Verlustfreies Metamaterial : Optisch gepumptes Material mit negativem Brechungsindex macht seine...

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Verlustfreies Metamaterial Optisch gepumptes Material mit negativem Brechungsindex macht seine Lichtabsorption wett Metamaterialien sind Verbundwerk- stoffe mit neuartigen Eigenschaften. So haben „linkshändige“ optische Metama- terialien einen negativen Brechungsin- dex. Sie brechen das Licht in die falsche Richtung, so dass der einfallende und der gebrochene Strahl zur selben Seite des Lotes liegen. Damit wird eine optische Abbildung unterhalb der Beugungsgren- ze möglich. Inzwischen kann man opti- sche Metamaterialien so fein strukturie- ren, dass sie im Bereich des sichtbaren Lichtes arbeiten. In den bislang entwi- ckelten Strukturen treten indes starke Absorptionsverluste auf, die einer prakti- schen Nutzung im Wege stehen. Doch jetzt haben Forscher an der Purdue Uni- versity ein „linkshändiges“ Metamaterial vorgestellt, das diese Verluste kompen- siert, wenn es optisch gepumpt wird. Dem von Vladimir Shalaev und seinen Kol- legen entwickelten Metamaterial lag eine Fischnetzstruktur zugrunde, mit der die For- scher schon früher verschiedene linkshändi- ge Materialien für sichtbares Licht ausge- stattet hatten. Diese Materialien absorbierten allerdings das Licht recht stark: Bei einer Wellenlänge von 580 nm war der komplexe Brechungsindex n = –0,25 + i 0,83. Die Gü- tezahl, also der Betrag des Verhältnisses von Real- zu Imaginärteil, war demnach nur 0,3. Die Fischnetzstruktur bestand aus Silber- und Aluminiumoxidschichten, die sich ab- wechselten und in denen schachbrettförmig angeordnete Löcher waren (siehe Abbil- dung). Die starken Absorptionsverluste tra- ten in den Silberschichten auf. Die Fischnetzstruktur ist äquivalent zu zwei Scharen von parallelen Balken aus Sil- ber und Aluminiumoxid, die sich senkrecht kreuzen. Fällt eine elektromagnetische Wel- le auf die oberste Schicht, so ruft die zur einen Balkenschar parallele Komponente des magnetischen Feldes der Welle einen resonanten Response mit µ<0 hervor, die zur anderen Balkenschar parallele elektri- sche Komponente einen nichtresonanten Response mit µ < 0. Insgesamt ergibt sich eine Resonanz mit realem n < 0. Das gilt jedoch nur im idealen, verlustfreien Fall. Tatsächlich fließen in den Silberschichten Ströme, die aufgrund des elektrischen Wi- derstands zu unvermeidlichen Absorptions- verlusten führen. Das neue „verlustfreie“ Metamaterial ist so aufgebaut, dass seine Absorptionsverluste kompensiert werden können. Dazu haben die Forscher für die isolierenden Schichten zwischen den Silberlagen statt Aluminium- oxid ein Epoxidharz verwendet, das mit dem Farbstoff Rhodamin 800 dotiert war. Der Farbstoff diente als Verstärkungsmedium. Wurde er mit einem Laserpuls gezielt ange- regt, so konnte er ein anschließendes Lichtsi- gnal durch stimulierte Emission verstärken. Zunächst zeigten die Forscher, dass das neue Metamaterial trotz seines veränderten Aufbaus noch immer linkshändig war, auch wenn der Farbstoff nicht gezielt angeregt wurde. Dazu maßen sie mit 2 ps langen Weißlichtpulsen die Lichtdurchlässigkeit, die Reflexion und das Absorptionsvermögen des Materials für einen Wellenlängenbereich von 650 nm bis 850 nm. Die Messungen er- gaben, dass das Material eine Resonanz bei 725 nm hatte, wo auch der Fluoreszenzpeak des verwendeten Farbstoffs lag. Der Bre- chungsindex war für Wellenlängen zwischen 720 nm und 760 nm negativ und erreichte bei 740 nm den Wert –0,86. Bei 737 nm hatte die Güte mit 1 den größten Wert. Nu- merische Simulationen stimmten hervorra- gend mit den Messergebnissen überein. Dann regten Shalaev und seine Kollegen den Farbstoff mit einem 2 ps langen Laser- puls von 690 nm Wellenlänge an, dem in variablem zeitlichem Abstand der Weiß- lichtpuls folgte. Der Zeitabstand wurde so gewählt, dass die gemessene Lichtdurchläs- sigkeit maximal wurde. Tatsächlich verdop- pelte sie sich zwischen 712 nm und 736 nm aufgrund der Lichtverstärkung durch den Farbstoff. Ein Ausbleichen des Farbstoffs schließen die Forscher als Ursache für die erhöhte Lichtdurchlässigkeit aus. Die nume- rischen Simulationen zeigten, dass Lichtver- stärkung zwischen 722 nm und 738 nm auf- trat während der Brechungsindex zwischen 720 nm und 760 nm negativ war und den Wert –1.0 hatte. Die Güte nahm bei 737 nm von 1 (ohne Anregungspuls) auf 26 (!) zu. Möglicherweise lag die Güte bei anderen Wellenlängen noch wesentlich höher. Eine direkte experimentelle Bestätigung dieser Simulationsergebnisse steht noch aus. Die Forscher glauben, dass sie durch geeignete Änderungen der Struktur des Metamaterials einen negativen Brechungs- index und eine hohe Güte in einem noch wesentlich größeren Wellenlängenbereich erzielen können. Doch schon jetzt haben sie die Entwicklung praktisch nutzbarer linkshändiger Metamaterialien ein großes Stück vorangebracht. Rainer Scharf Weitere Infos: Loss-free and active optical negative-index meta- materials. Nature 466, 735 (2010) dx.doi.org/10.1038/nature09278 - versity in West Lafayette: cobweb.ecn.purdue.edu/~shalaev/ metamaterials. Opt. Lett. 34, 3478 (2009) - materials. Fundamentals and Applications. New physik.de (22.12.2006) www.optik-photonik.de 19 ABB.: Das verlustfreie Metamaterial mit Fischnetzstruktur.

