Versuch TC 27 - TU Dortmund · • Als eine für das Membranverfahren typische Größe wird der...

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Gemeinsames Praktikum des Fachbereichs Bio- und Chemieingenieurwesen Die Versuche gehören zum Praktikumsbereich Technische Chemie A Versuch TC 27 Chlor-Alkali-Elektrolyse Versuchsinhalt: Betrieb einer Labor-Elektrolysezelle nach dem Membranverfahren Durchführung eines 2 2 -Versuchsplans mit den Parametern NaCl-Konzentration im Anolyten Stromdichte Massenbilanzierung der Versuche Bestimmung der Stromausbeuten Wasserstoff Natronlauge Chlorgas Aktivchlor Sauerstoff Bestimmung der Wassertransportes durch die Membran Zellspannungs-Analyse Berechnung der Wirkungen für die Parameter des Versuchsplans auf alle untersuchten Zielgrößen

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Gemeinsames Praktikum

des Fachbereichs Bio- und Chemieingenieurwesen

Die Versuche gehören zum Praktikumsbereich Technische Chemie A

Versuch TC 27

Chlor-Alkali-Elektrolyse

Versuchsinhalt:

• Betrieb einer Labor-Elektrolysezelle nach dem Membranverfahren

• Durchführung eines 2 2-Versuchsplans mit den Parametern • NaCl-Konzentration im Anolyten • Stromdichte

• Massenbilanzierung der Versuche

• Bestimmung der Stromausbeuten • Wasserstoff • Natronlauge • Chlorgas • Aktivchlor • Sauerstoff

• Bestimmung der Wassertransportes durch die Membran

• Zellspannungs-Analyse

• Berechnung der Wirkungen für die Parameter des Versuchsplans auf alle untersuchten Zielgrößen

Universität Dortmund Gemeinsames Praktikum, Praktikumsbereich TCA Zeichen: Jörissen Fachbereich Bio- und TC 27 Seite: 2 Chemieingenieurwesen Chlor-Alkali-Elektrolyse Datum: Oktober 2005

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Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung zu diesem Skriptum...................................................................................2

2. Aufgabenstellung ................................................................................................................3

3. Sicherheitshinweise............................................................................................................3

4. Einführung ...........................................................................................................................4 4.1 Anwendung von Chlor und Natronlauge ........................................................................................................... 4 4.2 Verfahren der Chlor-Alkali-Elektrolyse ............................................................................................................ 5

4.2.1 Grundprinzip der Chlor-Alkali-Elektrolyse ................................................................................................... 5 4.2.2 Das Diaphragma-Verfahren........................................................................................................................... 6 4.2.3 Das Amalgam-Verfahren............................................................................................................................... 7 4.2.4 Das Membran-Verfahren............................................................................................................................... 8 4.2.5 Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren.......................................................................................... 9

4.3 Aufbau und Funktion der Ionenaustauscher-Membranen............................................................................. 10 4.4 Stromausbeute und Nebenreaktionen bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse....................................................... 12 4.5 Zellspannung bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse............................................................................................... 14 4.6 Beispiel für die technische Konstruktion einer Chlor-Alkali-Elektrolysezelle ............................................. 15

5. Versuchsplanung ..............................................................................................................17 5.1 Ziel der Versuchsplanung.................................................................................................................................. 17 5.2 Beispiel für die faktorielle Versuchsplanung ................................................................................................... 17

5.2.1 Versuchsdaten ............................................................................................................................................. 17 5.2.2 Berechnung der Wirkungen......................................................................................................................... 18 5.2.3 Versuchsstreuung......................................................................................................................................... 19 5.2.4 Vertrauensbereich........................................................................................................................................ 20 5.2.5 Signifikanzprüfung der Wirkungen ............................................................................................................. 20 5.2.6 Auswahl der Schrittweite und Überprüfung der Linearität .......................................................................... 21

