes des erwähnten HausesNo . 5 und gelangt so in das westliche der beiden Seitenba s sins

,

von wo man dann wieder in den Raum vor der nach Süden,

gegen die Abbond anza stra sse gewandten Front des Brunnens hin

absteigen kann . Durch eine antik vermauerte Thür war dieser

Raum vom v i c o d e l l a m a s c h e r a aus zugänglich . Auch in derSüdwand gegen das Hinterzimmer des Ladens No . 1 ist

eine Oefl'

nung zugesetzt , doch gleicht di ese mehr einem durch

gebrochenen Loch als einer Thür .

Der Brunnen selbst präsentirt sich nach Suden als ein 0 .

10' osk . hoher massiver Bau , dessen Front in 3 Theile zer

fällt,e ntsprechend dem Brunnen selbst und den beiden Seiten

bassins , Die Front des linken (westlichen) Bassins misst

die d es rechten wird eben so gross gewesen sein , doch misst

man,da die Ostmauer in der Mauer des Hauses steckt

,nur

Die Front des Brunnens selbst misst die Tiefe (N .—S . )

d es ganzen Baues Der Brunnen ist von Süden

durch eine die 0 stha lfte seiner Front einnehmende Thur zu ebenerErde zugängli ch : ihr entspricht eine gerundete Aushöhlung zum

Hinab la ssen des Schöpfgefässes ; er ist , vom Rande des westlichen Bassins gemessen

,also von ebener Erde 30'

tief. Die Tiefe der Bassins betragt bi s an den Boden aus c p u s

S ign i num nur etwa so dass dieser noch c . über der

Erde liegt . Der ganze Bau besteht aus schmucklosen Tuffquad ern ;nur die oberste Schicht die Wände der Bassins ist aus

Kalkstein .

Die Bassins konnten nie zu ebener Erde zugänglich sein,

dienten mithin nicht zum Tränken d e s Viehs,sondern vermuth

lich zum Waschen . Die Zugänge sind wohl beim Bau oder bei

der Erweiterung des Hauses verloren gegangen . Auf der Nordseite des Brunnens sieht man seine alte Bekleidung mit Ziegel

stuck,älter als die ähnliche spätere Wandbekleidung des be

treffenden Raumes . Es m ag noch bemerkt werden , dass der

„hydraulische Kalk“ der Bassins nichts anderes ist

,als der in

Pompej i s o häufig vorkommende Ziegelstuck ; ferner dass diewestliche Brüstung des westlichen Bassins nicht alt

,sondern

später aus schlechtem Incertum hergestell t ist . Ursprünglich wa r

4 4 Cap i te l I I .

hier keine Brüstung : unter der j etzt vorhandenen setzt sich d a sSignrnum des Bodens bis an d en Rand des hier offenbar abschliessenden Quad erbaues fort , und hat auch hier keinen Abschluss . War hier etwas ursprünglich kein Bassin

,sondern ein

Aufgang ? Leider kann das 0 stba ssin nicht auf diesen Gesichts

punkt hin untersucht werden . Auch an der Stelle der nörd

lichen Brüstung des Westba ssins i st nur die j unge Incertumsmauer des Hauses ; doch beruht dies auf nachträglicher Zer

störung , von der auch die Nordwand des Oberbaue s über dem

Brunnen selbst nicht verschont geblieben ist ; denn hier biegt

sich das Signinum am Rande in die Höhe und bezeichnet s oden Abschluss .

Den Rest eines alten Einganges von der Abbondanza stra ssefinden wir in dem die Läden No . 1 und 2 trennenden Pfeiler.Dieser besteht nämlich aus zwei Theilen

,von denen der west

liche und ältere,an No . 1

,ein gegen No . 1 (W .) roh rechtwinklig

behauener, nach der anderen Seite schra g abgeschnittener Tuffpfeiler ist. An diese Seite wurde dann spater ein en tsprechend

schräger Ka lksteinpfeiler angesetzt und so der j etzige , c.breite Pfeiler hergestellt

,dem zwischen No . 2 und 3 ein

c. messender Ka lksteinpfe iler entspricht . Die ursprung

liche Form d es alten Tuffpfeilers ist ni cht ganz deutlich ; doch

sind Reste von Cannelüren erhalten,und es scheint sicher

,dass

es eine vor die Wand von No . 1 vorspringende Halbsäule war,

welche östlich in die Wandfläch e von No . 2 durch V ermitte lungeiner schrägen

,ihr als Tangente sich anschliessenden Fläche

überging .

Die Eigenthumlichkeiten im Mauerwerk des Hauses No . 5

sind von Nissen (S . 4 4 2 f.) hervorgehoben worden : wir haben

hier den seltenen Fall von Quad ermauern ,die nicht an der

Strasse liegen,sondern theils (südlich) das erste linke Seiten

zimmer von d en Hinterzimmern der Läden an der Abbondanza

strasse,theils (westlich) die linken Seitenzimm er von den aus

dem v i c o d e l l a m a s c h e r a zugängli chen Räumen trennen . Die

Südwand schliesst si ch an die Südfront des Brunnens als ihre

Fortsetzung an : sie liegt nur,wie mir scheint

,eine Mauerdicke

weiter südlich . In die Sarno qua dern ist eine Reihe Tuffqua dern

eingemischt : sie i st da,wo die Mauer von Westen an den west

Ein äl testes Bauwerk . 4 5

lich des Einganges zum Atrium liegenden Schrank stosst,die

zweite über der Grundschicht,und. kehrt in gleicher Höhe in dem

Pfeiler ö stlich vom Eingange wieder , während westlich desselben

nur der unterste Stein erhalten ist . Ueber der Tutfqua d er folgt

hier wie dort eine sehr niedrige Ka lksteinqua d er

Diese C o rresp ond enz welche freilich weiter oben aufh o rt,wie

übrigens auch weiter nach Westen die Mauer nicht eben grosse

Gleichmässigkeit zeigt macht es sehr wahrscheinlich,dass

wir hier immer noch Reste der Fortsetzung j ener massiven,an

die Front d es Brunnens sich anschliessenden Mauer vor unshaben . Sie war älter a ls die älteste für uns erkennbare Ge

sta lt des Hauses,gleichaltrig vermuthlich mit dem Brunnen

,

und wir dürfen wohl annehmen,dass mit Rücksicht auf sie

,um

sie benutzen zu können und nicht zerstören zu müssen,das

Atrium so ganz ungewöhnlich weit von der Strasse angelegt

worden ist. In einen Stein dieser Mauer,si chtbar in der Rück

wand des Hinterzimmers d es Ladens No . 3,ist das Zeichen

eingehauen .

Die andere,westliche

, Quad ermauer ist die Fortsetzung der

Ostmauer des Brunnens . Ueber ihre Construction spricht Nissen

S . 44 3 : Grundschicht Kalkstein , darüber 4 (nicht 3) SchichtenTufi

'

quad ern , eine Schicht Kalksteinquadern , zum Schluss Kalk

ste infa chwerk. Die Tufi‘

quad ern sind hier ungewöhnlich klein

(Höhe c . kleiner a ls die Quadern der Süd

mauer . Wir werden wohl kaum irre gehen,wenn wir annehmen

,

dass auch hier die aus Quadern bestehenden Theile älter sind

als das Haus,eine Annahme

,welche einen sehr hohen Grad von

Wahrscheinlichkeit dadurch erhält,dass s ie eine befriedigende

Erklärung für zwei sonst unerklärliche Umstände bietet : den

Quaderbau an dieser Stelle,und die ganz unerhörte

,c . 1 1 Meter

von der Strasse entfernte Lage des Atriums . Man legte es so

weit zurück,weil auf diese Art für zwei Seiten des von ihm

mit den Seitenzimmern gebildeten Rechtecks die besten und

solidesten Mauern schon vorhanden waren . Das südliche Ende

der Westmauer i st nichts anderes al s die Ostmauer des Brunnens :

auch auf dieser liegt oben das Ka lksteinfa chwerk. Letzteres

lässt sich auch,entgegen dem was Nissen angiebt , in der ganzen

Ostmauer des Hauses consta tiren,auch in der der P orti cus

4 6 Cap ite l l l .

vor dem Garten ; doch liegt diese um eine Mauerdicke weiter

nach Westen .

Es m ag noch kurz hingewiesen werden auf das Stuck Mauer

aus Lava quad ern am Ostende der Nordseite der Insel (Nissen

S . Sollten wir vielleicht in alle dem Reste einer ausgedehnten

Anlage aus einer vor der Zeit der Ka lksteina trien liegenden

Peri ode vor uns haben ? Leider lässt sich über das Alter dieserLavaqua d ern nichts feststellen .

Capitel II I .

K a l k s t e i n a t r i e n.

Nissen hat in seinem zwanzigsten,die Ka lksteina trien be

handelnden Capitel besondere Sorgfalt darauf verwandt , nach

zuweisen,dass der Flächeninhalt dieser Häuser

„j edesmal ein

bestimmtes Landmass in runder Ziffer darstell t “ . Und zwar muss

nach ihm„als Inhalt derj enige Raum berechnet werden

,den die

vier Aussenwände einschliessen ; denn da die letzteren l o c o

c o mm un i errichtet sind,so kann nur der innere freie Raum ein

stens dem Bürger zum vollen Eigenthum a ssignirt worden sein“

.

Nissen sieht voraus,dass seine Leser bei diesen Sätzen

vielleicht die Köpfe schütteln werden,und gesteht ihnen das Recht

zu,strengen Beweis für dieselben zu verlangen . Diesen Beweis

führt er dann a p o s t e r i o r i,indem er nachweist

,zunächst an

drei ausgewählten Beispielen,dann bei der Beschreibung der

einzelnen Häuser,dass die Berechnung des Inhalts eine runde

Grösse giebt,sobald man die Aussenwände ausser Betracht lässt

,

nicht aber wenn man dieselben mitrechnet .In der That sind obige Sätze so unglaublich

,dass sie nur

auf Grund zwingend s ter Beweise a ccep ti rt werden könnten . Zu

nächst, wenn wir überhaupt irgendwo ein rundes Mass suchen

dürfen , s o müssen wir doch am ehesten erwart en , dies von den

ganzen Inseln repräsentirt zu finden : und s o denkt auch NissenS . 5 87. Diese runde Grösse wurde dann in so viele glei che oder

ungleiche Theil e zerlegt,als hier Häuser gebaut werden sollten .

Dass nun auch diese Theile j eder eine runde Grösse repräsen

tirten,dafür war doch die Wahrscheinli chkei t eine geringere

,

48 Cap i te l III

s o bald man nicht einfach durch Linien theilte,sondern den Platz

die m u r i c o m mu n e s besonders absteckte .Ganz unglaublich aber erscheint dies Verfahren

,s obald wir

die Art in’s Auge fassen,wie Nissen’s runde Grössen entstehen .

So z . B .

2 750 D'

3000 D'

Also die runden F la chenma sse sind nicht etwa so entstanden,

dass man die Lange und Breite der Insel in Abschnitte zerlegte ,die durch runde Zahlen ausdrückbar gewesen wären , sondernsie sind d a s Product ganz irrationaler

,die Länge und Breite

bezeichnender Zahlen . Wenn wir bedenk en,wie unendliche Mühe

es machen musste,diese zum grossen Theil nicht einmal rech t

winkligen Vierecke s o einzurichten,dass a ls Product der meist

irrationalen Längenma sse sich ein rundes Flächenmass ergab ,und dann wieder sie so an einander zu passen , dass die Fläche

der Inseln ausgefüllt und nicht überschritten wurde,s o wird

,

glaube ich,diese Erwägung hinreichen

,um das Unwahrsche in

li che der N issen ’

sch en Ansicht klar zu machen .

Es wäre j a denkbar,dass man dem Bürger gestattet ha tte

,

die Stra ssenmauer nicht auf,sondern vor das ihm angewiesene

Grundstück zu bauen,und die Strasse um die Dicke derselben

zu verengern . Hingegen ist nicht abzusehen,wie die a ssignirend e

Behörde zu der Arbeitsverschwendung kommen sollte,den Platz

j eder Trennungsmauer zwischen zwei Häusern besonders abzu

messen,anstatt einfach die Grundstücke abzutheilen und zu ver

fügen falls dies nicht durch Herkommen fest stand dass

j edes den Grund für einen,sei es den rechten

,sei es den linken

p a r i e s c o mmu n i s herzugeben habe . Und dass man so verfuhr,

scheint auch da,wo die alten Häuser reihenweise an einander

liegen,der Tha tbestand zu ergeben : so auf der Ostseite der

5 0 Capitel III.

beide Fa lle i st die Berechnung mo glich . Weil Nissen glaubte,

für eine ganze Anzahl Häuser den Flächeninhalt berechnen zu

können,is t ihm die in dieser Beziehung ganz einzigeBedeutung

dieses Hauses nicht klar geworden,sonst wurde er doch wohl

für den wahrscheinli chsten und nächstliegenden Fall,da ss näm

li ch die P ertinenzen ursprünglich selbständig waren , eine genaue

Rechnung angestellt und sich nicht mi t einem ungefähren Taxat

a uf 5 000 D' begnügt haben .

Die Stra s senfront des eigentlichen Hauses misst ein

begrifi‘

en einen p a r i e s c o mm u n i s , ohne diesen a lso Die

Rückseite misst netto also von der Vorderbreite

kaum verschieden,

Die Lange ist nicht bequem fest

zustellen : eine Messung im Hause selbst ergab auf der Nordseite

eine andere in der anstossenden c a s a d e l l e V e s t a l i

wenn wir als o annehmen,s o werden wir

uns von der Wahrheit ni cht weit entfernen . Südseite

als o mittlere Länge Flächeninhalt 5 1 92 D'

,

nicht 5 000,wie Nissen tan irt .

Ebenso wenig aber giebt die Berechnung des ganzen Grund

stucks,mit den P ertinenzen

,eine runde Summe. Die Front

,

einschliesslich eines p a r i e s c o mm un i s,misst dann netto

die Rückseite (2 p . c .) netto also mittlere

Breite N o rd lange Süd länge 78,

mittlere Länge Flächeninhalt 692 7 D'.

Von den Massen im Innern d es Hauses war schon obenS . 37 d

'

. die Rede .

Im Innern fehlt es nicht an Resten alter S tuckbekleid ung .

Reste d es ersten Deco ra ti onsstils enthält der Laden . Vielleicht

noch älter sind die im südlichen Vorderzimmer erhaltenen Reste

feinen weissen Stucks . Die Wölbung in der Südwand wohl

nicht eine Nische,s ondern durchgehend

,vermuthlich einer ver

mauerten Thür angehörig ist bekleidet zunächst mi t einer

Lage Sand stuck von ganz ungleicher Dicke,um die Unregel

mässigkeiten der Steine auszugleichen , dann mit einer kaum

starken Schicht ganz feinen M a rm o rstucks . Reste feinen

weissen Stucks sind auch in der Südwestecke desselben Zimmers,

dessen Wände spa ter mit Ziege lstuck bekleidet wurden , und in

der Südwestecke des linken Hinterzimmers erhalten .

Ka lksteina trren . 5 1

B ea chtenswerth sind Steine mi t älterer S tuckbekle id ung ,welche im Fachwerk vermauert sind . Verschiedene so lche Res tefinden sich in der unzweifelhaft a lten Wand zwischen der linken

Ala und dem Hinterzimmer,darunter ein Stein

,der zuerst mit

einer sta rken Schicht Sa nd stuck,dann einer 0 . starken

Lage feinen,gelbli ch weissen

,steinha rten Stucks bekleidet i st .

Auch in der Nordwand desselben Hinterzimmers sind Steine mit

Stuck enthalten .

No . 2—4 : VI,10

,1 1

,c a s a d e ! n av i g l i o .

Von Nissen an erster Stelle als besonders beweisendes Bei

Spiel für seine Ansicht von dem Flächeninhalt der ältesten Häuser

angeführt :„In dem V o rd erha use der c a s a d e l n a v i g l i o i st ein

Ka lksteina trium vollständig erhalten : es is t genau 78 ' lang,5 3 '

breit ; es bedeckt , die Aussenmaue rn eingerechnet , 4 1 34 D’

,d . h .

keine rati onelle F lächengrö sse , es bedeckt im Lichten 3750 D’

,

d . h . V o isus . Soll dies haarscharfe Zusammentreffen ein Werkdes Zufalls heissen? “

Wir mussen diese Frage bej ahen : allerdings ist es ein Werk

des Zufa l ls,genauer d a s Product einer Reihe offenbarer Irr

th üm er .

„Die Lange des Atriums betragt die Breite Man

sieht alsbald,dass die Au ssenwand e bei der Feststellung der

Proportionen und des F la cheninha lts nicht berücksichtigt wurden ;denn 75 50 3 2 und giebt als Inhalt 3750 D '

. Dass hieraufdas älteste Haus sich beschränkte

,geht aus der gesamm ten An

ordnung zweifellos hervor “ .

Darauf ist zu erwidern,dass weder die Lange 78 ’ betragt

,

noch a uch e s wahrscheinlich ist,dass sich d a s älteste Haus auf

die von Nissen berechneten Theile beschränkte .Am geringsten ist die Ungenauigkeit in der Berechnung der

Brei te . Die directe Messung zwischen den Rückwänden der beidena l a e ergiebt

dazu zwei Stuckschichten,mindestens

und die beiden Mauern (nach Nissen)

Und ziemlich das gleiche Resultat e rgieb t si ch , wenn wir die

Messung in derselben Weise anstellen wie Nissen (S . 4 1 5 : Ebenso

5 2 Capite l III.

am Ende welcher theil s namentli ch das Tablinum nicht

genau genug gemessen,theils die Stuckbekleidung der Wände

nicht in Anschlag gebracht hat.Westl . Hinterzimmer (2 Stuckschichten)Tablinum (Stuck)Küche c . (2 Stuckschichten) .

2 Aussen und 2 Innenwände

Das giebt also in diesem hinteren Theil des Hauses fur die Breite

5 4 ' und 4— 5 " o skisch .

Schwi eriger ist die Feststellung der vorderen Breit e . Nur

d er nördliche (hintere) Theil der Ostmauer , etwa bis zur Mittedes zweiten Seitenzimm ers

,is t alt und in Fachwerk ausgeführt .

Er ist nicht der Westmauer parallel,sondern convergirt etwas

mit ihr nach Süden : es ist kein Grund zu zweifeln,dass die Mauer

in dieser Richtung sich bis an die Strasse fortsetzte . Von dem

bezeichneten Punkte an ist sie später in Lava incertum erneuert

worden,und dieser j üngere Theil weicht von der Rich tung des

älteren etwas nach Osten ab,so dass von hier an die Breite

wieder um ein weniges wachst oder doch nicht mehr abnimmt .Aber auch diese j üngere Mauer setzt sich nicht bis an die Strasse

fort,sondern die Ostwand des Ladens No . 1 2 ist noch weiter

na ch Osten gerückt . Die alte Front wi rd etwa (nettoeher noch etwas weniger

,die mittlere Breite d es Hauses

also 5 3' betragen haben .

Weit gewichtiger sind die bei Berechnung der Lange began

genen Irrthüm er . Die Südfront des Hauses,einschliesslich d es Süd

endes der übrigens aus Kalksteinquadern bestehenden Westmauer,

is t in späterer Zeit in Backstein hergestellt . Die Westma uer

einschliesslich dieser B a cksteine cke misst 79 ' o sk . ;

Nissen nimmt aber an,dass bei Herstellung der Ziege lfront die

Ecke und doch wohl die ganze mit ihr in einer Linie liegende

Front um M . röm . gegen die Strasse vorgerückt

worden sei . Der Beweis für diese Annahme is t seltsam . Nissen be

rechnet nämlich die innere Länge (Tiefe) des Hauses , von der Rückwand d es linken Hinterzimmers bis zum Vorderende der f

1) F a u c e s ist d er Gang zwischen Stras se und Atr ium : s . Ivanofi

,A n n . d .

In s t . 1859 , S . 82 ff .

Ka lksteina trien . 5 3

a lso in der Mitte des Hauses , auf is t wo hl Druck

fehler) „wenn nun die Qua d erwand mit vorgelegter Ziegelecke ,

wie bemerkt,

misst,s o ersieht man da raus

,dass bei der

Herstellung der B o ttegen um M . röm . die Ecke gegen

die Strasse vorgerückt ward “.

Die fragliche Ecke und. die Pfeiler an der Ausmundung der

fa u c e s auf die Strasse sind aus demselben Ziegelwerk,ihre

Vorderseiten liegen in einer Flucht : sie sind ohne allen Zweifel

zu e i n e r Zeit und nach e i n e m Plane gebaut . Wie also aus ihrer

verschiedenen Entfernung von der Rückwand d es Hauses auf ein

Vorrücken gegen die Strasse soll geschlossen werden können,

ist ganz unerfind lich : wurde damals vorgerückt,so betraf dies

die ganze Front,nicht bl os die Ecke : j ene Verschiedenheit muss

einen anderen Grund haben . Und dieser Grund liegt ganz ein

fach darin,dass die Front gegen die Queraxe d es Hauses schräg

liegt und. nach Westen weiter vorspringt : die Abweichung is t s ogross

,dass das vor der Schwelle liegende Stück der fa u c e s an

der Ostwand an der Westwand tief ist,dass die Tiefe

der östlichen B o ttege am Ostende die der westlichen am

Westende beträgt . Mit einer Verrückung der Front haben

diese Differenzen nichts zu thun .

Eine solche aber hat in der That stattgefunden,nur ist die

F ront nicht vorgerückt , sondern zurückgezogen worden . Ohne

Zweifel lief die Front der Insel ursprünglich in einer Flucht mit

derj enigen der östlich anstossenden Inseln (die der westlichen ,j enseits der M ercurs tra sse , springen noch weiter vor) ; sie lief

ohne Zweifel parallel mit der Front der Inseln auf der gegen

über liegenden Seite der Strasse,die sich hier

,nur vor

di eser Insel,ganz unnatürlich verbreitert

,s o dass die beiden

Trottoirs einen bedeutenden Winkel bilden . Auch die Nordfront

der Insel läuft ganz in gleicher Flucht mit der der anstossenden

Inseln . Aller Zweifel wird gehoben durch die Beobachtung einer

Terra inerh öhung genau in der eben p o stulirten Richtung: von

der Südostecke ausgehend entfernt sie sich allmählich von derj etzigen Front

,bis s ie an der Südwestecke um 0. vor

dieselbe vorspringt . Es kann keinem Zweifel unterliegen,dass wir

hier die Fundamente der alten Frontmauer zu erkennen haben .

Endlich ist auch die Ursache dieser Veränderung allenfalls zu e r

5 4 Cap i te l ru .

rathen : es handelte sich vielleicht darum , den im Anfang der Mer

curs tra sse errichteten Triumphbogen von dieser Seite sichtbar zu

machen . Es war als o die Westmauer ursprünglich nicht kürzer,

sondern um etwa länger als gegenwärtig : 2 3 M . c .Die ö stliche Länge des Hauses zu finden ist schwierig . Das

hintere Ende der westlichen Quad erm auer entspricht der Rück

wand des linken Hinterzimmers . Dies ist um tiefer als das

Tablinum (den Stuck zu gerechnet) . Rechnen wir nun dieRückm a uer des Hinterzimmers zu und nehmen als Ausgangs

punkt für die Messung einen östlich vom Tablinum hinter

der Rückwand desselben gelegenen Punkt,s o ergiebt die Messung

durch den Gang,der östli ch vom Tablinum aus dem Atrium zu den

hinteren Räumen führt,bis an die Vorderwand des Atriums

dazu die D icke der Vorderwand,mit Stuck

,etwa

östliche Tiefe des Ladens (bis an die alten Fundamente)

(1 . i . 80' weniger

Es ergiebt sich also eine mittlere Lange von

Da die mittlere Breite etwas uber 5 3 , die mittlere Lange

etwas unter 82 ' beträgt,so dürfen wir

,da wir doch vollkommene

Gena uigkei t nicht beanspruchen können,den Flächeninhalt auf

82 X 5 3 4 34 6 D’ berechnen . Wenn wir alsdann von j eder

Dimension die beiden Mauern mit 3 ’ abziehen,s o erhalten wir

79 X 50 395 0 D'.

Es ist damit hinlänglich erwiesen,dass j enes haarscharfe

Zutreffen auf 375 0 D' ein Product des Zufalls

,genauer d es Irr

thum s ist : ein weiterer Beweis für di e Gefährlichkeit des Argu

ments, „dass dies ni cht Zufall sein kann “

. Die von uns gefundene

Zahl is t zwar von 4 000 nicht allzu weit entfernt,doch ist das

Zutreffen bei wei tem nicht genau genug,um als Beweis für die

Einzelheiten des bei der Assignati on beobachteten Verfahrens

geltend gemacht zu werden .

Ferner aber sind wir mit unseren Betrachtungen noch nicht

zu Ende . Es bleibt noch zu erweisen,dass das älteste Haus

sich nicht wohl auf den von Nissen berechneten Raum beschränkthaben kann .

Dass das Nordende der Quad erm auer an der M ercurs tra s se

Ka lksteina trien . 5 5

auch das hintere Ende des ältesten Hauses und Grund stuckesbezeichne

,erweist Nissen folgendermassen :

„Ich bemerkte

,dass dieselbe (die Qua d erm auer) an der No rd

ecke einen Abschluss findet und mit der B innenm auer gebunden

is t : die letztere a ber besteht aus Ka lkste infa chwe rk . Sie schliesst

das Tablinum hinten ab,offenbar aus dem Grunde

,weil das

Atrium ursprünglich keinen Ho rtus besass “ .

Von alledem ist nichts richtig .

1 . Die an der bezeichneten Stelle ansetzende Quermaueris t mit der Stra ssenm auer nicht gebunden

,s ondern nur an die

selbe angelehnt .

2 . Sie besteht nicht aus Ka lksteinfachwerk . Nissen ist

vielleicht dadurch getäuscht worden,dass s ie allerdings durch

zwei,übrigens nicht in der Art des Fachwerks gebildete Kalk

steinpfeiler in drei Theile geth eilt ist : die Oeffnungen zwischen

denselben messen (von c . Die erste ist aus

gefüllt mit altem Lava incertum,die mittlere mit Incertum aus

Oruma,Lava

,Ka lkstein und. anderem Material ; in dem Incertum

der westlichsten wiegen Lava und Tuff vor. Die mittlere Oeffnung war ursprüngli ch eine Thur : man sieht dies deutlich an

dem auf der Westseite des ö stlichen Pfeilers erhaltenen Stuck

(der westliche Pfeiler ist bei der Zuse tzung der Thür stark bescha d igt worden) . Später wurde diese Thür geschlossen und

eine andere in der westlichen Abtheilung der Wand geöffnet ,endlich aber auch diese wieder zugesetzt . Dass dies die Reihen

folge war,ergiebt si ch daraus , dass der weisse Stuck , welcher

die V ermauerung der Mittelthür bedeckt , die westliche Seitenthür

noch anerkennt .3 . Diese Mauer ist die Rückwand des westlichen Hinter

zimmers,nicht aber die des Tablinum s

,welche auch mit ihr nicht

in einer Flucht,sondern um c . weiter nach vorn (Sud) liegt

es reicht also das Tablinum nicht,wie man nach Nissen’s Dar

stellung annehmen muss,bis an das hintere Ende d es Hauses

,

sondern bleibt um von demselben entfernt . Und zwar han

delt es sich nicht etwa um eine nachträgliche Verkürzung des

Tablinum s : vom linken (westlichen) Hinterzimmer aus sieht mandeutlich

,wie die alte Fa chwe rkmauer des Tablinums nach hinten

mit einem Ka lks teinp feiler abschliesst : der Rest der Ostmauer

5 6 Cap ite l III.

d e s Hinterzimmers ist Später daran gesetzt und besteh t a us In

ce rtum ,unten Lava

,oben Kalkst ein .

4 . Die Rückwand des Tablinum s ist ganz spaten Ursprunges_

.

Dasselbe hatte anfänglich nur Sei tenmauern und war vorn und

hinten in ganzer Breite geöffnet,wie an dem alten hinteren

Ende der Ostwand noch deutlich zu erkennen ist. Später

wurde sowohl der vordere als der hintere Eingang verengert ;d er vordere durch Wandstücken (c . aus Ziegeln und ziegel

förmigem Tuff,der hintere durch 2 Ziegelp ila ster , welche durch

einen aus ziege lförm igem Kalkstein gebildeten Bogen verbunden

waren . Noch später endlich wurde der hintere Zugang ganz zu

gesetzt,ohne Zweifel um das nördlich anstossende grosse Tri

clinium zu bauen . War aber das Tablinum hinten offen,s o

musste d a s Haus tiefer sein , al s Nissen annimmt , denn es wa r

unmöglich,dass nur c. M . von der hinteren Oeffnung des

Tablinum s die Mauer des Nachbarhauses folgte . Ohne Zweifel

öffnete es si ch,wie in der c a s a d e l c h i r u rg o

,auf einen vor

dem Ho rtus liegenden Gang ; da wir nun auf Gang und Ho rtusnich t woh l weniger als 5— 6 M . rechnen konnen

,s o bleibt für

ein zwischen diesem und der weiter nördlich liegenden Quader

mauer liegendes Haus das zweite der drei von Nissen auf

dem Boden der c a s a d e l n a v i g l i o angenommenen kein ge

nügend er Raum übrig , und es ist nicht unwahrscheinlich , dass

wir statt dreier nur zwei Hauser anzunehmen haben,von denen

das erste sich bis an das zweite Stück Qua d ermauer erstreckte .Damit wa chst die Lange d es Hauses um c . und

wenn wir unter dieser Voraussetzung den Flächeninhalt berc oh

nen,s o erhalten wir 1 2 2 X 5 3 64 66

,netto 1 1 9 X 50 5 950 D

'.

Es ist nicht zu leugnen,dass die letztere Zahl der runden

Grosse 1 20 X 50 6000 D' nahe kommt

,doch ist wiederum das

Zutreffen nicht genau genug,um eine an sich s o wenig überzeu

gende Annahme damit beweisen zu konnen .

Die Westseite der c a s a_

d e l n a v i g l i o besteht aus drei

Theilen (Nissen S . zuerst (von Süden) ein Stück Quaderma uer

,dem eigentlichen Hause einsch liesslich Tablinum und

Hinterzimmer entsprechend,dann ein Stück Bruchsteinmauer und

am Nordende wieder Quaderbau : beide letztere Stücken demGa rten entsprechend. Nissen nimmt an

,dass dem entsprechend

5 8 Capi te l HI .

steh enden Hauses,dass die Sudmauer d es Stuckes

,um welches

die N o rdp o rticus weiter als das Viridarium nach Westen vor

Sp l‘ill gt, seinen Abschluss gebildet habe . Nachdem aber j etzt die

ganze Insel ausgegraben ist und man die V ertheilung der Häuser

in derselben übersicht,scheint es sehr wahrscheinlich

,dass hier

nicht ein Angip o rtus war , sondern ein die ungewöhnlich grosse

Insel von Nord nach Süd durchschneidender Vicus. Gewisse

Ungleichheiten in der Tiefe der Häuser,ein gewisses Hinüber

greifen bald der westli chen,bald der ö stlichen Häuser über eine

Linie , die man zwischen beiden ziehen könnte , erklären sich ameinfachsten durch die Annahme

,dass bald von der einen

,bald

von der anderen Seite her der Vicus o ccup _irt wurde . Weiter

nach Norden lässt sich dies nicht verfolgen und im einzelnen

nachweisen . Doch scheint sicher,dass in dem in Rede stehenden

Hause eben j ener weiter nach Osten vorspringende Theil derN o rd p o rticus und. das nördlich in gleicher Flucht anstossende

Zimmer auf dem Boden d es Vicus liegen . Letzteres greift in

das Peristyl der nordöstlich anst ossenden,nach Osten mundenden

c a s a d ’ O r fe o ein und verursacht dessen unregelmässige Gestalt :

nur am Nordende der Westseite is t nämlich eine kurze Säulen

halle,dann folgt nach Süden ein kleines Z immer

,dann das er

wähnte Zimmer der c a s a d e g l i s c i e n z i a t i ; offenbar liegt auch

j enes Stück Porticus mit dem anstossenden kleinen Zimmer auf

dem Boden des Vicus,der hier von Osten her o ccup irt worden

ist. Dann hat sich die c a s a d’

O r fe o noch weiter , über den

Vicus hinaus,auf Kosten der westlich anstossenden Hauser aus

gedehnt . Ueber das Alter dieser Veränderungen lässt si ch nur

sagen,dass sie nicht nach der Zeit des dritten Deco ra tions stils

vor sich gingen,in welchem die betreffenden Zimmer der c a s a

d ’ O r fe o ausgemalt sind .

Ferner muss consta tirt werden , dass auch hier die Ruck

wand des Tablinum s nicht ursprünglich ist , dass als o Nissen’s

Schluss,das Haus habe keinen Ho rtus gehab t

,seine Hauptgrund

lage verliert . Die Rückwand besteht aus Lava incertum mit Kalk

steinblöcken an der Thür,und ebenso sind die hintersten Stücke

der Seitenmauern gebildet : das alte Stück ist rechts lang.

Ob letzterer Umstand auf eine Vergrösserung des Tablinum s oder

auf theilwe ise Zerstörung der alten Mauern zurückzuführen is t,

Ka lkstérnatfien . 5 9

la sst sich wohl nicht mit Sicherheit entscheiden . Jedenfa lls aber

ist kein Grund zu der Annahme , dass dies Haus nicht , wie alle

ältesten Häuser,seinen Ho rtus gehabt haben sollte . Dann aber

wird der Raum für ein zwischen diesem und dem ehemaligenVicus liegendes Atrium doch sehr knapp

,und es gewinnt die

Annahme an Wahrscheinlichkeit , dass si ch das Haus sch on in

der Peri ode der Ka lksteina trien durch die ganze Breite der Inselerstreckte . In diesem Falle war seine Tiefe c . M . 1 2 3 '

Da nun die Breite c . 4 7' beträgt (s . oben S . s o erhalten wir

einen Flächeninhalt vo n 5 784 72 D'

,nach Abzug der Aussenm auern

44 5 288 D'. Doch ist natürlich die Annahme , dass

das Haus die ganze Breite der Insel einnahm,eine ganz unsichere

Man könnte dagegen anführen,dass si ch das Haus in seinem

hinteren Theil verbreitert ; südlich beginnt die Verbreiterung mit

dem Anfang des V irid arium s,nördlich in der Mitte des zweiten

Zimm ers links am Peristyl : von hier an sind hinter dem ge

nannten Zimmer noch Wirth scha ftsräum e,während die folgenden

Zimmer tiefer sind . Nehmen wir an,dass mit der s o gegebenen

Linie d a s Haus abschloss,s o erhalten wir eine Tiefe von c . 2 4 M .

87 einen Flächeninhalt von 4 7 X resp .

4 4 X 841

43697 D

’. Zur Zeit d es ersten Deco ra tionsstils

hatte d a s Haus schon seine j etzige Ausdehnung ; denn wir finden

ihn auf den Wanden des Gartens . Ist unsere letzte Annahme

richtig,s o blieb zwischen der Ruckwand und. dem Vicus eine

Entfernung von c . 10 M . 36 es konnte als o möglicherweise hier noch ein kleines Atrium Platz finden .

Dass das Haus manche Veränderungen,auch B eschrankungen

seines Umfanges erli tten hat,ist von Nissen hervorgehoben wor

den . Die a l a e sind in geschlossene Zimmer verwandelt wor

den . Der Gang,welcher links neben dem Tablinum in’s Peristyl

führt,wa r sicher anfangs nicht s o ganz ungewöhnlich eng : er

wurde es erst durch den Bau d es links (N .) an ihm liegendengrossen Tricliniums

,welches über die Linie der entsprechenden

Seitenzimm e r des Atriums hinaus nach S . vorspringt . Rechts

vom Tabl inum ist d a s Tablinum und das rech ts anstossende Zim

mer des nach S . mündenden Hauses No . 5 von unserem Hausea bgenommen worden : hier sind neben dem Tablinum nur zweikleine Schränke

,einer vom Atrium

,einer vom Peristyl aus zu

60 Capite l nr.

ganglich , übrig geblieben . Von den Seitenzimmern rechts am

Atrium is t,wie auch Nissen erwähnt

,das mittlere abgetrennt

und mit dem südli ch anstossenden Hause vereinigt worden . Es

kann a ls sicher gelten,dass alle diese Veränderungen in der

Tufi'

p erio d e , zur Zeit d es ersten Deco ra tionsstils , gemacht sind.

Reste des letzteren finden wir in d en beiden Schränken,s o wie

a n der den Eingang zu dem verengerten Gange enthaltenden

blinden Thür,und. das Mauerwerk aller dieser Umbauten ist ganz

d a s j ener Periode : die Alen sind durch Mauern aus Oruma incertum

mit Thürpfo sten aus Kalksteinquadern in Zimmer verwandelt wor

den ; die Rückwand d es Tablinum s , s o wie die an die Seitenwände

hinten angesetzten St ücke bestehen aus Lava incertum mit Thür

pfosten ebenfalls aus Kalksteinquadern ; C ruma incertum i st in der

Rückwand d es hinteren Schrankes sichtbar ; Incertum ,von dessen

Material wenig zu erkennen ist (Oruma , Tuff) , mit Ka lksteinpfo stenhat auch die Sudmauer des grossen

,im zweiten Stil ausgemalten

Tricliniums links neben dem Tablinum . In gleicher Weise ist das

vorletzte Zimmer links am Peristyl gebaut,und auch da

,wo sich

die südlich vom Atrium abgetrennten Raume in das Nebenhaus

o ffnen,finden wir die gleichen Ka lksteinpfo sten .

Nissen glaubt in dem am Impluvium stehenden Tisch den

ehemaligen Heerd zu erkennen : eine durch nichts zu rechtferti

gende Annahme . Zunächst ist seine Beschreibung ungenau : manmuss nach derselben annehmen

,dass die eine Fontaine euthal

tende Aedicula und. der Tischfuss identisch seien,dass in einer

Nische des einstigen Heerd es,j etzigen Tischfusses , welche einst

zum Kochen gedient,Später die Fontaine angebracht worden sei .

In Wahrheit aber ist die Aedicula vom Tisch ganz getrennt und

steht selbständig zwischen ihm und dem Impluvium .

Nissen scheint Gewicht darauf zu legen,dass der Tischfuss

ein gemauerter„Klotz “ sei . Derselbe hat aber eine für seine

Bestimmung ganz geeignete,für einen Heerd moglichst unpa s

sende,nach oben sich verbreiternde Form

,und dürfte mit seiner

Stuckbekleidung nicht allzu klotzig “ ausgesehen haben . Einganz ähnlicher Tischfuss findet sich in dem südlich anstossenden

Hause VI,

Die Oeffnung hatte keinen anderen Zweck , a ls

d a s Wasserrohr für d ie Fontaine durchzulassen , dessen Richtung

von hier aus gegen die Wasserwerke des Peristyl deutlich ver

Ka lksteina trien . 6 1

folgt werden kann : hier lag e s frei wegen der hier angebra chten

Hähne . Zum Kochen wie Nissen meint kann eine s olche

Oefi”

nung am Boden nie gedient haben . Nachträgli ch,wie es

scheint,obgleich es nicht erweislich ist

,hat man dann noch die

vier Greifenfüsse angebracht ; j edenfalls dienen sie mehr zur

Decoration als zum Tragen ; ganz das gleiche kann im Hause

VI,5,3 ( c a s a d i N e t t u n o ) beobachtet werden .

No . 6 : VII,1,4 0

,c a s a d i M a r t e e V e n e r e .

Nissen’s Angaben uber dies Haus,welches die Nordwestecke

der Insel VII,1 bildet

,sind ganz besonders unrichtig .

Es ist unrichtig,dass die Seitenmauer (W .) alten Kalkstein

bau theils massiv,theils in Fachwerk

,aufweist (Nissen S . 4 2 2 )

die von Nissen angegebenen Stücke Quad erm auer sind vorhanden ,das übrige Mauerwerk aber ist gewöhnliches

Incertum aus Kalkstein

,Tuff

,Oruma und Ziegelfragmenten . Wir finden auf der

Westseite,von Norden beginnend

,zunächst den Eingang (No . 4 2 )

des auch nach N . geöffneten Ladens . Der südliche Pfosten dieses

Einganges aus Kalksteinquadern schliesst auch nach Süden,

wo die Mauer an ihn ansetzt,senkrecht ab : eine Bauart

,welche

da rauf zu deuten scheint,dass dieser Pfeiler einst is o lirt stand .

Und in der That finden wir weiter nach S . einen zweiten

Pfeiler,der nach N . senkrecht abschliesst

,nach Süden aber mit

der Mauer verbunden ist. Offenbar führen diese beiden Pfeiler

zu der Annahme,dass da s zwischen ihnen liegende Mauerstück

jüngeren Ursprungs ist,dass hier einst eine zweite

,später zuge

setzte Lad enöfi'

nung war. Es soll nun nicht verschwiegen wer

den,dass eine solche Annahme ihre Bedenken ha t : die innere

Einthe ilung stimmt nicht zu derselben , und das Mauerwerk zeigt

keinen abweichenden Charakter : ind e ss,wie dem auch sei

,j ener

zweite,das Incertum unterbrechende Pfeiler ist das einzige , wa s

dieser Mauer eine gewisse Aehnlichkeit mit Fachwerk geben

könnte.Hingegen ist Quaderbau nicht nur am untersten (S .) Ende

erhalten,sondern am Boden entlang kann man von da bis an

den besprochenen Pfeiler ununterbrochen die Kalksteinquadern

verfolgen : nur in j ener vermauerten Oeffnung fehlen sie gänzlich .

62 (‘

ap rte l m .

Ferner hat,was Nissen leugnet

,am unteren (S . ) Ende die Mauer

ihren bestimmt cha rakterisirten Absch luss : wenn irgend wo,

s o ist hier der zweite Stein von unten nach innen gebunden

seine Dicke beträgt

Auch die Facade (N .) besteht keineswegs aus Ka lksteinfa chwerk

,sondern aus Incertum mit Thür und Eckpfeilern aus Kalk

stein ; nur gegen den Laden schliesst die Mauer mit einem Pfei ler

aus Tuffziegeln ab , was wohl auf spätere Veränderungen schli essen

lässt .

Die Westmauer,sagt Nissen

, „lauft ausser Richtung mit der

Strasse,das Trottoir am oberen Ende des Atriums is t viel breiter

al s am unteren,die Pflasterung und Regulirung der Strasse muss

später fa llen als der Bau der Mauer “ .

Ein wunderbarer Schluss ! Wenn,a ls der Vicus gepfia stert ,

als Trottoir und Fahrweg gesondert wurden,d a s Haus schon

stand,s o war es doch na turlich

,das Trottoi r in gleicher Breite

an der Hausmauer entlang zu fuhren : die Erklärung der hier

vorliegenden A bweichung wird also durch obige Annahme im

Gegenthe il erschwert . Denn man kann nicht etwa sagen,hier

sei die gleichmässige Breite der Fahrstra ss e massgebend gewesen,

man habe die beiden Trottoirs parallel geha lten und. s ei desha lb

von der Richtung d es älteren,damit ni cht stimmenden Hauses

abgewichen . Die Fahrstra sse i st nämlich hier keineswegs gleich

mässig breit,sondern erweitert sich beträchtlich nach Norden ,

wie auch der kleine Fio relli’sch e Plan deutlich zeigt , und. die

Trottoirs d ivergiren dem entsprechend : es lag a lso gar nic hts

im Wege,d asj enige der Ostseite dem vorhandenen Hause pa rallel

zu machen .

Zunächst lehrt der Augenschein,da ss d a s Haus durch seine

schiefwinklige Gestalt den unregelmässigen und daher schwerlich

ursprünglichen Gang d e s Vicus im Allgemeinen anerkennt : es

dürfte daraus zu schli essen sein,dass wir hier den Anfängen

der Stadt schon ziemlich fern sind . Ferner aber ist der j etzige

Gang der Mauer,trotz der Kalksteinquadern

,ni cht ursp runglich .

Wie bei der c a s a d e 1 n a v i g l i o (s . oben S . s o ist auch hier

d a s Fundament der alten Seitenmauern noch vollkommen kennt

lich : eine Erhöhung des B o dens,welche

,an der Ecke am unteren

Ende der Qua d ermauer beginnend , nach N . sich a llma lig ver

Ka lks tein atrien . 63

bre ite rt und kurz unterhalb des La dens schon c . breit ist.Vor dem Laden selbst i st sie durch eine spätere Aufhöhung d e sTrottoirs unkenntlich geworden ; hingegen is t die alte Ecke in

der Höhe von zwei Steinen stehen geblieben,genau in der Linie

j ener Erhöhung : sie i st spitzwinklig,wie es die Form des Hauses

verlangt ; von den beiden Steinen springt der untere um

und na ch beiden Seiten vor. Da,wo sie den j etzigen Eck

pfeiler berühren,ist jüngeres Material darauf gelegt

,welches den

Stuck desselben bedeckt : bei fiuchtiger Untersuchung könntedies verleiten

,diesen ganzen Rest

,der in der letzten Zeit Pom

pej i ’s wohl als Sitz diente,für j ünger zu halten . Diese a lte

Seitenwand ging vollkommen parallel mit dem j etzigen Trottoi r.

Die besprochene Veränderung hatte wohl den Zweck,diesen

Theil des Hauses etwas weniger spitzwinklig zu machen .

Stammen nun die Qua d ertheile der j etzigen Mauer aus der

Ka lks te inp erio d e , s o müssen w i r ernen doppelten , vielleicht einendreifachen Umbau annehmen : Zuruckziehung der Mauer in der

Ka lksteinp erio d e Neubau in o p u s in c e r tum Sch liessungdes südlichen La dens

,letztere verbunden mit einem Umba u im

Innern . Unmöglich ist nun di es nicht . Doch ist es immerhin

wohl denkbar,da ss a uch das Stück Qua d ermauer und die als

Fundamente dienenden Qua dern in späterer Zeit aus den Resten

der alten Qua d erm auer herges tellt und a n dieser Stelle dem In

certum der j üngeren Mauer gleichzeitig sind . Es Sprich t da fur

eine gewisse Gleichartigkeit in den verschiedenen B e stand the ilen

der Mauer : am Südende tritt die nach innen gebundene End

quader der zweiten Schicht etwas nach N . gegen die obere und

untere zurück,so dass eine Art Verzahnung entsteht , welche

sich dann nach oben in dem entschieden zum Incertum gehörigenEckpfeiler fortsetzt.

In keinem Falle aber konnen wir aus dem vorliegendenHause die Gr össe des ursprünglich a s signirten Grundstücks berechnen . Versuchen wir es dennoch unter der Voraussetzung

,

dass das Südende desselben durch das Sudende der Quader

mauer bez eichnet ist,so erhalten wir keinerlei überzeugende

Grösse . Die westliche Länge beträgt die senkrechte

von der die ö stliche nicht wesentlich abweichen kann

(bis hinter das Tablinum) : mittlere Länge 66'

64 Capi te l III.

Alte Front hintere Breite c . mittl ere Breite

Also Inhalt 66 X 32 67 D' netto

63 2 92 97, D'.

No . 7 : V II,9,63 .

Dass der Flächeninhalt 2 750 D ’ gewesen sei,

findet Nissen

mehr durch ungefähre Schätzung als durch Berechnung . Es ist

aber auch diese Schätzung werthlo s,d a wir ni cht die mindeste

Gewa hr haben,dass die j etzige Tiefe des Hauses auch die ur

sp rüngliche ist ; denn die Rückm auer ist, wie die meisten Mauern

des Hauses,durchaus j ung. Dass diese Tiefe nicht ursprünglich

ist,wird wahrscheinlich durch die Erwägung

,dass wir dann

ein hinten geschlossenes Tablinum annehmen müssten : eine

Form,die sich bei keinem dieser alten Ka lksteinhäuser nach

weisen lässt .

Wenn die Westmauer an ihrem ursp runglichen Platz steht ,s o mass die Front wobei eine Zwischenmauer ein

begriffen i st . Nissen’s V ermuthung (er misst dass dieFront 4 8 ' brutto betragen habe

,wobei auf die entsprechende

Strecke kommen würden,i st unzulässig .

Alt ist nur was vor dem Hofe liegt,und wohl der linke

Pfeiler d es Tablinum s . So ist auch die von Nissen angegebene

Breite des Hofes j üngeren Datums : die Sei tenwände bestehen aus Lava incertum mit Thürpfeilern aus Tuff

ziegeln . Offenbar ist beim Bau derselben di e Breite des Hofes

verringert worden ; der Ostpfeiler der Thür des Zimmers östlich

vom Eingang ist erhalten,und man erkennt an ihm die Stelle,

wo die alte Ostmauer des Hofes ansetzte : es ist hier ein Absatz

im Stein selbst,etwa um weiter östlich als die spätere Mauer .

Auch westlich vom Einga nge is t der entsprechende Pfeiler kennt

lich ; doch ist hier die spätere Westmauer über ihn hinaus vor

gerückt worden,so dass auch die Thür dadurch verengert worden

ist . Nehmen wir an,dass der Eingang der Mitte d e s Atriums

entsprach,so erhalten wir als Vorderbreite (2 x

66 Capite l I II .

uberein stimm end en Reste des ersten Deco ra tionsstils sprechen in

gleicher Weise dafür.So ist es auch vollkommen klar

,dass di e Zimmer rechts am

Atrium vom N a chba rhause a bgenommen sind : von einer Ein

s chrankung des Hauseswegen „reducirter V erha ltnis se

“ i st keine

Spur vorhanden,sondern hier wie in den hinteren Thei len er

kennen wir nur,dass es sich bedeutend ausgedehnt hat . Die

Mauer zwischen diesen Z immern und dem Atrium is t der dem

nördlichen N a chba rhause angehörige p a r i e s c o m mu n i s In

certum aus Lava,wi e das ganze Nachbarhaus d ie sichtlich

Später durchgebrochenen Thüren sind dann mit allerlei Material

zurechtgeflickt worden .

Ist also die Breite des Hauses fa l sch angenommen,s o ist

die Ansetzung der Tiefe ganz willkürlich :„An dem Tablinum

sehen wir einen alten Ka lksteinpfo sten dasselbe ist M .

tief. Folglich Hausläirge etc. etc.“ Jener Pfosten ist relativ

alt,weist aber keineswegs mit Bestimmthei t auf die älteste Bau

periode . Gesetzt aber auch,er hätte dem ursprünglichen Kalk

steina trium angeh o rt, s o folgt aus seiner Gestalt,dass schon da

mals das Tablinum nach hinten offen,also das Haus hier nicht

abgeschlossen war. Ferner lag dann schon damals das Tablinum

nicht in der Mitte der Rückwand,sondern mehr nach links

,der

Art,dass links von demselben kein Zimmer

,s ondern nur

_der

noch j etzt vorhandene schmale Gang sein konnte . Nun hat aber

diese Lage des Tablinum s nur Sinn durch die so gewonnene

Perspective auf den Garten,und auch der Gang musste doch

irgendwohin führen : es stammt a ls o der Pfosten,den Nissen

seiner Berechnung zu Grunde legt,aus einer Zeit

,wo keinenfa lls

hier das Haus zu Ende war.

Im ganzen Inneren des Hauses ist nichts erhalten,was sich

auf die Zeit der Ka lksteina trien zurückführen liesse . Da s Zim

m er rechts vom Eingang zeigt in der Wand gegen das Atrium

Ka lkste inpfeiler ohne sichtbares Bindemittel in Verbindung mit

gewöhnlichem Ince rtum aus Lava. Auch der südliche p a r i e s

c o mm u n i s ist nicht alt : wie der nördli che hinter der Facade

des Nachbarhauses,so lag er ohne Zweifel ursprünglich hinter

der des in Rede stehenden,während er j etzt südlich an dieselbe

angesetz t i st.

Kalksteinatrien . 67

No . VI,9,1,c a s a d e l D u c a d ’

Aum a l e .

Nissen’s Behandlung dieses aus zwei älteren Hausern ent

s tand enen Hauses erfordert einige Bemerkungen .

In Betreff des ersten Hauses handelt es sich nur um eineunwesentli che Berichtigung der Masse : erstes Stuck von der

Mauer Thür zweites Stück Länge der Faca de ,hinter d er der südli che p a r i e s c o mm un i s und die der Sta dt

mauer zugekehrte Wand liegen,

37’ oskisch .

Zu dem zweiten Hause hat Nissen den gegen die Strassevermauerten Laden

,der sich an das Sudende der Facade an

schliesst,hinzugerechnet . Dass derselbe zur c a s a d i M e l e a g r o

„schwerli ch zu irgend einer Zeit gehört haben kann

,ist unerweis

lich : der anstossende Theil der c a s a d i M e l e a g r o i st das Peri

styl,ein junger Bau

,dem mindestens ein

,vermuth lich zwei Atrien

haben Platz machen müssen : nichts steht der Annahme im Wege,

dass j ener Laden ein Rest eines derselben ist . Der Pfei ler an

der Nordseite seines Einganges kann sehr wohl auch der alte

Eckpfeiler des zweiten Hauses der c a s a d e 1 D u c a d ’

Aum a l e

sein . Bis dahin misst die Front des alten Hauses : erstes Stück

3 92 Thur zweites Stuck (1 5'

3 zusammenVon eben dem Eckpfeiler bis zu den alten Theilen der

c a s a d i M e l e a g r o sind c . c . was für 2 Atrien gerade

passen würde .

Auch ist es schwerlich richtig,dass aus dem Vorderzimmer

eine j etzt vermauerte Thür in j enen Laden führte : dieselb e müsste

eine Höhe von bei nur Breite gehabt haben,e in doch zu

unwahrsch einliches V erhältniss . Es war wohl sicher ein Fenster .

Endlich ist es nicht richtig,dass die Fa chwerkm auern des

zweiten der beiden Atrien mit„ka lklo sem Lehmm ö rtel “ gebunden

sind : dass der Mörtel Kalk enthält,lässt sich bis tief in ’

s Innere

der Mauer consta tiren . Eigenthüm lich i st e s , dass vielfach der

Ka lk in grösseren Ma ssen unvermischt als feines weisses Pulver

beisammen geblieben ist : es kommt dies noch öfter vor,und ist

der Aufmerksamkeit dessen,der einmal den Mörtel Pompej i’s

einer technischen Untersuchung unterziehen wird,dringend zu

empfehlen .