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Verlustfreies MetamaterialOptisch gepumptes Material mit negativem Brechungsindex macht seine Lichtabsorption wett

Metamaterialien sind Verbundwerk-stoffe mit neuartigen Eigenschaften. So haben „linkshändige“ optische Metama-terialien einen negativen Brechungsin-dex. Sie brechen das Licht in die falsche Richtung, so dass der einfallende und der gebrochene Strahl zur selben Seite des Lotes liegen. Damit wird eine optische Abbildung unterhalb der Beugungsgren-ze möglich. Inzwischen kann man opti-sche Metamaterialien so fein strukturie-ren, dass sie im Bereich des sichtbaren Lichtes arbeiten. In den bislang entwi-ckelten Strukturen treten indes starke Absorptionsverluste auf, die einer prakti-schen Nutzung im Wege stehen. Doch jetzt haben Forscher an der Purdue Uni-versity ein „linkshändiges“ Metamaterial vorgestellt, das diese Verluste kompen-siert, wenn es optisch gepumpt wird.

Dem von Vladimir Shalaev und seinen Kol-legen entwickelten Metamaterial lag eine Fischnetzstruktur zugrunde, mit der die For-scher schon früher verschiedene linkshändi-ge Materialien für sichtbares Licht ausge-stattet hatten. Diese Materialien absorbierten allerdings das Licht recht stark: Bei einer Wellenlänge von 580 nm war der komplexe Brechungsindex n = –0,25 + i 0,83. Die Gü-tezahl, also der Betrag des Verhältnisses von Real- zu Imaginärteil, war demnach nur 0,3. Die Fischnetzstruktur bestand aus Silber- und Aluminiumoxidschichten, die sich ab-wechselten und in denen schachbrettförmigangeordnete Löcher waren (siehe Abbil-dung). Die starken Absorptionsverluste tra-ten in den Silberschichten auf.

