Vereinfachter Nachweis für I- und U-Träger – beansprucht durch doppelte Biegung und Torsion

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704 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 9 Vereinfachte Nachweise für Bauteile in Form von Interaktions- gleichungen sind nach wie vor beliebt. Die in DIN 18800-2 und EN 1993-1-1 vorgesehenen, die auch die plastischen Reserven von Querschnitten ausnutzen, schließen den Fall der planmäßi- gen Torsion bisher aus. Die Frage der Erfassung der planmäßigen Torsion wurde in einem Forschungsvorhaben behandelt, das an der RWTH Aachen, der RU Bochum und der TU Berlin durchge- führt wurde. Dabei wurden insgesamt 71 Großversuche und zu- sätzliche FEM-Berechnungen durchgeführt, die es als „rechneri- sche“ Versuche erlauben, das untersuchte Parameterfeld stark zu vergrößern. Hier wird über die an der TU Berlin durchgeführ- ten Versuche berichtet, die Vergleichsrechnungen werden be- schrieben, und die Ableitung einer Interaktionsgleichung mit den zugehörigen Interaktionsfaktoren wird erläutert. Die Anwendung wird durch Beispiele gezeigt. Simplified design of I- and U-beams subjected to biaxial ben- ding and torsion. Simplified design formulae for members used as interaction formulae are still popular and therefore needed. Technical committee 8 of ECCS („Stability“) dealt with this ques- tion several years resulting in 2 methods given in annex A of EN 1993-1-1 (Eurocode 3). The more easy method, called method B in EC3, better known as level 1 method, was elaborated for the daily use of practioners. But here as well as in the German stabi- lity code DIN 18800-2 the case of regular torsion is not covered. Some approximations are given in literature, but no general solu- tion in form of an interaction formula is available. Furthermore no test results can be used to check the reliability of a solution. The question of regular torsion was dealt with in a research projekt which was carried out at the universities of RWTH Aachen, RU Bochum and TU Berlin. In total 71 full scale tests were carried out and additionally FEM caluclations were done. A report is given about the tests carried out at TU Berlin on beams subjected to biaxial bending and torsion, about the ultimate load calcula- tions and the development of an interaction formula. The appli- cation is shown by examples. 1 Einleitung Seit Einführung der DIN 18800 (1990) ist die Bemessung von Stahlprofilen auf Grundlage plastischer Grenzschnitt- größen zur gängigen Praxis geworden. In den entspre- chenden Gleichungen zur Bestimmung der Querschnitts- interaktion (DIN 18800-1) sowie der Bauteiltragfähigkeit anhand von vereinfachten Nachweisen (DIN 18800-2 [1], Eurocode 3 [2], [3]) fehlen jedoch Anteile, die Schnitt- größen aufgrund von Torsionsbelastungen berücksichti- gen. Im Falle der planmäßigen Torsion muß daher z. Z. noch auf die Nachweisverfahren Elastisch-Elastisch oder Elastisch-Plastisch zurückgegriffen werden, die in der Literatur beschrieben sind, [4] bis [7]. Allen diesen Verfah- ren ist gemeinsam, daß die Eingangsschnittgrößen am räumlich belasteten Stab, i. d. R. nach Theorie II. Ord- nung, unter Einbeziehung der Wölbkrafttorsion berechnet werden müssen, was einen größeren Aufwand erfordert. Um diese Verfahren weiterzuentwickeln bzw. neu zu gestalten und ihnen eine normative Allgemeingültigkeit zu verleihen, wurde ein von der Forschungsvereinigung Stahl- anwendung unterstütztes Forschungsvorhaben durchge- führt [8]. Beteiligte waren die Stahlbau-Lehrstühle der RWTH Aachen, der TU Berlin und der RU Bochum, das Büro PSP zur Koordinierung sowie die Peiner Träger AG Salzgitter. Das Ziel besteht darin, zu einer ingenieurmäßi- gen Formulierung für den Nachweis von offenen Stahlpro- filen unter Druck, doppelter Biegung und Torsion zu ge- langen. An den drei Universitäten wurden zu diesem Zweck insgesamt 71 Traglastversuche und ergänzende rechneri- sche Untersuchungen durchgeführt. Hier wird über die an der TU Berlin durchgeführten Versuche, deren Auswertung und die Entwicklung eines vereinfachten Bemessungsverfahrens berichtet, das insbe- sondere den Fall der doppelten Biegung und Torsion er- fassen soll. Ausgewählte Versuchsergebnisse und Erkennt- nisse zum Tragverhalten der untersuchten I- und UPE- Profile sind auch in [9] dargestellt. 2 Versuchsprogramm Die Versuche sollten das jeweilige Last-Verformungsver- halten zeigen,Traglasten unter der Einwirkung verschiede- nen Schnittgrößen zur Verfügung stellen und daraus fol- gend Erkenntnisse zum Einfluß der verschiedenen Schnitt- größen gewinnen lassen. Die folgenden Fälle wurden in Hinblick auf die Bauteiltragfähigkeit untersucht (s. Bild 1): M y + M z + M x TU Berlin N + M y + M z + M x RU Bochum Zusätzlich wurden Versuche zur Feststellung der Quer- schnittstragfähigkeit durchgeführt: M y + M x RWTH Aachen In allen Versuchsanstalten wurden aus Gründen der ver- einfachten Beschaffung die gleichen Profile aus S 355 be- nutzt: Vereinfachter Nachweis für I- und U-Träger – beansprucht durch doppelte Biegung und Torsion Herrn em. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Karlheinz Roik zur Vollendung seines 80. Lebensjahres gewidmet Joachim Lindner Torsten Glitsch Fachthemen

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704 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 9

Vereinfachte Nachweise für Bauteile in Form von Interaktions-gleichungen sind nach wie vor beliebt. Die in DIN 18800-2 und EN 1993-1-1 vorgesehenen, die auch die plastischen Reservenvon Querschnitten ausnutzen, schließen den Fall der planmäßi-gen Torsion bisher aus. Die Frage der Erfassung der planmäßigenTorsion wurde in einem Forschungsvorhaben behandelt, das ander RWTH Aachen, der RU Bochum und der TU Berlin durchge-führt wurde. Dabei wurden insgesamt 71 Großversuche und zu-sätzliche FEM-Berechnungen durchgeführt, die es als „rechneri-sche“ Versuche erlauben, das untersuchte Parameterfeld starkzu vergrößern. Hier wird über die an der TU Berlin durchgeführ-ten Versuche berichtet, die Vergleichsrechnungen werden be-schrieben, und die Ableitung einer Interaktionsgleichung mit denzugehörigen Interaktionsfaktoren wird erläutert. Die Anwendungwird durch Beispiele gezeigt.

Simplified design of I- and U-beams subjected to biaxial ben-ding and torsion. Simplified design formulae for members used asinteraction formulae are still popular and therefore needed.Technical committee 8 of ECCS („Stability“) dealt with this ques-tion several years resulting in 2 methods given in annex A of EN 1993-1-1 (Eurocode 3). The more easy method, called methodB in EC3, better known as level 1 method, was elaborated for thedaily use of practioners. But here as well as in the German stabi-lity code DIN 18800-2 the case of regular torsion is not covered.Some approximations are given in literature, but no general solu-tion in form of an interaction formula is available. Furthermore notest results can be used to check the reliability of a solution. Thequestion of regular torsion was dealt with in a research projektwhich was carried out at the universities of RWTH Aachen, RUBochum and TU Berlin. In total 71 full scale tests were carriedout and additionally FEM caluclations were done. A report isgiven about the tests carried out at TU Berlin on beams subjectedto biaxial bending and torsion, about the ultimate load calcula-tions and the development of an interaction formula. The appli-cation is shown by examples.

