Veränderungen von Tryptophan-Synthase-, Indol-3-essigsäure-Oxidase- und Peroxidase-Aktivität im...
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Fachbereich Biologie-Botanik der J.-W.-Goethe-Universitat Frankfurt, Frankfurt/M., Bundesrepublik Deutschland
Vedinderungen von Tryptophan-Synthase-, Indol-3-essigsaureOxidase- und Peroxidase-Aktivitat im Verlauf der Entwicklung von M archantia polymorpha L.
Variations of Tryptophan Synthase, Indoleacetic Acid Oxidase, and Peroxidase Activity during the Development of the Liverwort Marchantia polymorpha L.
WILLY HILGENBERG, GABRIELE BAUMANN und RENATE KNAB
Mit 5 Abbildungen
Eingegangen am 16. September 1977 . Angenommen am 19. November 1977
Summary
Tryptophan synthase, indole-3-acetic acid oxidase and peroxidase activity could be detected and partly characterised in Marchantia polymorpha.
Maximum activity of tryptophan synthase was achieved at pH 7.8 with a protein fraction precipitated between 0-35 Ofo ammonium sulfate. Km for L-serine was 3.2 mM.
By extraction at various pH-values and by different concentrations of ammonium sulfate we achieved partial fractionation of indole-3-acetic acid oxidase (pH 6.3/35-65 %(NH4)2S04) and peroxidase (pH 7.0/35-70%(NH4)tS04)'
The role of the enzymes in controlling the development of the liverwort is discussed on the basis of their different distribution in the thallus with and without gemma receptacles and the erected fertile branches (anthcridiophores and archegoniophores).
Key words: Marchantia polymorpha, development, tryptophan synthase, indole-3-acetic acid oxidase, peroxidase.
Einleitung
Die ersten Arbeiten tiber den Einflug von Wuchsstoffen bei dem Lebermoos Marchantia polymorpha wurden von FITTING (1936, 1939), HALBSGUTH (1953) und HALBSGUTH und KOHLENBACH (1953) durchgeftihrt. KOHLENBACH (1957) vermutete die Existenz eines Marchantia eigenen Wuchsstoffes. LOBENBERG (1959) extrahierte aus Marchantia neben Indol-3-essigsaure (IES) eine Anzahl anderer, nicht identifi-
Herrn Prof. Dr. WILHELM HALlISGUTH Zllm 65. Gebllrtstag gewidmet.
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zierter Indolsubstanzen. Die Rolle der IES in bezug auf Apikaldominanz (DAVIDONIS und MUNROE, 1972; BINNS und MARAVOLO, 1972), Keimlingsentwicklung (MARAVOLO und VOTH, 1966), Rhizoidbildung (HALBSGUTH und OTTO, 1976) und Orthogeotropismus (KOHLENBACH, 1957) wurde bei dies em Lebermoos ebenfalls untersucht.
Als Ausgangssubstanz fur die IES-Biosynthese in Pflanzen dient nach derzeitiger Erkenntnis immer Tryptophan (WIGHTMAN et aI., 1947; SCHNEIDER et a!., 1972). Die Synthese des Tryptophans selbst erfolgt, ausgehend von der Anthranilsaure, uber verschiedene Zwischenstufen. Die Tryptophansynthase ist nur fur den Schritt Indol-3-glycerinphosphat (InGP) zu Tryptophan (Schema nach BONNER et a!., 1960) verantwortlich.
Anthranilsdure I I
'- 3 Indolglycenn- - phosphat
uH Indol
+ Glyceri naldehyd - 3- phosphat
+ Serin Tryptophan +
IIJ Glyceri naldehyd- 3-phosphat
Wie aus dem Schema e~sichtlich, katalysiert dieses Enzym dabei 3 Reaktionen (CRAWFORD und YANOFSKY, 1958; YANOFSKY, 1960), wobei Reaktion I als Summe der Reaktionen II und III aufgefafh werden kann.