6. Versuchsdurchführung .....................................................................................................21 6.1 Versuchsbedingungen ........................................................................................................................................ 21 6.2 Aufbau der Versuchsanlage .............................................................................................................................. 22 6.3 Versuchsablauf ................................................................................................................................................... 24 6.4 Betriebsvorschrift .............................................................................................................................................. 25

6.4.1 Sicherheitshinweis ....................................................................................................................................... 25 6.4.2 Inbetriebnahme der Elektrolyse................................................................................................................... 25 6.4.3 Aufnahme der Messwerte während der Messperiode .................................................................................. 26 6.4.4 Zellspannungsanalyse (für alle Versuche) ................................................................................................... 27

6.5 Analysenvorschriften ......................................................................................................................................... 27 6.5.1 NaOH-Analyse im Katholyt-Ablauf ............................................................................................................ 27 6.5.2 Aktivchlorbestimmung im Anolyt-Ablauf ................................................................................................... 27 6.5.3 NaCl-Bestimmung im Anolyt-Ablauf .......................................................................................................... 27

6.6 Massen- und Strom-Bilanzierung der Versuche ............................................................................................. 28 6.6.1 Molekulargewichte ...................................................................................................................................... 28 6.6.2 Elektrolysegase............................................................................................................................................ 28 6.6.3 Flüssigkeiten................................................................................................................................................ 28 6.6.4 Wasserbilanz ............................................................................................................................................... 29

7. Literatur..............................................................................................................................29 1. Vorbemerkung zu diesem Skriptum

Dieses Skriptum enthält außer der eigentlichen Versuchsanleitung einen komprimierten Überblick über die Chlor-Alkali-Elektrolyse. Für eine sinnvolle Durchführung des Versuchs und für das Abschlusskollo-quium wird erwartet, dass sich die Studierenden in die Materie eingearbeitet haben. Die Nutzung zusätz-licher Literatur (Beispiele für einen allgemeinen Überblick [1–5]) und – falls erforderlich – eines Lehr-buchs der Elektrochemie (z.B. [6]) ist empfehlenswert. Sie sollten die spezielle Funktionsweise der Ver-fahren und die wesentlichen Zusammenhänge, insbesondere diejenigen, die im Rahmen des Versuches experimentell untersucht werden, erläutern können, ebenso die im Abschnitt 5. beschriebenen Grundlagen der statistischen Versuchsplanung (ergänzende Literatur z.B. [15,16]).

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2. Aufgabenstellung

Ziel des Praktikumsversuches ist es, das Membranverfahren der Chlor-Alkali-Elektrolyse kennen zu lernen anhand von Messungen in einer Labor-Elektrolysezelle, die in ihrem Aufbau prinzipiell einer großtechnischen Zelle entspricht. Ein 2 2-Versuchsplan dient zur Demonstration des Einflusses wesent-licher Parameter:

• NaCl-Konzentration im Anolyten, • Stromdichte.

Für jeden Versuch der fünf Versuche ist durchzuführen: • eine vollständige Massen- und Strom-Bilanzierung

sowie die Bestimmung der Stromausbeuten der Produkte bzw. Nebenprodukte: – Wasserstoff (zur Kontrolle der Strombilanz), – Natronlauge, – Chlorgas, – Aktivchlor im Anolyt-Ablauf, – Sauerstoff, – Chlorat (abgeschätzt als Restbetrag der anodischen Gesamt-Stromausbeute).

• Anhand der Gesamt-Massenbilanz ist die Zuverlässigkeit der Versuchsdurchführung zu überprüfen.

• Als eine für das Membranverfahren typische Größe wird der Wasser-Transport durch die Membran ermittelt und als mittlere Hydratationszahl der Natrium-Ionen bei der Wanderung durch die Membran angegeben.

• Messung der Elektroden-Potentiale und eine Zellspannungs-Analyse. • Als wirtschaftlich wichtiges Kriterium, in das sowohl die Stromausbeute als auch

die Zellspannung eingeht, wird der spezifische Energieverbrauch in kWh / t Produkt für Chlor und Natriumhydroxid berechnet.

