Vernetzen mit Geometrie als...

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Vernetzen mit Geometrie als Basiskompetenz Swetlana Nordheimer Zusammenfassung. Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen Vernetzungen von geometrischen mit anderen Inhaltsbereichen im Mathematikunterricht, wobei der Schwerpunkt auf der Konstruktion einer schülerzentrierten Unterrichtsmethode zur Vernetzung von mathematischem Wissen in der SEK I liegt. Dafür wird zunächst auf Vernetzungen in der Mathematik und im Mathematikunterricht eingegangen. Daraufhin wird die „Kapitelübergreifende Rückschau“ als Möglichkeit zur Förderung von Vernetzung im Mathematikunterricht vorgestellt. Dabei soll das Augenmerk auf der Verzahnung von mathematischen Inhalten mit geeigneten Sozialformen liegen. Ergänzt wird der Beitrag durch die Darstellung von zwei schulischen Erprobungen im Mathematikunterricht mit Schülern, die diagnostizierte Lernschwierigkeiten aufweisen. Vernetzen in der Fachwissenschaft Im Logo der Internationalen Mathematischen Vereinigung stehen Borromäische Ringe für den Vernetzungsreichtum der Mathematik. Dabei stehen sie dem Entwickler des Logos John Sullivan zufolge zunächst für die Vernetzungen zwischen verschiedenen mathematischen Bereichen, dann für die Vernetzungen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Mathematiker 1 . Damit erhalten fachwissenschaftliche Vernetzungen in der Mathematik zusätzlich zu der epistemischen eine weitere, soziale, Dimension. Borromäische Ringe sind als ein geometrischer (topologischer) Link in der Ebene unmöglich und nur unter Zuhilfenahme von einer weiteren Dimension adäquat darstellbar (Informationsdienst Wissenschaft). Eine Wissenschaftsdisziplin wird in der aktuellen Diskussion innerhalb der Wissenschaftsforschung nicht nur epistemisch, sondern auch soziologisch verstanden (siehe Stichweh 1981). In diesem Sinne betriff dann Mathematik diejenige kommunikative Gemeinschaft von Personen, die als Mathematiker gelten, weil sie gewisse gemeinsame Annahmen über die Möglichkeiten, Probleme, Themen, Methoden, Praktiken, Daten und Gütekriterien der 1 Mit der männlichen Form sind im Text durchgängig Vertreter von beiden Geschlechtern gemeint. Abbildung 1: „IMU-Logo“

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  • Vernetzen mit Geometrie als Basiskompetenz

    Swetlana Nordheimer

    Zusammenfassung. Im Mittelpunkt dieses Artikels stehen Vernetzungen von geometrischen mit anderen Inhaltsbereichen im Mathematikunterricht, wobei der Schwerpunkt auf der Konstruktion einer schülerzentrierten Unterrichtsmethode zur Vernetzung von mathematischem Wissen in der SEK I liegt. Dafür wird zunächst auf Vernetzungen in der Mathematik und im Mathematikunterricht eingegangen. Daraufhin wird die „Kapitelübergreifende Rückschau“ als Möglichkeit zur Förderung von Vernetzung im Mathematikunterricht vorgestellt. Dabei soll das Augenmerk auf der Verzahnung von mathematischen Inhalten mit geeigneten Sozialformen liegen. Ergänzt wird der Beitrag durch die Darstellung von zwei schulischen Erprobungen im Mathematikunterricht mit Schülern, die diagnostizierte Lernschwierigkeiten aufweisen.

    Vernetzen in der Fachwissenschaft

    Im Logo der Internationalen Mathematischen Vereinigung stehen Borromäische Ringe für den Vernetzungsreichtum der Mathematik. Dabei stehen sie dem Entwickler des Logos John Sullivan zufolge zunächst für die Vernetzungen zwischen verschiedenen mathematischen Bereichen, dann für die Vernetzungen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Mathematiker1. Damit erhalten fachwissenschaftliche Vernetzungen in der Mathematik zusätzlich zu der epistemischen eine weitere, soziale, Dimension. Borromäische Ringe sind als

    ein geometrischer (topologischer) Link in der Ebene unmöglich und nur unter Zuhilfenahme von einer weiteren Dimension adäquat darstellbar (Informationsdienst Wissenschaft).

    Eine Wissenschaftsdisziplin wird in der aktuellen Diskussion innerhalb der Wissenschaftsforschung nicht nur epistemisch, sondern auch soziologisch verstanden (siehe Stichweh 1981). In diesem Sinne betriff dann Mathematik diejenige kommunikative Gemeinschaft von Personen, die als Mathematiker gelten, weil sie gewisse gemeinsame Annahmen über die Möglichkeiten, Probleme, Themen, Methoden, Praktiken, Daten und Gütekriterien der

    1Mit der männlichen Form sind im Text durchgängig Vertreter von beiden Geschlechtern gemeint.

    Abbildung 1: „IMU-Logo“

  • „wissenschaftlichen“ Arbeit teilen und sich darin von anderen wissenschaftlichen Gemeinschaften abgrenzen können.

    Laut der Soziologin Bettina Heintz (2000) kommt dem Beweis eine besondere Funktion beim Vernetzen der Mathematik zu. Durch Beweisen als die ihr eigene Erkenntnis- und Arbeitsmethode grenzt sich Mathematik von anderen wissenschaftlichen Disziplinen ab. Damit verknüpfen Beweise nicht nur mathematische Objekte wie Sätze und Begriffe, sondern auch Wissenschaftler miteinander. Denn in den Beweisen haben Mathematiker ein ihrer Fachdisziplin eigenes Kommunikationsmittel. Somit verknüpfen Beweise die Mathematik nicht nur auf der epistemischen, sondern auch auf der sozialen Ebene. Sie sind damit für Mathematik kennzeichnend und können zum Ausgangspunkt der Diskussion über Basiskompetenzen gewählt werden.