Wenn aber Tryptophan Ausgangssubstanz des Auxinstoffwechsels ist, dann sol1-ten Veranderungen zu dem Zeitpunkt in der Enzymaktivitat der Tryptophan-Synthase nachweisbar werden, bei dem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erhohter Bedarf an IES bei der Entwicklung und Differenzierung der Pflanze auftritt. Xhnliche Aktivitatsanderungen wie bei dem Enzym, das den Ausgangsstoff flir die IES-Biosynthese liefert, soli ten auf dieser Entwicklungsstufe des Lebermooses auch bei dem Enzymsystem me~bar werden, das einen Abbau der Indol-3-essigsaure katalysiert. SPAETH und MARAVOLO (1973) wiesen die Existenz eines Enzym-Systems mit IES degradierender Wirkung bei Marchantia polymorpha nach, ohne dabei eine Trennung von IES-Oxidase- und Peroxidaseaktivitat durchfuhren zu konnen. 1m Thallus des Lebermooses wurden damit bereits beide Aktivitaten nebeneinander nachgewiesen, ohne da~ nach diesen Untersuchungen uber die spezifische Ausbildung von IESOxidasen in Abhangigkeit von der Entwicklung eine Aussage moglich war.
In dieser Arbeit soli daher eine quantitative Bestimmung von Tryptophan-Synthase, IES-Oxidase und Peroxidase in verschiedenen Entwicklungsstadien von' Marchantia durchgefuhrt werden.
Material und Methoden
Als Untersuchungsmaterial wurden Thalli mit und ohne Brutbecher, Antheridien- und Archegonien-Stande von Marchantia polymorpha verwendet. Die Marchantien wurden im Botanischen Garten in Erdkasten und im Moosgewachshaus kultiviert. 1m Gewachshaus
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wurden die Pflanzen unter normalen Tageslichtverhaltnissen in Schalen auf einer speziellen Mischung von Garten- und Komposterde mit Sand und Torf herangezogen.
Ein Teil der Untersuchungen wurde mit Frischmaterial, ein anderer mit Trockenmaterial durchgefiihrt. Dabei wurden die Thalli von anhaftendem Substrat und den Rhizoiden befreit bzw. die Archegonien- und Antheridienstande direkt am Thallus abgetrennt und anschlieEend mit aqua dest. gewaschen. 2ur Gewinnung von Trockenmaterial wurden Thalli bzw. Srande mit fliissiger Luft eingcfroren und gefriergetrocknet, anschlieEend in einer Kugelmiihle (Teflonbehalter mit Korundkugeln) unter CO2-Kiihlung zerkleinert.
Bei der Extraktherstellung aus Frischmaterial muEte der hohe Wassergehalt von Marchantia beriicksichtigt werden, der nach eigenen orientierenden Bestimmungen 90 0/0
bet rug.
H erstellung der Extrakte
a) Zur Bestimmung der Tryptophan-Synthase-Aktivitat:
Zu 1 g Trockenmaterial wurden 1 g PVP und 20 ml Extraktionspuffer gegeben (Extraktionspuffer: 0,1 M Na-K-Phosphatpuffer pH 7,8, der mit 30 Ofo Glycerinlosung hergestellt wurde und Pyridoxal phosphat (PALP) sowie Glutathion in der Endkonzentration von 40,uM bzw. 1 mM enthielt (HILGENBERG und HOFMANN, 1977).
b) Zur Bestimmung der Peroxidase-Aktivitat:
10 g Frischgewicht wurden mit 21 ml 0,1 M Na-K-Phosphatpuffer pH 7,0 iibergossen und 2 g PVP zugegeben und das Gemisch im Ultraturrax mit Eiskiihlung homogenisiert. Nach 3 Stun den Riihren der Kulturen filtriert man durch 2 Lagen «cheese cloth» und zentrifugiert 20 Minutcn bei 20000 g. (Gefriergetrocknetes Pflanzenmaterial; Mengenverandcrung: 4 g PVP und 80 ml Puffer.) Es schlieEt sich eine Ammoniumsulfatfallung von 0-35 Ofo an. Nach Zentrifugation (20000 g) und Verwerfen des Proteinniederschlags sowie einer erneuten Ammoniumsulfatfallung im Oberst and (35-70010), wurden die nach Zentri-fugation bei 20 000 g crhaltenen Proteine verwendet.