Nach der Durchführung aller Versuche und des Mittelpunktsversuches werden für alle oben aufgeführten Resultate ermittelt:

• alle Wirkungen und die Wechselwirkung der Parameter des Versuchsplans, • der Vergleich des Mittelwertes der Versuche aus dem 2 2-Versuchsplan

mit dem Mittelpunkts-Versuch zur Kontrolle der Linearität.

Die Ergebnisse sollen anschließend zusammenfassend unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Wir-kungen in ihren Wechselbeziehungen diskutiert werden, insbesondere auch experimentelle Ergebnisse, die u.U. von den theoretisch erwarteten Resultaten abweichen.

3. Sicherheitshinweise

Die Sicherheits-Datenblätter für die Produkte der Chlor-Alkali-Elektro-lyse sind ausgehängt und sind vor Beginn der Arbeiten durchzulesen.

• Die Elektrolyse arbeitet mit stark ätzenden Chemikalien. • Schutzbrille und Kittel müssen deshalb unbedingt getragen werden. • Es muss sorgfältig und vorsichtig gearbeitet werden, damit keine

Teile zerbrochen oder Schläuche abgerissen werden. • Wer ohne Schutzbrille an der Zelle arbeitet, wird für den Rest des

Tages aus dem Labor verwiesen. • Soweit möglich, soll die Schutzscheibe vor der Zelle bleiben. • Kleidungsstücke dürfen nur in den Schränken aufbewahrt werden.

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4. Einführung

4.1 Anwendung von Chlor und Natronlauge

Chlor und Natronlauge gehören zu den wichtigsten Grundstoffen der chemischen Industrie. Sie werden nahezu ausschließlich durch Elektrolyse wässriger Kochsalzlösungen hergestellt. Von der Produktions-menge her ist die Chlor-Alkali-Elektrolyse *) das größte Verfahren der chemischen Industrie (ohne Erd-ölraffinerien). Die Membran-Elektrolyse, die derzeit modernste Variante, ist Gegenstand dieses Versu-ches.

Abb. 1 „Chlor-Stammbaum“ [1]

Abb. 2 Chlor in der chemischen Industrie [1]

Abb. 1 vermittelt einen Eindruck des viel-fältigen Einsatzes von Chlor. Meist wird sei-ne hohe Reaktionsfähigkeit zur Herstellung von Zwischenprodukten genutzt, in den End-produkten ist überwiegend kein Chlor mehr enthalten. Abb. 2 macht die Mengenverhält-nisse deutlich. Das wichtigste chlor-haltige Produkt ist Polyvinylchlorid PVC, das in Europa etwa ein Drittel der Chlorproduktion aufnimmt (siehe Abb. 3). Etwa 60 % aller Produkte der chemischen Industrie werden unter Mitwirkung von Chlor erzeugt.

Ebenso ist Natronlauge ein unentbehrlicher Grundstoff der chemischen Industrie (siehe Abb. 4). Großenteils dient sie zur Neutrali-sation von Salzsäure, die bei der Umsetzung chlor-haltiger Zwischenprodukte entsteht.

_____________________________________________________________________________________________ *) Der von den Produkten abgeleitete Name „Chlor-Alkali-Elektrolyse“ hat sich eingebürgert (sogar als „chlor-alkali

electrolysis“ im englischen Sprachraum), häufig wird aber auch „Alkalichlorid-Elektrolyse“ verwendet.

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Abb. 3 Chlor-Verbrauch (Summe 9,22 Mio t/a)

Abb. 4 NaOH-Verbrauch (Summe: 9,84 Mio t/a)

für Europa im Jahre 2002 (Quelle: Euro Chlor, http://www.eurochlor.org)

