Verfügbare Impfstoffe, neue Entwicklungen und Relevanz für die … · 2020-06-30 ·...
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Neisseria meningitidisVerfügbare Impfstoffe, neue Entwicklungen und Relevanz für die Reisemedizin
Christof Vinnemeier, Jakob P. CramerBernhard-Nocht-Ambulanz, Sektion Tropenmedizin, 1. Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Leitung: Dr. Jakob P. Cramer) undArbeitsgruppe Klinische Forschung, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
Neisseria meningitidis, gramnegative Diplokokken, zählen zu den wichtigsten Erregern bei der sogenannten epidemischen Genickstarre. Für die Adhärenz an menschliche Zellen prägen sie Oberflächenadhäsine und -pili aus, sie besitzen ein variables Lipooligosaccharid und – im Gegensatz zu Neisseria gonorrhoeae – eine Polysaccharidkapsel.Die Antigenstruktur dieser Polysaccharidkapsel ermöglicht die Unterteilung in 14 bekannte Serogruppen. Weltweit lösen die Serogruppen A, B, C, W135 und Y 90 % aller invasiven Meningokokkeninfektionen aus. Andere Serogruppen (z. B. X, V, Z, 29E) finden sich hingegen meist bei asymptomatischen Trägern.Meningokokken sind grundsätzlich weit verbreitet. Circa 15 % aller Menschen sind symptomlose Träger. In erster Linie handelt es sich hierbei um junge Erwachsene [1].
MeningokokkenMeningokokken werden durch Tröpfcheninfektion übertragen und besiedeln die Epithelzellen der Schleimhaut des Nasopharynx oder der Genitalien. Sowohl bei dieser initialen Anheftung an das Epithel als auch bei der möglichen späteren Anbindung an zerebrale Endothelzellen im Rahmen der invasiven Infektion spielen Oberflächenproteine und -pili der Meningokokken eine entscheidende Rolle. Ihre Pathogenität zeichnet sich durch nachfolgende Zerstörung der Endothelzellen und Entzündung der Zellmembranen aus, die zu fokalen Hämorrhagien und in schweren Fällen zu den bei der Meningitis gefürchteten Komplikationen wie beispielsweise einer Verbrauchskoagulopathie oder dem WaterhouseFriederichsenSyndrom führen können.Durch die weitgehende Abwesenheit von Phagozyten und Komplementfaktoren in der Zerebrospinalflüssigkeit ist der Erreger weitgehend geschützt sobald er einmal seinen Weg vom NasenRachenRaum durch die Lamina cribrosa in den Subarachnoidalraum gefunden hat.
Die Inzidenz invasiver Meningokokkenerkrankungen lag in Deutschland im Jahr 2011 bei 0,45/100 000 Einwohner und damit etwa auf dem Niveau der Vorjahre. In anderen Regionen, insbesondere auf dem afrikanischen Konti-nent, hat Neisseria meningitidis einen deutlich größeren Einfluss auf Morbidi-tät und Mortalität. Invasive Meningokokkenerkrankungen sind bei Reisenden insgesamt selten, sie verlaufen aber häufig kompliziert und mit einer hohen Letalität.Bezüglich der Impfstoffe haben sich in den letzten 2,5 Jahren einige Neuent-wicklungen ergeben. Zusätzlich zu den im Jahr 2006 auch in Deutschland als Standardimpfung bei Kindern eingeführten monovalenten Impfstoffen gegen Meningokokken der Gruppe C sind seit 2011 beziehungsweise 2012 auch 2 tetravalente Konjugatimpfstoffe gegen die Gruppen A, C, W135 und Y ab einem Alter von 12 beziehungsweise 24 Monaten zugelassen. Ferner hat im Frühjahr 2013 erstmals ein Multikomponentenimpfstoff gegen Gruppe-B- Meningokokken, der in gemäßigten Klimazonen überwiegend vorkommen-den Gruppe, die Zulassung ab dem 2. Lebensmonat erhalten. Dieser Impfstoff wird voraussichtlich Anfang 2014 verfügbar sein.Bei Reisenden kommt eine Impfung insbesondere für Reisen in den Meningi-tisgürtel Afrikas in Frage. Das Infektionsrisiko ist aber auch zum Beispiel bei Schülern in Neuseeland oder bei Bewohnern von Studentenwohnheimen in den USA höher als im heimischen Umfeld. Für Hadsch-Pilgerreisende besteht eine Impfpflicht.
