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Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut Gefasste Metallobjekte Gemälde auf Metallbildträgern Polychromie Archäologische Großplastik Detoxifizierung Textil Lösungsmittelapplikation Restaurierungsgeschichte Verband der Restauratoren e.V. (VDR) Haus der Kultur Weberstraße 61 53113 Bonn Telefon +49 (0)228 92 68 97-0 Telefax +49 (0)228 92 68 97-27 E-Mail: [email protected] Internet: www.restauratoren.de VDR Beiträge 2011 | 2 ISBN 3-7954-2554-8 ISSN 1862-0051 2 2 011 Heft

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Beiträgezur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut

Gefasste MetallobjekteGemälde auf Metallbildträgern

PolychromieArchäologische Großplastik

DetoxifizierungTextil

LösungsmittelapplikationRestaurierungsgeschichte

Verband der Restauratoren e.V. (VDR)

Haus der Kultur

Weberstraße 61

53113 Bonn

Telefon +49 (0)228 92 68 97-0

Telefax +49 (0)228 92 68 97-27

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ISBN 3-7954-2554-8ISSN 1862-0051

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VDR Beiträge Heft 2 |2011zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut

VDR Beiträgezur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut

Heft 2 | 2011

Gedruckt mit freundlicher Unterstützungder Messerschmitt Stiftung

Für namentlich gekennzeichnete Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Die Bei träge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber und der Redaktion wieder.

Für die Rechte und den Bildnachweis des jeweiligen Beitrages zeichnet der Autor.

Die Redaktion bedankt sich herzlich bei den AutorInnen für die Einreichung ihrer Manu skripte.

Alle Rechte beim Herausgeber. Nachdruck, foto-mechanische Vervielfältigung sowie alle sonstigen auch auszugsweisen Wiedergaben nur mit vorheriger Genehmigung des VDR.

Abbildungen auf den Umschlagseiten 1 und 4:Titel: Tanzender Harlekin, Grünes Gewölbe Dresden, Detail(s. Beitrag von Eve Begov)Rückseite: Männliche Sphinx, Originalteile auf Tragplatte im Tell Halaf-Museum, historische Aufnahme ca.1932(s. Beitrag von Stefan Geismeier)

Herausgeber: © 2011Verband der Restauratoren e.V. (VDR)Haus der KulturWeberstraße 61D-53113 BonnTelefon: +49 (0)228 92 68 97-0Telefax: +49 (0)228 92 68 97-27E-Mail: [email protected]: www.restauratoren.de

Vertrieb über:Verlag Schnell + Steiner GmbHLeibnizstraße 13D-93055 RegensburgInternet: www.schnell-und-steiner.deISBN 3-7954-2554-8 | ISSN 1862-0051

Redaktion:Dr. Cornelia Weyer, Düsseldorf (Redaktionsleitung)Prof. Ingo Timm, BerlinProf. Friedemann Hellwig, HamburgKlaus Martius, NürnbergProf. Hans Michaelsen, PotsdamProf. Ivo Mohrmann, DresdenDr. des. Annik Pietsch, Zürich

Beirat:Prof. Valentin Boissonnas, Schweizerischer Verband für Konservierung und Restaurierung (SKR)Prof. Irene Brückle, Staatliche Akademie der Bildenden Künste, StuttgartProf. Dr. Gerhard Eggert, Staatliche Akademie der BildendenKünste, StuttgartProf. Erwin Emmerling, Technische Universität MünchenProf. Jörg Freitag, Fachhochschule PotsdamStefan Kainz, Österreichischer Restauratorenverband (ÖRV)Prof. Dr. Matthias Knaut, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), BerlinProf. Dr. Gertraud Maierbacher-Legl, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), Hildesheim Prof. Dr. Christoph Merzenich, Fachhochschule Erfurt Prof. Dr. Friederike Waentig, Fachhochschule Köln

Publikationsbeauftragte der Fachgruppen:Archäologische Objekte: Stephanie GasteigerEthnographische Objekte: Sandra GottsmannGemälde: Ute StehrKunsthandwerkliche Objekte: Claudia MaginMöbel und Holzobjekte: Jochen FladeModerne Kunst – Kulturgut der Moderne: Stephanie GrossmanPräventive Konservierung: Christoph WenzelPolychrome Bildwerke: Anette KlöpferSteinkonservierung: Prof. Dr. Rainer DrewelloTechnisches Kulturgut: Dr. Volker KoeslingTextil: Sabine Martius

Projektbetreuung:Dr. Helge David, Sabria Davidtext-raumVorgebirgsstraße 1D-53111 BonnE-Mail: [email protected]

Gestaltung, Layout:Homann/Güner/Blum, Hannover

Druck:Druckerei Brandt, Bonn

Impressum

Heft 2 . 2011Beiträge

Edi tor ia l

Be i t räge

Seite 6

Seite 8

Rezens ionenSeite 118

Manfred Koller, Ulrike Knall (Hrsg.), Holzobjekte und ihre Oberflächen(Hans Michaelsen)

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Misce l laneaSeite 111

Christine Kowalski–Die Augsburger Silberkistler – Entwicklung, Verbreitung, Niedergang und Wiederentdeckung

Ulrich Lachmuth–Verwirrtechnik (mating disruption) im Museum. Ein neuer Ansatz zum Schutz von Textilien und naturwissenschaftlichen Exponaten vor Mottenbefall

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Seite 7 Zum Tode von Professor Rolf E. Straub (Ulrich Schießl)

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Stefan Geismeier Die Restaurierung der Bildwerke aus Tell Halaf

Eve Begov–Farbig gefasste Metalloberflächen in der Sammlung des Grünen Gewölbes, Dresden. Oberflächenbehandlungen im 18. Jahrhundert und heute

Ivo Mohrmann–Die Strehlaer Bildnisse der Familie Pflugk. „Wie man auf Silber, Kupfer, Blei und anderen Metallen malte“

Margarete Eska–„Landschaft mit Innenraum“ – Restaurierung einer farbig gefassten Drahtskulptur des tschechischen Künstlers Karel Malich

Felix Forrer–Der Studebaker Champion 1953 von Liselotte Pulver – Die Restaurierung und Konservierung eines Autolacks

Lisa Eckstein–Ein Reliquienrahmen aus der Zeit des Rokoko. Untersuchungen zur originalen Polychromie

Andrea Pataki-Hundt–Funktionsweise von Nebulizern und eine Neuentwicklung für organische Lösungsmittelsysteme

Anke Grit Weidner, Achim Unger–Behandlung des Wallfahrtsmantels aus dem Stift Neuzelle mit flüssigem Kohlendioxid in einer Textilreinigungsanlage –ein Erfahrungsbericht

Achim Unger, Anke Grit Weidner, Helene Tello und Johannes Mankiewicz–Neues zur Dekontamination von beweglichem Kunst- und Kulturgut mit flüssigem Kohlendioxid

Jirina Lehmann–Interview mit Cornelia Weyer

Heft 2 . 2011 VDR Beiträge

Behandlung des Wallfahrtsmantels aus dem Stift Neuzelle mit flüssigem Kohlendioxid (in einer Textilreinigungs anlage) Ein Erfahrungsbericht

Einleitung

Die Kontamination von historischen, mobilen und immobilenObjekten mit Schädlingsbekämpfungs- und Holzschutzmit-teln wird im Bereich des Kulturgüter schutzes weltweit zu-nehmend thematisiert. Viele ehemals in diesen Mitteln gegenSchadorganismen eingesetzte Biozide erfordern aus heutigerSicht bezüglich Gesundheitsgefährdung und Umweltver-träglichkeit sowie einer potenziellen Objektschädigung einUmdenken im Umgang mit derart belasteten Objekten. Bei-spielhaft sollen solche Biozide wie Dichlordiphenyltrichlore -than (DDT), Hexachlorcyclohexan (Lindan), Pentachlorphe nol(PCP) sowie Schwermetall verbindungen wie Arsen (III)-oxid(Arsenik) und Quecksilber(II)-chlorid (Sublimat) genannt wer-den. Weil Kunst- und Kulturgut aus organischen Materialien (z. B.Holz und Textilien) bevorzugt von Schadorganismen befallenwird, ist bei ihm auch die Wahrscheinlichkeit einer Biozid-belastung besonders hoch. Vor allem in ethnologischen,kunstgewerblichen und naturkundlichen Sammlungen sowiein Archiven ist vermehrt kontaminiertes Sammlungsgut an-zutreffen. Aber auch bei Baudenkmälern wie Kirchen unddarin aufbewahrtem Kulturgut zeigt sich die Problematik inihrem ganzen Ausmaß.Ein Beispiel dafür ist der hier vorgestellte Mantel der Wall-fahrtsmadonna im Stift Neuzelle.