Capi te l HI .

No . 1 3 : V I, 1 1 , 1 2 .

Nissen verzi chtet auf die genaue Berechnung des Inhalts

wei l das auf die Ostseite der Insel (v i c o d e 1 L a b e r i n t o ) mündende Haus mit einem nach W . (v i c o d e l F a u n o ) mündenden

(VI , 1 1 , 7) verbunden , und die Grenzlinie zwischen beiden nicht

zu finden is t.

Diese Grenzlinie la sst sich aber doch mit grosser Wahr

scheinlichkeit bestimmen . Die beiden Häuser li egen nicht gena u

eines in der Verlängerung des andern , sondern No . 7 liegt etwas

weiter nördlich . In Folge dessen berührt si ch No . 1 2 auch mit

dem sud lich an No . 7 anstossenden Hause No . 8,No . 7 auch mit

dem nördlich an 1 2 anstossenden No . 1 3 . Nun ist erstlich das

Stück Mauer zwischen No . 8 und 1 2,mit der Nordostecke des

ersten Hauses,offenbar recht alt und liegt ferner genau in einer

Linie mit der Grenze zwi schen 7 und dem südlichen Theil von

1 3 : wir werden also schwerlich irren,wenn wir in dieser Linie

die alte Grenze auch zwischen 7 und 1 2 erkennen .

Alsdann ist die Länge im Süden im Norden

netto : mittlere Lange Die Front misst

Thür 4 5 ' 8" 9 netto denn hinterder Front steht nur e in p a r i e s c o mmu n i s ; hintere Breite

netto mittlere Breite Daraus ergiebt sich

der Flächeninhalt 2 5 99 D' als o keine runde

Summe im Sinne Nissen’s .

No . 1 4 : V I,1 1

,1 3 .

Eines der drei von Nissen als besonders beweisend hervor

gehobenen Beispiele . Der Inhalt wird auf 5 3 x 33 , netto 50 X 301 5 00 D

' V o rsus berechnet .

Doch verliert diese Berechnung allen Werth dadurch,dass

die von Nissen angenommene hintere Grenze des ursprünglichen

Hauses durch gar nichts als s olche bezeugt ist . „Die Rückwand

d es Hinterzimmers zeigt alte Construction und bestimmt dadurch

die ursprüngliche Länge des Atriums . “ Das ist der ganze Beweis ,und er i st nichtig

,weil das behauptete Factum auf das bestimm

teste verneint werden muss : die Mauer zeigt unten Incertum aus

Lava und Fragmenten von o p u s S i g n in um ,oben lange

,hori

Kalksteinatrien . 69

zonta l liegende Ka lks te instucke,gemischt mit Ziegeln

,alles auf

gemauert mit Kalkmörtel ; von der Bauart der Ka lks teina trienkeine Spur . V ielmehr sieht dies Mauerwerk ganz vorzugsweise

j ung a us : hier die hintere Grenze des alten Hauses anzunehmen

würde reine Willkür sein . Die ursprüngliche Länge i st unbe

kaunt

Es i st nach Nissen eine sehr bedeutsame Erscheinung,dass

in dem N o rdwe stwinkel d es Hofes der Heerd steht . Dagegen

muss bemerkt werden,dass die betrefi°end e Aufmauerung ebenso

gut ein irgend einem Gewerbsbetrieb dienender gemauerter Tisch

sein kann und durch nichts als Heerd charakterisirt i st . Ferner

aber ist sie keineswegs ein Rest aus alter Zeit,s ondern j ünger

a ls der durchaus nicht alte Stuckbewurf der Wand,an die sie

angelehnt ist .

No . 1 5 : VI,1 1

,1 6 .

Nissen’s überraschend runde Zahl von X 30 1 750 D'

F la cheninha lt beruht auch hier auf Täuschung .

Die Front,hinter der e i n p a r i e s c o mm u n i s steht

,misst

nett o die hintere N ettobreite i st etwa mittlereBreite Die Tiefe betra gt einschliesslich der

Stra s senm auer netto Also

5 8 1 74078 D .

Es muss frei lich bemerkt werden,da ss von den Seitenmauern

nur die nördliche aus Fachwerk besteht,d ie südliche aber j ünger

i st ; mithin ist es nicht unmöglich , dass einst das Haus wie in

der Front s o auch in seiner ganzen Ausdehnung 30 ' breit war .

Dann wurde Nissen’s Resultat so ziemlich richtig sein

5 872 X 30 1 75 5 D'

Aber der Inhalt des uns vorliegenden Hauses i st dies nicht .

No . 1 6 : vr,1 1

,1 9

,

Die Qua d erfro nt misst genau sie entspricht der

Breite des Hofes . Es wurde aber schon oben (S . 3 1 ) bemerkt ,dass sch on in der Ka lksteinp erio d e das Haus breiter war . B e

sonders deutlich ist dies a uf der rechten Seite,wo die Wand des

Atriums mit den Thüren,und die Wand zwischen Ala und Seiten

70 Capite l I II .

zimmer unverkennbar das Mauerwerk j ener Periode zeigen . Wie

brei t damals das Haus war,wissen wir nicht

,da s owohl die

Seitenmauern als das südli che Nebenhaus j ünger sind. Ferner

schloss das Haus in der Ka lks teinp erio d e trotz der Verschieden

heit des Niveau’s der ruckwärts anstossenden Räume nicht wie

j etzt mit der Rückwand des Atriums ab . Das südli chste Stück

dieser Ruckwand (c . besteht aus Ka lksteinfa chwerk mit

Lehm und endigt nach Norden mit einem auf eben dieser Seite

senkrecht abgeschlossenen Pfeiler,einem unverkennbaren Thür

pfosten,von dessen alter S tuckbekleidung auch auf der Nord

seite Reste si chtbar sind . Also hier war schon in der Kalkstein

periode ein Durchgang zu hinteren Räumen .

Ob die lange Quad ermauer wirklich eine abgeschlossene

Facade ist, wird vielleicht nach ihrer vollständigen Ausgrabung

beurtheilt werden können . Gehen wir auf Nissen ’s Voraus

setzungen ein,so beträgt die N ettobreite denn da das Haus

den nördlichen Abschluss einer Reihe von Häusern bildet,deren

j edes die südliche Seitenwand hinter seiner Front hat,s o müssten

hier deren zwei in Rechnung gebracht werden . Die N etto tiefeist also Flächeninhalt 5 074 X 2 8 1 4 2 1 D

'.

No . 1 7 : VI, 1 1 , 4 .

Nissen giebt hier nur eine ungefähre Scha tzung . Eine Nach

p rufung derselben können wir uns sparen , da sie doch auf Beweiskraft keinen Anspruch erheben kann .

No . 1 8 : VI,7,7.

Front netto Breite hinter dem Tablinum

mittlere Breite 2 3 ' Tiefe netto (reichlich

gemessen) 5 0' 5 Also 50 X 2 3 1 1 50 D'.

Nissen erhält 1 200,indem er das Tablinum gesondert be

rechnet ; doch beruht die Differenz namentlich auf der irrthüm

li chen Angabe der Tiefe Er gewinnt dann die runde Zahl 1 500

,indem er noch den Ho rtus

hinzurechnet . Da derselbe tief ist,so wächst dadurch

der Flächeninhalt um 2 2 76 x 2 2 76 und wir erhalten

j etzt

Kafksttainatrien . 71

Wir haben aber keinerlei Bürgschaft,dass

,wenn d a s Haus

ur' sprünglich einen Ho rtus hatte,dieser gerade so tief war

,wie

der j etzige . Ueberhaup t is t ausser der Mauer und dem Pfeilerlinks am Eingang nichts alt

,auch nicht die Rückwand des Ta

b linum s,welches ganz dünne Mauern hat

,so dass auch die Tiefe

ohne den Ho rtus durchaus nicht feststeht .

No . 1 9 : VI,5,3,c a s a d i N e t t u n o .

Nissen berechnet den Flächeninhalt auf 2000 D'

,indem er

die Rückmauer des Tablinums als hintere Grenze des Hauses

annimmt. Wir enthalten uns seine Rechnung zu con tro liren .

Erstlich gehört das Haus nicht zu den ältesten,von Nissen als

Ka lksteina trien bezeichneten Häusern . Nur an d er: Thür und an

der Ecke findet sich,wie auch sonst

,ein Pfeiler aus abwechselnd

stehenden und liegenden Kalksteinquadern ; dazwi schen Incertum ,

zu unterst ganz gewöhnliches aus Lava,darüber aus Kalkstein

mit horizontaler Schichtung,die allerdings an die Fachwerk

technik erinnert . Als Mörtel kommt hie und da eine schwärz

li che,wenig consi stente Masse zum Vorschein

,die Nissen wohl

meinen wird,wenn er von Lehm spricht. Aber der Eckpfeiler

ist gleichzeitig auch mit der Frontmauer des Nachbarhauses

No . 4 gebunden : also sind beide gleichzeitig. Diese aber hat

zwischen ähnlichen Pfeilern ganz gewöhnliches Incertum aus

Lava mit P uzzo lanm örtel .

Ferner aber i st eine Berechnung des Fla cheninha lts unm o g

lich,weil wir weder die alte hintere Grenze des Hauses kennen

wenn es nämlich nicht von j eher die ganze Breite der Insel ein

nahm noch seine ursprüngliche Breite .

Die Rückwand des Tablinum s i st nicht alt : sie besteht aus

gewöhnlichem Incertum mit Kalkmörtel und enthält am Nord

ende eine vermauerte Thür mit Pfosten aus ziege lförm igem Tuff

und Kalkstein . Endlich : ist die j etzige Dispositi on des Hauses

alt und ist sie es nicht,so fehlt uns j eder Anhalt dann

ist es auch der Gang rechts neben dem Tablinum,der doch

j edenfalls zu irgend welchen hinterenR äumen unbekannter Aus

dehnung führen musste .Die ursprüngliche Breite ist uns unbekannt

,da weder die

no rd lich e Seitenmauer noch der nördliche Theil der Facade alt

72 Cap itel III.

ist . Nissen freilich sagt : „da s erste (no rd liche) Stuck der Facade

in Bruchstein beträgt j etzt betrug früher wie sich aus

dem Hofe ergiebt M . und berechnet daraufhin

die Front auf 34 resp . Wie sich dies aus dem Hofe

ergeben soll,ist unklar . Nissen nimmt an

,dass die Nordgrenze

des Hofes einst auch die Nordgrenze des Hauses gewesen sei,

eine Annahme,für welche nicht der mindeste Anhalt vorhanden

i st . Die zum Theil vermauerten Thüren der Nordseite sehen

mit ihren Ka lksteinpfeilern durchaus alt aus (zwischen ihnen

is t freilich hie und da mit Ziegeln ausgebessert worden) ; es waren

a ls o hier von Alters her Zimmer . Wohin führte ferner die Thür

links neben dem Tablinum ? doch wohl in ein Zimmer,welches

,

um nur einige Breite zu haben,j edenfalls über die Nordmauer des

Atriums hinaus reichen musste .

No . 20 : VI , 5 , 5 , c a s a d e i v a s i d i v e t r o ( d e l G r a n d u c aM i c h e l e ) .

Wir verzichten auch hier darauf,Nissen ’s Rechnung

,welche

einen Flacheninha lt von 1 750 D 'ergiebt, im einzelnen zu contro

liren ; denn erstli ch gehört auch dies Haus nicht zu den alten

Ka lksteina trien,zweitens sind die Daten

,auf welche sich j ene

Berechnung gründet,theils offenbar irrig

,thei ls ganz wi llkürli ch

angenommen .

Das Mauerwerk gleicht dem der c a s a d i N e t t u n o (No .

nur mit dem Unterschied,dass hier am Boden keine Lava ver

wand t i s t,und dass durch hie und da eingestreute gro ssere , theils

h orizontal,theils vertical liegende pfeilerartige Steine d a s Ganze

eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Fachwerk erhalten ha t , j e

doch ohne die für dieses charakteristische Anordnung . Die Front

mauer habe i ch re chts oben bis in’s Innerste hinein untersuchenkönnen

,und consta tirt

,dass sie mit gutem

,festem P uzzo lanm örtel

gemacht ist . Wenn also wirklich die Front der c a s a d i N e t t un o

mit Lehm gemacht ist,so verliert dieser seinen Werth als chro

n o lo gische s Kriterium .

Irrig i st die Annahme einer Erweiterung auf Kosten des

sud lichen Na chbarhauses No . 7 . Der Laden No . 6 gehörte immer

zu N O . 5,und seine Südmauer gleicht vollstandig der Front ,

während in No . 7 Lava und Cruma verwandt sind . Ganz will

74 Cap ite l III .

unten schwarz übertüncht . Von einer noch späteren Stuck

bekleidung sind nur Theile der groben Unterlage erhalten .

Die alten Mauern aus Kalkstein sind dick . Jüngere,

mit Pfeilern aus ziegelförm igem Tuff, messen nur

Es finden sich Deco ra tionsreste ersten Stils im ersten Zim

mer rechts am Atrium No . 5 und in einem kleinen Raum nörd

li ch des linken Hinterzimmers von No . 4,der einst als eine

N ische für einen l e o t u s zu eben diesem Hinterzimmer gehörte ,in welchem auch in der Nordwestecke noch Reste derselben

Decoration sichtbar sind .

Wir werden also diese Ha user in den Anfang der Tufi°p erio d e

setzen dürfen,später aber als die Ka lkste ina trien

,an deren

Technik d a s Mauerwerk der Front von 3 und 5 noch erinnert.

No . 2 1 : V I,5,7 .

Die Facade besteht aus ungew ohnlich niedrigen Steinen und

sieht nicht recht alt aus ; dazwischen zwei der gewöhnlichen

grossen Quadern . Länge der Front (39'

Ziehen wir davon einen p a r i e s c o mm u n i s mit ab,und

rechnen mit Nissen di e Tiefe auf 5 5 ' (Hälfte der Insel) , s o erhalten wir einen F la cheninhalt von 2090 D '

(NissenZwischen den Thüren VI

,5,6 und 7 (Nissen 20 und 2 1 ) ist

in einer Bruchsteinmauer aus Lava und Oruma mit Kalkstein

pfeilern eine Thür zugesetzt und dabei ein Mörtel verwandt,d er“

si ch bei der leisesten Berü hru ng in Pulver auflöst . Doch scheint

er nicht ganz ohne Kalk und i st j edenfalls j ünger als die Mauer

selbst,deren Kalkmörtel ausser Zweifel ist. Sie is t wohl gleich

zeitig mit No . 4,5,6.

No . 2 2 . 2 3 : VI, 5 , 8 . 9 . No . 2 4 . 2 5 : V I,2,2 2 . 2 8.

Nissen giebt für diese Hauser nur ungefähre Schätzungen

des Flächeninhaltes,keine auf Beweiskraft Anspruch machenden

Berechnungen Wenn er für No . 2 5 aus der Front von

und der Tiefe von 69 resp . 66 ' einen Inhalt von 2 4 75 , rund

2 500 D' berechnet

,s o m ag hier kurz bemerkt werden , dass zwar

die Front auch nach meiner Messung netto 37 beträgt,

die Tiefe aber netto 70' (genau 69' woraus sich

ein F lächeninha lt von 262 5 D 'ergiebt . Ferner ist zwar der

Ka lks t9ina trren . 75

n o rd liche Theil der Rü ckmauer a lt,im sud lichen Thei l derselben

aber is t eine Verbindung mit dem westlich anstossenden Hause

vermauert

No . 26 : VI,2,1 4

,c a s a d e l l e Am az z o n i .

Gesamm tinha lt nach Nissen 2000 D '

. Die Front misst , so

weit sie diesem Hause entspricht,

einschliesslich der nord

lichen Zwischenmauer,nicht wie Nissen angiebt . Das nörd

l iche Stück nämlich netto) greift ausserdem noch umvor das Nachbarhaus über. Hier hat s ie keinen Abschluss , son

dern ist gebrochen : wie weit sie ursprünglich noch ging , entzieht

sich j eder Berechnung. Nur so viel können wir sagen , dass ,da sie gleich nach einem der bekannten Fa chwerkpfeiler ge

bro ch en ist,sie noch nicht glei ch zu Ende sein konnte . Da

ausserdem die B eschafi°enheit der nördlichen Zwischenmauer

nirgends kenntlich ist,s o wissen wi r von der Brei te des ursp rüng

li chen Ka lksteina trium s gar nichts und ist also Nissen’s Herech

nung d es Flächeninhalts gänzlich illusorisch .

No . 2 7 : V I, 2 , 1 3 .

Wird auf c . 1 750 D' berechnet. Erstens aber ist von ältester

C onstruction hier nichts zu finden einige Ka lksteinpfo stendeuten keineswegs mit Bestimmtheit auf dieselbe ; zweitens ist

auch hier die Inhaltsberechnung illusorisch . Nissen rechnet nam

lich die Tiefe bis an die Rückwand des Tablinum s . Nun ist

allerdings j etzt dies und die rechts und links daneben liegenden

Räume hinten geschlossen ; doch ist leicht , namentlich von der

Rückseite,zu sehen

,dass dies erst nachträglich geschehen ist :

alle diese Räume waren ehedem auf’s Peri styl ge o ffnet, und. das

„sehr schmale “ Zimmer ist eben nichts als der gewöhnliche Gangneben dem Tablinum : anders ist auch seine Form gar nicht er

klärlich . Das rückwärts anstos sende Haus giebt sich deutlichgenug als früheres Peristyl zu erkennen . Dass nun dies seiner

sei ts in einer no ch früheren Periode aus einem Atrium entstandenist

,ist nicht unwahrscheinlich

,da in dieser Insel die Grund

stücke nicht gerade durchgehen,also eine Theilung der Länge

nach ursprünglich stattgefunden zu haben scheint . Wo dann

aber die Grenzlinie wa r , das wissen wir nicht : dass sie ursprung

76 Capite l III.

li ch da gewesen s ei,wo j etzt das Tablinum endet

,wie Nissen

annimmt,ist das a llerunwahrsch einlich ste . Denn wenn die

j etzige Disposition der Räume hinter dem Atrium alt ist und

ein Ka lksteinpfeiler rechts am Tablinum spricht dafür s o

führte auch schon in alter Zeit der erwähnte Gang zu hinteren

Räumen . Die j etzige Rückwand d es Tablinum s liegt noch 0 .

westlich der Mitte der Insel .Zu Nissen’s Berechnung

,30 X c . 60 c . 1 750

,is t noch zu

bemerken,dass bei d ieser Methode

,wenn m an nämlich eine Ah

weichung von 5 0 D' als unwesentlich betrachtet

,aller denk

baren Zahlen den von Nissen S . 5 88 an eine runde Grösse osk .

Landmasses gestellten Anforderungen genügen,nämlich durch

2 50 theilbar sind.

Der Heerd,sagt Nissen

,scheint im Hofe gewesen zu sein .

Es braucht nach dem gesagten kaum noch bemerkt zu werden,

dass dies höchstens fur die Zeit nach der Abtrennung vom Peristyl gelten kann .

No . 2 8 : vr,2,1 2 .

No . 2 7 und 2 8 haben eine gemeinsame Front : Incertum aus

Lava mit Kalkmörtel,Thurpfeiler aus Tuff und Kalksteinquadern .

Auch in 2 8 findet sich keine Spur älteste r Construction . Die

von Nissen angenommene nachträgli che Erweiterung ist wenig

glaublich, da di e Seitenwände bis an

’s Ende gerade durch gehen .

Eine Berechnung des Flächeninhalts i st nicht versucht worden .

No . 2 9 : VI,2,1 1 .

Auch hier bestehen die Mauern aus Incertum,fur welches

in der Front Kalkstein,im Innern auch Lava verwandt i st ; der

schadhafte Zustand gestattet,bis in’s Innerste der Mauern den

Kalkmörtel zu consta tiren . Fachwerk findet sich nicht , wohl

aber Thürpfeiler , deren aufrecht stehende Steine sehr dünn sind ,ähnlich wie bei No . 1 9 (e . di Nettuno) .

Die j etzige Grösse ist nicht die alte : der j etzt zum ruckwa rts

anstossenden Hause gehörige Garten war einst mit diesem verbun

den . Die Seitenmauern gehen auch neben ihm gerade durch ; er

bewahrt die auch im Atrium erhaltene Decoration ersten Stils , und

Ka lksteinatricn . 77

die links des grossen Fensters vermauerte Thur ist noch deutlich zu erkennen .

Es folgt (südlich) , nach Nissen , Fachwerk M . : es ist

aber kein Fachwerk,sondern Incertum .

No . 30 : VII,6,7.

Das letzte der drei von Nissen S . 4 01 als besonders hewei

send für seine Ansicht über den Flächeninhalt der Ka lks teina trien

hervorgehobenen Beispiele . Doch verhält es sich mit diesemHause ganz anders .

Es ist von dem westli chen N ebenhause durch eine Quader

mauer getrennt ; diese aber ist auch das einzige , wa s mit einiger

Sicherhei t auf die Periode der Ka lkste ina trien zurückgeführt wer

d en kann : im übrigen finden wi r zwar Eckpfeiler aus Ka lkstein ,aber d a s Mauerwerk ist Incertum aus Kalkstein mit Kalkmörtel ;n i rgends Fachwerk

,oder Lehm als Bindemittel . Jene Mauer

aber beweist nur,dass in alter Zeit hier Gebäude standen

,ohne

irgend einen Schluss auf die damalige Form und Grösse der

selben zu gestatten .

Ferner berechtigt uns ni chts,mit Nissen die Ruckseite des

Tablinum s zum Ausgangspunkt der Messung zu nehmen . Dies ist

hinten offen,und man sieht hinter demselben

,in den noch un

ausgegrabenen Theilen,Mauern

,welche denen des Atriums ganz

gleichartig,also doch wohl auch gleichaltrig sind Auch die

Verbindung mit dem westlichen N ebenhause ist nicht j ünger als

die ganze uns vorliegende Gestalt des Atriums .Und ebenso unberechtigt i st Nissen’s Annahme

,dass die

Front einst weiter zurück gelegen habe . Der„Rest des alten

Thürpfo stens aus Kalkstein“

,den Nissen in der Ostwand des

Einganges wahrnimmt,ist eine Quader

,welche aber nicht auf

dem Boden steht,sondern Incertum unter sich ha t ; sie liegt 0 .

über dem Boden,i st in die Verzahnung des Ziegelpfeilers

hinein geschoben,und es unterliegt gar keinem Zweifel

,dass

man sie eben hier vermauert ha t,weil sie gerade vorhanden

war . Die Front liegt in gleicher Flucht mit der der anliegenden

Häuser,die Strasse hat gerade hier ihre vollkommenste Breite

,

und nichts ist unwahrscheinlicher,als dass sie j emals noch breiter

gewesen sein sollte .

78 Capi te l III .

Wir haben also hier nur ein weiteres Bei spiel dafur,dass

auch eine s o runde Zahl wie 2 500 D' dem Zufall

,d . h . auch

hier dem Irrthum,ihre Entstehung verdanken kann .

Für No . 3 1—39 hat Nissen keine Berechnung des Fla chen

inhalts versucht .

No .8 1 : VII, 7 , 2 1 .

Auch hier nichts,was mit Sicherhei t uber die Zeit der Peri

stylhäuser hinausführt : das Mauerwerk ist in der Front das

gleiche wie in der c a s a d i N e t t u n o (No . an den Thuren

der Zimmer rechts und links vom alten Eingang sind Kalkstein

pfeiler,wie in s o vi elen P eristylhäusem .

Richtig i st,dass zu dem von Nissen als b bezeichneten Hause

auch d a s westlich anstossende,früher gehört haben muss : s o

wohl das Zimmer westlich vom Atrium als auch der links da

neben liegende Gang waren einst dahin geöffnet .

No . 82 : VII,7,2 8 .

Die Thur und Eckpfeiler sind aus Kalkstein,die Mauern

aber sicher mit Kalkmörtel gemacht . In der Frontmauer,nörd

lich vom Eingang,sieht man 0 . vom Boden eine

c .

hohe Schicht gewöhnlichen Lava incertum s . Ein Pfeiler rechts

am Atrium ist aus ungleichen Ka lks teinblöcken aufgeschichtet ,aber in ganz anderer Weise als in den ältesten Häusern : grosse

und kleine Steine liegen unregelmässig bei einander,er bildet

den Abschluss einer Incertum smauer aus dem verschiedensten

Material . Das ganze ist ein Bau aus Trümmern . Darauf deutet

auch die nur auf einer Seite d es Durchganges zum Garten sich

find end e verstümmelte korinthische Säule .Die von Nissen hervorgehobene Gleichheit der Bemalung mit

No . 3 1 stammt a us später Zeit,da von alten Deco ra ti onen hier

wie dort kaum etwas erhalten ist . In der Südwestecke des

Atriums ist ein Rest eines gelben Sockels,vielleicht aus der Zeit

des ersten Deco ra tionsstils,welcher für den Sockel diese Farbe

liebte,erhalten .

No . 36 : V II,7,ro .

Die im Innern erhaltenen alten Theile reichen hin,um zu

consta tiren,dass di e Form des Atriums

,einschliesslich des Ta

Ka lkstein atrien . 79

blinum s,auf die Zeit der Ka lksteina trien zuruckgeh t. So ziem

lich die ganze Westseite i st alt ; das Tablinum ist gesichert durch

den linken Rückp ila s ter ; vermuth lich sind auch die beiden Vorder

pilaster alt . Ferner der östliche Theil der Rückwand des linken

Hinterzimmers : ma n sieht,dass dies früher eine Thür nach hinten

hatte . Zwischen dem La den No . 1 1 und dem ersten Zimmer links

vom Atrium,zwischen dem zweiten Zimmer ebenda und der Ala

ist deutliches Fachwerk .

Es steht nun unzweifelhaft fest,dass diese alten Theile

und sicher gerade die,in welchen d a s Fachwerk kenntlich ist mit

Kalkmörtel gemach t sind . Die Pfeiler um’s Atrium sind,s o weit

kenntli ch,nicht massiv

,wie im Hause des Chirurgen

,sondern

die Zwischenräume zwischen den Quadern sind mit kleineren

Steinen ausgefüllt . Dies kann man mit Sicherheit schon daraus

schliessen,dass die Quadern an den Thüren aufrecht stehen .

Die alten Reste im nördlichen Theil des Hauses reichen hin,

um festzustellen,dass es in der Zeit der Ka lksteina trien gegen

Nordwest denselben Winkel hatte wie j etzt . Die ganze West

wand bezeugt,dass der Vicus damals schon genau den j etzigen

Gang hatte .

No . 37 : VIII,3,4,c a s a d i E r c o l e e d A u g e .

Dies Haus entha lt weit weniger älteste B es tand theile alsNissen annimmt . Ganz alt sind nämlich nur die Qua d erresteder Ostmauer und die Zwischenmauer gegen den westlichen (nichtnö rdlichen) Laden ; letztere i st nicht massiv , sondern aus Fachwerk . Um irgendwie die Form des alten Atriums festzustellen

reichen naturlich diese Reste bei weitem nicht aus .Die Wand stucke am Atrium sind nicht massiv

,sondern be

stehen aus Quad erpfo sten an den Thüren , deren Zwischenräume

mit kleinen Steinen stellenweise ausschliesslich Lava aus

gefullt sind ; die letzteren sind sicher durch Kalkmörtel verbunden .

Die Quadern haben zwischen sich zum Theil recht starke Schichten

theils Kalk,theils Kalkmörtel . Besonders deutlich i st diese Con

struction auf der rechten Seite ; links sind etwas mehr Quadern

verwandt,doch auch hier findet sich die Füllung mit kleinen

Steinen und. zwischen den Quadern M örtelschichten bis zur Stärkevon fast 2 Centim etern . Sind also diese Wandstücke j ünger als

80 Capite l III.

die a ltesten B e stand the ile , so sind die Zwischenwände der Seitenzimmer

,wenigstens theilweise

,noch j ünger . Deutlich ist dies an

der linken Ala,wo am Fuss des Eckpfeilers ein Rest einer

älteren Zwischenmauer Incertum aus Lava und wenig Kalk

stein stehen geblieben is t. Es i st dies nicht etwa ein späterer

Zusatz ; denn ohne di esen Rest hätte der Pfeiler si ch nicht halten

können .

Irrig ist es endli ch , wenn Nissen aus einer wirkli ch und

zwei vermeintlich vermauerten Ziege lsa ulen folgert , „dass das

Atrium einmal ganz als Peristyl behandelt gewesen ist “ . Viel

mehr stammt die in der westlichen (nicht nördlichen) Wand d esTablinum s vermauerte Säule aus einer Zeit , wo das Haus kein

Tablinum,s ondern nur einen Durchgang zu dem um s o viel

grösseren Peristyl hatte . Die beiden Dreivierte lsaulen am Eingang

des Tablinum s sind überhaupt nicht vermauert,sondern gehören

der j üngsten Form des Hauses an und vertreten die Stelle der

an diesem Ort gewöhnlichen Eckpila ster . Unabhängig davon

sind die vier Ziegelsäulen des Atriums .

No . 38 : VII,3,4,c a s a d e l l a r e g i n a d ’

In g h i l t e r r a .

Ueber die in diesem Hause enthaltenen m erkwurd igen und

lehrreichen Reste alter C o ns tructionen konnte Nissen nicht in’

s

Klare kommen,weil ihm der hier verbaute alte monumentale

Brunnen entgangen ist. S . darüber oben S . 4 2 ff.

No . 40 : VII , 3 , 2 9 , d o m u s M . S p u r i M e s o r i s .

Das Alter dieses Hauses erhellt nach Nissen schon aus dem

Umstände,dass die Front nicht zur Stra ssenflucht stimmt

,viel

mehr um M . hinter das östlich anliegende Haus zurücktritt .Die Bemerkung i st richtig

,bedarf aber näherer P räcisirung , um

nicht missverstanden zu werden . Die Front liegt nämlich mit

der d es westlich anstossenden alten Hauses in gleicher Flucht,

und die der weiteren Häuser bis zur Westecke weicht nur nu

wesentlich ab . Dagegen springen die nach Osten hin folgenden

Häuser in den Vicus vor,bi lden dann bei No . 2 4 einen stumpfen

Winkel und weich en von da an wieder zurück,der Art

,dass

die Ecke gegen die Via Stabiana (O .) ziemlich in der Verlängerung

82 Capite l III .

m u n e s (Nissen die zweite ohne p a r i e t e s c o mm u n e s (Nissen

Die erste Front,No . 9

,gehört übrigens wohl nicht hierher :

weder Fa chwerk noch Lehm ist hier zu consta tiren,sondern

nur der namentlich in späten Mauern ha ufige schlechte gelblicheMörtel .

Im o s tlich en Theil der Frontmauer No . 10 Fachwerk mit

Lehm,habe ich d a s Vorhandensein von Kalkmörtel ganz im Inneren

der Mauer sicher consta tirt . Ihn von der B erappung herzuleiten

i st unmöglich,vielmehr muss er wohl den betreffenden Steinen

vor ihrer V erma uerung angehaftet haben : ob a ls Bindemittel oder

a ls Bewurf,d a s lässt sich nicht feststellen . Da wir aber von

Mauern m it Kalkmörtel als Bindemittel vor der Zei t der Kalk

s te ina trien nichts wissen,während Spuren a lteren Stuckbewurfs

auch sonst nicht fehlen,s o werden wir letztere Annahme wohl

auch hier vorziehen .

No . 4 3 : VII,1 0

,S ü d o s t e ck e .

Der Garten i st nach Nissen auf dem Boden eines 1 750 D'

messenden Ka lksteina trium s hergestellt worden . Die Möglichkeit

der Berechnung (gemacht nach dem Plan bei Fiorelli R e l a z i o n etav. VIII) beruht darauf, dass in der Westwand ein Stück Qua dermauer

,in der Nordwand „ ansehnliche Reste von Ka lks teinfa ch

werk “ erhalten sind .

Diese letzteren Reste aber sind kein Fachwerk,sondern

horiz ontal geschichtetes Ma uerwerk mit reichlich verwandtem

gra uen Kalkmörtel . Ferner ist in eben diesem Mauerwerk deut

lich eine später zugesetzte Thür zu erkennen : es war als o das

Haus hier nicht zu Ende,und die obige Berechnung ist mithin

i llusorisch .

No . 4 4 . 4 5 : VII,3,ro— 1 4 .

Bei Nissen’s Besprechung dieser Häuser muss ein Irrthum

un terge laufen sein . Er bezeichnet sie zuerst mit den Nummern

1 1— 1 4,rechnet nachher aber auch No . 1 0 hinzu und betrachtet

die Mauer zwischen 9 und 10 als Scheidemauer gegen das vor

angehende Ha us : da ss diese „o ffenba r a n alter Stelle und mit

Ka lks tem a trie rr. 83

altem Material aufgeführt “ sein soll,dafur liegt gar nichts vo r ;

es ist einfa ch eine j unge,in einen Ziege lpfe iler end igend e Bruch

steinmauer . Auch springt mit No . 10 die Front vo r . Hingegen

enthält die Mauer zwischen 10 und 1 1 Kalksteinquadern und

endigt in einen Ka lksteinpfeiler : offenbar ist obige Mauer mit

dieser verwechselt worden .

In der linken Mauer des Atriums No . 1 1 . 1 2 (Fa chwerk) is tlinks neben dem senkrechten Stein

,etwa in der Mitte des dort

sichtba ren Stücks,

vom Boden,ein ziegelförm iger Stein

sichtbar,welcher auf der j enem senkrechten Stein anliegenden

Seite mit Stuck bekleidet i st . Die unterste,

starke Schichtbesteht aus Sand stuck

,dann folgt eine feinere

,aber auch noch

mit Sand gemischte Schicht in der Stärke von Etwas

weiter links und etwas niedriger ist ein Loch in der Ma uer : m a nsieht hier

,dass noch verschiedene Stücke ganz ähnlichen Sand

stucks verbaut sind .

Die Breite von 1 1 . 1 2 i st reichlich die des

Einganges No . 1 1 i st fastEine Berechnung des Inhalts i st hier so wenig versucht

worden wie für No . 4 6 (VII , 3 , links neben No . wo nur ein

Stück Mauer erhalten ist .

No . 4 7 : I,4,2,s ü dw e s t l i c h e s E ck h a u s d e r I n s e l .

Front incl . Südmauer ne tto hintere Breite nettoMittelbreite Länge der Südseite incl . Westmauer

netto nördliche Länge netto mittlere Länge

Also Flächeninhalt 95 X 28 2 684 D'.

Es erweist a lso auch hier Nissen’s auf Grund d es Fiorelli

schen Planes gemachte Berechnung (2 75 0 D'

) sich als trügerisch .

Nissen hebt als besonders merkwürdiges Factum hervor,dass

hier der Heerd „seine a lterthüm liche Stellung neben dem Im

pluvium bewahrt ha t “ . Ind ess dürfte Fiorelli ihn doch mit

Recht mit der Taberne No . 3 in Verbindung gebracht haben .

Wie erklärt sich sonst sein ganz seltsamer Platz,c . von

der linken Vorderecke d es Impluviums entfernt ? Nissen meint :

„vermuth lich weil sich hier auch der Brunnen befand“

. Dieser

ist aber eben an dieser Stelle nicht vorhanden,sondern findet

sich h inten am Peristyl . Sollte da gegen der Heerd für j ene6

"

84 Cap i te l III.

Taberne dienen,s o lag er sehr bequem . Ferner ist seine Form

durchaus nicht die sonst übli che . Er ist,wie auch Nissen angiebt ,

„oben hufeisenförmig ausgehöhlt “

,d . h . er enthält nur e i n e Vor

richtung,um e i n e n grossen Kessel auf s Feuer zu stellen : genau

die Form,wie sie in Therm op o lien üblich ist . Meist bildet eine

ähnliche Vorri chtung das Ende des Ladentisches (I , 2 , 1 . 5 ; 3 , 2 ;

IX,3,

alleinstehend finden wir einen solchen Heerd z . B .

Reg . VI,ins . o ccid . No . 1 9 . Wenn „ eine Küche im Plan dieses

Hauses fehlt “,so kann dies sehr wohl auf spätere Umgestaltungen

zurückgehen . Möglicherweise diente in der letzten Zeit das

ganze Erdgeschoss als Caup ona , und hatte sich die Familie d esBesi tzers samm t ihrer Küche in den Oberstock zurückgezogen .

No . IX,8,4 . 5 .

Eine Berechnung des Flächeninhalts war unmögli ch,weil

nur die Faca d en si chtbar , im übrigen die Insel nich t ausgegraben

war. Sie ist j etzt zum gro ssten Theil freigelegt worden ; die

ursprungliche Tiefe der Häuser lässt si ch aber nich t feststellen .

No . 50 : IX,8,2 1 .

Von Nissen ohne Ho rtus auf 1000 D'

(2 4 X 4 2 ) berechnet.Die N ett o länge ergab sich mir als 4 3 ' 2 5 in

der Front weicht meine Messung brutto) nur unbedeutend

ab : 4 3 x 2 4 1032 D’. Mit dem Ho rtus

,der doch wohl ohne

Zweifel dazu gehörte,beträgt die Länge netto

Also 2 4 x 1 4 5 2 D'. Dabei i st vorausgesetzt

,da ss die

Breite überall der Front gleich war. Da wir dies aber nicht

wissen,so fehlt eigentlich der Berechnung die Grundlage .

No . 5 1 (IX ,3) ist nur ein Stück Mauer erhalten . Für 5 2 . 5 3

(IX ,1,2 9) giebt Nissen nur eine approximative Schätzung . No . 5 4

gehört einer nicht ausgegrabenen Insel an .

No . 5 5 : I,8,2 5 .

Nissen nimmt,frei lich zweifelnd

,an

,dass das Haus ursprung

lich keinen Ho rtus besessen , und berechnet unter dieser Voraus

setzung den Flächeninhalt desselben a uf 2 2 50 D'. Jene Voraus

setzung ist aber falsch . Das Haus hatte von Alters her ein

Tablinum und einen Gang rechts daneben . Letzterer ist erst

Ka lks te i na trien . 85

s pa ter vermauert und in einen Schrank verwandelt wo rden

man sieht vorn deutlich die vor der V ermauerung gemachte

Stuckbekle idung . Es waren also sicher hintere Räume,und

zwar nach a ller Ana logie ein Ho rtus vorhanden . Ob dieser stets

die j etzige Ausdehnung hatte,i st freilich fraglich : aus der von

Nissen erwähnten vermauerten Thür in der j ungen Westwand

kann für ältere Zeiten gar nich ts geschlossen werden .

No . 5 6 : IX,3,2 5

,D o m u s L . O l o d i

Nissen’s Masse weichen hier von den meinigen wenig ab

Front netto 2 2 ' Tiefe brutto netto

(Nissen 2 3 X Jedoch sind im hinteren Theil des Hauses

weder die Seitenwände noch die Rückwand alt . Jene stehen,

wie Nissen selbst angiebt, nicht auf ihrem alten Platz ; dass diesin Betreff der Ruckmauer der Fall i st

,dafür haben wir nicht

die mindeste Sicherheit. Und was die Breite betrifft,s o hat es

ganz den Anschein,dass auf der Ostseite die Ecke kurz vor

dem Ende des Atriums ursprünglich oder doch sehr a lt i s t,dass

also schon früh hier das Areal sich nach Osten erweiterte . Der

Anfang des zurücktretenden The ils der Mauer , bis etwa der

Rückmauer des Atriums gegenüber,ist j edenfalls alt und endet

mit einem ma ssiven Ka lkste inpfeiler , an den später die südliche

Fortsetzung Ince rtum angelehnt is t. Es wird also gera then

sein,auf j ede Berechnung des ursprünglichen Flächeninhalts zu

verz i chten .

Das Haus bietet mehrfache Beispiele von Resten a lteren

Stucks,die auf den Steinen des Fachwerkbaues erhalten sind .

Der westliche Pfosten der Ha usthur hat auf der Westseite Stuck ;etwas weiter nach Westen folgt eine grosse Quader mi t Stuck

auf der Ostseite . Man könnte vermuthen,dass es sich hier um

eine vermauerte Thür oder Fenster handle ; doch ist dies offenbar

nicht der Fa ll : beide Stuckbekleidungen sind verschieden und

nicht bestimmt einander zu entswechen . Auf dem westlichen

Stein liegt zuna chst grober grauer Stuck von ganz ungleicher

Dicke,letzteres wegen der Unebenheiten des Steins

,dann eine

1) Zu N o . 5 6—58 i st zu bemerken

,dass d ie Num erir ung d er Inse l IX,

3 bei

F iore l l i R e l a z i o n e tav . XI n i cht d re j etz t o ffi cie lle is t , we l che am No rdended erWestse i te beginn t . F io re llr’ s Z a hlen s ind richtrg, wenn zu j ede r 10 add irt wrrd .

Cap rte l III .

gleichmässig dicke Schicht (6— 7 die we isslich punctirt

aussieht,weniger M e ersand

,aber

,wie es scheint

,keinen Marmor

enthält ; östli ch hingegen liegt auf d em gleichen grauen Stuck

nur eine dünne Sch icht Ziegelstuck , die wohl nicht weiter bedeckt

werden sollte . Sollte aber dennoch hier eine Oefi'

nung vermauert

sein,s o würde dadurch wenig geändert ; denn das zwischen den

beiden Steinen liegende Mauerwerk is t das vollkommenste Fach

werk mit Lehm,welches also hier in j edem Falle j ünger ist als

die Stuckbekleidung . Ferner hat der westliche Eckstein des

östli ch anstossenden Hauses auf seiner Westseite Reste ziemlich

feinen weissen Stucks,welche auf das deutlichste vom Lehm

des Fachwerks bedeckt werden . Ein weiterer stuckbekleid eter

Stein,der einst eine Ecke an einer Thür oder einem Fenster

gebildet haben muss,ist im o s tlich en Theil der Frontmauer

,

zwischen Thür und Fenster,näher diesem

,vermauert und von

aussen sichtbar.

No . 5 7 : IX,3,2 4

,N o rd l . Theil der c a s a d i L u c r e z i o .

Wenn Nissen a usrechnet,dass das Haus bis incl . Tablinum

1 2 5 0 D' ha lt s o ist diese Berechnung ganz we rthlo s .

Denn entweder ist die j etzige Dispositi on der Räume hinter dem

Atrium ursprünglich das Tablinum mehr nach rechts,nur

links ein Zimmer,rechts ein Gang und dann war auch von

Anfang an ein Ho rtus oder hintere Raume vorhanden,zu denen

j ener Gang führte . Die Ausdehnung derselben zu bestimmen

ist unmöglich ; wenn Nissen s ie auf 2 5 0 D ' ansetz t,s o i st d a s

ganz willkürlich . Oder diese Disp ositi on ist nicht ursprunglich ,und dann fehlt uns wiederum j eder Anhalt

,um die ursprüngliche

Tiefe des Hauses zu bestimmen .

No . 5 8 : IX,8,2 8 .

Von einem Ka lkste ina trium im Sinne Nissen’s ist hier keine

Spur . Dass das Material einem solchen entnommen ist,i st mög

lich,aber nicht beweisbar . Dass die Ausdehnung des Hauses

der eines alten Ka lksteina trium s entspricht,dafür is t die Wahr

s cheinlichke it hier nicht grö sser als bei unzähligen anderen pom

pej anischen Häusern .

No . 5 9 sind unbe stirn nrtc Reste .

Ka lks te ina trien . 87

No . 60 : I,5,1 .

Hier giebt Nissen ’s Inlra ltsberechnung das interessante Resulta t

,dass

,um ein rundes Flächenmass anzuweisen

,über die

Fläche der Insel hinausgegriffen und ein Stück der Strasse zu

Hülfe genommen wurde . Doch i st auch hier die Berechnung

illusorisch,da es vollkommen feststeht

,dass das Haus auf seinen

gegenwärtigen Umfang erst durch nachträgliche Veränderungen

reducirt, vielmehr von einem grösseren C omp leX abgetrennt wor

den ist . Eine Thur, die aus dem Hinterzimmer na ch Osten führte ,is t erst vermauert worden , nachdem ihr südlicher

,noch voll

kommen kenntlicher Pfosten sch on mit Stuck bekleidet wa r .

Auch die Südmauer desselben Zimmers scheint durchbrochen

gewesen zu sein : der südöstliche Eckpfeiler zeigt in einem Balken

loch auf der Sud seite der Mauer Reste von Stuck auf seiner

j etzt verm auerten Westseite . Doch ist dies weniger sicher .

Sodann ist im vorderen Theil die Ostmauer j ung,j ünger als die

Stuckbekleidung der Nordmauer , wie oben deutlich zu sehen .

Die Frontmauer setzt sich denn auch ohne Unterschied vor dem

östlichen N ebenhause fort, unten massiv , zwei Schichten ausser

der Grundschicht,oben vortreffliches Fa chwerk . Auf eine Strecke

kann man sie im Zimmer rechts vom Eingang No . 2 verfolgen ;dann ist sie von innen durch die nachträgliche Verstärkung der

Mauer,von aussen durch den Stuck verdeckt . Jenseits der Thür

kommt sie wieder zum Vorschein,wenig kenntlich

,doch ist der

ö stliche Abschluss, (reichlich von der Westecke

,voll

kommen deutlich . Es können also sehr wohl 2 Facad en gewesen

sein,deren Grenze j edoch nicht bestimmbar ist. Die Seiten

(West-)mauer ist neben dem Hinterzimmer nicht Fachwerk , s on

dern spa teres Incertum ; doch ging die alte Mauer, wie man am

Boden sieht,einst weiter a ls j etzt

,ohne dass ein Abschluss wahr

nehmba r wäre . Für die Tiefe des alten Hauses ergiebt sich kein

Indicium,es kann mithin von einer Berechnung des Flächen

inhalts nicht die Rede sein .

Von dem eigenthüm lichen Vorbau dieses Hauses ist der o s t

liche Theil älter als der westliche . Von j enem ist der vorderePfeiler massiv a us Tufi

'

qua d e rn , welche a uch in die Ostmauer

Ince rtum aus Kalkstein übergreifen . Der westliche Theil

88 Cap ite l III .

steh t auf einem Fundament,welches a n da s Haus und seine

Fundamente offenbar nachträglich angesetzt w e rd en i st. Der

vordere Pfeiler hat nur e i n e Quader (Tuff) , dann ziegelfö rm igen

Tuff ; in der Westmauer (Ince rtum ,unten Lava

,oben Kalkstein)

sind vielfach stuckbekleid e te Steine verwandt we rd en . Hier also

muss einmal eine Veränderung vorgegangen sein .

Noch is t zu beachten eine Ka lksteinqua d er , welche am

westlichen Fuss des ö stlichen Pfeilers nur wenig über den Boden

ragt . Sie nähert si ch,schief gegen die Front liegend , der West

ecke des Hauses und liegt ziemlich in gleicher Flucht mit den

Häusern der westli ch anstossenden Insel I,1 . Bedenkt man

nun,dass hier die Strasse

,namentlich das Trottoir

,si ch in ganz

unerhörter Weise verbreitert,s o liegt es nahe , in dieser Quader

einen Rest einer früheren,weiter vorspringenden Hausfront zu

erkennen .

Nach diesem gänzlich negativen Resultat dürfen wir wohl

da ra uf verzichten,auch die seit 1 873 ausgegrabenen Reste von

Ka lks te ina trien a uf den Flächeninhalt zu untersuchen . Zwei in

dem schon früher a us g egrabenen Theil vorhandene,von Nissen

übersehene derartige Reste mögen hier kurz erwähnt werden .

I,3,20 besteht d a s erste Stück der rechten Mauer des Flurs

a us Ka lksteinfa chwerk mit Lehm . In demselben ist eine Quader

der schlechten,brö ckeligen Lava des Stadthügels

,von vi oletter

Fa rbe,verbaut

,welche auf ihrer Südseite (die Mauer geht von

Nord na ch Süd) eine ältere S tuckbekle idung bewahrt hat.

I,4,Südsei te : In die Südmauer des sud lichen P eris tyls der

c a s a d e l c i t a r i s t a i st die Front eines Ka lks te ina trium s ver

baut w orden . Westliche s Stück,wenigstens 3 Schich ten

,wegen

des Putzes wenig sichtbar : 1 3 ' Thür

vom östlichen Stück is t nur ein Stein in der zweiten

Schicht über der Grundschicht sichtbar . Sichtbare Höhe

In dieser Ho he is t ein Schlitzfenster mit feinem weissen

Stuck .

Aus den bei dieser Durchsicht der Ka lksteina trien nebenher

gemachten Beoba chtungen erg eben si ch uns einige Resultate , die

es wohl der Mühe werth is t,hier kurz zusammen zu fassen .

90 Capite l II I .

Fallen die Form des Tisches deutlich an j enen Ursprung eri nnere,

so muss dem wid erspre chen werd en . Von den beiden Heerd enis t keiner alt ; keiner von beiden steht da , wo Nissen mit grosser

Wahrscheinlichkeit seinen ursprünglichen Platz findet : auf der

Rückseite des Impluviums ; in Betreff des einen , der ganz beson

ders j ung ist,steht nicht ganz fest

,dass er überhaupt ein Heerd

ist ; der ganz eigenthüm liche Platz und auch die Form des anderen

erklären sich dadurch,dass er einem Therm 0p o lium diente .

Ein weiteres Beispiel eines Hee rd e s im Atrium ist seitdem ge

funden we rd en : VI,1 4

,37

,s . B u l l . d . I n s t . 1 878

,S . 1 87. Er

ha t auch hier die den Therm o p o lien e igenthüm liche Form ,und.

es is t gar nicht unwahrscheinlich,dass wir in dem ganzen Hause

,

welches b e i geringem Umfang zwei grosse Speisezimmer enthält

(s . den Grundriss a . a . O . S . eine Caup o na zu erkennen haben .

Von dem vermeintlich aus dem Heerd entstandenen Tische der

c a s a d e g l i s c i e n z i a t i (No . 5 ) war oben ausführlich die Rede .Nissen citirt S . 64 1 noch die c a s a d e l n a v i g l i o (No . von

dem Tische derselben heist es S . 4 1 6 :„Der Untersatz resp .

im Umfang,hat hinten eine Oeffnung hoch

,brei t.

Es sieht wie eine Feuerstelle aus,dient aber vielmehr als Ueber

d a chung des Brunnens“

. Letzteres ist richtig : um die eben hier

befindliche Oeffnung der Cisterne zugänglich zu machen , ist der

Tischfuss von hinten ausgehöhlt we rd en,und damit ist diese

Aushöhlung vollständig erklärt . Dass s ie aber einer Feuerstelle

gleicht,muss bestritten werd en

,vielmehr i st sie dafur ganz un

geeignet : die Alten zündeten ihr Küchenfeuer auf,nich t unter

dem Heerd an

3 .„In Pompej i war bereits der griechische Tempel mit

einem S tucküberzug verseh en, ob ursp runglich oder nachträglich ,wissen wir nicht . Die umfassendere Anwendung desselben ist

j edoch a usserst langsam von statten gegangen . Die Quad erwänd eaus Kalkstein haben keinerlei Bewurf erhalten

,wie sie auch

nicht darauf berechnet sind . Eher möchte man solches von den

Fa chwe rkswänd en voraussetzen : ein g r e g a l e t e c t o r i um ,wie

Seneca a. a . O . 1 0 von den a lterthüm lichen Badestuben angiebt.

Mir i st kein Fall aufgestossen,wo unter dem späteren Bewurf

Spuren eines älteren sich gezeigt hätten : doch würd e di eser

Ka lksterna trren . 9 1

Gesichtspunkt eine schärfere P rufung verdienen “

. (Nissen

S .

Dagegen ist verschiedenes zu bemerken . Zuna chst kann

nicht füglich bezweifelt werd en,dass der dorische Tempel von

Anfang an seinen Stucküberzug hatte , so gut wie die Tempel

von Paestum,Selinunt und Girgenti : die Bea rbeitung der Säulen

reste ist der Art,dass sie einen Stucküberzug auf das dringendste

verlangt ; nie konnte endlich die aus ganz verschiedenen Steinen

bestehende C ellamauer unverkleidet bleiben . Die Stuckreste der

Säulen unterscheiden sich von allen Stucka rbeiten römischer Zeit

dadurch,dass der M arm o rstuck ohne Unterlage von Sand stuck

a uf dem Stein liegt,von denen der späto skischen Zeit durch

die unvergleichlich grössere Sta rke und Festigkeit im Ver

gleich z . B . mit dem Stuckuberzug der Tuffsäulen im ersten

Peristyl der c a s a d e l F a u n o oder der Thüren der Stabiane r

Thermen .

Dass ferner die Fa cad en aus Kalksteinquadern ursprünglich

ohne Bewurf waren,dass die durchweg erhaltenen Reste eines

solchen aus späterer Zeit stammen,i st möglich

,aber une rwe is

lich : nirgends sind unter denselben alte o skische Inschriften zu

Tage gekomm en . Man kann ind es s dafür anführen,dass die

fast durchgängige Beschränkung d es Quad erbaue s auf die Strassenwände

,während innerhalb der Häuser und zwischen denselben

da s Fachwerk vorherrscht , s o am leichtesten ihre Erklärung

findet . Dass aber die Fa chwerkwänd e ihren Stucküberzug hatten ,darf wohl als sicher gelten . Dass man schon in sehr früher Zeit

die Wände mit Stuck bedeckte , ist bekannt, und es i st kaum n o thig ,

Solon’s Verbot,die Gräber zu tünchen

,dafür anzuführen . Da ss

in Pompej i dieser Gebrauch schon vor der Zeit der Kalkstein

atrien verbreitet war , beweisen die nicht seltenen Fa lle , wo im

Ka lksteinfa chwerk Steine verwandt sind , die schon älteren Bauten

angehört und den dort erhaltenen Stucküberzug bewahrt haben :

wir beobachteten solche B e ste in No . 1,2,4 2

,4 5

,5 6 d es Nissen

schen Verzeichnisses und weiter in I, 3 , 20. Es ist ferner klar

,

dass die Fa chwerkmauern mit Lehm des Stuckübe rzuge s ga r

sehr bedurften ; denn der Lehm konnte wohl die Zwischenräume

zwischen den Steinen a usfüllen,hatte aber a ls eigentliches Binde

mittel geringen Werth ; d a s unvermeidliche Abbrö ckeln desselben

Cap rtel III .

musste sich in unbehaglichster Weise bemerklich machen . Dass

also eine Zeit,welche Mühe und Kosten nicht scheute

,um die

gewaltigen Qua d erfaca d en herzustellen , welche sich auf die B ere itung d es Stucks sehr wohl verstand , dass di ese Zeit auf den

für die Festigkeit sowohl als für die Schönheit und Behaglich

keit der Wohnungen s o wichtigen Stucküberzug verz ichtet haben

sollte,i st doch allzu unwahrscheinlich .

