Verbraucherschutz bei Verbraucherverträgen und besonderen ... · (AGV),§ 312b BGB. Die neue...

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Zivilrecht Schuldrecht AT © Dr. W. Nolden 1 Verbraucherschutz bei Verbraucherverträgen und besonderen Betriebsformen Neuregelung des Rechts bei besonderen Betriebsformen (insb. Einzelheiten des Haustürgeschäfts (nunmehr „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge - AGV-“), des Fernabsatzvertrages, einzelne Dokumentations- und Informationspflichten und die Einzelheiten des Widerrufsrechtes -insbesondere die Widerrufsfolgen) durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (VRRLUmsG) zum 14. Juni 2014. 1 §§ 312 - § 312a BGB: I. Anwendungsbereich und II. Allgemeine Grundsätze bei Verbraucherverträgen I. Anwendungsbereich Prüfschema für den Anwendungsbereichs desRechts des „AGV“ und Fernabsatzverträge: I. Verbraucherverträge II. Entgeltliche Leistung III. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit 1. Verbraucherverträge, § 310 I BGB § 310 BGB: Vertrag (Wirksamkeit ist nicht Voraussetzung 2 ) zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB). a) Verbraucher, § 13 BGB: Problem: bei Zweifeln über die objektive Bedeutung des Handelns 3 b) Unternehmer, § 14 BGB: - auch wenn das Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (Existenzgründung) geschlossen wird. 4 - auch wenn Unternehmer ein branchenfremdes Nebengeschäft tätigt, (z.B. Druckereiinhaber verkauft seinen alten Firmenwagen) 2. Entgeltliche Leistung als Gegenstand, § 310 I BGB Weite Auslegung: z.B. Kauf, Werkvertrag, Miete, Bürgschaft, Hingabe personenbezogener Daten 3. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit, § 312 Abs. 2-6 BGB 1 Es handelt sich um eine Umsetzung der aus der Zusammenführung und Überarbeitung der Haustürgeschäfterichtlinie und der Fernabsatzrichtlinie entstandenen EU-Richtlinie. Dies führt zu einer sog. „Vollharmonisierung“: Es wird nicht nur ein Mindestverbraucher schutzniveau sichergestellt, sondern auch ein einheitliches Niveau. 2 BGH NRÜ 3/2010 S. 97 ff. 3 Beck RS 2009, 86675 = NRÜ 1/2010 S. 1ff. 4 BGH Z 162, 253.

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Verbraucherschutz bei Verbraucherverträgen und

besonderen Betriebsformen

Neuregelung des Rechts bei besonderen Betriebsformen (insb. Einzelheiten des Haustürgeschäfts (nunmehr „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge - AGV-“), des Fernabsatzvertrages, einzelne Dokumentations- und Informationspflichten und die Einzelheiten des Widerrufsrechtes -insbesondere die Widerrufsfolgen) durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (VRRLUmsG) zum 14. Juni 2014.1

§§ 312 - § 312a BGB: I. Anwendungsbereich und

II. Allgemeine Grundsätze bei Verbraucherverträgen

I. Anwendungsbereich

Prüfschema für den Anwendungsbereichs desRechts des „AGV“ und Fernabsatzverträge:

I. Verbraucherverträge

II. Entgeltliche Leistung

III. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit

1. Verbraucherverträge, § 310 I BGB § 310 BGB: Vertrag (Wirksamkeit ist nicht Voraussetzung

2) zwischen einem Verbraucher (§ 13 BGB) und einem

Unternehmer (§ 14 BGB). a) Verbraucher, § 13 BGB: Problem: bei Zweifeln über die objektive Bedeutung des Handelns

3

b) Unternehmer, § 14 BGB: - auch wenn das Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (Existenzgründung) geschlossen wird.