    Betrachtet man den schulischen Kanon für Mathematik, so lässt sich feststellen, dass die meisten Beweise in der Sekundarstufe I bei geometrischen Themenbereichen angesiedelt sind. Der Geometrie als Beispiel für eine deduktive Theorie (Holland 1988) kommt somit eine besondere Aufgabe zu. Aufgrund geometrischer Beweise und der Multi-Perspektivität der Geometrie (Neubrandt 2010) kann sie als ein Mittel der Vernetzung von verschiedenen Bereichen der Schulmathematik betrachtet werden. Diese Besonderheiten der Schulgeometrie gewinnen auf dem Hintergrund der durch Winter (2001) formulierten allgemeinbildenden Grunderfahrungen an Bedeutung. Die Schüler sollen nach Winter Mathematik im Unterricht als ein an „inneren (deduktiven) Vernetzungen reiches Universum“ erfahren. Der Geometrie als erster deduktiver Wissenschaft räumt er dabei die Leitfunktion ein (Winter 1995). Nicht umsonst wählen auch Wagenschein (1997) und Wittenberg (1994) gerade geometrische Beispiele, um die Themenkreismethode, die der Zusammenhanglosigkeit des Mathematikunterrichts entgegenwirken soll, zu beschreiben. Die besondere Rolle der Beweise im Geometrieunterricht wird bei der Entwicklung und Vorstellung des zweiten Unterrichtsvorschlags noch ein mal erwähnt.

    Standards

    Die Hervorhebung von Vernetzungen in der Mathematik als Fachwissenschaft geht weltweit parallel mit den Entwicklungen in der Didaktik der Mathematik. Als eine von zehn Basiskompetenzen führen beispielsweise die „NCTM Principles and Standards for School Mathematics 2000 Vernetzungen (‘connections’) auf” (Brinkmann 2002, S. 19). Auch in dem südafrikanischen Curriculum werden innermathematische Vernetzungen betont (Mwkapenda 2008). In verschiedenen Rahmenlehrplänen deutscher Bundesländer findet man explizite Vernetzungen als Leitideen (Baden Württemberg, Gymnasium) bzw. Links zwischen den Leitideen (Berlin, Rheinland-Pfalz). Im Baden-Württembergischen Lehrplan für die Hauptschule beispielsweise findet man

  • eine Forderung, die implizit auch für diese Schule bestimmte Vernetzungsstandards formuliert: „Unter der Leitidee ‘Raum und Form’ werden geometrische Inhalte thematisiert, deren Verbindungen zu arithmetischen und algebraischen Gesetzmäßigkeiten aufgezeigt.” In den Tests aus den Vergleichsuntersuchungen wie TIMMS und PISA, sowie Vergleichsarbeiten wie beispielsweise VERA und zentralen Abschlussprüfungen wie Mittlerer Schulabschluss in Berlin werden auch den leistungsschwächeren Schülern innerhalb einer kurzen Zeitspanne Aufgaben, die sich auf viele verschiedene inhaltliche Kapitel beziehen, zugetraut. Manchmal ist zum Lösen einer Aufgabe eine Synthese von Inhalten aus verschiedenen Schulbuchkapiteln erforderlich (vgl. Vollrath 2001). Um die erwähnten Vernetzungsstandards anzustreben ist es sinnvoll, den Vernetzungsbegriff für den Mathematikunterricht zu präzisieren und theoretisch einzuordnen.

    Vernetzungsdefinition

    Einen theoretischen Ausgangspunkt für den auf den Mathematikunterricht bezogenen Vernetzungsbegriff liefert Brinkmann (2002). Demzufolge wird Vernetzung als Prozess und Ergebnis des In-Beziehung-Setzens mathematischer Inhalte und Anwendungen auf der Ebene des Unterrichtsstoffes sowie auf der kognitiven Ebene des Schülers verstanden. Modelliert werden die Vernetzungen mit Hilfe von Graphen, wobei vor allem mathematische und nicht-mathematische Inhalte und Objekte zu den zu vernetzenden Knoten werden. Die Kanten zeigen existierende Beziehungen auf. Solche Beziehungen lassen sich als Vernetzungen definieren. Die groben Kategorien beim Vernetzen mathematischer Unterrichtsinhalte sind zunächst außer- und innermathematische Vernetzungen.

    Im Zusammenhang mit der hier vorgestellten Unterrichtsmethode sind vor allem die innermathematischen anwendungsbezogenen Vernetzungen interessant. Die Anwendung mathematischer Inhalte zur Lösung von Aufgaben führt zur Vernetzung von Aufgaben mit Modellen. Die dazu gehörige Relation lautet „ist eine Modellierung von“. So können algebraische Aufgaben durch Übersetzung in geometrische Modelle gelöst werden und umgekehrt. Als Beispiel für Modellvernetzungen führt Brinkmann u.a. Geometriesierung auf (vgl. Brinkmann 2002).

    Um einerseits mehr Kohärenz mit dem Verständnis von Vernetzungen in der Fachwissenschaft herzustellen und andererseits den Vernetzungsbegriff für die Praxis des Mathematikunterrichts fassbarer zu machen, werden hier einige Modifikationen des Brinkmannschen Begriffs vorgenommen. Vernetzungen, die Brinkmann beschreibt, finden vor allem auf der Ebene des mathematischen Wissens statt. Die soziale Ebene des Mathematiklernens und somit Vernetzungen im Mathematikunterricht wird nicht explizit angesprochen.