94 Capite l IV

schichte der ganzen Anlage beruht,sind fo lgende : 1 . der Tempel

selbst ; 2 . die ihn umgebende Porticus ; 3 . die Südmauer mit dem

Haupteingang ; 4 . die 1 0 breiten Pfeiler von ungleicher Dicke,

welche auf der Ostseite den Tempelhof vom Forum trennen und

die Verschiedenheit der Orientirung ausgleichen ; 5 . die Mauern,

welche die Zwischenräume dieser Pfeiler ausfüllen .

Nissen’s Darstellung beginnt mit dem Sa tze,dass der Venus

tem pel zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehöre . Als Beweise

für ein hohes Alter werden angeführt :

1 . Die nur aus sa cra len Vorschriften erkla rliche Abweichung

der Orientirung von der des Forums .

2 . Gewisse Reste a lterthüm lich er Constructi on .

3 . Die Masse,welche sich auf einfa che Summen o skischer

Fusse reduciren lassen .

4 . Ein weiterer ind irecter Beweis ergiebt sich aus den oben

unter 4 erwähnten Pfeilern,welche doch ni ch t wohl älter al s

der Tempel selbst sein konnen,nach Bauart und Massen aber

in die o skisch e Zeit fa llen .

Von diesen Beweisen dürfen 1 . 3 und 4 bei Sei te gelassen

werden . Die Orientirung der Tempel nach sa cra len Vorschriften

nimmt doch Nissen ni cht blo s für die älteste Zeit in Anspruch ,und d a s o skische Mass blieb nach seiner höchst glaublichen An

nahme bis zur Zeit der römischen Colonie im Gebrauch . Was

die Reste a lterthüm licher Construction betrifft , so sagt Ni ssen

darüber Folgendes :„Von a lterer Construction war früher an dem

„Tempel wenig noch mit Sicherhei t zu erkennen ; durch die j üngste

Restaurati on i st auch dieses verschwunden . Zunächst besteht

„am Tempel unten eine B lo ckschicht der Fundamente aus Kalk

„stein ; ebenso werd en die vier Ecken der Cella und die Pfosten

„der Thür aus Sarno quad ern gebildet ( links ein Block von M .

Höhe) . Die Eckqua d ern haben gegliederte Basen von Tuff,„deren Arbeit nicht eben auf hohes Alter hinweist Wa hrschein

„li ch gehören bereits diese nicht mehr dem ursprunglichen Bau

„an . Da s gleich e gilt Von dem Ablauf des Podiums aus Tuff

N un sind sicher die Eckquad ern aus Kalkstein kein Beweis be

sonders hohen Alters : sie finden sich regelmässig an den Atrien

der grossen regelmässigen Häuser aus der von Nissen so ge

nannten Tuffp erio d e . Ferner erkennt Nissen an,dass die ge

De r V enus temp e l . 9 5

gliederten Tuffba sen derselben nicht eben auf ho hes Alter hin

weisen : sie weisen auf eben j ene Tuffp erio d e , welche na ch denInschriften der Tufffaea d en no ch in o skische Zeit fällt

,den Arr

fängen Pompej i ’s a ber fern steht und wesentlich j ünger ist al s

die ältesten Ka lkste inhäuser . Wenn nun diese Basen„wahr

scheinlich bereits nicht mehr dem ursprung lichen Bau angehören“

,

s o werd en wir nicht umhin können , dieselbe Wa hrscheinlichkei t

auch auf eben j ene Eckqua d ern auszudehnen , welche s o gla tt

und fest auf den Tuffba sen stehen,dass a n ein späteres Unter

legen der letzteren absolut nicht gedacht werden kann . Und wenn

nun dasselbe von dem Tuffablauf des Podiums gelten soll,dessen

nachträgliche Einfügung in den Unterbau des Tempels schwer

denkbar is t,s o dürfen wir wohl fragen

,was denn unter dem

„ur

sprünglichen B au“ zu verstehen ist : j edenfalls ein früherer Tempel

,

von dem wir s o wenig wissen,als etwa von dem

„Qua derbau “

,

welcher (nach S . 32 0. 32 1 ) einst an der Stelle d es Jupitertempelsgestanden haben soll ; denn eine B lo ckschicht aus Kalkstein in

den Fundamenten kann doch als chronologisches Kriterium nichtverwerthe t werd en . Uebrigens habe ich in der untersten e rkenn

baren Schich t d e s Unterbaues,welche stellenweise (an 2 Stellen

der Ostseite und einer der Westseite) von Stuckbekleidung frei

geblieben i st,nur Tufi°blöcke erkannt ; doch ist hier nur ein sehr

geringer Einblick möglich . Das Mauerwerk der Cella ist kein

Quaderbau,sondern o p u s i n c e r tu m

,zu dem freili ch auch ziem

lich grosse Blöcke verwendet zu sein scheinen ; von aussen istdann die Mauer mit scherbenförm ig zerschlagenem Tuff belegt ,der mit einem gelben Mörtel befestigt is t ; doch kann dies au sspa terer Zeit stammen .

Aus den Massen 1

) ergiebt sich , dass einige Distanzen sichauf einfache Grössen o skischen Fusses reduciren lassen : Länge

1) Die Abwe i chungen me iner Messun gen vo n denen Nis sen ’

s s ind unwesen tl i ch und beruh en the i ls au f vers chiedener Taxirung d er Stu ckb ekleidung , the i lsdarau f, da ss d er Un terbau ke in gan z rege lmäss ige s Rechteck b ilde t , sondern d ie

We stse i te e twa s länger ist . D o ch durfte d ie Mau erd i cke (na ch N .

schwer zu be stimmen und N .

s Ann ahm e kaum r i chtig s e in . Die ha lbe Di fferenz

betragt c . do ch kann d ie Stuckdecke n i ch t wo hl auf wen iger als ge

schätz t werden .

96 Capitel IV .

d es Unterbaues Breite der Umgänge an den LangseitenThürweite Auf weniger einfache Zahlen möchte ich kein

Gewicht legen : wir haben gesehen und werden weiterhin sehen,

wie leicht dabei der Zufall sein Spiel treibt .Ausser den Massen kann noch Folgendes uber das Alter

d es Tempels gesagt werden .

Im Inneren des Tempel s sind unter der spaten Stuckver

kleidung Reste einer älteren Decorati on,in der Art

,wie sie die

Basilica hat,sichtbar : das diesem Stil eigenthüm liche Gesims

mit Zahnschnitt ist am hinteren Ende der linken Wand deutlich

erhalten,und an dem grössten Theil derselben Wand erscheint

etwa in derselben Höhe der feine weisse Stuck j ener Decoration

unter dem gelblichen späteren . Und Reste desselben Stils finden

sich an der Südostecke der Einfassung des Temp e lh ofes , welche

selbstverständlich nicht älter sein kann als der Tempel selbst,

an der Aussenseite gegen Suden . Also zur Zeit dieser Decora tio nsa rt

,in welcher die Basi lica um

s Jahr 78 v . Chr . (C . J . L .

IV,1 84 2 ) schon d e co rirt war , bestand der V enustemp el . Da

mit stimmen die oben erwähnten auf die Tuffp erio d e deutenden

Glieder ; denn diese fällt h öchst wahrscheinlich mit der Zeit j ener

ersten De co ra tionsa rt zusammen . Und eben dieser Tuffp erio de ,und zwar der B lütheze it derselben

,gehören in evid entester Weise

die Pfosten des Haupteinganges und die Südostecke der Um

fa ssungsmauer an , ferner die Porticus und die Säulen des Tem

pels : auch diese Thei le sind natürlich nicht älter (nach Nissen

vielmehr j unger) als der Tempel selbst .

Ferner trägt die an der zweiten Saule (von W.) der S udporticus stehende Sta tuenba sis die doch auch nicht wohl älter

sein kann a ls der Tempel,sei es auch in einer früheren Gestalt

eine meines Wissens noch nicht bemerkte o skische Inschrift ; siei st in den groben Stuck

,welcher die Grundlage einer feineren

Lage bilden sollte,mit einem stumpfen Instrument eingeritzt

,a ls

er noch nass war,und lautet

H IWIVW N

gegen das Ende wird sie unleserlich Auch diese Inschrifta ber führt uns nicht weiter hinauf

,a ls die Decorati on und die

98 Cap i te l IV .

auf Pilastern (richtiger Pfeilern) und Saulen ha tten aufliegen

müssen “

(S . Mithin i st die gegenwärtige Porticus,da sie

die F üllmauern voraussetzt,junger als 10 v . Chr . Da V itruv I ,

2,6 die Verbindung ionischer Säulen mit dorischem Gebälk

,wie

sie hier vorliegt,missbilligt

,so kann die Erbauung der gegen

wärtigen Porticus etwa in seine Zeit gesetzt und mit der Ver

bauung der Lumina in Verbindung gebracht werden (S . 2 2 7.

4 . Die Pfeiler hingegen werd en durch Bauart (Kalksteinquadern) und Masse der o skischen Zeit zugewiesen (S . 2 1 8 . 2 20.

Nur die beiden ersten (von S .) verra then durch ihre demj etzigen Eingang ähnliche Constructi on aus Tuff einen späteren

Ursprung (S . 2 2 4 . S . 2 1 8 heisst es,dass di e Pfeiler 1 . 3 . 5

nach aussen Tufi°blöcke von der gewöhnlichen sorgfältigen Bear

beitung , wie sie an den Privathäusern vorkommt,zeigen) .

5 . Ein scheinbarer Widerspruch (mit 3) ergiebt sich aus

der Ded ica tionsinschrift des grossen Altars vor dem Tempel,

wel che als vermuth lich der Zeit 80—60 v . Chr . angehörig nach

gewiesen wird. Denn die Setzung des Altars war nicht möglich

ohne eine neue Limitation der Area (des o fi°enen Raumes inner

halb der Porti cus) , und dies muss di e noch j etzt vorliegende

(nach den Massen römische) sein , da bei einer späteren Limitati onein neuer Altar hätte geweiht und der alte exaugurirt werden

müssen . Da nun die Area durch die P o rtiken lim itirt wird,s o

müssen auch diese 80— 60 v . Chr . angelegt werd en sein . Hierzu

passt vo rtrefi‘

lich die bei dem jetzigen Eingänge (nach 1 ) abnormeungerade Säulenzah l der Schmalseiten ; denn (nach 1 und 2 ) war

j a damals der Eingang noch nicht von Süden,sondern östlich

durch die Lumina vom Forum her (S . 2 2 6. Nun aber ist

(nach 3) die Porticus j ünger als 10 v . Chr.

6 . Dieser scheinbare Widerspruch wird aber gehoben durch

eine weitere Beobachtung . Es sind nämlich auf dem Stylobat

Spuren einer älteren Säulenstellung vorhanden . Diese Spurensind rund

,deuten also auf Säulen ‘

o hn e Basis,d . h . dori sche

,

entsprechend dem j etzigen Gebälk : es ging also der j etzigen,

p seud o ionischen Saulenste llung welche nach 1 0 v . Chr. erbaut

sein mag eine ältere,dorische vorher

,welche das muss

m an hinzudenken s o d isp o nirt war , dass die Sanlen denPfeilern entspra chen

,der Art

,d a ss die Dachbalken auf Pfei lern

Der V enu stempe l . 99

und Säulen aufliegen konnten . Zu dieser a lteren P o rticus stimmtder alte und einfa che Stylo ba t

,und auf ihr Dach bezieht sich

das u s q u e a d t e g u l a s der von Schliessung der Lumina han

d e lnd en Inschrift .Es ergeben sich al so 4 Peri oden der Geschichte des TempelsI . o skische Zeit : Bau des Tempels und der Pfeiler am Forum

II. 0 . 80— 60 v . Chr . Dedication des grossen Altars ; Limi

tatien der Area und Errichtung von Einfa ssungsnrauernund P o rtiken in dorischem Stil ;

III . 1 0 v . Chr . V ermauerung der Lumina. Neuer Eingang vonder S t r a d a d e l l a Ma r i n a (da von unzertrennli ch die

Herstellung der Südmauer) . Umwandlung der P o rtikenaus dorischem in p seud o ionischen Stil ;

IV. Restaura tion seit 63 n . Chr .

Es scheint ausserdem (nach dass Nissen eine Erneuerung eines

Theils der Pfei ler in der dritten Bauperiode annimmt .

Offenbar liegt der Schlussel zur Geschichte der ganzen An

lage in der richtigen Würdigung der durch Füllmauern verbun

denen P feilerre ihe am Forum und ihres Verhältnisses zu den

übrigen Theilen .

Es ist nun ohne weiteres zuzugeben,dass die Zwischen

ra ume der Pfeiler einst offen waren : die darauf bezüglichen

Beobachtungen sind durchaus richtig,und e s wird daher a uch an

der Deutung der Inschrift nicht gezweifelt werd en können . ImUebrigen aber kann die Nissen - Sch öne

sche Behandlung dieser

Theile nicht aufrecht gehalten werd en .

Dass die Pfeiler neben dem Tempel den a ltesten Theil derganzen Anlage bilden

,wird aus der C onstructio n sa rt und aus

den Massen derselben geschlossen .

Von der Construction wi rd gesagt (S . dass sie„ziemlich

„hoch hinaufreicht . An dem 5—9 . (richtiger von der B a

„ silica aus gerechnet , sind auf der Innenseite deutlich die Kalk

steinquadern zu erkennen,aus denen sie a ufgebaut sind ; 1— 3 .

„5 zeigen nach aussen Tufi blöcke von der gewöhnlichen sorg

„fältigen Bearbeitung , wie sie an den Privathäusern vorkommt ,

„und an ihnen sind vereinzelt a lter thüm lich e aufgemalte Inschrif

„ ten erhalten“

.

100 Capite l IV .

Hier e rg iebt aber eine genauere Betrachtung andere Resul

tate . Die Pfeiler zeigen na ch 3 Seiten (N .

,W .

,S .) Kalkstein

quadern,nur gegen das Forum liegt das zur Ausfüllung verwandte

o p u s in c e r t um (vorwiegend auch Kalkstein) bloss , s ofern esnicht durch die auch über die V o rd erfiäche der Pfei ler sich er

streckende späte Füllmauer verd eckt wird : sollte dies die

ursprüngli che Form sein ? Ferner hat j enes o p u s in c e r tumgegen das Forum hin eine senkrechte und gleichmässige Ober

fläche,die gleichwohl keine Spuren der Maurerkelle zeigt

,wie

dies wohl sonst der Fall i st,eine Oberfläche vielmehr

,wie sie

nur dann entstehen kann,wenn das betreffende Mauerwerk nicht

frei hingestellt,sondern an eine schon bestehende Fläche ange

lehnt wird . Und alsbald zeigt si ch auch,welcher Art diese

Fläche war : nicht nur 1— 3 und 5,sondern j eder dieser Pfei ler

hatte gegen das Forum eine Facade aus Tuffqua dern . Nur am

4 . Pfeiler ist sie nicht sichtbar, s onst kommt sie überall mit vo ll

k omm ener Deutli chkeit unten am Boden hier stets aus drei

Blöcken bestehend zum Vorschein . Die ersten Pfeiler sind

wegen ihrer geringen Dicke gleich ganz aus Tuff aufgesetzt ;4 ist ganz modern aufgemauert

,1 0 hohl und auf das Forum

geöffnet : bei den_

übrigen die oben beschriebene Construction .

Mithin ist kein Grund vorhanden,die ersten Pfeiler zei tlich

von den übrigen zu trennen : wenn aber ihre C onstruction auf

eine j üngere Epoche deutet,s o ist dieser Schluss ohne weiteres

auf die ganze Reihe auszudehnen . In der That berechtigt unsnichts

,diese Pfeiler einer anderen Zeit zuzuweisen als di e ahn

l ichen C onstructio nen an: Privathäusern,an der Basilica und über

haupt rings um einen grossen Theil des Forums,an welchem

wir j etzt von der Abbondanza stra sse bis an die s og . Curien und

dann wieder bis an ’

s Ende der in Rede stehenden Anlage einefortlaufende Reihe solcher Pfeiler nachweisen können : überall

da also wo es nicht durch j üngere,ganz oder theilweise aus

Ziegeln aufgeführte Gebäude begrenzt wird .

Es sei hier noch bemerkt,dass der die Nische mit dem Mass

tisch enthaltende Pfeiler (10) einen späten Umbau erfahren hat

d er grösste Theil der Rückseite zeigt O p u s i n c e r t um aus Lava

mit Eckpfeilern aus Ziegeln,weiter oben o p u s in c e r tum aus

Kalkstein . Doch i st nicht daran zu denken,dass durch den

Cap rtel IV .

e s denn damals angefangen habe , um j eden „Dachbalken“ auf

einen Pfeiler und eine Säule zu stützen . Da nun einmal di eSäulen nicht so weitläufti

_g stehen konnten mit doppelt s o

grossem Abstände wie j etzt dass j edem Pfeiler nur e i n e ent

spre chen hätte,so war nur a uf zweifache Art ein rati onales

V erhältnis s möglich : entweder die Säulen entsprachen abwech

selud einem Pfeiler und einem Lumen,und dies ist die Stellung

der Säulenspuren , aus denen Nissen die ältere dori sche Porticus

erschlies st,auf welche wir noch zurückkommen

,oder s ie standen

j e 2 und 2 vor j edem Lumen , so dass den Interco lumnien ab

wechselnd ein Pfeiler und ein Lumen entsprach,durch j edes

Lumen vom Forum aus zwei Säulen sichtbar waren . Es genügt

ein Blick auf den Plan,um sich zu überzeugen

,dass letzteres

die Anordnung der erha ltenen Porticus ist . Von einem Aufliegen

der„Dachbalken “ aber

,wie es sich Nissen denkt

,kann weder

im einen noch im anderen Falle die Rede sein .

Also das rationa le V erhältniss ist doch vorhanden : lehr

reicher aber noch als dieses selbst sind gewi sse Ungleichmässig

keiten in der Anordnung der Pfeiler,welche sich ganz allein

durch die Rücksicht erklären,die m an auf die Säulen nahm :

mithin sind letztere entweder den Pfeilern gleichzeitig oder älter.Obige Regel ist nämlich durchgeführt bis zu den beiden Enden

,

wo eben di e Reihe der Säulen aufhört und an ihre Stelle die

Enden der Querhallen treten : hier finden sich die bezeichneten

Ungleichm a ssigke iten .

Am Südende entspricht dem letzten Interco lumnium ein

Lumen . Hätte m an nun diesem (dem Lumen die Grosse

der übrigen (etwa gegeben , und ebenso dem folgendenPfeiler (etwa s o blieb bi s zur Südwand noch eine Ent

fernung von c . Grösser also konnte dann das letzte,

der Südp o rticus entsprechende Lumen nicht werden,und

selbst dann musste es gegen alle Symmetrie bis in die Ecke

a usgedehnt werden . Indem m an hingegen sowohl das Lumen

als den Pfeiler erheblich kleiner machte a ls die

übrigen,wurd e

_es moglich , der Südp o rticus ein hinreichendes

Lumen,von entsprechen zu lassen

,welches nicht bis in die

Ecke reichte,so ndern d urch das betragende Stück

,um

welches der erste Pfeiler vor d ie S üdmauer vorspringt,vo n der

Der V enus temp e l . 1 03

selben getrennt war . Dem gegenüber ko nnte man es sich gefallen lassen

,dass nun allerdings d a s vorhergehende Lumen

kleiner wurde : die beiden entsprechenden Säulen konnten nicht,

wie bei den übrigen,vom Forum aus gesehen werden

,sondern

die Ecksäule war durch den Pfeiler verdeckt,der noch

über sie hinaus nach N . vorsprang . So erklären sich in völligbefriedigender Weise d ie sonst ganz unverständlichen wesentlich

kleineren Dimensionen des ersten Lumen und des zweiten P feilers

,während im übrigen die Differenzen unerheblich sind .

Etwas anders lag die Sache im Norden . Hier kam auf dasletzte Interco lumnium ein Pfeiler : es war also hier nicht unm öglich

,demselben die gewo hnliche Ausdehnung zu geben und ein

weites,der Ecksäule und der N o rdp o rticus entsprechendes Lumen

zu lassen . Nun aber sol lte dies letzte Lumen den Zugang zur

nördlichen Querhalle bilden,es mochte also angemessen scheinen

,

es dem mittleren Theil derselben entsprechen zu lassen , während

es bei gewöhnlicher Ausdehnung d es letzten Pfeilers auch die Ecksäule mit umfasst haben würde . Und in demselben Sinne musste

sich die Ford erung der Symmetrie mit dem Eingang zur Südhalle geltend machen . Um aber d ie so verlangte Anord nungzu erha lten

,musste dem letzten Pfeiler eine grössere Ausdehnung

gegeben werd en ; und d a s ist denn a uch geschehen,indem er

gegen das Forum offen gelassen und eben hier die Nische fürden M a sstis ch angebracht wurde : der Pfeiler misst j etzt

und überragt die Ecksäule noch um etwa Dennoch blieb

dieser Zugang zur N o rdp o rticus grösser als der zur südlichen :

man wollte wohl den die Nische enthaltenden Pfeiler nicht zu

sehr über das B edürfniss hinaus vergrössern .

Es durfte durch diese Bemerkungen hinlanglich festgestellt

sein,dass die P feilerreihe von Anfang an bestimmt Wa r

,dem

j etzigen Saulengange , oder einem ganz gleich d isp onirten ,zu

entsprechen,dass sie a lso nur entweder gleichzeitig mit dem

selben oder später,ke inenfa lls aber früher erbaut sein kann .

Es muss aber ferner gleich j etzt der Nissen—Sch one ’

schen

Darstellung gegenüber co nsta tirt werden,da ss die Südmauer mit

dem je tzigen Ha up te ingange , weit entfernt a us der Zeit der Vermauerung der e mina zu d a tiren , vielmehr schon vorhanden

104 Cap ite l IV .

wa r,als die Pfeiler erbaut wurd en . Dies ergiebt sich aus einer

genaueren Betrachtung des ersten Pfeilers,an der Ecke der

Strasse,die vom Seethe r aufs Forum führt (auf Taf. I von der

Os t und Südseite abgebildet) . Hier läuft nämlich di e Südmauer

in einen Pilaster aus,dessen östliche

,die Dicke der Mauer

rep räsentirend e Sei te breit i st : d . i . 1 ' 10” osk . 5 Milli

meter . Er endet oben in ein Capitel!,welches offenbar bestimmt

war,ein Epistyl zu tragen

,dessen anderes Ende auf der nächsten

der in der Au smündung der S t r a d a d e l l a M a r i n a stehenden

Säulen aufliegen musste. Dieser Endp ila ster nun is t in seiner sehr

s orgfältigen Arbei t durchaus dem östlichen Pfeiler des Einganges

gleichartig und sicher gleichzeitig (der westliche ist irgend wanneinmal zerstört gewesen und trägt die Spuren Späterer B estau

ration) . Um nun diesem Eckp ila ster gegen das Forum eined en ubrigen Pfeilern einigermassen entsprechende Breite zu

geben,und gleichzeitig um den Zugang zur Südp o rticus sym

metrischer zu machen,hat man nörd lich ein Stück an denselben

angesetzt,welches sich deutli ch von ihm unterscheidet

,wie di e

Tafel zeigt . Es ist aus kleineren Steinen aufgesetzt :

wa hrend die des Eckpfeilers hoch sind .

Die Gleichartigkeit di eses angesetzten Stücks mit den folgenden

Pfeilern kann nicht in Frage gestellt werden : Steine vonbis kommen auch im zweiten Pfeiler neben solchen von

vor,während die des dritten hoch

sind . Ferner ist die Bearbeitung d es angesetzten Stucks weniger

sorgfältig als die des Endstücks der Südmauer,während sie der

der folgenden Pfeiler gleichartig ist : wenn bei Nissen die beiden

ersten Pfeiler als dem Südeingang gleichartig bezeichnet werd en,

s o ist das entschieden ungenau . Nördlich schliesst sich die

Schwelle oder Stufe mit dem viereckigen Loch für d ie Ante

p agm enta an ; P r o g r am m a t a a n t i q u i s s im a stehen auf bei

den Theilen des Pfeilers (C . I . L . IV,36 erstreckt sich über

beide) . Die Pri orität aber des sorgfältig gearbeiteten,soliden

eigentlichen Eckpfeilers vor dem aus kleinen Steinen bestehen

den Ansatz,welcher allein kaum hätte stehen können

,i st evident ;

und damit auch die Priorität des ganz gleichartigen Südeingangeserwiesen .

106 Cap i te l IV

obere Ende des Daches eine feste Stutze ha t,wurden s ie eine

sinnlose Ho lzverschwendung sein . Demgemäss ha t der antikeDachziegel wohl an j eder Seite eine Erhöhung

,uber welche der

Hohlziegel gelegt wird,nicht aber einen hakena

rtigen Vorsprung ,wie der modern e , um ihm auf horiz ontalen Latten einen Haltzu geben .

Uebrigens ruhte auf dieser Porticus zuna chst nicht das Dach ,sondern eine h orizontale Bedeckung : in der Rückseite der Gebälks tücke mit dem Triglyphenfries sind die Löcher vorhanden

für so lide,horizontale

,auf die schmälere Seite gestellte Balken

(stark 0 . von denen auf j edes Interco lumniumkommen . Die Stärke und geringe Distanz derselben schliesst

d en Gedanken an eine getäfelte Decke a us : ohne Zweifel haben

wir h ier den Fussboden eines oberen Umganges zu erkennen,

dem d a s obere,vo rsp rrngend e Gebälks tück mit den Tropfen als

eine Art Brüstung diente . Dass dann noch ein von einer oberen

Säulenstellung getragenes Ziegeldach folgte,is t an sich wahr

s che inlich und folgt auch doch wohl aus den t e g u l a e,welche

in der a uf die Schliessung der Lumina bezüglichen Inschrift er

wähnt werden,und unter denen man schwerlich wird Boden

ziegel verstehen wollen,die etwa den Fussboden des oberen Um

ganges gebildet haben könnten . Dass von oberen Säulen nichts

erhalten ist,darf nach den Verwüstungen des Erd bebens vom

J . 63 nicht Wunder nehmen .

Die Irrigkeit aber der Meinung,a ls sei die Existenz der

j etzigen Porticus vor Schliessung der Lumina unmögli ch gewesen,

wird in noch handgreifi ich erer Weise dadurch d em o ns trirt, dass

einige Lum rna bis zuletzt offen geblieben sind . Das 7 . und

8 . Lumen sind nie geschlossen w e rd en ; es e rgiebt sich dies mit

Sicherheit aus dem Um stand e,dass die evident (s . auch Nissen

S . 2 1 5 ) der letzten Zeit Pompej i’s angehörige Stuckbekleidung

der Pfeiler hier an den Vorderecken derselben umbiegt,um a uch

die dem Forum zugewandte Seite zu bedecken . Wer sich die

Mühe nimmt,die moderne Füllmauer zu ersteigen

,kann dies

von oben j ederzeit mit aller Sicherheit consta tiren . Wollte manalso die V erm auerung a uch dieser Lumina für antik halten

,so

könnte s ie j edenfalls nur in der allerletzten Zeit Pompej i’s statt

gefunden haben,später noch a ls die durch d a s Erdbeben von

Der V enu s temp e l . 107

63 n . Chr . veranlasste M o d ernisirung . Das im 6 . Lumen ver

mauerte Gebälkstück (Nissen S . 2 1 9) kann da gegen natürlichnicht beweisen . Gegenüber dem 7 . Lumen ist der Styl obat unter

brochen,verm uthlich um beqrrem eren Zutritt zur unbedeckten

Area zu gewähren . Auch das letzte Lumen ( 1 0) wurde nichtvo llständig geschlossen

,behielt vielmehr eine Thür von c .

(dies die Länge der Lava schwelle) . Und bei Gelegenheit d es

auch die Aussenseite der Pfei ler bedeckenden Stuckes se i be

merkt,dass Spätestens bei V ermauerung der Lumina die Tuff

faead en zerstört wurden, mit Ausnahme der 3 . und 5 . Die

oberen Steine nahm man fort,von den unteren

,die man nicht

aus dem Boden entfernen wollte,schlug man

,soweit sie hervor

ragten,vorne ein Stück ab

,theils um Pla tz fur die Stuckbeklei

dung zu gewinnen,theils benutzte man wohl die Gelegenheit

,um

die F o rum sp o rticus um ein weniges zu verbreitern .

Wir kennen aber mit ziemlicher Sicherheit in unseren

Nachforschungen uber d a s Alter dieser P feile rre ihe noch einenSchritt weiter gehen

,und zwa r müssen wir zu diesem Zweck an

den lehrreichen P unkt'

zuruckkehren,wo die verschiedenen Con

structionen,die Pfeiler und die Südmauer

,zusammenstossen : an

den Eckpfeiler der S t r a d a d e l l a Ma r i n a . Nämlich der s chon

oben besprochene Endp ila ster der Südmauer ist nicht ganz un

versehrt in seinem ursprünglichen B e stand e . Nur die untersten

Steine stehen auf ihrem alten Platze,die oberen sind viel

leicht in Folge von Zersto rungen , die ein früheres Erdbeben an

gerichtet haben mochte etwas nach dem Forum zu verruckt

we rd en (um c . Die alsdann über die unteren Steine nachdem Forum zu hervorragenden Theile sind abgehauen

,und an

die s o entstandene Fläche ist nörd lich das Stück angesetztwe rd en

,welches diesen Eckpila ster in e inen Pfeiler gleich den

übrigen verwandeln sollte . Aus diesem Grunde,und weil auf

die s o entstandene Ostfläche p r o g r amma t a a n t i q u i s s im a ge

schrieben sind,kann an d a s Erdbeben von 63 in keinem Fa lle

gedacht werd en . Nach der S t r a da d e l l a M a r i n a zu springt d a sletzte Stück der Mauer p ila stera rtig ein wenig vor : dieser V e rsprung is t in Folge der angedeuteten Verschiebung an den oberen

Quadern um schmäler a ls an den unteren,die auf ihrem

108 Caprtel IV

Platz geblieben sind . Mithin is t die P fe ilerre ihe j unger nicht

nur a ls die Erbauung der Südmauer,sondern a rrch al s ihre theil

weise Zerstörung .

Betrachten wir nun etwas naher die der S t r a d a d e l l a

M a r i n a zugewandte Seite d es Eckp ila sters , s o finden wir da

selbst Reste eines alten Stucküberzugs (auf der Tafel mit a be

zeichnet) , welche unverkennbar der ersten der uns bekanntenDeco ra tio nsa rten angehören , derj enigen Decorati on , welche inplastischer Stuckarbeit eine M a rm o rbekle idung nachahmt , und

von der d ie Basilica unter den öffentlichen Gebäuden das einzige

Beispiel bietet . Es ist aber weiter klar,dass diese Decorati on

hier älter i st a ls die erwähnte Beschädigung und. Umgestaltungd es Eckp ila sters . Denn wäre sie j ünger

,s o hätte man unfehlbar

entweder j ene Ungleichhei t des an den oberen und unteren

Steinen nicht übereinstimmenden Vorsprunges durch den Stuck

ausgeglichen,oder auch m an hätte

,was j a leicht war

,an den

unteren Steinen so viel von j enem Vo rsprung fortgenommen,

dass er in eine senkrechte Linie m it dem der oberen Steine

gekommen wäre,wenn nicht von vorn herein j ene sorgsam und

genau arbeitende Periode eine sorgfältigere Restauration des

ganzen Pfei lers geliefert haben wurde,als s ie j etzt vorli egt.

Von dem ist aber nichts geschehen . Diese Deco ra tio nsresteschliessen sich genau an die Formen der Steine an : ein bei ihrer

j etzigen versch obenen Lage widersinniges Verfahren,welches

aber,die alte Lage vorausgesetzt , ganz der Uebung j ener ersten

Deco ra tionsep o ch e entsmicht.

Es ergiebt sich hieraus , dass die Herstellung der Pfeiler

spa ter fa l l t a ls die B lüth ezeit der ersten Deco ra tio nsmanier,deren

Zeit durch die 78 v . Ohr: schon mit ihrer j etzigen Decoration

vorhandene Basilica ungefähr bestimmt wird,und deren Spuren

wir auch im Tempel selbst fanden .

Wenden wir uns nun endlich zur Betrachtung der Masse

der in der oben bezeichneten Weise von der F o rum seite aus gem ess enen Pfeiler und Lumina . Ich glaube die folgenden An

gaben als genau bezeichnen zu dürfen,da eine Gesamm tm essung

und die Summ in der Einzelmessungen ein ganz ubere in

stimmendes Resultat ergaben . Bei den eingeklammerten Zahlen

1 10 Cap ite l IV .

Aus dieser Tabelle i st ersichtlich , dass weder die Reducti on a uf o skisches noch die auf römisches Mass s o runde und

einfache Grössen giebt,auch die gefundenen Grössen nicht so

genau den vorhandenen Massen entsprechen , dass sie eine unmittelbare Ueberzeugungskra ft hätten . In beiden Fällen wirdanerkannt werd en mussen

,dass

,wenn ein bestimmtes Mass für

Pfeiler und Lumina zu Grunde liegt,doch von demselben viel

fach abgewichen werd en ist . Die ganze Linie,

- einschliesslichder mit dem (1

’ 1 0" osk .) dicken Pilaster end igend en Südmauer beträgt

,200 ’ 6 ”

o sk . 7 Mill .) 1 86 ' 4 "

röm . 9 Dass hier die o skische Summe einer einfachen

Grösse sich mehr nähert,beweist ni chts

,da ja diese Dimension

längst vor dem Bau der Pfeiler feststand. Beseitigen wi r nun

zunächst die Pfeiler und. Lumina 1,2,und 10

,sowie das Pfeiler

stück am Nordende,deren Grosse aus den oben dargelegten

Gründen abweicht,so sollten die übrigen eigentlich gleich gross

sein,d a für eine Verschiedenheit absolut kein Grund vorliegt ;

auch entsprechen die vorhandenen Verschiedenheiten keineswegs

den gleichfa lls vorhandenen Verschiedenheiten der Interco lumnienwir dürfen als o die Ungleichheiten getro st auf Rechnung ungenauer

Ausführung setzen und können immerhin versuchen zu finden,

welches d a s f estgesetzte Mass war,von welchem abgewichen

wurde . Die fragliche Strecke vom 3 . Pfeiler bis zum 9 . Lumen

beträgt 1 35 ' röm . 1 4 5 ’ 3 " o skisch . Die Lumina

haben alle etwas weniger a ls 1 3 ’ oskisch oder 1 2 ’röm . nur

einmal (9) wird diese Grosse erreicht die Pfeiler bald etwas

mehr,bald etwas weniger als 8 ' osk . 7 röm . Nehmen wi r

nun als o skisches N o rm a lma ss 8' für die Pfeiler

,1 3’ für die Ln

mina,so gaben 7 Pfeiler und 7 Lumina als o 1 ’ 9" mehr

als die auszufüllende Entfernung . Nun ist es sehr wohl mög

lich,dass man dies N o rma lma ss annahm

,mit der Absicht j edoch

alle Einzelm a sse etwas knapp zu nehmen,um die 1 ' 9 ” zu ge

winnen,dass dagegen in der Ausführung auch ein Pa ar Mal

j enes Mass überschritten wurd e : finden wir doch Ungenauigkeitenauch in den Distanzen der Säulen . Gerade s o möglich ist e s aber

auch,dass man mit einem römischen N o rma lma ss von 1 2 und

ebenso verfuhr,und wir werden wohl eingestehen müssen

,

dass die M a sse'

hie r keine Entscheidung geben .

De r V enu s tempe l. 1 1 1

Es mag hier hinzugefügt werd en,was uber die Masse der

Porticus zu sagen ist .Auf Grund von Messungen Breton ’s will Nissen nachweisen

,

dass diese Ma sse römisch sind,dass also die gegenwärtige Dis

positi on des Hofes aus römischer Zeit stamme . Die Area näm

lich,der unbedeckte Raum m it den Altären

,misst nach Breton

was genau 1 50 x 75 Fuss röm . entsprechen würde .

Ind ess s o genau trifft das doch nicht zu . Sorgfältige Messungam Rande des Styloba ts (wo offenbar auch Breton gemessen)ergab für die Ostseite für die Westseite für die

beiden kurzen Seiten genau übereinstimmend d . h . 1 5 1 '

7—8 " x röm . oder 1 63 ’ 1 81 ' 3 " o sk . Mithin haben

wir statt j enes genauen Zutreffens nur eine grössere Annäherung

an runde Zahlen bei Reduction auf römisches als bei der auf

o skisch es Mass,was doch auf keinen Fall hinreicht

,um die An

lage der Porti cus in römische Zeit herabzurücken,zumal dies

nach obigen Untersuchungen mindestens sehr unwahrscheinlich

ist . Die Masse der Südwand mit dem Haupteingang ergeben

kein Resultat : Thürwe ite : 1 1 ’ 7" 6 Mill. ) osk . 10'

9" röm . Dicke des ö s tl . Thürpfeilers (der westliche i st j üngeren

Ursprungs) : 2 ' 3" 6 Mill .) osk . 2 ' röm . Dickedes Pfeilers

,mit dem die Mauer nach 0 . abschliesst : 1 '

10" 5 Mill .) o sk 1 ' 8" 7 Mill .) röm .

Nach Nissen freilich haben wir noch ein weiteres Zeugnissfur die Erbauung der Porticus in rom ischer Zeit : die Errichtung

des grossen Altars,welche durch die Inschrift etwa in die Jahre

80—60 v . Chr . gesetzt wird,ist nach ihm unzertrennlich von einer

neuen Limitation der Area,diese wiederum vom Bau der P o rtiken .

Also stammen auch diese aus den Jahren 80— 60 v . Chr .

Ohne aber auf die Unzertrennlichkeit der Stiftung des Altarsund einer neuen Limitation einzugehen

,wird doch wohl be

zweifelt werden d urfen,dass diese letztere nothwendig mit einem

Neubau der Porticus verbunden sein musste : die C onseqnenz einersolchen Annahme würde sein

,dass bei einem von einer Porticus

umgebenen Tempel nie ein schadhafter,verfallener Hauptaltar

durch einen neuen hätte ersetzt werd en können,ohne zugleich

die Porticus einzureissen . Es wird a ber doch wohl möglich ge

wesen sein,die neue Limita tion auf eine einfa che Förmlichkeit

1 1 2 Capi te l IV

zu red uciren,der Art

,da ss s ie sich mit der alten deckte und

die Porti cus stehen bleiben konnte .

Noch einma l kommen wir auf die dorische Porticus zurück,

welche nach Nissen der gegenwärtigen dorisch-ionischen vorher

ging,und von der sich auf dem Stylobat noch die Spuren finden

soll en . Das von ihm aus der vermeintlichen Unverträglichkeit

der j etzigen Säulenstellung mit der P feilerreihe hergeleitete Argu

ment für die Existenz derselben'

i st oben schon beseitigt werd en .

Es ist aber zu bedauern,dass Nissen auf die Dispositi on j ener

älteren Porti cus,die j a doch aus den Spuren der Säulen sich

musste erschliessen lassen , gar nicht eingeht : es würd e ihm

dann nicht entgangen sein , dass auch sonst seine Annahmen auf

unüberwindliche Schwierigkeiten stossen . Nach ihm ist die j etzige

Porti cus im Jahre 1 0 v . Chr . erbaut,während die noch j etzt vor

liegende Limitation der Area,des unbedeckten Raumes

,gleich

zeitig sein muss mit der Weihung des grossen Altar’s (80— 60v . es kann mithin nur die V ertheilung der Säulen vor dem

Jahre 1 0 v . Chr . eine andere gewesen sein als j etzt : nach Nissen

s o,dass die Dachbalken auf Säulen und Pfeilern aufliegen

konnten ; der Styl obat musste auf der gleichen Stelle liegen .

Betrachten wir nun die auf dem Stylobat vorhandenen,von

Nissen auf eine frühere Säulenstellung bezogenen Spuren,so

finden wir dieselben mit einiger Sicherheit nur an den Lang

seiten stets in der Mitte der Interco lumnien ; das V erhältnis s

zu den Pfeilern wurde sich dabei so gestalten,dass abwechselnd

eine Saule einem Pfeiler und eine einem Lumen entsprochen

haben würde . Wir kommen j edoch in’s Gedränge,sobald wir

uns den Ecken nähern : hier ist j edesmal die letzte Spur der

früheren Säulenstel lung nur um ein halbes Interco lumnium von

der Ecke des Styloba ts entfernt : diese Ecke müsste also ent

weder an der Stelle j ener Säulenspur , oder noch ein halbes

Interco lumnium über die j etzige Ecke hinaus gelegen haben,

was nach Nissen nicht möglich i st . Also die Area müsste j edenfalls eine andere gewesen sein : wir müssten absehen von dem

,

was Nissen über die Verbindung der Limitati on derselben mitder Weihung des Altar’s sagt

,und

,indem wir uns auf ganz

anderen Boden stellten,annehmen

,dass bei der Umgestaltung

der Porti cus auch die Area um ein halbes Interco lumnium im

1 1 4 Capite l IV .

welchen ? das wird sich kaum feststellen lassen . Es sind ubrigens

nicht bei Bearbeitung des Steins stehen gelassene runde Erh öhungen , wie in der Porticus d es Isistemp els , sondern sie unter

scheiden sich von der übrigen Oberfläch e der Steine nur durch

eine andere Farbe,bedingt durch eine abweichende Entwickelung

der C ryp togam enfi o ra , die ihrerseits durch eine von früherem

Druck herrührende M o d ifica tio n der Oberfläche bewirkt sein wird .

Was nun einmal hier gestanden haben m ag , das wird wohl , wie

s o vieles,uns unbekannt bleiben ; selbst ein moderner Ursprung

dieser Flecken gehört kaum zu den Unmöglichkeiten : sollten nicht

irgendwann einmal Säulentrommeln,ehe sie aufeinander gesetzt

wurden,hier gestanden haben können? Wie aber dem auch sei

,

wenn wir keine genügende Erklärung finden,so berechtigt uns

das doch nicht,zu einer Annahme zu greifen

,welche aus den

oben dargelegten Gründen unstatthaft ist .

Am allerwenigsten aber durfte aus der runden Form j ener

Spuren geschl ossen werd en,dass die vermeintliche ältere Säulen

stellung eine dorische gewesen sei . Denn auch die j etzigen

p seud o io nischen Säulen stehen ohne V erm ittelung von Basen

auf dem Stylobat : die vorhandenen Basen bilden keine Unter

lage,sondern sind an den Fuss der Säule hinangemauert, ihrem

ganzen Charakter nach wohl erst bei der M o d ernisirung nach dem

Erdbeben von 63 . Wenn sie aber auch älter sein s ollten,s o üben sie

doch keinen nennenswerthen Druck auf die von ihnen bedecktenTheile und könnten kaum eine dauernde Spur auf dem Stylobat

hinterlassen . Ganz dasselbe wiederh olt sich häufig genug in

Privathäusern,z . B . VIII

,3,8 ( c a s a d e 1 c i n gh i a l e ) und VIII,

6,10 ; im letzteren Falle ist die nachträglich hinangeputzte Basis

rund. Also runde Säulenspuren gestatten durchaus keinen Schluss

auf dorische Ordnung .

Die Baugeschichte des V enustempels gestaltet sich also

wesentlich anders als bei Nissen . Folgendes sind die im vorher

gehenden festgestellten Ergebnisse .

1 . Der Tempel,die Porticus und die Sudmauer sind in der

j etzigen Gestalt in der s og . Tuffp erio d e , d . h . vermuthlich im

zweiten Jahrhundert v . Chr .,eher gegen das Ende desselben ,

erbaut und vermuthlich gleich damals im Stil der Basilica deco

De r Venustemp e l . 1 1 5

rirt w e rd en . Die innere Decorati on der Cella dürfen wir uns

ähnlich vorstellen , wie die des Tribunal , d ie Innenwände der

Porticus,und wohl auch die Aussenwand der Cella

,wie die des

Hauptraums der Basilica . Endlich für die Stra ssenwand,wo die

erhaltenen B este zu gering sind um ein Urthe il zu gestatten,

können wir mit grosser Wahrscheinli chkeit eine einfache Decoration voraussetzen

,gleich der

,welche die Vorhalle und die

Aussenseite der Ba silica zeigt : gelben Sockel,ro then Streifen

über demselben,im übrigen glatte weisse Wand . Für eine

zeitliche Trennung von Tempel,Porticus und Sudwand liegt

kein Grund vor : den Tempel weisen der Tuffablauf des Unter

baues,die Tuffba sen der Thürp fo sten ,

endlich seine Säulen,

welche denen der Po rticus durchaus ähnlich sind,der beze ich

neten Epoche zu ; ob hier früher ein älterer Tempel stand , dar

über wissen wir nichts . Sicher ist fern er,dass die Porticus nicht

j ünger sein kann a ls die Südmauer mit dem Haupteingang,da

j a die Lage des letzteren neben der Temp e laxe nur durch sie

ihre Erklärung findet . Wie damals der Tempelhof vom Forum

geschieden war,ob durch eine Mauer mit einem oder mehr Ein

gängen,ob die Porticus von zwei Säulenreihen gebildet wurde

oder endlich ob ähnliche Pfeiler wie später sch on damals vorhanden waren

,das lässt sich nicht feststellen .

2 . An dieser Seite wurden alsdann die Pfeiler erbaut,in

s o früher Zeit, dass auf den ersten derselben,zwei auf die Wahl

eines Quaestor bezügliche Programme gemalt werd en konnten

(OIL . IV,35 . Durch die Zwischenräume stieg man über

eine Stufe vom Forum in die Ternp elp o rticus ; j eder dieser Ein

gänge war zu beiden Seiten mit hölzernen Antepagmentis ver»

zier t ; dass sie auch verschliessbar waren,wi e Nissen S . 2 20f.

2 2 9 annimmt,ist nicht erweislich : die viereckigen Löcher in den

Stufen deuten eben nur auf Antepagmenta,nicht auf Thürange ln .

Wenn aber Thürflügel da waren , s o konnten die Angeln nur inder oberen Stufe angebracht sein

,welche nicht darauf hin unter

sucht werden kann ; denn wären sie in dem unteren Stein gewesen , s e ha tten die Thuren sich auf die F o rum sp o rticus geöffnet und dort die Passage gehindert . Waren s ie hingegen in

der oberen Stufe,s o konnten die Thürfiuge l na ch innen geöffnet

8*

1 1 0 Cap ite l IV .

und an die Seitenfla chen der Pfeiler angelehnt werd en,wo sie

wenigstens weit weniger unbequem waren .

3 . Später,um’s Jahr 1 0 v . Chr.

,wurden dann diese Ein

gange vermauert und nur der 7 . und 8 . von S . offen gelassen,

ausserd em eine schmalere Thur am Nordende,d er N o rd p o rticus

entsprechend.

4 . Endlich erfolgte nach dem Erdbeben von 63 n . Chr. dieletzte Erneuerung und M o d ernisirung ; gewi ss mi t Recht hat

Nissen eben dieser Zeit die Malereien der Porti cus zuge

schrieben .

Cap ite l V .

danach ursprünglich nicht nur ohne d omrelte Wande,sondern

auch ohne susmnd irten Fussboden gewesen sein , und zwar sollen

diese Einrichtungen allmählich entstanden sein . Zuerst,in sulla

nisch er Zeit , die Suspensi on des F rauenca ld arium s ; denn auf

diese wi rd,wenigstens vermuthrrngsweise , das l a c o n i c u m

fa c i un d . l o c a r u n t der bekannten Inschrift (C . I . L . I,1 2 5 1 )

bezogen . Wunderbarer Weise soll dann erst später,etwa

1 bis 30 n . Chr . die Suspension und Tubulation des Manner

caldariums erfolgt sein,endlich etwa 40 —60 n . Chr. die Sus

pension der beiden Tep id a rien und die Fütterung der Wände

derselben s o wie der des Frauenca lda rium s mit t e g u l a e m am

m a t a e . Erst nach dem Erdbeben von 63 erhielt das Männer

tepidarium einen a l v e u s ; zugleich wurde die Westseite der

ganzen Anlage umgebaut und die Eingänge geändert ; aus der

s elben Zeit stammt die j etzige Decoration .

Um über a l le s dies uns e in Urtheil zu bilden,wird es am

geeignetsten sein,da ss wir die Anlage durchwandern

,mit sorg

fältiger Beachtung alles dessen,was zur Bestimmung des Alters

der einzelnen Theile dienen kann,und aller Spuren na chträg

l i cher Veränderungen . Und zwar werd en wir am natürlichstend a beginnen

,wo Schone und Nissen die a ltes ten Theile finden

,

mit dem Gang (a ) vor den Einzelzellen (b) .Die aus Tuffquad ern bestehende Thür , durch welche wir

eintreten,weist mit aller nur möglichen Deutlichkeit auf eine

ganz bestimmte Zeit,die von Nissen s o genannte Tuffp erio d e .

Dass diese Periode zugleich die des ersten Deco ra tio nsstils ist,

kann eben hier ziemlich deutlich erkannt werden ; denn das

mit weis sem Stuck überzogene Zahnschnittge sim s über der Thür

entspricht genau demj enigen,welches sich fast regelmässig auf

Wänden dieses Stils findet.Wa s wir drinnen finden

,stimmt damit vollkommen ube rein

rechts und links haben wir unten s o rgfa ltiges Lava ince rtum ;

namentlich rechts,etwa s von der Thür entfernt

,ist deutlich

,

dass dies,in ziemlich gerader Linie end igend , bis h inauf

reicht . Gleich links sind einige Ka lksteinstücke eingemischt,

deren dem Ziegel si ch nähernde Form es wahrscheinlich macht,

da ss sie früher einmal in einem Fachwerkbau verwandt gewesen

sind . Weiter oben folgt a llerlei anderes Materia l,Kalkstein

,

Dre Stabiane r The rm en . 1 1 9

Oruma , Tufi°

,alles in g ro sseren Strrcken . Der Mortel

,in den

oberen und unteren Theilen identisch,i st von vo rzüglicher Qua

lität : er erscheint als eine weissliche,schwarz punktirte Ma sse ;

denn statt der P uzzo lanerd e i st schwarzer M eersand und Lava

brocken verwandt we rden . Die sorgfältigere Behandlung der

unteren Theile,sp eciell die Herstellung derselben aus Lava , i s t

bei Bauten der Tuffpe rio d e ungemein häufig. An den Thürender Badezellen wird das Incertum abgeschlo s sen durch Pfosten

aus mässig gro ssen Ka lks teinb löcken , die abwechselnd horizontal

und vertical gelegt sind : eine Constructionsa rt,wie sie an den

Pfeilern der Atrien aus der Tuffp erio d e ganz gewöhnlich ist . Ob

zwischen den Blöcken Mörtel li egt,und in wie starken Schichten

,

i st bei der grossen Aehnlichkeit desselben mit der untersten

Schicht des B ewurfs schwer zu erkennen,doch passen die Steine

nicht genau genug auf einander , um das Fehlen d es Mörtels

gla ublich erscheinen zu lassen . Aehnlich gebildet ist der Eck

pfeiler rechts,da wo sich der Gang nach rechts in rechtem

Winkel zur Palaestra wendet . Der linke Pfeiler der ersten Zelleist in seiner unteren Hälfte mit ziegelförm igen Tuffsteinen aus

gebessert . Von den beiden Thüren rechts i st die erste,zu dem

kleinen Zimmer (0) mit gemauertem Bett, nicht s o gebildet, s o n

dern das Incertum reicht ganz bis an die Thür . Bei der zweiten

(d) ist wegen der Stuckbekleidung nichts zu erkennen ; ebensolinks am Eingang d es Durchgangsraumes (8) zum Abtritt (f) .Ohne Pfosten aus Quadern ist auch die Thür der einzigen auf

der Ostseite des kurzen nach Süden gewandten Theils des Ganges

befindlichen Zelle . Der Gang war bis kurz vor den Zellen

horizontal überdeckt,von d a an gewo lbt . Die Wölbung beginnt

mit einem construirten Bogen aus Kalkstein in nicht allzu grossenStücken , mit reichlichem Mörtel . In der Wölbung sind weiterhin

vier nach oben sich verengende viereckige Oefi'

nm gen .

