Verführung zum Schreiben oder Poesie der Grammatik und des ...

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Projekt Síť vzdělavatelů učitelů cizích jazyků NEFLT registrační číslo CZ.1.07/2.4.00/31.0074 ___________________________________________________________________________ Verführung zum Schreiben oder Poesie der Grammatik und des Wortschatzes im Spracherwerb DaF Textmodelle mit schreibdidaktischen Anleitungen Pavla Zajícová 2012

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Projekt Síť vzdělavatelů učitelů cizích jazyků NEFLT registrační číslo CZ.1.07/2.4.00/31.0074

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Verführung zum Schreiben oder

Poesie der Grammatik und des Wortschatzes im Spracherwerb DaF

Textmodelle mit schreibdidaktischen Anleitungen

Pavla Zajícová

2012

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Rezensentin: Jana Stöckeler © Pavla Zajícová

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Für

Markéta Bilanová

und

Norbert Richard Wolf

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Inhalt Seite Vorwort 7 Gefundene Poesie – Alltagspoesie 9 Haiku – Senryu – Rengay 11 Lexikalische und grammatische Äquivalenzen 15 Glossar 19 Quellen 23

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VORWORT

„Jeder Mensch sollte ein Tagebuch führen, denn es gibt nichts Spannenderes zu lesen.“ Oscar Wilde

„Bevor man schreibt, weiß man nichts von dem, was man schreiben wird.“

Marguerite Duras

„Allen Menschen ist zuteil, sich selbst zu erkennen.“ Heraklit von Ephesos

„Schreiben heißt sich selber lesen.“

Max Frisch

„Dichterisch wohnet der Mensch.“ Martin Heidegger

„Mein Tipp: Das Schreibjournal.“1

Heike Thormann In diesem Heft finden Sie einfache Anregungen zum Schreiben von poetischen Texten. Uns geht es dabei um zwei Denkrichtungen:

- Wir wollen Ihnen ein paar Tipps zum Spielen und Experimentieren mit der Grammatik und dem Wortschatz im Unterricht Deutsch als Fremdsprache vermitteln.

- Wir wollen Ihnen alternative Wege zum regelmäßigen Ausdruck von eigenen

Assoziationen und Ideen aufzeigen und eröffnen. In jedem Kapitel Ihres Lehrwerks wird ein anderes Thema vermittelt: Es gibt hier den Text der neuen Lektion, die neue Grammatik, den neuen Wortschatz. Am Ende der Erarbeitung einer jeden Lektion steht dann immer die Reflexion des Themas, die von der eigenen Perspektive, von der eigenen Erlebnis- und Erfahrungswelt ausgeht. Diejenige Reflexion, die wir heute mit Ihnen ausprobieren wollen, hat poetischen Charakter. Sie bedient sich eines Spiels mit der Sprache, das im Formulieren und Umformulieren, im Reduzieren und Erweitern, im Suchen und Ersetzen, im Experimentieren mit der graphischen Gestalt des Textes und im Publizieren des Ergebnisses – zum Beispiel auf einer Wandzeitung oder in der Klassenzeitschrift – besteht. Viel Spaß und viel Freude beim Schreiben von poetischen Texten!

Pavla Zajícová gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seminars

„Kreatives Schreiben im Unterricht DaF“; Germanistischer Lehrstuhl der Universität Ostrava

1 Vergleiche das Stichwort Schreibjournal im Glossar (Seite 19).

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GEFUNDENE POESIE – ALLTAGSPOESIE2

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Dies ist zu sagen Ich habe sie aufgegessen: die Pflaumen – sie waren im Kühlschrank und du hast sie vielleicht aufbewahrt für das Frühstück Verzeih mir sie waren köstlich so süß und so kühl

William Carlos Williams (Übersetzung PZ & JS)

A Z A Z Z A A

Aufgabe Erinnern Sie sich an ein Erlebnis, ein Gespräch, eine Erfahrung aus der letzten Zeit. Schreiben Sie in Anlehnung an Dies ist zu sagen ein kurzes Gedicht mit einem eigenen Inhalt.

1) Behalten Sie den Wortlaut der Überschrift (Dies ist zu sagen) und den Wortlaut der Zeile 10 (Verzeih mir) bei.

2) Versuchen Sie mindestens einen Amphibrachys und mindestens einen Zeilensprung zu gestalten.

3) Strukturieren Sie Ihr Gedicht in Strophen.

