Verhaltensänderungen bei Eiparasiten der Gattung Trichogramma unter dem Einfluß des Wirtes

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Z. f. Parasitenkunde, 19, 35---41 (1959) Aus der Biologischen Bundesanstalt- fiir Land und ForstwirtschMt, Institut fiir Zoologic, Berlin-Dahlem (Leiter: Dr. K. MAYER) VERHALTEN SJ~NDERUNGEN BEI EIPARASITEN DER GATTUNG TRICHOGRAMMA UNTER DEM EINFLUSS DES WIRTES Von KArL MAYER und WOLFGANG QUEDNAU Mit 4 Textabbildungen (Eingegangen am 20. August 1958) Die Bezeichnungen Haupt- und Nebenwirt, die zur Charakterisierung des Wirt-Parasit-Verhi~ltnisses allgemein verwendet werden, haben nur dann einen Sinn, wenn zugleich die 6kologische Situation umrissen wird, in weleher der Parasit beobachtet wurde. Dies wird durch zahlreiche Untersuchungen im Rahmen des Bioz6noseproblems belegt und zwingt uns zu einer Revision unserer Anschauungen fiber den statischen Wert dieses Beziehungsgefiiges. So konnte ZW6LFER (1957) bei seinen Ar- beiten fiber die Parasitenkreise verwandter Forstsch~dlinge beobachten, dab im els~ssischen Beobachtungsgebiet Choristoneura murinana Hb. vonder Sehlupfwespe Apechthis ru]ata infolge ,,sinnesphysiologischer Diktatur" vollst~ndig unberficksichtigt blieb, obwohl sie in zehnfach h6herer Populationsdichte als der yon ihr gewi/hlte Wirt Cacoecia xylosteana L. auftrat und nach herk6mmlicher Auffassung die gleiche Wirtsqualit~t wie dieser besitzen soll. Experimentelle Untersuchungen, die in Dahlcm an verschiedenen parasit~ren Insekten durehgefiihrt wurden, haben ergeben, dal~ -- unab- hi~ngig yon ihrer phytophagen oder entomophagen Lebensweise -- nieht nur Entwieklungsdauer, Fruchtbarkeit, Temperaturvertr£glichkeit und Geschlechterverh£1tnis, sondern auch Wahlverhalten und 0rientierungs- weisen unter dem Einflul~ des Wirtes ~_nderungen erfahren (MAYER- QUE~)NAU 1958). Dank groSzfigiger Unterstfitzung durch die Deutsche Forsehungsgemeinschaft konnten im Verlauf yon 5 Jahren eingehende Untersuehungen mit Eiparasiten der Gattung Triehogramma durch- geffihrt werden, die ebenfalls die Gfiltigkeit der Thorpeschen Regel fiber das ,,Pre-imaginal conditioning" best/~tigen (THorPE 1939). Habitat und Ern~hrung bestimmen den Reizwert eines Wirtes, wie quantitative Untersuchungen fiber die Nachkommenzahl parasit~rer Hymenopteren gezeigt haben. Bei Wahlm6glichkeiten zwisehen ver- sehieden erniihrten Individuen der gleichen Art und den yon ihnen abgelegten Eiern konnten J~nderungen des Reizwertes der Wirtevorlage

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Z. f. Parasitenkunde, 19, 35---41 (1959)

Aus der Biologischen Bundesanstalt- fiir Land und ForstwirtschMt, Institut fiir Zoologic, Berlin-Dahlem (Leiter: Dr. K. MAYER)

VERHALTEN SJ~NDERUNGEN BEI E IPARASITEN DER GATTUNG T R I C H O G R A M M A

UNTER DEM EINFLUSS DES WIRTES

Von KArL MAYER und WOLFGANG QUEDNAU

Mit 4 Textabbildungen

(Eingegangen am 20. August 1958)