1 Einleitung

Seit Einführung der DIN 18800 (1990) ist die Bemessungvon Stahlprofilen auf Grundlage plastischer Grenzschnitt-größen zur gängigen Praxis geworden. In den entspre-chenden Gleichungen zur Bestimmung der Querschnitts-interaktion (DIN 18800-1) sowie der Bauteiltragfähigkeitanhand von vereinfachten Nachweisen (DIN 18800-2 [1],Eurocode 3 [2], [3]) fehlen jedoch Anteile, die Schnitt-

größen aufgrund von Torsionsbelastungen berücksichti-gen. Im Falle der planmäßigen Torsion muß daher z. Z.noch auf die Nachweisverfahren Elastisch-Elastisch oderElastisch-Plastisch zurückgegriffen werden, die in derLiteratur beschrieben sind, [4] bis [7]. Allen diesen Verfah-ren ist gemeinsam, daß die Eingangsschnittgrößen amräumlich belasteten Stab, i. d. R. nach Theorie II. Ord-nung, unter Einbeziehung der Wölbkrafttorsion berechnetwerden müssen, was einen größeren Aufwand erfordert.

Um diese Verfahren weiterzuentwickeln bzw. neu zugestalten und ihnen eine normative Allgemeingültigkeit zuverleihen, wurde ein von der Forschungsvereinigung Stahl-anwendung unterstütztes Forschungsvorhaben durchge-führt [8]. Beteiligte waren die Stahlbau-Lehrstühle derRWTH Aachen, der TU Berlin und der RU Bochum, dasBüro PSP zur Koordinierung sowie die Peiner Träger AGSalzgitter. Das Ziel besteht darin, zu einer ingenieurmäßi-gen Formulierung für den Nachweis von offenen Stahlpro-filen unter Druck, doppelter Biegung und Torsion zu ge-langen. An den drei Universitäten wurden zu diesem Zweckinsgesamt 71 Traglastversuche und ergänzende rechneri-sche Untersuchungen durchgeführt.

Hier wird über die an der TU Berlin durchgeführtenVersuche, deren Auswertung und die Entwicklung einesvereinfachten Bemessungsverfahrens berichtet, das insbe-sondere den Fall der doppelten Biegung und Torsion er-fassen soll. Ausgewählte Versuchsergebnisse und Erkennt-nisse zum Tragverhalten der untersuchten I- und UPE-Profile sind auch in [9] dargestellt.

2 Versuchsprogramm

Die Versuche sollten das jeweilige Last-Verformungsver-halten zeigen, Traglasten unter der Einwirkung verschiede-nen Schnittgrößen zur Verfügung stellen und daraus fol-gend Erkenntnisse zum Einfluß der verschiedenen Schnitt-größen gewinnen lassen. Die folgenden Fälle wurden inHinblick auf die Bauteiltragfähigkeit untersucht (s. Bild 1):My + Mz + Mx TU BerlinN + My + Mz + Mx RU BochumZusätzlich wurden Versuche zur Feststellung der Quer-schnittstragfähigkeit durchgeführt:My + Mx RWTH AachenIn allen Versuchsanstalten wurden aus Gründen der ver-einfachten Beschaffung die gleichen Profile aus S 355 be-nutzt:

Vereinfachter Nachweis für I- und U-Träger – beansprucht durch doppelte Biegung und TorsionHerrn em. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Karlheinz Roik zur Vollendung seines 80. Lebensjahres gewidmet

Joachim LindnerTorsten Glitsch

Fachthemen

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J. Lindner/T. Glitsch · Vereinfachter Nachweis für I- und U-Träger – beansprucht durch doppelte Biegung und Torsion

Stahlbau 73 (2004), Heft 9

– IPE 200– HEB 200– UPE 200Um eine umfangreiche spätere Auswertung zu ermögli-chen, wurden von allen Versuchsträgern eine große An-zahl von Daten ermittelt:

– geometrische Abmessungen, aus denen dann die Quer-schnittswerte berechnet werden konnten– Materialproben, um die Materialeigenschaften festzu-stellen, wobei besonders die Streckgrenze fy interessierte,die zwischen 380 and 415 N/mm2 lag– Vorverformungen– Last-Verformungskurven während der Versuche.

Speziell bei den Versuchen an der TU Berlin (s. Ta-belle 1):– 22 Versuche mit verschiedenen Längen von 2,80 m,4,00 m, 5,60 m, was zu bezogenen Schlankheitsgradenλ_

LT = 0,69 bis 1,72 führte– verschiedene Lastkombinationen: My + Mxund My + Mz + Mx.

Alle Versuche wurden als Dreipunktbiegeversuche(Einfeldträger mit Einzellast in Feldmitte) durchgeführt. AlsVersuchsanlage kam eine zum Einsatz, die in den vergange-nen 25 Jahren schon wiederholt zur Durchführung von Bie-gedrillknickversuchen eingesetzt wurde, z. B. [10] bis [12].

Die Besonderheit besteht darin, daß im Falle des räum-lichen Versagens der untersuchte Träger sich räumlichverformt, also vertikale Verformungen w, horizontale Ver-formungen v und gleichzeitig Verdrehungen ϑ um die Stab-längsachse auftreten. Aus diesem Grunde muß die aufge-

Bild 1. Definition der SchnittgrößenFig. 1. Definition of internal forces

Versuch L α yp zp fy Versuch FEM FEM/VersuchNr.: [cm] [°] [cm] [cm] [kN/cm2] P [kN] ES-neu

Reihe 1: IPE 200

11 280 0 2,5 –21,5 38,0 38,0 38,0 1,00121 280 20 0 –21,5 38,0 25,8 24,8 0,96122 280 20 –1,0 –21,5 38,0 26,4 25,7 0,97

13 280 –70 16,5 0 38,0 30,5 30,2 0,9914 400 0 2,5 –21,5 38,0 21,9 21,9 1,00

151 400 20 0 –21,5 38,0 17,0 17,3 1,02152 400 20 0 –21,5 38,0 16,9 17,6 1,0416 400 –70 16,5 0 38,0 20,5 20,0 0,98

Reihe 2: HEB 200

21 400 0 5,0 –21,5 41,4 173,5 163,9 0,94221 400 20 0 –21,5 41,4 131,3 131,9 1,00222 400 20 0 –21,5 41,4 133,7 130,0 0,9723 400 –70 21,5 0 41,4 163,4 147,0 0,9024 560 0 5,0 –21,5 39,3 110,0 105,2 0,96

251 560 20 0 –21,5 39,3 91,7 91,5 1,00252 560 20 –5,0 –21,5 39,3 103,8 101,0 0,9726 560 20 –5,0 –21,5 39,3 104,2 101,9 0,98

Reihe 3: UPE 200

31 280 0 –1,441) –21,5 40,0 43,0 40,3 0,94321 280 0 2,562) –21,5 40,0 51,2 51,0 1,00322 280 0 3,562) –21,5 40,0 57,4 56,3 0,9833 400 0 1,562) –21,5 40,0 31,8 29,7 0,93

341 400 0 2,562) –21,5 40,0 34,5 32,0 0,93351 400 0 –1,441) –21,5 40,0 30,4 27,6 0,91

1) Obergurt/2; 2) ~Steg m = 0,971s = 0,035

Tabelle 1. Zusammenstellung der an der TU Berlin durchgeführten VersucheTable 1. Survey of tests carried out at TU Berlin

brachte Last diesen Verformungen folgen, damit die Laststets richtungstreu bleibt. Dies wird durch eine spezielleLasteinleitungskonstruktion erreicht. Diese besteht auszwei Querhäuptern, die durch Gewindestangen verbun-den sind und seitlich verschieblich sind. Die Last wirddurch eine Innenkolbenpresse und eine Zugstange in dasuntere Querhaupt eingetragen. Ein Elektromotor sorgtdafür, daß die mittels Rollen gelagerte Zugstange mitge-führt wird, so daß die Last immer senkrecht bleibt. Diesenkrechte Laststellung wird mittels eines Pendels kon-trolliert, das einen Impuls zum Elektromotor sendet, so-bald sich das obere Querhaupt verschiebt, s. Bild 2.

Da in diesem speziellen Fall in bezug auf den unter-suchten Träger nicht nur Vertikallasten, sondern auch Ho-rizontallasten und Torsionsmomente aufgebracht werdensollten, war eine Umrüstung erforderlich, die im Bild 2b)zu erkennen ist. Diese besteht darin, daß eine aufgebrachteVertikallast auf einen in der Einbaulage um den Winkel αverdrehten Träger aufgebracht wurde, s. Bild 3.