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Zudem besitzt N. meningitidis Mechanismen, sich sowohl vor Phagozytose als auch vor Komplement und IgA zu schützen.
EpidemiologieMeningokokken sind weltweit verbreitet. Es gibt jedoch deutliche regionale Unterschiede sowohl bezüglich der Inzidenz invasiver Erkrankungen als auch der Verteilung der einzelnen Serogruppen.In Europa wie auch in anderen gemäßigten Klimazonen sind vor allem Meningokokken der Gruppen B und C für invasive Erkrankungen verantwortlich, die meist im Winter und Frühjahr auftreten [2, 3]. Die Anteile dieser beiden Serogruppen lagen in Deutschland im Jahr 2012 bei 24,1 % (Gruppe C) beziehungsweise bei 66,9 % (Gruppe B) [4].
InzidenzSeit 2003 geht die Inzidenz in Deutschland deutlich zurück. Dieser Rückgang nahm ab 2006 mit der Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO), Kinder ab einem Alter von einem Jahr mit einem konjugierten MeningokokkenCImpfstoff zu impfen, weiter zu. Nach Zahlen des Robert KochInstituts sank allein zwischen 2009 und 2011 die Inzidenz der Erkrankungen von 0,61 auf 0,45 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner [2].Die Gesamtinzidenz in Europa liegt zurzeit bei 0,5 bis 5 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner. In den Ländern, in denen Meningokokken der Gruppen B und C dominieren, gibt es 2 altersabhängige Erkrankungsgipfel:• Kinder < 1 Jahr: bis zu 8/100 000/Jahr• Heranwachsende zwischen 15 und 19 Jah
ren: bis zu 2/100 000/Jahr [5].
In einigen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien, wo schon seit 1999 GruppeCMeningokokkenimpfstoffe eingeführt sind, wurden allerdings parallel zur Reduktion von GruppeCInfektionen vermehrt bis dato unübliche Infektionen mit Gruppe Y registriert [6].Die weltweit höchsten Inzidenzen werden im sogenannten Meningitisgürtel Afrikas gemessen. Dieser erstreckt sich vom Westen bis zum Osten der Sahara und schließt Regionen südlich der Sahara ein (Abb. 1). Die Mehrzahl der Erkrankungsfälle beginnt in der Trockenzeit, wobei die regelmäßig auftretenden Sandstürme (Harmattan) die Erkrankungswahrscheinlichkeit durch Schädigung der mukosalen Barriere der oberen Atemwege noch erhöhen.Die Inzidenz kann im Meningitisgürtel im Rahmen epidemischer Wellen mehr als 1000 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner/Jahr (entsprechend 1 %) erreichen. Asymptomatische Trägerschaft wurde in bis zu 30 % der Bevölkerung einzelner Länder nachgewiesen. Während bisher vor allem Meningokokken der Gruppe A
maßgeblich zur Morbidität beigetragen haben, gewinnen die Serogruppen X und W135 in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Die Letalität der Erkrankung liegt in den meisten dieser Länder bei etwa 10 %.
Einfluss von GroßereignissenNeben geografischen und klimatischen Einflussfaktoren können auch Großereignisse, die Transmissionskontakte erleichtern, einen relevanten Einfluss auf die regionale Epidemiologie invasiver Meningokokkenerkrankungen haben. Hervorzuheben ist diesbezüglich der Hadsch, die islamische Pilgerfahrt nach Mekka in SaudiArabien.Bereits nach einem ersten, durch GruppeA Meningokokken verursachten Ausbruch im Jahr 1987 wurde seitens der saudischen Gesundheitsbehörden eine Impflicht gegen diese Serogruppe eingeführt [7]. Es folgten 2 weitere Ausbrüche, ausgelöst durch Erreger der Gruppe W135, in den Jahren 2000 und 2001, die bis zu 400 Pilger betrafen [8].Ferner konnte mehrfach gezeigt werden, dass die Proportion asymptomatisch kolonisierter HadschPilger nach der Reise deutlich höher war als vor der Reise, was wiederum mit vereinzelten Ausbrüchen invasiver Meningokokkenerkrankungen im heimischen Umfeld von HadschRückkehrern in Verbindung gebracht werden konnte. Im Jahr 2002 erließ SaudiArabien neue Einreisebestimmungen, die unter anderem eine verpflichtende Impfung mit einem tetravalenten Impfstoff gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y vorsehen [9].