  • Soziokulturelle Lerntheorien postulieren (Wenger 1991 zitiert in Rehrl, Gruber 2007), dass Wissen nicht losgelöst von sozialen Austauschprozessen thematisiert werden kann. Als Konsequenz werden auch in der Pädagogik Modelle des Lernens und Wissensaustausches vorgeschlagen, die mit Hilfe von Graphentheorien modelliert und untersucht werden. Es werden aber auch Unterrichtmethoden vorgeschlagen, die für den Wissensaustausch förderlich sind. Eine solche Methode ist beispielsweise das Expertenpuzzle, das die im Folgenden durch die Verknüpfung mit den konkreten Unterrichtsinhalten des Mathematikunterrichts zur Kapitelübergreifenden Rückschau entwickelt wird.

    Somit geht es in diesem Artikel vor allem um die Verzahnung der epistemischen und sozialen Ebene der Vernetzung im Mathematikunterricht. Auf der epistemischen Ebene werden Inhalte von verschiedenen Kapiteln als Knoten modelliert. Auf der sozialen Ebene erscheinen einzelne Schüler als Knoten. Beim Lösen und Formulieren von mathematischen Aufgaben in Gruppen sollten sowohl Inhalte wie auch Schüler miteinander in Beziehung gesetzt werden. Als Kanten auf der sozialen Ebene treten dabei etwa „eine Aufgabe gemeinsam gelöst“ bzw. „eine Aufgabe gemeinsam formuliert“ auf. Dadurch wird das Ergebnis des In-Beziehung-Setzens als eine formulierte bzw. gelöste Aufgabe (und somit zu den Themen zugeordnete) konkretisiert. Andererseits drückt das Formulieren und das Lösen der Aufgabe den Prozesscharakter der Vernetzung der Schulmathematik aus. Es besteht Grund zur Annahme, dass diese Veranschaulichung sowohl die Kommunikation unter den Schülern deutlich erleichtert, als auch die Chancen für die Implementierung der Begrifflichkeiten für die Unterrichtspraxis erhöht.

    Die Kohärenz zur Mathematik als Wissenschaftsdisziplin entsteht bei dieser Begriffsbestimmung dadurch, dass Mathematiker durch Kante „gemeinsame Veröffentlichung“ auf der sozialen Ebene vernetzt werden, aber auch verschiedene Bereiche der Mathematik miteinander vernetzen.

    Um Unterrichtssituationen zu gestalten, die soziale Ebene der Vernetzung fördern, ist es sinnvoll nach Unterrichtsmethoden zu forschen, die verschiedene Formen des kooperativen Lernens mit den konkreten mathematischen und insbesondere geometrischen Inhalten verknüpfen. Eine solche Methode könnte die Kapitelübergreifende Rückschau sein.

    Kapitelübergreifende Rückschau

    Eine Kapitelübergreifende Rückschau stellt einerseits eine Möglichkeit dar, den Vernetzungsstand der Schüler zu diagnostizieren und andererseits Vernetzungen zu fördern. Dabei wird die Segmentierung des Unterrichtsstoffes und des mathematischen Wissens eines einzelnen Schülers in Stoffgebiete auf der epistemischen Ebene, als Segmentierung der Klasse in der ersten Phase des Expertenpuzzles des Expertentrainings fortgesetzt. Die ganze Lerngruppe wird

  • in drei bis sechs Gruppen eingeteilt. Jede kleine Gruppe bekommt die Aufgabe, sich schwerpunktmäßig mit den Inhalten aus einem Kapitel zu beschäftigen. Daraufhin können die Schüler Unterschiede und Gemeinsamkeiten unter den Kapiteln des Schulbuchs sowie verbindende Leitideen und Leitbegriffe bzw. Themenstränge mit Hilfe einer inhaltsbezogenen Kompetenztabelle entdecken (Vollrath 2001). Diese entsteht durch die Abwandlung des Inhaltsverzeichnisses des Schulbuches bzw. Heftes, indem die Überschriften aus dem Lehrbuch und die Aufgabenbezeichnungen in eine Tabelle eingetragen werden. Somit kann durch Ankreuzen der entsprechenden Inhalte angegeben werden, welche inhaltsbezogene Kompetenzen sich mit der Aufgabe ansprechen lassen (siehe Abb. 4).

    Im Anschluss daran bekommen die Schüler eine Möglichkeit in den neuen Kleingruppen zusammenzuarbeiten und selbständig Themenkreise und Themenkomplexe (Vollrath 2001) zu entdecken und diese als kapitelübergreifende Aufgaben zu formulieren. Anknüpfend an die Konstruktion werden im Folgenden die einzelnen Phasen der Methode vorgestellt.

    Vorbereitung: Zum Anfang lösen Schüler im Klassenverband eine Einstiegsaufgabe. Diese deutet den gemeinsamen Kontext der ganzen Einheit an. Den Schülern werden entsprechend der Anzahl der Schulbuchkapitel des Schuljahres Initialaufgaben vorgestellt.

    Expertentraining: Jeder Schüler entscheidet sich für eine der Initialaufgaben. Alle Schüler mit der gleichen Aufgabe setzen sich in einer Gruppe zusammen, um diese gemeinsam zu lösen und die Präsentation der Aufgabe vorzubereiten. Daraufhin füllt jede Gruppe die an das Inhaltsverzeichnis des Schulbuches angelehnte Kompetenztabelle aus.