A = Amphibrachys: zwei leichte Silben umschließen eine schwere Silbe (dlouhá/ přízvučná slabika mezi dvěma krátkými/nepřízvučnými)

Z = Zeilensprung: der Satz/ die Wortgruppe springt in die nächste Zeile

(přesah = věta/větný celek přesahuje do dalšího řádku)

2 Vergleiche die Stichwörter Gefundene Poesie und Alltagspoesie im Glossar (Seite 19).

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Vorsicht Die Kastanien blühn. Ich nehme es zur Kenntnis, äußere mich aber nicht dazu.

Günter Eich

verstockt bei uns zuhaus gab es keine unterschiedlichen standpunkte sondern nur missverständnisse und kinder die einfach nicht verstehen wollten

Hans-Curt Flemming

Aufgabe Was haben Sie heute (gestern, schon immer) beobachtet, erlebt oder erfahren?

1) Beschreiben Sie Ihre Beobachtung, Erfahrung oder Ihr Erlebnis in einem oder zwei Sätzen.

2) Strukturieren Sie Ihre Beschreibung zu einem Gedicht: - nach Sätzen oder Satzgliedern (wie Günter Eich) oder - frei (wie Hans-Curt Flemming).3

Es folgen zwei Beispiele. Heute In der Frühe hatte ich keine Lust aufzustehen. Doch dann erinnerte ich mich. Am Nachmittag gibt´s Schlittschuhlaufen am Masaryk-Platz mit Monika.

Jirka

abfalltrennung macht mir keinen spaß tr o tzd e m tr e nn ei ch bis zum geht nicht mehr fazit plaste sind leicht papier ist schwer

Petra 3 Vergleiche die Stichwörter Dimensionsloser Vers und Freier Vers im Glossar (Seite 19).

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HAIKU – SENRYU – RENGAY4 HAIKU SENRYU Draußen Frost und Sturm Auf der Fensterbank liegt Schnee Warm mein Federbett

Katka

Ägyptenreise Koffer wieder bei Zbyněk Vati bleibt allein

Světlana

SENRYUS ZUM THEMA ESSEN UND TRINKEN auf dem Tisch Suppe schmackhafte Minestrone guten Appetit

Martina

Wurst, Kartoffeln, Kraut gurgeln hektisch im Eintopf mährisches Gericht

Petra

essen und trinken Wiener Schnitzel, Bier, Kaffee und Dessert muss sein

Zuzka

Spaghetti? Ketchup? mein Freund aus Deutschland sagt mjam also warum nicht?

Katka

der Pizza-Kuchen – ein Teller für dich und mich – hat uns gut geschmeckt

Petr

Geburtstagsfeier am Tag danach Kopfschmerzen der Schnaps bringt mich um

Dana

DREI RENGAYS

UM MITTERNACHT. VERSUCH EINES RENGAY IN SECHS KAPITELN Kapitel 1 Gelber Pilger am Himmel – hast´s dir selber ausgesucht? Langweilst du dich nicht? Tag für Tag derselbe Weg, derselbe Anblick. Was für Geschichten könntest du wohl erzählen, wärst du nicht so weit.

Kapitel 2 Brennt das Licht auf der Straße, drinnen liegt ein Kind im Bett. Versunken in tiefen Schlaf nach dem Gute-Nacht-Märchen. Jetzt kann´s alles erleben, durch die ganze Welt fahren. Sein Wagen – der Traum.

4 Zur Gestaltung des Haiku, Senryu, Rengay vergleiche die Anleitung im Glossar (Seite 19).

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Kapitel 3 Die zwei auf der Bank nehmen nur sich selber wahr. Arme und Lippen. Denke an dich – Tag und Nacht. Dein Schweigen macht mich kaputt.

Verliebte Pärchen umarmen und küssen sich. Für mich bleibt das Nichts.

Kapitel 4 Ruhe überall? Fenster dunkel, schwarz. Nur Katzen sind wach? Leben überall! Und die Hunde bellen wild – fordern den Vollmond heraus. Laut Fernsehprogramm kommt der Krimi nach Larsson. Schlafe ich nicht ein? An der Tür Stimmen. Ist´s nicht zu spät für Besuch? Wer kann das nur sein? Wie spät ist es schon? Mein Magen knurrt vor Hunger. Im Kühlschrank nur Bier.

Was machst du in der Küche? Lass uns jetzt schlafen gehen. Jetzt schlafen gehen? Wo das Nachtleben erwacht? Lass uns ausgehen! In der Stodolní beherrscht Freude die Szene. Jugend und die Nacht. Nach der Geburtstagstorte um ein Jahr älter. Tanzen, Singen, Wein. Ob dann Katzenjammer kommt? Aber Spaß muss sein!