Abb. 1 Meningokokkenmeningitis in Afrika.Quelle: CRM Handbuch Reisemedizin; Ausgabe 49, 2013.Mit freundlicher Genehmigung CRM Centrum für Reisemedizin, Düsseldorf
EndemiegebieteLänder bzw. Landes- teile des klassischen Meningitisgürtels
Länder mit erhöhtem Risiko bzw. Aus- brüchen innerhalb der letzten Jahre
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Seit Umsetzung dieser Maßnahme ist es zu keinem weiteren Ausbruch gekommen.
Daten aus weiteren LändernAus dem asiatischen Raum liegen nur wenige Daten zur Epidemiologie der Meningokokkenerkrankungen vor. Die Mehrzahl der Erkrankungsfälle wird durch Meningokokken der Gruppen A und C ausgelöst. Die letzten großen Ausbrüche, ausgelöst durch Gruppe C, wurden in den Jahren 2003/2004 und 2004/2005 in Teilen Chinas beschrieben. In Japan, Thailand und Taiwan hingegen wird bei Erkrankten am häufigsten die Serogruppe B isoliert [10].Australien und Neuseeland unterscheiden sich bezüglich des Serogruppenspektrums kaum von Europa. Auch hier dominieren Serogruppe BIsolate. In Neuseeland kam es 1991 zum Auftreten einer Epidemie von GruppeBMeningokokkenerkrankungen. Ein speziell für den verantwortlichen Stamm entwickelter Impfstoff wurde 2004 zugelassen, die entsprechende Impfkampagne aber bereits 2008 von Seiten der Regierung für beendet erklärt. Die Inzidenz war zu diesem Zeitpunkt zwar schon deutlich zurückgegangen. Sie liegt jedoch bis heute oberhalb der Inzidenz, die vor dem Ausbruch dieser Epidemie gemessen wurde und entspricht nach WHO-Definition (für Länder außerhalb des Meningitisgürtels) immer noch einem epidemischem Niveau [11].Auf dem amerikanischen Kontinent sind die Inzidenzen niedrig und mit den Zahlen aus Europa vergleichbar:• Nordamerika: circa 1/100 000/Jahr• Lateinamerika: 0,6–3,9/100 000/Jahr
Die Serogruppen B und C sind für den Großteil der Infektionen verantwortlich. In Nordamerika wurden jedoch gerade in jüngster Zeit vermehrt Erkrankungen durch Serogruppe Y registriert, welche mittlerweile für circa 20 % der Fälle verantwortlich ist. In Lateinamerika hingegen gewinnt die Serogruppe W135 an Bedeutung.
Untersuchungen aus den USA und aus Großbritannien belegen, dass eine Unterbringung in Schlafsälen von Universitäten ein erhöhtes Übertragungsrisiko mit sich bringt. So stieg die Rate an asymptomatischen Trägern von Meningokokken in einer Studie aus Großbritannien innerhalb einer Kohorte eines Semesters von 23,2 % auf 55,7 % [12]. USamerikanische Erstsemester haben ein im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ungefähr 5fach erhöhtes Erkrankungsrisiko von 5,1/100 000/Jahr [13].
Bedeutung für ReisendeInternationale Netzwerke zur Erfassung von Art und Häufigkeit von Erkrankungen bei Reiserückkehrern wie zum Beispiel GeoSentinel, welches Daten aus weltweit 57 tropen und reisemedizinischen Zentren auswertet, ermöglichen eine Abschätzung der Bedeutung von Infektionskrankheiten für Fernreisende. Eine GeoSentinelAnalyse von 37 542 erfassten, krank zurückkehrenden Reisenden des Zeitraums von 1997 bis 2007 ergab:• 3 Fälle von Meningokokkenmeningitis,• 6 Fälle von Meningokokkenpneumonie,• 3 Fälle von Meningokokkensepsis [14].