Die unterste Schicht des B ewurfs i st eine dem Mörtel a hnliche

,nur noch grobkö rnigere , steinharte Masse ; durch sie ist

eine ebene Fläche hergestellt we rden , der Art , dass die Vorder

fiäche etwas mehr vortretender Steine frei blieb ; an der Innenseite der Tuffpfeiler des Einganges hat m an diese Schicht gespart . Dann folgt eine feinere Schi ch t

,0 . stark

,mit

M e ersand , endlich die letzte aus feinem Ma rm o rs tuck , stark am

1 20 Cap ite l V .

rothen Sockel oben , wo sie weiss ist und weiter

ve rtritt am Hervortreten des oberen Theils gegen

den Sockel erkennen wir sofort den ersten Deco ra tionsstil . Er

halten ist diese Decorati on,d . h . die oberste Schicht

,an der

linken Wand bis zur ersten Zelle,in zerstörterem Zustande

zwi schen den beiden ersten Zellen . Doch sind auch di e unteren

Schichten s o charakteristi sch , dass sie mit Hülfe derselben noch

weiter verfolgt werden kann . Sie war also in dem ganzen Gang

vorhanden,auch auf der V o rd erfiäche der Wölbung ist sie deut

lich ; dagegen ist e s wohl zweifelhaft , ob der weisse Stuck des

Gew o lbes selbst dazu gehört . An der rechten Wand,oberhalb

d es Lava incertum s,ist diese Decoration irgendwann einmal zer

stört word en,und zwar auch die unteren Schichten : nur Reste

derselben finden sich unter einer groben M örte lschicht,die wohl

einer späteren Decoration als Grundlage diente . Sicher waren

ferner die Zellen s o d eco rirt : der Stuck des Ganges,dessen Zu

gehörigkeit zu dieser Decoration ausser Zweifel ist , erstreckt

sich in die zweite Zelle ; in den folgenden sind die unteren

Schichten mit hinlänglicher Sicherheit zu erkennen ; in der ersten

ist nach Abfall der obersten Schicht die zweite roh weiss an

gestrichen . Im Abtritt und dem Vorraum desselben ist durch

den j üngeren Stuck j ede Spur älterer Decoration verdeckt . In

der Zelle (9) ö stlich des der Palaestra zunächst liegenden Theilsdes Ganges sind Reste der alten Decorati on der untersten

Schicht nur auf der Rückwand erhalten : es ist wohl möglich,

dass die Vord erwand,mit der Thür ohne Ka lksteinpfo sten , j ün

geren Ursprunges,d . h . diese Zelle erst später vom Gange ab

getrennt word en ist . Jungeren Ursprunges sind wohl auch diebeiden Räume rechts (0 , d ) : an den Thüren ist keine Spur alter

Decorati on ; die erste (0) wa r anfangs mit Ziegelstuck verkleidet

und erhielt später,nach theilweiser Zers to rung desselben , einen

anderen groben Bewurf bei der zweiten (d) i st alles mit modernem Stuck bedeckt . Werfen wir ferner einen Blick in diese

Räume selbst,so finden

'

wir sofort,dass ihre sämm tlichen an

deren Mauern j ünger sind als die,welche s ie vom Gange trennt

,

gemacht als diese letztere schon Stuck hatte : namentlich imersten Raum ist die ältere Stuckbekle idung , alter als die im

1 2 2 Caprtel V .

Sockel von Wänden,die im Uebrigen mit Marmorstück bekleidet

sind,ohne dass daraus irgendwie eine zeitliche Verschiedenhei t

abgeleitet werden könnte . Von dem V erhältnis s des in den Zellen

erhaltenen Stucks zu dem des Ganges war schon oben die Rede :es kann als sicher gelten

,dass derselbe nichts and eres ist

,als

die grobe Unterlage der im Gange erhaltenen Decorati on ersten

Stils . In der zweiten Zelle i st die niedrige Mauer,durch welche

di e Wanne gebildet wird,gebaut werd en

,a ls die Wand der Zelle

wohl diesen groben S tucküberzug erhalten hatte , noch ni cht aber

den obersten und feinsten .

Dass der Vorraum (e) der Latrina (f) aus einer funften Zellezurecht gemacht sei

,indem man ihre vordere und hintere Wand

einriss,scheint mir ganz unerweislich . Das „Fehlen der üblichen

Eckenverkleidung durch Quadern“ kann eben so gut a uch durch

eine blosse Erweiterung der Thuren veranlasst werd en sein . Auch

weiss ich nicht,welche Umstände es sind

,die nach Nissen

(S . 1 4 8) darauf hindeuten , dass die Zellen ursprünglich sich bis

an die Rückwand des Apodyteriums der Frauen fortsetzten,s o

dass ihrer sieben gewesen wären.

Der parallele Gang h, welcher weiter no rd lich von Westen

ins F rauenap o dyterium i fuhrt,ist ganz ähnlich . In der Bauart

ist der Unterschied,dass in der rechten Wand , um die Mitte ,

a uch unten Kalkstein in ziemlich gro ssen Stücken verwandt ist .

Am Durchgang zum Apodyterium finden wir Ka lks teinpfo s ten .

Die Ecke rechts am Gange ist mit ganz unregelmässigen Ziegelstücken nachträglich zurecht gemacht we rd en . Die Deco

ra ti on es fehlt der rothe Sockel : die Wand ist weiss bis ganz

unten ist viel mehr erhalten,theilweise aber mit Ziege lstuck

ausgebessert,welcher gleich im Anfang einen ziemlich hohen

Sockel bildet . Der Fussb oden besteht im Anfang aus quadra

tischen B o d enziegeln , weiterhin aus e p u s s p i c a t um ,im letzten

Stück aus rautenförmigen,durch M o sa ikstreifen getrennten Zie

geln ,übereinstimmend mit dem Fussboden d es Apodyteriums .

In der e igenthüm lichen ,“

schrägen,gerade in die Ecke des Apo

dyterium s mündenden Thür ist der Boden mit zwei Reihen länglicher

,gerade in der Richtung des Durchganges liegender Lava

pla tten belegt . Denselben Stein finden wi r in einem Theil des

Apodyteriums .

Die Sta bi aner Thermen . 1 9 3_J

Treten wir nun in dieses ein,

s o ko nnen wir zu dem vo n

Schone beobachteten noch einiges hinzufügen . Die N ischenre ihewar ursprünglich auch hier

,wie in den Tep ida rien und Ca lda rien ,

eine doppelte. Von der unteren ist nur ein kleiner Theil in der

Südwand über der Wanne k erhalten,doch ist sie längs der ganzen

Südwand deutlich zu erkennen an der verschiedenen Färbung,

die der Stuck angenommen hat,j e nachdem er über den ehe

m a ligen Nischen oder den sie trennenden Steinen liegt . Und in

derselben Weise erkennen wir,dass auch die obere N ischenreihe

ursprünglich auf der ganzen Sud seite,auch über der Wanne

,wo

s ie später ausgefüllt werd en ist,und ebenso auch auf der West

s eite vorhanden war.Es geht schon hieraus hervor

,dass die Wanne spa ter in das

Apodyterium hineingebaut we rden ist : wäre s ie von Anfang an

beabsichtigt gewesen,so hätte man hier gleich die Nischen fort

gelassen und nich t no th ig gehabt , sie später auszufüllen . Die

Ostmauer der Wanne endet gerade in einer der unteren Nischen :

diese wenigstens würd e man ausgelassen haben,wenn die Wanne

im ursprünglichen Plan gelegen hätte . Ihr späterer Ursprung

wird bestätigt durch die Bauart s ie besteht aus Ziegeln

sowie dadurch,dass das Paviment rings rrm in unregelmässiger

Linie abbricht,also wohl nachträglich gebrochen we rd en i st .

Vom Fussboden war schon oben die Rede . Die rautenfo r

m igen ,durch M o sa ikstreifen getrennten Ziegel haben eine Art

Glasur von grosser Härte ; die ganze Arbeit ist von a usserster

Sorgfa lt und So lidita t und stammt sicher auch aus der sorgfältig

arbeitenden Tuffp erio d e . Doch war niemals der ganze Fussboden

in dieser Weise behandelt ; an der Ostwand entlang ist ein c .breiter Streifen

,als Verbindung zwischen der Nordost und Süd

o stthür,m it eben solchen Steinen belegt

,wie wir sie im Nord

westeingang gefunden haben . Jetz t berührt sich dieser Streifennur an seinem Südende mit j enem Ziegelfussbo d en ; im übrigenschiebt sich dazwischen ein Stück späten rohen P avim ents

,

welches nach Art des o p u s S i g n i n um ,nur mit Verwendung von

Lavabrocken statt der zerstampften Ziegel hergestellt i st und

sich auch am grössten Theil der Nordwand entlang zieht .

Aus Lava besteht auch die Schwelle des Einganges von der

Stabiane rstra sse (l) , und mit eben solchen Lava p la tten ward

1 2 4 Cap ite l V .

der Durchgang zum Tepidarium m gepfla stert zu einer Zeit , wo

er eine von der j etzigen abweichende Form hatte . Der j etzigeDurchgang

,der schon durch die Ziege lverkleidung der Pfosten

als j üngeren Urwrunge s kenntlich is t , steht senkrech t auf den

Langseiten beider Räume und. ist (reichlich röm .) breit,während der frühere schräg durch die Mauer ging

,genau wie

der N o rdwe steingang des Apodyteriums ; seine Breite betrug etwaoderetwas mehr

,vielleicht 3 ' o sk . Damals konnten

die hier fortlaufenden Steine des N ischenfriese s zugleich als Ar

chitrav dienen ; bei der Umgestaltung aber kam eine Sto ssfugeim Apodyterium am Westende

,im Tepidarium am Ostende über

die Thür ; man hielt es daher für n o thig einen horizontalen Bogen

aus Ziegeln darunter zu spannen . Dass die Pfosten auch hier

ursprünglich aus Kalksteinquadern bestanden,wie an dem er

wähnten N o rdwes teingang , dürfen wir wohl nicht bezweifeln . Wie

es in dieser Beziehung mit dem N o rd o steingang (l) steht , deroffenbar seine alte Form bewahrt hat

,i st bei der vollkommen er

ha ltenen Stuckbekleidung nich t zu erkennen . Hingegen hat die

nach Süden in einen an die Palaestra anstossenden Raum (n)führende Thür

,wie keine Ka lksteinpfo sten ,

s o auch keine

Schwelle : die Fundamente liegen hier einfach zu Tage,zum

Thei l höher al s der Fussboden : eine offenbare Bestätigung für

Schöne’s Annahme,dass diese Thür späteren Ursprunges ist .

Diese Annahm e wird aber zu völliger Gewissheit erst durch die

Beobachtung,dass die Rückwand einer der beiden durch die

Anla ge der Thür zerstörten Nischen der zur Rechten noch

vollkommen deutlich erkennbar ist : sie ist mit einer 0.

starken,mit M eersand zubereiteten Stuckschicht bedeckt . Das

Fenster in der westlichen Lünette hat keine Pfosten : es is t

entweder erst später hergestellt,oder doch nachträglich erweitert

we rd en.

Eine junge Decoration bedeckt die Wande bis zu dem uber

den Nischen sich hinziehenden Gesims ; unter ihr kommen Reste

der alten Decoration zumVorschein . Das die beiden Nischen

reihen trennende Gesims besteht aus Kalkstein ; die sorgfältige

P ro fi lirung i st nur in der denselben bedeckenden dicken Stuckschicht ausgeführt. Dagegen ist das Profi l des oberen , aus Tuff

bestehenden Gesim ses aus dem Stein selbst hergestellt, und nur

1 2 0 Capite l V .

B ewurfs,aber nur bis zur Hohe von c . Dann folgt augen

s ch einlich j üngeres Mauerwerk . Zunächst eine sechsfache Zie

gelschicht . Darauf in der Mitte ein viereckiges Fenster mit

Pfosten von Ziegeln,ziegelförm igen Kalk und einzelnen Tuff

steinen,welches aber nicht in ganzer Höhe erhalten und später

wi eder zugesetzt we rd en i st . Darauf ist endlich ein höher lie

gend es und breiteres Fenster gemacht we rd en . Wir unterscheiden

also an dieser Wand deutlich drei Peri oden : nur die untersten

Theile gehören der Tuffp erio d e und der Zeit d es erstenDeco ra tio ns stils an . Die Posteri orität der zweiten Periode auchdem Bewurf der unteren Theile gegenuber ist vollkommen deut

lich,da ihr Mörtel über denselben gestri chen ist ; das Zusammen

treffen des Mauerwerks der zweiten und dritten Periode i st wegen

des erhaltenen Stucks nicht recht zu erkennen .

Wir consta tiren zugleich,ebenfalls von aussen

,dass an der

anstossenden Westwand des Caldariums (0) genau derselbe Vor

gang wahrnehmbar ist,nur i st hier der Rest des ältesten Mauer

werks um niedriger .

Dasselbe alte Mauerwerk zeigt ferner,von aussen (p ) be

trachtet,die Ostmauer des Tepidariums

,wenigstens bis zur Höhe

d es Ansatzes der Wo lbung ; ebenso die vom Laden No . 1 6 (q)aus sichtbare Nordmauer . Diese setzt sich na ch Osten über die

Nordostecke hinaus fort,als Trennungsm auer zwischen p und q .

An der Thür zwischen diesen beiden Räumen endigt sie in einen

Ziegelpfo s ten , doch ist deutlich genug zu erkennen , dass derselbeerst nachträglich angesetzt werd en is t. De r andere Pfosten der

selben Thür besteht aus abwechselnd horizontal und. verti cal

gelegten Ka lksteinblö cken,genau wi e bei den Thüren der Einzel

zellen : es kann keinem Zweifel unterliegen , dass ursprünglich

beide Pfosten so beschaffen waren,und dass wi r uns immer

noch in dem gleichen Bau aus der Tuffp erio de befinden .

Dagegen zeigt die Ostmauer des Caldariums einen ganz an

deren Charakter : hier i st viel Tuff verwandt,der Mörtel ist

weit geringer,die Mauer voller Risse , was bei den alten Mauern

nicht der Fall ist ; endli ch , um dies vorweg zu nehmen , sind aufder Innenseite derselben die bekannten N ischenreihen nie vorhanden gewesen . Offenbar haben wir hier mit einer späteren Re

staura tion zu thun . Die Verschiedenheit von dem alten Mauer

D ie Stabianer Thermen . 1 2 7

werk ist beso nders deutlich am Ostende der Nordmauer,si chtbar

von p aus : man sieht hier ganz klar, wie die mit der Ostmauer zusamm enhängend e Ziegelecke nachträglich an die alte Nordmauerangesetzt is t

,und nichts kann deutlicher sein als das Zusammen

treffen des älteren und j üngeren Mörtels . An der Südecke verbietet die modern e V erputzn dies zu co nsta tiren ; da aber die

ganze Mauer,samm t der südlichen Ziegelecke , mit der als

zweifellos jung erkannten Nordecke untrennbar zusammenhängt,

s o kommt darauf wenig an,und es steht hinlänglich fest

,dass

wir für die alten Theile keine Ziegele cken zu co nsta tiren haben .

Das der Ecke zunächst liegende Stück der Südmauer gehört

noch zu den jungen Theilen : es sieht eben so aus und hat die

selben Risse . Im übrigen ist die nur in geringer Hohe erhaltene

Südmauer alt,wenn auch vielleicht stellenweise ausgebessert :

die bekannten Nischen zeugen dafür. Es mag gleich hier erwähnt werden

,dass aus demselben Grunde an dem Alter der

Trennungsmauer zwischen Tepidarium und Caldarium nicht gezweifelt werd en kann .

Treten wir nun nach dieser äusseren Besichtigung der

Schwitzräum e zunächst in das Tepidarium (m) , so ergänzen sichunsere bi sherigen Wahrn ehmungen glücklich mit dem

,was von

innen beobachtet werden kann . Denn auf der Westwand ist

von innen der Stuck und die Tubula tion vollstandig erhalten,

während auf den drei übrigen Wänden der von Schöne entdeckte

doppelte N isch enfries deutlich zu erkennen ist : dass er auch auf

der Westseite war,kann bei dem von aussen consta tirten Alter

der Mauer nicht bezweifelt werden . Die übrigen von innen

wahrnehmbaren Veränderungen sind von Schöne nur theilweise

berichtet werd en .

Die Tubulation wurd e anfangs nur bis an den Ansatz der

Wo lbung gemacht, erst in einer Späteren Periode auf die Lünetten

und die Wölbung ausgedehnt . Es geht dies aus Folgendemhervor . Ehe Wölbung und Lünette tubulirt wurden

,war erstere

mit glat tem weissen Stuck bedeckt,letztere hatte an ihrem g e

krümmten Rande ein aus einem Eierstab und zwei Rundstäbenbestehendes Gesims ; beides Wa r gleichzeitig : man sieht, da ss derStuck der Lünette an den der Wölbung hinangestrichen wurde ,als dieser noch fri sch war . Diese Decoration konnte einersei ts

1 2 8 Capi te l V .

selbstverständlich nur gemacht werd en , ehe man daran dachte ,Wölbung und Lünette zu tubuliren

,s ie kann aber andererseits

auch nicht einer ganz alten Periode,vor der Tubulati on der

Wände,angehören . Denn erstens verbietet sowohl di e Beschaffen

hei t des S tucks als die Form des Gesim ses der Eierstab

auf das bestimmteste,an eine Decorati on ersten Stils zu denken

,

deren Reste wir im Apodyterium an den entsprechenden Stellen

fanden . Zweitens wurden die Wände zum Zweck der Tubulati on

nach Abhauung der Gesimse und Ausfüllung der Nischen zu

nächst mit Ziegelstuck überz ogen . Nun aber la sst sich nament

l ich auf der Südwand mit Bestimmtheit consta tiren,dass der

weisse Stuck der Wölbung über diesen Ziegelstuck gestri chen ,also j ünger i st . Es folgt daraus

,dass man bei der Tubulati on

der unteren Wande,oder gar noch später

,der Wölbung und.

den Lünetten eine Decorati on gab,welche selbstverständli ch

sichtbar bleiben sollte .

Dass dieselbe nicht den Anfangen des Baues angehört,er

giebt sich übrigens noch aus einem anderen Umstände. In der

östlichen Lünette war ursprünglich ein rundes,nach aussen sich

verengendes Fensterchen : später ist e s zugesetzt we rd en ,und

die V ermauerung wird von dem fraglichen Stuck bedeckt .

Dass j edoch dieser ein gewisses Alter hat,folgt theils aus

der Einfachheit desselben man vergleiche z . B . den Lünetten

schmuck im Caldarium und im Männerbad theils daraus,dass

er auf der Westmauer nur die alten Theile bedeckt . Wo das

alte Mauerwerk aufhört,genau da bricht auch die Decoration in

gerader Linie ab : weiter oben folgt ein roher Bewurf,wie es

scheint Ziegelstuck ,welcher nur der Tubulation als Grundlage

dienen sollte . Es ist mithin der zweimalige Umbau der West

wand die Oeffnung eines Fensters, und die Schliessung des

selben um ein anderes,höher gelegenes

,zu öffn en j ünger als

die fragliche Decorati on mit dem Eierstabgesim se .

Andererseits i st die Tubulation der Decke und Lunette nicht

j unger als der erste Umbau der Westwand . Denn wenn damals

die Lünette noch frei geblieben wäre,so hätte sie eine Deco

rati on erhalten müssen,und dieser ha tten die Reste der alten

Decoration,namentlich das Gesims mit dem Eierstab

,weichen

müssen : dasselbe konnte nur bleiben weil die ganze Wand s o

1 30 Cap ite l V .

in Verbindung mit the ilwe iser M a rm o rbekleidung , kann gleich

zei tig sein mit der Ausdehnung der Tubula ti on auf Wo lbung

und Lunetten . Doch haben wir gesehen,dass auch spa ter noch

bedeutende Veränderungen sta ttgefunden haben : e s i st mindestens

eben s o möglich,dass mit dem zweiten Umbau der Westwand

und der Anla ge des gro s seren Fensters eine N eud e eo rirung des

ganzen Raumes verbunden wa r .

Es ergieb t sich uns a ls o folgende Geschichte dieses Raumes1 . Ursprünglicher Bau in der Tuffp erio d e , mit doppelter

N ischenreihe .

2 . a . Aend erung und Erweiterung des Einganges aus dem

Apodyterium : Ziege lpfo sten . Tubula ti on des unteren

The ils .

b. N eud eeo rirung derWo lbung und Lune tten : Schliessung

des kleinen Fensters nach Osten .

3 . Neuba u der Westwand mit einem brei ten,ganz

innerhalb der Lünette liegenden Fenster . Tubulation

der Lünetten und der Wölbung .

a . Zweiter Umba u der Westwand,mit einem brei

ten,oben über die Lünette hinausreichenden Fenster .

b. N eud eeo rirung mit theilweiser M a rm o rbekleidung .

Hierbei ist zu bemerken,dass die mit a

,b bezeichn eten’

und unter einer Nummer zusammengefa ssten Vorgänge nur ver

muthungsweise als gleichzeitig bezeichnet werden konnen : wollte

j emand 4 0 lieber zu 3 ziehen,s o könnte dem nicht mit Bestimmt

heit widersprochen werden ; kann möglicherweise etwas später,

nicht früher,a ls 2 a stattgefunden haben .

Im Caldarium (0) sind die Nischen nur auf der Sud se ite zu

consta tiren . Dass sie in der Nordma uer wo sie im Tepidarium

sichtbar sind und in der von a ussen als alt kenntlichen,von

innen ganz durch die Tubulati on bedeckten Westmauer nicht

fehlen,dürfen wir wohl annehmen . Dagegen fehlen sie in der

,

wie wir sa hen, j ungeren Ostmauer .

Decorati on und Tubulati on waren zur Zeit der Verschüttung

von der des Tepidariums nicht verschieden . Die Tubulation um

fasst D ecke und Lünetten ; sie ist mit t e g u l a e m a m m a t a e

hergestel lt ; der an der Thur übrig bleibende Streifen is t mitrechtwinkligen Thonröhren

,die Wölbung mit länglichen Ziegeln

,

Die Stab ianer Therm en . 1 3 1

die an j eder Ecke einen Vorsprung haben,belegt. Das Fenster

na ch Westen reicht auch hier über die Wölbung hinaus . Die

Decora ti on setzt auch hier M a rm o rbekleid ung an den Thurenund am Boden entlang voraus ; ganz gleichartig i st auch die

M a rm o rb ekle idung der Wanne : es ist sch on daraus klar,dass

diese Decorati on der des Tepida riums gleichzeitig ist ; eineandere

,gleich nach der Tubulati on angelegte

,muss ihr voraus

gegangen sein .

Ein Unterschied vom Tepidarium ist der,dass hier a n der

Wo lbung und den Lünetten unter den t e g u l a e m a mm a t a e

nicht eine ältere Decoration,sondern derselbe Ziege lstuck zum

Vorschein kommt,welcher unten

,an den Wänden , der Tubulation

a ls“

Grundlage dient . Es ist a ls o eine nahe liegende Verm uthung ,

dass di e Tubula ti on hier nicht gleichzeitig ist m it der der ent

sprechenden Theile im Tepidarium denn dann wurde m andoch wahrscheinlich in beiden Räumen auf gleiche Art verfa hren

sein sondern da ss m an s ie gleich anfangs,um gro s sere Hitze

zu erzielen,auf Lünetten und Wölbung ausdehnte .

Im U ebrigen wird die Geschichte dieses Raumes von der

des Tepidariums nicht verschieden sein ; nur kommt hinzu der

Neuba u der Ostwand. Derselbe ging der Tubulation voraus,

deren Ziege lstuckunte rlage gleichmässig alte und jüngere Mauer

theile bedeckt,womit e s stimmt , da ss die Ecken , wie die Pfosten

der ebenfa lls vor der Tubula tion umgebauten Thür zwischen

Ap odyterium und Tepidarium,aus Ziegeln bestehen .

Die Heizeinrichtungen (r ) , aus Ziegeln erbaut , sind in ihrerj etzigen Gestalt augenscheinlich nicht sehr alt ; dass sie aber auch

früher eben hier ihren Platz hatten,kann nicht bezweifelt wer

den,da die Disposition der ganzen Anlage darauf begründet ist.

Wenden wir uns nun zu der den M annern bestimmten Abtheilung des Bades , so haben wir zuna chst auch hier , wo nicht

spätere Veränderungen sta ttgefunden haben,dasselbe a lte Mauer

werk zu c onsta tiren : Lava incertum mit dem oben beschriebenen

treffli chen Mörtel . Thürpfo sten aus Kalkstein sind in diesem

Theil nicht erha lten,wohl aber etwas ihnen analoges . In der

Nordwand nämlich des Caldariums (8) befindet sich auf der Aussensei te , da wo die s c h o l a l a b r i beginnt , eine später a usgefüllte

9%

1 32 Cap ite l V .

gewölbte Nische dass es nicht etwa eine Thur i st,kann an

der nach innen sich verengenden Wölbung deutli ch erkannt

werd en deren Pfosten aus a bwechselnd h ori zontal und vertica l gelegten Kalksteinqua dern gan z in der bekannten Art

hergestell t sind . Wir werden demnach ni cht zweifeln,dass wir

un s immer noch in demselben aus der Tufl"

zeit stammenden Bau

befinden,und wenn wir an der Thür zwischen Apodyterium (u)

und Tepidarium (t) Ziegelpfo sten finden,s o werd en wir diese

ohne Bedenken einer später vorgenommenen Veränderung zu

schreiben,wie vvir sie j a an der entsprechenden Thur des Frauen

bades mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit consta tiren

konnten .

Späteren Restaurationen verd anken j edenfalls die Ostwand edes Ca ldariums und Tepidariums ihre Entstehung . Die Nordost

ecke des Caldariums (s) i st a us Ziegeln , ebenso ein Entla stungsbogen am Südende der Ostmauer und das Mauerwerk über wi e

unter demselben : nach den im Frauenca lda rium gemachten Er

fahrungen werden wir nicht bedenklich sein , dies als Beweis

geringerenAlters anzunehmen . Die Ostwand d es Tepidariums (t)ist sch on dadurch verdächtig

,dass sie keinen N ischenfries hat

,

während er in der entsprechenden Wand des Frauentepida rium scon sta tirt werden kann . Die Nordostecke besteht aus z iegel

förmigem Tuff,eine den alten Theilen fremde C onstructionsart ;

auch das Incertum zeigt einen durchaus abweichenden Charakter,

namentlich viel schlechteren Mörtel . Die Ostwand des Apody

terium s kann bei der vollkommenen Erhaltung des Stucks ni cht

untersucht werden ; die Ziege lp fo sten der Thür können j unger

sein als die Mauer selbst . Ohne Zweifel sind alle diese Um

bauten auf der Ostseite der Anlage,auch die der Heizvorri chtungen

und der Mauer gegen di e Stabianer Strasse,zu gleicher Zeit

und aus einer gemeinsamen Ursache vorgenommen w erd en . Die

Zei t derselben konnten wir bei der Betrachtung des Frauen

caldarium s dahin bestimmen,dass sie von der Tubulati on voraus

gesetzt werd en . Wir werd en sehen,dass dem a uch im Männer

bade nichts widerspricht .Ueber das Innere des Tepidariums und Caldariums und die

dort zu cons ta tirend en Veränderungen hat Nissen S . 1 4 4 ff. be

sonders ausführlich gehandelt : doch bedürfen seine Ausführungen

1 34 Capite l V .

die Wahrscheinlichkeit,mindestens die M üglichkeit einer eben

damals erfolgten vollständigen Erneuerung d es oberen P avim entsund der dasselbe stützenden P feilerchen nicht in Abrede gestellt

werden können . Es würde danach die uns vorliegende Suspensur

d es Calda riums einer nicht genau bestimmbaren , j edenfalls aber

ziemlich spaten Epoche angehören . Wenn dem gegenüber bei

Nissen (S . 1 5 3) bemerkt wird ,dass in dem Fehlen der Stuck

bekleidung der P feilerchen sich eine ältere wei l unvollkommenere

Technik zeige,und daraus im Verein mit dem verschiedenen

Charakter d es unteren Bodens längliche,aus Dachziegeln

zurechtgemachte Platten,während im Tepidarium die gewöhn

li chen quadratischen B o d enziegel verwandt sind auf höheres

Alter der Susp ensur des Caldariums im Vergleich mit der des

Tepidariums geschlossen wird,s o i st darauf erstens zu bemerken

,

dass durch diese Art von Argumenten wohl Resultate,die aus

anderen Gründen schon einigermassen feststehen,noch weiter be

stätigt werd en konnen , dass aber sie allein keine Beweiskraft

haben,am wenigsten wo aus entscheidenderen Tha tsa chen sich

andere Resultate ergeben . Das Fehlen der Stuckbekleidungkann mindestens eben s o gut auf die geringere Sorgfalt einer

späteren Epoche vielleicht nach d em E rdbeben wie aufdie minder entwickelte Technik einer älteren Zeit zuruckgeführtwerden . Das andere Argument aber die Verschi edenheit der

Ziegelplatten beweist do ch hö chstens di e Exi stenz irgend

einer Susp ensur , nicht die der noch j etzt erhaltenen , ineiner der Susp ensur des Tepidariums vo raus liegend en Epoche.Im Gegentheil , wenn es in diesem Sinne beweisend is t

,so

beweist e s auch,dass das erhaltene obere Paviment

,und

damit auch doch wohl die P feilerchen,dieser älteren Zeit nicht

angehören können ; denn das obere Paviment ruht genau auf den

selben B o d enziegeln , welche den unteren und oberen Boden desTepidariums bi lden . Und in der That werden wir vielleicht s oschliessen d urfen . Denn stammt die j etzt vorliegende Susp ensuraus so j unger Zeit

,i st sie j ünger als di e Tubulation der Wände

,

so ging ihr selbstverständlich eine ältere vorher : tubulirte Wände

sind nicht denkbar ohne Susp en sur , diese i st mindestens 80 altwie j ene .

Eine andere Frage ist die,ob auch vor Anlage der Tubu

Die Stab ianer Thermen . 1 35

lation,zur Zeit der N ischenfriese

,der Boden susp end irt gewesen

sei . Nissen (S . 1 4 6) leugnet es auf Grund folgender Argum en

ta tion : Es ist ein Stück Tuffgesim s als Fundament für d ieWa nne (nämlich das Labrum am Westende d es Caldariums)„benutzt werden . Dasselbe kann nicht weit hergeholt sein , s ondern rührt aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Gesims her ,das ursprünglich den N ischenfries krönte . Daraus ergiebt sich

aber d es Weiteren mit Wahrscheinlichkeit,dass das Caldarium

anfänglich auch keinen Doppelboden besass,denn die kleinen

Zieg elpfe iler, die denselben tragen , mussen ihrer Anord nung nach

zu derselben Zeit wie die Wanne mit ihrem Fusse errichtet

werd en sein .

Die Schwa che d ieser B eweisfuhrung geht sch on aus dem

oben gesagten hervor . Gesetzt wirklich,d a s Labrum se i

,wie

Nissen aus j enem Gesim s stück schliesst,erst gleichzeitig mit der

Zerstörung des N ischenfrieses und der Tubulirung der Wände

gebaut we rd en,so folgt doch aus der Anordnung der P feilerchen

um da sselbe nur,dass eben diese j etzigen Pfeiler und d a s auf

ihnen ruhende Paviment nicht einer älteren Zeit angehören kann ;denn dass es noch j ünger sei

,dem steht auch nach Nissen nichts

entgegen . Ist aber unsere obige V ermuthung richtig , so ging

dem j etzigen susp end irten Fussboden ohne a l len Zweifel ein ähnlicher vorauf

,der sehr wohl auch älter sein konnte als d a s

Labrum und als die von Nissen mit demselben in Verbindung

gebrachte Zerstörung des N isch enfriese s .

Ferner aber ist j enes Gesim s stück mit Unrecht benutztw erd en

,um die Erbauung des Labrums mit der Zerstörung des

N ischenfrie ses,und fo lgewe ise mit der Anlage der Tubulation

in Verbindung zu bringen . Erstli ch liegt es keineswegs in d en

Fundamenten sondern oberhalb d es Fussbodens , könnte alsoa uch einer späteren Umgestaltung d es Labrums

Zweitens ist es durchaus nicht erwiesen,vielmehr recht unwahr

sch einlich,dass es j enem N ischenfrie s angehört hat . Von dem

über den Nischen sich hinziehenden Gesims wurden,wie deut

lich sichtbar , nur die vorstehenden Theile abgeschlagen und zurAusfüllung der Nischen benutzt

,nicht aber die Steine aus der

1

) D ies bemerkt au ch A . Ho lm in B rns ian’s Jahresber . S . 2 5 7 .

1 36 Capitel V .

Mauer gerissen : hier aber haben wir einen vo llstand igen c.

tiefen Stein,der vom in ein Gesims endigt. Es fällt mithin

j eder Bewei s für die Gleichzeitigkeit des Labrums mit der Aus

füllung der Nischen und. der Tubulati on . Es sind aber nicht nur

die vermeintlichen Gründe gegen ein höheres Alter der Suspen

sur als der Tubulation hinfällig , sondern es lasst sich auch der

positive Beweis für dasselbe führen .

Zum Zweck der Tubulati on wurde die Wand zuerst mit

einem durch eine Beimischung von Ziegelstaub gelblich gefärbten

Stuck überzogen,dann die Röhren gelegt und über diese die

sichtbar bleibende Stuckbekleidung . Wäre nun damals die

Susp ensur gemacht we rd en , so könnte auch die nur dieser dienende

Vertiefung des Bodens nicht älter sein,und wir würden ohne

Zweifel die Wande,bis auf den untersten Boden

,gleichmässig

mit j enem selben Ziege lstuck überzogen sehen . Statt dessen aber

finden wir unterhalb d e s oberen Fussbodens einen anderen und.

dies kann nicht zweifelhaft sein älteren Ziegelstuck : nicht

nur sein Aussehen beweist für h oheres Alter,sondern man

sieht auch an versch iedenen Stellen deutlich,dass da

,wo die

beiden Stuckbekleidungen zusammenstossen , die untere gebrochen

war,die obere aber an sie hinan gestrichen wurd e . Also : ent

weder war,als der N ischenfries zerstört und die Wande tubulirt

wurden,ein susp end irter Fussboden sch on vorhanden , oder j ener

obere Ziegelstuck samm t den Röhren is t nicht der damals gemachte

,s ondern gehört einer späteren Erneuerung an . Für

letztere Annahme aber ist durchaus kein Anhalt vorhanden ; am

wenigsten darf sie mit der von uns vermuthungsweise ange

n omm enen Erneuerung des Fussbodens bei der Herstel lung der

grossen Wanne in Verbindung gebracht werd en : dass damals

die vorhandene Tubulati on blieb und th eilwe ise beschädigt wurde,

i st schon oben bemerkt we rd en . Uebrigens würden,bei dem

Zustand dieser Wände,von einem älteren Stuck sicher Reste

,

sichtbar sein .

Als o ein susp end irter Fussboden bestand sch on zur Zei t desN ischenfrie ses ; der j etzige ist vielleicht der grossen Wanne amOstende gleichaltrig .

Das Labrum hat a uf der Aussenseite unter dem Fussboden

den älteren Stuck,und es ist kein Grund vorhanden

,es für

1 38 Capitel V

annehmen wollen,dass der durch diesen alten Ziege lstuck ropra

sen tirten Susp ensur , welche älter ist a ls die Tubulati on der

Wände,doch noch eine ältere vorherging eine Annahme

,die

nicht eben wahrscheinlich is t,wenn gleich ein Gegenbeweis be

g re iflicherweise sich nicht führen la sst s o bleibt nur übrig,

dass dieser Zusatz j unger a ls der urs prü ngliche Bau,wa hrend

er do ch die Vertiefung d es Bodens,mithin eine Susp ensur oder

die Absicht,eine solche anzulegen

,voraussetzt gleichzeitig ist

mi t der ersten Anlage der Susp ensur , woraus sich wiederum

e rgiebt , dass der ursp runglich e Bau eine Zeit lang ohne Sus

p ensur war .

Anders liegt die Frage in Betreff des Tepidariums (t) . Hier

geht der hinter der Tubulati on liegende Ziegelstuck gleichmässig

bis auf den untersten,mit gewöhnlichen quadratischen Boden

ziegeln belegten Boden,so dass von dieser Seite nich ts im Wege

is t,Tubula ti on und Susp ensur hier für gleichzeitig zu halten .

Nehmen wir dazu die auffallende Verschiedenheit d es unteren

Bodens,und bedenken wir

,da ss in den F o rum stherm en

,sowie

in wenigstens zwei Bädern in Privathäusern,das Tepidarium der

Susp ensur entbehrt , so scheint es allerdings wahrscheinlich , dasshier die Susp ensur j ünger a ls im Caldarium i st und erst gleich

zeitig mit der Tubulation der Wände hergestellt wurde . Und

zwar steht nich ts der Annahme im Wege,dass j ene erste Sus

p ensur die noch j etzt erhaltene ist ; denn bei Anlage der Wanne

am Ostende fand keine Erneuerung derselben statt,vi elmehr

wurden die schon früher mit Stuck bekleideten P fe ilerchen unter

der Wanne,um diese tragen zu können

,durch Anmauerungen

verstärkt .Ferner haben wir das m erkwurd ige Factum zu consta tiren

,

dass Wölbung und Lünetten hier nicht,wi e im Frauen

tepidarium,in der letzten Zeit tubulirt waren . Aber unter der

Decoration der Wölbung und. der Lünetten wird Ziegels tuck

sichtbar,wie der

,welcher unter der Tubulation liegt , und zwar

kann er bi s ziemlich hoch hinauf,bis an den oberen Rand des

Frieses mi t den Schiffen,etwa weiter

,als bis wohin die

Tubulation reicht,co ns ta tirt werd en : es darf also wenigstens

vermuthet werd en,dass a uch hier die Tubulati on sich einmal

über diese Theile erstreckte,dass man s ie aber später, weil man

Die Stabianer Thermen . 1 39

für das Tepidarium eine gem a ss igtere Temperatur wünschenswerth fand

,entfern te

,wahrend m a n sie im F ra uentepid a rium

bestehen liess . Diese Annahme erfährt keinen Widerspruch von

Seiten der offenbar der letzten Zeit Pompej i ’s angehörigen De

ce rati on mit Stuckreliefs ; s ie befreit uns vo n der N o thwend igke it ,entweder an eine verwunderliche Bevorzugung des sonst eher

verna chlässigten Fra uenbades,oder an ein daselbst vo rgen om

menes e xp e r im e n t um i n c o r p o r e v i l i zu glauben : beidesgleich unwahrscheinlich . Trifft sie das wahre

,s o dürfen wir

vermuthen,dass etwa gleichzeitig mit dem Bau der Wanne die

Tubulation von Wölbung und Lünetten wieder entfernt ward .

So ist die Geschichte der beiden Räume,j eder für sich be

trachtet,vollkommen klar. Und zwar ergab sich

a . fur das Caldarium : 1 . ursprüngliche Erbauung ohne Sus

p ensur und Tubulation ; 2 . Anlage der Susp ensur ; 3 . Neuba u

der Ostwand ; Anlage der Tubulati on mit Zerstörung des Nischen

frieses ; 4 . Erbauung der Wanne und der Ziegelmauern am Os t

ende ; Erneuerung der Susp ensur , nicht aber der Tubulation .

b. Für das Tepidarium : 1 . ursprüngli che Erbauung ohneSusp ensur und Tubulation ; 2 . Neubau der Ostwand ; gleichzeitige

Anlage der Suspensur und Tubulati on ; 3 . Erbauung der Wanne,

ohne Erneuerung der Susp ensur (Entfern ung der Tubulation vonWölbung und Lünetten) , N eud eeo rirung .

Hingegen kann man zweifeln,wie diese beiden Reihen von

Daten mit einander zu combiniren sind .

Es liegt in der Natur der Sache,dass Susp ensur und Tubu

lation des Tepidariums j ünger sind a ls die Susp ensur des Cald a rium s

,und. nicht älter als die Tubulati on eben desselben . Sind

sie aber dieser letzteren gleichzeitig oder noch j ünger ? Nach

Nissen ist letzteres der Fall,und zwar schliesst er dies aus der

verschiedena rtigen Herstellung der gefutterten Wande,im Cal

d a rium mit viereckigen Thonröhren,im Tepidarium mit t e g u l a e

m a mm a t a e : in der Anwendung der letzteren glaubt er (S . 1 5 3)eine jüngere C onstructionsa rt erkennen zu dürfen . Darauf ist

zu erwidern,dass ohne Zweifel die j ungere C onstructionsa rt

vielmehr die mit Rohren ist . Es liegt dies zunächst in der Naturder Sache ; denn die Rohren sind eigens für diesen Zweck gebrannt

,während die Wa rzenziege l schon früher benutzt werden

1 40 Cap ite l V .

konnten,um Wande vor Feuchtigkeit zu schutzen . Ferner

,wo

immer in Deutschland,England und Frankreich Badeanlagen

aus spätrom ischer Zeit gefunden werd en , da finden sich auch

diese Th onröhren . Sie finden sich in einem offenbar recht späten

kleinen Bade auf der Südwestecke des Palatin,endlich in Pom

pej i selbst in den neu entdeckten,zur Zeit der Verschüttung

noch im B au begriffenen Thermen am Kreuzpunkt der beiden

Haup tstra ssen (Reg . IX ins . 4 : s . B u l l . d . I n s t . 1 877,S . 2 2 1

Dennoch würde es übereilt sein,nun den umgekehrten

Schluss ziehen und die Fütterung der Wände im Tepidarium

für älter halten zu wollen als im Caldarium : man müsste

dann in letzterem eine Ern euerung annehmen,von der sonst

keine Spur zu finden i st . Entweder ist in beiden Räumen gleich

zeitig diese Vorrichtung hergestelltwe rd en,und man hat

,vielleicht

um mit beiden Systemen eine Probe zu machen,hier das eine

,

dort das andere zur Anwendung gebracht,oder

,wenn wir mit

Rücksicht auf die in Rede stehende Verschiedenheit Gleichzeitig

keit nicht annehmen wollen,s o is t aus allgemeinen Gründen

,

wie schon angedeutet,d ie Futterung der Wände des Tepi

d a rium s für j ünger zu halten . Man konnte für diese letztere

Annahme geltend machen,dass j a im Caldarium ursprünglich

die Röhren,na ch dem Umbau aber die Wa rzenziege l zur An

wendung gekommen sind . Ind e s s ist die Gleichzeitigkeit viel

wahrscheinli cher und kann fast als gewi ss gelten . Denn wir

dürfen doch wohl in keinem der beiden Räume den Neubau der

Ostwand ohne N ischenfries e von der Zersto rung des letzteren

a uf den anderen Wänden,d . h . von der Anlage der Tubula tion

trennen . So lange wir als o an der äusserst wahrscheinlichen

Annahme festha lten,dass der durchgreifende Umbau der ganzen

Ostseite auf einmal erfolgt i st,s o lange können wir auch die

Suspension und Tubulati on d es Tepidariums zeitlich nicht vo n

der Tubulation des Caldariums trennen .

Es wurde schon oben die V ermuthung geäussert , dass die

mangelnde Stuckbekleidung der P feilerchen des Caldariums auf

einen eiligen Bau nach dem Erdbeben zurückgehe . Ebendahin führt die Verstärkung der Mauern und des Gewölbes ,welche durch damals stattgefundene Beschädigungen ihre besteErklärung finden würd e . Hat nun Nissen aus der Verwendung

1 4 2 Cap ite l V .

der Nordwand,einer dunnen Schi cht feinen weissen Stucks

,

deren Stärke etwas wechselt nach den Unebenheiten des Steins

nirgends a ber si ch über 6— 7 Millimeter erhebt .Im Caldarium ist mit voller Sicherhei t zu consta tiren

,dass

die Nischen zuletzt,ehe sie ausgefüllt wurden

,mit Ziegelstuck

ausgeputzt waren . Dagegen tragt ein in die zweite Nische gleich

links vom Eingang vermauertes a bgeschlagenes Gesim ss tück einen

6— 7 M illim . starken weissen Stuck . Ziege lstuck in den Nischen

bei wei ssen Gesimsen konnte unm oglich die ursprüngliche De

ce rati on sein : stellenwei se Verwendung von Ziege lstuck ab

gesehen etwa vom Sockel auf einer ubrigens sorgfältig deco

rirten» Wand wäre unerhört . Und auch hier fehlt es nicht an

einem älteren Rest : in der o stlich sten Nische der unteren Reihe

der Nordwand finden wir feinen,harten

,weissen M a rm o rstuck

auf einer mässig dicken Sand s tuckunterlage , welche bei dem für

die untere Reihe verwandten Kalkstein nothwendig wa r und auf

dem Tuff der oberen Nischen wohl gefehlt haben wird : das ganze

i st c . stark .

Es ist nun eine nicht unwahrscheinliche Annahme,d ass man

bei Anlage der ersten Susp ensur , für welch e j a auch Ziegelstuck

verwandt wurde,mit eben demselben a uch die Nischen

,wo der

alte Stuck schadha ft geworden sein mochte,ausputzte . Da das

Tepidarium damals wahrscheinlich keine V era nd erung erfuhr, s o

kann die dort beobachtete j üngere,ro thweis se Decorati on auch

etwas spa ter gemacht w erd en sein ; früher kaum ,d a die geringe

Beschaffenh ei t des Stuckes verbietet,ihn über die Anfänge der

C olonie hinaufzud a tiren .

Gehen wir von der wahrscheinli chen Voraussetzung aus,dass

die wi chtigeren Veränderungen glei chzeitig im Männer und im

Frauenba d e vorgenommen wurden,so ergiebt sich uns diese

Reihenfolge derselben

1 . Ursprünglicher Bau in vo rrom ischer Zeit , mit Nischen

friesen,ohne Susp ensur und. Tubulati on .

2 . a . Suspension der Ca ld a rien . Im Männerca ldarium wird

die Decorati on der Nischen in Ziegels tuck erneuert.b . Ro thweisse Decoration des Männertep id arium s .

3 . a . Neubau der Ostwänd e in beiden Ca ld a rien und. imM ännertep ida rium . Erweiterung einiger Thüren und

Die Stabian er Thermen . 1 4 3

Verkleidung derselben m it Ziegeln . Tubula ti o n d er

Ca ld a rien ; Suspensio n und Tubula ti on der Tep id a rienmit Ausschluss der Wölbungen und Lünetten . Zer

störung der N ischenfrie se .

b. N eud ee o rirung vonWo lbung und Lünetten wenigstens

im F rauentepida rium ; ebenda Schliessung des kleinenFensters in der Ostwand .

4 . Neubau der Westwand d es Fra uenba des,mit breiten

,

innerhalb der Lünetten liegenden Fenstern . Tubulation

der Lünetten und Wölbungen der Tep id arien .

5 . a . Umbau der Westwand d es Frauenbades mit

breiten,über die Lünetten hinausreichenden Fenstern .

b . N eud e eo rirung mit the ilweiser M a rm o rbekleidung ;

Entfernung der Tubulati on von der Wölbung und den

Lünetten im Männertep id a rium . Bau der Wanne imFrauenap o dyterium und M ännertepida rium ; Erneue

rung derselben,verbunden mit anderen Ziegelbauten

,

im Männerca ld arium (und im Frauenca ld a rium ? j eden

fa ll s wurde sie hier dam als mit Ma rmor bekleidet) .

Erneuerung der Susp ensur im M ännerca ld a rium .

Hiervon fällt wa hrscheinlich 2 in die sullanische Zeit,5 nach

63,3 und 4 in die Zwi schenzeit . Wann d a s F rauena p o dyterium

durch die Herstellung einer Thur in der Südwand von der Pa

la e stra aus zugänglich wurde,d a s zu bestimmen fehlt j eder Anhalt .

Endlich ist noch eine merkwürdige Veränderung zu erwähnen,

deren Zeit a ber dunkel bleibt und welche uberhaup t noch naherer

Aufklärung bedarf. Es scheint nämlich sicher,dass in dem

kleinen,von der Porticus und früher auch von der Strasse (bei

zuganglichen Vorraum des Männerbades,aus dem m an nörd

li ch in ’

s Frigidarium w,ostlich in’s Apodyterium u gelangt

,früher

einmal ein Badebassin war,welches den ganzen westlichen Theil

des Raumes,mit Freilassung nur eines nicht breiten B and es

,ein

nahm . Da s Mauerwerk,

'

namentlich aber die dicke Schicht einer

dem o p u s S i g n in um ähnlichen Masse , mit der es bekleidet ist ,i st auf der Westseite gleich an der Thür aus der Porticus

und auf der Ostseite gerade vor der Thur in’s Frigidarium

auf’ s deutlichste sichtbar . Eine nähere Untersuchung wa re

äusserst wünschen swerth .

1 4 4 Cap i te l V .

Es ergieb t si ch dabei , dass von den beiden Thuren der

aus der Porti cus und der in’s Frigidarium die eine durch

dies Bassin gewissermassen gesperrt war,wenn gleich der Rand

breit genug ist . um allenfalls auch als Passage zu dienen , die

andere einen unbequemen Platz ha tte . In Betreff der Thür aus

der Porticus könnte man a llenfalls vermuthen,sie sei

,wie die

des Frauena p o dyterium s,erst nachträglich

,nach Ausfüllung des

Bassin s,durchgebrochen w e rd en

,s o dass ursprünglich auch

das Männerba d keine directe Verbindung mit der Palaestra ge

habt hätte . Und für eine solche V ermuthung könnte angeführt

werden,dass auch diese Thür keine Ka lks teinpfo s ten hat

,

sondern das Incertum unmittelbar an sie hinantritt. Hingegen

musste das Frigidarium doch wohl immer von dieser Seite zu

gängl ich sein ; denn eine frühere Verbindung mit dem Tepidari um

anzunehmen verbietet der Cha rakter der Zwischenmauer,welche

mit ihrem alten Incertum und dem N ischenfries offenbar dem

ursprüngli chen Bau angehört und keine Spur einer etwa zuge

setzten Thür zeigt. Wenn wir nun aber finden,dass die Pfosten

der Thür des Frigidariums aus ziemlich gro ssen ziegelförm igen

Kalksteinen bestehen eine dem ursprünglichen Bau fremde,

etwa auf sullani sche Zeit deutende C on structio n sa rt s o müssen

wir doch wohl annehmen,dass hi er na ch Ausfül lung des Bassins

eine Veränderung stattgefunden ha t,uber die wir aber bei der voll

komm enen Erha ltung des - Stucks näheres ni cht ermitteln können .

Die Ausfüllung des Bassins könnte man mit der Anlage der

Piscina a: an der Palaestra in Verbindung bringen ; denn alle

die Räume a uf der Westseite der Palaestra gehören nicht dem

ursprüngli chen Bau an,sondern zeigen j ungeres Mauerwerk .

Es steht nichts im Wege,anzunehmen da ss hier Uu lius und Aninius

thätig waren , und z . B . das De strictarium,wie a uch Nissen

(S . 1 5 7) thut , hier zu suchen ; doch sind dann die j etzt ve rlie

genden Bauten,abgesehen von der Piscina

,schwerl ich noch die

dama ls von ihnen hergestellten : ihr Mauerwerk gleicht etwa

dem des Umbaues der Ostseite .

Eine weitere Steigerung der Hitze finden wir in den 1 877

ausgegrabenen Thermen,die i ch wegen ihrer Lage im Centrum

der Stadt,am Kreuzpunkt der beiden Haup tstra ssen ,

die Cen

1 4 6 Capite l v.

d arium aus zugänglich war,entspricht vollkommen der Vorschrift

V itruv’

s (a . a . O .) und der Bestimmung dieser Räume . Denn dasTepidarium benutzten noch alle Besuch er ; von da aus aber gingendie einen in’s warme Bad ( c a l d a r i um ) , die anderen in

’s Laco

nioum (oder a s s u m ,C ie . a d Q u . fr . III

,1,2 ) um hier im s i c c u s

c a l o r (Cels . II , 1 7 , 1 ) zu schwi tzen . Auch Vitruv dachte sich

das Laconicum mit tubulirten Wänden : i p s um q u e a d c i r c in um

fi e r i o p o r t e r e v i d e t u r,u t a e q u a l i t e r a m e d i o f l am m a e

v a p o r i s q u e v i s p e r c u r va tu r a e r o tun d a t i o n e s p e rva

g e tu r . Diese Worte sind doch wohl nur so zu verstehen,dass

in dem runden Raum die Wärme leitenden Hohlwänd e überall

gleich weit vom Mittelpunkt entfernt sind . Nissen’s Zweifel

(S . ob di e Tubulation der Wände V itruv bekannt gewesensei

,wird hierd urch widerlegt .

Einen s olchen Raum enthalten die Stabianer Thermen nicht,

wahrend doch die bekannte,in einem Zimmer an der Nordseite

der Palaestra gefundene Inschrift den Duumvirn C . Uulius und

P . Aninius die Herstellung eines solchen zuschreibt. Die Inschrift

lautet

C °V V LIV S ° C ° F ° P °AN IN IV S C ° F l l °V ° I° O

LAC O N IC VM ET DEST RICTARIVM

FAC IV ND° ET ° PORT !CV S °ET ° PALAEST R

EA ° P EO.V N IA O .V O O EO S E LEGE ‘

IN LV DO S AV T IN ° N\O N VM EN T O

C O N SV N\ERE O P O RT V IT ° FAC IV N

C O ERARV N T ° EIDEM Q V E ° PRO BARV

Dass sie sich auf eben diese Thermen bezieht , ist nie be

zweifel t word en . Nachdem nun aber in nicht allzu grosser Entfernung (IX ,

4 ) eine Thermenanlage mit einem Laconicum gefunden ist

,wird es vielleicht nicht überflüssig sein

,zu bemerken

,

dass an eine Verschleppung von dort her nicht gedacht werden

kann . Es darf als sicher gelten , dass diese neuen Thermen zurZei t der Verschüttung nicht reparirt, sondern ganz neu angelegt

wurden,das s sp ecie ll die Hallen der Palaestra auf einem Grunde

angelegt wurden,der bi sher von ganz anderen

,auf verschiedenem

Niveau liegenden Räumen,ve rmuthlich Privathäusern

,einge

Die Stabianer The rmen . 1 4 7

nommen war. Also hierauf kann sich die der sullanischen Zeitangehörige Inschrift nicht beziehen .

Fern er ist von Nissen mit vollem Recht hervorgeh oben

we rd en,dass e s unthunlich is t

,das Laconicum anderswo zu

suchen,als in dem um den Heizapparat grupp irten Complex

erwärmter Räume . Auch verwirft er mit Recht den Ausweg,

anzunehmen,dass die s c h o l a l a b r i hier Laconicum genannt

s ei,theils

,wi e er selbst hervorhebt

,weil dies eben der vom

Ofen entfern teste Theil des Ca ldariums ist,theils weil

,wenn das

Caldarium später um di esen Thei l erweitert werd en wäre,dies

sicher kenntlich sein würde . S o bleibt wohl nichts anderes übrig,

als mit Nissen unter l a c o n i c u m hier das Caldarium zu verstehenund l a c o n i c um fe c i t mit b a l i n e um s u s p e n d i t zu erklären .

Ein weiterer Gebrauch des Wortes l a c o n i c u m dürfte auch beiDie Cass . LIII

,2 7 anzunehmen sein ; denn Agrippa baute doch

wohl nicht nur ein Laconicum im engeren Sinne,sondern eine

ganze Badeanlage . Obige Erklärung können wir uns um so mehr

aneignen,a ls wir zu dem Resultat gekommen sind

,dass das

Männerca ld arium nicht,wie Nissen annimmt

,zu einer Zeit

,wo

man auch die Wande tubulirte,susp endirt wurd e , s ondern schon

früher,so dass wir nicht gezwungen sind

,mit ihm bei l a c o

n i o u m fe c i t nur an die Suspension des Frauenbades zu denken .