Bei einer zur Sicherung des Gewebes des Neuzeller Wallfahrtsmantels eingesetzten Seidencrêpeline lag eine Belastung durch verschie-dene salzartige und organische Biozide vor. Eine direkte Probennahme am Mantel zur quantitativen Bestimmung der Biozide musste ausrestauratorischer Sicht unterbleiben. Staubproben vom Mantel zeigten aber, dass auch er kontaminiert ist. Daher sollte er vor einer Res -taurierung zunächst gereinigt und weitgehend detoxifiziert werden. Für die Entfernung der Biozide wurden eine Trockenreinigung undeine Behandlung mit flüssigem Kohlendioxid favorisiert. Durch die Bereitschaft einer gewerblichen Reinigungsfirma, die mit flüssigemKohlendioxid arbeitende Textilreinigungsanlagen betreibt, konnte das Vorhaben realisiert werden. Im Ergebnis der Behandlung ließen sich ca. 95 % des DDT aus der als Testmaterial eingesetzten Seidencrêpeline entfernen. Das Gewebe des Wallfahrtsmantels wurde durch die Behandlung mit flüssigem Kohlendioxid in keiner Weise verändert oder geschädigt.

Treatment of the Pilgrim’s Coat from Neuzelle Monastery with Liquid Carbon Dioxide (with Dry Cleaners Equipment) – A Report A piece of silk crêpeline used in securing the fabric of the Neuzelle pilgrim’s coat proved to be charged with saline and organic biocides. Conser-vation considerations proscribed taking a sample from the coat for quantitative determination of the biocides. However, samples of dust from the coat showed that it was contaminated too. Therefore, it was to be cleaned and detoxified before restoration. Dry cleaning and treatment withliquid carbon dioxide for the removal of biocides seemed most appropriate. The project could be realized thanks to the readiness of a commer -cial cleaning company running textile cleaning apparatus with liquid carbon dioxide.The treatment proved that 95 percent of DDT could be removed from the silk crêpeline used as a test material.The fabric of the pilgrim’s coat was in no way altered or damaged by the treatment with liquid carbon dioxide.

Entstehungsgeschichte und Bedeutungdes Wallfahrtsmantels

Das Stift Neuzelle, eine ehemalige Zisterzienser-Abtei vomAnfang des 14. Jahrhunderts, liegt im Land Brandenburgsüdlich von Frankfurt/Oder und Eisenhüttenstadt. In ihm be-findet sich die barocke Stiftskirche St. Marien, die seit 1946als Wallfahrtskirche für das Bistum Görlitz dient. Im Mittel-punkt der Wallfahrt steht eine auf dem Marienaltar der Kir-che thronende Madonna. Bei der Skulptur handelt es sichum eine spätgotische stehende Madonna mit Jesuskind, dieum 1470 datiert wird (Abb. 1). Die für die Madonna gestif-teten Gewänder werden in der Sakristei in originalen Einbau -schränken aufbewahrt (Abb. 2). Eines davon ist der Wallfahrts -mantel (Abb. 3), der für die Gemeinde und die Stiftung StiftNeuzelle ein herausragendes religiöses und kulturhistorischesZeugnis darstellt.Dem Engagement des Jugendseelsorgers und späteren Bi-schofs von Schwerin, Heinrich Theissing (1917–1988) ist eszu verdanken, dass Neuzelle nach dem 2. Weltkrieg von denvornehmlich aus dem Bistum Görlitz stammenden Christenals Wallfahrtsort in seiner heutigen Bedeutung angenom-men wurde. Er erkannte die Wichtigkeit, die alten Traditio-nen im verbliebenen deutschen Teil des Erzbistums Breslauzu erhalten und lud 1947 zur ersten Jugendwallfahrt nachNeuzelle ein.

Dekontamination mit flüssigem KohlendioxidBeiträge

VDR Beiträge 2 | 201174

Anke Grit Weidner und Achim Unger

Dekontamination mit flüssigem Kohlendioxid Beiträge

2 | 2011 VDR Beiträge 75

1Neuzeller Madonna bekleidet mit dem Wall-fahrtsmantel im Jahr1957

Auf der Jugendsprecherkonferenz der Diözesan-Jugend-seelsorge des Bistums Görlitz wurde am 13. Oktober 1948beschlossen, dass die Jugend zur Wallfahrt 1949 als Weihe-geschenk einen Schutzmantel für die Neuzeller Madonnafertigt.1 „Der Mantel der Muttergottes sollte mit den Kirchender einzelnen Pfarreien und Seelsorgestellen bestickt wer-den. Seelsorgestellen ohne Kirche sollten sich ein Symbolauswählen, das dem Schutzpatron ihrer Gemeinde entspre-chen sollte. Ein Gemeinschaftswerk der Jugend der ganzenDiözese sollte es werden, und darum sollte auch jede Pfarr-jugend die Stickerei selbst ausführen.“ 2

Die Gestaltung eines Weinstocks, der aus den als Reben zudeutenden Bildern der Seelsorgestellen gebildet wurde, lagin den Händen von Rupert Gnatzy. Der aus elfenbeinfarbenem Seidengewebe3 gefertigte Man-tel hat eine Länge von 410 cm und eine Breite von 56 cm.Die Schauseite ist mit goldfarbenen Metallfäden sowie brau-nem, rotem und gelbem Seidenzwirn bestickt. Den Ab-schluss nach außen bildet umlaufend die erste Strophe des1948 von dem Görlitzer Tischler und Bildhauer Georg Schrö-ter verfassten Neuzeller Wallfahrtsliedes. Sie lautet: „Maria,Mutter, Friedenshort, wir kommen in bedrängten Tagen undbitten dich, ein Mutterwort für uns bei deinem Sohn zu sa-gen“.4

Am 24. Juni 1949 war das Werk rechtzeitig vor Beginn derWallfahrt vollendet. „Als am 02. Juli, dem Feste Maria Heim-suchung, unsere Wallfahrer nach Neuzelle kamen, sahen sieUnsere Liebe Frau auf dem Altar stehen, bekleidet mit demGewande und dem Mantel, an dem sie alle mitgeholfen hat-ten. Am Abend dieses Tages, dem Vorabend der Wallfahrt,weihte der Oberhirte diese Weihgabe der Jugend, und wir alle freuen uns, dass Unsere Liebe Frau von Neuzelle nun in jedem Jahre vom 01. Mai bis zum 08. September unserenMantel tragen wird …“ 5. Diesem Ereignis wohnten weit über2.000 Jugendliche bei.

2Schrank zur Aufbewah-rung der Kleidung für die Wallfahrts madonna

3Gesamtansicht desWallfahrts mantels nachder Restaurierung 2009

Bei der Staubprobe lagen die Werte für Lindan 2fach, für Arsen 5,5fach und für Quecksilber 4,4fach höher als an derMaterialprobe von der Crêpeline. Eine PCP-Anreicherungwurde nur im Staub festgestellt. Die Crêpeline-Probe wies eine 2,5fach höhere Kontamination mit DDT als der vom Objekt entnommene Staub auf. Für historische Textilien existieren bisher keine allgemeingültigen Vorschriften und Richtwerte, wie hoch sie mit Bio-ziden kontaminiert sein dürfen, ohne dass Bearbeitung, Nut-zung und Präsentation einzuschränken sind. Zur Beantwor-tung der Frage, ob beim Wallfahrtsmantel die Notwendigkeitvon Dekontaminationsmaßnahmen bestand, bot sich einevergleichende Interpretation der Analysenwerte vom Staubund von der Crêpeline des Mantels mit entsprechendenRichtwerten für belastete Stäube und Gebrauchstextilienan.Nach den Orientierungswerten der Arbeitsgemeinschaftökologischer Forschungsinstitute e.V. (AGÖF 2004) für mit-tel- und schwerflüchtige organische Verbindungen undSchwermetalle im Hausstaub (vgl. Tab. 1) ist der Staub vomWallfahrtsmantel sehr hoch mit DDT und seinen Metabolitenbelastet. Der Auffälligkeitswert wird mehr als 20fach über-schritten. Der Lindan-Gehalt liegt leicht über dem Auffällig-keitswert. Der Analysenwert für PCP tendiert in RichtungAuffälligkeitswert. Der Arsen-Gehalt erreicht mehr als das10fache des Auffälligkeitswertes. Beim Quecksilber wird derAuffälligkeitswert ebenfalls signifikant überschritten.