Die Auflagerkonstruktion muß dieser verdrehten Ein-baulage folgen, s. Bild 4. Durch die Lagerscheiben wird eineGabellagerung mit den üblichen Randbedingungen erreicht

v = 0, w = 0, ϑ = 0w′ ≠ 0, v′ ≠ 0, ϑ′ = 0 (1)

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Alle Träger wurden mit einem Trägerüberstand von5 cm eingebaut, es wurden keine Lagersteifen verwendet.

3 Traglastberechnungen3.1 Allgemeines

Da die insgesamt durchgeführten 71 Versuche eine zukleine Datenmenge darstellen, um darauf allein Bemes-sungsverfahren zu gründen, wurden ergänzend „fiktive“Versuche durchgeführt, die in FEM-Traglastrechnungenbestanden.An den drei Universitäten kamen unterschiedliche Pro-grammsysteme zum Einsatz:– DYNAX (RWTH Aachen)– ABAQUS (RU Bochum)– ANSYS (TU Berlin) [13].

Um die Zuverlässigkeit dieser unterschiedlichen Pro-grammsysteme zu testen, wurden „benchmark-tests“ durch-geführt. Diese bestanden in der Nachrechnung von früherdurchgeführten Traglastversuchen, wobei die folgendenherangezogenen wurden:– Versuche der TU Eindhoven an UPE-Profilen [14]– Versuche der TU Berlin an kaltgeformten U- und C-Profilen [11]– Versuche der TU Berlin an Stützen aus hochfestemStahl StE 690, die durch zweiachsige Biegung und Druckbeansprucht waren [15].

Mit allen Programmsystemen konnten die Versuchemit akzeptabler Genauigkeit nachvollzogen werden, dieUnterschiede zwischen den drei Programmen waren rela-tiv gering.

Bei den Berechnungen an der TU Berlin wurden diemeisten Berechnungen mit dem Element „beam 188“durchgeführt, das 7 Freiheitsgrade hat und damit auch dieWölbkrafttorsion abbilden kann. Einige Vergleichsrech-nungen wurden auch mit Schalenelementen durchge-führt.

3.2 Nachrechnungen der Versuche

Zunächst wurden alle an der TU Berlin durchgeführtenVersuche nachgerechnet. Dabei zeigte sich eine gute Über-einstimmung bezüglich des Last-Verformungsverhaltens

Bild 2. Prinzipskizze zur LasteinleitungskonstruktionFig. 2. Plan of load introduction construction

Bild 3. Einbaulage der Träger jeweils mit Lastaußermittig-keiten yP, zP; a) vertikal mit α = 0, b) verdreht mit α = 20 Grad, c) verdrehtα = –70 GradFig. 3. Position of tested beams with load eccentricities yP, zP;a) vertical α = 0, b) α = 20 degrees, c) α = –70 degrees

Bild 4. Auflagerkonstruktion, hier mit eingebautem IPE 200Fig. 4. Support construction, used with IPE 200

a) b) c)

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und der erreichten Traglast. Als Beispiel ist im Bild 5 dieNachrechnung des Versuchs 31 an einem UPE 200 unterBiegung und Torsion zu sehen, im Bild 6 diejenige des Ver-suchs 122 eines HEB 200 unter Doppelbiegung My + Mzund Torsion. Insbesondere das Bild 6 macht deutlich, daßsich im Versagenszustand ein räumliches Fließgelenk ein-stellt. Nach Entlastung wird die zugehörige Last bei Be-

ginn der Entlastung wieder erreicht, und es stellt sich einsehr duktiles Versagen ein.

Aus Kostengründen wurden keine Messungen derEigenspannungen in den eingesetzten Profilen vorgenom-men. Da der Einfluß der Eigenspannungen in den hier un-tersuchten Fällen mit Torsion generell erheblich geringerist als in den klassischen Fällen von überwiegend druck-beanspruchten Stützen, konnte ein vereinfachter Weg be-schritten werden.

Aus der Gegenüberstellung der Lastverformungskur-ven aus Versuch und Rechnung, wo unterschiedliche An-nahmen für die Größe der Eigenspannungen getroffenwurden, konnte geschlossen werden, daß die untersuchtenTräger nicht Eigenspannungen derjenigen Größe aufwie-sen, wie sie üblicherweise bei Stabilitätsuntersuchungenangesetzt werden, [5]. Dies zeigen beispielhaft die Bilder 5und 6. Wie daraus zu ersehen ist, konnte mit derAnnahmevon Eigenspannungen, die halb so groß sind wie üblich,bessere, in manchen Fällen (Bild 6) sehr gute, Überein-stimmung zwischen Versuch und Rechnung erreicht wer-den. Aus diesem Grunde wurde bei den weiteren Traglast-rechnungen, die die Versuche betrafen, mit den im Bild 7gezeigten Eigenspannungen gerechnet.

Eine Gegenüberstellung der Ergebnisse zwischen den inden Versuchen erreichten Traglasten und den Werten nachden FEM-Traglastrechnungen zeigt Tabelle 1. Es ist zu erken-nen, daß die Versuche durch die Rechnungen sehr gut an-genähert werden. Für das Verhältnis Rechnung/ Versuch gilt:– maximaler Wert max = 1,04– Mittelwert m = 0,971– Standardabweichung s = 0,035– minimaler Wert min = 0,90

3.3 Weitere Traglastberechnungen

Um die Ergebnisse auf eine breitere Basis zu stellen, wur-den weitere FEM-Traglastrechnungen durchgeführt. Da-bei wurden folgende Annahmen getroffen:– S235 mit fy = 23,5 kN/cm2

– Eigenspannungen, wie in [5] angegeben– Vorverformung vo = L/1000– Untersuchung verschiedener Lastfälle nach Tabelle 2– Profile:

· LF 1: IPE 200, HEB 200

· LF 2: IPE 160, IPE 200, IPE 500, HEB 200, HEB 600,HEB 800, UPE 200

· LF 3: IPE 200, HEB 200

Bild 5. Last-Verdrehungskurven für Versuch 31Fig. 5. Load deflection curves for test 31

Bild 6. Last-Verdrehungskurven für Versuch 122 – ES neu:mit reduzierten EigenspannungenFig. 6. Load deflection curves for test 122 – ES neu: using re-duced residuel stesses

Bild 7. Größe der angesetzten Eigenspannungen bei der Nachrechnung der VersucheFig. 7. Reduced residuel stresses

– bezogene Schlankheitsgrade für das Biegedrillknicken

· 0,5, 1,0, 1,5 IPE-, UPE-Profile

· 0,5, 0,8, 1,0 (z. T. 1,3) HEB-Profile.Insgesamt wurden mehrere Hundert Berechnungen

durchgeführt, von denen etwa 200 für die folgenden Aus-wertungen herangezogen wurden. Dabei wurden nur die-jenigen Ergebnisse benutzt, die die folgenden Bedingun-gen erfüllen:– Verdrehung ϑ maximal 0,30 [rad]– relativer Anteil des Wölbbimomentes mw (nach Gl. 4c )i. d. R. bis 0,50.

Mit der letzten Einschränkung sollte klargestellt wer-den, daß hier Fälle erfaßt werden sollen, bei denen plan-mäßig Biegung My um die „starke“ Achse vorhanden istund zusätzlich Torsion auftritt. Der Fall der reinen Torsionsoll damit nicht abgedeckt werden. Weiterhin werden nuroffene Profile behandelt.

Die meisten Ergebnisse sind dem ausführlichen For-schungsbericht [8] zu entnehmen, sie sind hier aus Platz-gründen nicht im Detail angegeben.

4 Auswertungen4.1 Allgemeines

Die folgenden Auswertungen werden zunächst nur für denvereinfachten Fall der Beanspruchung angestellt, bei demkeine Normalkräfte vorhanden sind, sondern nur doppelteBiegung und Torsion. Sie gehen daher von den Verhältnis-sen aus, die bei den an der TU Berlin durchgeführten Ver-suchen vorhanden waren. Weiterhin stehen als Ergänzungdie in Abschn. 3.3 beschriebenen vielen Traglastrechnun-gen für den Fall der doppelten Biegung durch My und Mzsowie Torsion zur Verfügung.