c) Zur Bestimmung der IES-Oxidase-Aktivitat:
Das Verfahren wurde wie unter b beschrieben durchgefiihrt mit der Knderung, daB ein 0,1 M Na-K-Phosphatpuffer pH 6,3 verwendct und bei der 2. Ammoniumsulfatfallung eine 65010 Sattigung durchgefiihrt wurde (SPAETH und MARAVOLO, 1973).
Die Zugabe von Polyclar (Polyvinylpyrrolidon = PVP) zur Bindung von Phenolen war in allen Fallen unerlaBlich.
Alle Extraktionsvorgange wurdcn im Kiihlraum bei 2-4 °C durchgefiihrt. Aufbewahrung der Extrakte im Tiefgefrierschrank (-24°C) hatte bei allen untersuch
ten Enzymen einen Aktivitatsverlust zur Folge.
Messung der Enzymaktivitaten
a) Die Aktivitat der Tryptophansynthase wurde bestimmt durch eine spektralphotometrische Messung der Indolabnahme im Reaktionsgemisch nach YANOFSKY (1955), Kthanol wurde in diesem Verfahren durch Isopropanol ersetzt.
b) Die Peroxidase-Aktivitats-Bestimmung erfolgte spektrophotometrisch nach BERGMEYER (1974).
c) Die Enzymaktivitat der IES-Oxidase bestimmten wir mit Salkowskis Reagenz in der modifizierten Form nach NANDA et al. (1973).
Zur Proteinbestimmung diente die Methode nach LOWRY et al. (1951).
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Ergebnisse
a) Bestimmung der Tryptophan-Synthase-Aktivitat
Zur optimalen Bestimmung der Try-Syn-Aktivitat wurden verschiedene Reinigungs- und Anreicherungsmethoden durchgefiihrt: - Dialyse gegen verschiedene Puffer - Entsalzung des ammoniumsulfatgefallten Extraktes mit Sephadex-G-25-Saule
(2 X 2 em) Reinigung des Rohextraktes mit Sephadex-G-25-Saule (2 X 40 em)
- Erhohung des pH-Wertes im Extraktionspuffer und im Test - Saureprazipitation des Rohextraktes mit 1 N Essigsaure - 1,50/oige Protaminsulfatfallung mit ansehlieBender 350/oiger Ammoniumsulfatfal-
lung. In allen Fallen zeigte sich eine Abnahme der spezifischen Tryptophansynthase
Aktivitat. Eine Anreicherung wurde dagegen mit einer Ammoniumsulfatfallung erhalten. Das Ergebnis ist in Abb. 1 dargestellt.
Wie aus Abb. 1 zu ersehen ist, erzielte eine fraktionierte Ammoniumsulfatfallung bis 35 Ufo eine optimale Anreicherung.
=> ..3- 600
Ammoniumsulfotsrittigung (%)
Fig. 1: Fractionated ammonium sulfate precIpitation of tryptophan synthase from Marchantia thallus. Specific tryptophan synthase activity in microunits dependent on ammonium sulfate concentration.
Die Aktivitatsdauer der Tryptophan-Synthase wurde an Hand der Proportional itat des Indolumsatzes zur Inkubationszeit untersucht.
Die Versuchsdauer betrug 16 Stunden. Der Substratumsatz verlief iiber 8-10 Stunden linear.
Die vergleichenden Bestimmungen der Tryptophansynthase-Aktivitat in Thalli mit und ohne Brutbecher sowie Standen wurden mit Rohextrakt und fraktionierten AmmoniumsulfatWlungen (0-10 und 10-35 Ufo) durchgefiihrt. In Abb. 3 sind die Tryptophansynthase-Aktivitaten der verschiedenen Untersuchungsobjekte (jeweils die 10-35 Ufo Ammoniumsulfatfraktion) dargestellt.