Die Fischnetzstruktur ist äquivalent zu zwei Scharen von parallelen Balken aus Sil-ber und Aluminiumoxid, die sich senkrecht kreuzen. Fällt eine elektromagnetische Wel-le auf die oberste Schicht, so ruft die zur einen Balkenschar parallele Komponente des magnetischen Feldes der Welle einen resonanten Response mit µ<0 hervor, die zur anderen Balkenschar parallele elektri-sche Komponente einen nichtresonanten

Response mit µ < 0. Insgesamt ergibt sich eine Resonanz mit realem n < 0. Das gilt jedoch nur im idealen, verlustfreien Fall. Tatsächlich fließen in den Silberschichten Ströme, die aufgrund des elektrischen Wi-derstands zu unvermeidlichen Absorptions-verlusten führen.

Das neue „verlustfreie“ Metamaterial ist so aufgebaut, dass seine Absorptionsverluste kompensiert werden können. Dazu haben die Forscher für die isolierenden Schichten zwischen den Silberlagen statt Aluminium-oxid ein Epoxidharz verwendet, das mit dem Farbstoff Rhodamin 800 dotiert war. Der Farbstoff diente als Verstärkungsmedium. Wurde er mit einem Laserpuls gezielt ange-regt, so konnte er ein anschließendes Lichtsi-gnal durch stimulierte Emission verstärken.

Zunächst zeigten die Forscher, dass das neue Metamaterial trotz seines veränderten Aufbaus noch immer linkshändig war, auch wenn der Farbstoff nicht gezielt angeregt wurde. Dazu maßen sie mit 2 ps langen Weißlichtpulsen die Lichtdurchlässigkeit, die Reflexion und das Absorptionsvermögen des Materials für einen Wellenlängenbereich von 650 nm bis 850 nm. Die Messungen er-gaben, dass das Material eine Resonanz bei 725 nm hatte, wo auch der Fluoreszenzpeak des verwendeten Farbstoffs lag. Der Bre-chungsindex war für Wellenlängen zwischen 720 nm und 760 nm negativ und erreichte bei 740 nm den Wert –0,86. Bei 737 nm hatte die Güte mit 1 den größten Wert. Nu-merische Simulationen stimmten hervorra-gend mit den Messergebnissen überein.

Dann regten Shalaev und seine Kollegen den Farbstoff mit einem 2 ps langen Laser-puls von 690 nm Wellenlänge an, dem in variablem zeitlichem Abstand der Weiß-lichtpuls folgte. Der Zeitabstand wurde so gewählt, dass die gemessene Lichtdurchläs-sigkeit maximal wurde. Tatsächlich verdop-pelte sie sich zwischen 712 nm und 736 nm aufgrund der Lichtverstärkung durch den Farbstoff. Ein Ausbleichen des Farbstoffs schließen die Forscher als Ursache für die erhöhte Lichtdurchlässigkeit aus. Die nume-rischen Simulationen zeigten, dass Lichtver-stärkung zwischen 722 nm und 738 nm auf-trat während der Brechungsindex zwischen 720 nm und 760 nm negativ war und den Wert –1.0 hatte. Die Güte nahm bei 737 nm von 1 (ohne Anregungspuls) auf 26 (!) zu. Möglicherweise lag die Güte bei anderen Wellenlängen noch wesentlich höher. Eine direkte experimentelle Bestätigung dieser Simulationsergebnisse steht noch aus.

Die Forscher glauben, dass sie durch geeignete Änderungen der Struktur des Metamaterials einen negativen Brechungs-index und eine hohe Güte in einem noch wesentlich größeren Wellenlängenbereich erzielen können. Doch schon jetzt haben sie die Entwicklung praktisch nutzbarer linkshändiger Metamaterialien ein großes Stück vorangebracht.

Rainer Scharf

Weitere Infos:

Loss-free and active optical negative-index meta-

materials. Nature 466, 735 (2010)

dx.doi.org/10.1038/nature09278

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versity in West Lafayette:

cobweb.ecn.purdue.edu/~shalaev/

metamaterials. Opt. Lett. 34, 3478 (2009)

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materials. Fundamentals and Applications. New

physik.de (22.12.2006)

www.optik-photonik.de 19

ABB.: Das verlustfreie Metamaterial mit Fischnetzstruktur.