4.2 Verfahren der Chlor-Alkali-Elektrolyse

4.2.1 Grundprinzip der Chlor-Alkali-Elektrolyse

Ausgangsstoff ist Natriumchlorid (Kochsalz), das in Deutschland in großen Mengen als Rohstoff ver-fügbar ist. Bei der elektrochemischen Reaktion erfolgt der Umsatz an den Elektroden unmittelbar mit Elektronen aus dem elektrischen Strom ohne Einsatz weiterer Chemikalien (diese werden nur für die Reinigung des Salzes und ggf. für die Feinreinigung der Produkte benötigt). Wegen der Abwesenheit chemischer Reaktionspartner lassen sich die Produkte ohne großen Aufwand in hoher Reinheit herstellen. Durch die milden Reaktionsbedingungen (unter 100 °C, kein Überdruck) ist die Handhabung des hoch-aggressiven Chlors mit relativ preisgünstigen Materialien möglich. Chemische Alternativ-Verfahren – wie z.B. das Deacon-Verfahren zur Oxidation von Chlorwasserstoff mit Luft – haben sich nicht durchsetzen können, hauptsächlich wegen ungeklärter Korrosionsprobleme.

In wässriger Lösung ist das Natriumchlorid in Na+- und Cl−-Ionen dissoziiert. An der Anode werden Cl−-Ionen zu Chlor oxidiert:

2 Cl− Cl2 + 2 e− E° = + 1,36 V (1)

An der Kathode wird Wasser zu Wasserstoff und OH−-Ionen reduziert:

2 H2O + 2 e− H2 + 2 OH− E° = – 0,83 V (2)

Die OH−-Ionen bilden mit den Na+-Ionen Natronlauge. Als Summenreaktion ergibt sich daraus:

2 NaCl + 2 H2O Cl2 + H2 + 2 NaOH (3)

Als Konkurrenzreaktion in wässriger Lösung ist an der Anode die Oxidation von Wasser zu Sauerstoff und H+-Ionen möglich:

2 H2O O2 + 4 H+ + 4 e− E° = + 1,23 V (4)

Das Standardpotential der Reaktion (4) ist niedriger als bei Reaktion (1), man müsste an der Anode also eigentlich überwiegend Sauerstoff als Produkt erwarten. An den bekannten Anodenmaterialien ist die Sauerstoffbildung jedoch stark kinetisch gehemmt, d.h. sie läuft mit einer hohen Überspannung ab, so dass sich Chlor in hoher Reinheit erzeugen lässt. Um das Nebenprodukt Sauerstoff (je nach Verfahren etwa 0,5 bis 2,0 %, siehe Kapitel 4.4) zu entfernen, wird das Chlor meistens verflüssigt und wieder verdampft.

Früher wurden Graphit-Anoden eingesetzt, die infolge der unvermeidlichen Sauerstoff-Entwicklung langsam unter CO2-Bildung abbrannten. Seit Mitte der 1970´er Jahre kommen die sogenannten „Dimensi-ons-stabilen Anoden“ (DSA®) zum Einsatz. Sie verwenden Titan als Grundmaterial, das infolge seiner sta-bilen Oxidschicht in wässriger Lösung gegen Chlor beständig ist. Diese Oxidschicht verhindert jedoch einen anodischen Stromfluss. Die Beschichtung mit einem Mischoxid aus Titan- und Ruthenium-Oxid (und Zusätzen) erzielt ein chemisch stabiles, ausreichend elektrisch leitfähiges und die Chlor-Abschei-dung sehr gut katalysierendes Anodenmaterial. Cl−-Ionen aus dem Anolyten werden leicht durch im Kris-tallgitter gebundene Ru4+-Ionen zu Chlor oxidiert und die gebildeten Ru3+-Ionen dann anodisch in situ

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wieder zu Ru4+-Ionen reoxidiert, wobei immer eine optimal aufeinander abgestimmte Kristallstruktur erhalten bleibt. Man erreicht dadurch eine niedrige Überspannung von nur ca. 70 mV für Chlor, während eine hohe Sauerstoff-Überspannung die unerwünschte Entwicklung von Sauerstoff weitgehend verhindert.

Die Überspannung für die Wasserstoff-Abscheidung an der Kathode lässt sich durch eine Beschichtung – z.B. mit Raney-Nickel zur Erhöhung der wirksamen Oberfläche und damit Absenkung der effektiven Stromdichte – um etwa 300 mV erniedrigen. Diese Beschichtung bewirkt somit eine erhebliche Ener-gieeinsparung, ist jedoch nicht notwendig – im Gegensatz zu der unverzichtbaren Anoden-Beschichtung.