4

- auch wenn Unternehmer ein branchenfremdes Nebengeschäft tätigt, (z.B. Druckereiinhaber verkauft seinen alten Firmenwagen)

2. Entgeltliche Leistung als Gegenstand, § 310 I BGB Weite Auslegung: z.B. Kauf, Werkvertrag, Miete, Bürgschaft, Hingabe personenbezogener Daten

3. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit, § 312 Abs. 2-6 BGB

1 Es handelt sich um eine Umsetzung der aus der Zusammenführung und Überarbeitung der

Haustürgeschäfterichtlinie und der Fernabsatzrichtlinie entstandenen EU-Richtlinie. Dies führt zu einer sog. „Vollharmonisierung“: Es wird nicht nur ein Mindestverbraucherschutzniveau sichergestellt, sondern auch ein einheitliches Niveau. 2 BGH NRÜ 3/2010 S. 97 ff.

3 Beck RS 2009, 86675 = NRÜ 1/2010 S. 1ff.

4 BGH Z 162, 253.

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II. Allgemeines Grundsätze, § 312a BGB: Allgemeine Pflichten, Grundsätze, Grenzen für die Vereinbarung von Entgelten: Die allgemein Verbraucherschützende Regelungen der § 312a I. III. VI BGB gelten auch für Verträge, die vom Anwendungsbereich des Rechts der AGV und Fernabsatzverträge ausgenommenen sind!

§ 312 a I BGB

Informationspflichten bei telefonischer Kontaktaufnahme

Pflicht zur Offenlegung des geschäftlichen Zwecks und der Identität des Unternehmens bei Telefonanrufen (§ 312a Abs. 1 BGB ). Diese Norm schafft keine Rechtsgrundlage für Anrufe.

§ 312 a II 1BGB

Informationspflicht für den stationären Handel

Vorvertragliche Informationspflichten, Art. 246 EGBGB. Beachte Art. 246 II EGBGB. Pflicht besteht nicht, - wenn sich diese Informationen schon aus den Umständen ergibt. - wenn Geschäft des täglichen Lebens, das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sofort erfüllt wird.

§ 312 a IIII – V BGB

Grenzen der Vereinbarungen von Entgelten (Schutz vor ungewollten Zusatzkosten)

§ 312a III BGB: Ausdrückliche Vereinbarung zur Wirksamkeit einer entgeltlichen Nebenleistung z.B. Unternehmer bestellt mittels Internet zwei Konzertkarten zum Preis von 100,00 € und durch eine Voreinstellung des Unternehmers wird auch eine Rücktrittsversicherung zum Preis von 15,00 € abgeschlossen, so ist Vertrag über die Konzertkarten, nicht aber über die Rücktrittsversicherung zustande gekommen. § 312a IV BGB: Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung eines Entgeltes für die Nutzung von Zahlungsmitteln, wenn nicht eine unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht

§ 312a V BGB: Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung eines gesonderten Entgeltes für die Beantwortung von Fragen oder Erklärungen zum Vertrag

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§ 312b - § 312h BGB:Sonderregeln für I. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (AGV) und

II. Fernabsatzverträgen

I. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (AGV), 312b BGB

Grund: Verbraucher soll vor dem Überraschungsmoment geschützt

werden. Neudefinition Haustürgeschäft: Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“

(AGV),§ 312b BGB. Die neue Vorschrift ist weiter als das alte „Haustürgeschäft“. Es werden auch Vertragsschlüsse erfasst, die der Verbraucher selber angebahnt hat.

Prüfschema aus dem Anwendungsbereich ergänzt um die Besonderheiten der AGV

I. Verbraucherverträge

II. Entgeltliche Leistung

III. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit

IV. AGV

IV. AGV, § 312b I BGB

Voraussetzungen Nr. 1 Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer an einem

Ort abgeschlossen werden, der kein Geschäft des Unternehmers ist. § 312b II BGB: „Geschäftsräume im Sinne des Abs. I sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.“ Geschäftsräume: Ladengeschäfte, Stände auf Messen und Märkten (auch ohne Wände und Dach), Verkaufswagen

Nr. 2 Verträge, bei denen der Verbraucher dort sein verbindliches Angebot abgegeben hat(vorherige Bestellung des Verbrauchers hat auf den Charakter des Vertrages nun keine Auswirkungen mehr.)