    Expertenrunde: Die Gruppen werden neu zusammengestellt. Jetzt treffen sich in einer Gruppe Experten von verschiedenen Initialaufgaben bzw. Schulbuchkapiteln. Ziel der Phase ist es, in der neuen Gruppe durch Variation von gelösten Initialaufgaben mindestens eine kapitelübergreifende Aufgabe zu entwickeln, die Lösung aufzuschreiben und inhaltlichen Bezüge der Aufgabe zu bestimmen.

    Plenum: Anschließend werden die selbst erstellten Aufgaben im Plenum der ganzen Klasse vorgestellt und gewürdigt.

  • Erprobung Gesamtschule 2008

    Im Mathematikunterricht der Erprobungsklasse wurden im Schuljahr 2007/08 GA- und FE-Kurse2 sowie Schüler mit pädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet. Als besondere Integrationsmaßnahme wurden nicht nur Integrationsschüler sondern alle GA-Schüler im Mathematikunterricht von der Integrationspädagogin unterstützt. Zwei Schüler der Klasse hatten den Förderschwerpunkt Lernen und zwei Schüler den Förderschwerpunkt Verhalten. U. a. ergaben sich daraus für die ganze Lerngruppe Konzentrations- und Motivationsschwierigkeiten. Etliche Schüler und eine Schülerin besuchten die Schule nur selten. Eine Schülerin war etwa nur einmal pro Monat im Unterricht anwesend. Aus dieser Perspektive erfährt das Problem der Vernetzung eine zusätzliche Färbung, denn einige Schüler begegneten den zu vernetzenden Themen bei der Erprobung der Methode zum ersten Mal.

    Ausgehend von den Lernvoraussetzungen war es nicht möglich, den Unterricht nach dem Lehrbuch zu gestalten. Der Stoff wurde thematisch strukturiert und in Kapitel gegliedert. So wurden die Überschriften an der Tafel angeschrieben und sorgfältig durchnummeriert, damit die Schüler diese in ihren Heften notieren konnten. Nur eine Schülerin hatte jedoch ein Heft mit dem Inhaltsverzeichnis, in dem sie alle Arbeitsblätter und Hausaufgaben aufbewahrt hatte. In Anlehnung an das Heft dieser Schülerin ist die Kompetenztabelle für die Erprobung der Methode in dieser Klasse entstanden. Auf Wunsch der Lehrerin sollten in der Tabelle jedoch nicht nur Kreuze, sondern Formeln und Schlüsselbegriffe für die entsprechenden Themen eingetragen werden und (siehe Abb. 4).

    ……………………………………

    Als Einstiegsaufgabe in der Vorbereitungsphase wurden die Schüler im Klassenverband aufgefordert, mit Hilfe von sieben Tangram-Steinen ein

    2FEGA ist das Kürzel zur Bezeichnung der Leistungsdifferenzierung in den einzelnen Fächern. Es gibt einen leistungsschwächeren GA-Kurs und einen

    leistungsstärkeren FE-Kurs. Je nach Zeugnisnoten werden die Schüler Berliner Gesamtschulen dem einen oder anderen Kurs zugeordnet.

    Abbildung 2: Lösungsfigur Abbildung 3: Tangramtisch

  • Quadrat zu legen. Die Lösungsfigur ist in Abbildung 2 dargestellt.

    Der ursprünglich für ein Gymnasium entwickelte Satz von Initialaufgaben wurde an die Lernausgangslage der Klasse angepasst und entstand durch die Absprache mit der Mathematiklehrerin.

    Aufgabe 1: Um einen Tangram-Tisch aus Holz zu bauen, wird die gesamte Tangram-Figur vergrößert. Dabei wird die längste Seite des großen Dreiecks um x cm größer. Das Spiel und der Tisch werden zu einem Quadrat zusammengesetzt.

    a) Beschreibe die Differenz zwischen dem Umfang des Spiels und dem des Tisches als Term.

    b) Beschreibe die Differenz zwischen dem Flächeninhalt des Spiels und dem des Tisches als Term.

    Aufgabe 2: Um einen Tangram-Tisch aus Holz zu bauen, wird die gesamte Tangram-Figur vergrößert. Wie ändert sich der Flächeninhalt der gesamten Lösungsfigur, wenn man die längste Seite des großen dreieckigen Steins um 0,5 m, 1 m, 1,5 m, 2 m, 2,5 m und 3 m vergrößert? Wie ändert sich dabei der Umfang der gesamten quadratischen Lösungsfigur?

    Aufgabe 3: Auf dem Markt ist ein neues Magnet-Dartspiel, das genau wie ein quadratisches Tangrampuzzle aussieht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit ein Parallelogramm bzw. ein Dreieck zu treffen?

    Expertentraining: Jede der drei den entsprechenden Aufgaben zugeordneten Gruppen bestand aus maximal fünf Schülern. Bei der Einteilung ließ sich feststellen, dass diese nicht nach den Präferenzen für die Aufgaben, sondern durch Sympathien und Antipathien innerhalb der Gruppe bestimmt wurden. Vielleicht erklärt sich dadurch, dass die Phase des Expertentrainings als Chance zum persönlichen Austausch und nicht zum Lösen von Aufgaben genutzt wurde. Die meisten Schüler fanden die Texte zu lang und waren nicht bereit, diese zu lesen. Erst auf dem Weg zur Tafel bzw. an der Tafel haben sie Lösungsansätze produziert, die gelegentlich sogar richtig waren.