Die Untersuchungen im Detail werden für die Formu-lierung in EN 1993-1-1, Abschn. 6.3.4 in Verbindung mitMethode B des Anhanges A (auch „level 1“ genannt)durchgeführt, bei der planmäßig keine Torsion vorgesehenist. Die Interaktionsgleichung für das Ausweichen um diez-z-Achse (Biegedrillknicken) ist in Gl. (2) angegeben:

(2)NN

kM

Mk

C MMz pl

LTy

LT pl yz

mz z

pl zχ χ+ + ≤

, ,1

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Auf die Darstellung der Parameter im einzelnen wird hierverzichtet, die Werte kLT und kz sind nur dann von Inter-esse, wenn eine Normalkraft N vorhanden ist, anderen-falls sind sie gleich 1,0. Für den Fall ohne Normalkraftverbleiben damit also nur die beiden letzten Terme inGl. (2).

Die Formulierung in DIN 18800-2 ist in El. (323) ähn-lich, s. Gl. (3):

(3)

Die Entwicklung dieser Interaktionsgleichungen (2) undweitere erfolgte an der TU Graz (Prof. Greiner mit Mitar-beitern) und der TU Berlin (Prof. Lindner mit Mitarbei-tern). Sie sind ausführlich in [3] beschrieben, weitere Ar-beitsberichte, insbesondere aus der Kommission TC 8„Stabilität“ der EKS (Europäische Konvention für Stahl-bau) sind vorhanden. Die Ergebnisse und Schlußfolgerun-gen, die hier zunächst für die Formulierung aufbauend aufGl. (2) ermittelt werden, können später aber dann auchauf DIN 18800-2 übertragen werden.

4.2 Darstellung der vereinfachten Nachweise

Die Schnittgrößen werden zur Vereinfachung der Darstel-lung in bezogener Form angegeben:

(4a)

(4b)

(4c)

Dabei sindMpl,y Biegemoment My im vollplastischen ZustandMpl,z Biegemoment Mz im vollplastischen ZustandMpl,w Biegemoment Mw im vollplastischen Zustand

Die vereinfachten Nachweise können in verschiedenenVereinfachungsstufen dargestellt werden, die in [8] aus-führlich erläutert sind. Die endgültig vorgeschlagene For-mulierung ist durch Gl. (5) gegeben:

(5)

mitχLT Abminderungsbeiwert für das Biegedrillknickens des

reinen Biegeträgers nach EN 1993-1-1, Abschn.6.3.2.3, Gl. (6.57) und (6.58)

Cmz äquivalenter Momentenbeiwert für das BiegemomentMz nach Tabelle B.3 - er beträgt für konstantes Biege-moment 1,0, für Gleichstreckenlast 0,95 und für Ein-zellast in Feldmitte 0,90.

kzw = 1 – 1,0 mz (6)

kw = 0,7 – 0,2 mw (7)

mC m k k my

LTmz z zw w wχ

α+ + ≤ 1

mM

Mww

pl w=

,

mM

Mzz

pl z=

,

mM

Myy

pl y=

,

NN

M

Mk

MM

kpl

y

M pl yy

z

pl zzκ κ

+ +, ,

Belastung My–Mz Mx

LF1

LF2

LF3

LF4

Tabelle 2. Untersuchte Lastfälle in den FEM-Traglastberech-nungenTable 2. Load cases investigated in FEM ultimate load cal-culations

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(8)

mitMcr ideales Biegedrillknickmoment nach der Elastizitäts-

theorie bei alleiniger Wirkung von BiegemomentenMy. In Deutschland wird dafür i. allg. die Bezeich-nung MKi,y (oder auch nur MKi) verwendet, so auchin DIN 18800-2.

Die drei Faktoren der Gln. (6) bis (8) könnten natürlichauch als ein zusammenhängender Faktor geschrieben wer-den, um die Einzeleinflüsse deutlich zu machen, unter-bleibt das jedoch hier.

Aus den Auswertungen, s. Abschn. 4.3 und 4.4, zeigtsich, daß es erforderlich ist, den Einfluß der Theorie II.Ordnung auf das Wölbbimoment Mw zu berücksichtigen.Dies erfolgt vereinfachend durch den Vergrößerungsfak-tor α. Auch für diesen sind verschiedene Varianten unter-sucht worden [8]. Die tatsächliche Größe von α hängtu. a. von der Art der Belastung, der Größe des Lasthebel-arms in bezug auf den Schubmittelpunkt und weiteren Pa-rametern ab. In [7] wurde am Beispiel gezeigt, daß Gl. (8)für die Ermittlung der Schnittgrößen nach der Elastizitäts-theorie II. Ordnung sehr gute Ergebnisse liefert, so daßdiese Formulierung gewählt wurde.

Es kann gezeigt werden, daß die Güte des vereinfach-ten Nachweises auch von der Größe des angreifenden Tor-sionsmomentes abhängt. Dies wird hier durch die Ein-führung des Faktors kw berücksichtigt, s. Abschn. 4.3.

Schließlich kann noch gezeigt werden, daß der Einflußder Torsion auch abhängig ist von der Größe des gleichzei-tig wirkenden Biegemomentes Mz. Dies wird durch denweiteren Faktor kzw berücksichtigt, s. Abschn. 4.4.

Der vereinfachte Nachweis nach DIN 18800-2, El.(323) ist analog zu Gl. (5) zu erweitern. Die Änderungenbestehen nur darin, daß– χLT durch κM zu ersetzen ist.– CMmz = 1,0 zu setzen ist.

Beide Formulierungen, nach EN 1993-1-1 und DIN18800-2, können also weitgehend parallel betrachtet wer-den.

Es wird betont, daß die Gl. (5) nur einen Bauteilnach-weis darstellt. Zusätzlich ist es notwendig, daß die Quer-schnittstragfähigkeit überprüft wird, z.B. nach [18], sofernderen Einhaltung nicht offensichtlich ist.

4.3 Einfluß der Größe des Wölbbimomentes Mw

Auf die Wirkungsweise des Wölbbimomentes wurde auchin [9] ausführlich eingegangen.

Um diesen Effekt zu untersuchen, wurden die Ergeb-nisse der an derTU Berlin durchgeführten Traglastversucheund insbesondere die FEM-Traglastrechnungen ausgewer-tet. Dabei wurden verschiedene Faktoren α1 bis α3 berück-sichtigt und zusätzlich auch noch eine weitere Variante be-züglich des anzusetzenden Biegemomentes Mz. Dieses Bie-gemoment Mz ändert seine Größe auch in Abhängigkeit desTorsionsmomentes Mx und damit derVerdrehung ϑ.

Aus einer Betrachtung der Biegemomente in der ver-formten Lage ergeben sich Bild 8 und die beiden Biege-

α =−

1

1M

My

cr

momente My und Mz nach Theorie II. Ordnung. Währenddie Änderung des Biegemomentes My infolge des Anteilsaus Mz nach Gl. (9b) i. d. R. vernachlässigt werden darf,ist die Änderung des Biegemomentes Mz durch My nachGl. (9a) (= ∆Mz)betragsmäßig bedeutender – hierbei ist zubeachten, daß bei in positiver Richtung wirkender Bela-stung das Biegemoment Mz ein negatives Vorzeichen hat:

MIIz = MI

z – MIy ϑ (9a)

MIIy = MI

y – MIz ϑ (9b)

Das Differenzmoment ∆Mz wurde daher in besonderenAuswertungen berücksichtigt.

Bei diesen Auswertungen wurde dabei so vorgegan-gen, daß Gl. (5) = 1,0 gesetzt und dann nach dem Faktorkw aufgelöst wurde.

Ein kleiner Teil der Ergebnisse solcher Auswertungender FEM-Traglastrechnungen ist in [8] angegeben undhier aus Platzgründen nicht dargestellt.

Als Ergebnis ist festzuhalten:– Wenn α = 1gesetzt wird, dann ergeben sich sehrweit streu-ende Werte für kw sowohl auf der Grundlage von [1] als auchnach [2], die z. T. > 1 sind, zum anderen Teil auch negativ.– Wenn α ähnlich Gl. (5), jedoch mit Quadratur des ne-gativen Terms unter dem Bruchstrich angesetzt wird, dannergeben sich auch sehrweit streuende Werte für kw sowohlauf der Grundlage von [1] als auch nach [2], die Wertesind z. T. auch negativ.– Wenn ∆Mz berücksichtigt wird, dann ergeben sich auchWerte, die z. T. negativ sind.