Die Bezeichnungen Haupt- und Nebenwirt, die zur Charakterisierung des Wirt-Parasit-Verhi~ltnisses allgemein verwendet werden, haben nur dann einen Sinn, wenn zugleich die 6kologische Situation umrissen wird, in weleher der Parasit beobachtet wurde. Dies wird durch zahlreiche Untersuchungen im Rahmen des Bioz6noseproblems belegt und zwingt uns zu einer Revision unserer Anschauungen fiber den statischen Wert dieses Beziehungsgefiiges. So konnte ZW6LFER (1957) bei seinen Ar- beiten fiber die Parasitenkreise verwandter Forstsch~dlinge beobachten, dab im els~ssischen Beobachtungsgebiet Choristoneura murinana Hb. v o n d e r Sehlupfwespe Apechthis ru]ata infolge ,,sinnesphysiologischer Diktatur" vollst~ndig unberficksichtigt blieb, obwohl sie in zehnfach h6herer Populationsdichte als der yon ihr gewi/hlte Wirt Cacoecia xylosteana L. auftrat und nach herk6mmlicher Auffassung die gleiche Wirtsqualit~t wie dieser besitzen soll.

Experimentelle Untersuchungen, die in Dahlcm an verschiedenen parasit~ren Insekten durehgefiihrt wurden, haben ergeben, dal~ - - unab- hi~ngig yon ihrer phytophagen oder entomophagen Lebensweise - - nieht nur Entwieklungsdauer, Fruchtbarkeit , Temperaturvertr£glichkeit und Geschlechterverh£1tnis, sondern auch Wahlverhalten und 0rientierungs- weisen unter dem Einflul~ des Wirtes ~_nderungen erfahren (MAYER- QUE~)NAU 1958). Dank groSzfigiger Unterstfitzung durch die Deutsche Forsehungsgemeinschaft konnten im Verlauf yon 5 Jahren eingehende Untersuehungen mit Eiparasiten der Gattung Triehogramma durch- geffihrt werden, die ebenfalls die Gfiltigkeit der Thorpeschen Regel fiber das ,,Pre-imaginal conditioning" best/~tigen (THorPE 1939).

Habi ta t und Ern~hrung bestimmen den Reizwert eines Wirtes, wie quantitative Untersuchungen fiber die Nachkommenzahl parasit~rer Hymenopteren gezeigt haben. Bei Wahlm6glichkeiten zwisehen ver- sehieden erniihrten Individuen der gleichen Art und den yon ihnen abgelegten Eiern konnten J~nderungen des Reizwertes der Wirtevorlage

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Galleria mellonella auf Microbracon und Trichogramma nachgewiesen wer- den (MAYER 1957). Werden den Eiparasiten verschiedene Wirte zur Wahl vorgelegt, so best immt das entstehende Reizfeld den Parasitierungs- erfolg. Dieser unterscheidet sich oft erheblich yon den Ergebnissen, die im Reizfeld nur eines Wirtes gewonnen wurden, da verschiedene Taxien das Verhalten des Parasiten steuern. Als wesentliche Ursachen konnten yon QUEDNAU chemische Beschaffenheit und physikalische Eigenschaften, wie z. B. Form und GrSBe der Eier sowie die St~rke der Eiwand, nachgewiesen werden. Die Zahl der Nachkommen eines Test- weibchens yon Trichogramma cacoeciae ist bei Vorlage der Eier eines Wirtes in Ephestia am gr6Bten (E 137,0), in Arctia am kleinsten (A 25,9). Bei Vorlage der Eier zweier Wirte wird unter dem Einfluf3 yon Caradrina

E 73,~

G 6,O Abb. l a 11. b. De[' Einfluf:~ det' t~eizfelder auf den Paras i t ie rungse t ' fo lg im ~Vahlversueh bei Trichogramma cacoecgae, a. geschlossenes mtd b diffuses Reizfeld, gebi lde t aus Eiern

der ~Vivte E p h e s t i a (E), Galleria (G) und Cimex (C)