Die Bedeutung des Wallfahrtsmantels manifestierte sichletztlich dadurch, dass er jahrzehntelang jedes Jahr im an-gegebenen Zeitraum die Madonna bekleidete und somit fort-während für die Gläubigen bis zum Beginn der Restaurierungim Jahre 2007 zugänglich war.

Kontamination des Wallfahrtsmantelsmit Bioziden

Wie bereits erwähnt, wurden die Gewänder der Madonna alsTeil der Paramentensammlung des Stiftes in der Sakristei inbarocken Einbauschränken aufbewahrt.Zu Beginn der Restaurierung des Wallfahrtsmantels war be-reits durch mehrere Analysen eine Kontamination derSchränke mit DDT und Lindan festgestellt worden. Daherwurde davon ausgegangen, dass auch die Paramente pri -mär oder sekundär mehr oder weniger stark kontaminiertsind.Eine Probenahme am Originalgewebe des Mantels war je-doch nicht möglich. Daher wurden eine Staubsammelprobevon der Oberflächenreinigung des Gewebes und eine Mate-rialprobe der 1983 zur konservatorischen Sicherung fragilerPartien aufgebrachten Crêpeline untersucht. Die Analysen ergaben die Anwesenheit von DDT, Lindan, Arsen und Quecksilber sowie Spuren von PCP im Staub (Tab.1 u. 2).

Dekontamination mit flüssigem KohlendioxidBeiträge

VDR Beiträge 2 | 201176

Tabelle 1Vergleich der AGÖF-Orientierungswerte für Hausstaub mit den Analysenwerten für die Staub sammelprobe

Biozide

Summe DDT/DDD/DDELindanPCPArsenQuecksilber

AGÖF-Orientierungswerte für Hausstaub (mg/kg)

Staubprobe Marienmantel(mg/kg)

Hintergrundwert

< 0,1< 0,1< 0,10,50,15

Normalwert

< 0,10,10,31,00,5

Auffälligkeitswert

3,00,51,0*3,01,0

Probe 2

70,80,60,8

33,02,2

Tabelle 2Vergleich der Grenzwerte für Biozide des Oeko-Tex® Standard 100 mit den Analysenwerten der Crêpeline vom Marienmantel

Biozide

LindanPCPSumme DDT/DDD/DDEArsenQuecksilber

Oeko-Tex® Standard 100 (mg/kg)

Materialprobe derCrêpeline vom Marienmantel

(mg/kg)

–*0,51,01,0

0,02

0,3< BG178

60,5

* Unbelastet nach PCP-Richtlinie.

* Für Lindan gibt der Oeko-Tex® Standard 100 keinen Einzelwert an. Es liegt lediglich ein Richtwert –von 1,0 mg/kg für die Summe aller Pestizide (inklusive PCP und TeCP) vor.

< BG = unter der Bestimmungsgrenze

772 | 2011 VDR Beiträge

BeiträgeDekontamination mit flüssigem Kohlendioxid

(GNM) eine Vorlage für eine Projektskizze zur Entfernungvon Biozidrückständen aus historischen Textilien mit über-kritischem Kohlendioxid. Beginnend mit der Geschichte derAnwendung von Bioziden am GNM, erörterte sie möglicheMethoden zur Dekontamination und darin eingeschlossendie Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid als Verfah-ren zur Anwendung an historischem Kunst- und Kulturgut.Des Weiteren wurden Analysen zur Bestimmung der in denObjekten enthaltenen Biozide durchgeführt sowie auf derenAnwesenheit zurückzuführende Schadbilder an textilenvolkskundlichen Objekten dokumentiert. Im Zentrum standdabei eine Auswahl der durch Oskar Kling im Jahre 1881 an-gekauften lebensgroßen Figurinen in der Trachtensamm-lung. Basierend auf den Vorarbeiten von KRESS (2000) wurdendurch VON ULMANN (2002) erste Dekontaminationsexperi-mente mit überkritischem Kohlendioxid im Rahmen einesProjektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) amGNM realisiert. Für die Untersuchungen standen sowohl ausder Sammlung des GNM ausgesonderte, ca. 100 Jahre alte,biozidhaltige Gewebeproben, als auch künstlich mit demHolzschutzmittel „Hylotox 59“ kontaminierte Testproben zurVerfügung. Die qualitative und quantitative Analyse der Bio-zide erfolgte durch Röntgendiffraktometrie und Gaschro-matografie. Die physikalischen Eigenschaften der Fasern imVor- und Nachzustand wurden nach Normen aus der Textil -industrie ermittelt. Mögliche Farbveränderungen wurden an-hand von Messungen mittels Reflektometer und Spektral-fotometer beurteilt.Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass sich an den un-tersuchten Fasern weder physikalische noch haptische Eigen -schaften signifikant verändert hatten. Das betraf reine Ge-webe aus Baumwolle, Leinen und Seide. Bei Wolle wurdenjedoch eine teilweise Entfettung sowie schwankende Wertebeim Durchschnittspolymerisationsgrad festgestellt. DieBiozid-Abreicherungsraten lagen zwischen 90–95 %. Somitkonnten mit Organochlor-Verbindungen kontaminierte his to -rische Textilien durch überkritisches CO2 wirkungsvoll undin den meisten Fällen objektverträglich entgiftet werden. ImProjekt wurden weitere Untersuchungen zum Verhalten vonApplikationsmaterialien wie Glas, Metall, Leder, Federn imüberkritischen CO2 angeregt. Einige Zeit später wurde durch TELLO et al. (2005) eine Rei-nigung und Dekontamination von ethnologischem Kulturgutmit überkritischem CO2 vorgestellt. Unter den Materialienund Objekten befanden sich auch zwei Gewebestücke ausWolle bzw. Baumwolle. Sie wurden durch die Behandlung mitüberkritischem CO2 nicht verändert. Der Gehalt an Queck-silber konnte bei ihnen um 70–76 % reduziert werden. DerArsengehalt ließ sich dagegen nicht vermindern. Für DDT lag die Abreicherung bei 98 %. Lindan und PCP konnten um67 % bzw. 25 % verringert werden.SOUSA et al. (2005) benutzten überkritisches CO2 als Mit-tel für die schonende Reinigung von historischen Textilien.Im Mittelpunkt standen Gewänder einer bekleideten Marien -skulptur aus dem 18. Jahrhundert vom Palácio das Neces-sidades in Lissabon. Zur Ausstattung der Jungfrau mit Kindgehörten zwei Röcke und zwei Hemden sowie jeweils einMieder, Kleid, Skapulier, Mantel und Schleier. Die Textilienbestanden aus Seide und verschiedenen Cellulosefasern,waren sehr fragil, stark verschmutzt und mechanisch nur

Zur Beurteilung der Kontamination der Crêpeline des Wall-fahrtsmantels wird der Oeko-Tex® Standard 100 (OEKO-TEX®2009) herangezogen (vgl. Tab. 2). Dieser Standard beinhal-tet ein Prüf- und Zertifizierungssystem für neuwertige Tex-tilien. Er ist für textile und lederartige Produkte sowie für Artikel aller Produktionsstufen, einschließlich aller weiterentextilen und nichttextilen Bestandteile, anwendbar. EineÜberschreitung der Richtwerte liegt bei DDT (178fach), Arsen (6fach) und Quecksilber (25fach) vor.Da sowohl die Staubprobe als auch die Crêpeline-Probe einesignifikante Belastung durch die meisten der analysiertenBiozide zeigten, bestand laut Gefahrstoffverordnung hin-sichtlich der Vorsorgepflicht und des Minimierungsgebotesdurch den Auftraggeber grundsätzlich die Notwendigkeit,den Wallfahrtsmantel vor der eigentlichen Restaurierungmöglichst weitgehend zu dekontaminieren. Weiterhin sollteaus konservatorischer Sicht verhindert werden, dass die imMantel enthaltenen Biozide verschleppt und andere Ob jektedamit kontaminiert werden. Schließlich sollte auch poten -ziellen Schadwirkungen am Gewebe durch Reaktionen zwi-schen den verschiedenen Bioziden untereinander oder mitder Originalsubstanz begegnet werden.Nach eingehendem Studium des aktuellen Wissenstandesund dem Abwägen der Argumente für und wider bestimmteMethoden wurde auf eine intensive Trockenreinigung undanschließende Behandlung des Objektes mit flüssigem Koh-lendioxid orientiert (Weidner 2009).