    Die Phase endete mit einem Unterrichtsgespräch zum Ausfüllen der Tabelle. Gerade an dieser Stelle ließ sich an der Aufmerksamkeit, dem Meldeverhalten und der Qualität der Beiträge feststellen, dass diese Phase bei den Schülern sehr gut ankam. Besonderes interessant war, dass auch Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen die Aufgaben den Überschriften zuordnen konnten und ein relativ gutes Überblickswissen zeigten. Die Schüler waren in der Lage die Aufgaben mit den in den Überschriften vorkommenden Begriffen zu vernetzen. Somit wurden die innermathematischen Vernetzungen zwischen verschiedenen Themenbereichen im Unterricht rückblickend explizit angesprochen und verdeutlicht.

  • Didaktische Prinzipien, mit denen man lange Zeit den Schwierigkeiten der lernschwächeren Schüler im Mathematikunterricht zu begegnen versuchte, waren das Vorgehen in kleinsten Schritten und ständiges mechanisierendes Wiederholen. Dies führt nach Zech (1995, 19f) zur systematischen Überforderung hinsichtlich der begrifflichen Verarbeitung und der gedächtnismäßigen Speicherung. Durch die ausführliche Auswertung der Tabelle anhand der Beispiele wurden die Schüler innerhalb einer Stunde mit verschiedenen Inhalten konfrontiert. Sie bekommen eine Möglichkeit rückblickend Zusammenhänge zwischen verschiedenen Inhalten zu erkennen. Somit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch schwächere Schüler Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Themen erkennen.

    Ein Aha-Erlebnis war für einige Schüler beispielsweise die Erkenntnis, dass Terme und Geometrie durch die Formeln zur Berechnung von Volumen und Flächeninhalt zusammenhängen. Diese Tatsache ist für einen Mathematiklehrer selbstverständlich, es stellt aber für die Schüler in dem Moment eine überraschende Erkenntnis dar, dass man die in der Vergangenheit behandelten mathematische Themen in der Tat in dem zukünftigen Unterricht gebrauchen kann.

    Expertenrunde: Aufgrund der in der Phase des Expertentrainings aufgetretenen Schwierigkeiten mit der auf Mathematik bezogenen Kommunikation und der Tatsache, dass viele Schüler häufig nicht im Unterricht anwesend waren, wurde die Aufgabenstellung in der Expertenrunde an die Ausgangsbedingungen angepasst. Die Schüler waren aufgefordert allein oder in der Gruppe eine Aufgabe zu einem Tangram-Stein und dem Thema Körperberechnung zu entwickeln. Denn nach dem Berliner Rahmenlehrplan vernetzt der mathematische Pflichtbereich für die Klassenstufen 7/8 algebraische und geometrische Inhalte miteinander.

    Erschwert waren die Rahmenbedingungen dadurch, dass zur Zeit der Expertenrunde ein entscheidendes Spiel der Europameisterschaft in Fußball stattfand. Die Schüler waren von dem Ausgang des Spiels sehr bewegt und hatten ein starkes Bedürfnis, sich darüber im Unterricht auszutauschen. Trotzdem ist eine auf mathematische Inhalte bezogene Kommunikation in der Expertenrunde zustande gekommen. So lässt sich an den folgenden handschriftlichen Aufzeichnungen (siehe Abb. 5) erkennen, dass die Schüler in der Tat zusammen gearbeitet haben.

  • Abbildung 4: Kompetenztabelle

  • Die Aufgabenstellung der Aufgabe von Enrico und Steglitz (Abb. 5) besteht darin ein Netz und den Oberflächeninhalt eines dreieckigen Steins mit gegebenen Maßen zu berechnen. Mit dem „Dreieck“ meinen die Schüler hier ein Prisma mit dreieckiger Grundfläche.

    Andererseits sieht man, dass die Verwendung der Bezeichnungen „Dreieck“, „Quadrat“ und „Parallelogramm“ für Tangram-Steine, die für diese Aufgabe als geometrische Körper identifiziert werden müssen, die Schüler irritieren kann.

    Weitere Aufgaben, die von den Schülern entwickelt worden sind:

    Baran: Wie groß ist die Oberfläche des kleinen quadratischen Steins?

    Alperen und Burak: Berechne das Volumen des großen dreieckigen Steins!

    Enrico, Khodar, Stegliz und Elvis: Berechne die Oberfläche des großen dreieckigen Steins! Zeichne das Netz dazu.

    Gülay: Zeichne das Schrägbild des dreieckigen Prismas.

    Mohammad, Amani, Tobias, Falk: Berechne das Volumen des Prismas mit der Grundfläche, die die Form eines Parallelogramms hat.

    Die Schüler variieren in der Wahl der geometrischen Körper, der gesuchten Größe und der Fragestellung.

    Abbildung 5: Schüleraufgabe

  • Plenum: Die von den Schülern entwickelten Aufgaben wurden von den jeweiligen Gruppen bzw. einzelnen Schülern richtig gelöst. In der letzten Doppelstunde bekam jeder Schüler die Möglichkeit, die eigenen Aufgaben und ihre Lösungen an der Tafel zu präsentieren. Obwohl zum Ende des Schuljahres die Noten nicht mehr geändert werden konnten, war jeder anwesende Schüler bestrebt die eigene Aufgabe samt der Lösung an der Tafel zu präsentieren, was unter den beschriebenen Bedingungen und Motivationsschwierigkeiten als Erfolg zu werten ist, denn auf diese Weise konnte den Verhaltens- und Motivationsschwierigkeiten der Schüler entgegengewirkt werden.