Nr. 3 ausnahmsweise gelten auch innerhalb der Geschäftsräume abgeschlossene Verträge als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, wenn der Verbraucher unmittelbar vor Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume persönlich und individuell angesprochen wurde. Achtung! Wird der Kunde auf der Straße angesprochen, kommt er aber erst am nächsten Tag im Geschäftsraum vorbei, um das Produkt zu kaufen, fehlt es an dem engen zeitlichen Zusammenhang, dem Überraschungsmoment und es liegt kein Außergeschäftsraumvertrag vor.

Nr. 4 Verträge, die auf einem Ausflug geschlossen werden. Der Ausflugsveranstalter und der Unternehmer können auch verschiedene Personen sein. Die Duldung des Ausflugsveranstalters reicht, ein wirtschaftlicher Vorteil für ihn ist nicht erforderlich.

Rechtsfolgen - Widerrufsrecht nach § 312 g BGB

- Informationspflichten nach § 312 d BGB i.V.m. Art 246 a EBGBG Folge der Verletzung der Informationspflicht sämtlicher Verbraucherverträge ist nach § 312 e BGB, dass der Unternehmer zusätzliche Kosten nicht verlangen kann. - Dokumentationspflichten (Abschriften und Bestätigungen) § 312 f BGB

- Besonderer Gerichtsstand § 29 c ZPO

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II. Fernabsatzvertrag, § 312c BGB

Prüfschema aus dem Anwendungsbereich ergänzt um die Besonderheiten den Fernabsatzvertrag:

I. Verbraucherverträge

II. Entgeltliche Leistung

III. Kein Ausschluss der Anwendbarkeit

IV. Fernabsatzvertrag

IV. Fernabsatzvertrag, § 312c BGB

Voraussetzungen

1. Unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmittenl, § 312c I, II BGB

„(2) Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die

zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die

Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie

Briefe,

Kataloge,

Telefonanrufe,

Telekopien,

E-Mails, über den

Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie

Rundfunk und

Telemedien.“

2. Ausnahme, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Bertriebs- oder Dienstleistungssystem erfolgt

Ein solches Organisationssystem wird gesetzlich vermutet.

Rechtsfolgen

- Widerrufsrecht nach § 312 g BGB - Informations- und Dokumentationspflichten nach § 312 d und f BGB

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§ 312i - § 312j BGB: Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr

I. Allgemeine Pflichten für alle Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312 i BGB. „Kunde“ kann hier auch ein Unternehmer sein. Sachlicher Anwendungsbereich: elektronischer Geschäftsverkehr Persönlicher Anwendungsbereich: Unternehmer und Kunde. Pflichtinhalt: § 312 i BGB Rechtsfolge bei Verletzung: Anfechtung, Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche.

II. Besondere Pflichten des Unternehmers für Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern nach § 312 j Abs. 1 BGB.

Rechtsfolge der Pflichtverletzung ist die Unwirksamkeit des Vertrages nach § 312 j Abs. 4 BGB. Bei Beginn des Bestellvorgangs muss der Unternehmer angeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. § 312 j Abs. 2-4 BGB regeln die sog. „Button-Lösung“, um Kostenfallen im Internet zu verhindern.

§ 312k BGB: Unabdingbarkeit der §§ 312 ff BGB und Beweislast

des Unternehmers für die Erfüllung der Informationspflichten

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Prüfschema: Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

Kernstück des Verbraucherschutzes ist das Widerrufsrecht. § 355 BGB regelt das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen, wenn dem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt ist.