Auswahl der Verfahren zur Dekonta -mination des Marienmantels

Oberflächen-Dekontamination durch TrockenreinigungBei einer Trockenreinigung ist im Vorfeld immer das Maß anaufzubringender mechanischer Belastung in Relation zurFragilität des Objektes zu setzen, um weiteren Schädigungenvorzubeugen. An historischen Textilien erfolgt die Trocken-reinigung mit einem geeigneten Pinsel plus indirekt ange-setzter reduzierter Saugkraft. Bei kontaminiertem Kulturgutsollte ein Spezialstaubsauger mit HEPA-Filtern benutzt oderdirekt unter einem Abzug gearbeitet werden. Mit dieser Me-thode lassen sich aufliegende biozidhaltige Schmutzpartikelentfernen. Die durch bloße Trockenreinigung erzielbaren Abreicherungsraten schwanken stark, weil der Erfolg derMethode in direkter Abhängigkeit zur Oberflächenbeschaf-fenheit steht. Letztlich werden ausschließlich die Ober-flächen entgiftet, ohne eine Tiefenwirkung zu erreichen. Oftist dies jedoch die erste und einzig durchführbare Methodezur partiellen Dekontamination.

Stand der Reinigung und Dekontamination von texti -lem Sammlungsgut mit überkritischem Kohlen dioxid Durch die Verwendung von überkritischem und flüssigemKohlendioxid bieten sich neue Ansätze für die Reinigung undDetoxifizierung historischer Textilien. Während im überkriti-schen Bereich im Allgemeinen eine Extraktion von Biozidendurch das Kohlendioxid stattfindet, werden sie durch dasflüssige Kohlendioxid aus den Materialien herausgewaschenund abtransportiert. KRESS (2000) erarbeitete anhand der textilen Sammlungs-bestände des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg

noch minimal belastbar. Für sie sollte eine objektverträglicheReinigungsmethode gefunden werden. Dazu wurden anTestmaterialien und Originalproben Experimente mit über-kritischem CO2, begleitet von verschiedenen naturwissen-schaftlichen Untersuchungen, vorgenommen. Im Ergebnisder Versuche ließen sich bis zu 70 % des Schmutzes aus denTextilien entfernen. Die physikalischen Eigenschaften derMaterialien blieben dabei unverändert. Die für die Farbge-bung verantwortlichen Metallionen wurden nicht extrahiert,sodass es zu keinen Farbveränderungen kam. Die Autorenwiesen jedoch darauf hin, dass das überkritische CO2 auf-grund seiner chemischen Eigenschaften ein ungeeignetesLösungsmittel für polare Schmutzpartikel und Verbindungenmit hoher Molmasse darstellt und gegebenenfalls der Einsatzvon Modifiern erforderlich ist.

Stand der Reinigung und Dekontamination von textilem Sammlungsgut mit flüssigem Kohlendioxid Im Gegensatz zum überkritischem Kohlendioxid fand flüssi-ges Kohlendioxid bisher kaum an textilem SammlungsgutVerwendung, obwohl Gebrauchstextilien bereits seit einigerZeit mit dieser Phase des Kohlendioxids gereinigt werden(siehe folgenden Abschnitt). UNGER et al. (2006) beschrieben neben verschiedenen an-deren Objekten die Dekontamination von Proben einer Woll-decke aus Patagonien. Das Objekt aus dem EthnologischenMuseum Berlin war mit 66,3 mg DDT/kg (einschließlich Metaboliten), 1,3 mg Lindan/kg, 240 mg Quecksilber/kgund 4 mg Arsen/kg kontaminiert. Die Proben wurden in einerVersuchsanlage zur Reinigung von Elektronikbauteilen mitflüssigem CO2 behandelt. Im Ergebnis lag der DDT-Gehalt bei

5,9 mg/kg (91,1 % Abreicherung). Der Lindan-Gehalt sankauf 1,1 mg/kg (15,4 % Abreicherung), der Arsen-Gehalt auf3 mg/kg (25 % Abreicherung). Im Beitrag wurde allerdingsvermerkt, dass diese Werte bei den geringen Ausgangs-mengen auch im Bereich der Messfehlertoleranz liegen kön-nen, sodass möglicherweise auch keine Reduzierung statt-gefunden hat. Überraschend stieg der Quecksilbergehaltvon 240 mg/kg auf 290 mg/kg. Dieses Phänomen wurdemit möglichen Messfehlern bei der Analyse und der un-gleichmäßigen Verteilung auf dem (im) Objekt erklärt.Beim Vergleich der Abreicherungsraten für DDT mit überkri-tischem und flüssigem CO2 ergaben sich interessanterwei-se nahezu identische Werte, sodass in der Folge hinsichtlichder Reinigung und Dekontamination des Wallfahrtsmantelsauf flüssiges CO2 orientiert wurde. Ausschlaggebend hierfürwaren das Vorhandensein eines Maschinenparks für die ge-werbliche Textilreinigung mit flüssigem CO2 und die dabeigesammelten Erfahrungen. Im Gegensatz zur Behandlung imüberkritischen Bereich liegen die Arbeitstemperaturen und-drücke beim Flüssig-CO2-Verfahren deutlich niedriger undsomit objektverträglicher, was insbesondere für gealterteTextilien als Vorteil angesehen wird.

Reinigung von Gebrauchstextilien in mit flüssigem Kohlendioxid

Firmengeschichtlicher RückblickDer Einsatz von flüssigem CO2 für Reinigungszwecke gehtauf die amerikanische Rüstungsindustrie zurück, die diesesMedium seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts für dieBehandlung hochsensibler, technischer Teile und Instru-mente verwendete. 1977 wurde in den USA ein Patent zurAnwendung von flüssigem CO2 für Textilreinigungszweckevergeben. Das amerikanische Unternehmen Hangers™ Cleaners entwickelte Mitte der 1990er Jahre ein Verfahrenzur industriellen und kommerziellen Reinigung mit dieserPhase. In Deutschland wurde 1999 ein Prototyp einer aufflüssigem CO2 basierenden Textilreinigungsmaschine in derForschungsstelle Textilreinigung an den Hohensteiner Insti-tuten in Bönnigheim in Betrieb genommen. Von der Firma Hangers™ Cleaners erwarb die Linde AG alsIndustriegasproduzent im Jahre 2003 die Generallizenz fürEuropa und die USA. Speziell für diese neue, als innovativ undumweltschonend deklarierte Art der „Chemisch-Reinigung“(Dry Cleaning) mit recyceltem Kohlendioxid ließ sich die Lin-de AG 2005 den Markennamen Fred Butler® schützen. Seit-dem ist die Firma Cleaning Enterprises, eine Tochterfirmavon Linde, mit der weiteren Kommerzialisierung und euro pa -weiten Etablierung des Verfahrens befasst. Der erste Stand -ort in Deutschland wurde in Frankfurt am Main im April 2006in Betrieb genommen. Gemeinsam mit dem schwedischenElektrogeräte hersteller Electrolux wurden hierfür mit flüssi-gem CO2 arbeitende Textilreinigungsmaschinen entwickelt.