Kapitel 5 Blitzlichtgewitter. Ein dunkler Schatten vor mir. Ich ducke mich schnell. Der Mann da – bewegungslos, sieht aus wie eine Leiche. Morgendämmerung? Nicht doch! Aber woher kommt das Licht? Das wird eine Falle sein!

Beine unter die Arme – schnell auf und davon! Der Weg nach Hause im Trab. Bin endlich im Bett. Um mich Wärme und Ruhe. Doch wann kommt der Schlaf?

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Kapitel 6 Wie Wolken über´n Himmel. Vorbei. Alles nur ein Traum. – Kommst morgen wieder? Der endlose Lauf der Zeit. Der Kreis des Lebens. Vom Kirchenturm zwölf Schläge. Schließe die Augen! Hörst du den Rhythmus der Welt? Regelmäßig, dumpf...

Nacht schreitet voran. Flink, wie Sekundenzeiger. Zeit am Scheideweg. Gleißende Sterne. Die Erde wartet Auf den Einschnitt des Tages.

Michaela Šrámková, Michaela Špakovská, Blanka Lužná, Anžela Petrosjanová, Iveta

Koleňáková, Alexandra Obluková, Veronika Šrámková, Jana Riedelová, Veronika Hanáková, Daniela Vozníková, Jiří Jošt, Pavla Zajícová

Vorgetragen in der Langen Nacht der kurzen Texte am 16.10.2012 an der Universität Opava.

AM VERGANGENEN WOCHENENDE Samstag und Sonntag Von Freitag eröffnet Freie Zeit beginnt Am Vormittag Zeitungen Lange Stunden nur für mich Sonntagsspaziergang Vater, Mutter, Kind und Hund Schöner Nachmittag Weißer Schnee liegt überall Dünne Decke aus Spitze

Draußen war´s zu kalt Ich bin jetzt so erkältet Nach dem Spaziergang Wiedersehen nach Jahren viel Spaß in der Gaststätte Die Feier war toll Wir hatten Spaß zusammen Und dann Kopfschmerzen Leider schon vorbei Doch es wird wieder kommen In einer Woche

„Kreatives Schreiben“ 2008

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EINKÄUFE

Genug Geld dabei? Man kann hier alles kaufen. Außer Fröhlichkeit. Toll, das rote Kleid! Will es haben, jetzt sofort! Habe kein Geld mit... Ein Sommernachtsball: Ich brauche ein neues Kleid! Am besten aus Samt! Das schöne Ballkleid. Noch gestern im Schaufenster und jetzt trägt sie es. Tasche aus Leder wie die von Kateřina muss ich mir kaufen Haben wir alles? Ein Tag in der Stadt lohnt sich Portemonnaie ganz leer Einkaufswagen voll Hosen, T-Shirts und ein Kleid Geldbeutel ganz leer

Einkaufen gehen. Was ist es? Freud oder Leid? Wer weiß das denn schon. Die Hose passt nicht. Die Jacke ist viel zu klein. Er geht nach Hause. Noch eine Gurke Einkaufswagen total voll Brot nicht vergessen Heißer Nachmittag Geschäfte voll von Menschen... ... Klimaanlage! Sonderangebot. Qualität zum kleinen Preis. Morgen schon kaputt. Die Taschen sind voll Kartenzahlung akzeptiert Jetzt geht´s nach Hause Tesco und Kaufland. Ikea, Hypernova. Sonntag mit Shopping.

„Kreatives Schreiben“ 2006

Aufgabe 1 Lesen Sie die Merkmale des Haiku bzw. des Senryu im Glossar nach. Schreiben Sie dann ein eigenes Haiku oder Senryu. Aufgabe 2 Lesen Sie die Merkmale des Rengay im Glossar nach. Schreiben Sie dann in Paaren oder mit der Gruppe ein Rengay zu einem gemeinsamen Thema.