Neben diesen meist in tropischen oder subtropischen Ländern akquirierten Erkrankungen gibt es mehrere Berichte zu reiseassoziierten Infektionen in industrialisierten, nicht tropischen, vorwiegend europäischen Ländern [15].Das Übertragungsrisiko an Bord von Flugzeugen spielt durch die Querlüftung und Umwälzung der Kabinenluft durch hocheffektive Filter eine untergeordnete Rolle. In den 2 bisher publizierten Berichten zu Flugpassagieren mit invasiven Meningokokkenerkrankungen konnte eine Ansteckung zwischen Passgieren desselben Fluges nicht nachgewiesen werden.
ImpfstoffeHeute stehen zur Impfung gegen Meningokokken verschiedener Serogruppen sowohl mono, bi- als auch tetravalente Impfstoffe zur Verfügung (Tab. 1).
PolysaccharidimpfstoffeDie erstmals in den 70er Jahren entwickelten Polysaccharidimpfstoffe wurden sukzessive von konjugierten Impfstoffen abgelöst [16]. Polysaccharidimpfstoffe sind zwar allgemein gut verträglich und zeigen eine gute Immunogenität, weisen aber eine Reihe relevanter Nachteile auf. Sie sind durch fehlende TLymphozytenAktivierung nicht boosterfähig und bei Kleinkindern nur eingeschränkt immunogen. Zudem kann bei Wiederholungsimpfungen eine Immuntoleranz auftreten, mit der das Ansprechen des Immunsystems auf die erneute Impfung sinkt.
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Die mangelnde TZellAktivierung hat auch zur Folge, dass sie keinen Einfluss auf eine Meningokokkenträgerschaft haben und somit keinen Herdeneffekt besitzen. Dies bestätigen Daten, die in der Folge des W135MeningokokkenAusbruchs in Mekka im Jahre 2001 erhoben wurden: 17 % der heimkehrenden Pilger waren asymptomatische Träger von GruppeW135Meningokokken. Die meisten von ihnen hatten vor der Reise eine Impfung mit einem Polysaccharid impfstoff erhalten [17, 18].
KonjugatimpfstoffeHingegen haben die ab 1999 in verschiedenen Ländern flächendeckend eingeführten Gruppe-C-Konjugatimpfstoffe sowohl die Raten an asymptomatischen Trägern als auch die Inzidenz der invasiven Meningokokenerkrankungen deutlich gesenkt [19]. Konjugatimpfstoffe sind dank ihrer Bindung an ein Trägerprotein (Tab. 1) in der Lage, ein immunologisches Gedächtnis aufzubauen.Seit Juli 2006 empfiehlt die STIKO die Impfung gegen GruppeCMeningokokken ab dem zweiten Lebensjahr beziehungsweise ein Nachholen fehlender Impfungen bei allen Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr [20]. Hierzu werden üblicherweise die in Deutschland erhältlichen monovalenten konjugierten Impfstoffe
eingesetzt, die ab Vollendung des ersten Lebensjahrs in einmaliger Dosis verabreicht werden (Tab. 1). Für Reisende in Gebiete mit anderen Serogruppen (siehe „Indikationen bei Reisenden“) stehen in Deutschland 2 konjugierte tetravalente Impfstoffe gegen die Serogruppen A,C,W135 und Y (MCV4) zur Verfügung.Bereits im Jahr 2010 wurde ein, an das aus Corynebacterium diphtheriae isolierte CRM197Protein konjugierter Impfstoff (MCV4-CRM197, Handelsname: Menveo®) für Kinder ab einem Alter von 11 Jahren zugelassen. Anfang 2013 wurde diese Zulassung auf Kinder ab einem Lebensalter von 2 Jahren erweitert, die entsprechende Darreichungsform des Impfstoffs (2 Ampullen anstelle einer vorgefüllten Spritze und einer Ampulle) soll in Kürze verfügbar sein.Im Jahr 2012 erfolgte die Zulassung eines an Tetanustoxoid gebundenen Impfstoffs (MCV4-TT, Handelsname: Nimenrix®), für Personen im Alter ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Bisher ungeklärt ist bei allen verfügbaren MCV4Impfstoffen, in welchen Abständen bei anhaltendem Infektionsrisiko Auffrischungsimpfungen erfolgen sollten. Studien zu einem in den USA bereits 2005 zugelassenen, tetravalenten Konjugatimpfstoff (Handelsname: Menactra®) zeigten einen als
Tab. 1 Übersicht der in Deutschland verfügbaren Impfstoffe.