Angaben zur Technik und TechnologieDie Reinigungsanlagen der Firma Cleaning Enterprises vomTyp S 35 (Abb. 4) besitzen eine Trommel mit einem Volumenvon 250 l, die 17 kg Textilien aufnehmen kann. Ihr Durch-messer und ihre Tiefe betragen 70 cm bzw. 40 cm. Die Lukezum Befüllen der Trommel mit verschmutzten Textilien hat

Dekontamination mit flüssigem KohlendioxidBeiträge

VDR Beiträge 2 | 201178

4CO2-Reinigungsanlage Typ S 35der Firma Cleaning Enterprises

einen Durchmesser von 37 cm. Nachdem die Reinigungsma -schine dicht verschlossen worden ist, wird aus ihr zunächstdie Luft abgesaugt und anschließend gasförmiges CO2 (Rein-heitsgrad bis zu 99,95 %) eingeleitet. Der Druck während desProzesses beträgt 40 bis 50 bar, und die Temperatur liegt bei5 bis 15 °C. Die Reinigung wird im geschlossenen Systemmit etwa zwei Dritteln flüssigem und einem Drittel gasför-migem CO2 vorgenommen. Das flüssige CO2 durchdringt in-folge des Rotierens der Trommel die Fasern gleichmäßig.Nach jedem Durchlauf wird es mittels Destillation gereinigt.Dabei werden der gelöste Schmutz und lose Partikel abge-filtert, separiert und später entsorgt. Das gereinigte Flüssig -gas wird in den Vorratstank zurückgeleitet und kann erneutverwendet werden. Für einen Reinigungszyklus werden 100 lflüssiges CO2 benötigt. Beim Öffnen der Trommel entweichenlediglich ca. 2 % des CO2. Mithin werden bis zu 98 % des Ga-ses recycelt. Die Prozessdauer beträgt einschließlich Druck-auf- und -abbau 55 min.

Dekontamination des Wallfahrtsmantelsmit flüssigem Kohlendioxid

Die Reinigung und Dekontamination des Mantels wurde ausgehend von den bereits vorhandenen Erfahrungen im Ein -satz von flüssigem CO2 zur Detoxifizierung kontaminierter his -torischer Materialien in Kooperation mit der Firma CleaningEnterprises geplant und realisiert. In Vorbereitung der Behandlung wurde der Ausgangszustanddes Objektes fotografisch und schriftlich dokumentiert. Hier-zu gehörten das Erfassen der einzelnen Schadbilder und ihreCharakterisierung. Weiterhin war eine exakte Analyse derverwendeten Materialien notwendig, um Unverträglich -keiten und potenzielle Schadwirkungen bereits im Vorfeldauszuschließen. Die Art des Materials wurde mit Hilfe derFasermikroskopie, durch Anfärben von Faserproben mitChlorzinkjod und durch eine zusätzliche Brennprobe an einemabgefallenen Schussfaden des Grundgewebes ermittelt. Aus den Untersuchungen ergab sich, dass für die Herstellungdes Mantels mehrere Seidengewebe Verwendung fanden.Die aufgebrachte Stickerei bestand aus mehrfarbigen Sei-dengarnen und drei verschiedenen, ehemals goldfarbenenGespinsten mit Metallfäden aus Messing. Das aufgesetzteFlechtband war ebenfalls mit Metallfäden aus Messing ge-fertigt.Um eventuelle Risiken für das Original zu minimieren, wurdezunächst ein Reinigungstest an zwei abgetrennten Stückender Seidencrêpeline durchgeführt. Die Probe 1 entsprachdabei dem unveränderten Ausgangszustand. Die Probe 2war erst nach der Trockenreinigung vom Original getrenntworden. Für den Reinigungsprozess wurden die Proben je-weils mit zwei Schutzbeuteln umhüllt.In der Trommel wurde zunächst ein Vakuum erzeugt, dannder benötigte Druck langsam aufgebaut und schließlich dasflüssige CO2 bis zu einem Füllstand zwischen 18 und 19 cmein geleitet. In der darauf folgenden Druckhaltephase wur-den bei reduzierter Trommelbewegung (40–45 U/min) dieSpülbäder vorgenommen, während derer und zwischen de-nen eine ständige Druckregulierung stattfand. Der Ablaufgestaltete sich folgendermaßen: (1) langes Bad 600 s, (2)Spülbad 300 s, (3) Spülbad 300 s und (4) Spülbad 300 s.

Anschließend wurde der Druck langsam wieder abgebaut.Im ersten Spülgang erfolgte die Zugabe von 0,2 % eines fir-meneigenen Detergens. Die Arbeitstemperatur in der Trom-mel lag zwischen 12 °C und 15 °C. Der Druck schwanktezwischen 40 und 50 bar. Da ein Teil des CO2 zunächst im Fa-serverband gespeichert wurde, verblieben die Proben nachdem Öffnen der Maschine noch ca. 10 min in der Trommel,um das Ausgasen des restlichen CO2 abzuwarten. Die Pro-zessdauer betrug insgesamt 54 min. Die Proben wurden nach ihrer Entnahme zunächst optischund haptisch begutachtet. Dabei konnten keine Verände-rungen oder Beschädigungen an der Seidencrêpeline durchdie Flüssig-CO2-Behandlung festgestellt werden. Zur Be-stimmung der Abreicherungsraten wurde an den Proben einequantitative Analyse durchgeführt. Bei der Behandlung von textilem Kulturgut ist die mechani-sche Beanspruchung aus konservatorischen Gründen mög-lichst gering zu halten. Daher sollte der Mantel in Auswer-tung der Ergebnisse des Testlaufes während des vorgese-henen Prozesses nur wenig mechanisch belastet werden.Die Rotation der Trommel ließ sich aber prozessbedingtnicht abstellen, sondern nur minimieren. Deshalb wurdenSchad- und Fehlstellen sowie fragile Partien am Mantel zuseinem Schutz zunächst mit einem Wabentüll aus Polyamidund danach die gesamte Schauseite mit einem feinen Sei-dengewebe (Pongé 05) abgedeckt (Abb. 5). Um eine Bewe-gung des Mantels selbst auszuschließen, wurde er gefaltet

Dekontamination mit flüssigem Kohlendioxid Beiträge

2 | 2011 VDR Beiträge 79

5Wallfahrtsmantel,vollständig in Seiden-pongé eingehaust

6Verschlossene und an die Trommel fixierte Polyethylenboxmit Wallfahrtsmantel

80 VDR Beiträge 2 | 2011

Beiträge Dekontamination mit flüssigem Kohlendioxid

beieinander liegen und somit die Ergebnisse in den Mess -fehlerbereich fallen. Für Arsen ergibt sich eine leichte Anrei-cherung im Gewebe nach der Trockenreinigung. Ursachenhierfür könnten eine ungleichmäßige Verteilung der Arsen-verbindungen auf der Oberfläche und eine unzureichendeAnalysengenauigkeit sein.Durch eine Flüssig-CO2-Behandlung mit Detergenszusatzwird Lindan abgereichert. Allerdings muss betont werden,dass der Ausgangswert für eine eindeutige Aussage wie-derum zu niedrig ist. Für PCP ist ein leichter Anstieg nachder Behandlung zu verzeichnen. Bei der Referenzprobe liegtder PCP-Wert unter der Bestimmungsgrenze, nach der CO2-Behandlung mit 0,1 mg PCP/kg genau an der Bestimmungs-grenze dieser Substanz. Diese Schwankungen können so-wohl mit einer ungleichmäßigen Verteilung des Biozids imObjekt als auch mit einem Messfehler erklärt werden. Durchdie Behandlung mit flüssigem CO2 wird der DDT-Gehalt um94,8 % reduziert. Im Vergleich zur Trockenreinigung werdensomit ca. 30 % mehr entfernt. Der Gehalt an Arsen und Queck-silber ist nach der Behandlung deutlich höher. Der Anstiegwird primär auf Probleme bei der Probenahme und der ana-lytischen Bestimmung zurückgeführt. Er zeigt jedoch auch,dass unter den gewählten Prozessbedingungen kein Ab-transport von schwermetallhaltigen Partikeln stattfindet.Die Kombination von Trockenreinigung mit der CO2-Behand-lung bewirkt bei DDT, verglichen mit einer alleinigen CO2-Be-

in eine mit zahlreichen Löchern versehene Polyethylenboxgelegt (Abb. 6). Diese wurde mit Kabelbindern an der Innen -seite der Trommel befestigt. Weiterhin sollten am Mantelvorhandene Gebrauchsspuren und Flecken aus Gründen derAuthentizität der Weihegabe erhalten bleiben. Deshalb wur-de bei der Behandlung des Mantels mit flüssigem CO2 auf ei-nen Detergenszusatz verzichtet. Der gesamte Prozess wurde analog zum Vorversuch pro-grammiert und durchgeführt. Auch der zeitliche Ablauf waridentisch. Nach dem Öffnen der Luke fühlte sich das Gewe-be des Mantels zunächst kalt an. Ursache hierfür war, dassdurch das Falten des Objektes sehr viele Schichten über -einander lagen. Deshalb war der Mantel erst nach ca. 45 minbis auf Raumtemperatur akklimatisiert. Erst danach konntedas Objekt entfaltet und glatt gestrichen werden. Das mit flüssigem CO2 behandelte Objekt wurde noch vorOrt einer optischen und haptischen Beurteilung unterzogen(Abb. 7). Die dokumentierten Schadstellen hatten sich nichtverändert. Neue Schäden waren nicht zu erkennen. An denun terschiedlich gefärbten Seidenmaterialien wurden keinevisuell sichtbaren Farbveränderungen festgestellt. Die Farb-stoffe bluteten nicht aus. Das Gewebe erschien trotz des Fal-tens während des Prozesses nicht deformiert oder zerknickt.Sein Geruch war neutral. Insgesamt wirkte der Mantel nachder Reinigung mit flüssigem Kohlendioxid aufgefrischt undweniger staubig. Die dokumentierten Gebrauchsspuren undVerfleckungen erschienen nach einer ersten Einschätzungweitgehend unverändert. Die im Folgenden beschriebenennaturwissenschaftlichen Untersuchungen sollten diese Er-gebnisse bestätigen.