    Die Fotos zeigen einige Schüler bei der Präsentation von Lösungen der selbst entwickelten Aufgaben. Gemeinsame Arbeit und Präsentation vernetzten nicht nur Terme und geometrische Skizzen, sondern auch Schüler miteinander.

    Es zeigte sich, dass die ursprünglich für das Gymnasium entwickelte Methode mit Modifikationen an der integrierten Gesamtschule umgesetzt werden konnte. Es wäre zu überlegen, wie die Schüler schon in der Phase des Expertentrainings motiviert werden können, über Initialaufgaben zu kommunizieren. Eine Alternative könnte in dem Anbieten der enaktiven Ebene zur Lösung der Initialaufgaben bestehen.

    Erprobung Gesamtschule 2009

    In dem darauf folgenden Jahr wurden die GA- und FE-Kurse getrennt, so dass leistungsschwächere und leistungsstärkere Schüler nicht mehr gemeinsam unterrichtet wurden. Darüber hinaus haben einige Schüler die Schule verlassen. Der GA-Kurs, in dem die Kapitelübegreifende Rückschau noch einmal erprobt wurde, bestand aus sieben Schülern, darunter zwei Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen und ein Schüler, der letztes Jahr aus dem Integrationsstatus mit dem Schwerpunkt Verhalten entlassen wurde. Aufgrund des Betriebspraktikums standen für die Erprobung nur drei Unterrichtstunden zur Verfügung. Auch in diesem Jahr wurde der ursprünglich für die Gymnasien entwickelte Satz der Initialaufgaben an die Lerngruppe angepasst, indem die

    Abbildung 6: Meine Aufgabe Abbildung 7: Unsere Aufgabe

  • Anzahl der Aufgaben von sechs auf drei reduziert wurde. Die Formulierungen der Aufgaben wurden gekürzt und die Anzahl der Stufen in dem Pythagoras-Baum reduziert. Im Hinblick auf die oben erwähnte Bedeutung des Beweises wurde auch im GA-Kurs die Beweisfigur für den symmetrischen Spezialfall des Satzes des Pythagoras als verbindendes Medium gewählt.

    Abbildung 8: Arbeitsblatt

  • Vorbereitung: In der Einstiegsaufgabe wurden die Schüler zunächst aufgefordert die Beweisfigur zu zeichnen und eigene Gedanken dazu aufzuschreiben (siehe Ruf, Gallin 1999, Plackner 2010). Somit wurden Elemente des Beweisens an den Anfang der wiederholenden Vernetzung gesetzt. In der 20-minütigen Einzelarbeit und dem anschließendem auswertenden Unterrichtsgespräch ist es den Schülern gelungen mit Hilfestellungen der Lehrerin und der Integrationspädagogin die Figur zu zeichnen und sich an folgende Fakten zu erinnern:

    1. Die Innenwinkelsumme im Dreieck ist gleich 180°.2. Basiswinkel in einem gleichschenkligen Dreieck sind gleich. 3. Satz des Pythagoras (wobei die Bezeichnungen der Seiten variabel sind)4. Die Winkel in dem konkreten Fall betragen 90° und 45°.5. In der Figur lassen sich zwei Trapeze erkennen.6. Trapez ist ein Viereck mit mindestens zwei parallelen Seiten.7. Es gilt der Höhensatz (Die Schüler wussten nicht mehr wie er zu

    formulieren ist.)8. Man kann den Umfang und den Flächeninhalt der Figur berechnen.

    Dadurch wurden ausgehend von dem Satz des Pythagoras verschiedene Inhalte der Geometrie miteinander vernetzt und mit Hilfe der Lehrerin wiederholt.

    Expertentraining: Die nächste Stunde wurde zum Lösen der Initialaufgaben verwendet, wobei die ganze Lerngruppe in drei Gruppen eingeteilt war. Ein Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen konnte sich in keine der Gruppen einordnen. Nach seinem Wunsch hat er in dieser Zeit individuelle Förderung von der Integrationspädagogin bekommen. Die Einteilung der Gruppen und Zuordnung der Aufgaben erfolgte durch die Mathematiklehrerin. Die Gruppen, denen die Aufgaben 2 und 3 zugeordnet waren, konnten die Aufgaben während der Stunde selbständig unter Zuhilfenahme von Lehrbüchern und ihren Aufzeichnungen aus dem Unterricht bearbeiten und stellten einige wenige Fragen an die Lernperson. Diese war im Wesentlichen damit beschäftigt die Gruppe mit der Aufgabe 1 zu unterstützen. Offensichtlich war die Aufgabe für die Schüler des GA-Kurses zu schwer. Es fiel ihnen schwer den Zusammenhang zwischen den Flächeninhalten von Dreiecken und Quadraten und den Termen

    wie a2

    4oder a2 zu sehen. Demzufolge konnten sie nicht selbständig einen

    Term für den gesamten Flächeninhalt der Beweisfigur finden. Auch beim Lösen der quadratischen Gleichung brauchten sie eine Unterstützung der Lehrerin, selbst wenn sie die Formeln auswendig konnten. Somit zeigte sich erneut, dass die Vernetzungen zwischen den geometrischen Figuren und ihren Beschreibungen mit Termen für die leistungsschwächeren Schüler eine Herausforderung darstellt. Selbständige Übersetzung von geometrischen

  • Fragestellungen in die Sprache der Algebra markiert vermutlich den Übergang zwischen den Anforderungsbereichen (in dem Fall zwischen den Schülern der GA- und FE-Kurse). Was nicht heißt, dass diese Art von Vernetzung auf dem Niveau überhaupt nicht thematisiert werden kann. Mit Unterstützung der Lehrkraft können auch diese Schüler Einblicke in die Thematik gewinnen.