Widerrufsrechte z.B: §§ 312 g, 495 BGB

Besonderheiten des Widerrufsrechts §§ 356-356c BGB

Rechtsfolgen §§ 357-357c BGB

I. Voraussetzungen für § 312g BGB

I. Widerrufsrecht 1. Verbrauchervertrag 2. Entgeltliche Leistung 3. Kein Ausschluss, § 312 II BGB 4. „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oder Fernabsatzverträgen (vgl. Schema:

AGV, 312b BGB oder Fernabsatzverträge (vgl. Schema Fernabsatzverträge) 5. Kein Ausschluss des Widerrufsrechts, § 312 g II BGB 6. Widerrufsrecht nach § 355 BGB

II. Ausübung des Widerrufsrechts

Ausdrückliche Erklärung durch den Verbraucher Textform nach § 126 b BGB ist gemäß § 355 I BGB nun nicht mehr vorgesehen, sodass auch ein mündlicher oder telefonischer Widerruf ausreicht. Trotzdem ist es ratsam, in Textform zu widerrufen, weil der Verbraucher die Beweislast für einen rechtzeitigen Widerruf trägt. Notwendig ist allerdings, dass der Wille, den Vertrag zu widerrufen, eindeutig sein muss. Daher reicht das bloße Rücksenden der Ware nicht mehr aus. Eine Begründung des Widerrufs ist jedoch nicht notwendig. Der Unternehmer kann dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das „Muster-Widerrufsformular“ zu verwenden.

III. Frist

Gemäß § 355 reicht die rechtzeitige Absendung aus. 1.Generell gilt eine Widerrufsfrist von 14 Tagen, die mit Vertragsschluss beginnt. 2. Sonderregeln für den Fristbeginn enthalten:

- § 356 II, III BGB: AGV, Fernabsatzverträge Insbesondere, wenn mehrere Lieferungen erfolgen.

- § 356 a BGB: Teilzeit Wohnrechteverträge, Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt, Vermittlungsverträgen, Tauschsystemverträgen

- § 356 b BGB: Verbraucherdarlehensverträge - § 356 c BGB: Ratenlieferungsverträge

3. Kein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht Das Widerrufsrecht des Verbrauchers endet spätestens nach Ablauf von 12 Monaten und 14 Tagen nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für den Fristbeginn

- § 356 III BGB: AGV, Fernabsatzverträge - § 356 a II und III BGB: Teilzeit Wohnrechteverträge, Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt,

Vermittlungsverträgen, Tauschsystemverträgen

- § 356c II: Ratenlieferungsverträge

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II. Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen sind nun ausdrücklich im Gesetz geregelt. Ein Rückgriff auf die Rücktrittsregeln ist nicht mehr erforderlich und zulässig.

- § 355 III 1 BGB: Die Parteien sind verpflichtet, die empfangenen Leistungen unverzüglich

zurückzugewähren.

- § 357 BGB: bei AGV und Fernabsatzverträgen:

Rückgewähr der empfangenen Leistungen innerhalb der Höchstfrist von 14 Tagen. Der Unternehmer kann also nicht statt des Bargeldes einen Gutschein zurückgeben. Dies ist nur möglich, wenn er mit dem Verbraucher ausdrücklich eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen hat. Eine Regelung im Rahmen der AGB reicht daher regelmäßig nicht aus.

Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers.

Lieferkosten werden durch den Unternehmer –umfangmäßig begrenzt- erstattet. Zusatzkosten sind ausgenommen, die dadurch entstanden sind, dass der Verbraucher ausdrücklich eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene gewählt hat.

Der Verbraucher muss die Rücksendekosten unabhängig vom Warenwert tragen. Dazu muss

der Unternehmer den Verbraucher zuvor gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB unterrichtet und sich nicht selbst bereit erklärt haben, die Kosten zu tragen.

Verpflichtung zur Rücksendung durch den Verbraucher, auch wenn die Ware nicht paketversandfähig ist.

Der Verbraucher muss Wertersatz nur leisten, wenn der Wertverlust auf dem Umgang der

Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung nicht notwendig war. z.B. Kleidung darf zur Prüfung nur anprobiert, nicht etwa getragen werden. Wertverlust der Ware erfasst auch den Untergang der Sache. Es ist der objektive Wert zu ersetzen.