Aus diesen Gründen,und weil die Susp ensur nicht wohl

dem ursprünglichen Bau angeho ren kann , haben wir oben diem it 2 bezeichneten Vorgänge in die sullanische Zeit versetzt

,d . h .

auf die Thätigkeit des C . Uulius und P . Aninius zurückgeführt .

Ueber die P o rtiken handelt Nissen S . 1 4 9 ff. Die gekanteten

dori schen Tuffsäulen,der Styl obat mit der durch viereckige

Bassins unterbrochenen Rinne,stimmen zu dem Charakter der

alten Theile des Baues und weisen gleichfalls auf die Tuffp erio d e .

Ihre letzte,im Geschmack der letzten Zeit Pompej i’s gehaltene

Umgestaltun g,mit Einhüllung der Säulen in einen dicken Stuck

mantel,erfuhren sie ohne Zweifel nach 63 .

Nun wird aber bei Nissen S . 1 50 , nach BeobachtungenSchöne’s ausgeführt

,dass damals auch die Anordnung der Säulen

verändert,sro weiter aus einander gerückt word en seien : die

D istanzen von Centrum zu Centrum seien ursprünglich ge1 0

"

1 4 8 Cap ite l V .

wesen , j etzt aber Die ehemalige Anordnung soll aus dentheilweise stehen gebliebenen Lehren noch vollkommen zu erkennen sein .

Ich weiss nicht , ob es sich hier vielleicht um ein M issve rstandniss handelt. Meine Beobachtungen sind folgende .

Die Säulend istanzen der Ostp o rticus sind nicht sehr gleichma ssig ; von Norden an betragen sie (von Centrum zu Centrum)

Von den Saulenlehrenhabe ich keine Spur gefunden . Dagegen entsprechen die vi er

eckigen Bassins,durch welche die Regenrinne unterbrochen wird

,

regelmässig j eder dritten Säule,was doch wohl darauf führt

,

dass die Anordnung der letzteren so alt ist,wie die Rinne mit

ihren Bassins,d . h . vi el älter als die Umgestaltung und Ver

dickung der Sanlen . Richtig ist es,dass auf der Südseite

,

dem j etzigen,späteren

,Eingang (y, der ältere bei 8 ist ver

mauert) entsprechend , nachträglich eine weite Oefi'

nung geschaffen

werd en i st : diese nebst den zwei längli chen Pfeilern mag etwa

4 Säulen entsprechen : ähnlich ist auf der Nordseite verfahren

we rd en . Auf dem Westende sollte das letzte Interco lumnium

dem Sphaeristerium,oder was es sonst ist

,entsprechen

,und

musste deshalb weiter sein,als die übrigen . Es ist aber auch

das zweite weiter,und zwar kommt die Rechnung z iemlich genau

aus,wenn man annimmt

,dass hier zwei Säulen fortgenommen

und nur eine etwa in die Mitte d es Interco lumnium s gestellt

we rd en i st . Wir können also auch hier mit einiger Wahrschein

li chkeit eine nachträgliche Aend erung vermuth en .

Die östliche Säulenreihe misst von Centrum zu Centrum

rechnen wir dazu einen Säulendurchmesser so nimmt die ganze

Reihe einen Raum von 1 2 4 ' 5 " osk . 1 1 5 ' röm .

ein . Es ist mithin eine nicht ganz von der Hand zu weisende

Annahme,dass 1 2 5 ' o sk . beabsichtigt waren

,und dass di e Ah

weichung um einen halben Fuss auf Rechnung der ni cht ganz

genauen Ausfuhrung zu setzen ist : für einen stringenten Beweis

ist das Zutrefi"

en nicht genau genug .

Erst bei Gelegenheit des Therm enbaues sind,wie es scheint

,

zwei Inseln zu der ungewöhnlich grossen VII,1 vereinigt wor

1 50 Cap ite l V .

Wande,i st nich t festzustellen : die fur die Wanne bestimmte

Nische am Ostende,mit dem Loch in der Mauer für die Heizung

unter dem Fussboden,ist j ünger . Das Tepidarium (Malerei

im dritten Sti l) hat weder Suspensur noch Tubulation , sondernwurde erwärmt durch die aus dem Caldarium vermittelst eines

runden Loches in der Zwi schenwand einströmende warme Luft .

3 . D om u s M . C a e s i B l a n d i (VII, 1 , 4 0 Fiorelli D e s c r .

S . d eco rirt im zweiten Stil. Das Caldarium hat Susp ensurauf Ziegelpfe ilern ohne Stuck , an den Wänden Tubulation mit

t e g u l a e m a mm a t a e . Das Tepidarium hat keine Leitung inden Wänden

,wohl aber Susp ensur , wie der eingesunkene Boden

beweist. In der Zwischenwand ein Loch.

4 . VII,1 5 1 . 2

,das Caldarium im zweiten

,das Tepidarium

im dri tten Sti l gemalt,wie es scheint gleichzeitig

,al s o aus der

Uebergangszeit zwischen beiden Stilen . Das Caldarium hat

Susp ensur auf Ziege lpfe ilern ohne Stuck , an den Wänden t e g u l a e

m a m m a t a e . Im Tepidarium keine Tubulati on,wohl aber

,wie

es scheint,Susp ensur .

5 . C a s a d e l T o r o (D omu s L . P o n t . S u c c e s s i,V,1,

gemalt im dritten Stil . Caldarium und Tepidarium susp endirt ;

auf welche Art,is t nicht festzustellen . B ohle Wände (mit t e g u l a e

m a m m a t a e ) nur im Caldarium . In der Zwischenwand ein

rundes Loch .

6 . C a s a d e l L a b e r i n t o (VI , 1 1 , Malerei im dritten

Sti l . Caldarium und Tepidarium haben Susp ensur auf Cylin

dern,wie 1

,und an den Wänden t e g u l a e m a m m a t a e .

7. C a s a d e l c i t a r i s t a (D o mu s L . P 0 p i d i S e cu n d i

Au g u s t i a n i , I, 4 , Malerei im letzten Stil . Caldarium und

Tepidarium sind susp end irt (wi e , i st nicht kenntlich) und habenan den Wänden t e g u l a e m amm a ta e .

8 . V i l l a d i D i o m e d e (Fiorelli D o s e r . S . Ma lerei

im letzten Stil . Das Caldarium hat Susp ensur deren B eschaffenheit nicht deutlich und t e g u l a e m am m a ta e

,das

Tepidarium,wie es scheint

,keins von beiden

,dagegen ein rundes

Loch in der Zwischenwand.

9 . IX,7,1,erst j etzt (1 879) ausgegraben , gemalt im letzten

Stil . Caldarium und. Tepidarium haben Susp ensur auf Thoncylind ern und. t e g u l a e m amm a t a e . Im Tepidarium sind letz

Die Stab ianer Thermen . 1 5 1

tere nur auf zwei Wänden,und auch hier erst nachträglich ge

legt : man sieht unter der Tubulation die ältere,aber auch schon

im letzten Sti l gehaltene Decoration .

Es ist also die Steigerung der Warme auch hier zu verfolgen .

Unter den 3 zur Zeit d es zweiten Decora tionsstils schon vor

hand enen Bädern (2 . 3 . ist zwar nur eines welches im

Caldarium sich mit blosser Susp ensur denn diese wird doch

wohl vorhanden gewesen sein ohne hohle Wände begnügte ;dasselbe erwärmte das Tepidarium nur durch die aus dem

Caldarium durch ein Loch in der Zwischenwand welches auch

in 4,falls hier keine Susp ensur sein sollte , vorausgesetzt werden

muss einströmende warme Luft ; die beiden übrigen begnügten

sich im Tepidarium mit der Susp ensur . Und s o i st es auch noch

in 5,dessen Malerei dem dritten Stil angehört

,während wir

neben demselben Stil in 6,und in 7 bei Malereien der letzten

Zeit,auch im Tepidarium den vollständigen Heizapparat finden.

Auffallend scheint es auf den ersten Blick,dass in 8

,bei

Malereien letzten Stils,die Heizvorrichtungen mit 2 stimmen ;

doch löst sich das Räthsel sehr einfach . Die s og . Villa des

Diomed erhielt ihre j etzige Gestalt schon zur Zeit des zweiten

Deco ra tionsstils , dessen Malereien noch in verschiedenen Räumen,

sowohl oben als auch unten am Garten,erhalten sind . Es is t

demnach kaum zu bezweifeln,dass aus derselben Zeit die Ein

richtungen des Bades stammen und unverändert blieben,auch als

man in der letzten Zeit Pompej i’s die Wände neu bemalte. Aus

nahmsweise glaubte man in 9 noch zur Zeit des letzten Stils

anfangs sich für d a s Tepidarium mit blosser Susp ensur begnügen

zu können,kam aber bald davon zurück .

Capitel V I .

Sep t a.

Der von Nissen (S . 1 85 ff.) als Septa , fruher meist als Schulebezeichnete Bau wird von ihm (S . 1 90 f.) einschliesslich der Tuffpfeiler am Forum auf Grund der Masse in römische Zeit gesetzt.Seine Masse sind im wesentlichen genau und gegen die Reducti on auf römische Fuss wäre an sich nichts einzuwenden ; frei lich

giebt er selbst an,dass das erste und zweite Lumen genau 9 '

oskisch misst . In Betreff des ersten ist dies nicht ganz genau : esmisst nur 8 ' 1 1 ” oskisch

,doch würde es keine Schwierig

keit haben,dies auf Rechnung ungenauer Ausführung zu setzen

,

wie auch die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen sein dürfte,

dass für die beiden letzten Lumina und. das beab

sichtigte Mass eben 9 ' oskisch war. Wenn wir nun

auch anerkennen,dass dieselben Masse sich auf 8 ' 3— 4 ”

röm .

reduciren lassen , dass also d a s beabsichtigte Mass röm .

eine durchaus nicht unannehmbare Grösse gewesen sem

kann,s o erford ert doch die Billigkeit

,nun auch andererseits

anzuerkennen,dass die meisten der von Nissen auf ganze römi sche

Fusse reducirten Entfernungen,wenn wir si e auf o skisch es Mass

reduciren,auch keine grösseren Brüche geben

,als Fuss.

4 ' röm . sind etwas mehr als o sk .

,3 ’

röm . osk . Das

gewichtigste Argument für römisches Mass l iefert der von Nissen

auf 1 0’ berechnete mittlere Eingang : er misst 10'1 " röm .

1 0’ 10" osk .

Ich gebe im folgenden die Masse der dem Forum zuge

wandten Pfeiler und Oeffnungen in derselben Reihenfolge und

1 5 4 Capite l VI .

teren Reihe annehmen,w elche stattgefunden haben musste , ehe

j ener alte Stylobat bis auf die genannten Basen fo rtgehauen

wurde : eine höchst bedenkliche Annahme , da eine solche Um

stellung wegen der dann nicht mehr passenden Gebälkstücke

sehr schwi erig sein musste .Das südlich an die sog . Schule anst ossende Haus regel

massiges Atrium aus Kalkstein muss schon früh spätestens

als die F o rum sp o rticus gebaut wurd e links von seinem Ein

gange zu Gunsten des Forums verkürzt we rd en sein , wenn es

ni cht , was auch nicht unmöglich , gleich von Anfang an mit Rück

sicht auf das Forum s o gebaut wurde . Dagegen hatte es ur

sprünglich die Z immer links (N .) vom Atrium und wurde derselben erst später zu Gunsten der sog. Schule beraubt : di eoffenbar späte V ermauerung der Thüren liefert den Beweis .

Das Haus hat links am Eingang einen unten c . di cken

Tuffpfeiler , der zugleich den linken Eingangspfeiler der v i a

d e l l e s c u o l e bild ete . Und ein eben solcher Pfei ler stand,wie

es scheint,auch ganz im Anfang (S .) des zu Gunsten des Forums

zurücktretenden Theils der Front , den Abschluss der Ostseite

d es Forums bildend : j etzt i st davon nur der unterste,c. lange

,

c . aus dem Boden ragende Stein erhalten . Nissen S . 1 92

halt diesen Stein für die Schwelle einer vermauerten Thür,durch

welche einst das Tribunal einen separaten Zugang vom Markte

aus gehabt habe . Eine Schwelle aus Tuff ist schon an sich

verdächtig ; sie musste , bei der Beschaffenheit des Steines , sehr

abgenutzt sein,was durchaus nicht der Fall ist ; der Augenschein

lehrt ohne Weiteres,dass wir es hier mit dem untersten Stein

eines der gewöhnli chen Tuffpfeiler zu thun haben . Es folgt dann

(nach N.) ein weiterer Tufl°

pfeiler und das von Nissen

S . 1 93 erwähnte Suggestum beide aber sind j üngeren

Ur°spr°ungs ; denn sie stehen auf Fundamenten aus Incertum,

welche c . aus der Erde ragen,also sicher nicht von Anfang

an bestimmt waren,Tuffpfeiler zu tragen

,deren unterster Stein

stets im Boden liegt. Es stand als o das Tribunal wohl inVerbindung mit einer Vorrichtung, um irgend etwas auf

’s Forum

hinaus zu verkünden,war aber nicht von dieser Seite zugänglich .

Zur Vervollständigung obiger Tabelle folgen hier noch dieMasse der eben besprochenen Theile :

Sep ta . 1 5 5

der a lte Pfe i ler 4'I l

"o sk . 3

'7" rom .

der jüngere Pfe i ler 7' 7

'

Suggestum 10'1 1 10

'

Es is t klar,dass die einzelnen B estand theile des Baues ver

schiedenen Zeiten angehören . Die Reihenfolge , soweit sie sich

feststellen lässt,is t folgende :

1 . Pfeiler am Forum ,j edenfalls als Front eines im allge

meinen dem j etzt vorliegenden ähnlichen B aumes .

2 . Pfeiler der Nordseite an der s t r a d a d e l l ’ Ab b o n d an z a ;Herstellung der West und. Südmauer in ihrer j etzigen Gestalt

(Qua sire ticula t mit Ziegelecken) ; Vergrösserung auf Kosten desNebenhauses zum Zweck d es Baues der Tribüne . Dass alles dies

gleichzeitig ist,geht daraus hervor

,dass erstens da s Ziegelwerk

der Südostecke und der Südmauer dem der Pfeiler auf der Nordseite ganz gleichartig ist

,auch im Mörtel

,bestimmt geschieden

von dem östlichsten Stück der Nordmauer,zweitens die Thüren

nördli ch am Atrium des Nebenhauses mit eben j enem Quasi

reticula t vermauert sind.

3 . Herstellung des Ziege lstucks am Ostende der Nordmauerund des anstossenden Stücks der Ostmauer . Die Ziegel habenhier eine hellere Farbe

,auch der Mörtel ist anders : ihm fehlen

die grossen Lavabrocken , er sieht gelblich aus statt weiss und

schwarz und. is t viel weniger hart . Das erwähnte Stück derOstmauer hat Reticula t nur als Ausfüllung der Verzahnungen

,

und hier unterscheid e t . es si ch bestimmt von dem der älterenTheile : es ist hier viel Oruma und Tuff

,dort durchweg Lava

und. Kalkstein verwandt namentlich an solcher Stelle kommt

Oruma dort nicht vor ; ferner ist das Reticula t hier feiner , die

Mörtelschichten dünner. Im übrigen besteht dies Mauerstückaus Incertum .

4 . V ermauerung der Lumina : kann mit 3 gleichzeitig sein .

Capitel V II.

1) i e'

B a s i l i(Hierzu Taf. H.)

1 5 8 Cap ite l VII .

werd en darf: denselben zu liefern ist nicht versucht we rd en. Istder Grundplan nicht auf ein Tribunal berechnet

,s o können d ie

beiden an den Vorderecken des letzteren stehenden und zum Theil

in die Mauern desselben eingebundenen Säulen dem ursprüng

li chen Grundplan nicht angehören ; denn theils sind sie mit dem

Tribunal untrennbar verbunden,theils erklärt sich ihre von den

Dreiviertelsäulen des Haupteinganges abweichende Stellung nur

durch die Rücksicht auf dasselbe : ein Blick auf den Plan lässt

darüber keinen Zweifel . Eine solche Annahme aber stösst auf

erhebliche Schwierigkeiten,auf die wir noch zuruckkomm en. Es

kommt also alles darauf an,ob der unter 4 aufgeführte Grund

stichhal tig ist,d . h . ob sich Spuren eines Umbaues

,wie ihn

Nissen annimmt,nachweisen lassen .

Diese Untersuchung wird dadurch erleichtert,dass di e B a

silica wie aus einem Guss gebaut ist ; Steine , Mörtel und Bauart

sind ubera ll gleich : j eder fremdartige Zusatz müsste als solcher

ohne weiteres kenntlich sein . Das Mauerwerk ist treff liches

o p u s in c e r t um ,ausschliesslich aus Lava ; der Mörtel erscheint

wegen der Beimischung zerstossener Lava schwarz punktirt ; die

Säulen,sowie die ganze Ostfront

,sind aus Ziegeln . Die Pfeiler

der Vorhalle,Geba lkstücke und kleinere Säulen , Halb und Drei

viertelsäulen,über deren Bestimmung man nicht im B einen i st ,

die Pfosten des Nord einganges,endlich auch die Basen der Halb

säulen sind aus Tuff. Ganz besonders charakteristi sch ist die

Art wie die Ecken gebildet sind : grössere,aber lange und flache

Lava stüeke (an der Südwestecke hoch) sind so gelegt,dass sie mit ihrer Länge sich abwechselnd in die eine und indie andere Mauer erstrecken . An den beiden frei liegenden

Flächen sind sie ziegelartig behauen , im übrigen roh .

Schon im J. 1 873 habe ich es ausgesprochen (G i o rn . d .

S c a v i d i P om p e i II S . dass das Tribunal nicht j ünger sein

kann als die im Jahr 78 v . Chr. schon vorhandene (C . I . L . IV,

1 84 2 ) Stuckd eco ra tion der Basilica,welche in ganz gleicher

Weise auch die Vorderseite desselben bedeckt . Nissen stelltdem eine Aussage Schöne’s gegenüber

,nach welcher die Deco

rati on des Tribunals einen etwas abweichenden Charakter ( „ sehrhoch aufgetragene Qua d erfeld er und comp licirtere Einfassungen

)zeigt (S . ausserdem wird für ihn der Werth meines Zeug

Die Ba s i l ica . 1 5 9

nisses sehr wesentlich dadurch beeinträchtigt,da ss ich auch in

der Bauart des Tribunals nichts finde,was auf nachträgliche Ent

stehung deutet .Der scheinbare Widerspruch zwischen Schone und mir kla rt

sich dadurch auf,dass wir von verschiedenen Dingen reden

Schone von der inneren Decoration,i ch von der der Vorder

(Aussen-)Seite , während in B etreff der Inn end eco ra tion meinZeugniss (S . 391 ) mit dem Schöne

’s übereinstimmt . Ich fügej etzt hinzu

,dass auch die innere Decorati on sich trotz einiger

Verschiedenheit zu eng an die der ganzen Basilica anschliesst ,um eine spätere Entstehung glaublich scheinen zu lassen

,und.

dass auch die Bauart den p osi tiven Beweis für die gleichzeitigeEntstehung des Tribunals und des ganzen Baues liefert.

Der Unterbau nämlich und die Mauern des Tribunals zeigen

genau dasselbe ausschliesslich aus Lava bestehende o p u s i nc e r tum

,genau denselben Mörtel wie die ganze Basilica

,und

genau in der oben bezeichneten Weise sind auch hier die Ecken

gebildet (die Steine sind hoch) . Da diese Bauweise

keineswegs häufig ist,sondern nur noch an einigen wenigen Ge

bänden sich findet,da ferner an eine absichtliche Nachahmung

nicht gedacht werden kann denn nicht nur sollte der Unterbau des Tribunals von Anfang an mit Stuck bekleidet werden

,

sondern,wenn es nachträglich hinzugefügt werd en wäre

,s o

hätten,als dies geschah

,die Ecken des alten Baues wegen des

Stucks nicht si chtbar sein konnen ; endlich fehlt für eine solche

Nachahmung j ede Analogie s o ist diese Gleichheit eine voll

gültige Widerlegung der N issen’

schen Hypothese . Zu dieser Bil

dung der Ecken passt vortrefflich die horizontale Wo lbung desnördlichen der beiden Fenster des Souterrain , sorgfältig hergestellt aus ahnlichen flachen Lava steinen ,

die aber nicht genau

an einander gepasst,sondern durch Mörtel verbunden sind . Nur

das südliche Fenster liegt in dem Theil,dessen geflicktes Aus

sehen Nissen,statt auf eine Restaurati on

,lieber auf den ur

sprünglichen Bau des Tribunals zurückführen möchte . Ferners ind

,wie schon bemerkt

,die Säulen an der NO und SOecke

des Tribunals von diesem selbst,in dessen Mauern sie zum Theil

eingebunden sind,unzertrennlich . Auch ihre Stellung erklärt

sich nur durch die Rücksicht auf dasselbe : sie liegen nicht ganz

1 60 Cap ite l V II.

in gleicher Linie mit den Säulenreihen der Langseiten,sondern

etwas mehr gegen di e Seitenwände , während die entsmechend en

Säulen am Eingang in entgegengesetzter Richtung,gegen die

Mitte hin,abweichen : ohne allen Zweifel sind j ene beiden Säulen

a us einander gerückt,weil zwi schen ihnen das Tribuna l

„einge

zwängt “ werden sollte . Nun sind aber diese Säulen ganz in

derselben e igenthüm lich en Weise aus Ziegeln von ganz besonderer

Form hergestellt,wie die übrigen Säulen

,und gleichen ihnen s o

vollkommen,dass auch hier an einen späteren Ursprung nicht

gedacht werden kann .

Nicht weniger zwingend ist der von der Stuckd eco ra tion

hergenommene Beweis . Die Decoration der Westseite des Haupt

raumes,d . h . der kurzen Wandstücke zwischen den Vorderecken

des Tribunals und den eben erwähnten Säulen ist einerseits vollständig identisch mit der des ganzen Hauptraumes

,sieht auch

nicht im geringsten neuer aus als die der übrigen Wände,anderer

seits bedeckt sie M auertheile,welche dem Tribunal untrennbar

angehören,j a die Mauerstücke selbst zwischen den Säulen und

dem Tribunal konnten ohne dies letztere gar nicht existiren .

Ganz besonders deutlich i st es an der nördlichen Ecke,dass die

Decoration dieser Mauerstücke,wo sie mit derj enigen der vor

Spr°ingenden Seitenmauer des Tribunals zusamm entriflt, uber der

selben liegt,also später gemacht ist . Mithin ist das ganze Tri

bunal älter als die Decorati on,deren Existenz im J. 78 v. Chr .

inschriftlich bezeugt ist .Die innere Decoration des Tribunals weicht allerdings

von der des Hauptraumes ab : sie zeigt namentlich reichere Profi le

,und die im itirten Marmorplatten treten mehr aus der Wand

hervor ; doch sind diese Abweichungen um nichts grösser alsz . B . di ej enigen der verschiedenen Räume der c a s a d e l F a u n o

,

und erklären sich hinlänglich aus dem verschiedenen Charakter

der beiden Räume : dass ein reservirter Raum mit grössererS orgfalt d eco rirt ward

,ist nur natürlich

,und. daraus auf zeitliche

Verschiedenheit zu schli essen ganz unstatthaft. Bei al ler Ver

schied enheit aber schliesst sich in e i n e r Beziehung die Decoration

des Tribunals genau an die des Hauptraumes an . Im Hauptraum

wird in j edem Interco lumnium der S ockel durch ein hohesRechteck

,vi olett mit grünem ,

nach der Art dieser Decora

1 62 Cap ite l V II.

schliesslich des no rd lichen Kellerfensters,von dessen Construction

oben die Rede war . Es ergiebt sich also hier mit Sicherheit,dass das Tribunal mit seinem Souterrain und dessen Fenstern

unzweifelhaft der ursprunglichen Anlage angeh o rt, und dass von

dieser Seite di e Basilica stets geschlossen war .

Die Ausflickung hielt Schöne (S . 1 97) für „nicht durchaus

modern “

,i ch glaube aber mit Bestimmthei t versichern zu können

,

dass sie di es doch ist . Das Mauerwerk ist ganz gleichartig,

s o dass nur die Wahl bleibt,es entweder für ganz antik oder

für ganz modern zu halten,und zeigt

,aus Fragmenten der

verschiedensten Art bestehend,durchaus den Charakter vieler

modern en Restaurationen Pompej i’s. E s ist s o h och geführt,dass

eine gerade Linie hergestellt i st : ein Verfahren,welches genau

s o noch j etzt bei den Restaurationen üblich ist,während es nu

glaublich scheint,dass die zerstö rende Wirkung der Zeit zu eben

diesem Resultat geführt haben s ollte .Betrachten wir nun die Rückwand des Tribunals von innen .

In den Ecken ist j e eine V ierte lsäule angebracht , zwischen ihnen

vier Halbsäulen . Von allen diesen ist nur di e Basis und noch

ein langes Stück des Schaftes aus Tuff. Darüber ist

die V iertelsäule der linken Ecke aus Lava stüeken aufgemauert,wi e auch die Halbsäulen der Seitenwände : da die Ha lbsäuleir

des Hauptraums der Basilica ebenso gebildet,nur statt des Lava

bruchsteins dort Ziegel verwandt sind,so i st dies ein weiteres

Argument gegen eine nachträgliche Einfügung des Tri bunals . Ohne

Zweifel waren in gleicher Weise auch die Halbsäulen der Rück

wand und die V iertelsäule der rechten Ecke aufgemauert : j etzt

stehen auf den Füssen der Halbsäulen Stücke von ganzen Saulen,

noch mit Stuck bekleidet . Man könnte auf den Gedanken kom

men,als s ei die Mauer mit den Halbsäulen nur ganz niedrig

gewesen,und diese letzteren oberhalb der Mauer durch frei

stehende Säulen fortgesetzt gewesen ; und. dies scheint di e MeinungMa zo is

’ gewesen zu sein (III pl . XVII , c o u p e e n t r a v e r s ) .

Doch ist dies schon aus Zweckm a ssigkeitsgrund en nicht glaub

lich ; d ie auf dem Tribunal befindlichen Personen würden dem

lästigsten Zugwind ausgesetzt gewesen sein,und wenn s ie

,was

doch sicher der Fall war,gegen die Basili ca hin zu sprechen

hatten,so wurde es ihnen durch den Mangel einer Rückwand

Die Bas i l i ca . 1 63

sehr erschwert,sich verständlich zu machen . Und auch der

Tha tbestand is t obiger Annahme nicht günstig . Die beiden

Trommeln der ersten Ha lbsäule (von ergeben sich durch

fla chere Canne luren und breitere Stege al s nicht zu dem Fusse ,auf dem sie stehen

,gehörig ; da sselbe gilt von den beiden Trom

m eln der folgenden , welche überdies beide auf dem Kopfe stehen .

Von derselben a bweichenden Art sind die Trommeln der beiden

übrigen Halbsäulen ; auf dem Fuss der rechten V iertelsäule

steht gleich das oberste Ende einer Säule . Alle diese Flickerei

wäre undenkbar,wenn dies der Anfang zu wirklichen Säulen

oder Halbsäulen wäre,erklärt sich aber vollkommen

,wenn es

sich nur um einen r i s t a u r o bis zu der j etzt vorhandenen Höhe

handelte,und ist ohne Zweifel modern . Da s Tribunal war hinten

geschlossen durch eine Mauer mit Halbsäulen,welche über Tuff

basen aus dem Lava incertum der ganzen Basilica aufgemauert

waren . Auch an den Vorderecken des Tribunals sind auf die

theilweise zerstörten Dreiviertelsäulen Trommeln ganzer Säulen

aufgesetzt,welche links (S .) auch auf dem Kopfe stehen : es wird

wohl alles dies modern e Flickerei sein .

Also mehr Eingange a ls in der letzten Zeit hat die Basilica,

s o viel sich erkennen lässt,nie gehabt : wohl aber lässt sich

wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit erweisen,dass einer

der vorhandenen Eingänge,und zwar der südliche

,erst nach

träglich angebracht we rd en i st .Es ist sch on Verdacht erregend

,dass die Pfosten dieser

Thur aus Ziegeln,die des entsprechenden Nordeinganges aus

grossen Tuffblöcken gebildet sind,welche theils aufrecht stehen

,

theils liegend sich bis zu in die Mauer erstrecken . Letzteres

ist wichtig,weil dadurch die Annahme ausgeschlossen wird

,als

sei ursprünglich der Südeingang dem Nordeingang gleich gewesenund erst nachträglich geändert we rd en : diese grossen liegenden

Steine,oder doch ihre Spuren

,würd en j edenfalls sichtbar sein

,

ganz abgesehen davon,dass für eine solche Veränderung sich

schwer ein Grund denken lassen würde . Der Verdacht wirdbestärkt durch die Beobachtung

,dass die Ziegel von den für

die Säulen und für die ganze Ostfront des Gebäudes verwandtenverschieden sind . Die Dicke der letzteren betragt mit sehr ge

1 1*

1 64 Cap ite l VII.

ringen Variati onen wahrend die des Sud einganges

wesentlich dünner sind und von sich nicht merklich

entfernen .

Westli ch der Thur i st di e Mauer bi s auf eine sehr geringe

Höhe zerstört. An der Ostseite aber können wir sehen,in welcher

Weise das Incertum der Mauer und das Z iegelwerk des Ein

ganges in einander greifen . Und da fa l lt es sofort auf,dass eine

egelm assige Verzahnung , wie sie sich stets findet , wo eine

Mauer aus Incertum von Anfang an in einen Ziegelpfeiler endigte,hier nicht vorhanden

,s ondern die Berührungslinie der beiden

C onstructionen eine ganz unregelm a ssige i st , was sich in einfa chster Weise dadurch

,aber auch nur dadurch e rkla rt

,dass hier

die Mauer gebrochen und der Ziegelpfo s ten an den natürlich un

regelmässigen Bruch hinangem auert wurde . Der Mörtel des Ziegel

werks i st von dem der alten Theile verschieden ; wo sie zusammen

stossen,ist sch on dadurch die Ansatzlinie genau bezeichnet .

Es ist ferner klar,dass beim Durchbruch auch die westli ch

anstossende Halbsäule beschädigt wurde . Ueber der Tufi'

ba sis

folgen nur 5 (viellei cht 6) Schichten der alten , für alle Säulenund die Ostfront gleichmässig verwandten Z iegel : die dann fol

genden sind identisch mit denen der Thürpfo sten . Wie hoch die

Zerstörung ging,ist bei der geringen Höhe

,bis zu der Mauer

und Halbsäule erhalten sind,nicht festzustellen .

Ferner ist klar,dass die an den Langwänd en sich hinziehende

Stufe,auf der di e Halbsäulen s tehen

,hier ursprünglich fortlief

'

und erst nachträglich gewaltsam unterbro chen werd en ist. Ein

Vergleich mit dem Nordeingang lehrt di es unwidersprechlich .

Jede Halbsäule steht auf einer Ka lksteinquad er , welche nach

beiden Seiten noch etwa uber den Ha lbsäulenfuss hinaus

reicht ; neben dem Nordeingang aber sind diese Quadern kleiner

und reichen nicht einmal ganz an die Peripherie des Halbsäulen

fusses . Diese geringere Breite,welch e nothwendi g is t

,um den

Eingang frei zu lassen,haben sie auch neben dem Südeingang :

doch sieht man deutlich an der unregelmässigen B ruchfläche,

dass dies ursprünglich nicht der Fall war,sondern hier eine nach

trägliche Verkürzung stattgefunden hat . Und auch zwischen

diesen beiden Steinen,vor dem Eingang selbst

,sind die Reste

der Stufe deutlich zu verfolgen .

1 66 Capite l V II.

Regel : V itruv spricht in der Beschreibung seiner Basilica in Fanum

von der m e d i a n a t e s t u d o als von einer selbstverständlichen

Sache (V, 1 , die Vergleichung des o e c u s A e gyp t iu s mit

der Basilica (VI , 5 , 9) setzt die Bedeckung voraus . Auch die

von ihm (V, 1 , 4 ) vorgeschriebenen Verhältnisse des Grundrisses

dass die Breite des,ganzen Hauptraumes nicht di e Hälfte der

Lange überschreiten dürfe,wobei natürlich der Mittelraum eine

noch weit mehr langgestreckte Form erhält haben doch nur

dann Sinn,wenn die Bedachung dadurch ermöglicht werden

sollte ; und dies V erhältniss is t auch in der pompej anischen

Basilica (1 6 7) eingehalten .

Eben dahin führen andere Betrachtungen . War der Mittel

raum unbéd eckt,s o waren die P o rtiken der Theil

,auf den es

ankam ; der Mittelraum ,der V o rm ittagsonne und dem in diesen

Gegenden haufigen Regen ausgesetzt , war nur der zwischen ihnenübrig bleibende Raum und von geringerer Bedeutung . Handelte

es sich aber nur um die P o rtiken,s o erscheint es geradezu un

glaublich,dass man um deren wi llen diese gewaltigen

,über

starken,gegen hohen Säulen aufgeführt haben s ollte . Eine

s o col ossale Kraftvergeudung ist am wenigsten da glaublich,wo

m an mit Ziegeln gebaut hat,und liegt durchaus ni cht im Cha

rakter der Epoche,welcher die Basilica angehört . Und dass

auch derartige Verhältnisse ihrem Geschmack nicht entsprachen,

lehren uns die P o rtiken des V enustemp els , des Forums , des Fo r um

t r i an g u l a r e u . s . w . Endlich erreichte man durch diese gewaltige

Anstrengung nichts anderes,a ls dass die gegen hohe Por

tious ohne entsprechende Tiefe ihrem Zweck,gegen Sonne und

Regen zu schützen,weit weniger entsprach

,als sie bei gewöhn

li chen Prop ortionen gethan haben würde .

Der letzterwähnte Uebelstand fiel fort,sowie der Mittelraum

bedeckt war . Ferner war dieser alsdann das Centrum der ganzen

Anlage ; durch di e Rücksicht auf ihn bestimmte sich die Grösse

der Säulen,und diese konnten sehr wohl

,j a sie mussten so sein

wie sie sich uns aus den Resten ergeben . Und nehmen wirhinzu

,dass die Säulen die Aufgabe hatten , den j edenfalls sehr

schweren Dachstuhl entweder ganz zu tragen oder doch zu stützen,

s o werden wir uns über ihre ungewöhnlichen,sonst nicht erklär

lichen Dimensionen nicht mehr wundern .

Die Basi l i ca . 1 67

Die hier entwickelten Anschauungen liegen auch den Vor

schriften V itruv’

s zu Grunde und sind von ihm selbst beim Bauseiner Basilica in Fanum befolgt we rd en . Die P o rtiken

,schreibt

er vor,sollen die Höhe gleich der Breite haben ; der Mittelraum

aber muss höher sein,und di es wird durch eine obere Säulen

stellung erreicht. In V itruv’

s eigener Basilica ruhte das Dachdes Mittelraumes auf 50 Fuss hohen Säulen

,die P o rtiken aber

waren niedriger : ihre Decke wurd e getragen von an die Säulen

angelehnten,20 Fuss hohen Pilast ern

,welche auch die 1 8 Fuss

hohen Pilaster des oberen Umganges trugen : als o zwei ganz

getrennte Systeme : hohe Säulen für di e Mittelhalle , niedrigePfeiler für die Umgange . Es ist mithin ganz im Sinne V itruv’

s,

wenn wir aus der Höhe der Säulen schliessen , dass sie vorzugs

weise zum Mittelraum in Bez iehung standen,dass dieser der

Hauptraum,dass er deshalb bedeckt war .

Gegen die Bedachung des Mittelraumes hat Breton geltend

gemacht,dass die Säulenreihen der Schmalseiten dann fehlen

würden,man sich vielmehr

,wie in den christli chen Basiliken

,

mit zwei den Langseiten parallelen Säulenreihen begnügt haben

würde. Diesem Einwand begegnet Schöne (S . 200 f.) mit Hinweisauf den oberen Umgang : es se i doch natürlich gewesen , diesen

rings herum zu führen und. nicht die beiden langen Schenkel

getrennt zu lassen . Nissen deutet in der Anmerkung S . 201 an,

dass durch seine e igenthüm liche Anschauung von der ursprüng

lichen Form der Basilica diese Schwierigkeit eine sehr einfache

Lösung finden werde.Wenn ich recht verstehe

,haben Schöne und Nissen j enen

von Breton nicht naher begrund eten Einwand von zwei ver

schiedenen Seiten aufgefasst,und in der That beruht derselbe ,

s o viel i ch sehe,auf zwei Betrachtungen . Erstlich sind bei B e

deckung des Mittelraumes die Säulen d e r° -Langseiten von constructiver Bedeutung

,da sie das Dach stützen mussten : die

fraglichen vier Säulen aber sind,s o meint Breton

,constructiv

betrachtet,werthlo s . Dies räumt Schöne ein

,so weit es sich

auf d a s Tragen des Dachstuhls bezieht,meint aber

,sie hatten

den aus praktischen Gründen erford erlichen oberen Umgang

getra gen. Zweitens aber verdecken die beiden hinteren Säulenfür den

,der im Mittelraum

,d . h .

,wenn er bedeckt war

,im Haupt

1 68 Cap ite l V II .

raum steht,das Tribunal . Dem könnte man begegnen durch

Breton’s Annahme , dass der Mittelraum unbedeckt,also kein

Hauptraum war ; Nissen hingegen glaubt durch s eine Annahme

einer Späteren Einfügung des Tribunals helfen zu können .

Breton’s Einwand ist von grossem Gewi cht : ein den ganzen

Hauptraum bedeckendes Giebeldach ist in der That unwahr

s ch einlich wegen der alsdann eintretenden Functionslo sigkeit

dieser vier Säulen . Von den drei Annahmen aber,durch di e

man ihre Exi stenz hat rechtfertigen wollen,i st keine haltbar.

Von Breton’s Annahme,der Mittelraum sei unbedeckt gewesen ,

war eben die Rede. Nissen’s Annahme einer späteren Einfügung

des Tribunals ergab sich uns al s ganz unmögli ch ; dass ein oberer

Um gang fehlte,soll s ogleich gezeigt werd en . Ueber die con

s tructiven Functionen dieser Sanlen können wir j etzt noch nich t

urtheilen ; wir sehen einstweilen nur , dass sie di e kurzen P o rtiken

vom Mittelraum trennten . Die kurzen P o rtiken mussten vor

handen sein ; denn gewiss machten die Erfordernisse des Verkehrs

es wünschenswerth,den Umgang rings herum zu führen

,statt

die beiden langen Schenkel getrennt zu lassen . V itruv schreibt

vor,dem p l u t e u s des oberen Umganges eine hinlängliche Höhe

zu geben,u t i s u p r a b a s i l i c a e e o n t i gn a t i o n em am b u l a n t e s

a b n e g o t ia t o r i b u s n e c o n s p i c i a n tu r (V, 1 , Natürli ch

konnten di ese Spaziergänger nur vom Mittelraum aus gesehen

werden,und wenn hier nur die n e g o t i a t o r e s genannt werd en ,

s o werden wohl diese hier vorzugsweise ihre V erkaufstellen auf

geschlagen haben,während das kaufende Publicum vorwiegend

in den unteren,das ambulirend e in den oberen Umgängen cir

culirte . Wie wünschenswerth es nun aber sein musste , dassdiese Circulation ringsum ungehemmt war

,dass man nicht

,um von

einer Se ite auf die andere zu kommen,sich zwischen den Tischen

der Verkäufer durchdrängen musste,das bedarf woh l keiner

weiteren Ausführung.

Einen oberen Umgang glaubte man nicht annehmen zu

d urfen,weil

,wie man allgemein annahm

,die Halbsäulen an den

Wanden niedriger waren als die freien Säulen . Dieser Annahme

hat Schone wid erspre chen , oder wenigstens geleugnet , dass dieGründe dafur zwingend seien . Die Stärke der Säulen verhält

1 70 Cap ite l V II.

durfen wir ihn von vorn herein zu Grunde legen und. wichtigePunkte der Resti tution durch ihn begründen .

Was ferner di e grössere Zahl der Canneluren (1 1 statt 10)angeht , s o ist dies erstens wie Schöne richtig bemerkt

nur das bei Halbsäulen,auch wenn sie den Säulen an Stärke

gleich sind,gewöhnliche Verfahren ; zweitens entspricht di e Ver

mehrung der Cannelür en keineswegs der Verschiedenheit der

Stärke (5 noch weniger ist das V erhältniss das von V itruvgeforderte

Andererseits sprechen gewichtige Grunde gegen die Annahme

Schone’s . Es geht aus seiner Darstel lung nicht deutlich genug

hervor,dass es sich keineswegs bloss um di e Halbsäulen handelt

,

s ondern auch um di e Säulen des Einganges (2 freistehende und2 Dreiviertelsaulen) und um die beiden Dreivi ertelsäulen an denVorderecken des Tribunals

,welche alle nur die Stärke der Halb

säulen haben . Bei den Eingangsäulen aber trifft nicht nur keiner

der Umstände zu,welche nach V itruv eine gerin gere Stärke recht

fertigen,sondern das V erhältniss ist genau das umgekehrte : nach

Anal ogie der Frontsäu len zwischen den Anten und der hinter

ihnen stehenden müssten doch offenbar vi elmehr die Eingang

säulen stärker sein als die des inneren Raumes . Wenn sie statt

dessen dünner sind,so haben wir allen Grund

,anzunehmen

,dass

sie auch kürzer waren .

Betrachten wir ferner etwas genauer die erhaltenen Theile .

Wenn die Halbsäulen gleiche Höhe mit den Säulen,also schlan

kere Proporti onen haben sollten,so musste sich das sch on an

den unteren,erhaltenen Theilen zeigen : der Säulenfuss musste

bei den Rund saulen und Halbsäulen gleiche Höhe,also bei den

Halbsäulen schlankere Verhältnis se haben . Wie es damit steht,

zeigt deutlich die Zeichnung beider in verha ltnissmässiger Grössebei M azo is IH

,pl . XX

,Fig . III . IV . Die Halbsäulen stehen auf

einer an der Wand entlang laufenden Stufe von c . Höhe

(ohne die Bekleidung mit o p u s S i gn i n um ) , die Säulen aufis o lirten quadratischen Lavaunterlagen von ziemlich gleicher Höhe,vielleicht noch etwas höher (0 . doch konnte dieser Unters chied bei der ungleichen Beschaffenheit des Terrains nicht mit

Genauigkeit festgestellt werden und soll darauf kein Gewichtgelegt werden . Darüber nun besteht der Säulenfuss aus einer

Die Ba si l i ca . 1 71

Hohlkehle,einem Torus

,einer zweiten Hohlkehle und. einem

zweiten Torus : die Gesamm thöhe ist bei den Säulen beiden Halbsäulen Also die Höhe des Fusses ist bei den

letzteren geringer nicht nur im gleichen V erhältniss wi e die

Dicke (0 . sondern in noch stärkerem Die obereHohlkehle (von der äussersten Peripherie der beiden Toren) misstbei den Säulen bei den Halbsäulen hier also ist das

V erhältniss für letztere noch ungünstiger , und es ist klar,dass

dadurch bei den Säulen der Eindruck der in der That vo rhandenen grösseren Schlankhei t noch verstärkt wurde . Also die

erhaltenen Theile deuten vielmehr auf ged rucktere Verhältnisse

bei den Halbsäulen und lassen es a ls ganz unglaublich erscheinen,

dass diese trotz ihrer geringeren Stärke sich zu gleicher Höhe

mit den Säulen erh oben haben sollten .

Es mag noch erwähnt werd en,dass die Säulen und Halb

säulen des Tribunals,ohne Zweifel alle von gleicher Höhe

,keine

Verschiedenheit der Stärke zu Gunsten der Säulen zeigen . DreiCanne lüren messen an den letzteren am Fuss

,ohne Stuck

,

an den Halbsäulen der Seitenwände mit dem ziemlich dünnen

Stuck diese sind also eher etwas starker an denV iertelsäulen der Rückwand an der ersten Ha lbsaule von1. an den anderen Auch hier haben die Halbsanlen 1 1

,die V iertelsäulen 6 , die Dreiviertelsäulen 1 6 Cannelüren .

Meine Messungen ergeben,dass j e 3 Cannelüren bei den

grossen Säulen sie haben deren 20 ohne Stuck

betragen,bei denen d es Einganges und den Halbsäulen

nur ganz unten kommt m an einzeln auf an der Halb

säule rechts am Südeingang,an dem Fuss aus Tuff

,wo also

genaue Arbeit und. genaues Mass vorauszusetzen ist,kaum auf

Der Durchmesser der grossen Säulen c . über der Basis istziemlich constant der der Säulen am Eingang d a s

Mass der Durchmesser ist sicherer und brauchbarer als das der

seh r zerstörten und nicht eben gleichmässigen Canne lüren .

Die Säulenstellung (Interco lumnium Durchmesser) steht

in der Mitte zwischen dem Eustylo s und dem Dia stylo s (Interc.

resp . 3 Durchmesser) des V itruv (III, 3 , 4 . Bei j enemwar nach demselben die Höhe der Säulen gleich bei diesemgleich hier als o vermuthlich etwa gleich 9 Durchmessern .

1 72 Cap ite l V II .

Bei einer solchen Höhe wurden die grossen Saulen die

Eingangs und Halbsäulen hoch gewesen sein : die Differenz

wird um grösser,wenn man mit M a zo is kori n

thisch e Cap itelle für die grossen Säulen annimmt ; denn da

(V itr . IV,1,1 ) das korinthisch e Cap itell gleich dem Durch

messer,das i onische gleich Durchmesser ist, s o haben wir

Durchmesser hinzuzufügen .

Waren aber die Säulen und Halbsäulen nicht von gleicher

Höhe,s o i st die Annahme eines auf ihnen ruhenden oberen Um

ganges hinfällig .

2 . Ein Aufgang zu einem oberen Umgang ist nicht vor

handen . Ganz abzusehen ist hier natürli ch von der auf die

F o rum sp o rticus führenden Treppe an der Südostecke der Basilica :

sie ist,wie Schöne S . 1 98 richtig bemerkt

,erst später an die

Basilica angebaut,nachdem dieselbe bereits auf der sud lichen

Aussenseite ihren Stucküberzug hatte . Dagegen kommen zwei

Punkte in Betracht : der kleine Raum südlich neben der Vorhalle,

zwischen dieser und der erwähnten Treppe,und gewisse Reste

auf der Westseite .Hier° nämlich sah Schöne (S . 203) „ungefähr in der Mitte

zwi schen der (No rdwest-)Ecke und der ersten Tribuna lwand“

(d. h .

der Nordwand des nördlichen Trepp enraum s) „drei Stufen

,welche

sich weiter fortgesetzt zu haben scheinen ; endlich fo lgt , der

zweiten Tribuna lswand ( d . i . der Nordwand d es eigentlichenTribunals) ungefähr entsprechend , ein an die Wand angelegter,ziemlich quadratischer Pfeiler von gelblichem ziegelfö rm igem

Tuff,welcher auf der Nordseite eine rechtwinklige Rinne nach

Art der Wa sserleitungspfeiler hat“

. Schöne hält es nicht für

unmöglich, „

dass hier eine Treppe nach dem Obergeschoss ge

führt hätte,vor allem nach der Decke des Tribunals

,von de r

dann Treppen in die schmalen Seitenräume herabführen konnten “.

Hiermit bri ngt Schöne eine Notiz der R a p p o r t i in Verbindung,

wo unter dem 2 7. Febr . 1 81 4 berichtet wi rd : a l l a B a s i l i c a s i

e i n c o m i n c i a t o a v e d e r e d a l l a p a r t e d i p o n e n t e u n a

s c a l a c h e a s c e n d e v a s u l p o r t i c o , i l q u a l e c i r c o n d aq u e s t o e d i fi z i o ; r e s t a qu e s t a d a l l

’ a l t r a p a r t e d i q u e l l a

t r o v a t a p o c h i m e s i f a e c h e s e r v i v a a l l e s t e s s o u s o

(d . h . die Treppe an der Südostecke der Basili ca) . Diese An

1 74 Cap ite l V II.

findet sich auch nicht no rd lich,wie es bei Nissen a . a . O . heisst

,

von den drei von Schöne gesehenen Stufen,sondern südlich

,

gehört endlich nach Materi al und Const ruction einer wesentlich

j üngeren Zeit an,als die Basilica

,wenn gleich Nissen mit Unrecht

die Verwendung des gelben Tuffs auf die letzte Zeit Pompej i’s

hat beschränken wollen . Eine Treppe aber,welche

,an d em

von Schöne bezeichneten Punkte beginnend,den Oberstock der

Basilica oder des Tribunals erreichen sollte,musste sich mit

ihren Unterbauten weit über diesen Punkt erstrecken : a lso als

der besagte Pfeiler gebaut wurd e,bestand eine solche Treppe

nicht . Uebrigens hat schon Callot (Ma zo is IH ,S . 39) hier

eine Treppe (zum Tribunal) angenommen , welche er an ebendiesen Pfeiler anlehnen wollte . Gau verwirft diese Annahme

,

weil dadurch die nur 7 Fuss breite Strasse die Hälfte ihrer

Breite verloren haben würde,und wei l auf dem (mir nicht be

kannten) Plan Dona ldson’ s ( l e p l a n d e l

o uv r a g e d e M . D o

n a l d s o n ) dort, wo die Treppe sein müsste , Stra ssenpfla ster ver

zeichnet sei . In der That bleibt zwischen den von Schöne

bemerkten vermeintlichen Stufen und der gegenüber liegenden

Mauer ein Zwischenraum von nur M .

An der fraglichen Stelle,wo einige Steine sichtbar waren

,

deren Zugehörigkeit zu einer Treppe mir von Anfang an sehr

zweifelha ft erschien,liess im October 1 878 auf die Bitte Herrn

Sikka rd’

s,den ich um Anfertigung der auf Taf. II veröffent

lichten Zeichnung ersucht hatte,der Director der Ausgrabungen ,

Herr M . Ruggiero,mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit nach

graben,und es ergab sich mit voller Sicherheit

,dass hier keinerlei

Reste einer Treppe vorhanden sind Am Fuss der Mauer der

Basilica ist aus Gusswerk eine ebene Fläche hergestellt,welche

vermuthlich einst das Stra s senpfla ste r trug . Auf dieser Gusswerk

fläche la gen theils unregelmässig neben einander,theils über

einander,einige Stücke Kalkstein (auf der Tafel mit t bezeichnet) ,

welche keine Aehnlichkeit mit einer Treppe , wohl aber grosse

mit den weiter oben zur Restauration verwandten Steinen haben :

es ist äusserst wahrscheinlich,dass sie eben damals hierher ge

Ich war dama ls n i ch t mehr in P ompej r und verdanke d ie fo l gendenNo t i zen Herrn Sikkard d ie Genau igke i t derse l ben habe ich j etz t ( 1 879) verificirt.

Die Bas i l ica . 1 75

kommen und liegen geblieben sind . Denn es war ersi chtlich,

dass diese Partien sch on früher einmal a ufgegraben wa ren .

In dem kleinen Raum südlich der Vorha lle verzeichnet M a zo isTreppen

,und in der That scheint der Raum einzig dazu geeignet ;

Schöne hebt j edoch selbst hervor,da ss m an nicht sieht

,wie eine

solche Treppe zugänglich war . Ein Zugang is t nun frei lich vor

handen,wenn gleich ich nicht finde dass schon j emand ihn bemerkt

hätte : ein in seinen oberen Theilen zerstörtes Thürchen,c . über

dem Boden der Vorhalle,ganz am Anfang der linken Seitenwand

,

zu dem man also mit einer Leiter aufsteigen musste. Es ist

ohne weiteres kla r,dass dies nicht der für d a s Publikum be

stimmte Aufgang zu einem oberen Umgang sein kann ; wohl

aber konnte hier eine enge Treppe sein,um den Dachraum zu

besteigen : eine Vorrichtung,deren N o thwend igkeit Schöne (S . 202 )

hervorhebt . Wenn wir aber mit Recht eine solche hier erkennen,

s o beweist sie gegen einen oberen Umgang ; denn , wäre ein

solcher vorhanden gewesen,s o würde m an doch von diesem

,

nicht vom unteren Raume aus,den Dachraum bestiegen haben .

3 . Die ausserordentliche Hohe und Stärke der Säulen haben

wir schon für die Bedeckung des Mittelraumes geltend gemacht ;sie spricht aber eben s o sehr gegen die Existenz eines oberenUmganges . Zunächst wird durch sie die für den letzteren an

geführte Autorität V itruv’

s hinfällig . Es geht zwar aus seinen

Worten (V, 1 , 5 ; VI , 5 , 9 ) hervor , dass er einen oberen Um

gang in der Basilica als etwas ganz gewöhnli ches betrachtet,

zugleich aber auch,dass dann ganz andere Proportionen üblich

waren,als sie hier vorliegen . Die Höhe der Säulen soll der

Breite der Porticus gleich sein : hier i st diese während die

Säulen doch wohl mindestens hoch waren . In V itruv’

s

Basilica in Fanum zwar waren die Säulen 50' hoch , während

die Porticus nur 20' mass : aber hier hatten Säulen und Porticus

nichts mit einander zu thun : das Dach der letzteren ruhte auf

eigenen,an die Säulen angelehnten

,2 0' hohen Pilastern ; die

gleichartigen Pilaster des oberen Umganges massen s o

dass auch dieser noch von den Säulen überragt wurde und oben

zwi schen den letzteren das Li cht in den Innenraum fiel .

Wir dürfen,wenn der Mittelraum bedeckt

,und wenn mit

Rücksicht auf ihn die Höhe der Säulen bemessen war,die

1 76 Capite l VII.

Autori tät Vitruv’

s eher gegen den oberen Umgang in’s Feld führen .