    Die Gruppe, die sich mit der Ähnlichkeit beschäftigt hatte, erweiterte die Figur um eine weitere Stufe, wobei die von den Schülern gezeichneten Quadrate eher nicht-quadratischen Rechtecken ähnelten. Die Schwierigkeiten ergaben sich vermutlich aus der ungewöhnlichen Position der Quadrate, dessen Seiten nicht wie es oft der Fall ist, parallel zu den Seitenrändern des karierten Blattes waren (siehe Lambert 2006). Die Schüler produzierten eine Reihe von Vermutungen und hatten sie mit Hilfe des Lehrbuchs fortgesetzt. Eine Vermutung lautete, dass alle Quadrate ähnlich sind. Es wurde vermutet, dass Quadrate mit halb so langen Seiten auch halb so kleine Winkel haben müssen. Dementsprechend sollten die Winkel der Quadrate in der zweiten Stufe kleiner sein. Die Zeichnung widersprach der Vermutung. Um das Problem zu lösen wandten sich die Schüler dem Lehrbuch zu. Demnach sollten ähnliche Figuren in allen Winkeln übereinstimmen. Das führte zu der nächsten Vermutung: Alle rechtwinkligen Dreiecke sind ähnlich. Diese Hypothese traf für den Spezialfall zu. Daraufhin haben die Schüler von der Lehrerin als Gegenbeispiel zwei rechtwinklige nicht-ähnliche Dreiecke bekommen und mussten wieder im Buch nachschlagen. Abgeschlossen wurde die Untersuchung mit dem schriftlichen Festhalten der Ähnlichkeitsmerkmale für Dreiecke und farbigen Markieren der ähnlichen Figuren.

    Die Gruppe, die sich mit der Stochastik befasste, wandte sich dem Hefter zu und konnte selbständig die Aufgabe bearbeiten. Die Konstruktion der dritten Aufgabe bezieht sich auf die Empfehlungen in dem Berliner Rahmenlehrplan zu dem Pflichtbereich Längen und Flächen bestimmen und berechnen (P2-9/10). Den nach der Beschreibung dieses Pflichtbereiches werden zusätzlich zu den algebraischen Vernetzungen Bzüge zu den stochastischen Pflichtbereichen Mit dem Zufall rechnen (P8-7/8) und Mit Wahrscheinlichkeiten rechnen (P8-9/10) vorgeschlagen. Ausgehend von den Schätzungen des Flächeninhalts wurden von den beiden Schülern dabei die Begriffe wiederholt und am Beispiel der Stichproben mit und ohne Einbeziehung des Lehrers veranschaulicht. Die Berechnung des gesamten Flächeninhaltes der Beweisfigur wurde nur am Rande angesprochen, auch die Interpretation der einzelnen Werte kam zu kurz.

    Die Erfahrungen mit den letzten beiden Gruppen zeigt, dass auch schwächere Schüler in der Lage sind, selbständig Vernetzungen innerhalb von abgegrenzten Gebieten mit Hilfe des Lehrbuchs herzustellen.

    Plenum: In den nächsten Stunden wurden die Lösungen der Initialaufgaben von den Schülern vorgetragen, besprochen sowie inhaltsbezogene Kompetenztabelle (ähnlich aufgebaut wie in der Erprobung des Vorjahres) ausgefüllt. Interessant

  • ist, dass einige Schüler die Tabelle unaufgefordert bereits während der Auswertung ausfüllten. Somit erhielten die Schüler die Möglichkeit die Inhalte rückblickend miteinander zu vernetzen, indem sie ihren Mitschülern aufmerksam zuhörten.

    Zusammenfassung

    Aus dem Vergleich der vorliegenden Erprobungen lässt sich feststellen, dass die Vorbereitungsphase in beiden Fällen erfolgreich verlaufen ist. Besonderes beim ersten Mal konnten die Schüler durch ein enaktives Medium adäquat angesprochen werden. Die Suche nach weiteren enaktive Medien als Ausgangspunkt für die Vernetzung von Unterrichtsinhalten wäre somit eine wichtige Aufgabe für weitere Untersuchungen. Bei der zweiten Erprobung wurde eine Zeichnung und ein Spezialfall eines Beweises als verbindendes Element gewählt. Es wäre von Vorteil die Beweisfigur auch auf der enaktiven Ebene zugänglich zu machen und ggf. den Schülern auch rückblickend eine Möglichkeit zu geben die Beweisfigur zu zerschneiden und zu kombinieren. Somit könnte eventuell der Übergang zu der symbolischen Ebene erleichtert werden. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass Elemente der Beweise oder Beweise von Spezialfällen auch im Unterricht mit den schwächeren Schülern einen Beitrag zu Entstehung von innermathematischen Vernetzungen leisten könnte.

    Die innermathematisch formulierten Aufgaben für das Expertentraining der zweiten Erprobung enthielten weniger Text. Somit waren diese für die Schüler motivierender als die aus der ersten Erprobung. Reduktion der Realitätsbezüge der Aufgaben bei der zweiten Erprobung zeigte keine negative Auswirkungen auf die Motivation der Schüler. Die Auswertung der Aufgaben, mit Hilfe der anhand des Inhaltsverzeichnises erstellten Tabelle, hat sich in beiden Fällen für die meisten Schüler als fruchtbar erwiesen und trug, wie das Meldeverhalten zeigte, zur Entstehung von innermathematischen Vernetzungen einiger Schüler bei.