Schließlich wurde nur die folgende Variante weiter-verfolgt:a) Es wird der Vergrößerungsfaktor α nach Gl. (8) ver-wendet. b) Das Differenzmoment ∆Mz wird nicht explizit ange-setzt, seine Wirkung wird indirekt durch das Wölbbimo-ment mit erfaßt.

Die Ergebnisse für alle FEM-Traglastrechnungenwurden nun näher betrachtet und im folgenden als kw be-zeichnet. Die Ergebnisse für diese kw-Werte für den Falleines IPE 200 unter Einzellast sind aus Bild 9 zu ersehen.

Ähnliche Ergebnisse werden für andere Fälle erhal-ten, die jedoch bezüglich der Mittelwertgeraden starkstreuen. Die Gesamtheit aller Ergebnisse aus 40 Traglast-berechnungen für Beanspruchungen aus My und Mx mitEinzellast in Feldmitte sind im Bild 10 dargestellt.

Es ist zu erkennen, daß eine große Variationsbreitevorhanden ist. Die im Bild 10 angegebene obere statisti-

Bild 8. Biegemomente in der verformten Lage eines verdreh-ten TrägersFig. 8. Bending moments in deformed position

sche Grenze wird nur von wenigen Ergebnissen über-schritten. Aus diesem Grunde wurden für das weitere Vor-gehen zwei Varianten in Betracht gezogen, von denendann die der Gl. (7) weiterverwendet wird.

4.4 Einfluß des Biegemomentes Mz

Es wurden alle Traglastversuche dahingehend ausgewer-tet, daß die jeweiligen relativen Anteile der Biegemomentemy, mz, mw nach den Gl. (4a) bis (4c) über der Höhe derLast aufgetragen wurden. Beispielhaft sind die Ergebnisseaus den Bildern 11 und 12 zu ersehen, vgl. auch [9].

Aus den Bildern 11 und 12 ist ersichtlich, daß prinzi-piell zwei verschiedene Arten des Tragverhaltens vorlie-gen:a) Es sind Versuche vorhanden, bei denen als Beanspru-chung nur Biegemomente My und Mx vorhanden waren,

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dies betrifft die Versuche 11, 14, 21, 24, 31, 321, 322, 33, 341,342.b) Es sind Versuche vorhanden, bei denen als Beanspru-chung zusätzlich zu den Biegemomenten My und Mx auchnoch Biegemomente Mz vorhanden waren, dies betrifftalle übrigen Versuche.

Bei den Versuchen nach a) – beispielhaft ist dies ausVersuch 11 zu ersehen – ist bei geringen Lasten P kein Bie-gemoment Mz vorhanden. Erst bei größeren Lasten bautsich ein Biegemoment Mz nach Theorie II. Ordnung ent-sprechend Gl. (9a) auf. In diesen Fällen nimmt das Wölb-bimoment Mw stetig bis zum Erreichen der Traglast zu,s. Bild 11.

Bei den Versuchen nach b) – beispielhaft ist dies ausVersuch 121 zu ersehen – ist auch schon bei geringen La-sten P ein Biegemoment Mz planmäßig vorhanden. Beigrößeren Lasten vergrößert sich dieses Biegemoment Mznoch nach Theorie II. Ordnung entsprechend Gl. (9a). Indiesen Fällen nimmt das Wölbbimoment Mw zunächstauch stetig zu. Nachdem im maximal beanspruchten GurtPlastizierungen auftreten, die sehr wesentlich durch Mzhervorgerufen werden, kann zusätzlich kein Mw mehr auf-

Bild 9. Auswertungen für kw von FEM-Traglastrechnungenfür IPE 200Fig. 9. Evaluations for kw of FEM ultimate load calcula-tions for IPE 200

Bild 10. Auswertungen für kw von 40 FEM-Traglastrechnun-gen für verschiedene Profile, verschiedene bezogene Schlank-heitsgradeFig. 10. Evaluations for kw of FEM ultimate load calcula-tions for different profiles, slendernesses

Bild 11. Versuch 11: IPE 200, beansprucht durch My und MwFig. 11. Test 11: IPE 200 subjected to My and Mw

Bild 12. Versuch 121: IPE 200, beansprucht durch My, Mz, MwFig. 12. Test 121: IPE 200 subjected to My, Mz and Mw

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genommen werden, daher baut sich das Mw dann bis zumErreichen der Traglast teilweise oder sogar fast vollständigab, s. Bild 12. Dieser Abbau = Rückgang von Mw ist beigroßen Anteilen von Mz besonders ausgeprägt.

Um diesem Verhalten Rechnung zu tragen, wird einzusätzlicher Korrekturterm nach Gl. (6) eingeführt, dermöglichst einfach gewählt wurde.

Dieser Korrekturterm besagt, daß bei voller Aus-lastung durch Mz (= mz) gar kein WölbbimomentenanteilMw (= mw) vom I-Profil aufgenommen werden kann. Diesist für I-Profile auch zutreffend, da bei voller Plastizierungeines Gurtes das doppeltsymmetrische I-Profil für andereweitere Spannungsanteile zu einem einfachsymmetrischenT-Profil wird, dessen Wölbwiderstand Iw gleich Null ist.Wenn kein Mw aufgenommen werden kann, braucht diesauch im Nachweis nicht berücksichtigt zu werden.

Mit diesem Korrekturterm kzw ist der Anteil desWölbbimomentes mw zu multiplizieren, so daß sich damitletztlich die Interaktionsgleichung in der Form der Gl. (5)ergibt.

5 Entwicklung des vereinfachten Nachweises5.1 Allgemeines

Die an der TU Berlin durchgeführten Traglastversucheund die Traglastrechnungen werden mit der Nachweisglei-chung (5) ausgewertet. Dazu ist es erforderlich, als Ein-gangswert jeweils den Abminderungsfaktor für das Biege-drillknicken zu kennen,– κM, wenn die Auswertung nach DIN 18800-2 [1] erfolgt.– χLT, wenn die Auswertung nach EN 1993-1-1 [2] erfolgt.

Dabei ergeben sich diese Werte in Abhängigkeit vombezogenen Schlankheitsgrad λ

_M bzw. λ

_LT, derwiederum vom

idealen Biegedrillknickmoment Mcr (nach DIN 18800-2:MKi,y) abhängig ist.

Bezüglich der Versuche wurden diese Werte für dietatsächlich in den Versuchen vorhandenen Hebelarme zPder Last, mit den jeweiligen für den Versuch ermitteltenQuerschnittswerten und plastischen Momenten Mpl,y mitdem Programm KIBAL [17] berechnet. Es zeigt sich, daßim vorliegenden Fall diese beiden Werte sehr ähnlich sind.

Bezüglich der Traglastrechnungen wurden die alsEingangswerte benötigten Werte für MKi für die beidenuntersuchten Hebelarme zP der Last (= –h/2 oder = 0) inder Regel nach DIN 18800-2, El. (311), Anmerkung 1, be-rechnet. Nur für die UPE-Profile und Profile mit vergrößer-tem Obergurt (s. Abschn. 6.2) wurde eine Berechnung mitdem Programm KIBAL [17] vorgenommen, da sich dieshier aus Gründen der Genauigkeit anbot. Dabei wurdenjeweils die nominellen Querschnittswerte und plastischenMomente Mpl,y (mit der Streckgrenze fy = 23,5 kN/cm2)eingesetzt.

Bei den Traglastrechnungen wurde auch für die je-weils untersuchten Lastfallgruppen, bei denen i. d. R. derTorsionsanteil variiert wurde, eine Rechnung durchge-führt, bei der nur Biegemomente My vorhanden waren.Damit erhält man einen rechnerischen Wert χ für den Ab-minderungsfaktor, der sich etwas von den Werten χLT undκM unterscheidet. Für die in den Traglastrechnungen un-tersuchten Beispiele unterscheiden sich in einigen Fällendie drei Abminderungsfaktoren bis zu 10 %, Einzelheitensind [8] zu entnehmen.