Der kathodisch gebildete Wasserstoff ist von hoher Reinheit, da er jedoch drucklos anfällt, ist sein Wert häufig eingeschränkt. Deshalb wird an Entwicklungen gearbeitet, mit Hilfe von Gasdiffusions-Elektroden wie sie aus der Brennstoffzellen-Technolgie bekannt sind, auf der Kathodenseite anstelle der Reduktion von Wasser zu Wasserstoff und OH−-Ionen nach Gleichung (2) die Reduktion von Sauerstoff und Wasser zu OH−-Ionen nach Gleichung (5) zu realisieren:

2 H2O + O2 + 4 e− 4 OH− E° = + 0,40 V (5)

Theoretisch wäre dadurch eine Energieeinsparung entsprechend einer um 1,23 V erniedrigten Zellspan-nung möglich, praktisch realisierbar erscheint eine Spannungsabsenkung um 0,8 – 1,0 V (z.B. [11 – 13]).

Entscheidend für das Funktionieren der Chlor-Alkali-Elektrolyse und eine hohe Ausbeute an Chlor und Natronlauge ist eine wirksame Trennung von Anoden- und Kathodenraum (die durch Natronlauge im Anodenraum verursachten Nebenreaktionen werden kurz im Kapitel 4.4 behandelt). In den für die Tren-nung eingesetzten Methoden unterscheiden sich die im folgenden kurz beschriebenen Verfahren. 4.2.2 Das Diaphragma-Verfahren

Abb. 5 Diaphragma-Verfahren für die Chlor-Alkali-Elektrolyse [1]

Zur Trennung zwischen Anoden- und Kathoden-Raum dient ein poröses Diaphragma. Durch einen höheren Füllstand auf der Anodenseite entsteht eine hydrostatische Druckdif-ferenz. Sie hat eine Strö-mung durch das Diaphrag-ma zur Folge, deren Ge-schwindigkeit im Idealfall genau so groß ist, dass der Transport von OH−-Ionen in die Anodenkammer (durch Diffusion und Mi-gration im elektrischen Feld) gerade unterdrückt wird. Das Diaphragma ist eine auf die aus Lochble-chen gefertigte Kathode aufgeschwemmte Asbest-faser-Schicht (ca. 5 mm), verstärkt mit Kunststoff-Fasern (PVC und PTFE).

Aus dem Kochsalz wird eine gesättigte Lösung („Sole“, ca. 26 Gew-%) hergestellt, aus der die Verun-reinigungen an Erdalkali- und Schwermetallsalzen durch Zugabe von Natronlauge und Natriumcarbonat als Hydroxide und Carbonate ausgefällt werden. Anschließend erfolgt eine sehr sorgfältige Filtration, da ansonsten die Diaphragmen verstopft würden. Die Zugabe der Sole erfolgt von oben in den Anodenraum. Die abgereicherte Sole fließt vollständig durch das Diaphragma, so dass im Kathodenraum eine sehr ver-dünnte und stark salz-haltige Natronlauge anfällt. Sie ist in dieser Form im allgemeinen nicht verwendbar sondern muss in einem aufwendigen Prozess auf 50 Gew-% NaOH eingedampft werden. Das Kochsalz fällt dabei bis auf eine Restkonzentration von 1 Gew-% aus (die hohe Na+-Konzentration in 50 Gew-% NaOH erniedrigt die NaCl-Löslichkeit, analog zum Löslichkeitsprodukt bei schwerlöslichen Salzen).

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Auch nach dieser Abtrennung von Natriumchlorid reicht die Reinheit der Natronlauge für zahlreiche Anwendungen nicht aus (deshalb kommt in Deutschland überwiegend das Amalgam-Verfahren mit seiner äußerst reinen Natronlauge zum Einsatz). Das ausgefällte Natriumchlorid ist sehr sauber, so dass es ohne weitere Reinigung erneut in der Elektrolyse (u.U. auch in einer Amalgam-Anlage) eingesetzt werden kann.