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Veranderungen von Enzymaktivitaten bei M archantia 107
Fig. 2: Indole turnover (nmol/ mg protein) of M archantia thallus extract after ammonium sulfate precipitation (0-35 %) dependent on time of incubation.
"0 E
" " "0;
o
20
Q:: 10 Ol E
" N
C VI E " "0 "0
.f
Fig. 3: Specific tryptophan synthase activIty (u U) after ammonium sulfate precipitation (10-35 %) in Marchantia extracts: I Thallus with gemma receptacles, II Thallus without gemma receptacles, III Erected fertile branches (antheridiophores and archcgoniophores). Mean values of not less than 5 independent tests ± SE are given.
o
N .. a.
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/ o
8 Zeit I h)
12 16
II III
Abb. 3 verdeutlicht die Unterschiede in der spezifischen Aktivitat bei Thalli und Sexualstanden. Es zeigt sich, daB die spezifische Try-Syn-Aktivitat in Thalli mit Brutbechern am groBten war. In den Thalli ohne Brutbecher sowie in Antheridienund Archegonien-Standen war die spezifische Try-Syn-Aktivitat deutlich geringer.
Die recovery-Berechnung und die verschiedenen Fallungen zeigen hier die Bedeutung der Ammoniumsulfatfallung als Anreicherungsmethode und die Nichtkorrelation zwischen Volumenaktivitat (mU/ml) und spezifischer Aktivitat (mU/mg Protein).
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Die Bestimmung der Michaelis-Menten-Konstante fur L-Serin wurde in Extrakten nach Ammoniumsulfatfallung und Sephadex-G-25-Entsalzung, Ammoniumsulfat gefallt und in 50 mM Na-K-Phosphatpuffer pH 7,8 gelostem Protein aus dem Rohextrakt bestimmt. Aus der Darstellung nach LINEWEAVER-BuRK ergibt sich ein Wert von 3,2 ± 0,2 mM.
b) Die Bestimmung der Peroxidase-Aktivitiit
Die Enzymbestimmung erfolgte mit einem spezifischen Enzymtest ebenfalls in Thalli mit und ohne Brutbecher sowie in Antheridien- und Archegonien-Standen. Durchgefuhrt wurde in allen Fallen eine Ammoniumsulfatfallung von 35-70 % und eine anschlieBende lstundige Dialyse. In Abb. 4 sind die Ergebnisse dargestellt, die mit dem Benzidin-Guajakol-System fur Peroxidase erhalten wurden.
300
~ 200 :~ :i " .. '" " "0
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& " .. c. Vl
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II III
Fig. 4: Specific peroxidase activity (mU) after ammonium sulfate precIpitation (35-70 0/0) in Marchantia extracts: I Thallus with gemma receptacles, II Thallus without gemma receptacles, III Erected fertile branches (antheridiophores and archegoniophores). Mean values of not less than 5 independent tests ± SE are given.
Aus der Abb. 4 geht hervor, daB Thalli ohne Brutbecher die hochste PeroxidaseAktivitat besitzen. Insgesamt ist die Aktivitat im Thallusmaterial deutlich hoher als in den Sporangiophoren- und Antheridienstanden.
N .. c.
Vl n II III
Fig. 5: Specific indoleacetic acid oxidase activity (mU) after ammonium sulfate precIpitation (35-65 Ofo) in Marchantia extracts: I Thallus with gemma receptacles, II Thallus without gemma receptacles, III Erected fertile branches (antheridiophores and archegoniophores). Mean values of not less than 5 independent tests ± SE are given.
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c) Die Bestimmung der IES-Oxidase-Aktivitat
Sie wurde in Thalli mit und ohne Brutbecher und in Antheridien- und ArchegonienStanden in der Proteinfraktion (35-70 % Ammoniumsulfatfallung/3 Stunden Dialyse) durchgefuhrt. In Abb. 5 sind die Enzym-Aktivitaten dieser Proteinfraktionen dargestellt.