Um die Nachweisgleichung (5) nicht mit Ungenauig-keiten, die aus den unterschiedlichen χLT-Werten resultie-ren, zu belasten, wurde der Biegeanteil in Gl. (5) „nor-miert“, indem der neu berechnete χLT-Wert (hier einfach χgenannt) bei den Auswertungen nach DIN 18800-2 undprEN 1993-1-1 eingesetzt wurde. Damit der Effekt dieserMaßnahme deutlich wird, wurde zusätzlich jeweils eineVariante untersucht, bei der bei den Auswertungen diese„Normierung“ nicht vorgenommen wurde.

5.2 Auswertungen der Versuche

Die Auswertungen erfolgen so, daß derjenige Divisor f ite-rativ berechnet wird, durch den die vorhandenen Schnitt-größen dividiert werden müssen, um die Nachweisglei-chung (5) zu erfüllen. Dies bedeutet, daß bei Werten f > 1die Ergebnisse derVersuche durch die Nachweisgleichungauf der sicheren Seite liegend angenähert wird, Werte f < 1dagegen, daß dies auf der unsicheren Seite liegen würde.

Die Iteration ist notwendig, da nicht nur die durchmy, mz, mw ausgedrückten Schnittgrößen selbst in Gl. (5)eingehen, sondern auch die Faktoren α, kw, kzw ihrerseitsvon den Schnittgrößen abhängen.

Eine Auswertung nach dem Verfahren der Versuchs-auswertung nach Eurocode (früher Annex Z in EC 3 –prEN 1993-1-1) erfolgt nicht. Die Grundlagen dafür sindzwar in EN 1990-1 angegeben, wurden jedoch für derartigkomplexe Nachweisgleichungen wie die Gl. (5) bishernicht angewendet – außerdem ist auch keine Softwareverfügbar, mit der diese Aufgabe zu bewältigen ist.

Die Einzelwerte der Auswertungen, auch bezüglichder verschiedenen untersuchten Varianten, sind in [8] an-gegeben. Die wichtigsten Gesamtergebnisse sind der Ta-belle 3 zu entnehmen.

Die größten Werte f ergeben sich dabei für diejenigenFälle, bei denen der mz-Anteil sehr hoch ist. Dies bedeutet,daß in diesen Versuchen das Stabilitätsversagen wenigerausgeprägt war, als in den übrigen Versuchen. Damit kannes sein, daß letztlich die Querschnittsinteraktion zwischenden drei Schnittgrößen für den Nachweis maßgebendwird, die überlinear (etwa kreisförmig gekrümmt) verläuft.In der Nachweisgleichung (5) steckt aber als Ausgang einelineare Interaktion, die Querschnittsinteraktion ist darinnicht enthalten.

Es wurde jeweils parallel eine Auswertung auf derGrundlage von DIN 18800-2 [1] und EN 1993-1-1 [2] vor-genommen, wobei in beiden Fällen der Torsionsanteil, wiein Gl. (5) gezeigt, ergänzt wurde. Diese beiden Auswertun-gen unterscheiden sich wie folgt:

DIN 18800-2 prEN 1993-1-1mit κM mit χLT

arith. m 1,214 1,246

arith. s 0,104 0,113

arith. m – s 1,110 1,143

log m – k · s 1,057 1,077

max 1,536 1,616

min 1,087 1,088

Tabelle 3. Statistische Auswertung der 22 TraglastversucheTable 3. Statistical evaluation of 22 test results

– Bei der Auswertung nach EN 1993-1-1 wurden dieWerte χLT, die auch bei den Eingangswerten von Tabelle3.5-2 in [8] aufgeführt sind, benutzt.– Bei der Auswertung nach DIN 18800-2 wurden dieWerte κM, die in Tabelle 3.5-1 in [8] aufgeführt sind, be-nutzt.– Nach DIN 18800-2 entfällt der Faktor Cmz bei dem An-teil mz, dieser ist bei EN 1993-1-1 für den hier vorliegendenFall der Einzellast in Feldmitte 0,90.

Aus Tabelle 3 ist ersichtlich, daß sich die als maßge-bend betrachteten Werte f bezüglich DIN 18800-2 undEN 1993-1-1 nur geringfügig unterscheiden. Die positivenSchlußfolgerungen sind daher für die Erweiterung derNachweisgleichungen in beiden Normenwerken gültig.

Es ist ersichtlich, daß alle Ergebnisse auf der sicherenSeite liegen, so daß damit die hinreichende Genauigkeitder Nachweisgleichungen nachgewiesen wurde. Die ange-gebene statistische Auswertung liefert ergänzende Hin-weise:– Es sind alle Werte f > 1.– Der Wert m-s ist > 1.– Der untere statistische Grenzwert (bei logarithmischerAuswertung) log m-k s ist > 1.

Die Werte f sind für die Auswertung nach DIN 18800-2[1] ergänzend im Bild 13 dargestellt, die nach prEN 1993-1-1unterscheiden sich nur geringfügig davon.

5.3 Auswertungen zu den Traglastrechnungen

Die prinzipielle Art der Auswertung entspricht vollständigderjenigen von Abschn. 5.2. Die Auswertungen erfolgtenzunächst– für den jeweiligen Unterlastfall für das betrachtete Pro-fil für die untersuchten bezogenen Schlankheitsgrade,i. allg. λ

_LT = 0,50, 1,00, 1,50

– für das betrachtete Profil für alle untersuchten Unter-lastfälle nach Tabelle 2 und bezogenen Schlankheitsgrade– für alle untersuchten Profile, für die der gleiche Unter-lastfall berechnet wurde.

Da sich dabei gezeigt hat, daß die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Gruppen nicht sehr groß sind, wirdschließlich eine zusammenfassende Auswertung allermehr als 150 untersuchten Fälle vorgenommen. Die mei-sten dieser Ergebnisse sind in [8] angegeben, werden hier

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aus Gründen des Umfanges jedoch nicht mitgeteilt. Ge-genüber [8] wurden folgende Änderungen vorgenommen:– Es wurden weitere FEM-Berechnungen für das ProfilHEB 800 durchgeführt, das nach [2],Tab. 6.5, der ungünsti-geren Biegedrillknicklinie „c“ zuzuordnen ist,– Es blieben bei den UPE-Profilen diejenigen Werte un-berücksichtigt, die Anteile mw > 0,60 aufwiesen.

Auch hier wird wieder parallel eine Auswertung aufder Grundlage von DIN 18800-2 [1] und EN 1993-1-1 [2]vorgenommen. Diese beiden Auswertungen unterscheidensich auch hier wie folgt:– Bei derAuswertung nach EN 1993-1-1wurden sowohl dieWerte χ als auch die in [2] angegebenen Werte χLT benutzt.– Bei der Auswertung nach DIN 18800-2 wurden sowohldie Werte χ als auch die Werte κM nach [1] benutzt.– Nach DIN 18800-2 entfällt der Faktor Cmz bei dem An-teil mz, dieser ist bei EN 1993-1-1 für den hier vorliegendenFall der Einzellast in Feldmitte 0,90, für den Fall derGleichstreckenlast 0,95.

Die Einzelergebnisse sind in [8] angegeben, die zu-sammenfassende statistische Auswertung ist aus Tabelle 4zu ersehen.

Es ist ersichtlich, daß die Ergebnisse insgesamt aufder sicheren Seite liegen, so daß damit die hinreichendeGenauigkeit der Nachweisgleichungen nachgewiesen wurde.Die angegebene statistische Auswertung liefert ergänzendeHinweise:

Bild 13. Ergebnisse für die Werte f aus der Auswertung nachDIN 18800-2 aller TraglastversucheFig. 13. Results for divisor f for all 22 test results from eva-luations due to DIN 18800-2

DIN 18800-2 prEN 1993-1-1mit κM mit χ mit χLT mit χ

arith. m 1,124 1,133 1,144 1,124

arith. s 0,092 0,079 0,100 0,074

arith. m – s 1,032 1,054 1,044 1,050

log m – k · s 0,979 1,009 0,988 1,009

% Werte < 1,00 9,7 0 4,1 0

max 1,353 1,383 1,402 1,383

min 0,944 1,004 0,969 1,004

Tabelle 4. Statistische Auswertung von 145 FEM-Traglastbe-rechnungen für I-, HEB-, UPE- ProfileTable 4. Statistical evaluation of 145 FEM ultimate loadcalculations for I-, HEB, UPE- profiles

Bild 14. Ergebnisse für die Werte f aus der Auswertung nachprEN 1993-1-1 (Anhang A, Methode B) aller FEM-Traglast-rechnungenFig. 14. Results for divisor f for 145 ultimate load calcula-tion results from evaluations due to prEN 1993-1-1 usingcalculated reduction factors χ

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– Es sind in den Fällen der „Normierung“ (Verwendungdes gerechneten Abminderungsfaktors χ für das Biege-drillknicken) alle Werte f > 1.– Der Wert m-s ist > 1.– Die Werte log m-k s sind > 1 in den Fällen der „Normie-rung“, sonst nur wenig darunter.