und Arctia die Zahl in Ephestia vermindert (E 33,1 + Ca 62,3 und E 20,2+ Ac 26,6), wie auch in Arctia unter dem EinfluB yon Caradrina eine geringere Nachkommenschaft erzielt wird (Ca 39,5-~ Ac 17,9). Sehr aufschluBreich ist der Wahlversuch mit drei Wirten. In der Abb. 1 geben die schwarzen SektorenflKchen die Parasitierungsergebnisse yon je 10 Wiederholungen im Kartenwechseltestverfahren ( QUED~AU 1956) an. Die weiBen Kreisbogen stellen die Mittelwerte fiir die Wirtespezies Ephestia kuehniella (E), Galleria mellonella (G) und Cimex lectularius (C) dar, wiihrend der unterbrochene Kreis den Mittelwert jeder Versuchsreihe angibt. Die Zahl der vorgelegten Eier betrug an jedem Tage ffir Ephestia 25, Galleria 100 und Cimex 15. Werden die Eier in geschlossenen Grup- pen (a) geboten, so dab innerhalb der einzelnen Eigruppen die spezifi- schen Reizqualit~ten der Art gewahrt bleiben, so ergibt die Ephestia- Gruppe die gr6Bte Trichogrammenzahl. Wird aber ein di//uses l~eiz- feld (b) geschaffen, in dem jedes Ei an die der beiden anderen Spezies

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angrenzte, so wird Cimex bevorzugt. Infolge der Durchmisehung t r i t t die ehemische Orientierung hinter der physikalischen (taktile Reize usw.) zuriiek, so dab fiberwiegend die grSSeren Cimex-Eier belegt werden. Numeriseh gesehen wird zwar die gleiche Nachkommenzahl (a) 25,1 und (b) 25,7 erzielt, jedoch unterscheiden sich beide Versuche dureh den biologischen Wert der Schlupfwespen, da, wie wir noeh sehen werden, die aus Cimex gesehlfipften Tiere minderwertig sind.

Ein Vergleich der Parasitierungserfolge von Trichogrammen der gleichen Art, die aus verschiedenen Wirten gezogen wurden, l~$t er- kennen, dal~ die Tiere aus Cimex stets eine geringere Nachkommenzahl haben, obwohl sie grSBer als ,,Ephestia"- oder ,,Galleria"-Formen sind. So betr~gt die Zahl der Nachkommen von Trichogramma cacoeciae bei Vorlage von t~glich 20 Eiern der Art Amphidasis betularia und 25 der Ephestia kuehniella nach Passage durch Ephestia 31,1 (E 23,5 + A 7,6), wiihrend aus Cimex gesehlfipfte Imagines nur 6,8 (E 4,9 ~- A 1,9) Wespen ergeben. Die Ursachen hierffir sind noch nieht restlos aufgekl~rt. Die Triehogrammen schlfipfen nnr aus Eiern von Cimex-Imagines, die mit Meerschweinehenblut ern~hrt wurden; Menschenblutnahrung der Wan- zen bewirkt abortive Entwicklung des Parasiten in den von ihnen abgelegten Eiern. AuBerdem tr i t t eine J~nderung im Wahtverhalten des Eiparasiten ein. W~hrend aus Galleria und Ephestia geschlfipfte Indi- viduen (S) eine klare Pr~ferenz bei Wahl zwisehen Galleria- und Cimex- Eiern zeigen (S Ephestia: C 13,5 + G 0,1; S Galleria: C 16,8 -~ G 1,0), werden diese Wirte von Tieren aus Cimex nieht unterschieden (S Cimex : G 2,5 ~-C 2,8). Der 5kologische Wert des Parasiten wird demnach bereits in der pr~imaginalen Phase durch den Wirt determiniert.