Naturwissenschaftliche Untersuchungen

Biozidanalyse und ihre ErgebnisseFür die Analysen standen Staubproben vom Objekt, Material -proben von der ehemals aufgesetzten Seidencrêpeline undminimale Materialproben von den Metallfäden der Stickereisowie vom Schussfaden des originalen Grundgewebes zurVerfügung. Die Analyse der Organochlor-Verbindungen erfolgte mittelsKapillar-Gaschromatografie mit Elektroneneinfang-Detektor(GC/ECD) bzw. Kapillar-Gaschromatografie in Kombinationmit einem Massenspektrometer (GC/MS). Die Schwermetalle wurden durch Massenspektrometrie mitinduktiv gekoppeltem Plasma (ICP-MS) gemäß DIN 38406-E29 „Bestimmung von 61 Elementen durch ICP-MS“ unterVerwendung von Yttrium und Rhenium als interne Standardsquantitativ bestimmt. Die Analyse umfasste die Staubsammelprobe (vgl. Tab. 1)und Proben von der Crêpeline nach der Trockenreinigung mitMikrosauger, nach der CO2-Behandlung mit Detergenszu-satz sowie nach der Trockenreinigung und anschließendenCO2-Behandlung mit und ohne Detergens sowie (Tab. 3).Mit der Trockenreinigung wird ein Teil der biozidhaltigen Par-tikel von der Oberfläche des Originals entfernt. Der positiveEinfluss dieser Maßnahme ist anhand der erzielten Abrei-chung für DDT erkennbar. Die ebenfalls beträchtlichen Ab-reicherungsraten für Lindan und Quecksilber müssen aller-dings relativiert werden, weil die Werte niedrig sind, nahe

7Optische und haptische Unter suchung des Objektes nach der CO2-Behandlung [links und rechts beschneiden]

812 | 2011 VDR Beiträge

BeiträgeDekontamination mit flüssigem Kohlendioxid

gangen, dass das flüssige CO2 die schwermetallhaltigen Par-tikel im Gewebe zwar mechanisch mobilisiert (kein Löse -effekt), aber nicht abtransportiert. Die Ursachen könnten ineinem unzureichenden Spülprozess und/oder der Umhül-lung der Proben liegen, die einen Absperreffekt bewirkt.Eventuell müssen zukünftig dem flüssigen CO2 Lösevermitt-ler zugesetzt werden, deren Eignung hinsichtlich des Textil-objektes und der Eliminierung der Biozide noch zu klären ist.

Fotometrische MessungenZiel dieser zerstörungsfreien Prüfung war der Vergleich derFarbwerte des Vor- und Nachzustandes der Textilien zur Be-urteilung des Reinigungseffektes und der Farbstoffstabilität.Um eventuelle Farbveränderungen am Objekt nach der Flüs-sig-CO2-Behandlung beurteilen zu können, wurde ein Spek-tralmessverfahren gewählt, über dessen Normwerte eineeindeutige Charakteri sierung der Farben erfolgt. Zum Ein-satz kam das häufig für die Qualitätssicherung und in derForschung verwendete L*a*b*-Farbsystem (auch CIELAB-System). Als Messgerät stand das Spektralfoto meter CM-2600d zur Verfügung. Die Messung erfolgte nach der CIE-LAB-Norm (CIE 1976) bzw. DIN 5033, T 1.3 und 6174 sowieder Tageslicht-Norm D65. Das im Vorzustand kontaminierteund stark fragile Objekt wurde aus konservatorischen Grün-den nicht zum Ort der Messung transportiert. Deshalb wur-den Proben der vom Original abgenommenen Crêpeline un-

handlung, nur einen geringen Anstieg der Abreicherungs ratevon 1,6–1,7 %. Die stark differierenden Werte für Arsen undQuecksilber lassen leider keine präzisen Schlussfolgerungenbeim Vergleich der Verfahrensvarianten zu.Zur abschließenden Bewertung der Ergebnisse der Reini-gung und Detoxifizierung mit flüssigem CO2 an den Crêpeli-ne-Proben wird der Oeko-Tex® Standard 100 (OEKO-TEX®2009) herangezogen (vgl. Tab. 2). Für Lindan liegt kein Ver-gleichswert vor. Bei PCP wird der Grenzwert von 0,5 mg/kgunterschritten. Der Oeko-Tex® Standard 100 gibt bei neu-wertigen Textilien für DDT und seine Metaboliten einen Wertvom 1,0 mg/kg an. Nach der Trockenreinigung sinkt derDDT-Gehalt lediglich auf 62,7 mg/kg. Dagegen werden nachder Trockenreinigung und anschließenden CO2-Behandlungohne und mit Detergens durchschnittlich 6,35 mg/kg undnach alleiniger CO2-Behandlung mit Detergens 9,3 mgDDT/kg erreicht. Durch die CO2-Behandlung kann demnacheine beträchtliche Annäherung an den Grenzwert im Stan-dard erreicht werden. Eine weitere Reduzierung auf 1,0 mgDDT/kg erscheint aus konservatorischer Sicht nicht sinnvoll,weil eine im Objekt verbleibende geringe Biozidmenge auchkünftig einem Befall durch Schadinsekten vorbeugen soll. Für die Schwermetalle Arsen und Quecksilber ergibt sichnach der Anwendung der einzelnen Verfahren kein einheit-liches Bild. Wahrscheinlich ist die Löslichkeit ihrer Verbin-dungen in flüssigem CO2 gering. Deshalb wird davon ausge-

Tabelle 3Biozidgehalte in mg/kg (ppm) vor und nach Detoxifizierungs-maßnahmen an der Crêpeline vom Wallfahrtsmantel

Summep,p-DDT, o,p-DDT, p,p-DDE, o,p-DDE, p,p-DDD, o,p-DDD

Lindan

Pentachlorphenol

Arsen

Quecksilber

Verfahren zur Detoxifizierung (Probenmaterial: Crêpeline)Biozide

vorhernacher% Reduktion

vorhernacher% Reduktion

vorhernacher% Reduktion

vorhernacher% Veränderung

vorhernacher% Veränderung

Trockenreinigung

178,062,764,8

0,30,1

66,7

< BG< BG

6,07,0

+ 16,7

0,50,1

– 80,0

CO2-Behandlungmit Detergens

178,09,3

94,8

0,3< BG≤ 100

< BG0,1?

6,012,0

+ 100

0,52,0

+ 300,0

Trockenreinigung,CO2-Behandlungohne Detergens

178,06,2

96,5

0,3< BG≤ 100

< BG< BG

6,014,0

+ 133,3

0,50,1

– 80,0

Trockenreinigung,CO2-Behandlungmit Detergens

178,06,5

96,4

0,3< BG≤ 100

< BG< BG

6,04,0

– 33,3

0,50,8

+ 60,0

82 VDR Beiträge 2 | 2011

Beiträge Dekontamination mit flüssigem Kohlendioxid

Wachsflecken, die nach der Flüssig-CO2-Behandlung weißerals vorher erschienen, waren sichtbar verändert. Als Ursa-chen können sowohl ein leichtes An- und Ablösen derWachsschollen vom Gewebe als auch das Herauslösen vonim Wachs eingelagerten Schmutzpartikeln infrage kommen.Diese Beobachtung geht mit der typischen Eigenschaft desflüssigen CO2 als Lösungsmittel für unpolare Stoffe konform.Der Erhalt der Flecken und Gebrauchsspuren wird im vor-liegenden Fall als positiv bewertet, weil dadurch ein wich -tiger Teil der Authentizität des Wallfahrtsmantels als Weihe-gabe erhalten werden konnte.