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LEXIKALISCHE UND GRAMMATISCHE ÄQUIVALENZEN

WOCHENTAGE Wochenpläne Am Sonntag machte ich den Studienplan für die ganze Woche Am Montag war ich mit Peter Fußball spielen Am Dienstag hatte ich einfach keine Lust Am Mittwoch ging ich ins Kino mit T. Am Donnerstag kam Onkel Honza Am Freitag fing das Wochenende an Am Samstag lud mich Filip zur Geburtstagsparty ein Am Sonntag schlief ich bis Mittag und schrieb dann einen neuen Plan auf

Pepa

ALS – WENN Lebensgeschichte in sechs Sätzen Als ich ein Jahr alt war, schrie und schrie ich. Als ich zwei war, konnte ich schon sprechen und laufen. Als ich acht war, fuhr ich mit den Eltern ans Meer. Als ich neun war, verliebte ich mich zum ersten Mal. Als ich 19 war, bekam ich ein Motorrad. Heute bin ich 20 und studiere an der Uni. Josi Für Ihre eigene Lebensgeschichte können Sie zum Beispiel folgendes Vokabular benutzen: Als ich X Jahre alt war, ...

- ..., dachte ich, dass... - ..., begann ich zu... - ..., ging ich... - ..., lernte ich... - ..., hatte ich... - ..., musste ich... - ..., durfte ich nicht... - ..., konnte ich schon... - ..., wollte ich... - ..., ...

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WENN ICH RAD FAHRE Wenn ich Rad fahre, bin ich frei. Wenn ich am Computer sitze, freue ich mich auf deine Mail. Wenn ich müde bin, lege ich mich ins Bett. Wenn ich im Garten arbeite, schwitze ich. Wenn ich im Garten sitze, träume ich. Wenn ich fernsehe, schimpfe ich. Wenn ich Rad fahre, bin ich frei.

Mirek Für Ihren eigenen Wenn-Text können Sie zum Beispiel folgende Impulse benutzen: Wenn ich Musik höre, ... Wenn ich Blumen gieße, ... Wenn ich in die Schule gehe, ... Wenn ich aus der Schule nach Hause komme, ... Wenn es zum Mittagessen Palatschinken gibt, ... aufwachen – mit Freunden ausgehen – über ... nachdendenken – an ... denken – etw. sehen glücklich – traurig – froh – zufrieden – begeistert – verärgert – beeindruckt – beunruhigt – nervös – entspannt sein...

VERGNÜGUNGEN Bertolt Brecht Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen Das wiedergefundene alte Buch Begeisterte Gesichter Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten Die Zeitung Der Hund Die Dialektik Duschen, Schwimmen Alte Musik Bequeme Schuhe Begreifen Neue Musik Schreiben, Pflanzen Reisen Singen Freundlich sein.

Alternative Titel: Glück, Freude, Zufriedenheit, Was für mich wichtig ist, Ein schöner Tag...

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KURT TUCHOLSKY Peter Panter . Theobald Tiger . Ignaz Wrobel . Kaspar Hauser

hasst: das Militär die Vereinsmeierei Rosenkohl den Mann, der immer in der Bahn die Zeitung mitliest Lärm und Geräusch ´Deutschland´

liebt: Knut Hamsun jeden tapfern Friedenssoldaten schön gespitzte Bleistifte Kampf die Haarfarbe der Frau, die er gerade liebt Deutschland

Alternative Verben: sich freuen auf/über, Angst haben vor, sein für/gegen, sich bedanken bei – für, bewundern, gern diskutieren mit – über, sich sehnen nach, wünschen jdm. etwas, warten auf, sich interessieren/nicht interessieren für…

FRÜHSTÜCK

Jacques Prévert

Er goss den Kaffee

In die Tasse

Er goss die Milch

In die Kaffeetasse

Er gab Zucker

In den Milchkaffee

Mit dem kleinem Löffel

Rührte er um

Und trank ihn

Er stellte die Tasse ab

Ohne ein Wort

Er zündete eine Zigarette an

Er blies Ringe

Aus Rauch

Er streifte die Asche

In den Aschenbecher

Ohne ein Wort

Ohne einen Blick

Er setzte den Hut auf

Er zog den Regenmantel an

Denn es regnete

Er ging

Ohne ein Wort

Ohne einen Blick

Und ich

Schlug die Hände vors Gesicht

Und weinte

UMZUG

Olga Scheibler

Es wird bald

viel geordnet,

viel eingepackt und

viel getragen.

Dann wird wieder

neu geordnet,

alles ausgepackt und

schön gemacht.

Endlich wird

viel gegessen,

viel getrunken,

auch viel gesungen

am neuen schönen Ort.

Alternativen zu Umzug (grammatische

Äquivalenz – Passiv):

Ausflug, Einkauf, Party, Im Restaurant,

Geburtstagsfeier...