Dauerzuehten an der gleichen Wirts-Art, aueh wenn letztere unter natiirlichen Bedingungen nicht belegt wird, ffihrt zu einer Adaptation, wie die stetige Steigerung der Nachkommenzahl in Galleria erkennen 1KSt. Bei Testung unter gleiehen 5kologischen Bedingungen war eine Steigerung von 10 erfolgreichen Parasitierungen in der F 18 auf 90 in der F 110 erreieht worden. Die im Verlauf der Generationen sinkende Zahl der Ablehnungen l~l~t deutlich den auffallenden Wandel im Wirt- Parasit-VerhKltnis erkennen. W~hrend in der F 17 yon 20 Tieren 9, in der F 43 nur 6 Weibehen Galleria-Eier vSllig ablehnten, nahmen in der F 53 alle T. cacoeciae diesen Wirt an. Nach Passagen durch einen anderen Wirt kann die erworbene Bindung verlorengehen. So wurden naeh einer Cimex-Passage bei Testung mit 20 Tieren in F 111 an Galleria wieder 7 Ablehnungen registriert (Nachkommenzahl 17,0 pro Weibchen). Der Genotyp ist daher unverKndert geblieben. Die yon THORP~ (1956) entwickelte Theorie fiber das Lernen der Insekten kann dieses Verhalten des Eiparasiten hinreiehend erkliiren. ~%ben dieser durch Adaptation bewirkten Verbesserung des Wirt-Parasit-Verhi~ltnisses wurde aber auch

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eine sprunghafte Veriinderung beobachtet, die nach einer einzigen Arctia- Passage in der F 98 zu einer wesentliehen Erh6hung der Parasitierungs- ziffer (auf 110 pro Weibchen) durch T. cacoeciae an Galleria fiihrte,

E ~ E 75,0 d /3, 5

// Z

Abb. 2~ u. b. E inf lu6 der At 'e t ia-Pass~ge auf Trichogramma semblidis i m \Vahlversuch m i t Ephes t i a - und Gallet ' ia-Eiern. A k t i v i t a t und Gr6ge des P a r a s i t e n nach Zf ichtung aus :

a S E p h e s t i a S Avcti~, Gr61.}e: 880/*; b ~ Ephes t i a , / Ephest i~, Gi'iige: 580 i t

wiihrend der ununterbrochen an Galleria gehaltene Stamm nur 68 Para- sitierungen je Weibchen erzielte. Die Entwicklung in den Eiern des Braunen B/~ren bewirkt auch bei anderen Trichogramma-Arten//hnliche

Abb. 3 a - - c . E in f lug der Arc t i a -Pas sage auf Trh'hogramma semblidis bei der P a r a s i t i e r u n g yon G~lleria-Eiern. Aktivi t~it des Pa.rasi ten nach Zt ich tung aus : a S Galleria S Galleri~l ;

b S Ephes t i a S Arct ia ; c S Ephes t i a S Arct.ia S Galleria.

Anderungen. Bei Vorlage von 25 Ephestia- und 100 Galleria-Eiern betrug in 20 Wiederholungen die Nachkommenschaft yon T. semblidis aus Ephestia 88,5, w~hrend eine Arctia-Passage zu einer Steigerung auf 168,9 ffihrte. Die Ziffern in den Sektoren lassen die Wirtepri/ferenz der einzelnen Weibchen erkennen (Abb. 2). Werden nur Galleria-Eier ange- boten, so steigt der Parasitierungseffekt sogar um das dreifache nach Arctia und die Zahl derAblehnungen sinkt yon 7 auf 3. In der folgenden

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Galleria-Passage werden nur noch yon einem Tier die Eier abgelehnt, doch geht die Zahl der Nachkommen zurfick. Wie aueh nach Entwick- lung in Cimex, veriinderte sich die Gr61~e der Tiere, die aber in der fol- genden Generation wieder die normale GrSl~e erreichte, wenn die Ent- wicklung in Galleria oder Ephestia erfolgte (Abb. 3). Wenn auoh die um 1/3 gr61~eren KSrpermaBe mit dazu beigetragen haben m6gen, so kann sie allein nicht diese ungew6hn- liche Ver~nderung des Parasitie- rungserfolges bewirkt haben, wie das oben erw£hnte Beispiel der aus Cimex gezogenen Schlupfwespen ge- nfigend beweist. Wir mfissen daher annehmen, dab die Entwicklung in Arctia wesentliche physiologische Umwandlungen bewirkt hat, als deren Folge wir diese Verhaltens- ~nderungen aufzufassen haben.