In der von ihm gebauten Basilica war der Mittelraum 60' breit,

di e für ihn berechneten Säulen 50' hoch,das V erhältniss i st a ls o

wi e Die Breite des inneren Raumes der pompej anischen

Basilica ist ziemlich 4 0' oskisch zwi schen den Säulen

basen,wie bei V itruv i n t e r c o l umn a s ) ; die Säulenhöhe be

rechneten wir approximativ zu d. i . etwa 35 ' oskisch . Alsodas V erhä ltn iss ist hier s o ziemlich und weicht schon von

d em,welch es V itruv einhielt

,zu Gunsten der Säulen ab . Rechnen

wir nun aber noch Zwischengesim s und obere Säulen hinzu

zusammen doch wohl nicht viel weniger als 20' s o übersteigtdie Säulenhöhe die Breite des M ittelraums und. verhält sich zu

ihr wie 1 1 8,ein nicht nur den Angaben V itruv

s wider

sprechendes,sondern auch an sich ubertriebenes nnd unglaub

liches V erhältniss .

Kurz : um der P o rtiken willen sind,wie schon oben erörtert

wurde,diese gewa ltigen Säulen nicht gemacht ; sie erklären sich

nur durch die Beziehung auf den Mittelraum,aber auch so nur

unter der Voraussetzung,dass sie keine obere Säulenstellung

trugen ; mit dieser liess sich eine genugend e Höhe in weit weniger

kostspieliger und sicher dem Geschmack j ener Periode besser

entsprechender Weise erreichen .

Wenn im vorhergehenden die Beschaffenheit d er Säulen

gegen das Vorhandensein eines oberen Umganges geltend gemacht

wurde,s o geschah dies nur theils von Seiten des ästhetischen

Eindrucks,der Richtigkeit der Verhältnisse

,theils mit Beziehung

auf die Angaben V itruv’

s . Doch kommt hier noch anderes in

Betracht . Es wurde schon bei Gelegenheit der Frage nach der

Bedeckung des Mittelraumes angedeutet,dass die aussero rd ent

li che Stärke der Säulen auch dadurch m o tivirt sein dürfte,dass

sie bestimmt waren den Dachstuhl zu tra gen oder doch zu

s tützen . Es ist aber klar,dass sie diesem Zweck nicht dienten ,

und als o in dieser Beziehung ihre Stärke verschwendet war,s o

wie eine obere,viel schwächere Säulenstellung zwischen s ie und

den Dachstuhl eingeschoben war. Die weitere Verfolgung dieses

Gesichtspunktes wird uns zwingen,di e Fragen , welche wir an

die Ruinen richten,etwas allgemeiner zu fassen . Wie haben

1 78 Cap ite l V II .

bis zur Hohe von c . erhalten sind oder zu M azo is ’ Zeit er

halten waren die von ihm (III pl . XVIII) verzeichneten RestederWand d eco ra tio n gestatten dies ziemlich genau zu berechnenohne dass sich von Fenstern eine Spur zeigte

,die Höhe der Halb

säulen aber von uns auf etwa 7‚1 1 veranschlagt wurde

,s o bleibt

kein genügender Raum für Fenster von solcher Grösse,dass ein

so ausgedehntes Gebäude durch sie genügendes Licht hätte er

halten können . Dann aber muss oberhalb dieser Halbsäulenstellung die Wand durchbrochen gewesen sein : in welcher Weise

,

um das zu beurtheilen müssen wir untersuchen , was von d enin der Basilica gefundenen Tuffsäulenfragmenten zu halten sei .

Dass dieselben der Basilica angehören,ist mehr als wahr

scheinlich . Zunächst,wie sollten sonst diese unter sich ganz

gleichartigen,offenbar e i n e m Gebaud e angehörigen Säulenfrag

mente hierher kommen ? Sie sind ferner auch den Säulen des

Tribunals durchaus gleichartig und. zeigen endli ch ganz besondere

Formen,welche für ihre Unterbringung an der Basilica deut

lichen Anhalt bieten,es aber sehr unwahrscheinlich machen

,dass

sie anderswo verwerthet gewesen sein s ollten .

Besonders charakteristisch und für die Restitution des Baues

von hoher Wichtigkeit sind die Fragmente von Dreiviertelsäulen,

welche mit einem keilförmigen,aus demselben Stein gearbeiteten

Stück in die Wand,deren Abschluss sie bildeten

,eingefügt

waren . Und zwar diente die eine Flache dieses keilförmigen

Stücks zugleich als Wandfla che : sie setzt an dem Punkt, wo dieCannelüren aufhören

,als Tangente an

,i st glatt bearbeitet und

trägt eine feine,in wenigstens einem Falle zunächst der Säule

weisse,weiterhin roth gemalte Stuckschicht. Die andere Fläche

s ol lte in der Wand verb orgen sein : sie ist nicht bearbeitet und

läuft von dem Punkt,wo die Canne lüren aufhören , auf j ene

erste Fläche zu,um sich mit ihr in spitzem Winkel zu treffen .

Es ist nun klar,dass die Säule nicht vor die bearbeitete

,als

Tangente sich ihr anschliessende,wohl aber als Halbsäule vor

die andere,aus Mauerwerk hergestellte Fläche vertra t. Dies

hatte nur dann Sinn,wenn auf dieser Seite Halbsäulen an die

Mauer gelohnt waren , wie in der Basilica . Nehmen wi r alsomit Recht an

,dass diese Fragmente hierher gehören

,so haben

wir die letzterwähnte Seite a ls die Innenseite zu betrachten,

Dre Ba s i l ica . 1 79

und in der That finden wir hier zu ebener Erde ganz entSprechende Dreiviertelsäulen : an den beiden Vorderecken desTribunals

,mit dem s ie durch ein Mauerstück verbunden sind .

Dass diese Uebereinstimmung in einer doch nicht eben häufigen

Form zufällig sei,wird m an schwerli ch annehmen wollen

,viel

mehr i st nichts wahrscheinlicher,als dass über diesen zwei Säulen

am Tribunal zwei der erwähnten kleineren Säulen standen . Freilich aber werd en damit nur zwei derselben untergebracht

,wahrend

wi r das Vorhandensein von vieren (so viel Ca p ite lle und Oberenden von Schäften sind erhalten) consta tiren können , von deneneine nach rechts (von innen gesehen) , drei nach links hin ein

Wandstück abgeschlossen haben . Da aber ohne Zweifel eben

s o viele nach rechts wie nach links abschlossen , so dürfen wir

sechs solche Säulen für bezeugt halten . Das links vorne am

Tribunal liegende Dre ivi ertelcap itell hat einen etwas anderenM aueransa tz und. gebe rt zu der an die rechte Ante des Tribunals

angesetzten Säu le . Es lehrt uns,im Verein mit den erhaltenen

Säulenfüssen,dass di e Säulen des Tribunals und zwar die

d es unteren Stockwerks den in Rede stehenden ganz gleich

artig waren,s o dass es nicht möglich i st

,zu entscheiden

,ob

ein Fragment hier oder dorthin gehört,wenn nich t

,wie in

diesem Falle,die ganz besondere Stellung zu Hülfe kommt .

Sodann sind unter den Fragmenten vier Füsse von Halb

säulen und drei Ha lbsaulencap itelle , fern er das oberste Stückdes Schaftes einer Dreiviertelsäule

,welche j edoch die Wand s o

abschliesst,dass beide Flächen derselben mit der Peripherie den

gleichen Winkel bilden und eine die Mitte der Mauer repräsen

tirend e Fläche die Säulenaxe treffen würd e . Für die Halbsäulen wie für. die Dreiviertelsäule lässt sich in dem übrigen uns

bekannten Pompej i keine Verwendung finden,während auch sie

im Erdgeschoss der Basilica ihr Gegenstück haben : die Dreiviertelsäule in den beiden äussersten der vier im Eingang stehenden

Säulen,an deren j ede gegen die den Seitensch ifi

en entsprechenden Eingänge hin einWand stuek genau in der bezeichneten Weise

angesetzt i st (Gau’s bei Overbeck wiederholte Ansicht der B a

silica,M a zo is III pl . XVI

,i st in diesem Punkte ungenau , der

Grundriss zeigt das ri chtige) .Ferner sind 1 5 Cap itelle von freien Sa ulen erhalten , von

1 2"

1 80 Capite l V II .

denen freilich zwei s o beschädigt sind, dass man nicht mit Sicher

heit sagen kann,o b sie nicht vielmehr den an erster Stelle be

sp ro chenen Dreivi ertelsäulen angehört haben , und Schaftfragm entevon mindestens 1 1 Säulen . Es sind also alle im Erd geschoss

vorkommenden Formen vertreten,mi t Ausnahme der gekoppelten

Ecksäulen . Diesen aber konnten in den Vorderecken einfache

V iertelsäulen entsprechen ; und in der That ist ein V iertel säulen

cap itell erhalten , welches freilich auch dem Tribunal angehören

kann. Nur für zwei Cap itelle lässt sich unten nichts entsprechen

des nachweisen . Von diesen ist eines ein Doppelsäulencap itell ,ringsum freistehend

,mit Ausnahme der Halfte einer Langseite

,

wo eine Mauer angesetzt zu haben scheint ; es liegt rechts vorn

am Tribunal . Das andere östlich am Sud eingang ist ein

P ilastercapitell , von dem man nicht recht sagen kann,ob es

von zwei oder drei Seiten sichtbar war. Dass alles di es zufällig

sein und die Säulenfragmente doch anderswoher stammen sollten,

wäre eine äusserst gewagte Annahme : gehören sie aber der

Basilica an,s o bieten sie für die Restaurati on derselben ein

wichtiges und noch keineswegs ausgenutztes Material .

An sich wäre es nicht gerade unmöglich , dass di e ver

schiedene Höhe der Saulen und Halbsäulen einfach der Schrä

gung des unmittelbar auf ihnen ruhenden Daches entspro chenhätte. Die Neigung des Daches würd e dann etwa die

Länge der Dachbalken 1 4 Meter gewesen sein ; doch brauchten

ja letztere,in Anbetracht der in der Mitte zwischen First und

Seitenwand stehenden Säulenreihe,nicht aus einem Stück zu sein .

Diese Annahme,auf den ersten Blick die einfachste

,muss so

fort verworfen werden , weil so die besprochenen Tufi’

säulen

fragmente keine Erklärung finden . Ausserdem würd en wir mit

dem Licht in ’

s Gedränge kommen , d a ,wie schon bemerkt

,die

Wand zwischen den Halbsäulen zu weit erhalten i st,als dass für

hinlängliche Fenster der Pla tz übrig bliebe .Die Seitenwand mus s noch höher gewesen sein als die

Halbsäulen mit ihrem Gebälk,und. muss in diesem oberen Theil

durchbrochen gewesen sein,um Licht einzulassen . Damit stimmt

das auf anderem Wege gefundene Resultat,dass von den Tuff

säulenfragmenten zunächst die Halbsäulen und die nur vor di e

eine Wandfläche vorspringenden Dreiviertelsäulen welche

1 82 Cap i te l V II .

zu ihrer Sta rke viel weitlauftiger stehen , das von V itruv (III ,3,1 0) für we itläuftige Säulenstellungen (a r a e o s t y l e s ) geforderte

V erhältniss,di e Höhe gleich 8 Durchmessern und berechnen wir

das Gebälk beider ebenfalls nach den V itruv schen Verhältnissen

(III, V, s o erhalten wir eine etwas grössere Höhe für die

Seitenwand :

grosse Saulen (mit korinthischen Capite llen)Gebälk

Danach wa re die Seitenwand um hoher gewesen,und da

di e Porti cus (bis zu den Centren der Säulen) breit ist,s o

würde ein das Geba lk der grossen Säulen mit der Seitenwand

verbindendes Dach eine Neigung von 1 0 0 gegen den Innenraumgeha bt haben . Dass die grossen Säulen korinthische Ca p itellehatten

,wie bei dieser Rechnung (mit M a zo is) angenommen wurde ,

i st mit Rücksicht auf di e obere Säulenstellung der Sei tenwände

wahrscheinlich : war es nicht der Fall,so wird dadurch di e Höhen

differenz und di e Neigung des supp onirten Daches noch grösser.

Ind es s dies V erhältniss,wenn es uns auch a ls wahrscheinli ch

erscheint,kann doch nicht als erwiesen gelten . Vielleicht war

die sich uns ergebende Höhend ifi"

erenz durch ged rücktere Ver

hältnisse,namentlich der unteren Halbsäulen

,vielleicht auch durch

erhöhtes Gebälk der grossen Säulen ausgeglichen,so dass letz

teres und das der oberen Halbsäulen die gleiche Höhe erreichten

eine sa chverständ igere technische Untersuchung wi rd hier vielleichtbestimmteres ermitteln können .

Wir nähern uns mit dieser Annahme der Restauration Ma

zois’ (III , pl . XVII . XVIII) . Auch nach ihm hatten die Seitenwände über dem Gebälk der Halbsäulen noch einen oberenWand theil

,aus dem gleichfalls Halbsäulen hervortraten ; zwischen

j e zwei Halbsäulen war ein hohes viereckiges Fenster . Die Ca

p itelle der oberen Halbsäulen erreichen die gleiche Höhe mit

Dre Ba srlrca . 1 83

denen der grossen Säulen . Auf den letzteren liegt zweierleiGebälk : ein niedri ges

,gleich dem der oberen Halbsäulen

,nach

der Seite der P o rtiken , ein ho heres , der Höhe der Säulen selbst

angemessenes,gegen den Mittelraum . Sowohl über diesem als

über den P o rtiken nimmt Ma zo is eine ca sse ttirte Decke an . Die

so entstehende Hohend ifferenz ermöglich t einen grossen , denganzen Hauptraum bedeckenden Dachstuhl .

So ohne weiteres kann nun diese Restauration keinenfa lls

a ccep tirt werden , sch on weil sie den erhaltenen Tufi°säulen

fragmenten keine Rechnung trägt : wir mussen sie zunächst dahinm o d ificiren

,dass die Durchbrechung des oberen Wand th eils s o

war,wie oben dargelegt wurde . Ferner ist doch die Annahme

wenig befriedigend,dass die grossen Säulen gegen die P o rtiken

nur ein niedri ges,den kleinen oberen Halbsäulen der Wand

entsprechendes Geba lk gehabt haben sollen . Lieber werden wir

annehmen,dass die Säulen von den Halbsäulen um ein weniges

überragt und die Differenz durch das Gebälk,welches über den

Säulen nach beiden Seiten gleich war,ausgeglichen wurde . Damit

verlieren wir nun zwar die für den Dachstuhl erforderlich e Höhen

differenz,doch konnte diese durch eine Aufmauerung über dem

Gebälk der grossen Saulen hergestellt sein .

Ferner : ein der ganzen Länge des Hauptraumes entsprechen

des,über der Ostfront und über den Säulen zwischen Haupt

raum und Tribunal durch Tympana abgeschl ossenes Dach istschwerlich anzunehmen ; schon deshalb nicht , weil dann die j e

zwei Mittelsäulen der kurzen P o rtiken nur dienten,diese vom

Mittelraum zu trennen,constructiv aber werthlo s waren

,was um

so bedenklicher ist , als durch diej enigen der Westseite in uner

wünschter Weise das Tribunal für den im Mittelraum stehenden

verdeckt wird .

Zu weiteren Bedenken führt der Versuch,die Ostfront

,gegen

das Forum, zu reconstruiren . Die Säulen und Dr°eiviertelsäulenderselben setzen die Halbsäulen der Langseiten fort ; sie sindihnen an Dicke und selbstverständlich a uch an Höhe gleich

,

mussten also auch in entsprechender Weise eine obere Säulenstellung tragen ; und wir sahen (S . dass eine Dreiviertelsäule erhal ten ist

,welche eben nur hier passend untergebracht

werden kann . Bedeckte nun aber ein grosses Giebeldach d en

1 84 Cap i tel V II .

ganzen Hauptraum,vom Tribunal bis zur Vorhalle

,so war es

unvermeidlich,dass eben hier

,dem Foru m zugewandt, ein Tym

panon lag,welches schon wegen seiner ausserordentlichen

Breite nicht ganz leichte und z ierliche Verhältnisse haben konnte .Wenn wir nun zu der Annahme gezwungen sind

,dass dies auf

einer doppelten Säulenstellung lag,deren obere Säulen noch

dazu verhältnissmässig leicht waren , s o ist dies si cher ein für

den Schönheitssinn sehr unbefriedigendes,auch j eder Analogie

entbehrendes Resultat . Und es bleibt nicht einmal die schlechte

Ausrede übrig,als sei dieser Uebelstand von dem nun einmal

aus anderen Gründen für zweckmässig befundenen Bauplan un

zertrennlich gewesen ; denn nichts hinderte den Architecten , hieran die Stelle der doppelten Säulenstellung eine einfa che zu

setzen,die Eingangsäulen an Dicke und Höhe nicht den Halb

säulen,sondern den grossen Säulen der P o rtiken gleich zu machen

und auf ihnen direct das Tympanon aufliegen zu lassen . Wir

werd en also wohl schliessen dürfen : weil hier eine doppelte

Säulenstellung war,s o war kein Tympanon

,als o auch kein bis

hierher reichendes Giebeldach . Hatte der ganze Hauptraum ein

gemeinsames Dach,s o muss dies nach allen vier Seiten geneigt

gewesen sein,s o dass die Lange des Firstes noch geringer war

als die des von den P o rtiken eingeschlossenen Mittelraumes .Hierbei ergiebt sich der Uebe lstand einer Dachtraufe über demHaup teingange , ein Uebelstand , der durch höhere Eingangsaulenund ein über denselben angebrachtes Tympanon leich t vermieden

werd en konnte .

Wenn wir also eine solche Construction nicht als unm o glichabweisen dürfen

,s o werd en wir doch wohl thun

,auch eine andere

Möglichkeit in ’

s Auge zu fassen,die nämlich , dass die m e d i an a

t e s t u d o nur den mittleren,von den P o rtiken eingeschlossenen

Raum bedeckte,diese letzteren aber ihr ge sondertes Dach hatten .

Eine solche Constructi on aber ergiebt sich von selbst,sobald

wirklich die Seitenwände,wie wir oben ausrechneten

,höher

waren als die Säulen mit ihrem Gebälk : das nach innen sich

senkende Dach der P o rtiken musste dann auf eben diesem Ge

bälk mit dem des Mittelraumes zusamm entrefl'

en . Letzteres

konnte vorn und hinten entweder in Tympana endigen,welche

auf d en Säulen der kurzen P o r tiken ruhten , oder auch hier ab

1 86 Capite l V II.

nung vollkommen genau is t,ausserdem aber einige Eigenthum

lichkeiten,die aus der Zeichnung nicht ersichtlich sind . Der

Dur chschnitt der Rinne bildet ziemlich ein Quadrat von

sie i st aus Incertum hergestellt und mit Ziegelstuck von geringer

Festigkeit bekleidet , an den von M a zo is bezeichneten Stellendurch Bassins von annähern d quadrati scher Gestalt unterbrochen :di e Seiten derselben va riiren von bis Und zwar bilden

sie mit der Rinne ein e igenthüm liches System : die letztere senkt

si ch nämlich von einem Bassin zum anderen,s o dass sie in j edem

derselben,mit Ausnahme der Endbassins

,an der Nordwest und

Südwestecke,und desj enigen an der Nordostecke

,eine Einmün

dung und einen höher liegenden Auslauf hat. Der Ausgangs

punkt dieses Systems i st nämlich eben das N o rd o stba ssin : von

da senkt si ch die Rinne gegen das nach Westen nächste,und

so weiter die Nordseite entlang bis an d a s Westende derselben,

andererseits gegen das südöstliche Eckba ssin und weiter bis zum

Westende der Südseite . Das N o rd o stba ssin i st tief,die der

Nordseite die der Südseite von Osten— 5 0 ; Die Rinne liegt da

,wo sie vom Nord

bassin ausgeht,s o h och , dass sie mit demselben sich nicht mehr

berührt,namentlich auf der Südseite ; sollte aus dem Bassin

Wasser hineinlaufen,s o musste der Boden wesentlich h öher sein,

als er j etzt erscheint . Sie ist bedeckt mit fragm entirten Ziegeln ,auf denen sich wiederholt der o skische Stempel 3 | F1Vfl » lN

findetDie Rinne also

,statt die Reconstruction des Gebäudes zu

erlei chtern,giebt uns nur neue Räthsel auf. Dies System der

immer von einem Bassin zum anderen sich senkenden Rinne kann

nur e i n e n Zweck haben : das Wasser,welches von der Nord

ostecke aus durch die Bassins hindurch an die Südwest und

Nordwestecke gelangte,wurd e unterwegs in den Bassins abge

klärt . Wo es a ber schliessli ch blieb,zu welchem Zweck es in

die Endbassins,welche keinen Abfluss haben

,geleitet wurd e

,

das bleibt räthse lhaft. Auf die Frage,wohin das vom Dache

kommende Wasser geleitet wurd e,giebt uns diese Rinne keine

Antwort ; denn durch das auf ein so grosses Da ch fallende Wasser

musste s ie in einem Augenblick überfüllt werden : selbst für dasWasser der P o rtiken allein würde sie nicht im mindesten genügt

Die Ba s i l ica . 1 87

haben ; und vor allem musste ein Abfluss da sein . Am aller

wenigsten kann natürlich eine nur breite Rinne mit quad ra tischem Durchschnitt einfach einer Dachtraufe entsprochenhaben

,zumal unter einer s o hohen Porticus ; ohne Zweifel würde

man für so lchen Zweck eine breite Tuffrinne gemacht,s ie auch

an allen vier Seiten herumgeführt haben : in dieser Beziehungbleibt das von Schöne (be i Nissen S . 201 ) gesagte vollkommenbestehen .

Was uber diese ra thselhafte Rinne allenfalls gesagt und

daraus geschlossen werden kann,i st folgendes . Da sie nach dem

gesagten zur Fortleitung des Wassers nicht dienen konnte,so

bleibt nur übrig , dass man zu irgend einem uns dunkeln Zweck

Wasser hierher,und zwar an die Nordostecke

,von wo d a s

System ausgeht,leiten und. durch dies ganze System abklären

wollte . Dann aber ist schwer anzunehmen,dass dies anderes

als Regenwasser gewesen sein sollte,und. wenn Gelegenheit war

,

an diese Stelle Regenwasser zu leiten,s o scheint das für die

in Rede stehende , von beiden Seiten auf das Gebälk der grossen

Säulen geneigte Da chconstruction zu sprechen . Für die Haupt

masse des Regenwassers musste dann freilich ein anderer Abfluss

vorhanden sein . Ind ess wird es gera then sein , allen aus einer

Vorrichtung so unklarer Bestimmung gezogenen Schlüssen ge

ringes Gewicht beizulegen,zumal die wenig solide Constructi on

und. die dürftige Beschaffenheit des Stucks ni ch t eben auf hohes

Alter deuten .

Fragen wir also von neuem,wohin denn bei der angege

benen Da chco nstruction das Regenwasser geleitet werden konnte,

so e rgiebt sich uns eine weitere Frage , die wir auch nicht beantworten können ; nämlich : gab es C isternen in der Basilica?

Eine scheinbare B runnenöffnung finden wir auf der Nord

seite,gegenüber dem Eingang : ein Ma rm o rstein ,

imQuadrat

,hoch mit runder Oeffnung von im

Durchmesser,die sich nach unten etwas erweitert ; um dieselbe

läuft ein etwa hoher breiter Rand,dessen Oberfläche

für die Aufnahme d es Putea l rauh bearbeitet i st . Es ist diesaber eben nur eine scheinbare B runnenöffnung und. liegt a uf

einem auch innerhalb der Oeffnung nicht unterbrochenen Paviment aus 0 p u s S i gn in um ,

welches drinnen rings am Rande d er

1 88 Ca pite l V II.

Oeffnung eine ringförmige Erhöhung hat : es geht daraus hervor,dass diese B runnenmündung hier schon lag , als das Paviment

gegla ttet wurde . Ein Bleirohr äusserer Durchmesser nicht

über senkt sich aus dem innéren schräg gegen Süden,

und kommt unten am Rande d es erhaltenen P avimentstücks,

hier etwas nach Westen geb ogen,zum Vorschein . Ein ähn

l ich geformter Stein aus Lava liegt weiter ö stlich auf demFundament der Säulenreihe ; auch hier ist keine Oeffnung ; vonPaviment ist hier nichts erhalten . Dasselbe gilt endlich von

dem Fragment eines dritten derartigen Steines,auch aus Lava

,

welcher dem letztgenannten gegenüber zwischen den Säulen der

Südseite liegt . Nun können zwar B runnenöffnungen aus s o un

scheinbarem Stein nicht wohl als blosse Zierde verwandt gewesen

sein ; doch muss uns j ene M arm o röfl°nung , die keinem Brunnen

entsprach und doch irgend einem Zweck diente,etwas miss

trauisch machen,und wir werden die Existenz von C istern en

,

welche d a s Regenwasser hätten aufnehmen können,nicht für

erwi esen halten dürfen . Nachgrabungen wurden hierüber Gew isshe it geben können .

Gab es keine C isternen,so bleibt immer noch die M o glich

keit,dass das Wasser irgend wie durch Röhren auf die Strasse

geleitet wurde .Also : diej enige Bestätigung fur eine Da chconstruction wie

die in Rede stehende,welche sich ergeben würde

,

wenn wir

nachweisen könnten,wie für den Ablauf des Regenwassers

gesorgt war,ist nicht vorhanden ; andererseits aber ist eben so

wenig erweislich,dass die bezüglichen Vorrichtungen fehlten .

Es is t mithin möglich,dass das Dach die bezeichnete Form

hatte. Das Vorhandensein von Stirnziegeln aus der Basili ca beweist nicht dagegen : sie können dem nach hinten gesenkten

Dache des Tribunals und der beiden Seitenzimmer angehören ,und in der That wurd e einer

,ähnlich oder gleich dem einen

(pa lm ettenförmigen) der beiden bei Gell und Gandy (P o m p ej a n aTafel 50) abgebildeten , bei der schon erwähnten Nachgrabungauf der Rückseite der Basilica gefunden .

Waren aber doch Wand und Säulen gleich hoch,so konnten

die P o rtiken zuna chst mit einer horiz ontalen , vermuthlich cassettirten Decke versehen sein ; doch musste über derselben durch

1 90 Capite l V II.

Sä ulenba sen sind keineswegs einfach vertical und gleichmässig

bearbeitet,sondern der obere Rand (0 . tritt etwas weiter

zurück und ist in vielen Fällen deutlich glatter gearbeitet . Es

lässt dies kaum eine andere Erklärung zu,als dass nur dies

obere Stück bestimmt war,aus dem Fussboden hervorzuragen .

Wenn aber eine solche Absicht bestand,so scheint dieselbe nicht

zur Ausführung gekommen zu sein ; denn wenn wir sehen , dass

an der Säule links vom Südeingang die erwähnten Reste ganz

bis an den oberen Rand der Basis gehen,und hier noch gar

nicht einmal Signinum sind,s o wird es wahrscheinlich

,dass

hier,wie bei den Halbsäulen

,die unterste Hohlkehle im Sigu i

num verborgen war : es würde di es mit der Höhe der bei derB runnenöffnung erhaltenen Reste übereinstimmen .

Wie weit erstreckte si ch nun dieser s o hoch gelegene Fuss

boden ? Se viel i st klar,dass die P o rtiken tiefer lagen : das

Niveau der Eingänge,die S tuckbekleidung auf der Seitenfla ch e

der Stufe fur die Halbsäulen lassen da ruber keinen Zweifel auf

kommen . Da es nun nicht wohl denkbar ist,dass nur der Sty

lebat,auf dem si ch di e B runnenmündung befindet , durch eine

Erhöhung bezeichnet gewesen s ei abgesehen von allem a n

deren würd e man eine solche Erh ohung doch ohne Zweifel aus

Incertum ,wie die Stufe für die Halbsäulen

,mit den Fundamenten

zusammen aufgemauert haben so sehen wir uns zu der aller

dings seltsamen und überraschenden Annahme gedrängt,dass

der Mittelraum einschliessli ch des Styloba ts hoher lag als die

P o rtiken . Und dafür scheinen auch die dem Mittelraum zu

gewandten Stuckreste an den Säulenba sen zu sprechen,wenn

gleich diese auch allenfalls als Reste einer Stuckbekleidung auf

gefasst werden könnten . Einen höheren Fussboden scheint

auch die Basis vor dem Tri bunal vorauszusetzen,denn ihre

Seitenflächen bestehen erst etwa von der Höhe der Säulenba sen

an aus Tuffziegeln , weiter unten aus ganz unregelmässigem Incer

tum,welches namentlich nach Westen stark vorspringt, also doch

wohl als Fundament zu fassen ist. Freilich könnte es sich hier

nur um ein sehr j unges Paviment handeln : am Fuss der Basi sragt ö stli ch ein Fragment von einer j ener kleineren Tuffsäulen

hervor,und es scheint nähere Untersuchung wäre wünschens

we’

rth dass es schon da gelegen haben muss,als die Basis

Die Ba s i lica . 1 9 1

errichtet wurde . Endlich konnte in einem h o heren’

Fussb o d en

die oben besprochene Rinne m it dem Bassin an der Nordostecke

in Verbindung stehen : eine solche Verbindung ist j etzt nichtvorhanden

,und konnte nur oberhalb der j etzigen Oberfläche

stattfinden.

Diese Tha tsa chen , uber deren Zusammenhang für j etzt keine

genugend e Aufklärung gegeben werd en kann , mögen hiermitkurz erwähnt und der Beobachtung Mitfo rschend er empfohlen sein .

Von der Wand d eco ra tion der Basilica war schon oben kurz

die Rede. Sie zeigt im inneren die gewöhnliche Form d es ersten

pompejanischen Deco ra tionsstils,Nachahmung bunter Marmor

platten,in der Vorhalle und auf der Aussenseite im Süden

und Norden erhalten einen gelben Sockel,der durch einen

etwas vorspringenden Streifen von der oberen,weissen Wand

fläche getrennt ist : auch dies eine haufige Form j enes Stils .Durch neuen Stuck ersetzt ist diese Decoration namentlich auf

dem östlich des Einganges liegenden Stück der Nordwand . Hierist zunächst

,beginnend an der Holzverschalung der Thur

,in

einer Länge von der alte Stuck vom Boden an bis zurHöhe von entfern t und durch einen j üngeren rothen Stuck

ersetzt we rd en,welcher in der Mitte des bezeichneten Stücks eine

lange,c . hohe rechtwinklige Ausbiegung nach oben

hat . Die völlig geraden Linien,mit denen der alte und der

neue Stuck zusammentrefi‘

en,lassen keinen Zweifel

,dass der

erstere nicht durch die Zeit oder Zufall zerstört war,sondern

absichtli ch entfernt wurd e,um der Mauer einen zeitge

mässeren Schmuck zu geben . Von da nach Osten folgt in der

selben Höhe ein noch j üngerer Stuck,von hellerem Roth

,mit

zwei eben solchen Ausbiegungen nach oben , deren zweite derVorhalle entspricht : dass di eser zweite rothe Stuck jünger ist

als j ener erste,i st da

,wo sie zusammenstossen , deutli ch kennbar .

Dieser rothe Stuck bietet den einzigen Ort , wo die in denRa p p o r t i unter dem 1 0. Februar 1 81 4 erwähnten Malereien ge

wesen sein können : g r a n d i o s e a r c h i t e t t u r e g r o t t e s c h e en e l m e z z o d i q u e s t e d e l l e f i g u r e . Nach den Resten desornamentalen Theils der Malereien zu urth eilen kann es mit der

G rand io sität nicht weit her gewesen sein , doch ist es sehr wohl

1 92 Cap ite l V II .

denkbar,dass die durch die erwähnten oberen Ausbiegungen ge

bildeten grösseren Felder in der Mitte Figuren enthielten . Waren

diese auf den rothen Grund gemalt,so i st ihr in den R ap p o r t i

erwähntes Abfallen in Folge der starken Fröste wohl begreiflich,

da alles,was auf schon bemalten Grund aufgesetzt i st

,von ge

ringer Haltbarkeit zu sein pflegt .

Die durch diese j üngeren Malereien bezweckte V erschönerung galt nicht der Basilica

,sondern dem an’s Forum anstossen

den Theil der s t r a d a d e l l a M a r i n a : wir finden namlich den

rothen Stuck j enes ersten,dem Eingang zunächst liegenden Ab

schnittes in ganz gleicher Weise auch auf der gegenüberliegenden

Umfassungsmauer d es V enustemp els . Nur j ene Ausbiegungen

nach oben finden sich dort nicht ; theilweise zwar sind die betreffenden Theile zerstört

,doch war gegenüber der dem Forum

zunächst liegenden sicher keine vorhanden . Hier ist dieser Stuck

j ünger als eine den ersten Stil im itirend e,sicher aber einer

Späteren Periode angehörige Decorati on dieser Umfassungsmauer.

Dass die Basilica in o skischer Zeit erbaut sei , hat Nissen

aus den Massen zu erweisen gesucht . Da mir eigene sorgfältige

Messungen zu Gebote stehen und es wichtig ist,über die für di es

Alterskriterium anzuwendende Methode möglichst in’s klare zu

kommen,s o dürfte eine Revision der Frage

,welche bei Nissen

doch einfacher erscheint,als sie ist

,wohl am Platze sein .

Es ist hier wohl zu unterscheiden zwischen denj enigen Entfernungen ,

welche durch die dem Bau vo rausliegend en lo ca len

Verhältnisse von vorn herein gegeben waren,und denen

,welche

der Architect nach freiem Ermessen bestimmen konnte . Nur die

letzteren beruhen auf einer bei Anlage des Baues vorgenommenen

Messung,nur bei ihnen konnen wir darauf rechnen

,dass sie

wenn eben genau nach Mass gearbeitet wurde ein mehr oder

weniger einfaches Mass repräsentiren . Wenn dies trotzdem auch

bei den durch die Verhältnisse vorgeschriebenen Entfern ungen

der Fall sein sollte,s o hat es natürlich für den vorliegenden Bau

keine Beweiskraft,s ondern kann eben s o gut auf eine ältere ,

na ch °M a ss gemachte Disposition des Raumes zurückgehen.

Dass zunächst die Länge des ganzen Baues gegeben war,lehrt die auf j edem Plan erkennbare unregelmässige Gestalt des

1 94 Cap ite l V II.

Wichtig aber sind die Verhältni sse des grossen Hauptraumes .Zwar die Breite war auch hier gegeben : vorn hinten

dazu 2 Stuckbekleidungen , al so 0 . 87 ' was eher knappgerechnet i st (röm : 80

'

Die Länge ist auf der Nordseite auf der Südseite

bleibt also um 5 Zoll unter den von Nissen berechneten

doch liegt es allerd ings nahe , eine so vorzugsweise rundeZahl trotz diesem nicht ganz genauen Zutreffen für beabsichtigt

zu halten . Reduciren wir j edoch dieselbe Entfern ung auf

römisches Mass,s o erhalten wir auch hier eine von einer sehr

annehmbaren Grosse nicht weit entfernte Zahl : Und

wenn wir bedenken,dass von 80' nicht eben viel weiter

entfernt sind,a ls 1 99

' 7 resp . 2 ” von s o können wir,mit

einiger Abrundung der Zahlen,die Dimensionen des Hauptraumes

s o feststellen :

oskisch : 87 X 200

römisch : 80

Die Zahlen für sich geben hier keine Entscheidung : sie sind

eher dem römischen Masse günstig ; für das o skis che spricht nur

der Umstand,dass eben die auf ganz freier Messung des Archi

tecten beruhende Länge der eminent runden Zahl so nahe

kommt,und allenfalls die Erwägung

,dass auf die grössere

Distanz die Ungenauigkeit leichter eintreten konnte.

Es sei noch bemerkt,dass obige Masse bis an die e igent

li chen Mauern genommen sind , ohne Berücksichtigung der Stufe ,auf der die Halbsäulen steh en und der vor°springenden Lavaba sisder Ostseite . Man könnte aber auch Stufe und Basi s zur Mauer

und den inneren Raum bis an den Fuss derselben rechnen .

Wir erhalten s o fur die Länge

auf der Nordseite 1 98 ' 10 osk . 1 84 ' 8" rom .

auf der Südseite 199 ' 2 1 85 ' 2 "

und für die Breite vorn 82 ’ 4 " 76'6"

hinten 82'6 76

'

Da aber bei dieser Rechnung die Lange hinter 200’o sk . noch

mehr a ls bei j ener anderen zurückbleibt,auch die Differenz

zwischen der nörd lichen und südlichen Länge grösser wird,so

werd en wir wohl die erste Rechnung vorziehen dürfen

Wichtig ist ferner der vo n den Säulenreihen eingeschlossene

Die Ba s i l ica . 1 95

Raum,und die Langen der Säulenreihen selbst. Es fragt sich

,

wo hier die ma ssgebende,vom Arch itecten zu Grunde gelegte

Entfernung zu suchen ist . Zuna ch s t d a rf e s uns nicht einfallen,

etwa von der Breite der P o rtiken auszugehen,und den Mittel

raum a ls das alsdann übrig bleibende zu fassen . Ausser dem

oben über die Bedeutung d e s Mittelra umes gesagten seihier noch bemerkt

,dass die Breite der P o rtiken ungleich ist

die der Langseiten sind tiefer als die der Schma lseiten

Also auf die Säulenreihen selbst und den von ihnen

eingeschlossenen Raum kommt e s an . Wie ist nun hier zu

messen ? Auf Tuffstyloba ten älterer Bauten sind die Centren der

Säulen durch eingeritzte Linien bezeichnet : man konnte 1 ) dieEntfernungen der Centren der Ecksäulen fur die zu Grunde gel egten halten , wenngleich bei der c u r i a I s i a c a ein rundes Mass

sich erst dann ergiebt, wenn man die Säulen selbst mitrechnet .Da j edoch hier ein Stylobat

,auf dem die Entfern ungen hätten

aufgetragen werden können,nicht vorhanden ist

,so ist diese

Annahme wenig wahrscheinlich : die dann sich ergebenden Ma sse

sind im Folgenden der Vollständigkeit halber mit aufgeführt .Ferner kann m an sowohl 2

,am äusseren a ls 3

,am inneren Fuss

der Säulenba sen entlang messen : letzteres würde gut zu der oben

entwickelten Anschauung passen,dass der mittlere Raum der

Hauptra um war,mithin seine Verhältnisse fur den ganzen B au

massgebend sein mussten . Bei diesen drei Annahmen ergeben

sich folgende Zahlen .

Meter o sk isch romis ch

1 . 4 4 ' 8”x 1 60

'2 " 4 1 ’ 6" X 1 4 9

' 6"

2 . 4 9 ’ 1 1 " x 1 65' 5 " 4 6' 4 " X 1 5 3

' 8"

3 . 39 ' 6" X 1 5 5 ' 36' 8" X 1 4 4’

Es scheint nun weitaus das wahrscheinlichste,dass man

vor a llem darauf ausging,dem mittleren Hauptsaa l angemessene

Dimensionen zu geben,dass also von den unter 3 verzeichneten

Zahlen auszugehen ist. Um hier einfa che und überzeugende

o skische Masse zu gewinnen , müssen wi r eine kleine Abweichung

von den eigentlich beabsi chtigten Dimensionen annehmen ; wirmüssen die Summe der Breite etwas abrunden und erhalten so

die sehr annehmbaren Zahlen 1 5 5 . Um unparteii sch zu1 3

"

1 96 Capi te l VI I .

sein,mussen wir aber dasselbe Verfahren auch auf die rom ischen

Masse anwenden und zugestehen,dass 36' 8" von 36' nicht wesent

li ch weiter entfernt sind,als von 40. Dann aber werden

wir nicht leugnen können,dass die hier sich ergebenden Zahlen

36 X 1 4 4,welche genau dem V erhältniss entsprechen

,fast

noch grössere Ueberzeugungskra ft haben , als 40 x 1 5 5 . Man

könnte zu Gunsten derselben noch geltend machen,dass die

P o rtiken der Langseiten tiefer sind,a ls die der Schmalseiten

,

dass also ein Ueberschreiten der für den Mittelraum ursprüng

li ch beabsichtigten Brei te auf Kosten der P o rtiken auch in diesem

Um stand e eine gewisse Entschuldigung findet,während für ein

Zurückbleiben hinter derselben sich keine Erklärung geben la sst .Wenn wir aber auch bei der Kleinheit der Differenz auf solche

Erwägungen kein Gewicht legen wollen,so ist doch festzuhalten

,

dass sich für das römische wie für das o skische Mass die gleiche

Wahrscheinlichkeit ergeben hat .

Betrachten wir sodann die unter 2 aufgeführten Zahlen,so

nahern si ch auch hier die o skischen Masse den runden Summen1 65

,freilich mit Ueberschreitung um etwa einen halben

Fuss in der Länge,als o auf Kosten derj enigen P o r tiken

,welche

weniger tief sind als die anderen,während es doch nahe gelegen

hätte,sie

,als Eingangsraum und Raum vor dem Tribunal

,etwas

tiefer zu machen . Das römische Mass ist von 1 5 5 doch

allzu weit entfernt . Dass sich in o skischem Mass bei beiden

Berechnungen,2 und 3

,Summen ergeben

,welche runden Zahlen

sich in gleicher Weise nähern,der Art dass bei 2 die eine

,bei

3 die andere Dimensi on um etwa Fuss abweicht,während

bei römischem Mass nur 3 eine annahernd runde Summe ergiebt,beruht darauf

,dass die Breite der Säulenba sen (d . h . die auf

den P o rtiken rechtwinklig stehenden Seiten) constantbeträgt

,(1 . i . osk . ; röm . Da nun die Distanzen von

2 s o entstehen, dass zu denen von 3 zweimal diese Breite

a ddirt wird,s o ergiebt sich obiges Resultat von selbst :

1 5 5

5 0 1 65 72Dies zusammenpassen und gewissermassen sich ergänzen derMasse kann neben der 200' sich nähernden Länge d es Haupt

1 98 Capi te l V II .

Der Nordeingang ist weit

m . 7 ' 8" o sk . 7 ' rom .

der Südeingangm . 7' 5 " osk . 6

' rom .

Also hier haben wir keine Entscheidung .

Hingegen ist von den beiden äussersten Eingangen der Ost

seite der nörd li che genau 1 0' oskisch weit während der

südliche nur s o wenig von diesem Masse abweicht, dass

m an die Abweichung allenfa lls auf Rechnung einer kleinen Un

genauigkeit in der Ausführung setzen kann : natürlich ergiebt

sich hier kein einfa ches römisches Mass .

Die Ausdehnung der Front der Vorhalle la sst sich am Sud :

ende nicht ganz genau feststellen . Die Eingänge derselben haben

folgende Weite (von N.)m . 1 2 1 1 " o sk. 1 2 ' rom .

1 1 ' 5 1 0 Mill .) 1 0'

7"

1 1 ' 5 10 10'

8"

1 1 ' 3 6

1 3 ' 2 1 1'7"

Auch die Mauerstücke oder Pfeiler dieser Front geben kein

m e tro l o gisches Resulta t . Ihre Grösse is t (vo n N .)m . 6

'10" o sk . 10 Mill . ) 6 ' 4 " röm .

8 3" 9 9 9 Mill .)

- 7 = 3 ' —1 - 7079 1

8 4 8 1 1

(o ben

9 8 8 7

Dass sich bei den o skischen Massen die einfachen Brüche

V, ) öfter ergeben , ist doch e in sehr ungenügender Beweis,zu

mal die Ausdehnung des letzten Pfeilers sich nicht ganz genau

bestimmen lässt .Als Mauerd icke fanden wir am Nord eingang osk .

röm .

am Südeingang : osk . 8 Mill .) 2 ' 2 " rom . 9

wa s offenbar kein sicheres Urtheil e rm o glicht .Es ergeben sich also aus der Untersuchung der Masse fol

gende für o skis ch en Ursprung des Gebäudes sprechende Fa cten

Die Ba s i l ica . 1 99

1 . Die auf freiem Ermessen des Arch itecten beruhend e,

an 200' o sk . sich auffallend annahernd e Länge des Hauptraumes .

2 . Die Lange der langen und. kurzen Säulenreihen,welche

mit der Breite der Basen sich in so eigenthüm licher Weise er

gänzen , dass , j e nachdem man am ausseren oder inneren Fuss

derselben misst,das eine Mal die lange Reihe um Fuss die

runde Zahl überschreitet,das andere Mal die kurze um Fuss

hinter ihr zurück bleibt . Daraus ergab sich auch die einfache

Theilung des Querdurchschnitts : 87 39 (2 x50 37 .

3 . Die Weite der beiden Osteinga nge , deren einer genau 10'

misst,der andere dies Mass nur wenig überschreitet.

Hingegen kann zu Gunsten der römischen Masse angeführt

werden :

1 . Die an 1 85 sich stark annähernden Dimensionen

des Hauptraumes .2 . Die von 36 x 1 4 4 (1 4 ) nur wenig abweichenden Masse

der Säulenreihen .

Mag also immerhin die Entscheidung eher zu Gunsten des

o skischen Masses ausfallen,s o kann doch von einem so zwingen

den Beweis,wie ihn Nissen (S . 1 95 ) hier zu finden glaubt

,nicht

die Rede sein . Die auch auf rom isches Mass reducirba ren

Grössen d em o nstriren deutlich genug,dass

,wenn einmal

,wie

hier,auf genaues Zutreffen einfacher Masse verzichtet werd en

muss,das von Nissen gelegentlich angewandte Argument

,der

gleichen konne nicht ein Werk des Zufalls sein , von geringem

Werthe i st.

Capitel VIII .

Einige der Basilica gleichzeitige Bauten.

Von der charakteristischen Bauart der Basilica war oben

die Rede . Wenn wir nun dieselbe , namentli ch die eigenthüm liche ,seltene Eckenbild ung , an einigen anderen , aus gleichem Incertum

aufgeführten Bauten finden,so dürfen wir wohl ohne zu grosse

Kühnheit auf wenigstens ungefähre Gleichzeitigkeit schliessen . Der

s o entstehenden Gruppe gehören ausser der Basi lica noch fol

gende Gebäude an : der Jup itertemp el , die alten Theile des grossen

Theaters,die M auerthürme

,oder wenigstens eine Anzahl der

selben,und gewrs se Theile der Thore . Von der Basilica ist eben

ausführlich gehandelt we rd en ; untersuchen wir nun nach einander

die übrigen hier in Betracht kommenden Bauten .

l . Der Jupitertempel .

Ob der Jupitertempe l auf dem Forum nach o skischem oder

nach römischem Fuss erbaut is t,lässt sich aus den Massen des

selben nich t entscheiden . Nissen (S . 90) glaubt den o skischen

Fuss erkennen zu können,und führt dafur folgende Masse an :

1 . untere Treppe

2 . obere Treppe 8 '

3 . Vorhalle breit 5 4 '

4 . Vorhalle tief 4 4 '

5 . Ce llam auer (Vord ermauer) 3 ’

6 . Ce l lathür 1 6'

202 Cap ite l V II I .

uns an die rechte Seite halten mussten . Wo aber die Ausfuhrungso ungenau ist

,dass die Seitenlängen von der mittleren

,nach

Nissen der beabsichtigten,um7—8 Centim . abweichen

,da ist

eine metro logische Folgerung nur dann erlaubt, wenn es sich um

eine vorzugsweise runde Zahl handelt ; eine solche aber ist 44

nicht. Also auch 4 strei chen wir aus der Liste der beweis

kräftigen Zahlen . Auch in römischen Massen ergiebt sich nichts

rundes .

Also weder die Treppe noch die Vorhalle liefert einen Be

weis nach der einen oder anderen Seite .

5 . Namentlich überzeugend scheint die 3 Fuss dicke Cella

mauer : Mauerdicken geben j a besonders häufig ein m etro logisches

Resultat . Doch ist zu bemerken,dass unten

,wo man am ehesten

erwarten so llte,das beabsichtigte Mass zu finden

,di e Mauer

dick ist ; weiter oben freilich mass auch ich

letzteres 3 ’ osk . In römischem Mass ergiebt sich keine an

nehmbare Grösse . Immerhin mag _ diesem Mass einiges Gewicht

beigelegt werden .

6 . Cella thür genau Dreimalige Messung ergab

aber bis o sk . ,was keine überzeugende Grösse

i st. In römischem Mass i st die nächs te runde Grösse 1 5 '

eine Ungenauigkeit von 2— 3 Centim . ist in der Thürweite doch

wohl hinreichend,um die Beweiskraft aufzuheben . Allenfalls

mag also für das o skische Mass angeführt werden .

Die Masse der Cella sind genau folgende7 . B reite vorn

hinten8 . Tiefe rechts

links

Es ist also in der Breite Nissen’s Mass,

um 7—10 C tm .

3 —4 " überschritten . Die Reduction auf romisches Mass ergiebt

4 1 ' resp . als o keines von beiden stimmt in überzeugen

der Weise . 5 7 osk . würd e,wenn es auch richtig wäre ,

ohne Beweiskraft sein ; d enn ist 5 3 ' röm .

,und keine

der beiden Zahlen ist uberzeugend er als die andere .

9 . Der Raum zwischen der Rückwand der Cella (diese eingerechnet) und der des ganzen Gebäudes ist (nichtt ief : ein Ma s s

,welches näher an röm .

,a ls an

Ein ige d er Ba s i l ica g le i chze i t ige Bau ten . 203

5 ' osk . liegt . Ohne die starke Zwischenmauer erhalten

wir c . 3 ' 5 " osk . 3 ' 2 " röm . : beides keine irgendwie

überzeugenden Grossen .

10. Die Stärke der Rückmauer ist reichlich Nissen

muss am Ostende gemessen haben , wo s ie von aussen beschädigt

ist ; aber liegt näher an 2 ' röm .

,als an irgend einer

annehmbaren Grösse o skischen Masses .

Die Breite des Naos einschliesslich der Seitenmauern be

rechnet Nissen S . 362 auf 4 4 + 6 von der Voraussetzung

ausgehend,dass die Seitenmauern an Dicke der Vordermauer

gleich sind. Die Seitenmauern ruhen auf Quadern,welche nach

aussen um bis vor die Mauern vorspringen : die Erhal

tung des Stucks verhindert eine genauere Bestimmung . Die

Entfern ung der Rander dieser Quadern von einander entspricht

der Breite der Vorhalle,

also Breite des Naos mit den

Mauern — c. was von 50’o sk. um

abweicht. Doch soll die Möglichkeit,dass dies d a s beabsichtigte

Mass war,nicht geleugnet werden . Die Mauerd i cke stellt sich

2uns auf was der unteren Dicke der Vorder

mauer ziemlich genau entspri cht .Die Breite des Unterbaues findet Nissen durch Subtraction

der beiden Flügel des Forums neben dem Tempel von d er Ge

samm tbreite desselben : eine

Rechnung,bei der wir uns doch nicht beruhigen dürfen . Wir

finden die Breite des Unterbaues,indem wir zur Breite der Vor

halle,

die doppelte Entfernung vom Rande der Quadern

derselben bis an ein am Rande der Stufe am Fusse des Unter

baues errichtetes Loth,

a d diren : 61 ' 9 " osk .

5 7 4 " röm .

Bei Berechnung der Ge samm tlänge auf Grund von Messungen

Schone’s lässt Nissen (S . 362 ) ausser Acht, dass der Unterbau hinterder Rückmauer der Cella noch um c . (ohne den Carnies) vorSpringt . Eine directe Messung des ganzen is t wegen der seitlichen Anbauten schwierig und unsicher . Wenn Schöne die Länge

der Cella bis zur Aussenseite der Frontwand und der Rück

wand zu gemessen hat,so kann diese Messung nur unter

erschwerenden Umständen ausgeführt sein und a uf vollkommene

204 Capi te l VI II .

Genauigkeit keinen Anspruch machen . Die Gesamm tlänge ergiebt si ch mir folgendermassen

untere Treppe rechts links

obere TreppeVorhalle

C ellamauer

Cella'

hinterer RaumRückmauer

Vorsprung des UnterbauesGesamm tlänge

Suchen wir nun die na chs tliegend en annehmbaren Grössen o ski

schen und. römischen Masses,s o finden wir :

oskisch,

1 2 5 ' romisch .

Ohne Zweifel ist hier di e römische Zahl annehmbarer. Auf

keinen Fall aber darf behauptet werd en,dass an diesem B au

der o skische Fuss von irgendwie deutlich hervortri tt ,

Der Unterbau (sein Profi l bei M azo is III pl . XXXV) bestehtaus vortreff li chem Incertum

,fast nur aus Lava

,mit gutem

,hartem

Mörtel,dessen Farbe etwas ins violette Spielt . Der Ablauf und.

die darunter liegende Stufe sind aus Lava , der Carnies aus Tuff.Besonders charakteristisch ist die Constructi on der Ecken . Die

selben bestehen aus quaderartigen Lava stüeken ,welche s o ge

legt sind,dass sie mit ihrer Länge sich abwechselnd nach der

einen und nach der anderen Seite erstrecken,sind also den Ecken

der Basilica ähnlich,nur dass die Steine hier grösser und. etwas

regelmässiger behauen sind. Kenntlich ist diese Bauart nur an

der Nordwestecke,da die Nordostecke beim Anbau des Bogens

zers tört we rd en ist .

Die Quadern,welche dem Oberbau als Grundlage dienen

,

sind unter der Ce llamauer auf der Westseite alle aus Lava,auf

der Ostseite in dem hintersten Theil Lava,weiter vorn Tuff

(doch ist der letzte noch unter der Cellamauer liegende Steinwieder Lava ) , in der Vorhalle Travertin . Die ganze Vorhalleist nämlich mit Travertin gepfla s tert , was vermuthlich auf einesp a tere Restauration zurückgeht . Dafur spricht schon die geringe

206 Cap i te l VIII .

übrigen aus ziegelfo rm igen Ka lks teins tucken , von gro sserer Hohe

als man sie sonst findet,aufgesetzt und mit der Wand nicht ge

bunden . Sie für j üngeren Ursprungs zu halten,ist kein Grund

vorhanden : s ol che Pilaster mussten hier von j eher sein ; die Tuff

füsse stimmen trefflich zu dem Charakter des ganzen Baues und

erinnern an die Halbsäulen der Basilica,welche auch a us ver

schied enem Material auf Tufffüssen aufgemauert sind. Die

beiden Anten der Vorhalle besteh en aus dem gleichen Incertum

wie die Mauern der Cella : von später Restaurati on (NissenS . 32 1 ) ist hier keine Spur .