Alternativen zu Frühstück (grammatische

Äquivalenz – Präteritum):

Mittagessen, Sonntag, Abend, Mittwoch, Vorige

Woche...

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WAS DER MENSCH SO BRAUCHT

Der Mensch braucht einen Tisch, einen Stuhl,

ein Bett.

Der Mensch braucht ein Dach über dem Kopf,

ein Zuhause.

Der Mensch braucht viel Essen und Trinken.

Der Mensch braucht die Fernsehnachrichten.

Der Mensch braucht eine Gitarre.

Der Mensch braucht einen anderen Menschen

– zum Streiten, Plaudern und Singen

mit einander.

Pavel

Alternativen: Was das Kind so braucht, Was

der Kranke so braucht, Was der Verliebte so

braucht...

wonach der Samstag duftet

nach heißem Kaffee

nach frischen Brötchen

nach Tomaten und Gurken vom Markt

nach der Hefeknödelsuppe meiner Mutter

nach dem defekten Staubsaugerfilter

nach dem Nagellackentferner meiner Schwester

nach der gebügelten Wäsche

nach dem gelüfteten Wohnzimmer

und irgendwann

nach Feierabend

Petra

Alternativen: Worauf ich mich freue, Wovor ich

Angst habe, Wofür ich mich interessiere...

Mein Freund

Heute ist mein Freund zu Hause.

Er hat einen wunden Fuß.

Deshalb sitzt er am Computer.

Bald schreibt er mir eine Mail.

Dann freut er sich auf meine Antwort.

Zuzana

Grammatische Äquivalenz:

Verb in Zweitstellung.

Mein Haus ist meine Welt

Im ersten Stock wohne ich

mit meinem Freund und meiner Großmutter

Im zweiten Stock wohnen meine Eltern

und mein Bruder

Im dritten Stock wohnen die Bäume

Im vierten Stock wohnen die Vögel

Im fünften Stock wohnen

Sonne, Mond und Sterne

Im sechsten Stock wohnt das Universum

Petra

Grammatische Äquivalenz: Ordnungszahlen.

Aufgabe Wählen Sie eine beliebige lexikalische oder grammatische Äquivalenz aus und schreiben Sie Ihren eigenen kurzen Text.

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GLOSSAR Alltagspoesie Themen und Motive stammen aus alltäglichen Beobachtungen, Erlebnissen und Emotionen wie Freude, Überraschung, Enttäuschung, Ärger... Die Form ist meist einfach – sie kann zum Beispiel den freien (Flemming) oder den dimensionslosen Vers (Eich) nutzen. Äquivalenz In poetischen Texten wiederholen sich graphische, phonologische, morphologische, lexikalische, syntaktische Merkmale. In unserem Beispiel Peter pilgert zum Postamt sind es die Anfangsbuchstaben P und die Zweisilbigkeit der bedeutungstragenden Wörter. Roman Jakobson nannte diese Erscheinung poetische Funktion.

„Die poetische Funktion projiziert das Prinzip der Äquivalenz von der Achse der Selektion auf die Achse der Kombination.“ (Poetická funkce projektuje princip ekvivalence z osy výběru na osu kombinace.“ Jakobson 1995, 82.)

Selektion

Er geht

Der Kleine läuft zum Postgebäude.

Dein Bruder fährt zur Post. Kombination

Peter eilt.

Mein Freund rennt zum Postamt.

Der Junge pilgert.

Dimensionsloser Vers (bezrozměrný verš) Die einzelnen Zeilen bestehen aus Sätzen oder aus zusammengehörenden Wortgruppen (Satzteilen, Satzgliedern, Phrasen, Syntagmen). Freier Vers Die einzelnen Zeilen reimen sich nicht und haben keine feste rhythmisch-metrische Form.

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Gefundene Poesie Ihnen ist es sicherlich schon passiert, dass Sie mitten im Alltag auf Gebrauchstexte gestoßen sind – Einkaufszettel, Aufschriften, Nachrichten, Notizen, die einen poetischen Charakter hatten. Sie haben Poesie im Alltag gefunden. Gerade von diesen zahlreichen, nur scheinbar gewöhnlichen Motiven lässt sich die gefundene Poesie inspirieren – gefundene Texte werden benutzt, ergänzt, gekürzt oder erweitert, graphisch umgestaltet. Groß- und Kleinschreibung und Interpunktion in Gedichten Es gibt keine einheitlichen Regeln dafür. Es ist jedoch notwendig, eine Entscheidung zu treffen und die gewählte Schreibweise im ganzen Text einzuhalten. Es folgen einige Möglichkeiten.