- § 357 a BGB: bei Verträgen über Finanzdienstleistungen

- § 357 b BGB: bei Teilzeit Wohnrechteverträge, Verträge über ein langfristiges

Urlaubsprodukt, Vermittlungsverträgen, Tauschsystemverträgen - § 357 BGB: bei weder im Fernabsatz noch AGV geschlossenen Ratenlieferungsverträgen

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Verbundene Verträge (§§ 358 – 359 BGB)

I. Voraussetzungen

- Darlehen dient der Finanzierung des anderen Vertrages - Beide Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 358 III BGB

II. Rechtsfolgen

- Widerrufsdurchgriff nach § 358 I, II BGB - Einwendungsdurchgriff nach § 359 BGB - Rückforderungsdurchgriff (str.).

Nach § 360 BGB gelten die Regeln auch für einen „zusammenhängenden“ Vertrag. Dazu muss die Leistung in dem Verbraucherdarlehensvertrag genau angegeben werden. Steht in dem Darlehensvertrag beispielsweise, dass ein „PKW-Kauf“ finanziert werden soll, reicht es nicht aus. Vielmehr muss eine eindeutige Identifizierbarkeit möglich sein, etwa durch die Angabe des Fabrikats des finanzierten PKW.

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Fall: Die Kaffeefahrt

Rentner R nimmt am 1. Juli 2014 an einer "Kaffeefahrt" der Firma Haushaltswaren-Schröder-GmbH teil, nachdem er in seinem Briefkasten einen entsprechenden Werbezettel gefunden hatte. Er lässt sich bei der Verkaufsveranstaltung zum Erwerb eines 12-teiligen Teeservices überreden. R unterschreibt gleich nach der Präsentation einen entsprechenden Kaufvertrag ohne Widerrufsbelehrung und erhält am 1. August 2014 ein Paket mit einer mangelfreien Ware und einer Rechnung über € 300,00. Das Geld überweist er noch am gleichen Tag auf das Konto der Haushaltwaren-Schröder-GmbH. Von seiner Nachbarin erfährt er am 18. August 2014, dass es das gleiche Service bei Karstadt für 100,- Euro gibt.

Der verärgerte R fragt, ob er sein Geld zurückerhalten kann.

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Übersicht

R gegen die Haushaltwaren-Schröder-GmbH aus §§ 312 b, 312 g, 355, 356, 357I BGB

I. Widerrufsrecht

1. Verbrauchervertrag 2. Vertragsgegenstand muss eine entgeltliche Leistung sein 3. Kein Ausschluss, § 312 II 4. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag 4. Kein Ausschluss des Widerrufs nach § 312 g II BGB 5. Ergebnis

II. Ausübung des Widerrufsrechts

III. Einhaltung der Frist

IV. Rechtsfolgen

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Lösung: Fall: Die Kaffeefahrt

Probleme: Widerruf eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen

Vertrages Blätter: - Prüfungsschema: Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen - § 312b - § 312h BGB: Sonderregeln für I. Außerhalb von

Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (AGV) - § 312 – § 312a BGB: I. Anwendungsbereich

R könnte gegen die Haushaltwaren-Schröder-GmbH einen Anspruch aus §§ 312 b, 312 g, 355, 356, 357I und II BGB haben, so dass er sein Geld zurückerhält.

Dann müsste R einen Anspruch auf Rückgewähr der empfangenen Leistung, also der Rückzahlung des Geldes, nach § 355III BGB haben. Dies setzt voraus, dass der R den Vertrag wirksam widerrufen hat. (vgl. Blatt: Prüfungsschema: Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen) I. Widerrufsrecht

Der R könnte ein Widerrufsrecht nach § 312 g BGB haben. Hiernach steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. Dann müsste es sich bei dem zwischen R und der GmbH geschlossenen Kaufvertrag um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handeln.