Betrachten wir weiter den drei Cellen enthaltenden,zum

Tragen des Cultbildes bestimmten Einbau . Seine Seitenwände

beginnen hinten mit auf Tufffüssen sorgfältig in Cruma incertum

aufgeführten Pilastern . Der oberhalb der letzteren liegende Theil

der Mauer springt etwas vor die untere Wand (nicht die Pilaster)vor

,und man kann allenfalls noch erkennen

,dass hier im Stuck

ein Architrav gebildet war. Der untere Rand dieses V 0 1‘

Sp l‘ll l

genden Theils i st ein h ori zontaler B ogen,sehr sorgfältig aus

Cruma cons truirt,und zwar so

,dass die obere Flache der Steine

einen wirklichen Bogen bildet,während sie unten an den beiden

Enden so viel kürzer sind,dass hier eine horizontale Linie

entsteh t. Die vorderen Eckpila ster waren ebenfalls s orgfältig

aus ziegelfö rm igen Oruma und Ka lksteinstücken hergestellt .

Doch sind hier nur geringe,nirgends si ch über Höhe er

hebende Reste des alten Mauerwerks erhalten . Alles übrige

geht a uf eine späte Restauration zurück,die sich durch das bunt

gemischte und schlecht gefügte Material und den schlechten

Mörtel sofort zu erkennen giebt . Noch später sind dann die

vorderen Eckp ila ster gegen die Seitenwände d es Tempels zu um

0 . verstärkt we rd en . Die Vord erseite dieses Einbaues trug

in der letzten Zeit eine Marmorverkleidung,oder sollte sie er

halten,wie an den Resten der dicken M örtelunterlage zu erkennen

i st . Früher war die Vorderseite mit Stuck bekleidet und durch

zwei Pilaster (ausser den Eckp ila stern) getheilt : von dem Fusse

d es einen ist ein Rest zwischen der mittleren und ö stlichen Thür

sichtbar .Die Analyse der Bauart ergab uns eine grosse Aehnlichkeit

mit derj enigen der Ba silica : Incertum aus Lava mit dem treff

Einige d er Bas i l i ca gl e ich ze it ige Bau ten . 207

lichen harten Mortel der Tufi°perio d e ; Constructio n von Eckenund Bögen aus demselben Material

,welches hier auch

,ein

seltener Fall,für die Pfosten des Einganges verwandt ist ; da

neben vereinzelt auch Ziegel ; aufgemauerte Pilaster m it Füssenaus Tuff. Dagegen fanden wir

,abweichend von der Basilica

,

auch ziegelförm ig behauenen Tuff, Oruma und Kalkstein , ersteren

an einer Stelle,wo nicht zu ersehen ist

,was man damit ha t

bezwecken wollen .

Wir dürfen also im Jupitertempel nicht nur ein Geba ud eder Tufi°p erio d e , der späto skischen Zeit

,erkennen schon die

Tuffsäulen lassen hieran nicht zweifeln sondern auch ihn mit

der Basilica und. den ihr verwandten Geba ud en zusammenstellen ;und zwar wird er

,da die Verwendung von C onstructionsa rten

welche eigentlich der Tufl’

p erio d e fremd sind , hier weiter ve rgeschritten ist

,der Basilica gegenüber eher für j ünger als für älter

gelten dürfen .

Schöne macht (bei Nissen S . 32 1 ) die Bemerkung , dass man

„ in der Rückwand , besonders links neben den Kammern , einige

Quadern,vermuth lich Reste eines älteren Baues

,erkennt . “ Diese

Beobachtung nimmt bei Nissen (S . 32 0) die Gestalt an , dass dietechnische Analyse

„mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen

lässt,dass vord em ein älterer Quaderbau hier gestanden ha t “ .

Es muss dagegen bemerkt werd en,dass die wenigen Quadern

auf denen diese V ermuthung aufgebaut ist , aus Lava bestehen .

Lavaqua d ern ,sonst in Pompej i selten (Schöne bei Nissen S .

sind,wie Schöne bemerkt (S . 320f.) am Jupitertempel mehr

fach verwandt word en : zum Ablauf des Unterbaues,am Eingang

,

als Unterlage der Cellamauern . Nichts liegt also näher als die

Annahme,dass j ene Quadern in der Rückwand zum Zweck

eben dieses Baues gebrochen,und

,d a sie übri g blieben

,an der

Stelle,wo wir sie sehen

,vermauert we rd en sind . M a g also aus

apriorischen Gründen die Existenz eines älteren Baues an dieserStelle wahrscheinlich sein oder nicht

,der Tha tbe stand bietet

einer solchen Annahme nicht den mindesten Anhalt .

Die innere Decoration (publicirt bei Ma zo is III pl . XXXVI)i st zweiten Sti ls : Nachahmung von M a rm o rbekle idung durch

blosse Ma lerei auf der glatten Wand . Dass aber derselben erne

208 Capite l VIII .

Decorati on ersten Stils,des Sti ls der Tufip eri o d e , vorherging ,

dürfen wir um s o mehr vermuthen , als wir in dem seiner Bauart

nach o ffenbar j üngeren Aesculap temp el eine solche mit grosser

Wahrscheinli chkeit nachweisen konnten . Und auf diese ältere

Decoration dürfen wir vermuthlich einige Reste trefflichen alten

weissen Stucks auf der Aussenseite des Tempel s wi e des Unter

baues zurückführen . Am deutlichsten sind sie da,wo westlich

der Bogen,welcher den Zugang zum Forum bildet

,an den Tempel

angebaut i st,sowohl am Unterbau

,wo man sieht

,dass der später

formlose Carnies damals reicher und feiner p ro filirt war , als

am Eckp ila ster des Oberbaues . An letzterer Stelle ist das

höhere Alter des fraglichen Stucks ganz besonders deutlich : er

i st älter als der Bogen,welcher ihn hier wie auch am Unterbau

bedeckt,während der spätere Stuck des Tempels auf der Rück

seite deutlich a uf dem Bogen liegt . Am Unterbau finden sich

dann noch auf der ganzen Westseite B este,welche überall di e

reichere und feinere P ro filirung auch des Ablaufs zeigen .

Ferner wird auf die Decorati on ersten Stils der alte Stuck der

Säulen zurückzuführen sein,von dem nur geringe Reste oder

vielmehr Spuren erhalten sind . Es ist aber zweifell os,erstens

,

dass diese tief ausgehöhlten Cannelüren nicht auf di e j etzige

Stuckdecke berechnet waren,zweitens

,dass die Säulen nie roh

waren . Die Bearbeitung der Oberfl äche ist nicht der Art,dass

man dies voraussetzen könnte,sondern ganz so , wi e sie bei den

regelmässig für Stucküberzug bestimmten Tuffsäulen zu sein

pflegt,z . B . in der c a s a d e l F a u n o . Die alte Stuckdecke hat

hier weisse Kalkspuren zurückgelassen .

Die Decorati on zweiten Sti ls ist in der ganzen Cella mi t

Ausnahme des Einbaues erhalten . Ihr gehört aber der Sockel

nicht an ; er ist im dritten Stil gehalten , und es i st ganz klar ,z . B . am Nordende der Ostwand , dass er später angesetzt werd en

i st : d er; obere Theil endet nach unten offenbar mi t einem Bruch .

Der Stuck ist geringer und weniger glatt gearbeitet . Ein Rest

des alten Sockel s ist in der Nord westecke erhalten .

Die Vo rmauerung der Thür in der Nord ostecke der Cella

ist j ünger als die Decoration zweiten Sti ls,wie die hier erhal

tenen Reste j üngeren vi o lettro then Stucks beweisen . Dagegenwird sie von dem Sockel dritten Stils bedeckt

,welcher frei lich

2 10 Capite l V II I.

Es bleibt übrig,die Masse dieser a lten Theile darauf hin

zu prüfen,ob sie auf o skische oder auf römische Zei t weisen .

So viel ich sehe deutet nur die Breite der Scene auf o skisch es

Mass . Sie beträgt,einschliesslich der am 0 stlichen und west

lichen Eingange 2 ' röm . starken Mauer genau 1 2 4 ' oskisch

1 1 5 ' rom .) Nehmen wir nun an , dass eine ältere

Mauer 2 Fuss oskisch statt 2 Fuss römisch stark war , so mass

die Scene selbst genau 1 20 Fuss .

Breite des ganzen Baues vor der Scene

1 72 ' 1 1 " osk . 2 Mill . ) 1 60'

1 0" rom . 6 Mill .)Weite des Westeinganges :

9 ' 3" osk . 6 Mill . ) 8' rom .

Weite des Osteinganges dazu 7 —8 C tm . Stuck

bis 9 ' osk . oder 5 Mill .) 8' rom .

Mauerdicke an der Westseite des Westeinganges

6 ' osk . 5 ' 10" röm . 4 Mill .)ebenda an der Ostseite

4 ' 5 " osk . 5 Mill . ) 4 ' rom .

Mauerdicke an der Ostseite des Osteinganges weniger

zwei Stuckschichten von j e 0 .

6 ' osk . 1 C tm .) 5 ' rom .

ebenda an der Westseite weniger eine Stuckschicht von

c .4 ' osk . 4 ' rom .

Es ist klar,dass alle diese Masse keine Entscheidung

1) Nissen

’s Un tersu chungen uber d ie Thea ter und d ie um lregend en P o rtiken

(Cap . XV . XVI) s ind gan z bes onders d anken swerth und uberzeugend . Zu be

r i chtigen ist, da ss ke in Grund vo rl iegt , d ie Thüren ,

we l che aus d em o berenCo rrido r auf d ie P o rticu s d es griech ischen T empe ls fuhren , fur nachträgl ich durchgebro chen zu ha l ten (S . 2 4 7 d re Ausfül lung d er Verzahnung d er Z iege lpfo sten durch Netzwerk , während rm ü br igen d re Mauer au s Incertum b esteht ,ist ein Verfahren ,

we l che s d em B etra chter P ompey’

s auf Schri tt und Tr i tt be

gegnet . Ferner : d re kleine Ha l le m rt dre i ion ischen Säu l en , in we l che di ehin ter d er Buhne d es kle inen Thea ters zur Gladrato renka serne führende Stra ssemündet , i st n i ch t e ine blo ss e F o rtsetzung d er do r ischen P o rt icu s an d er Wes tse i te d es kle in en Thea ters l iegt au ch n i cht gan z in derselben L in ie ;d ie Mau er , wel che be ide trennt , ist n i cht mo dern

,wenn gle i ch j ünger als d ie

Deco ra tion sreste zwerten S t i l s auf d er Au ssense i te d es Thea ters .

Einc d er Ba s i l ica gle rc lrzert ig e B au te n 2 1 1

3 . Tlrrrrme , Mauer und Thore .

An den beiden ersten Thürm en o stlich vom He rculanerth o r

(XII und. XI bei Nissen , Ca p . XXI,

1,S . 4 62 ff.) muss zwischen

den unteren älteren,und den oberen

,j üngeren Theilen unter

schieden werd en . Das alte Mauerwerk ist sorgfältiges Lavaincertum

,nicht verschieden von dem der anstossenden Mauer

stücke,erhalten bis etwas über die Höhe der Mauer. Die Ecken

sind so gemacht wie in der Basilica. Die Wölbung der Thür,

welche von der Stadtseite in den unteren Theil des Thurm esführt

,i st aus Lava mit gro sser Sorgfalt hergestellt ; j edes Ende

ruht a uf einem grösseren,in die Dicke der Mauer hineingehenden

Lava stein . Auf diesen a lten Theilen,und nur auf diesen

,finden

sich ansehnliche Reste der Decorati on im Stil der Ba silica ; dass

diese eben nur den alten Theilen angehören,i st besonders deut

li ch am zweiten Thurm (XI) , wo sie bis hart an die Grenze

derselben hinangehen , dieselbe a ber nie überschrei ten .

Davon grenzen sich die oberen,j üngeren Theile a uf das

bestimmteste a b,schon durch den verschiedenen Mörtel . Hier

i st in zum Theil grossen Stücken alles mögliche Ma teria l ver

baut : Tuff Ka lkstein,Lava

,Ziegel

,Fragmente von Fussböden

aus o p u s S i g n in u m ,Fragmente feinen Strrcks

,letztere o fi°enba r

der Decorati on ersten Stils angehörig und den Trümmern der

alten Thürm e entnommen , aus denen diese Theile a ufgebaut sind .

An den Ecken sind ziegelförm ige Stücken Tuffs und anderer

Steine verwandt,so weit sie gerade vorhanden waren

,aber ohne

Regelmässigkeit und Genauigkeit . Das Ganze zeigt die grösste

Eilfertigkeit und Liederlichkeit . Die Bögen der auf die Mauer

führenden Thüren sind auf der Aussenseite doppelt : zu unterstsind drei w ohlbehauene Bogenfragmente aus Tuff zu einer Wö lbung zusammengesetzt

,darüber ein zweiter Bogen aus ziegel

förmigen Stücken verschiedenen Materia ls ; der untere Bogensteht auf g rösseren , in die Ma uer hinein , nicht aber ganz hin

durch gehenden Steinen . Na ch innen ist die Wölbung nur aus

ziege lförm igen Stücken , vorwiegend Tufl° gebildet.

Zur Zeit der Restauration,welcher diese oberen Theile ihr

Dasein Verdanken,wa r der dritte Thurm (X ,

Gell und Gandy1 4

"

2 1 2 Cap ite l V II I .

P om p e i an a,1 85 2

,pl . 1 6) wohl erhalten oder doch die Zer

störung weniger fortgeschritten . Hier gehört alles noch stehende

den a l ten Theilen an . Auch die auf die Mauer führenden Thürensind hier mit Lava überwölbt

,nach aussen mit grö sseren

,keil

förmig behauenen Stücken,nach innen mit kleineren Steinen

,wie

das oben erwähnte Kellerfenster der Basilica . Auch die Decora

ti on ersten Stils erstreckt sich hier auf die oberen Theile : an

der erwähnten Wölbung sind die einzelnen Steine im Stuck aus

gedrückt . In dem vor die Mauer vorspringenden Theil finden

sich seitliche Sch iesslo cher,auch sie mit dem Stuck derselben

Decoration verkleidet .

Wenn Nissen (S . 5 1 3) meint , die Thurm e seien eilfertig gebaut ,s o ist das durchaus auf die spätere Restauration

,der die oberen

Theile der beiden ersten Thürm e angehören , zu beschränken .

Die unteren Theile zeigen von Eilfertigkeit keine Spur,im Gegen

theil,die Glei chartigkeit des Materials

,die Güte der Arbei t

,

endlich die Anwendung der mühsamen,Ma rm o rbekle idung nach

ahmend en Decoration , alles dies spri cht dafür , dass diese Ar

beiten in voller Ruhe und ohne Uebereilung ausgeführt wurd en .

In ganz gleicher Weise ist noch der Thurm nord östlich vom

Amphitheater (VII) gebaut , und. auch hier ist die Decorati onersten Stils erhalten . Auch die Bauart zweier sehr zerstörten

Thürme,südwestlich am Amphitheater (V) und zwischen Ca

puaner und. N o lanertho r (IX) , i s t dieselbe . Bei beiden sind Restedes Stuckbewurfs erhalten , bei V auf der Westseite , nahe der

Südwestecke,bei IX auf der Nordseite ; und zwar scheinen die

Reste von IX dem ersten Stil anzugehören : es ist,wie es scheint

,

an einer Stelle der vertiefte Rand zweier Felder erhalten .

Andere C o nstructionsa rten zeigen sich bei den übrigen

Thurmon. Die Ecken von VIII (zwischen Sarn o und N o lanerThor) bestehen aus ziege lfö rm igem Haustein , und zwar zum Thei l

aus ziemlich grossen Ka lksteinziege ln , die Pfosten der Thür nachder Stadtseite aus Tuff und einzelnen Sa rno ziegeln . Das Incertum

aber hat den gleichen Charakter wie das der oben besprochenen

Thürm e . Ueber der Tuffwö lbung der Ausfa llspfo rte (nach Süden)ist ein Entla stungsbo gen in der bekannten Art des Kellerfensters

der Basilica aus Lava hergestellt, und in gleicher Weise sind die

Schie ssscharten überwölbt . In den Ecken von IV (zwischen

2 1 4 Cap ite l V III .

Von den Thü rm en werd en wohl die aus Lava incertum auf

geführten Theile der S tadtmauer,welche sich gro ssentheils eben

an die Thürm e anschliessen und ähnliches Mauerwerk zeigen,

nicht getrennt werd en dürfen . Nissen zwar kommt in Betreff

des dem Herculaner Thor zunächst liegenden Thurm e s zu einem

anderen Re sultat . Wir lesen bei ihm folgendes (S . 4 60

M . ehe man an den Thurm gelangt,beginnt oben auf

„der Mauer sich eine Bekrönung von drei Schichten Kalkstein

zu zeigen,welche vor dem Thurm wieder aufhört . Wo

„sie beginnt

,schneiden die drei Ka lksteinblöcke in senkrechter

„Linie ab

,und was wichtiger ist

,diese Linie setzt sich deutlich

„in der Lavam a uer fort ; j edoch nicht ganz bis zum j etzigen Boden .

„Hier muss also nothwendig einmal ein Ab oder Einschnitt ge

„wesen sein : derselbe rührt ohne Zweifel von der nachträglichen

„Hinzufügung d e s Thurm e s her ; denn man erkennt , dass der

„Thurm in ein nach gleichem Princip erbautes

,mit drei Kalk

„steinschichten gekron te s Lava stück später hineingesetzt wor

den ist . “

Diese Arg umenta ti on ist , auch an Ort und Stelle gelesen ,unverständlich und

,wie auch immer zu verstehen

,j edenfa ll s

unrichtig . Die bezeichnete senkrechte Linie schliesst d a s mit

drei Kalksteinschichten gekrönte Stück gegen Westen,nach der

dem Thurm abgewandten Seite,nicht gegen diesen ab

,hat also

mit seiner vermeintlich nachträgli chen Einfügung nichts zu thun .

Es geht ferner dieser Abschnitt nicht bis auf den Boden,sondern

nur bis etwa zwei Meter unter di e Kalksteinschichten . Da s untereMauerwerk aber hängt mit dem des Thurm e s ohne irg end welchen

Ansatz zusammen . Jene Linie is t s o entstanden,dass das an

den Thurm anstossende,mit drei Kalksteinschichten gekrönte

Stück gegen Westen mit einer Ecke sie scheint ähnlich

gebildet wie an der Basilica und den Thü rm en abgeschlossen

wurd e,dass aber dann westlich in gleicher Flucht

,ohne irg end

welchen Vorsprung zu lassen,daran angebaut wurde : es ist also

dies m it dem Thurm zuriächs t zusammenhängende Stück nicht

in einen Bruch hineingeflickt , sondern erst fertig gemacht und

dann die westliche Fortsetzung daran angesetzt we rd en . Einesolche Eckenbildung konnte wohl nur durch die Absicht ver

anlasst sein,dies an den Thurm s to ssend e Stuck d e co ra tiv vor

Ein ige d er Bas il ica g le ichze itrge B au ten . 2 1 5

springen zu lassen,vielleicht bis hierher die Stuckd eco ration

des Thurmes auszudehnen ; doch muss diese Absicht schon wäh

rend des Baues aufgegeben we rd en sein .

So dient diese Beobachtung vielmehr dazu,den Zusammen

hang der Thürme mit den Mauerstücken aus Incertum zu be

stätigen . Es sei n och bemerkt , dass gegenüber der M ercurs tra s se ,ö stlich vom Thurm XI

,ein sol ches Mauerstück nach der Stadt

seite eine Quad erwand zeigt . Dass diese gerade hier j üngeren

Ursprunges sei als anderswo (Nissen S . fur eine solche

Annahme würden sich vielleicht bei vollständigerer Kenntnissder Mauer Anhaltspunkte finden ,

fur j etzt fehlen dieselben

gänzlich,und es dürfte überhaupt gera then sein , einstweilen

über das V erhältniss dieser Innenmauer zur ursprünglichen

Aussenmauer und zu ihren Restaurationen kein Urthe il auszu

sprechen .

Dass auch die inneren,überw o lbten Theile des N o laner und

Stabianer Thors und die entsprechenden Theile der anderen,

weniger vollständig ausgegrabenen The re derselben Gruppe von

Bauwerken angehören,soll nicht mi t Bestimmthei t behauptet

werden,is t aber z iemlich wahrscheinlich . Auf die wesentlich

gleiche Beschaffenheit des Lava ince rtum s mag kein grosses Gewicht gelegt werden . Von der Bauart wird im zehnten Capitel

weiter die Rede sein . Die Ecken gegen die Aussenseite sindähnlich wie die der Basilica und. der Thürm e

,die Wölbung in

der mehrfach erwähnten Weise aus Lava gebildet ; nur die ober

sten Steine sind am N o laner Thor Tufl° : es sind dies nach innen

fünf grössere,mit dem bekannten Kopf und der Inschrift

,nach

aussen zehn kleinere,nach Art der Tuffziegel ; der Kopf kann

auch fur die Zugehörigkeit des The res zu dieser Gruppe ange

führt werden ,da er sich eben so an dem hierher geho rigen

grossen Theater findet. Die Reste der Stuckd eco ra tion gehören

offenbar dem ersten Stil an .

Es handelt sich nun darum,dieser Gruppe ihren chrono

logischen Ort zu finden .

Die Tuffsäulen der Basilica und des Jupitertempels , die

2 1 6 Cap i te l VII I .

Beschaffenheit des Mauerwerks,namentlich auch des Mortels

,

die Thürpfo sten a us Quadern,die in zweien sicher

,wahrschein

li ch in dreien dieser Gebäude erhaltenen Reste des ersten De

co ra tionsstils : alles dies weist deutlich auf die Tuffp erio d e . Und

damit stimmt der bekannte Gra ffito der Basilica aus dem Jahre

78 v. Chr .Wenn die Saulen und Halbsäulen

,sowie die gro ss ten Theils

aus Säulen bestehende Ostfront der Basilica,aus Ziegeln

,einem

im allgemeinen der Tuffp erio d e fremden Material , aufgemauert

sind,so erklärt sich dies aus den ungewöhnlichen Anford erungen

,

welche hier an die Hohe und Stärke der Säulen gestellt wurd en .

Eine Analogie bieten ferner die Ziegelsäulen des zweiten P eris tylsder c a s a d e l F a u n o und die der c a s a d e l L a b e r i n t o : auch

sie gehören aller Wahrscheinlichkei t nach der Tuffperio d e , oder

doch der Zeit des ersten Deco ra tionsstils an ; denn wären ihnen

ältere Tuffsäulen vorhergegangen,s o hätten dieselben doch nicht

spurlos verschwinden können . Auffallender i st die vereinzelte

Anwendung von Ziegeln zu Thurpfo sten im Jup itertemp el .

Auch die Verwendung ziegelfö rmige r Kalk und Tuffsteine

zu Ecken und Thürpfo sten ist der Tufl‘

p erio d e fremd . Die ähnlich geformten Kalksteine

,aus denen gewisse Pilaster im inneren

des Jupitertempels aufgesetzt sind,weichen durch ihre Grösse

wesentl ich von der sonst üblichen Form ab,und. können fast als

kleine Quadern bezeichnet werden . Hingegen sind in der Rück

mauer des Jupitertempels Tuffziegel vermauert werden , ohne

pra ctischen Nutzen , vermuthlich nur weil sie eben zur Hand

waren : sie beweisen aber hinlänglich,dass ihre Verwendung der

Peri ode , welcher diese Bauten angeb oren , nicht fremd war . Ausziege lförm igen Steinen fanden wir ebenda die Vorderecken desE inbaues gebildet . Endlich fanden wir Ziegel und ziegelförm igenHaustein

,getrennt und verbunden

,an einigen wahrscheinlich

hierher gehörigen Thürm en .

Wir werden also an die letzte Zeit der Tuffp erio d e zu denken

haben , eine Zeit , wo die späteren C ons tructio nsa rten schon sich

zu verbreiten begannen . Und wenn wir am Nord eingang der

Basilica und am Eingang des Jupitertempels nicht die in dieserPeriode s o belieb ten Pi la ster

,etwa mit figurirten oder sonstigen

Capitel IX.

Die ersten Bauten der römisclreu Colonie.

Schone und nach ihm Nissen haben darauf aufmerksam ge

macht,dass das Amphitheater

,d a s kleine Theater und die

F o rum stherm en offenbar e i n e r Peri ode,und zwar den ersten

Zeiten der römischen Colonie angehören . Im folgenden soll zu

nächst über die F o rum s therm en und d ie Ansichten Schöne’s und

Nissen’s in Betre ff derselben (Nissen Cap . V) einiges bemerkt,und sodann gezeigt werd en

,dass derselben Gruppe noch zwei

weitere Bauwerke angehören .

1 . Die Forumsthermen .

Dass das Frauenbad (auf dem Grundriss F , G ,H , I ) der

F o rum sthe rm en erst nachträglich zu der ursprünglichen Anlage

hinzugefügt werd en se i,hat Schöne schon in seinem Qu a e

s t i o n um P o m p e ia n a r u m s p e c i m e n (1 868) zu erweisen ge

sucht ; Nissen hält dies für zweifellos (S . Und doch steht

diese Annahme auf schwachen Füssen .

Wir sehen ab von allgemeinen Erwagungen ,wie die

,

dass di e sullanischen C o lonisten die a ltere o skische Thermen

anlage mit gesondertem Frauenbad als Vorbild vor Augen hatten

haben doch auch die Ausgrabungen der letzten Jahre eine grosse

Thermenanlage zu Tage gefördert,die kein Frauenbad hat

(Reg . IX ins . 4 . s . B u l l . d . I n s t . 1 877 S . 2 1 4 ff. 1 878 S .

Prüfen wir vielmehr genau den Tha tbestand,dem j a auch

Schöne und Nissen ihre Arg umente entnommen haben .

Die ersten Bau ten d er rom ischen Co lon ie . 2 1 9

Diese Arg umente namlich beruhen darauf , dass vermeint

lich erstens das Mauerwerk verschiedenen Charakter hat,zwei

tens dass man da,wo beide Arten Mauerwerk zusammenstossen

,

deutlich sieht,wie das ältere von dem j üngeren überd eckt

wurd e,drittens

,dass das Tepidarium im F rauenba d e Luftheizung

hat,also einen bem erkensw erthen Fortschritt des C omforts gegen

das derselben entbehrende Tepidarium des Männerbades zeigt .Endlich soll auch ein Blick auf den Plan die spätere Anfügung

lehren .

In engem Zusammenhang mit dieser Frage steht die vonNissen aufgestel lte V ermuthung ,

dass a uch der Säulenhof (A)j üngeren Ursprungs s ei (S . s ie gründet si ch darauf

,dass

die südliche und westliche Einfa ssungsm auer desselben die ver

2 20 Caprtel IX .

m eintlich j üngere C onstructionsa rt des Frauenbades zeigen,und

dass die Arkaden der P o rtiken aus gelbem Tuff errichtet sind,

einem Material , welches nach Schöne und Nissen erst in derletzten Zeit Pompej i ’s üblich geworden ist.

Hier ergeben sich nun sofort wunderliche Con sequenzen .

Dass bei Erbauung d es Männerbades auch dieser Hof angelegt

wurd e,is t durch die ihm östlich vorgelegte B o ttegenreihe (alter

Construction) durch die auf ihn mündende Exedra (f) , durch denim Grundplan liegenden hinteren Ausgang des Apodyteriums (8)doch wohl hinlänglich gesichert. Dass er ohne P o rtiken ge

wesen sein sollte,ist mehr als unwahrscheinlich ; diese können

aber nach Nissen nicht aus gelbem Tuff errichtet gewesen sein .

Eine südliche und westliche Umfassungsmauer kann ihm auch

nicht gefehlt haben,und dass der zwischen diesen und den

Strassen übrig bleibende Raum schon damals von B o ttegen ein

genommen war,kann nicht zweifelhaft sein . Dies alles aber

musste nach Nissen in demselben Mauerwerk wie die B o ttegenan der Thermen und F o rum stra sse unvollkommenes Lavareticula t erbaut sein ; denn was wir j etzt dort finden

,soll j a

eben durch die Verschiedenartigkeit d es Mauerwerks al s j ünger

erwiesen werden . Nun dürfen wir aber wohl fragen,wie denn

die ursprüngli chen P o rtiken ,die alten Umfassungsmauern und.

B o ttegen , wenn sie in j ener soliden Weise erbaut waren , so spur

lo s haben verschwinden können,da doch die Lavam auern auf

der Nord und Ostseite der Insel s o trefflich erhalten sind. Wenns ie auch schadhaft geword en waren

,s o war es doch , wie bei

Nissen (S . 31 ff.) seh r richtig hervorg ehoben wird , durchaus nicht

pompej anische Art,in einem solchen Falle t a b u l a r a s a zu

machen,sondern man benutzte die Reste s o viel wie irgend

möglich . Es wird sich also doch wohl verlohnen,obige Argu

mente einer ern euten Prüfung zu unterwerfen .

Sehr gra vire nd wäre es in der That , wenn das Mauerwerk

des Frauenbades deutlich das der vermeintlich älteren Theile

bedeckte und so sich als j ünger erwiese. Nach Nissen (S . 1 3 1 )soll dies in dem Vorraum bei den Oefen (der Eingang auf demPlan mit 0 bezeichnet) deutlich sichtbar sein : „

man erkennt in

der Westwand den alten sorgfältigen Bau mit Lavabruchstein,der dann von dem dicken Gusswerk des neuen Caldariums über

2 2 2 Cap ite l IX .

Und mehr noch ist die s n och weiter oben der Fall,wo auch

Oruma rei chlich verwandt ist . Als o keineswegs i st das Materialregell o s durch einander vermauert

,sondern mit gutem Bedach t

hat man,wie s o häufig

,zu unterst die Lava

,als besonders festen

Stein,gewählt

,dann den auch dauerhaften Kalkstein

,zu oberst

endlich das lei chteste und am wenigsten feste Material . Ganz

ähnliches Mauerwerk zeigt die Westwand des schon erwähnten

kurzen Ganges und des über ihm liegenden Raumes,endlich auch

die Südwand des Tepidari ums G : auch hier finden wir in den

oberen Theilen reich liche Verwendung von C rum a,welche

,

zwischen dem helleren Materia l (Tuff und Kalkstein) verstreut ,den Mauern ein ziemlich buntes Aussehen giebt . Nur wenig ab

weichend ist das Mauerwerk des kleinen Raumes,welcher in die

Nord westecke d es Hofes,zwischen die Westwand desselben und

die Südwand des Tepidariums (vielleicht nachträglich) hinein gebaut worden ist . Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt werd en

,

dass aus diesem Raum einst eine Thür (oder war es nur eine

Nische ?) in’s Tepidarium führte

,dann aber zugesetzt werd en ist ;

j etzt ist er nur durch eine auf dem Plan fehlende Thür von K

aus zuganglich . Ganz das gleiche Mauerwerk hat aber die Ost

mauer des Hofes d . i . die von Nissen für j ünger gehaltene

Westmauer des Säulenhofes A. Hier ist an manchen Stellen

geradezu Netzwerk ; da die Mauer nichts trägt , i st namentlich

in den oberen Theilen Oruma reichlich verwandt ; gelber Tuff

findet sich weniger,doch ist aus demselben die Wo lbung eines

hier mündenden unterirdischen Ganges gebildet,der sich gleich

in zwei Arme theilt,von denen der eine (nach N) bald endet ,

der andere (nach 0) nachträglich unter der Mauer der s c h o l al a b r i des Männerca lda rium s zugesetzt we rd en ist. Ganz den

selben Charakter hat endlich die dem Säulenh o fe zugewandte

Südwand des Männerbades (C, E ) (die Westwand ist mit Stuck

bedeckt) .Abweichendes Mauerwerk hat nur die Westseite des Frauen

bades . Abgesehen von dem mit der Nordwestecke zusammen

hängenden,vo r den Rest der Mauer vorspringenden Stück

Ziegelmauer ist die Westwand des Apodyteriums H wohl ein Rest

eines älteren Ge bäudes : das trefl‘

liche Lava incertum,der sehr

harte Mörtel mit grossen Lavabrocken erinnern an die o skischen

Die ers ten B au ten d er röm ischen Co lon ie . 2 2 3

Bauten . Die Westwand des Tepidari ums G, gewo lrn liche s Ka lk

steinincertum,ist später daran angesetzt we rd en .

Wo bleibt nun also die Verschiedenheit d es Mauerwerks ?

Das dem Netzwerk ähnliche Lava incertum finden wir in den

Läden an der Nord seite,in dem Eingang ebenda

,und in dem

hinter den Läden aus dem Apodyteri um B zum Heizraum führendenCorridor

,in den Läden der Ostseite und eben daher auch an

der Ostmauer des Männerbades und d es Säulenhofes,welche j a

zugleich die Rückwand dieser Läden ist . Auch das Frauenbad

hat da,wo es sich mit der no rd lichen La d enreihe berührt

,das

gleiche Mauerwerk . Im übri gen zeigen die Mauern sowohl des

Männer als des Frauenbades das,was Nissen regellosen Bruch

steinbau nennt ; denn auch die Westmauer des Männerca ldarium s

scheint,so weit dies zu erkennen

,in derselben Weise gebildet

zu sein .

Einem Einwand e muss noch begegnet werden : die no rd liche

Stra ssenwand des Fra uenbades zeigt nicht das dem Reticu la t

ähnliche Lava incertum ,wie m an doch erwarten sollte

,d a sie

mit den Läden der Nordseite in einer Linie liegt . Allein damit

hat es eine andere B ewand tniss : die j etzige Frontmauer ist offenbar nicht die ursprüngliche . Zwar ihr j etz iges

,sehr geflickte s

Aussehen verdankt sie einem vermuthlich durch die Anbringung

der Fenster veranlassten Umbau ; sie bestand wenigstens

gro ssentheils aus Ziegeln,und weiter oben aus Kalkstein

incertum . Aber auch dies ältere Mauerwerk ist weder mit dem

Tonnengewölbe noch mit dem nord östlichen Eckpfeiler gebunden,

s ondern offenbar nachträglich unter j enes und an diesen gemauert

werd en,nachdem die Räumlichkeiten

,wie am Gewölbe sichtbar

,

vorn (N .) verkürzt worden waren . Damit stimmt es überein,dass

an der unten mit Ziegeln verkleideten Nordwestecke oben,nach

Norden zu,der Ansatz einer

,wie auch die Wölbungen der Bade

räume,aus gelbem Tuff gebildeten Wölbung sichtbar ist (s . die

Abbildung bei Gell,P o m p e i a n a

,1 832

,II . Taf. XXXIV) . Es

deutet auch dies darauf hin,dass das Gebaud e einst nach Nord en

weiter in die Strasse ve rtra t . Ueber diese Dinge ganz in ’

s klare

zu kommen,ist nicht leicht ; denn andererseits is t der nord

östliche Eckpfeiler,welcher die j etzige Länge vorauszusetzen

scheint,offenbar alt und mit dem Qua sire ticula t der Ostwand

2 2 4 Capite l IX .

genau in der Weise verzahn t,die wir hier auch sonst beobachten

können . Dagegen ist die Ziege lve rk le id ung der Nordwestecke

j ünger,und setzt die j etzige Frontmauer voraus

,mit der s ie im

Mauerwerk ziemlich übereinstimmt .Betrachten wir nun die südli ch vom Frauenbad und westlich

vom Säulenh o fe liegenden Theile,so finden wir

,dass die ganze

Westmauer d es kleinen Hofes K j üngeren Ursprunges i st : ihr

Incertum besteht aus allem möglichen Material,die Thurpfo s ten

aus Ziegelwerk,welches mit dem Incertum in der später allge

mein üblichen Weise viereckig und regelmässig verzahnt ist. Es

wurde schon erwähnt,dass zwischen dem kleinen Gelass in der

Nordwestecke von K und dem Frauentep idarium eine Thur ver

mauert zu sein scheint . Sie war niedrig und aus ziegelförm igem

Tuff gewölbt . Eben dies kleine Gelass hat nach Westen eine

modern vermauerte Thür (No . 9) auf die Strasse : ihr nördlicherPfosten is t noch al t und besteht aus grauem Tuff in Z iegelform ;mit dem südlichen Ziege lpfo sten beginnt der j üngere Thei l der

Mauer . Es folgt weiter ein ebenfalls modern vermauerter Zugang

zu dem kleinen Hofe,mit Ziege lpfo sten s odann ein

Laden (No . mit dessen nörd lichem Ziegelpfo sten das j üngere

Stück Mauer abschliesst . Der südliche Pfosten is t aus ziegel

förmigem gelbem Tufi° s orgfältig aufgemauert,ebenso der (allein

erhaltene) östliche Pfosten einer später vermauerten kleinen Thür,welche aus dem Laden nach Norden in den kleinen Hof führte.Alle drei Wände des Ladens zeigen Qua sireticula t , hier aber

nich t aus Lava,sondern aus verschiedenartigem Material

,nam ent

li ch Kalkstein,gelbem und grauem Tuff. Dies Qua sire ticula t

i st in allen Wänden durchaus gleichartig ; in der Rückwand geht

es oben über in Incertum aus Oruma,und hier

,in diesen oberen

Theilen,i st deutlich zu erkennen

,dass diese Mauer die ununter

bro chene und gleichartige Fortsetzung der Westmauer des Säulen

hofes (zwischen diesem und dem kleinen Hofe K ) i st , über deren

offenbare Zugehörigkeit zum ursprünglichen Bau oben gesprochen

wurd e . Daraus ergiebt sich , dass demselben auch dies e asireticula t

,trotz der Verschiedenheit des Materials

,angehört

,dass

es dem Qua sire ticula t der Nord und Ostseite gleichzeitig ist .

Es folgt weiter südlich ein antik vermauerter Zugang zur Latri na (II

,ein modern vermauerter (a

,No . 1 2 ) zum Säulenh o fe ,

2 2 6 Cap ite l IX .

Tuffpfo sten von den jüngeren,nachlässiger und mit viel sta rkeren

M örtelschichten gebauten des kleinen Vorhofes m vor dem Ein

gang zum Frauenbad und der einst über dem ( selbst später

erbauten ) Wasserreservoir L befindlichen Räume ; an beiden Stellen

sind auch die von ihnen abgeschl ossenen Mauern aus gelbem

Tuff nachlässig aufgeführt .

Es ergiebt sich uns s o eine neue Bestätigung unseres sch on

auf anderem Wege gefundenen Resultats,dass nämlich hier das

Qua sireticula t aus Kalkstein , Tuff und anderem Material zeitli ch

von dem aus Lava bestehenden der Nord und Ostseite nicht

verschieden ist . Wir haben vielmehr anzunehmen,dass auch

diese westlichen und südli chen Theile der ursprünglichen Anlage

angehören,und dass man in den auf zwei der frequentes ten

Strassen mundenden Läden der Nord und Ostseite mehr Mühe

auf das Mauerwerk verwandte ; denn die Bearbeitung der Lava

ist mühsamer .

Das gleiche Qua sireticula t aus Kalkstein finden wir nun in

den Zwi schenwänden der zweiten Hinterzimmer der nach Süden

gewandten Läden ; in diesen selbst aber und den ersten Hinter

zimmern j üngeres Mauerwerk . Wir dürfen als o,wenigstens mit

grosser Wahrscheinlichkeit,schliessen

,dass auch hier wie auf

den anderen Seiten anfangs nur eine einfache Reihe von Läden

ohne Hinterzimmer war,so dass hinter dem Jupitertempel noch

ein ansehnlicher freier Platz blieb . Nur s o erklärt es si ch,dass

diese Läden so unmässig reich mit Hinterzimmern ausgestattet sind

es hätte doch s onst nahe gelegen,vielmehr den Säulenhof etwas

weiter nach Süden auszudehnen . Die Südostecke der Insel

kann wegen der modernen Einbauten (Am tsloka l der S0pra

stanti) nich t näher untersucht werd en .

Wir haben also gefunden , dass die ganze Anlage , Manner

und Frauenbad,auf einmal erbaut word en ist

,indem für die West

mauer des Frauenap o dyteri um s eine ältere Mauer benutzt wurde.

Qua sireticula t wurde in den auf die Strassen geöffneten Räumen

und,im Osten wenigstens

,in dem darüber liegenden Oberstock

,

ausserd em in dem Corridor hinter der nördli chen B o ttegenreiheverwandt ; und zwa r wurde es an der Nord und Ostseite aus

Lava,an der West und Südseite aus geri ngerem Material her

gestellt . Beim Bau der Westmauer des Frauentepid a rium s gab

Die e rs ten Bau ten d er röm i s ch en Co lo n ie . 2 2 7

man sich nicht die Muhe , s ie dem Mauerwerk der übrigen Anlage

ähnlich zu machen,d a s ie j a nur die Fortsetzung einer älteren ,

ohnehin abweichenden Mauer ist . Die Thürpfo s ten und Eckpfeiler

wurden im Norden und Osten aus Ziegeln , im Westen und imOberstock aus ziegelförm igem gelbem Tuff gemacht ; auf der S üd

seite sind sie in Folge der späteren Zusätze nicht erhalten .

Wir haben ferner gesehen,dass das Frauenbad Veränderungen

erfahren hat,dass vorn die Räume verkürzt und hinten wahr

sche in lich ein Eingang geschl ossen we rd en is t . Da uns also

dieser Theil der Anla ge nicht in seiner ursprüngli chen Gestal t

vorli egt,so darf auch aus den vollkommeneren Heizvorrichtungen

ni cht auf jüngeren Ursprung geschlossen werd en .

Die östli chen Arca d en d es Säulenhofes A bestehen aus Ziegel

pfeilern,welche durch Bögen aus ziegelfo rm ig zugehauenem gelbem

Tuff verbunden sind. Die Zwickel sind mit Qua sire ticula t aus

demselben Stein ausgefüllt . Wenn daraus Schöne und Nissenauf Entstehung in später Zeit schliessen

,so können wir ihnen

auch hierin nicht beistimmen,nachdem wir beobachtet haben ,

dass in dem ganzen Bau gelber Tuff von Anfang an hie und d a

zur Anwendung gekommen ist.

2 . Der Aesculaptempel .

Ebenso genau wie F o rum s therm en und kleines Theaterunter einander

,stimmt der als Aesculap temp el bekannte kleine

Tempel mit dem Amphitheater überein . Genau dasselbe,dem

Reticula t sich nähern de Mauerwerk aus Lava,genau dieselbe

Einfassung desselben mit Pfosten aus ziege lförm igem Kalksteinund. Tuff

,welche hier wie dort nicht rechtwinklig

, wie bei

späteren Bauten,sondern schwach mit dem Mauerwerk verzahnt

sind,d . h . mit stumpfen Winkeln d reiecka rtig in dasselbe ein

greifen . Wir haben nur die Wahl,entweder den auf völliger

Gleichheit der Bauart beruhenden Beweis anzuerkennen,oder

überhaupt auf dies Hülfsm itte l der Chronologie,d a s wichtigste

von allen,zu verzichten . Hat also Nissen mit Recht den Bau

des Amphitheaters in ’

s Jahr 70 v . Chr . gesetzt,s o muss der Aes1 5

"

2 2 8 Cap itel IX .-l

culap tem p el in einer hiervon nicht allzu entfern ten Zeit entstanden sein )

Hier gera then wir nun freilich in Widerspruch mit Nissen ,nach welchem der Tempel sicher über das Jahr 90 zurückreicht

,

und. sehr wohl etwa dem dritten Jahrhundert angehören könnte .Fünf Umstände sind es

,welche Nissen S . 1 75 bis 1 77 zur

Altersbestimmung zu verwenden scheint

1 . Das a lterthüm liche,an den Sarkophag d es Consuls Scipi o

(298) erinnernde Aussehen des Altars .2 . Die Temp elsta tuen aus Thon , welche auf eine Zeit weisen ,

wo die Verbreitung des Marmors noch eine beschränkte war .3 . Der Umstand , dass , nach Nissen , der Tempel ursprünglich

ohne Stuckbekleidung zu bleiben bestimmt war .

4 . Die Beschaffenheit des Mörtels , welcher nicht aus Kalk

und Puzzolana besteht .

5 . Die o skisch en Masse .

Da es sich in 1 und 2 um unzweifelhafte Tha tsach en han

delt,beginnen wir mit 3 . Nissen’s Beweis beruht darauf

,dass

die sichtbaren Wände des Tempels Front und Innenwände

aus Netzwerk von Lava bestehen (richtiger aus dem Netzwerk sich

nähern dem Mauerwerk , wie die ersten Bauten der C olonie) , di e

nicht sichtbaren Aussenseiten dagegen aus unregelmässig ge

schichteten und geformten Lava und Ka lks teins tücken . Sollten

nun die Wande verputzt werden,s o

,meint Nissen

,hatte man

keinen Grund gehabt,die Verwendung des Netzwerks auf die

si chtbaren Wande zu beschränken . Das Arg ument ist von

derselben Art,wie das S . 60 in Betreff des Netzwerks überhaupt

verwandte :„In der That wäre es unbegre iflich , warum man sich

s o viele unnütze Mühe mit der Aussenseite einer Mauer hätte

geben sollen,die man mit Stuck überziehen wollte “

. Und s o

irrig di e dort gezogene Folgerung ist,dass das Netzwerk „wenig

stens in pompejanischen Bauten überall bestimmt war,roh zu

bleiben “

,so irrig ist auch die in Rede stehende in Betreff des

Aesculap temp els . Es ist nun einmal eine nicht wegzuleugnend e

Tha tsa che , dass sich die Alten diese „unbegreifliche

“ Mühe gaben ,deren Resultat nur kurze Zeit

,bis zu der wenigstens bei den

1) So schl iess t au ch A . Ho lm in der S . 1 35 Anm . erwähnten Recen s ion

S . 2 5 8 .

2 30 Cap ite l IX .

Die o skischen Masse fuhren uns höchstens uber die Zeit der

sullanischen Colonie hinaus,j a es dürfte uns nicht allzu sehr

Wunder nehmen,wenn auch später noch gelegentlich nach oski

schem Mass gebaut w erd en wäre ; und diese Möglichkeit ist um

s o gr össer,wenn der Tempel in der That

,wie Nissen annimmt

,

nicht von der Stadt,sondern von einer Corporati on erbaut

word en ist .

Uebrigens liegt hier die Frage doch nicht ganz so einfach ,wie es nach Nissen scheint . Einige Distanzen sprechen aller

dings für o skis ches Mass :

Thürweite 5 ' osk. 4'8" röm .

Tiefe der Treppe (links ; rechts misst sie

10' osk . 9 ' röm .

Wande der Cella von aussen :

vorn 1 9 ' 8" 9 Mill .) osk . 1 8 ' 3 " 2 Mill .) röm .

hinten 20'

1 Cent .) 1 8 ' 7" 1 Cent .)rechts 20

'

1 " 1 8’ 8" 5 Mill .)links 20' 1 Cent .) 1 8

’ 7" 1 Cent .)d . h . mit Ausnahme der etwas kürzeren Vorderseite , und mit

geringen Vari ati onen,20 ' oskisch auf j eder Seite . Wobei es

freilich bedenklich ist,dass gerade die einzig sichtbare Vorderseite

von dem runden Mass abweicht .Dem können aber andere Masse gegenuber gestell t werden

,

welche sich besser auf den römischen Fuss r educiren ; nämlich

Tiefe des Vorraumes

1 3 ' osk . 5 Mill .) 1 2 ' rom . 1 8 Mill .)nach Nissen

1 3 ' osk . 5 Mill .) 1 2 ' 1 " röm . 4 Mill .)Nissen führt dies Mass zu Gunsten des o skischen Fusses an

,doch

ist die Abweichung von 1 2 Fuss römisch einer unzweifelhaft

runderen Zahl nicht grösser als die,welche wir oben von den

20 Fuss oskisch der von aussen gemessenen Wände annehmen

mussten. Ferner die Wände der Cella von innen

vorn 1 6 10" osk . 1 5 ' 4 " röm . 6 Mill .)hinten 1 7' 1 5 ' 1 1

rechts 1 7' 3" 1 6'

1 4 Mill . )links 1 7' 1 5 ' 1 1

Abgesehen auch hier vo n der etwas kürzeren Vord erseite weichen

Die ersten Bau ten d er ro nrrschen Co lo n ie . 2 3 1

diese Masse von 1 6 Fuss romisch nicht wesentlich mehr ab,als

die der Aussenseite von 20 Fuss oskisch .

Andere Masse geben in keinem der beiden Fusse eine rundeSumme . Die Mauerd icke erhalten wir am besten durch Halbi

rung der Differenz zwischen der Innen und Aussenseite der

Wände ; diese Rechnung ergiebt , übereinstimmend mit d irecto rMessung am Eingange , ziemlich genau

1 ’ 5 " o sk . 1 ' 4 " röm . 4 Mill .)Ebenso verhält es sich mit den Massen des Altars :

7' 1 " 8 Mill .) 3 ' 8" 6 Mill .) osk.

6’ 7 8 Mill . ) X 3' 5 " 4 Mill .) röm .

Da es undenkbar ist,dass man theils nach o skischem

,

theils nach römischem Mass gebaut haben sollte,s o haben wir

zunächst anzuerkennen,dass entweder die 20 Fuss oskisch der

von aussen gemessenen Wände,die 5 Fuss der Thürweite und.

die 10 Fuss der Tiefe der Treppe,ganz zu schweigen von d en

1 3 Fuss des Vorraumes,oder aber die 1 6 Fuss römisch der

Innenwände und die 1 2 Fuss des Vorraumes ein Werk des Zu

falls sein müssen . Wir werd en fern er nicht umhin können,

sp eciell in diesem Falle entweder unser Urtheil zu susp end iren ,

oder, wenn wir uns für das o skische Mass entscheiden , dies mit

grösster Reserve zu thun,und uns bereit zu halten

,unsere Ent

scheidung,falls sich Gegenind icien herausstellen sollten , sofort

zu m o dificiren .

Dass endli ch von Nissen ’s Grunden die beiden ersten , vonder Form des Altars und den Th o nsta tuen hergenommenen , nichts

zwingendes haben,wird wohl allgemein zugestanden werden .

Die Motive des Altars sind zu einfach,als dass auf die Ueber

einstimmung mit dem Sarkophag des Consuls Scipio ein sehr

grosses Gewicht gelegt werden dürfte ; es.

sind ferner die Motivedes ersten Deco ra tio nsstils (Triglyph enfries in der c a s a d i

S a l l u s t i o und. in einem Zimmer des Hauses VIH,3,

und

wenn es Nissen auffie l, „dass die untere Quad ers chicht ge theilt,

die obere unge theilt vorgestellt i st ,“s o hat schon A . Holm a . a . O .

S . 2 58 bemerkt,dass dies eben nur die (in j enem Sti l übliche)

Nachahmung eines Quad erbaues ist . Die Seltenheit des Marmorskonnte wohl auch noch in späterer Zeit zur Aufstellung von

Thonsta tuen führen . Endlich treffen diese beiden Argumente

2 32 Capite l IX .

nicht den Tempel sel bst ; sie la sSen uns den Ausweg,fall s wirk

lich Altar und Statuen s o alt sein müssen,anzunehmen

,dass

der uns vorliegende Bau an der Stelle eines a lteren errichtet s ei,

eine Annahme übrigens,zu der doch kaum genügender Grund

vorliegen dürfte . Doch s ei immerhin bemerkt,dass durch die

selbe auch die nicht ganz genau zutreffenden o skisch en Masse eines

vermuthlich der römischen Zeit angehörigen Baues ihre Erklärungfinden würden .

Dem gegenuber fuhrt , wie wir sahen , der Charakter desMauerwerks mit gro s ster Bestimmtheit auf die erste Zei t der

römisch en Coloni e . Um den Tempel in eine viel frühere Peri ode,

etwa mit Nissen in’s dri tte Jahrhundert versetzen zu können,

müsste man annehmen,dass schon dama ls j ene Bauart üblich

gewesen,dann aber in der Tuffp erio de durch die bekannte mit

Eckpfeilern aus grossen Qua dern verdrängt w erd en und nach

über hundertj ähriger Unterbrechung von den sullanischen Vete

ranen und ihren Zeitgenossen wieder aufgenommen we rd en sei .

Nachdem uns eben bei Nissen gezeigt we rd en i st,wie die Ent

wickelung des p omp e ian ischen Bauwesens einen steten Fortschritt

von überschüssiger Festigkeit zur zweckmässigen Berechnung,

von Quader zu Ziegel und ziege lfo rm igem Bruchstein darstellt ,wird uns eine derartige Anna hme doch wohl schwer eingehen .

Vielmehr werden wir den Aesculap tem p el der der ersten

Zeit der C olonie angehörigen Gruppe zugesel len,ohne zu ent

scheiden,o b er etwa auf der Stelle eines älteren Tempels er

richtet word en ist . Auch würden wir zu weit gehen,wenn wir

aus der genaueren Ueb ereinstimmung mit dem Amphitheater

schliessen wollten,dass seine Erba uung dem Jahre 70 näher

liegt als dem Jahre 75 ; denn auch am Amphitheater kommenZiege lpfe iler , auch am Theater und den Thermen Pfeiler ausziegelfö rm igem Haustein vor. Ja selbst die Mögli chkei t

,dass

der Tempel in der letzten Zeit vor der Colonie erbaut worden ist,

dürfte nicht unbedingt a uszuschliessen sein ; an die Tufl‘

p erio d e

eri nnern , ausser der Decoration ersten Stils , die Tuifcapite llemit Stuckb ekleid ung (M azo is -Ga u IV, pl . VI) .

2 34 Cap ite l IX .

den Pfeiler,die andere die horizontale obere

,die Hypotenuse

die schräge untere Grenzlinie des in d a s Reticula t eingreifenden

Stückes bezeichnet . Eben solche Ka lksteinpfo sten hat auch ei ne

in der Nordmauer nach the ilweiser Zerstörung des hori zontal ge

w o lbten Sturzes und des ihn überspannenden Entla s tungsb o genszugesetzte Thür . Sturz und Entla stungsbo gen bestehen aus ziegel

förmig zugehauenen Kalk und einzelnen Tuffsteinen. Solche

Entla stungsbögen über den Thüren sind für die Bauweise dieser

Zei t charakteri stisch : sie finden sich in grosser Zahl über den

Thüren der Thermen und namentlich des Theaters . Aehnlich i st

der Stirnb ogen gebildet,mit dem das Tonnengewölbe gegen die

Stadt abschliesst : hier wechseln regelmässig Kalkstein und Oruma .

Offenbar ist dieser gewölbte Gang nur ein Thei l einer

gro sseren Anlage , deren Gestalt und Zweck sich aber unsererKenntniss entz ieht.