Auf dem Foto in Abb. 5 blickt man in einen Zellensaal, wobei vor allem die Sammelleitungen für Chlor und Wasserstoff auffallen. Von den einzelnen Zellen sieht man die Abdeckhauben oberhalb der Anoden, in denen sich das Chlorgas sammelt und in die von oben durch die dünnen Rohrleitungen die Sole zuge-führt wird. In der eigentlichen Zelle unterhalb der Abdeckhauben greifen Anoden und Kathoden kamm-artig ineinander (in jeder Zelle dieses Typs jeweils 55 m²). Es erfordert sehr erfahrenes Bedienungsperso-nal, um auf der ganzen Fläche ein einheitliches Diaphragma aufzuschwemmen und eine gleichmäßige Strömung zu erreichen, die weder zu klein (Ausbeuteverluste durch Transport von OH−-Ionen in den Anodenraum) noch zu groß ist (unnötige Verdünnung der Natronlauge mit erhöhtem Aufwand bei der Ein-dampfung). Wegen des diffizilen Gleichgewichtes zwischen Strömungsgeschwindigkeit und OH−-Ionen-Transport ist eine Veränderung der Stromdichte und damit der Produktionsleistung zur Anpassung an den aktuellen Chlor-Bedarf kaum möglich. Die maximale Stromdichte beträgt nur etwa 2 kA/m², so dass für eine geforderte Produktionsleistung große Elektrodenflächen notwendig sind. Die cancerogenen Eigen-schaften der Asbestfasern erfordern aufwendige Sicherheitsmaßnahmen bei der Erneuerung der Diaphrag-men. Asbestfreie Diaphragmen haben bisher nicht die Qualität erreicht, um sich durchsetzen zu können.

4.2.3 Das Amalgam-Verfahren

Abb. 6 Amalgam-Verfahren für die Chlor-Alkali-Elektrolyse [1]

Das Verfahren wurde zur Verbesserung der Reinheit der Produkte Natronlauge und Chlor entwickelt. Die Elektro-lysezelle selbst ist nicht geteilt, sondern die Ka-thodenreaktion nach Glei-chung (2) wird durch Hin-zufügen von Quecksilber als Reaktionspartner in zwei Teilschritte aufge-trennt. In der Elektrolyse-zelle dient ein dünner, in-folge eines leichten Gefäl-les fließender Quecksil-ber-Film als Kathode. An ihm bildet sich anstelle von Wasserstoff und OH−-Ionen Natrium-Metall, das sich im Quecksilber als Natrium-Amalgam löst:

Na+ + x Hg + e – NaHg x (6)

Möglich ist dies durch zwei Eigenschaften des Quecksilbers. Einerseits ist die Wasserstoff-Abscheidung am Quecksilber stark kinetisch gehemmt, könnte also erst mit einer hohen Überspannung von ca. 1 V er-folgen (im chlor-gesättigten Anolyten mit pH = 4 – 5 (siehe Kapitel 4.4) liegt das Standardpotential E° höher als in alkalischer Lösung nach Gleichung (2), wodurch die Wasserstoff-Abscheidung eigentlich erleichtert würde). Andererseits kann Quecksilber Natrium-Metall lösen, so dass dessen Konzentration c Red 0,2 Gew-% nicht übersteigt. Dadurch wird das stark negative Potential des Natriums (E° = – 2,71 V) nach der Nernst´schen Gleichung (7) bis über das Potential des Wasserstoffs am Quecksilber angehoben, so dass sich nicht Wasserstoff sondern Natrium abscheidet (selbstverständlich wäre es unmöglich, reines metallisches Natrium in wässriger Lösung abzuscheiden; technisch wird es durch Elektrolyse von wasser-freiem, geschmolzenem Natriumchlorid hergestellt). Die Abscheidung des Natriums im Amalgam anstelle von Wasserstoff beim Diaphragma- oder Membran-Verfahren verursacht eine größere Zellspannung und damit einen erhöhten Energieverbrauch (Gleichstrom) von 3100 – 3400 kWh/t Chlor (siehe Abb. 9).