    Durch die selbständige Erstellung der Aufgaben bei der ersten Erprobung waren die Schüler auch in der Plenumsphase viel motivierter als bei der zweiten Erprobung, in der nur vorgegebene Aufgaben vorgestellt werden sollten. Es fiel der Lehrerin jedoch schwer den Schülern das Erstellen der Aufgaben bei dem begrenzten Zeitrahmen zuzutrauen.

    Disziplin- und Anwesenheitsprobleme stellen an Gesamtschulen manchmal einen Faktor dar, der Vernetzungen eher verhindert als fördert. Sind Schüler körperlich oder geistig nicht im Unterricht anwesend, so entstehen große Wissenslücken. Mit der Kapitelübergreifenden Rückschau können diese vermindert, jedoch nicht ausgeschlossen werden. Das Zutrauen, größere Stoffgebiete gemeinsam zu überblicken, sowie die Verlagerung der

  • Verantwortung für die Konstruktion der Vernetzungen in die Schülergruppen, steigern deutlich die Motivation, gemeinsam nach Zusammenhängen in der Mathematik zu suchen. Während beim Bearbeiten der vorgegebenen Aufgaben der passive Wortschatz des Schülers berücksichtigt wird, kann beim Erstellen von eigenen Aufgaben der aktive Wortschatz gefördert werden. Hierin besteht eine Analogie zum Sprachenlernen. Somit werden Schüler hinsichtlich der Fähigkeit gefördert, Vernetzungen in der mathematischen Fachsprache zu beschreiben. Dadurch lassen sich indirekt auch Modellierungsfähigkeiten verbessern.

    Als Kritik muss hinzugefügt werden, dass es sich schon bei der Erstellung von Initialaufgaben bemerkbar machte, dass es nicht einfach ist, Kontexte zu finden, die verschiedene Kapitel des Schulbuchs auf eine natürliche Weise miteinander verknüpfen. Vor allem beim Vernetzen von Geometrie und Stochastik macht sich diese Schwierigkeit besonderes deutlich bemerkbar (siehe den Satz der Initialaufgaben). Insofern gewinnen im Rahmen des Projektunterrichts (Ludwig 1998, Wörler 2010, Rupprecht 2010) thematisierte natürliche Kontexte für mathematische Vernetzungen eine besondere Bedeutung. Aufgrund des angestrebten Realitätsbezugs gehört Projektunterricht nicht zum Alltags-, sondern zu einem Alternativprogramm des Mathematikunterrichts auf den allgemeinbildenden Schulen. Deshalb ist nach weiteren Unterrichtsmethoden zu suchen, die auch im Rahmen des in Stunden und Kapiteln gegliederten Alltagsunterrichts, den Schülern Möglichkeiten bieten Inhalte künstlich oder natürlich zu vernetzen. Somit könnte die innermathematische Vernetzung von mathematischen Inhalten durch geometrische Einkleidung von stochastischen und algebraischen Inhalten der Schulmathematik zur Förderung von mathematischen Basiskompetenzen beitragen.

    Die Rückschau hatte den Schülern bewusst gemacht, wie viel sie im vergangenen Schuljahr gelernt haben und wie viel davon noch in Erinnerung geblieben ist. Das war für das Lernen der Mathematik eine wichtige positive Verstärkung. Berücksichtigt man die Lern- und Motivationsschwierigkeiten der Erprobungsklasse, so besteht Grund zur Annahme, dass die empfohlene Unterrichtsmethode im Zusammenhang mit anderen Ausgangsbedingungen der Schüler, anspruchsvollere Ergebnisse liefern könnte. Deshalb erscheint es vorteilhaft sich mit der Ausarbeitung von weiteren konkreten Unterrichtsbeispielen einschließlich der Aufgaben und Modifikation der Methode der Kapitelübergreifenden Rückschau zu beschäftigen.

    Literatur Baptist, P., Winter, H. (2001): Überlegungen zur Weiterentwicklung des

    Mathematikunterrichts in der Oberstufe des Gymnasiums. In: H.-E. Tenorth (Hrsg.), Kerncurriculum Oberstufe. Mathematik – Deutsch – Englisch (S. 54 - 77). Basel: Belz.

  • Baumert, J., Klieme, E. (2001): TIMMS – Impulse für Schule und Unterricht. For schungsbefunde, Reforminitiativen. Praxisberichte. Videodokumete. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

    Bauer, L. A. (1988): Mathematik und Subjekt. Wiesbaden: Deutscher UniversitätsverlagBerlin. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. Rahmenlehrplan für die

    Sekundarstufe I. Jahrgangsstufe 7-10. Hauptschule. Realschule. Gesamtschule. Gymnasium. Mathematik.

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  • Adresse der Autorin:

    Swetlana NordheimerHumboldt Universität zu BerlinInstitut für MathematikRudower Chaussee 2512489 BerlinRaum [email protected]

  • 1.Die Innenwinkelsumme im Dreieck ist gleich 180°.2.Basiswinkel in einem gleichschenkligen Dreieck sind gleich. 3.Satz des Pythagoras (wobei die Bezeichnungen der Seiten variabel sind)4.Die Winkel in dem konkreten Fall betragen 90° und 45°.5.In der Figur lassen sich zwei Trapeze erkennen.6.Trapez ist ein Viereck mit mindestens zwei parallelen Seiten.7.Es gilt der Höhensatz (Die Schüler wussten nicht mehr wie er zu formulieren ist.)8.Man kann den Umfang und den Flächeninhalt der Figur berechnen.