- Die Groß- und Kleinschreibung bzw. Interpunktion folgt den allgemeinen Regeln eines geläufigen Prosatextes.

- Jede Zeile fängt mit einem Großbuchstaben an. - Der gesamte Text wird kleingeschrieben – außer den Substantiven, die mit einem

Großbuchstaben anfangen. - Der gesamte Text wird kleingeschrieben. - Die Interpunktion wird nur im Zeileninneren oder in Hervorhebungen verwendet. - Auf Interpunktion wird ganz verzichtet.

Haiku, Senryu, Rengay

- Das Haiku besteht aus drei Zeilen zu 5 – 7 – 5 Silben. - Es reimt sich nicht. - Es hat keinen Titel. - Es bezieht sich auf ein Naturerlebnis beziehungsweise auf ein einmaliges Ereignis,

eine einmalige Erfahrung, einen einmaligen Vorgang. - Es beinhaltet ein Wort für eine Erscheinung aus der Natur, das Rückschlüsse auf die

Jahreszeit zulässt. - Die inhaltliche Spannung wird durch die Gestaltung von zwei Polen erreicht (z.B. Licht

– Dunkelheit). - Das Geschehen wird als gegenwärtig dargestellt. - Das Senryu besteht aus drei Zeilen zu 5 – 7 – 5 Silben. - Es reimt sich nicht. - Es hat keinen Titel. - Es bezieht sich auf ein beliebiges Thema. - Das Geschehen wird als gegenwärtig dargestellt. - Das Rengay ist ein Kettengedicht. - Seine Strophen bestehen entweder aus drei Zeilen zu 5 – 7 – 5 Silben oder aus zwei

Zeilen zu 7 – 7 Silben.

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Wie kann man einen Drei- oder Zweizeiler gestalten? Eines der Gestaltungsverfahren besteht in der Verfassung und der nachfolgenden Kürzung eines Prosatextes. Es folgt ein Beispiel.

Jitka. Was sie alles schaffen muss… Kinder erziehen, einkaufen, kochen, die Wäsche besorgen, Handwerker bestellen, ihrem Mann zur Seite stehen, Gäste begrüßen, sich im Beruf durchsetzen, Freunde besuchen, lieb sein, den Rasen mähen, ihre kranke Mutter pflegen. Und ein schnelles Auto fahren. Alles muss schnell gehen.

Ihr Tagesprogramm Zettel mit zwölf Aufgaben Wie schafft sie das nur?

Schreibjournal Mischform eines Tagebuchs und eines Notizheftes. Im Schreibjournal werden:

- Beobachtungen festgehalten; - Erlebnisse beschrieben; - Fragen gestellt; - Emotionen zum Ausdruck gebracht; - Vermutungen formuliert; - Überlegungen festgehalten; - Entscheidungen fixiert; - Bilanzen aufgeschrieben; - Zukunftsentwürfe skizziert; - Pläne gestaltet.

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QUELLEN

BRECHT, Bertolt. Gedichte und Gedichtfragmente 1940-1956. Werke Band 15. Suhrkamp,

1993.

EICH, Günter. Moderne deutsche Naturlyrik. E. Marsch, 1980.

FLEMMING, Hans-Curt. Ein Zettel an meiner Tür. Verlag HCF, 1982. JAKOBSON, Roman. Poetická funkce. H&H, 1995.

PRÉVERT, Jacques. Frühstück. Übersetzung aus dem Französischen Kurt Kusenberg.

http://zeichensaal-1.de/textgalerie/tg003t.html; 22. 1. 2005.

SCHEIBLER, Olga. Von A bis T. Katedra germanistiky Ostravské univerzity, 2003.

TUCHOLSKY, Kurt. Gesammelte Werke. Band 6 – 1928. Rowohlt, 1985. WILLIAMS, William C. This is just to say. http://en.wikipedia.org/wiki/This_Is_Just_To_Say; 30.11.2012.

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PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT OSTRAVA Titel: Verführung zum Schreiben. Poesie der Grammatik und des Wortschatzes im Spracherwerb DaF Textmodelle mit schreibdidaktischen Anleitungen

Lehrstuhl: Germanistik Lehrstuhlleiterin: Prof. PhDr. Lenka Vaňková, Dr. Bestimmt für den internen Gebrauch; unverkäuflich Jahr: 2012 Umfang: 24 Seiten Druck: Lehrstuhl für Germanistik der Universität Ostrava