Resümee zur Dekontamination desWallfahrtsmantels

Das Objekt erfuhr während der gesamten Behandlung eineintensive restauratorische und naturwissenschaftliche Be-treuung. Eine niedrige Arbeitstemperatur zwischen 12 bis 15 °C, der regulierbare Druckauf- und -abbau sowie eine re-duzierte mechanische Beanspruchung kamen den konser-vatorischen Anforderungen entgegen.Mit ausgewählten, speziell auf den Erhaltungszustand diesesKulturgutes abgestimmten, naturwissenschaftlichen Unter-suchungsmethoden wurde der Zustand vor und nach der Behandlung mit flüssigem CO2 erfasst und ein Vergleich vor-genommen. Am Objekt wurden nach der Reinigung und Detoxifizierung keine Veränderungen der Dimension oderein Verschieben der Gewebelagen gegeneinander beobach-tet. Alle Färbungen blieben erhalten. Es kam zu keinen mess -baren Farbveränderungen. Auch Quellprozesse traten wäh -rend der Reinigung nicht auf. Das Objekt war nach kurzer Zeit frei von CO2, weil das Gasnicht dauerhaft im Faserverband gespeichert wird, sondernbei Raumtemperatur und normalem Luftdruck vollständigabdampft bzw. sich verflüchtigt. Die Bildung von Kohlen -säure mit dem im Gewebe vorhandenen Wasser ist dahersehr unwahrscheinlich. Bei der Reinigung des Mantels wurdeauf den Zusatz eines Detergens verzichtet. Somit gelangtendurch die Flüssig- CO2-Behandlung keine weiteren Substan-zen in das Kulturgut. Der Geruch des Objektes nach der Reinigung war neutral. Am Original ließ sich kein deutlicherReinigungseffekt feststellen. Sämtliche Flecken und Ge-brauchsspuren blieben erhalten.Im Verlaufe der Dekontamination sollten die in das Objekteingebrachten Biozide in hohem Maße reduziert werden.Dafür erschien eine Trockenreinigung in Kombination mitFlüssig-CO2-Behandlung erfolgversprechend. Der Nachweisder Wirksamkeit der Maßnahmen erfolgte durch quantitativeAnalyse des Biozidgehaltes an Proben von Seidencrêpeline,welche in Form eines in den 1980er Jahren applizierten Ge-webes zur Notsicherung fragiler Partien am Marienmanteldiente. Bei der Detoxifizierung dieses Materials wurden auf-grund der guten Penetrationsfähigkeit des flüssigen CO2

über wiegend hohe Wirkungsgrade erreicht. So lag die Ab-reicherungsrate für DDT bei durchschnittlich 95,9 %. Mit diesem Ergebnis wurde eine erfolgreiche Reduzierung desDDT-Gehaltes durch flüssiges CO2 demonstriert. Im Ver-gleich dazu wurden bei einer intensiven Trockenreinigungmit Mikrosauger nur 64,8 % des im Gewebe enthaltenen DDTentfernt.

tersucht. Hierbei handelte es sich um ein individuell vonHand eingefärbtes Gewebe. Daher waren leichte Schwan-kungen der Farbigkeit in der Fläche zu berücksichtigen. Diefeine hochtransparente Seide musste mehrfach gefaltetwerden – insgesamt 64 Gewebelagen übereinander – bis dieProben der Norm entsprechend gleich deckend überschwarz und weiß erschienen. Es wurde im SCI-Modus mitGlanzeinschluss gemessen. Der aus sieben Werten im Durchschnitt errechnete Farbab-stand �E*ab betrug 0,79. Ein Farbabstand unter 1 ist mitbloßem Auge nicht wahrnehmbar. Die Varianzen lagen daherim Bereich der zu tolerierenden Messfehler. Somit kam eszu keinen Farbveränderungen im Verlaufe der Dekontami-nation mit flüssigem CO2.

Mikroskopische Untersuchungen an den MetallfädenDurch die mikroskopische Untersuchung von vier verschie-denen, ca. 1 mm langen Proben von Metallfäden aus Mes-sing unter dem Auflichtmikroskop sollten Erkenntnisse zurReaktion von flüssigem Kohlendioxid mit bereits korro -dierten Oberflächen gesammelt werden. Die Beurteilung derMetallfäden erfolgte an jeweils identischen Stellen vor undnach der Flüssig-CO2-Behandlung. Im Blickpunkt standendabei die auf den Metallfäden vorhandenen Korrosionspro-dukte. Für die Untersuchungen wurde das Mikroskop Olym-pus BX 51 eingesetzt.Bei allen Proben waren die Walzspuren von der Herstellungder Metalllahne trotz flächig anhaftender schwärzlicher Kor-rosionsprodukte noch gut zu erkennen. Die originale Ober-fläche schimmerte durch die Korrosionsprodukte partiellgoldfarben hindurch. Beim Vergleich des Zustandes vor undnach der Flüssig-CO2-Behandlung konnten an den Metall -fäden keine Veränderungen festgestellt werden. Es war weder eine Reduktion noch eine Verstärkung der Korrosion erkennbar. Auch der Glanz erschien an nicht korrodierten Stellen unverändert.

Visuelle Beurteilung der Flecken auf dem Gewebe desMantelsDie schriftliche und fotografische Dokumentation vonFlecken und Gebrauchsspuren auf dem Objekt vor und nachder Flüssig-CO2-Behandlung liefert Aussagen hinsichtlichdes Reinigungseffektes und möglicher Farbveränderungen.Im Gegensatz zu den auf das Detail ausgerichteten mikro-skopischen Untersuchungen wird im vorliegenden Fall dasErscheinungsbild des gesamten Objekts einschließlich derFlecken und Gebrauchsspuren bewertet. Bei den Flecken handelte es sich im wesentlichen um Ver-färbungen, die durch eine Kontaktkorrosion zwischen Mes-singfäden und Seidengewebe hervorgerufen wurden.Die Gebrauchsspuren umfassten eine Ränderbildung durchehemaligen Feuchtigkeitseintrag und Bereiche von aufge-tropftem Kerzenwachs. Subjektiv betrachtet wirkte das Ob-jekt nach der Flüssig-CO2-Behandlung weniger verstaubtund zeigte demzufolge einen leicht verstärkten Seidenglanz.Allerdings war ein deutlich sichtbarer Reinigungseffekt bezogen auf das gesamte Stück mit bloßem Auge nicht er-kennbar. Diese Beobachtung deckte sich mit den Ergebnis-sen der fotometrischen Messungen. Die Flecken und Ge-brauchsspuren blieben mit einer leichten Tendenz zur mini-malen Aufhellung weitgehend unverändert. Lediglich die

chanisch belastet wird (vgl. Beitrag von UNGER et al. in die-sem Heft). Während die gewerbliche Reinigung von Alltagstextilien mitflüssigem CO2 in speziellen Maschinen bereits in der Praxisetabliert ist, wurde mit dem Wallfahrtsmantel erstmals einoriginales textiles Kulturgut aus Seide und Metallfäden indieser Weise behandelt. Frühere Experimente bezogen sichauf andere textile Faserstoffe sowie weitere Objekte aus organischen Werkstoffen, die in Versuchsanlagen sowohlflüssigem als auch überkritischem CO2 ausgesetzt wurden.Erst durch die Detoxifizierung des Wallfahrtsmantels mitflüssigem Kohlendioxid, in deren Ergebnis der hohe DDT-Ge-halt beträchtlich reduziert werden konnte, wurde ein wert-volles Objekt aus dem Stift Neuzelle weiteren Restaurie-rungsmaßnahmen zur Substanzsicherung zugänglich. DieDekontaminierung war somit die Voraussetzung für die er-folgreiche Neupräsentation des Objektes. Der restaurierteWallfahrtsmantel nimmt seit Juni 2009 einen zentralen Platzin der Dauerausstellung des Klostermuseums ein (Abb. 8)und bleibt entsprechend seinem kulturhistorischen Wertweiterhin für Gläubige und interessierte Besucher zugäng-lich.