Impfstoff Serogruppe Struktur/Carrier Anwendunga Dosierunga
Meningitec® Gruppe C Konjugiert an Corynebakterium diphtheriae CRM197-Protein
– Nicht vor dem Alter von 2 Monaten– Für Erwachsene begrenzte Daten:
keine Daten für Erwachsene > 65 Jahre
– Säuglinge bis 12 Monate: 2 Dosen von jeweils 0,5 ml im Abstand von mind. 2 Monaten
– Kinder > 12 Monate und Erwachse-ne: eine Dosis von 0,5 ml
Menjugate® Gruppe C Oligosaccharid konjugiert an Corynebacterium diphtheriaeCRM197-Protein
– Kinder ab dem vollendeten 2. Lebensmonat
– Für Erwachsene begrenzte Daten: keine Daten für Erwachsene > 65 Jahre
– Kinder bis vollendetem 12. Lebens- monat: 2 Dosen zu je 0,5 ml, im Abstand von mind. 2 Monaten
– Kinder > 12 Monate und Erwach-sene: eine Dosis von 0,5 ml
NeisVac-C® Gruppe C Polysaccharid (de-O-acetyliert) konjugiert an Tetanustoxoid-Träger-protein
– Kinder ab dem vollendeten 2. Lebensmonat
– Jugendliche und Erwachsene
– Kinder bis 12 Monate: 2 Dosen von je 0,5 ml im Abstand von mind. 2 Monaten
– Kinder > 12 Monate und Erwach-sene: eine Dosis von 0,5 ml
A+C Merieux® Gruppen A und C Gereinigte Polysaccharide von Neisseria meningitidis der Gruppen A und C
Kinder ab 18 Monaten und Erwachsene Eine Dosis von 0,5 ml
Mencevax® b Gruppe A,C,W135,Y Neisseria-meningitidis-Polysaccharide der Serogruppen A, C, W135 und Y
– Kinder ab dem vollendeten 2. Lebensjahr
– Jugendliche und Erwachsene
Kinder und Erwachsene: eine Dosis von 0,5 ml
Menveo® Gruppe A,C,W135,Y Meningokokken Oligosaccharide der Gruppen A, C, W135 und Y konjugiert an Corynebacterium diphtheriae CRM197-Protein
– Kinder ab 2 Jahre und Erwachsene– Begrenzte Daten für Altersgruppe
56–65 Jahre– Keine Daten für Personen > 65 Jahren
Kinder und Erwachsene: eine Dosis von 0,5–ml
Nimenrix® Gruppe A,C,W135,Y Neisseria meningitidis Gruppe A, C, W135 und Y Polysaccharide konjugiert an Tetanustoxoid-Trägerprotein
– Kinder ab dem Alter von 12 Monaten– Keine Daten für Erwachsen > 55 Jahre
Kinder und Erwachsene: eine Dosis von 0,5–ml
Bexsero® Gruppe B Multikomponentenimpfstoff adsorbiert an Aluminiumhydroxid
Kinder ab 2 Monaten und Erwachsene – Grundimmunisierung altersunab-hängig mit 3 bzw. 2 Dosen
– bis 23. Lebensmonat eine zusätzliche Auffrischimpfung
a Angaben sind der jeweiligen Fachinformation entnommen; b Produktion eingestellt
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protektiv eingestuften Antikörpertiter bei 80–85 % der Geimpften innerhalb von 3–4 Jahren nach Impfung.