(Vgl. Blätter: § 312b - § 312h BGB: Sonderregeln für I. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (AGV)

§ 312 – § 312a BGB: I. Anwendungsbereich 1. Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher

(Verbrauchervertrag)

R ist nach § 13 Verbraucher und die GmbH nach § 14 BGB Unternehmer, da sie in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelt.

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Verbraucher Unternehmer

§ 13 BGB § 14 BGB

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können

Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Kaufleute Nichtkaufmännische Gewerbetreibende wie Handwerker, Landwirte und Kleingewerbetreibende Freiberufler

Der Sachverhalt gibt vor, dass R und die Haushaltwaren-Schröder-GmbH einen Kaufvertrag geschlossen haben.

2. Vertragsgegenstand muss eine entgeltliche Leistung sein

Der Vertrag über den Kauf eines Services bezieht sich nach § 433 BGB auf eine entgeltliche Leistung.

3. Kein Ausschluss Ein Vertrag nach § 312 II BGB liegt nicht vor.

4. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag nach

§ 312b I 1 Nr. 1 BGB

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, die keine Geschäftsräume des Unternehmers sind. Der Vertrag wurde während einer Kaffeefahrt, also nicht in den Geschäftsräumen der GmbH, geschlossen.

5. Kein Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 g II BGB

Das Widerrufsrecht ist auch nicht nach § 312 g II BGB ausgeschlossen.

6. Ergebnis Folglich steht R ein Widerrufsrecht nach § 312 g BGB zu. II. Ausübung des Widerrufsrechts

Zur Ausübung des Widerrufsrechts muss R nach I § 355 BGB den Widerruf dem Unternehmer gegenüber erklären. Dies kann mündlich oder schriftlich geschehen. Notwendig ist allerdings, dass der Wille, den Vertrag zu widerrufen eindeutig sein muss.

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III. Frist

Zu beachten ist jedoch, dass die Frist von zwei Wochen nach § 355 II BGB gilt. Die Frist beginnt in der Regel mit dem Vertragsschluss. Der Vertrag wurde am 1. Juli 2014 geschlossen, sodass die Frist am 14. Juli 2014 abgelaufen wäre. Nach der Spezialregelung des § 356 II BGB beginnt die Widerrufsfrist, sobald der Verbraucher die Ware erhalten hat. R erhielt am 1. August 2014 die Ware, die Frist wäre damit am 14. August 2014 abgelaufen. Zu beachten ist jedoch, dass der R niemals über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Dieser Verstoß hat Auswirkungen auf den Beginn der Widerrufsfrist. Nach § 356 IIII BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 II 1 Nr. 1 oder des Artikels 246b § 2 I des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 356 II oder § 355 II 2 genannten Zeitpunkt. Da R nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, hat die Frist noch nicht zu laufen begonnen. Der R kann noch widerrufen. Insbesondere ist das Widerrufsrecht nicht erloschen, dies ist erst am 14. Juli 2015, nämlich zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss, der Fall.

IV. Rechtsfolgen

R hat somit gegen die Haushaltwaren-Schröder-GmbH einen Anspruch aus § 355 III i.V.m. § 357 I BGB auf Rückgewähr der empfangenen Leistung, also auf Rückzahlung des Geldes, wenn er seinen Widerruf wirksam erklärt.

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Kontrollfragen zum Fall

1. Was sind besondere Vertriebsformen? 2. Benennen Sie die Anspruchsgrundlage des Widerrufsrechts bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen! 3. Was unterscheidet das Widerrufsrecht vom Rückgaberecht? 4. Benennen Sie die Voraussetzungen eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages. 5. Was ist ein Verbrauchervertrag? 6. Welche Widerrufsfristen gelten? 7. Gibt es ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht? 8. In welcher Form wird das Widerrufsrecht ausgeübt? 9. Wo sind die Rechtsfolgen des Widerrufs geregelt?