Danksagung

Die Autoren danken der Geschäftsleitung der Firma Clea-ning Enterprises GmbH, München für ihre Bereitschaft zurDurchführung von Testversuchen und zur Behandlung desWallfahrtsmantels in ihren Textilreinigungsmaschinen. FrauDr. Nicola Heiland und Herr Stephan Heuse haben als Mit-arbeiter der Firma unsere Untersuchungen mit großem In-teresse begleitet und durch ihre wertvollen Ideen bereichert,wofür wir ihnen sehr dankbar sind.Dank gebührt ebenso Herrn Heino Handelmann von der Firma Twist Berlin, der für die fotografische Dokumentationdes Reinigungsprozesses mit flüssigem Kohlendioxid ver-antwortlich zeichnete, und Herrn Dr. Dieter Köcher von derSkulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, indessen Händen die Farbwertmessungen und spezielle mikro -skopische Untersuchungen lagen. Dass der Wallfahrtsmantel im Rahmen seiner Restaurierungüberhaupt dekontaminiert werden konnte, ist ein wesent -liches Verdienst von Herrn Walter Ederer und Herrn NorbertKannowsky von der Stiftung Stift Neuzelle sowie von PfarrerAnsgar Florian von der katholischen Kirchengemeinde Neu-zelle.

Dipl.-Rest. Anke Grit Weidner M.A.Weidner Zimmermann GbRTwist Textil- und LederrestaurierungBötzowstraße 3510407 Berlin

Prof. Dr. Achim UngerFachhochschule PotsdamFachbereich Architektur & StädtebauStudiengang RestaurierungPappelallee 8–914469 Potsdam

832 | 2011 VDR Beiträge

BeiträgeDekontamination mit flüssigem Kohlendioxid

Lindan und PCP lassen aufgrund der niedrigen Ausgangs-werte und ihrer ungleichmäßigen Verteilung im Material kei-ne eindeutigen Tendenzen in Bezug auf ihre Abreicherung er-kennen. Ein völlig uneinheitliches Bild zeigen die Ergebnisse zu denSchwermetallverbindungen. Bei Arsen und Quecksilberkommt es sowohl zu einer Zunahme als auch einer Abnah-me des Gehaltes. Unabhängig von einer ungleichmäßigenVerteilung der schwermetallhaltigen Partikel und Fehlernbei der Analyse ist jedoch ersichtlich, dass diese Biozide un-ter den gewählten Prozessbedingungen nicht zuverlässigentfernt werden. Insgesamt betrachtet, besteht sowohl fürdie Detoxifizierung Lindan- und PCP-belasteter als auch mitSchwermetallverbindungen kontaminierter Kulturgüter mitflüssigem CO2 weiterhin die Notwendigkeit, wirksame undobjektverträgliche Prozessparameter zu erarbeiten. Hinzukommt, dass der Einsatz einer Reinigungsanlage mit Trom-melprinzip trotz Minimierung der mechanischen Beanspru-chung während des Prozesses kritisch zu betrachten ist.Deutlich besser sind hier Anlagen, bei denen das zu behan-delnde Objekt ruht und durch das flüssige CO2 nur wenig me-

8Wallfahrtsmantel in der Dauer -ausstellung des Klostermuseumsim Stift Neuzelle

Anmerkungen

1 Verweis auf die unveröffentlichte Pfarrchronik von Neuzelle im Archiv des Bistums Görlitz2 Unveröffentlichter Bericht im Archiv des Bistums Görlitz: Die Geschichte des Mantels Unserer Lieben Frau von Neuzelle, S. 1 3 Gewebeanalyse des Stickgrundes: Köper 1/3, Z-Grat. Kette – Seide,beigefarben, s-gedreht, 54 F/cm. Schuss – Seide, elfenbeinfarben,s-gedreht, 24 F/cm4 Umlaufender Wortlaut der Stickerei: MARIA + MUTTER + FRIEDENS-HORT + WIR + KOMMEN + IN + BEDRÄNGTEN + TAGEN + UND/ + ANNO+ DOMINI + 1949 + (rechte Seite); BITTEN + DICH + EIN + MUTTERWORT+ FÜR + UNS + BEI + DEINEM + SOHN + ZU + SAGEN + / DIE JUGENDDER DIÖZESE (linke Seite)5 Unveröffentlichter Bericht im Archiv des Bistums Görlitz: Die Geschichte des Mantels Unserer Lieben Frau von Neuzelle, S. 26 Presseinformation der Forschungsstelle Textilreinigung an den Hohensteiner Instituten in Bönningheim vom 30.05.2000. Online unter(Stand 20.12.2008): <http://www.hohenstein.de/ximages/4283.pdf>7 Ibidem8 Fred Butler® 2009 a. Fred Butler®: Wer ist Fred Butler®? In: Websitevon Fred Butler®. Online unter (Stand 20.01.2009): <http://www.fred-butler.com/?show=subFolder&FolderID=194&SubFolder ID=282&CMS-LanguageID=14>9 Fred Butler® 2009 b. Fred Butler®: So funktioniert der Fred Butler®-CO2-Reinigungsprozess. In: Website von Fred Butler®. Online unter (Stand20.01. 2009): <http://www.fredbutler. com/?show=subFolder&Folder -ID=194&SubFolderID=201&CMSLanguageID=14>.10 Untersuchung durch ALAB GmbH. Analyse Labor in Berlin, Wilsnacker Straße 15, 10559 Berlin11 Ibidem

Literatur

Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF), AGÖF-Orientierungswerte für mittel- und schwerflüchtige organische Ver-bindungen und Schwermetalle im Hausstaub. Stand Frühjahr 2004;Online unter (Stand 28.12.2008): <http.//www.agoef.de/agoef/oewerte/orientierngswerte_staub.html#6>

Internationale Gemeinschaft für Forschung und Prüfung auf dem Gebietder Textilökologie (Oeko-Tex®): Oeko-Tex® Standard 100, Ausgabe01/2009, Zürich 2009

Petra Kress, Entfernung von Pestizidrückständen aus historischen Textilienmit überkritischem CO2 – Erarbeitung einer Projektskizze anhandder textilen Sammlungsbestände des Germanischen Nationalmu-seums Nürnberg. Diplomarbeit, Fachhochschule Köln, FachbereichRestaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut, 2000

Micaela Sousa, Maria João Melo, Ana Aguiar-Ricardo, Paula Cruz, A GreenApproach to Antique Textile Cleaning. In: ICOM Committee for Conservation, 14th Triennial Meeting, The Hague 12.–16. September2005. Preprints Vol. II, 944–953

Helene Tello, Achim Unger, F. Gockel, Erich Jelen, Decontamination ofEthnological Objects with Supercritical Carbon Dioxide. In: ICOMCommittee for Conservation, 14th Triennial Meeting, The Hague,12.– 16. September 2005, Preprints Vol. I, 110–119

Achim Unger, Helene Tello, Sørrn Lindex, Bernhard Trommer, StefanieBehrendt, „Grüne Chemie“ hält Einzug in die Restaurierung. Versu-che zur Reinigung, Entfettung und Dekontamination von Kunst- undKulturgut mit flüssigem Kohlendioxid. In: Restauro 112(6), 384–394

Arnulf von Ulmann, Entfernung von Pestizidrückständen aus Textilien mitbesonderer Berücksichtigung ausgewählter Beispiele aus dem wert-vollen Bestand des Germanischen Nationalmuseums/Nürnbergdurch überkritisches CO2. Unveröffentlichter Abschlussbericht zumProjekt, gefördert unter AZ 17159 von der Deutschen BundesstiftungUmwelt. Nürnberg 2002

Anke Grit Weidner, Ansatz zur Dekontamination von Kulturgut – Versuchemit flüssigem Kohlendioxid am Marienmantel aus dem Stift Neuzelle.Masterarbeit, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Fach -bereich Schutz Europäischer Kulturgüter, 2009

Abbildungsnachweis

Abb. 1: Historische Postkarte, VEB Volkskunstverlag Reichenbach, Best.-Nr. 5/569 KAbb. 2–8: Anke Weidner

Dekontamination mit flüssigem KohlendioxidBeiträge

VDR Beiträge 2 | 201184