Aus der Abb. 5 geht hervor, daB die IES-Oxidase-Aktivitat in den Antheridien
und Archegonien-Standen deutlich hoher war als in dem Thallusmaterial. Die Thalli mit Brutbecher zeigen aber noch eine deutlich hohere IES-Oxidase-Aktivitat als die Thallusabschnitte ohne Brutbecher.
Diskussion
Tryptophan dient als Proteinbaustein fur Strukturproteine und viele Enzyme. Da··
neben ist es die Vorstufe fur Nicotinsaure und IES. Die Tryptophansynthase wurde bisher in Bakterien (E. coli: HATANAKA et al., 1962), Pilzen (Neurospora: YANOFSKY, 1955; DE Moss und BONNER, 1959; Claviceps: SCHMAUDER et al., 1974; Phycomyces: HILGENBERG und HOFMANN, 1977) und in hoheren Pflanzen (Nicotiana: DELMER
und MILLS, 1968; Pisum: CHEN und BOLL, 1972; N AGO und MOORE, 1972) untersucht.
Vergleicht man die in der Literatur fur die verschiedenen Objekte beschriebenen pH Optima, die Km-Werte fur Serin, die fur die Fallung verwendeten Ammoniumsulfat-Konzentrationen, die bei der Extraktion notwendigen Schutzfaktoren und die Angaben uber die Stabilitat mit den fur Marchantia ermittelten Werten, so wurde
die Tryptophansynthase des Lebermooses auf Grund ihrer chemischen Eigenschaften teilweise zwischen der aus Bakterien und hoheren Pflanzen einerseits und der aus Pilzen andererseits stehen, aber doch teilweise starker zu der aus hoheren Pflanzen erhaltenen tendieren.
Wie in den Ergebnissen aufgezeigt, ist die spezifische Try-Syn-Aktivitat in Thalli hoher als in den Sexualstanden, in den Thalli mit Brutbecher am hochsten. Dies legt die Vermutung nahe, daB Tryptophan in den Thalli gebildet und in den Vegetationspunkten, den Anlagestellen der Stande, zu IES metabolisiert wird. Die Bildung der Archegonien- wie auch der Antheridienstande geht mit erheblichen morphologischen Veranderungen des Thallus einher. Aus dem flachigen Thallus wird ein stengelartiges Gebilde, das sich durch ein starkes Streckungswachstum auszeichnet. Dies setzt mit Sicherheit hohe Wuchsstoffkonzentrationen, speziell der IES, voraus. Das vermehrte Auftreten der Tryptophansynthase im Thallus erscheint sinnvoll, da hier
die Bildung der Ausgangssubstanz Tryptophan fur die IES-Biosynthese erfolgen sollteo Eine Metabolisierung konnte etwa in den Scheitelzellen erfolgen und somit zu
den fur das Langenwachstum notigen IES-Konzentrationen fuhren. Eine Aktivierung von Wuchsstoff im Vegetationspunkt wurde die Ergebnisse von DAVIDONIS und MUNROE (1972) und MARAVOl.O (1976) im Hinblick auf die Apikaldominanz stut-
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zen. Auch fur die Anlage von Brutbechern und die Bildung von Brutkorpern ist zur Induktion der Teilungen mit Sicherheit eine erhohte Wuchsstoffkonzentration Voraussetzung. Auf diese Weise laBt sich die erhohte Tryptophansynthase-Aktivitat im Thallusmaterial erklaren.
Bei den Standen selbst braucht die Try-Sase nicht mehr vorhanden zu sein, denn das gebildete Tryptophan im Thallus liefert die Voraussetzung fur die fur das Wachstum und die Entwicklung von Marchantia notwendigen hohen Konzentrationen aktiven Wuchsstoffs.