Serogruppe BDie Impfstoffentwicklung bezüglich Gruppe-B-Meningokokken gestaltete sich deutlich schwieriger. Da die Kapselpolysaccharide, auf denen bisherige Meningokokkenimpfstoffe basieren, bei GruppeBMeningkokokken antigenetische Ähnlichkeiten mit humanen neuronalen Proteinen aufweisen, wäre eine Immuntoleranz oder – schlimmer noch – eine Autoimmunreaktion zu befürchten gewesen. In der Vergangenheit, so zum Beispiel im Rahmen der Epidemie in Neuseeland, wurden Impfstoffe basierend auf Vesikeln der äußeren Membran (Outer Membrane Vesicles, OMV) entwickelt. Die Vak zine enthielten entsprechend antigenetisch relevante Oberflächen proteine (z. B. PorA) und erzielten eine gute Immunogenität. Allerdings sind diese Membranproteine überwiegend stammspezifisch und entsprechende Impfstoffe deckten immer nur ein kleines Spektrum der Erreger der Serogruppe B ab. Daher fanden die entwickelten Impfstoffe außerhalb von Ausbruchsituationen keine Verwendung.Vor diesem Hintergrund war es nötig, mehrere möglichst konservierte Antigene in einen Meningokokken B-Impfstoff zu integrieren. Bei dem ersten, im Januar 2013 zugelassenen Meningitis-B-Impfstoff (4CMenB, Handelsname: Bexsero®) handelt es sich konsequenterweise um einen Multikomponentenimpfstoff. Dieser Impfstoff enthält 2 subkapsuläre Proteine (fHbp und NHBA), die jeweils mit rekombinanten Neisserien antigenen kombiniert wurden sowie mit einem rekombinanten NeisserienAdhäsionsAntigen vereint sind. Ergänzt wird diese Kombination außerdem durch das vom neuseeländischen Ausbruchsstamm abgeleitete OMV. Dieser Impfstoff wird voraussichtlich ab Anfang 2014 in Deutschland verfügbar sein. Erforderlich für die Grundimmunisierung sind:• 4 Impfungen bei Säuglingen bis zum 6. Le
bensmonat• 3 Impfungen bei Säuglingen und Kleinkin
dern im Alter von 6–23 Monaten• 2 Impfungen bei älteren Kindern und Er
wachsenen
Eine Stellungnahme der STIKO zu diesem Impfstoff steht noch aus.Ein weiterer Impfstoff basiert ausschließlich auf dem bereits o. g. fHbpProtein. Von diesem Protein existieren 2 Varianten (Subfamilie A und B), die bei der weit überwiegenden Anzahl von GruppeBMeningokokken, die bei invasiven Meningokokkenerkrankungen isoliert wurden, konserviert sind. Vertreter beider dieser Varian
ten sind in diesem zweiten Gruppe-B-Impfstoff integriert. Gegenwärtig laufen zu diesem Impfstoff klinische Studien der Phase III.Im Jahr 2009 wurde ein konjugierter SerogruppeA-Impfstoff (PsA-TT) für den Gebrauch in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara zugelassen und in nachfolgenden nationalen Impfkampagnen angewendet. Erste Analysen aus Burkina Faso, einem der von immer wiederkehrenden Meningitisepidemien am meisten betroffenen Ländern, zeigten eine Reduktion der Inzidenz von serologisch bestätigten GruppeAMeningitiden auf 0,01/100 000 Individuen pro Jahr. Das entspricht einer Reduzierung des Risikos um 99,8 %, an einer GruppeAMeningitis zu erkranken [21]. Es bleibt spannend zu sehen, wie dieser Impfstoff die Inzidenzien im Meningitisgürtel verändern wird.
Indikationen für ReisendeDie Indikation zur Impfung Reisender mit tetravalenten Impfstoffen orientiert sich neben dem Reiseland vor allem an Aufenthaltsdauer und Reisezweck. Das größte regionale Risiko haben Reisende in afrikanische Länder des Meningitisgürtels. Eine tetravalente Impfung ist insbesondere für Personen empfohlen:• die längere Aufenthalte in dieser Region planen,• deren Reise in die Trockenzeit fällt,• deren Reiseverlauf engen Kontakt zur einhei
mischen Bevölkerung, speziell zu Kindern (z. B. Aktivitäten in Schulen oder Kinderheimen), erwarten lässt.