Die Werte f sind für die Auswertung nach prEN 1993-1-1bei Verwendung des gerechneten Abminderungsfaktors χergänzend im Bild 14 dargestellt. Die Darstellung nachDIN 18800-2 unterscheidet sich nur geringfügig davon.

5.4 Schlußfolgerungen

Aus den Ergebnissen der Abschnitte 5.2 und 5.3 ist festzu-stellen, daß die vorgeschlagenen Nachweisgleichung (5)sowohl die Versuche als auch die FEM-Traglastrechnun-gen mit ausreichender Genauigkeit erfaßt. Sie kann daherzur Anwendung empfohlen werden.

6 Weitere Untersuchungen und Anwendungsbereich6.1 Berücksichtigung einer Normalkraft

Aus Zeitgründen war es bisher nur möglich, die in Berlindurchgeführten Versuche und Traglastrechnungen durcheine Nachweisgleichung zu erfassen. Für die an der RUBochum durchgeführten Versuche, bei denen auch eineDrucknormalkraft N vorhanden war, sind einige Auswer-tungen im Abschnitt 3.6 von [8] aufgelistet. Auch diesezeigten positive Ergebnisse auf der sicheren Seite. AusZeitgründen konnten jedoch bisher nicht alle Versucheausgewertet werden, und es fehlen insbesondere bisherentsprechende ergänzende Traglastrechnungen. Damit istder abschließende Beweis, daß durch eine ergänzte Nach-weisgleichung mit zusätzlichem Term der Normalkraft,wie er in DIN 18800-2 und EN 1993-1-1 jeweils enthaltenist, die Torsion auch erfaßt werden kann, zunächst nochnicht umfassend erbracht und ist weiteren Untersuchun-gen vorbehalten.

6.2 Einfachsymmetrische Profile

Die im Abschn. 5 mitgeteilten Ergebnisse betrafen doppel-symmetrische Walzprofile. Aus diesem Grunde wurdennach Abschluß von [8] an derTU Berlin weitere FEM-Trag-lastrechnungen durchgeführt. Dabei wurden untersucht a) HEB 200 mit doppeltem Obergurtb) HEB 800 mit doppeltem Obergurtjeweilsc) mit drei bezogenen Schlankheitsgraden λ

_M etwa 0,70,

1,00, 1,30d) Einzellasten in Feldmitte (LF 20, 21 nach Tabelle 2)d) mit Schnittgrößen My + Mz + Mx, wobei der mz-Anteilbis 0,40 betrug.

Der doppelte Obergurt wurden aus Gründen der ein-facheren Modellierung in Ergänzung zu den bisherigenUntersuchungen gewählt, in der Praxis wird stattdessenein breiterer Obergurt vorhanden sein, der mit den vorge-nommenen Untersuchungen jedoch abgedeckt wird.

Die Ergebnisse der entsprechenden Auswertungen be-züglich des Faktors f sind in Tabelle 5 angegeben. Darausist ersichtlich, daß die Ergebnisse sehr ähnlich wie diejeni-gen der Tabelle 4 sind.

6.3 Geschweißte Profile

Die Versuche wurden an Walzprofilen durchgeführt, dieFEM-Traglastrechnungen ebenfalls. Um zu sehen, ob sichgeschweißte Profile ungünstiger verhalten, wurden zumVergleich in einigen Berechnungen geschweißten Profileuntersucht. Gegenüber den gewalzten Profilen entfielendie Ausrundungsradien, und die Eigenspannungen wurdenso angenommen, wie in [5] angegeben. Die Auswertungendieser Ergebnisse führen zu vergleichbaren Resultaten.

6.4 Anwendungsbereich

Damit ist nachgewiesen, daß die abgeleitete Nachweisglei-chung (5) insbesondere zur Bemessung von Kranbahnträ-gern herangezogen werden darf, sofern dort weder der Be-triebsfestigkeitsnachweis noch ein Nachweis des Plattenbeu-lens maßgebend wird. Wenn einfachsymmetrische Profilevorhanden sind, dann ist vorausgesetzt, daß der stärkereGurt gedrückt ist.

7 Beispiele7.1 Beispiel 1

Es wird die in [7] untersuchte Randpfette HEA 160(Stützweite L = 7,50) betrachtet, die durch Gleichstrecken-lasten qy und qz belastet ist, s. Bild 15. Diese betragen unterγM-fachen Bemessungswerten der Einwirkungen

qz = 3,23 kN/mqy = 1,02 kN/mmd = 1,02 · 0,152/2 = 0,0775 kNm/m

In [7] wurde für die 2. Ableitung der Verdrehung in Feld-mitte für die Torsionsbelastung ohne Vorverformung nähe-rungsweise ermittelt.

ϑ" = –0,01435 · 0,0775/0,129 = –0,00862 1/m2

Damit ergeben sich die Schnittgrößen nach Theorie I. Ord-nung

My = 3,23 · 7,52 · 0,125 = 22,71 kNmMz = 1,02 · 7,52 · 0,125 = 7,17 kNmMw = 21000 · 31410 · 10–8 · 0,00862 = 0,0569 kNm2

Tabelle 5. Statistische Auswertung von 60 FEM-Traglastbe-rechnungen für einfachsymmetrische HEB-Profile mit dop-peltem ObergurtTable 5. Statistical evaluation of 60 FEM ultimate load cal-culations for singlesymmetrical HEB profils with increasedupper chord

DIN 18800-2 prEN 1993-1-1mit κM mit χ mit χLT mit χ

arith. m 1,217 1,184 1,265 1,165

arith. s 0,099 0,113 0,080 0,110

arith. m – s 1,118 1,071 1,185 1,055

log m – k · s 1,063 1,009 1,140 0,994

max 1,405 1,391 1,452 1,350

min 1,069 1,029 1,133 1,012

Die vollplastischen Schnittgrößen betragen

Mpl,y = 58,84 kNmMpl,z = 27,65 kNmMpl,w = 0,255 h

_t b2

fy = 0,25 · 0,143 · 0,009 · 162 · 24 = 1,98 kNm2

Das ideale Biegedrillknickmoment MKi,y beträgt [7]

MKi,y = 46,7 kNmmy = 22,71/58,84 = 0,386 mz = 7,17/27,65 = 0,259 mW = 0,0569/1,98 = 0,0287α = 1/(1 – 22,7/46,7) = 1,95kw = 0,7 – 0,2 · 0,0289 = 0,694kzw = 1 – 0,259 = 0,741

Bezogener Schlankheitsgrad

λ_

M = √58,84______

/ 46,7______

= 1,123κM [1], [5] = 0,664

Nachweis0,386 / 0,664 + 0,259 + 0,694 · 0,741 · 1,95 · 0,0887= 0,581 + 0,259 + 0,029 = 0,869 < 1,0

Zur Überprüfung der Querschnittstragfähigkeit wird ver-einfachend unter Vernachlässigung der Schubspannungenaus Torsion die Querkraft am Auflager überprüft

max Vz = qz 0,5 L = 3,23 · 0,5 · 7,5= 12,1 kN << Vpl,z = 146 kN.

Die Beanspruchungen können bis zum Erreichen derGrenztragfähigkeit also noch gesteigert werden. Iterativergibt sich der entsprechende Faktor zu η = 1,15.

Zum Vergleich sind in Tabelle 6 weitere Ergebnisseaufgeführt.