Die Verteilung der IES-Oxidasen mit ihrer gesteigerten Aktivitat in den Standen unterstutzt diese Vorstellungen, da der Organismus uber eine Regulationsmoglichkeit fur diese postulierten hohen Wuchsstoffkonzentrationen verfugen sollte. Auch die erhohte IES-Oxidase-Aktivitat im Thallus mit gegenuber dem Thallus ohne Brutbecher ist mit diesen Vorstellungen in Einklang zu bringen.
Selbst das Auftreten der unterschiedlichen Peroxidase-Aktivitat in Standen und Thallus laBt sich sinnvoll deuten. Sie ist in den Antheridien- und Archegonien-Standen niedriger als in den Thalli. Die physiologische Funktion der Peroxidasen (POD) beruht wahrscheinlich darauf, daB sie die im Zellstoffwechsel entstehenden toxischen Zwischenprodukte, vor allem das Superoxid-Ion und Wasserstoffperoxid zerstoren. Die Wirksamkeit der POD in Verbindung mit Katalasen hangt im Zellmilieu von den Konzentrationen an H 20 2 und oxidierbarer Verbindungen abo Auch bei der Bildung und Inaktivierung von sekundaren Pflanzenstoffen wie Phenolen sind POD beteiligt. Es ist zu vermuten, daB bei Marchantia die IES durch IES-Oxidasen und POD abgebaut wird, der hohere POD-Gehalt in den Thalli konnte darauf zuruckzufuhren sein, daB die POD nach Ende der Wachstumsphase zusatzlich fur anabolische, aber hauptsachlich katabolische Ablaufe im Zellgeschehen verantwortlich sind.
Ob bei Marchantia IES-Oxidase und -Peroxidase zwei verschiedene Enzymsysteme oder Isoenzyme darstellen, kann hier noch nicht entschieden werden. Die unterschiedliche Verteilung der beiden Enzymaktivitaten in den Proteinfraktionen nach der Fallung bei unterschiedlichen pH-Wert en und Ammoniumsulfatkonzentrationen laBt auf zwei verschiedene Enzyme schlieBen, die jedoch in ihrer Funktion voneinander abhangig sein konnten. Dies wurde die Theorie von SEQUEIRA und MINEO (1966) stutzen. Danach kann man in Tabakwurzeln eine spezifische IES-Oxidase annehmen die primar fur die Oxidation von IES verantwortlich ist, fur ihre Funktion jedoch andere Cofaktoren benotigt als Peroxidasen. Da es schwierig ist, Peroxidasen und IES-Oxidasen voneinander zu trennen, vermuten SEQUEIRA und MINEO, daB die beiden Enzyme eng miteinander verbunden sind. Fur eine solch enge Verbindung sprechen auch die Ergebnisse bei Marchantia bei der die basalen Thallusabschnitte (ohne Brutbecher) eine sehr hohe Peroxidase- bei geringer IES-Oxidase-Aktivitat be£itzen, wahrend das Verhaltnis in den fertilen Abschnitten genau umgekehrt ist.
Grundsatzlich sind die physiologischen Vorgange in allen Organismen einem FlieBgleichgewicht unterworfen, in dem zusatzlich zum Stoff- und Energiewechsel fortwahrend Zellen regeneriert und durch neue ersetzt werden mussen. In diesem
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Verandcrungen von Enzymaktivitaten bei Marchantia 111
Zusammenhang konnte man vermuten, daB die in Marchantia polymorpha nachgewiesenen Enzyme: Tryptophan-Synthase, rES-Oxidase und Peroxidase bei der Regulation der Entwicklung des Lebermooses tiber den endogenen Wuchsstoffspiegel eine entscheidende Rolle spielen.
Fiir die Anzucht der Pflanzen im Botanischen Garten sind wir Herrn HEINRICH HURLlMANN zu besonderem Dank verpflichtet.
Der HEINZ THOMAE GmbH danken wir fiir die Unterstiitzung der Arbeit durch eine Sachbeihilfe.
Literatur
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Prof. W. HILGENBERG, Fachbereich Biologie-Botanik, Siesmayerstr. 70, D-6000 Frankfurt.
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