Allerdings sind in Afrika die Inzidenzen invasiver Meningokokkenerkrankungen auch außerhalb des eigentlichen Meningitisgürtels vergleichsweise hoch (Abb. 2). Aus vielen Regionen der sogenannten Entwicklungs beziehungsweise Schwellenländern liegen nur wenige epidemiologische Daten zu invasiven Meningokokkenerkrankungen vor. Insofern kann auch außerhalb des Meningitisgürtel eine tetravalente Impfung durchgeführt werden, insbesondere bei:• längeren Aufenthalten,• medizinischen Aktivitäten,• engem Kontakt zur einheimischen Bevölke
rung,• individuellem Wunsch nach Sicherheit.
Zu beachten ist, dass für alle Pilgerreisenden nach SaudiArabien eine tetravalente Impfung Voraussetzung für eine Visumserteilung und somit die Einreise ist.Der in Kürze verfügbare Gruppe-B-Impfstoff wird sein Einsatzgebiet vorwiegend in der Kinder und Jugendmedizin in gemäßigten Klimazonen finden. In der Reisemedizin könnte eine GruppeBImpfung bei bestimmten längeren Auslandsaufenthalten erwogen werden: beispielsweise bei Schüleraustausch oder Work
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andTravelReisen nach Neuseeland, da er das OMV des dortigen Ausbruchstamms enthält.Diese Impfung sollte auch bei Studierenden, die ein Collegestudium mit Unterbringung in Wohnheimen in Nordamerika planen, berücksichtigt werden. Allerdings müsste zur Abdeckung der dort ebenfalls auftretenden GruppeC sowie der zuletzt vermehrt beobachteten GruppeYInfektionen dann auch eine tetravalente Impfung durchgeführt werden.Reisenden mit einem generell erhöhten Infektionsrisiko (z. B. Immundefekte wie gestörter T oder BZellfunktion oder auch Asplenie oder Hypogammaglobulinämie) sollte eher zur Impfung geraten werden.Falls Reisende bereits eine Impfung mit einem monovalenten Gruppe-C-Impfstoff erhalten haben, sollte bei entsprechender Indikation eine tetravalente Impfung nachgeholt werden.
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KorrespondenzChristof VinnemeierBernhard-Nocht-Institut für TropenmedizinBernhard-Nocht-Str. 7420359 [email protected]
Dr. Jakob P. CramerBernhard-Nocht-Institut für TropenmedizinBernhard-Nocht-Str. 7420359 [email protected]
AutorenerklärungC. Vinnemeier erklärt, dass für dieses Werk keine Interessenkonflikte vorliegen.J. P. Cramer gibt Verbindungen zu den Firmen Novartis (klin. Studien/Sponsor: Produkt Menveo), GlaxoSmithKline (Vorträge: Produkt Nimenrix) sowie Pfizer (klin. Studien/Sponsor: Produkt neuer B-Impfstoff) an.
Neisseria meningitides – available vaccines, new developments and relevance for the travel medicineAccording to latest figures the incidence of invasive meningococcal disease in Germany is stable over the last 2 years. In other countries, in particular on the African continent, invasive disease related to Neisseria meningitidis has much higher morbidity and mortality. Several new vaccines against meningococcal infections have been licensed within the last 2,5 years. Beside the conjugated monovalent vaccines against groupCmeningococci, 2 conjugated tetravalent vaccines against groups A,C,W135 and Y have become available in 2011 and 2012. Furthermore, a first multicomponent group-B-vaccine has been licensed in spring 2013. In Germany, this vaccine will be available in 2014. Although surveillance data of the last decade show that very few travelers have been affected by meningococcal disease, persons traveling to the so-called meningitis belt in Africa are at comparatively high risk for meningococcal disease. Increased incidences have also been observed in college or military dormitories in the U.S. as well as among students in Australia and New Zealand. Vaccination with a tetravalent vaccine is a prerequisite for Hadjjpilgrims.
Key wordsmeningococcal meningitis – vaccine – meningitis belt
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