7.2 Beispiel 2 – Kranbahnträger

Es wird der in [5] untersuchte Kranbahnträger betrachtet,bei dem aus Vereinfachungsgründen nur eine Kranlastberücksichtigt wurde, s. Bild 16. Die Schnittgrößen nach

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Theorie I. Ordnung unter den Bemessungswerten der Ein-wirkungen betragen [5]

My,d = 108 kNmMz,d = 8,3 kNmMw,d = 1,44 kNm2

Mpl,y,d = 181 kNmMpl,z,d = 85,9 kNmMpl,w,d = 8,62 kNm2

MKi,y,d[5] = 375 kNmλ_

M, κM [5] = 0,695, 0,942my = 108/181 = 0,597mZ = 8,3/86,9 = 0,097mw = 1,44/8,62 = 0,167kw = 0,7 – 0,2 · 0,167 = 0,667kzw = 1 – 0,0967 = 0,903α = 1/(1 – 108/375) = 1,40

Nachweis0,597/0,942 + 0,097 + 0,667 · 0,903 · 1,40 · 0,167= 0,634 + 0,097 + 0,141 = 0,872

Zur Überprüfung der Querschnittstragfähigkeit wird ver-einfachend unter Vernachlässigung der Schubspannungenaus Torsion die Querkraft in Feldmitte überprüft

Vz,d = 0,5 · 75 = 37,5 kNVpl,z,d = 307/1,1 = 279 kNVz,d/Vpl,z,d = 37,5/279 = 0,13 << 0,33

In Tabelle 7 sind die Ergebnisse nach verschiedenen Be-rechnungsmethoden zusammengestellt und zusätzlich auchdie möglichen Laststeigerungsfaktoren η bis zum Erreichender jeweiligen Grenzlast angegeben.

HEA 160S 235

h = 152 mm

3°z

y

md

qy

qz

Bild 15. Beispiel 1 einer Randpfette HEA 160 [7]Fig. 15. Example 1 for a purlin HEA 160 [7]

Nr. Schnittgrößen Verfahren nach Sd/Rd η

1 II. Ordnung Elast. Randsp. = fy [7] 1,134 0,914

2 II. Ordnung Verfahren Unger [7] 0,688 1,24

3 II. Ordnung Gl. (5) κM [1] 0,869 1,15Gl. (5) χLT [2] 0,882 1,12

4 FEM Ansys 1,38

5 II. Ordnung KSTAB (ν0 = L/400) [18] 0,696 1,25

Tabelle 6. Ergebnisse für Beispiel 1Table 6. Resuls for example 1

Bild 16. Beispiel 2 eines Kranbahnträgers HEB 220 [5]Fig. 16. Example 2 for a cran girder HEB 220 [5]

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8 Zusammenfassung

Es wurde über die an der TU Berlin durchgeführten Trag-lastversuche und ergänzenden FEM-Traglastberechnungenberichtet, die zur Erfassung planmäßigerTorsion in den ver-einfachten Nachweisen von DIN 18800-2 und prEN 1993-1-1(Annex A, Methode B) dienen. Der Nachweis nach Gl. (5)ergänzt für I- und U-Profile bezüglich des Torsionstermsdie in den beiden Normen angegebenen Nachweise fürdas Biegedrillknicken. Sofern die Anwendung für einfach-symmetrische Profile erfolgt, ist vorausgesetzt, daß derObergurt gedrückt wird. Die Untersuchungen wurdenüberwiegend im Rahmen des Forschungsvorhabens P554mit fachlicher Begleitung und mit finanzieller Förderungder Forschungsvereinigung Stahlanwendung (FOSTA) Düs-seldorf durchgeführt. Hierbei waren neben der TU Berlinauch die RWTH Aachen, die RU Bochum und die PeinerTräger AG beteiligt. Für die Förderung bedanken wir unsauf diesem Wege sehr herzlich.

Literatur

[1] DIN 18800-2: 1990: Stahlbauten, Stabilitätsfälle, Knicken vonStäben und Stabwerken.

[2] prEN 1993-1-1: 2004-2: Eurocode 3: Bemessung und Kon-struktion von Stahlbauten, Teil 1-1: Allgemeine Bemessungs-regeln und Regeln für den Hochbau.

[3] Greiner, R., Lindner, J.: Die neuen Regelungen in der euro-päischen Norm EN 1993 für Stäbe unter Druck und Biegung.Stahlbau 72 (2003), H. 3, S. 157–172.

[4] Petersen, C.: Statik und Stabilität von Baukonstruktionen.Vieweg Verlag, 2. Aufl., Braunschweig, 1982.

[5] Lindner, J., Scheer, J., Schmidt, H.: Stahlbauten: Erläuterun-gen zu DIN 18800 Teil 1 bis Teil 4, 3. Aufl. Berlin: Verlag Ernst& Sohn, 1998.

[6] Seeßelberg, C.: Zum neuen Tragsicherheitsnachweis vonKranbahnträgern nach Anpassungsrichtlinie Stahlbau undDIN 18 800. Stahlbau 66 (1997), H. 12, S. 830–839.

[7| Lindner, J., Heyde, S.: Schlanke Stabtragwerke. In: Stahl-bau-Kalender 2004, S. 373–448. Berlin: Verlag Ernst & Sohn.

[8] Forschungsvereinigung Stahlanwendung: Untersuchungenzum Einfluß der Torsionseffekte auf die Querschnittstrag-fähigkeit und Bauteiltragfähigkeit von Stahlprofilen. ProjektP554, Düsseldorf 2004.

[9] Kindmann, R., Wolf, C.: Ausgewählte Versuchsergebnisseund Erkenntnisse zum Tragverhalten von Stäben aus I- undU-Profilen. Stahlbau 73 (2004), H. 9, S. 683–692.

[10] Lindner, J., Kurth, W.: Biegedrillknickversuche an querbe-lasteten Walzträgern. Der Bauingenieur 53 (1978), S. 373–377.

[11] Lindner, J., Kurth, W.: Zum Einfluß der Eigenspannungenbei querbelasteten Kaltprofilen. Der Stahlbau 49 (1980), H. 10,S. 297–305.

[12] Lindner, J., Gregull, T.: Zur Traglast von Biegeträgern, diedurch gleichzeitiges Auftreten von örtlichem Beulen und Bie-gedrillknicken versagen. Stahlbau 61 (1992), H. 1, S. 9–15.

[13] Ansys User Manual, Version 6.1.[14] Snijder, H. H., Hoenderkamp, J. C. D., Bakker, M. C. M.:

Strengh and stability of channel sections used at Beams,Eindhoven University of technology, facultteit bouwkunde,1999.

[15] Lindner, J, Kurth, W.: Zum Biegedrillknicken von Stützenaus StE 690. Der Stahlbau 51 (1982), H. 12, S. 366–372.

[16] Kindmann, R., Ding, K.: Alternativer Biegedrillknicknach-weis fürTräger aus I-Querschnitten. Stahlbau 66 (1997), H. 8,S. 488–497.

[17] Bamm, D., Lindner, J.: KIBAL: EDV-Programm zur Be-rechnung gerader Stäbe mit beliebigen Belastungen und La-gerungsbedingungen. Version Lindner 2F, TU Berlin, 2003.

[18] Kindmann, R., Frickel, J.: Elastische und plastische Quer-schnittstragfähigkeit. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2002.

[19] Osterrieder, P., Richter, St.: Kranbahnträger aus Walzprofi-len. Nachweise und Bemessungsdiagramme. Braunschweig:Vieweg 1999.

Autoren dieses Beitrages:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joachim Lindner und Dipl.-Ing. Thorsten Glitsch, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Stahlbau, Sekr. TIB1-B1, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 Berlin

Nr. Schnittgrößen Verfahren nach Sd/Rd η

1 II. Ordnung Mw durch M*z [5] 1,026 0,975

2 II. Ordnung erweiterte Interaktion [5] 0,818 1,16

3 II. Ordnung Verfahren Unger [5] 0,880 1,12

4 II. Ordnung Gl. (5) κM [1] [1] 0,872 1,14Gl. (5) χLT [2] [2] 0,846 1,13

5 FEM Ansys 1,30

6 II. Ordnung KSTAB (ν0 = L/400) [18] 0,772 1,25

Tabelle 7. Ergebnisse für Beispiel 2Table 7. Resuls for example 2