Als Beweis m6gen unsere Beob- achtungen fiber die Orientierung des Eiparasiten Trichogramma dienen. In experimentellen Untersuchungen gelang es QUEDNAC (1958), artbe- dingte Unterschiede im Laufverhal- ten der einzelnen Arten nachzuwei- sen. Bei Laufversuchen in 70 cm lan- gen, senkrecht aufgeh~ngten Glas- r6hren bewegt sich T. embryophagum aus Ephestia sehr langsam, T. cacoe- ciae aus Galleria etwas schneller, wAhrend T. pretiosum aus Ephestia, eine amerikanische Form, die etwa unserer evanescens entspricht, in der gleichen Zeit sehr viel rascher nach

--

/ L I F-

2 ~ _~L 2,~

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6'- -- ~'- 8'-

o+ 7'- = 7'- 7'- ,~ 8 c _= ~c 8'-

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17 C 'f- 17'-

12 L - - ~2 ~- I~

/q,_ re_ if,_ !! 15'- f5 + '5-

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i< h< b 1.< b A b b . 4 a - - e . V e r ~ n d e r u n g der L a u f g e - s c h w i n d i g k e i t e n y o n T r i c h o g r a m m a - A r - t e n d u t c h A r c t i a - P a s s a g e n (22 ° C, 40 % re. L. F . , t t e n i g k e i t ) . Die Q u e r s t r i c h e b e d e u t e n d ie f i i r d ie 20 z u e r s t g e l a u f e n e n I n d i v i d u e n g e m e s s e n e n L a u f z e i t e n f i i r e i n e n W'eg y o n 70 c m i n s e n k r e c h t e r A u f w ~ r t s b e w e g u n g ( D a u e r des V e r s u c h e s : 18 m i n ) . - - a T . p r e t i o s u m ; b T . e m b r y o -

p h a g u m ; c T , e a c o e c i a e

oben strebt. I m Leistungsspektrum (Abb. 4) sind die Laufzeiten je Individuen durch Querstriche vermerkt. An den Zeitmarken kann abge- lesen werden, wie lange die einzelnen Tiere gebraucht haben, um den senkrechten Weg yon 70 cm zurfickzulegen. Nach 18 min wurde der Versuch abgebrochen. Es sind nur die 20 zuerst gelaufenen Individuen berficksichtigt. Die Entwicklung der Trichogramma-Arten pretiosum, embryophagum und cacoeciae in Arctia ffihrt nun zu einer ~_nderung im Laufverhalten, die um so erstaunlicher ist, da sie bei den verschiedenen

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Arten nicht gleichsinnig verl/~uft. T. pretiosum wird in ihrer Bewegung gehemmt, w~hrend T. embryophagum und T. cacoeciae sich als Formen mit beschleunigter Bewegung erweisen. Diese Umstimmung im Ver- halten der einzelnen Arten kann nur durch Anwesenheit bestimmter Stoffe im Wirtsei erkl~rt werden, die vermutlich durch neurophysiologi- sehe Wirkung die Reaktionsgeschwindigkeit des Parasiten beeinflussen. Eine direkte Einwirkung ist kaum anzunehmen, da sich der Effekt mit der Art i~ndert, wie die Beobachtungen der Wahlpr/~ferenz und Lauf- geschwindigkeit gezeigt haben. Unsere Befunde sind ein Beweis dafiir, da6 einzelne Glieder der BiozSnose Stoffe enthalten, die steuernd in das komplexe Geffige von l~eaktionsketten und Verhaltensschemen der Eiparasiten eingreifen. Die Beurteilung des 5kologischen Wertes dieser Parasiten setzt eben die genaue Kenntnis der Biosysteme voraus, in die das einzelne Individuum eingeschaltet ist.