Capitel X.

Zur Entfestigungsfrage.

Nachdem wir an der P o r t a m a r i n a den späteren rom ischen

Zusatz erka nnt haben,bleibt uns noch übrig

,das alte Thor selbst

näher zu betrachten,es mit den anderen Thoren zu verg leichen

und über sein V erhältniss zu den verschiedenen Theilen derselben

in’

s klare zu kommen .

Die einzigen uns ganz vorliegenden alten Th e re sind , d a

das Herculaner Thor ganz um gebaut ist , die übrigen aber nicht

oder nicht ganz ausgegraben sind,das N o laner und Stabianer

Thor . Beide bestehen aus drei Theilen : einem äusseren Durch

gang,gebildet durch die mit Kalksteinquadern verkleideten End

stücke der Mauer,ernem inneren überwölbten Durchgänge und

einem um weniges breiteren,beide verbindend en Gange , dessen

Wände wir am N o laner Thor mit Tuffquad ern ,am Stabianer

Thor mit Kalksteinquadern,unter die j edoch einzelne Tufl

qua d ern

eingemischt sind,bekleidet finden . Und offenbar sind dieselben

Theile auch am Vesuv und Sa rn usth o r vorhanden oder vorhanden

gewesen . An ersterem ist nur der aussere Durchgang und ein

Stück der mit Tuffquad ern belegten Westwand d es mittleren

Ganges sichtbar,an letzterem der aussere Durchgang zersto rt

,

dagegen die Südseite des inneren und zum Theil des mittleren

Ga nges erhalten : dieser ist auch hier mit Tuffqua d ern belegt .

Der äussere Durchgang wird wohl so a lt sein,wie die Mauern .

Der innere . ist am N o laner Thor von dem M ed d ix tuticus V ibius

P o p id ius erbaut und mit dem bekannten Kopf am Schlusssteinder Wölbung verziert we rd en . Die Bauart ist hier und am Sta

2 36 Cap itel X .

bianer Thor durchaus gleichartig . Die Innenwand e zeigen Lavaincertum

,naher dem äusseren Ende unterbrochen durch Thür

pfosten aus Kalksteinquadern . Die Incertum smauern finden nach

der Stadtseite ihren Abschluss durch die Quadern,mit denen die

hierher gewandte Front verkleidet is t. Diese Verkleidung biegt

an den äusseren Ecken um,um sich auf den Aussenseiten der

Seitenwände fortzusetzen . Hier ist sie nun freilich nicht überall

gleich vollständig durchgeführt : am N o laner Thor findet sie sich

rechts nur theilweise , links ziemlich vollständig (3 Schichten sind

sichtbar) ; am Stabianer Thor ist die Ostseite ganz verkleidet , dieWestseite nicht sichtbar . Die Quadern bestehen am N o laner Thor

aus Tuff,am Stabianer Thor aus Kalkstein . Man möchte nun

erwarten,dass diese Verkleidung an den Ecken gegen die der

Stadt abgewandte Front wiederum umböge und auch diese ver

kleidete ; doch ist dies nicht der Fall . Die Aussenfront,d. h .

die vor die Wände d es mi ttleren Ganges vorspringenden Ecken,

bestehen aus Lava incertum ,und sind

,soweit kenntlich

,aus ziem

lich flachen Lava steinen ähnlich gebildet,wie die Ecken an der

Basilica . Die äussere Bekleidung der Seitenwände nämlich setzt

sich in gerader Linie fort,und ihre Fortsetzung ist die Quader

bekleidung des mittleren Ganges,deren Material daher auch an

beiden Thoren mit den e a d ern des inneren Durchgange s über

einstimmt. Es kann hiernach nicht zweifelhaft sein , dass der

innere Durchgang und der mittlere Gang gleichzeitig sind . Die

Aehnlichkeit der beiden The re wird vervollständigt durch die an

beiden gleiche Decorati on ersten Stils : ein gelber S ockel tritt

gegen die weisse obere Wandfläch e etwas zurück . Offenbar war

der innere Durchgang des Sa rnustho res ebenso beschaffen : auch

hier i st die Aussenfro nt und ihre Ecken ganz ebenso aus Lava

incertum gebildet,die der Stadt zugewandte Front mit Tuff

quadern belegt ; von den Aussensei ten der Seitenwände ist nichts

sichtbar. Dass es sich mit dem V esuvth o r nicht anders verhielt,

dürfen wir vermuthen .

Es ist nun gewiss keine besondere Kühnheit,wenn wir aus

dieser vollkommenen Aehnlichkeit schliessen,dass alle diese

inneren Durchgänge zu e i n e r Zei t,oder doch innerhalb eines nicht

langen Zeitraumes erbaut word en sind . Die Bauart Lavaincertum mit Qua d ereinfa ssung und die Decoration gehören

2 38 Capi te l X .

die Wo lbung , in d en Raum zwischen den Tho rflugeln und der

Aussenfro nt vorgedrungen,s o waren sie gänzlich in Sicherheit .

Die Nische mit der Statue der Minerva lag ohne Schutz

ausserhalb des Th o rversch lusse s . Neben dem Haup tdurchgangeist g ro s serer Bequemlichkei t halber ein schmälerer (übrigens auch

verschliessbarer) für Fussgänger angebracht we rd en , und zwarnicht etwa erst nachträglich ; die Art , wi e si ch die Quad erbe

kleidung zu ihm verhält,der Charakter seiner aus grossen Kalk

steinkeilen mit a lterthüm licher Solidität construirten Wölbung,ähnlich der Wölbung der Nische , in welcher die Thonsta tue der

Minerva gefunden wurde,kurz

,der ganze Tha tbestand lässt da

rüber keinen Zweifel aufkommen,dass dieser zweite Durchgang

s o alt i st,wie der ganze Bau . Und wenn wi r nun das er

wähnte Stuck Incertum zwischen dem Thor und den Qua d erm auern

näher betrachten,s o finden wir

,dass es in seinem oberen Theil

aus Lava besteht und demj enigen dieses und der anderen Thore,

der Thürm e und der j üngeren Theile der Stadtmauer gleichartig

ist,unten aber allerlei gemischtes Materi al enthält und entschieden

j ünger aussieht . Wir bemerken weiter,dass diese beiden Theile

durch einen aus nicht grossen Kalksteinstücken gebildeten Bogen

getrennt sind,kurz dass hier eine 0 . hohe

,breite ge

wölbte Thür vermauert ist . Und zwar war d ieselbe nicht etwa

nachträglich durchgebrochen,sondern ebenso alt

,wie das auf

ihre Wölbung aufgemaue rte Lava incertum . Wohin sie führte, das

können wir bei den durchgreifenden Veränderungen,welche hier

Später stattgefunden haben,nicht erra then

,wi e wir j a auch

keine Vorstellung haben von den Räumen,zu welchen die ver

mauerte Thür in der Nord wand des inneren Ganges führte .

Wir dürfen nach alledem wohl annehmen,dass dies Thor

kein eigentli ches B efe s tigungs tho r war, dass es , wie das freilich

j üngere Herculaner Thor,weniger der V ertheid igung , als polizei

lichen Zwecken dienen sollte,dass zur Zeit seiner Erbauung

Pompej i auf dieser Seite gewissermassen entfestigt war , oder

man doch den Befestigungen nur geringe Wichtigkeit beilegte .

Da es nun aber dem Bau des V ibius P o p id ius gleichartig und

verm uthlich annähernd gleichzeitig ist,j edenfalls aber der Tuff

periode und der Zeit des ersten Deco ra tio nsstils angehört , so

werden wir dahin geführt,die Entfestigung dieser Stadtseite noch

Zu r Entfestigungsfrage . 2 39

in o skisch e Zeit zu verle g en und in ihr die Wirkung der langen

Friedensperiode zwischen dem hanniba lischen und. B und esgen o ssenkrieg zu erkennen .

Merkwürd ig ist daneben die Tha tsa che ,dass etwa um die

selbe Zeit die von Natur schwächeren Seiten der Stadt durchdie Herstel lung der Mauer und. den Bau der Thürm e neu be

festigt we rd en sind . Wir werden wohl anzunehmen haben,dass

erst in vollem Frieden die P o r t a m a r i n a gebaut ward,im übrigen

aber die Befestigung in Verfall gerie th ,dass dann

,als beim

Herannahen des Bundesgenossenkri eges eine erneute Befestigung

beschlossen wurde,man es unterliess

,auf dieser von Natur festen

Seite das für die V erthe id igung nicht zweckmässige Thor durch

ein anderes zu ersetzen . Aehnliche B efurchtungen mochten später,Nissen vermuthet während der Kämpfe nach dem Tode Caesar’s ,eine nochmalige Herstellung der Befestigungen durch T . Cusp ius

und M . Lo reius veranlassen (C . I. L . IV,S . 1 89 ; Nissen S .

In s olchen Fällen wird man,wo ein Thor nicht recht zweck

mässig,vielleicht auch die Mauer sch on stark überbaut war

,si ch

geholfen haben,so gut e s eben ging .

Sehen wi r nun zu,was sich etwa auf anderem Wege uber

die Zeit der Entfestigung ermitteln lässt .

Der zwischen der Stadtmauer und den zunachst liegenden

Häuservierteln frei gelassene Streifen,das Pomerium

,ist bei

dem j etzigen Stande der Ausgrabungen nur auf der kurzen Streckezwi schen Herculaner Thor und. v i c o d e l L ab e r i n t o

,d. h . auf der

Nordseite der Inseln VI,1 . 2 . 5 . 7 . 9 . 1 1

,deutlich sichtbar . Hier

kann vollkommen consta tirt werden,dass die Anwohner diesen

Streifen vielfach o ccupirt und bebaut haben . Und zwar sind

diese Occupa tionen j ünger als die P fla sterung der Strasse , welche

einst sich zwischen den Häusern und dem Pomerium hinzog

(Mauerstra sse) ; wenn schon früher Occupa tionen stattgefundenhaben

,so entziehen sich dieselben unserer Kenntniss . Die Mauer

strasse,und damit die Breite des P om erium s vor den Occup a tio nen ,

ist erhalten nörd lich der Insel VI,2 (zwischen v i c o d i S a l l u s t i o

und v i c o d i P a n s a) und an der Nordostecke der Insel VI , 7

(westlich der M ercurstra sse) . Auch VI , 1 1 hat , wenigsten s an

2 40 Capite l X .

der Nord ostecke,wesentlich dieselbe Ausdehnung wie zur Zeit

der Ka lks teina trien (s . oben S . 69 No .

Die Breite des P om erium s war schon vor der Occupati on

der Mauerstra sse nich t überall gleich . Messungen sind wegen

des unebenen Terrains schwierig,doch ist obige Tha tsa ch e schon

auf dem Plan zu erkennen . Nissen giebt bei Insel VI,2 eine

Breite von 8—9 M .

,bei VI

,7 von c . 1 5 M . an .

Die Occupation setzt Nissen in die Zeit nach dem Erdbeben

von 63,wegen des tumultuarischen Charakters der betreffenden

Bauten . Dieser Charakter ist aber nur sehr stellenweise nach

w eisba r,und es sind im Gegentheil hinlängliche Indicien für einen

älteren Ursprung vorhanden . „An der Labyrinth wie an der

P ansaga ssenecke (VI , 1 1 Nord ost und VI , 5 Nordwestecke) i stman auch vor dem ungefügigsten Material n icht zurückge

schreckt,um nur eine Wand zum Stehen zu bringen und damit

eine vollendete Tha tsa ch e zu schaffen .

“ Aber im Eckhaus derLabyrinthga sse (VI , 1 1 , 1 9) handelt es sich um Reparaturen oder

Umbauten,nicht um eine Erweiterung : s . S . 70. Das nördlichste

Haus der Insel V I,5 hat allerdings im inneren manche sehr bunt

aussehende und offenbar eilig,vielleicht nach dem Erdbeben her

gestellte Mauern . Von der Stra ssenwand aber sieht gerade das

nördlichste,der Stadtmauer zunächst liegende Stück weder j ung

aus,noch zeigt es die Spuren tumultuarischen Baues : es besteh t

aus Lava incertum mit Thurpfo sten aus Kalksteinquadern ; der

trefi°liche steinharte Mörtel enthält ge s to ssene Lava , die ihm ein

s chwa rzpunktirtes Aussehen giebt , und erinnert durchaus an die

besten Bauten der o skisch en Zeit . Nun brauchen wir zwar nicht

nothwendig in eine s o frühe Peri ode zurückzugreifen ; ähnlichesLava incertum wusste man auch noch später herzustellen , wie

das so g . Pantheon (Macellum) beweist , und auch Thürpfo stenaus Sarno quad ern mochten ausnahmsweise später gemacht werd en :

allein dass diese Mauer aus der Zei t nach dem Erdbeben stam

men sollte,darf ohne die a llerzwingend sten Beweise nicht ange

nommen Die über die M auers tra sse hinausgebauten

1) Die Occupa t ion d es P om eriums an d ieser Ste l le bringt Nissen irriger

We ise in Verbindung m i t d er von i hm S . 4 34 angenommenen Erwe iterung derc a s a d i N e t t u n o (VI , 5 , 3) um E rstl i ch ist es unerwe is l i c h, dass überhaupt e ine , nachwe i sl i ch fa ls ch

,dass e in e so b edeu tende Erwe i terun g d ieses

2 4 2 Capitel x .

Alles,wa s zwi schen diesen Strassen und der Mauer liegt

,setzt

die Entfestigung und di e Occupati on des P om erium s voraus .Nach dem Charakter dieser Bauten ist aber dieselbe nicht tumul

tuarisch,sondern in aller Ordnung und mit kaiserlicher Geneh

m igung erf olgt , und zwar unter Augustus , der j a die Stellung

der Municipien ordnete , vermuthlich etwa um den Beginn unserer

Zeitrechnung,j edenfalls in der ersten Hälfte des ersten Jahr

hund erts . Auf diese Annahme führt nach Nissen auch der That

befund : einerseits lässt sich nirgends auf den bezeichneten

Strecken eine Spur von altem Kalkstein und Lehmbau nach

weisen ; andererseits verbietet die Betrachtung der C onstructi on

und Decoration der betreffenden Häuser sie spater als 63 n . Chr .

anzusetzen .

Soweit Nissen . Dass ein grosser Theil di eser Ha user nicht

nach 63 entstanden sein kann , i st ohne Zweifel wahr. Dass

dieselben keine Reste ältester Construction enthalten,ist ent

schieden unrichtig . Durchwandern wir,um uns ein Urtheil zu

bilden,diese Häuserreihe

,indem wi r am Herculaner Thor be

ginnen .

Die ersten Hauser (1—9) enthalten nichts , was ni cht rechtj ung sein könnte ; No . 1 0 aber hat in beiden Seitenmauern an

sehnliche Reste von Fachwerk mit Lehm . Namentlich deutlich

ist dies in der südlichen Zwischenwand,wo das hintere Ende

der Fa chwerkmauer die aber hier keinen Abschluss hat

1 0 Meter von der inneren Steinwand der hier etwa breiten

Stadtmauer entfern t bleibt . Die Fa chwerkmauer ist,nachdem

sie zerstört war,mit j üngerem Mauerwerk erhöht und fortgesetzt

we rd en ; sie i st auf beiden Seiten bemalt , nördli ch im vierten ,südlich im dritten Sti l : beide Deco ra tionen sind j ünger als die

erwähnte Wiederherstellung . Das Fachwerk der nördlichen

Zwi schenmauer ist vom Atrium selbst aus nicht sichtbar,wohl

aber von dem Gange,der nörd lich an demselben entlang zu

unteren Räumen führt z-

es nähert sich der Stadtmauer bis auf

ohne hier einen Abschluss zu haben . Die Entfern ung

zwischen den beiden alten Seitenmauern betragt (0 .

Ein Stuckrest in der Südostecke des Atri ums hat ofl°en

bar einer Decoration zweiten Sti ls angehört. Der Gang No . 1 1

führt zu den unteren L o ca litäten,welche nicht nur bis auf

,rich

Zur Entfestigu ngsfrage . 2 4 3

tiger in die Mauer reichen,sondern von denen die untersten

sogar an die Aussenseite derselben angelehnt sind . Das Mauer

werk des M ittelsto cks,welcher bis an den äusseren Rand der

Stadtmauer reicht,zeigt gutes

,alt aussehendes Lava incertum mit

Endpfeilern aus den Tuff und Ka lksteinblöcken der Mauer ; hie

und d a sind auch Ziegel verwandt . Hier nun finden sich un

zweifelhafte Reste einerWandd eco ra tion zweiten Stils,und selbst

diese ist j ünger als die Erbauung der Räume selbst . Das Zimmer

nämlich gleich rechts von dem Gang No . 1 1 ist nachträglich

durch Zwischenmauern in mehrere Räume getheilt word en . Diese

Theilungsmauern zeigen einen ganz anderen Charakter : sie ent

halten wenig Lava,meist Kalkstein

,daneben Tuff und etwas

Oruma ; die Eckpfeiler bestehen aus ziege lförm ig behauenem Tuff

und Kalkstein ; auch der Mörtel i st weit geringerer Güte und

deshalb vielfach herausgefallen,während der der alten Mauern

stellenweise die Lava überdauert hat . Die Decoration zweiten

Stils aber ist unzweifelhaft jünger als die Theilungsmauern ,wo

durch der ursprüngliche Bau dieser Räume in noch ältere Zeit,

vielleicht in die Zeit des ersten Stils,die Tuffp erio d e , zu der

auch das Mauerwerk passt,j edenfalls aber in die früheren Zeiten

des zweiten Stils hinaufgeruckt wird . Das Mauerwerk der Theilungswänd e ist dem der j üngeren Wände des Atriums gleich

artig,und

,da auch die Deco ra tion übereinstimm t

,wohl sicher

gleichzeitig„ Wir haben also in diesem Hause Bauten aus drei

Peri oden,deren j üngste noch in die Zeit des zweiten Decorations

stils,d . h . spätestens in die erste Zeit des Augustus

,fällt ; sch on

in der zweiten aber ward die Mauer überbaut. Wie sich dazu

die Anlagen aussen am Fuss der Stadtmauer verhalten,i st bei

dem j etzigen Stande der Ausgrabungen nicht sicher zu consta

tiren ; das Mauerwerk sieht eher jung aus .Es folgt (No . 1 3) ein in der Weise der Tufi

°

perio d e (Lavaincertum

,eingefasst von Pfeilern aus Kalksteinquadern mit Kalk

mörtel als Bindemittel) erbautes Haus. Die Front ist (wie es

scheint modern) restaurirt bis auf geringe Reste : alt i st der

unterste Stein des linken Thü rpfo stens , die Pfosten im Flur ,die Eckpfeiler zwischen Flur und Atri um ; im inneren die ganze

rechte Seite d es Atriums . Auf dem rechten Eingangspfo sten

steht ein vermuthlich hier gefundenes korinthisches Tuffcapitell .

1 6*

2 4 4 Cap i tel X .

Das Impluvium ist aus Incertum und mit Stuck bekleidet.Die Bauart des Souterrain ist ähnlich ; hier finden sich einzelne

Ziegel verwandt,zahlreiche Reste vo n o p u s S ig n inum nur

in den hinteren,j üngeren Theilen . Die Deco ra tionsreste

gehören verschiedenen Stilarten an . Eine Decoration dritten

Stils in den beiden ersten Zimmern am Atrium ist j ünger als

die Zusetzung einer kleinen Thür (neben der noch vorhandenen

grösseren) zwischen dem ersten der beiden Zimmer und dem

Atrium . Eine Decoration zweiten Stils im dritten Zimmer der

selben Seite ist j ünger als di e Herstellung eben dieses Zimmers,

welches früher eine Ala war,und als die V ermauerung einer

Thür,welche dasselbe mit dem zweiten Zimmer verband Nun

ist zwar die Verwandlung der Ala in ein Zimmer wohl recht

alt das Mauerwerk ist von dem des ganzen Hauses nicht

wesentlich verschieden und beruht vielleicht auf einer wäh

rend des Baues selbst vorgenommenen Aend erung des Plans ,aber das Mauerwerk der zugesetzten Thur sieht j ünger aus

,s o

dass wir über die Zeit des zweiten Deco ra tionss tils hinausge

wiesen werd en . Und es scheint in der That,dass Reste einer

Decoration ersten Stils vorhanden sind : in der Nordostecke des

Atriums findet sich ein Fragment eines gelben Sockels : eine Farbe,

die für diesen Wand theil im ersten Stil sehr üblich ist,während

man später mit besserem Geschmack dunkle Farben

vorz0g. Ganz in der Ecke ist eben da ein Rest einer starken

Schicht feinen weissen Stucks erhalten,der nach seiner Qualität

sehr wohl der ersten Periode angehören kann und vielleicht

von einem Pilaster an der kleinen vermauerten Thür herrührt.

Dass letztere von Anfang an vorhanden war,geht aus der Bil

dung des Pfeilers der anstossenden grösseren Thür hervor. Doch

wa s es auch mit diesen Resten auf sich haben möge , es kann

nicht zweifelhaft sein,dass wir hier einen Bau aus der Tuff

periode,der Zeit der grossen P eristylhäuser , vor uns haben .

Von den Fachwerk'

resten in der nördlichen Zwischenmauer,gegen No . 10

,war schon die Rede . Das südliche Nebenhaus

,

No . 1 5 . 1 6,liegt etwas tiefer : betrachtet man die Zwischenmauer

1) So no tirte i ch im Sommer 1878 . Jetz t ( 1879) ist letzteres n i ch t mehr

zu constatiren,d a we i tere Stuckreste abgefa l len s ind .

2 4 6 Cap ite l X .

von dem (nicht erhaltenen) Tablinum gebildet . Hier wie in denZwischenwänden der Z immer links am Atrium dessen Wand

hier bis auf geringe Reste j ung,wenn nicht modern ist finden

wir ganz vorzügliches Lava incertum aus sehr kleinen Stücken .

Von der Strasse ist das Haus zugänglich durch eine Travertin

treppe,welche aber an die Stelle einer alten Tufftreppe getreten

ist,von der eine Stufe liegen geblieben ist . So sind auch im

inneren die Schwellen aus Travertin offenbar nicht ursprünglich :keine derselben liegt unter den betreffenden Thürpfo sten , sondernsie haben Ausschnitte

,mittels deren sie an den Fuss der Pfosten

und um dieselben herum gelegt sind. Hingegen erkennt m annoch in den Pfosten die Einschnitte

,in welchen die alten

Schwellen,vermuthlich aus Lava

,lagen : sie sind fur die j etzt

l i egenden Schwellen nicht benutzt worden . Im Atrium sind Reste

eines guten M o sa ikfussbo d ens,schwarz mit reihenweise gelegten

weissen Steinen,erhalten . Das Impluvium besteht aus Incertum .

Die hinteren Theile sind auch hier nicht ausgegraben ; doch sieht

man bis an die Stadtmauer Mauerwerk aus gutem Lava incertum

mit Resten einer Decorati on dritten Stils . Auch hier also weist

alles auf ziemlich alte Zeit ; namentlich das Cap itell mit den

Figuren werd en wir uns schwer entschliessen in eine andere

Periode als in die B lü thezeit der P eristylhäuser, die Tuffp erio d e ,zu setzen : es gleicht ganz den Capitellen der c a s a d e ’ c a p i

t e l l i fi g u r a t i (VII, 4 , der c a s a d e ’ c a p i t e l l i c o l o r a t i

(oder d’

Ar i a nn a,VII

,und der c a s a d e l t e r e (V, 1 ,

Dass aber schon in noch älterer Zeit hier ein Haus stand,

beweist ein Stück alten Mauerwerks aus Kalkstein und Gruma

in der Zwischenwand gegen das südliche Nebenhaus No . 1 9 : es

ist nicht Fachwerk,aber sorgfältig horiz ontal geschichtet

,mit

deutlichem Lehm,ohne Ka lkzusa tz ; Dicke Nach

der Strasse zu ist es fortgesetzt durch die Reticulatmauer d esNebenhauses

,welche um eine Mauerd icke weiter nach Süden

liegt,so dass auf einer kleinen Strecke die Mauer doppelt ist

,

nach hinten durch anderes Mauerwerk . Es hat also auch das

Doppelhaus 1 5— 1 7 in beiden Seitenmauern Reste der ältesten

uns erkennbaren Bauperiode .

Es folgt das Atrium der c a s a d i P o l i b i o,des grossen

mehrstöckigen Hauses (No . 1 9 bis 2 5 ) no rd lich der S c u o l a a r

Zur Entfestigungsfrage . 2 4 7

c h e o l o g i c a ,mit dem rechts (N .) anstossenden Garten . Da s

Atrium zeigt durchaus j unges Mauerwerk . Aber der Eckpfeiler

rechts zwischen dem Eingang und der Vorderwand ist an einen

älteren Ka lksteinpfeiler aus horiz ontal geschichteten Quadern ,zwi schen denen Schichten reinen Kalks liegen , angelehnt : eine

C onstructionsa rt,welche mit ziemlicher Sicherheit den Beweis

liefert,dass hier schon in der Tuffp erio d e ein Haus stand .

Die Nordmauer des Gartens rechts vom Atrium und die bis

an den äusseren Rand der Mauer reichenden Zimmer des Mittel

stockes zeigen ziemlich gutes Reticula t aus grauem Tuff ; nur

wenige,etwas weiter aufwärts liegende

,also wohl ältere Raume

haben Mauern aus Lava incertum mit schwach verzahnten Pfeilern

aus ziegelförmigem Tuff. Auf den Reticulatmauern sind nicht

bedeutende aber vollkommen sichere Reste einer Decoration

dritten Stils erhalten . Es ist ferner vollkommen sicher,dass

diese Mauern schon bevor sie diese Decoration erhielten Ver

änderungen erfahren haben,und wir fanden Reste einer älteren

Decoration : s . oben Cap . I,3 . Wir dürfen als o mit aller Wahr

scheinlichkeit sagen,dass vielleicht schon vor der Periode des

dritten Deco ra tionsstils,spätestens aber zu Anfang derselben

,

hier die Mauer überbaut wurde,was uns übrigens nach dem im

Hause No . 1 0 wahrgenommenen nicht mehr Wunder nehmen darf.

Da s folgende Haus (2 7— 30) ist durch den Bau der S c u o l aa r c h e o l o g i c a unkenntlich geworden . Einige Tuffsäulchen und

Halbsäulchen,auch ziemlich viel gutes

,alt aussehendes Lava

incertum,deuten auf relativ alte Zeit .

Hingegen enthält die Frontmauer des Hauses No . 3 1 bis 33

unzweifelhaft alte B estand theile . Angefangen vom Laden No . 31

besteht ein c. langes Stück (bis vor dem Haupteingang

No . 32 ) aus Kalksteinquadern (darunter eine Tuffquad er) , zwi schendenen dünne Kalkschichten liegen . Ueber diesen folgt ein etwas

niedri gerer Stein,dann rechts zwei Schichten kleinerer

,horizonta l

nach Art des Fachwerks gelegter Steine,dann wieder eine Schicht

Quadern . Daran schliesst sich das j üngere Mauerstück mit

dem rechten Thürpfo sten von No . 32 an : es besteht aus Lava

incertum,der Eckpfeiler aus mässig grossen

,nicht regelmässigen

Ka lksteinblöcken (einzelne aus Tuff) mit starken M örtelschichten ;darauf liegt ein später unförmlich behauenes Tuffcap ite ll , ein

2 4 8 Ca p ite l X .

Rest eines gleichen auf dem linken Pfosten . Links der Thur

folgen wieder Kalkstein und einzelne Tuffquad ern mit d rrnnen

Kalkschichten,bis zum Laden No . 33

,eine Strecke von

diese alten Theile sind dick . Das Mauerwerk im inneren

d es Hauses ist j ünger und wesentlich gleichartig mit dem des

rechten Thü rpfo stens : Lava incertum mit schwach verzahnten

Pfeilern aus ziegelförmigem Tuff ; Mauerdicke Ein Im

p luvium i st nicht vorhanden . Noch j üngeres Mauerwerk , Ziegel ,mit ziegelförmigem Haustein regelmässig wechselnd , mit reich

licher Verwendung gelben Tuffs,

finden wir in den hinteren

Theilen,von der Rückwand des Atriums angefangen : die Posteri e

rität desselben ist beim Zusammenstoss mit dem anderen Mauer

werk,in der rechten hinteren Ecke des Atri ums , vollkommen

evident ; Mauerd icke Wir haben als o hier Mauer

werk aus drei Bauperi oden ; auf dem der zweiten finden wir in

einem gewölbten Raum links am Atrium eine Decoration zweiten

Stils . Auch die Decoration der Stra ssenfront eine Imitati on

der bekannten,den Marmor nachahmenden Weise der ersten

Periode,j edoch ohne die sorg fältige Arbeit derselben bedeckt

den Thurpfo sten aus der zweiten Bauperi ode und mag wohl

j ener Decoration zweiten Stils gleichzeitig sein . Wir dürfen

also die zweite Bauperiode mit der Zeit des zweiten Stils,die

erste aber mit der Tuffp erio de , welche allein reinen Kalk als

Bindemittel verwendet,id entificiren .

Das nächste Haus (34— 38) ist j ung . Das Souterrain ist

aus Lava incertum mit Ziegelecken , die oberen Mauern ans s orgfältigem Tufl

'

re ticula t,eingefasst von sorgfältigem

,neu aussehen

dem Ziegelwerk . Auch hier fehlt das Impluvium . Decorations

reste letzten Sti ls finden sich mehrfach,altere nich t. Die Strassen

wand hat eine Decoration,welche der des vorigen Hauses sehr

ähnlich,aber doch nich t ganz gleich ist : es scheint

,dass man

sie der Gleichförmigkeit halber nachgeahmt hat .

Wie es scheint,gehörten die 3 letztgenannten Hauser (2 7

bis 38) irg endwie zusammen . Wenigstens war,s o viel man sieht

,

der hinter ihnen liegende,noch nicht ausgegrabene grosse Garten

aus allen dreien in gleicher Weise zugänglich .

Durch ähnli ches Mauerwerk wie d a s von No . 34—38 gehtman hindurch

,wenn m an am Westende der s t r a d a d e l l a F o r

2 50 Cap ite l X .

für die Occupation der Mauer betrachtet werden . Es mag darauf

hingewiesen werden , dass die gleichfalls an und auf die Mauer

gebaute c a s a d e l l e V e s t a l i (VI , 1 , 7) das gleiche Mauerwerk

zeigt wie das Haus des Polybius,und also wohl etwa der gleichen

Zeit angehören wird . Weitere Ausgrabungen wü rden vermuth

lich bestimmtere Resultate ergeben und zeigen,dass schon bei

dem Neubau einer Reihe dieser Hauser in der Tuffperio d enachdem di e Ka lksteina trien bis auf geringe Reste zerstört waren

die Mauer nicht mehr resp ectirt wurd e , dass als o die langeFried em p eri o d e zwischen dem hanniba lischen und dem Bundes

geno ssenkrieg eine erste Occupation derselben veranlasste : ein

Resultat , zu welchem uns j a auch die Betrachtung der P o r t am a r i n a führte .

In der siebenten und achten Regi on verhalt es sich nicht

anders : weder der v i c o d e l g a l l o noch die v i a d e ’ t e a t r i

sind als Mauerstra sse zu betrachten . Reste von Ka lksteina trien

lassen sich freilich bei dem j etzigen Stand der Ausgrabungen

hier nicht consta tiren,wohl aber ist es sicher

,dass in der Tuff

periode , zur Zeit des ersten Deco ra tionss tils,diese Strecken

bebaut waren .

Am v i c o d e 1 ga l l o liefert uns den Beweis das grosse Haus

gegenüber dem Brunnen,nach welchem der Vicus seinen Namen

erhalten hat (VUI, i n s . o c c i d . Die Bauart ist durchaus die

der genannten Peri ode : Lava incertum mit Eckpfeilern und Thür

pfosten aus Kalksteinquadern,die mit Kalkmörtel gebunden sind .

Das ganze Haus ist im zweiten Sti l ausgemalt,doch war dies

sicher ni cht seine erste Decoration . Es lassen sich eine Reihe

Veränderungen consta tiren,welche ihr zeitlich vo rausliegen : s o

die Verengerung der Eingänge des Oecus links vom Tablinum

und des ersten Zimmers links am Peristyl ; ferner die V ermauerungeiner Reihe von Thüren : derer die aus dem Atrium in die beiden

Oeci neben dem Tablinum führten,einer zwischen dem letzteren

und dem Oecus rechts,einer

,di e den Gang , der am hinteren

Ende der linken Seite des Atriums in’s Nebenhaus führt,mit

dem Oecus links neben dem Tablinum verband,endli ch

,wie

es scheint , noch mehrerer , deren Spuren in der linken Ala

sichtbar sind . Nun konnte zwar in einigen dieser Räume der

Zur Enü cstigungsfrage . 2 5 1

erhaltenen Decoration eine andere gleichen Stils vorhergehen

wahrscheinlich war dies der Fall in dem ersten Zimmer links

am Peristyl,wo unter der späteren Anmauerung der violette

Stuck des alten Thürpfo stens erhalten ist . Dieser letztere näm

l i ch besteht aus ziemlich grossen ziegelfo rm igen Steinen , eine

C onstructionsa rt,welche zum ursprünglichen Bau des Hauses

und zur Deco ra tion ersten Stils nicht recht passt . Im Tablinum

ist der Sockel später im dritten Stil erneuert we rd en,so dass

seine evidente Posteriorität gegenüber den Dreiviertelsäulen des

Einganges nichts beweist . Dass aber das Haus einst eine Deco

rati on ersten Stils hatte,zeigen die unzweifelhaften Reste der

selben im Zimmer links vom Eingang und im letzten Zimmer

rechts am Atrium. Ob es sich auf die Mauer erstreckt , wie

Nissen meint,kann wohl einstweilen nicht mit Sicherheit fest

gestellt werden : se viel ich sehe,zwingt bis j etzt nichts zu

dieser Annahme . Sollte es doch der Fall sein,s o würde uns

das nach den in der sechsten Region gemachten Wahrnehmungen

nicht überraschen . Die übrigen Häuser der Insel haben keine

Kennzeichen besonders hohen Alters : No . 1 0 ist im dritten Stil

d eco rirt ; bei der Decoration von No . 1 2 kann man zweifeln , ob

sie demselben oder dem zweiten Stil angehört .

Von der Häuserreihe südli ch der v i a d e ’ t e a t r i (VIII, 2 ,südli ch von VUI

,3 und 7) ist wenig sichtbar. Dennoch aber

erkennen wir mit Sicherheit,dass das Haus No . 34 der Zeit des

ersten Deco ra tionsstils und. der Tufl°p erio d e angehört. Die alte

Constructi on Lava incertum mit Ka lksteinpfeilern finden

wir am linken Pfeiler des Einganges mit dem anstossenden

Stück der Front und der linken Wand des Flurs,fern er in

der Eingangs-(Süd-)wand des hier liegenden Zimmers . Die Nordwestecke desselben besteht aus Ziegeln

,die mit ziegelförmigem

Haustein wechseln ; rechts vom Eingang finden wir Ziegel,aus

denen auch der rechte hintere Eckpfeiler des Flurs gebi ldet ist .Dagegen bestehen die Pfeiler rechts und links des nicht ausgegrabenen Atriums aus Kalkstein . Reste einer Decoration ersten

Stils finden sich auf den alten Theilen der Stra ssenwand und.

links im Anfang des Flurs,ebenso in der entsprechenden Ecke

des Zimmers zur Linken,immer nur auf den alten Mauertheilen .

Es waren als o auch diese Stad ttheile schon in der Tuff

2 5 2 Capite l X .

periode bebaut,und wir dürfen wiederum hinzufügen

,dass ein

s o breites Pomeri um,wie es sich auch hier nach Nissen’s An

nahme ergeben würde,bei der natürlichen Festigkeit auch dieser

Strecken undenkbar ist . Wenn wir für eine Occupation d er

Mauer , eine Entfestigung schon in s o früher Zeit auf dieser

Strecke keine neue Bestätigung finden,s o dürfen wir daraus

nichts schliessen . Denn nur an einer Stelle ( c a s a d e l l ’ I m

p e r a t o r o G i u s e p p e II, VHI, 2 , 38) kann , namentlich nach den

neuesten Ausgrabungen (1 879) auf der Südwestseite des F o r u mt r i a n g u l a r e

,mit Sicherheit consta tirt werden

,dass die bloss

gelegten Gebäude uber die hier ganz verschwundene Stadtmauer

hinausreichen . Hier finden wir Reste von Wandd eco ra tionen

dritten Stils auf Mauern aus gutem Lava incertum mit schwach

verzahnten Thürpfeilern aus ziegelförmigem Haustein,Mauern

,

welche gewissen Mauern an Gebäuden aus der sullanischen Zeit

wesentlich gleichartig sind,denen nämlich

,wo das Qua sireticula t

j ener Zeit nicht zur Anwendung gekommen ist : der Eingangs

wand d es Vorhofes des Aesculaptemp els , der Nordwand des

t h e a t r um t e c t u m . An letztgenannter Stelle und noch o fto r ,

s o in dem oben (S . 2 4 5 ) besprochenen Hause VI i n s . e c o i d .

No . 32,sind auf solchen Mauern Malereien zweiten Stils erhalten ;

auch d a s in demselben Stil d eco rirte Mauerwerk d es Hauses

VI i n s . e c o . No . (S . 2 40) unterscheidet sich von diesemnur durch das Materi al d es Incertum s . Daneben finden wir

einzelne Ziegelpfe iler, d ie j a auch an d en im vori gen Capitel bo

spro chenen Bauten mit den Pfeilern aus Hausteinziegeln wechseln .

2 5 4 Capite l XI .

n . Chr. bestimmt wird . Mit Recht sieht N issen keinen Grund,

d en Bau dieser Capello von d em des ganzen Gebäudes zu trennen .

Bei d er Zeitbestimmung der Fullonica geht Nissen von der In

schrift aus,nach welcher das Gebäude der C o n c o r d i a Au g u s t a

und P i e t a s„d. h . unsymbo lisch gesprochen der Kaiserinmutter

und d em regierenden Kaiser “ d ed icirt war. Dies war,wie N issen

feststellt,möglich in den ersten 8 bis 10 Rogierungsj ahren d es

Tiberius (c. 1 4 und zur Zeit der Anfänge N oro ’

s (5 4

Nissen entscheidet sich für das spätere Datum . Denn da d er

Grund nicht d er Erbauerin gehörte,auch nicht d er Stadtgemeinde

,

denn dann müsste d ie Genehmigung des Stad tra thes erwähnt

sein so liegt die V ermuthung nahe , dass dieser Platz wo,

wenn ich Nissen recht verstehe,wohl schon früher eine Fullo

nica war einem Tempel gehörte,dass also Euma chia auf

Kirchengrund,und deshalb mit Bewilligung d es Kaisers da a lles

Kirchengut dem p o p u l u s R o m an u s gehört ihren Bau de

d icirto . Da derselbe durch die Dedication das Privilegium d er

Immunität erhielt,s o meint Nissen

,e ine solche Freigebigkeit

sei d em sparsamen Tiberius , der die Adulation verachtete , nicht

zuzutrauen,wohl aber N ero

,der j a mit öffentlichem Gut durch

aus nicht haushälterisch umging. Es wird endlich d ie Möglichkeit

angedeutet,dass d ie Inschrift J . N . 2 2 1 5

iulia e AGRIPPINAE

9 9Tmam'

0z'

CAESARIS F

ii : Ola Dl l CAESARIS AV GV S'

TI

zu d er Statue d er Concord i a Augusta gehört habe : da dieselbe

Claudius als lebend voraussetzt, so meint N issen, man müsse in

diesem Falle die Dedication,welche auf ihn keine Rücksicht

nimmt,in seine letzten Jahre 5 2— 5 4 setzen , wo man ihn bereits

als abgedankt betrachtete . Zuletzt endlich wurd e die sog .

Curie erbaut,zur Ausfüllung d er Lücke zwischen Augustustompel

und Macellum,und mit Anlehnung an d ie Umfassungsmauern

derselben : wie in Pomp ej i d ie früheren Regierungen durch Ca

pellen geehrt we rden sind,s o ist es wahrscheinli ch , dass auch

die Thronbesteigung der Flavier ein monumentales Zeugniss

hinterlassen hat : daher die Bez iehung auf Vespasian und seine

Söhne,d eren Dreizahl für di e Hauptapsis und d ie beiden Seiten

apsiden trefi'

lich passt .

Chron o l o gie d er Bau ten ö s tl ich vom Forum . 2 5 5

Um die Chronologie Nissens zu würd igen,ist es nothwendig

,

den in den Gebäuden selbst vorliegenden Tha tbestand genauer

festzustellen,als dies von ihm geschehen ist

,und zu erwägen

,

we lche re la tive und absolute Zeitbestimmungen sich aus dem

selbon erg eben .

Als festen Punkt dürfen wir den Temp el d es Ge n i u s Au

g u s t i betrachten : dass di eser zur Zeit d es Augustus,und wahr

scheinlich in den von Nissen angenommenen Jahren 7—2 v. Chr .erbaut worden ist

,kann nicht füglich bezweifelt werd en .

Mit d em Augustustomp el stimmt aber das Gebäude der Eu

machia in der Bauart s o genau überein,dass wir es nicht ohne

zwingende Grund e einer vie l späteren Epoche zuweisen dürfen .

Die Construction aus ziegelförm igen grauen Tuffs to inen , die Ein

theilung d er Mauern in Feld er mit abwechselnd spitzem und

fla chgewo lbtem Giebel , alles dies kehrt genau s o wieder : die

Umfassungsmauern beider Gebäude sind sich s o ähnlich,wie nur

zwei Mauern in Pompej i s ein können . Ferner sind die Wändeim dritten Stil bemalt : dass dieser noch zur Zeit N o ro ’

s üblich

war,darf mindestens als sehr zweifelhaft gelten . Aus diesen

Gründen werden wir wohl thun , d ie Entstehung d es Gebäudes

in d ie erste Zeit d es Tiberius , nicht N oro’

s,zu verlegen . Was

Nissen dagegen anführt,i st nicht zwingend genug

,um solchen

,

vom Tha tbestand herg enommenen Gründen gegenüber in’s Gewicht

zu fa llen . Auch dass es sich hier um Temp o lgut handelte , ist

doch keineswegs erwiesen : gesetzt,da s Gebäude sei wirklich

eine Fullonica,s o kann doch sehr wohl der Bauplatz sch on früher

dem Collegium der fu l l o n o s gehört haben . Dass seiner in d er

Weihinschri ft keine Erwähnung geschieht,kann auf einer Defe

renz desselben gegen seine Wohlthäterin beruhen und darf uns

überhaupt nicht Wunder nehmen,nachdem wir uns einmal dari n

gefunden haben,dass d ie Erbauerin einer Fullonica sich an der

selben durch eine Inschrift verewigte,in der weder von Fullo nica

noch von fu l l o n o s die Red e ist .

Das Gebäude erhielt spä ter,gleichzeitig mit d em Augustus

tompel,eine neue

,ausschliesslich aus Ziegeln bestehende Front

hier finden sich keine Spuren j ener Decorati on dritten Stils .Die Curi e ist offenbar j ünger als d er Augustustompel . Die

2 5 6 Capitel XI.

etwas abweichende Ori entirung i st durch eine nach Osten dicker

werd ende Anmauerung an d ie Nordwand des Augustustomp o ls aus

geglichen werd en . Ganz das gleiche V erhältniss findet dem Ma

cellum gegenüber statt,nur dass hier d ie Anmauerung nach

Westen stärker wird . Hier wie dort ist d ie Posteri orität d erCurie evident .

Andererseits konnen wir V o rand orungen consta tiren , welche

sie in der Zwischenzeit zwischen ihrer Erbauung und dem Unter

gang Pompej i’s erfahren hat,und welche uns verbieten

,d iese

Zwischenzeit allzu kurz anzusetzen . In der Ostwand d e s Nord

flügels ist eine Thür,entsprechend der in der gleichen Wand

des Südflügo ls noch vorhandenen , zugesetzt werd en . Die V o r

mauerung,welche älter ist als d ie M a rm o rbekleidung des ganzen

Raumes,zeigt Reticula t . Und auf eine d er Marm o rbekleidung

vo rausliegend o Periode weist noch eine andere Spur : an d er

Aussenseite d er Westwand d es südli chen Flügels,nach d em

Forum zu,ist ein Rest vio letten Stucks erhalten

,evident einer

d er Marm o rbekleidung vorhergehenden Stuckd eco ra tion ange

hörig . Dass d iese sich auch über d en Innenraum erstreckte,is t

mit Rücksicht auf j ene vermauerte Thür mehr als wahrschein

lich . Ueber d en Stil d er Malerei gestattet das geringe Fragment

kein Urtheil ; aber in den aus d em südlichen Flügel zugänglichen

Hinterzimmern finden wir eine Decoration,welche trotz d er grossen

Einfachheit doch mit hinlänglicher Deutlichkeit d en dritten De

co ra tionsstil zeigt : wir dürfen also annehmen,dass in diesem

Stile einst das ganze Gebäude ausgemalt war. Mithin müssen

wir für d ie Da tirung d e s Baues j edenfalls über das Erdbeben

von 63,vermuthlich über das Jahr 50 n . Chr . zurückgreifen .

Damit stimmt es vollkommen,dass d ie dem Augustustompel

spater vorgelegte Ziegelfro nt, und d ie mit derselben untrennbar

verbundene des Gebäudes d er Euma chia offenbar j ünger sind als

d ie Curio : wo beid e zusamm ontreffon,sieht man deutlich , wie

das Ziegelwerk d es Augustustomp ols schlecht und unregelmässig

mit der offenbar gebrochenen Mauer der Curio verzahnt ist .

Es ist von Nissen S . 3 1 6 hervorgehoben we rden , dass an

d er Front d es Augustustomp o ls Veränderungen vorgenommen

we rd en sind .„Man erkennt an d en Fundamenten im B o d en

,

dass die beiden Seitenmauern um 0 . 3 M . weiter vo rsprangen ,

2 58 Cap ite l X I.

unter Vespasian,nach dem J . 70

,entstanden

,wohl aufgegeben

werd en . Es ist j ünger als d e r Augus tustomp e l , vermuthlich auch

als das diesem in d er Bauart ähnli che Gebäude der Eumachia

(c . 2 0 n . a lte r hingegen als d a s Verschwinden d es drittenD eco ra tionsstils

,c. 50 n . Chr .

Das Macellum ist,wie wir gesehen haben

,a lter als die

Curie,und gegen die N issen’

sch e Da tirung , 1 4—1 9 n . Chr.

,ist

nichts einzuwenden. Doch gilt dies nicht von d en B o ttegen am

Forum,welch e offenbar ers t später d em Hauptraum vorgelegt

we rden sind . Betrachten wir nämlich die Vorderseite genauer,

s o la ssen sich drei Peri oden in d er Geschichte d es Baues mit

voller Sicherheit unterscheiden

1 . Ursprüngli ch e Erbauung : di e Wando bestehen aus trefflichs tom Incertum

,unten Lava

,weiter o ben vorwi egend Kalk

stein : das Lava incertum gehört zu dem besten,was in Pompej i

zu finden ist . Dass es sich hier nicht um verschiedene Peri oden

handelt,sondern um d ie Verwendung besseren Materials in den

unteren,stärker belasteten Schichten

,wi rd durch d ie Zieg elpfeiler

an d en Ecken und Thüren bezeugt,welch e durchaus aus einem

Stück und mit beiderlei Mauerwerk gleichmässig untrennbar ver

bunden sind. Und aus demselben Grunde darf auch das sorgfältige Reticula t , aus d em ein grosser Theil der Südwand besteht

,

nicht , wi e N issen (S . 2 84 ) meint , fur späteren Ursprunges alsdas Incertum gehalten werd en : d er o stlicho Eckpfeiler ist mit

beiden gleich untrennbar gebunden . Auch is t es ni cht ri chtig,

dass man d a,wo beid e Arten Mauerwerk zusammenstossen

,

deutlich das Netzwerk als späteren Ansatz erkennt . Vielm ehr

gehen gerade hier beid e so in einander über, dass an d er Gleichzeitigkeit nicht zu zweifeln ist : man müsste sonst doch schon ,wo der Mörtel d es j üngeren Mauerwerks sich an den d es älteren

anschliesst ; aber davon ist keine Spur,derselbe Mörtel geht

gleichmässig weiter . In derselben Höhe,wo im Incertum d ie

Lava d em. Kalkstein weicht,tritt im Reticula t an die Stelle des

grauen der gelbe Tuff ; an einer Stelle hat d er d em Reticula t

zunächst liegende Lava sto in noch d ie Form der Reticula t

steine . Das Ziegelwerk d er Eck und Thürpfeiler i st vorzüglich : die Ziegel , von gleichmässig rother Farbe , sind

Chrono l ogie der Bau ten östl ich vom Fo rum . 2 5 9

bis d ie Schichten d es trefflichen steinharten Mo rtelsbis hoch

2 . V erstarkung d er Westmauer , an den beiden Eingängen

auf’s deutlichste erkennbar : d ie Westmauer wurd e von c . auf

die ungewöhnliche Stärke von c . gebracht . Die Ziegeldieser Verstärkung

,von ungleicher

,m e ist m ehr ins Graue spielen

der Farbe,sind die M örtelschichten

hoch . Zwischen den beiden Eingängen blieb damals eine Nische,

welche später einmal durch Einfügung eines Pfeilers an j ed emEnde und V ersetzung zweier Marmorsäulen in eine Aedicula ver

wandelt wurd e .

3 . Gleichzeitig mit dem Bau d er südlich anstossenden sog .

Curio wurden d ie B o ttegen am Markt hinzugefügt : durch ihreungleiche

,nach Nord en zunehmende Tiefe wurd e eine der Axe

des Marktes sich einigermassen annähernde Front gewonnen . Ind en beiden nörd li chsten dieser Räume (1 1 . 1 2 ) hat man aucheine dieser neuen Front parallele Rückwand erzielt

,ind em man

in No . 1 1 d ie schon einmal verstärkte Westwand d es Hauptraumes,

in No . 1 2 d ie d es westlichsten d er Läden auf der Nordseite (1 4 )ausgleichend verstärkte . Dass dieser Vorbau mit dem Bau der

Curi o gleichzeitig i st,fallt in d ie Augen . Der Südpfeilor d es

südlichsten Raumes es ist kein Laden,sondern nur e ine nicht

sehr tiefe Nische mit einer an d ie Rückwand angelehnten Basis

ist nichts anderes als das Nordende der Westwand des nördli chen Flügels der Curio

,und ihm sind d ie anderen Pfeiler völlig

gleichartig. Der so entstehende Eingangsraum ist mit Marmor

bekleidet werd en ; ob sogleich , kann fraglich erscheinen , und

da,wie wir gesehen haben , die sog. Curio nicht gleich Marmor

bekleidung erhielt,so liegt es nahe zu vermuthon dass es sich

mit diesen ihr gleichzeitigen Räumen ebens o vo rha lto .

Die Laden auf d er Nord seite sind älter,wie aus d em mit

den Mauern d es Hauptraums gebundenen und ihnen gleichartigen

Eingang deutlich genug hervorg eht . Von den sie trennenden

Mit Unre cht be ze i chnet N is sen (S . 77) da s Z iege lwerk d er so gen . 3 Gur ionan d er Sü dseite des F o rums a ls das beste Mau erwerk , d a s d ie Stadt au fwe is t .Sowo hl d a s in Rede stehende a ls d as d er B a s i l ica ist en ts ch ieden be sser

,nam ent

l i ch d or Mörte l .

2 60 Cap i te l X I .

Pfeilern bestehen nur die ersten 5,vom Forum aus

,und d er

letzte aus Ziegeln,d ie übri gen aus Tufl° und Kalksteinquadern .

Da diese a lterthüm lichen C onstructio nsa rten für d ie Zeit des

Tiberius nicht recht passen,so könnte m an vermuthen , dass s ie

von früher hier gelegenen Häusern herstamm on : man könnte

da für anführen,dass sie nicht in einer Linie liegen . Freilich

aber sind d ie beiden Tuffp feilo r am Eingang mit d en Seitenwänden

desselben gebunden,sehen auch ganz s o aus als ob sie an ihrem

ursprüngli chen P la tzo ständ on : sie setzen also an eben dieser

Stelle einen oben so breiten,für ein Privathaus zu breiten Ein

gang voraus . Wir werd en also diese Pfeiler für nicht älter halten

als den ganzen Bau,ihre Construction aber s o erklären , dass

wohl gerade d ie vo n älteren Bauten stammenden Quadern zurHand waren .

Auch im inneren sind na ch tra gliche V o rand o rungen zu con

s ta tiren . Das sogen . V o lcana l (Nissen S . 2 83) ist ers t na ch trägl i ch

,nach dem Mauerwerk zu urtheilen etwa gleichzeitig mit den

Veränderungen auf d er Westseite,hinein gebaut we rd en . Und

zwar is t dieser Einbau älter als d ie uns erhaltene Wandd eco

ration im Stil der letzten Zeit Pompej i’s . Das V o lcana l selbst

wa r mit Marmor bekleidet,d ieWandd eco ra tio n aber liegt rechts

auf d em Mauerstück,mit welchem e s an die hier etwas vor

spri ngende Ostmauer angesetzt i st und welches nich t älter sein

kann a ls das V o lcana l selbst ; links sieht man deutlich , wie der

Stuck an d en Marmor hinangestrichen wurde . Es ging also d er

j etzigen eine and ere,ohne Zweifel im dritten Stil gehaltene

Wandd e co ra tion voraus .

Noch j ünger ist das kleine,unter dem Namen d er Musi

kantontri büno bekannte,an d ie Nordwand angebaute Gehege

,

wo nach N issen S . 2 79 Gerippe kleinerer Thiere gefunden wur

den : o s wurd e gemacht,als der Hauptraum schon seine j etzige

Decoration hatte,und dann in demselben Stil bemalt .

Es ergiebt sich uns also folgende ziemlich sichere Chronologie

dieser Gebäude :1 . Augustustompel , 7

—2 v . Chr .2 . Gebäude d er Eum a chia

,1 4 — 2 4 n . Chr .

3 . Bau d es Ma ce llum s ohne die Läden am Markt,1 4 — 1 9