Die Autoren glauben, damit einen Beitrag zur analytischen Behand- lung des BiozSnoseproblems geliefert zu haben. Verhaltens~nderungen, die in den letzten Jahren bei der Durchftihrung 5kologischer Arbeiten beobachtet wurden, sind damit einer experimentellen Analyse zug~ng- lich geworden. Die bereits yon TELENGA (1956) in Rul~land geforderte Anwendung bodenst~ndiger Formen in der biologischen Bek~mpfung landwirtschaftlicher Schi~dlinge, die auch in Peru nach Fehlschli~gen mit importierten Parasiten yon WILLE (in litt.) eifrig geiibt wird, findet damit ihre kausale Deutung.

Zweifellos wird eine biochemische Analyse zur K1/~rung der stoff- lichen Ursachen ffihren, die eine so tiefgreifende Ver~nderung der Ver- haltensweisen von Parasiten bewirken kSnnen. Wenn ihre Auswirkungen auch nur im Ph/~notyp nachweisbar sind, so stellen sic doch die ersten Schritte zur Entstehung yon Biotypen und geographischen Rassen dar. Der Grad einer solehen Ver~nderung gibt aber Aufsehlul] dariiber, welche Spezies in ihrem Verhalten stabil oder plastisch und fiir sp/~tere Auf- spaltungen priidestiniert sind. Doch ehe diese Fragen nicht bei anderen Formen hinreichend gekl~rt sind, ist es verfrfiht, diese bei Trichogramma gewonnenen Ergebnisse zu verallgemeinern, da gerade diese Gattung besonders stark auf 5kologische Einfliisse reagiert. Dennoch glauben wir, mit unseren Ergebnissen einen neuen Beweis dafiir erbracht zu haben, dai3 dem ,,Pre-imaginal conditioning" wesentliche Bedeutung ffir das Vordringen der Arten in neue Lebensr~ume und ihre Erhaltung im Wandel von Lebensgemeinschaft und Lebensraum beizumessen ist. Es ist fiir die graduelle Abweichung vom typischen Verhalten in engen Lebensr~umen verantwortlich und leitet die Entstehung neuer 5kologi- scher Formen ein, die als erste Etappe auf dem Wege zur Artbildung zu denken ist.

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L i t e r a t u r

MAYER, K. : Der Einflul3 5kologischer Faktoren auf das parasit~re Verhalten yon Insekten. Ber. 100-Jahrfeier Dtsch. Ent. Ges. Berlin 30. IX . - -5 . X. 1956, Berlin 1957, S. 122--134. - - MAYER, K., u. W. QUED~AU: Der Einflul3 des Wirtes auf das Verhalten parasit~rer Insekten. XV. Int. Zool. Kongr., London 1958, Sect. VIII , Nr 22. - - Q U E D N A U , W. : Die biologischen Kriterien zur Unterscbei- dung yon Trichogramma-Arten. Z. Pflanzenkrkh. 63, 333---344 ( 1 9 5 6 ) . - ~ber einige Orientierungsweisen des Eiparasiten Trichogramma (Hym. Chalcididae) auf Grund yon Licht- und Schwerereizen. Anz. Sch~dlingsk. 31, 83--85 (1958). - - TELENGA, N . A . : Untersuchungen fiber Trichogramma evanescens Westw. und T. pallida Meyer (Hym., Trichogrammatidae) und ihre Verwendung zur biologi- schen Bek~mpfung yon Schadinsekten in der UdSSR. (Russisch mit engl. Res.) Entomologisceskoje obosrenie 35 (3), 599--610 {1956). - - THORP]~, W. H. : Further studies on pre-imaginal olfactory conditioning in insects. Proe. Roy. Soc. B 137, 424--434 (1939). - - Learning and instinct in animals. London 1956, p. 4 9 3 , - ZWSLFER, H.: Vergleiehend-biozSnotiscbe Untersuchungen an Parasitenkreisen verwandter Forstseh~dlinge. Ber. 8. Wanderversg. Dtsch. Ent. 31. V.--4. VI. 1957 Miinchen, Nr 11. 1957.

Dr. KARL MAYER, Biologische Bundesanstalt, Institut fiir Zoologie, Berlin-Dahlem, KSnigin-Luise-Str. 19