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E = E° + (R · T / (z · F)) · ln ( c Ox / c Red ) (7)

E = Elektroden-Potential [V], E° = Standard-Elektroden-Potential [V], R = Gaskonstante = 8,314 [J/(K · mol)] T = absolute Temperatur [K], z = Anzahl der Elektronen, F = Faraday-Konstante = 96485 [As/Äquivalent]

Voraussetzung ist zusätzlich, dass die Konzentration der Na+-Ionen c Ox hoch liegt (die Sole darf des-halb nur wenig in der Elektrolysezelle abgereichert werden, siehe Abb. 6). Bedingungen, bei denen sich Wasserstoff abscheiden kann, sind sorgfältig zu vermieden, weil das ansonsten gebildete Chlor-Knallgas sehr gefährlich ist. Da in der Elektrolysezelle keine Natronlauge entsteht, ist die Bildung von Sauerstoff an den Anoden gering, so dass das Chlorgas in manchen Fällen ohne Reinigung verwendbar ist.

Das aus der Elektrolysezelle ablaufende Natrium-Amalgam wird mit Wasser zu Natronlauge und Was-serstoff umgesetzt, das Quecksilber wird in die Elektrolysezelle zurückgepumpt:

2 NaHg x + 2 H2O 2 NaOH + H2 + x Hg (8)

Da die gleichen Bedingungen wie in der Elektrolysezelle gelten, kann Wasserstoff nicht am Quecksilber abgeschieden werden, das Natrium-Amalgam reagiert also nicht unmittelbar mit Wasser. Dies gelingt im Amalgamzersetzer an einer Packung aus Graphitkugeln. Diese stehen mit dem Amalgam im elektrischen Kontakt, so dass der Wasserstoff am Graphit entstehen und Natrium aus dem Quecksilber in Lösung gehen kann (kurzgeschlossene elektrochemische Zelle). Die bei der Natrium- gegenüber der Wasserstoff-Abscheidung zusätzlich verbrauchte Energie wird in Form von Wärme im Amalgamzersetzer frei.

Wegen des großen Unterschieds in der Dichte zwischen Sole und Quecksilber (ρ Hg = 13,6 g/cm³), lässt sich das Amalgam vor dem Zersetzer problemlos von der Sole trennen, so dass man eine sehr reine Natronlauge erhält.

Das Foto aus einem Zellensaal in Abb. 6 zeigt die Stromzuführungen der Anoden in den Zellendeckeln. Mit Hilfe computer-gesteuerter Höhenverstellungen, kann der Elektrodenabstand bis auf etwa 3 mm ver-kleinert werden. Dadurch sind Stromdichten bis zu 13 kA/m² ohne einen starken Spannungsanstieg mög-lich, so dass trotz des großen Flächenbedarfes eine akzeptable Produktionsmenge je Flächeneinheit erreicht wird. Die Zellen sind bis zu 2 m breit und bis zu 15 m lang (30 m² Kathodenfläche).

4.2.4 Das Membran-Verfahren

Abb. 7 Membran-Verfahren für die Chlor-Alkali-Elektrolyse [1]

Auf den ersten Blick scheinen das Membran- und das Diaphragma-Ver-fahren sehr ähnlich zu sein. Die Membran ist je-doch nicht wie ein Dia-phragma für einen Stoff-strom infolge einer Druck-differenz durchlässig. Im Idealfall können nur Na-trium-Ionen mit einer Hy-drathülle durchtreten.

Cl−-Ionen werden – unter-stützt vom elektrischen Feld – sehr gut zurück-gehalten, so dass hochrei-ne Natronlauge entsteht.

Die Selektivität für Na+- gegenüber OH−-Ionen ist im Neuzustand ca. 98 %. Wenn sie auf ca. 93 % ab-gesunken ist, werden die Membranen im allgemei-nen erneuert (bei unge-störtem Betrieb Lebens-dauer mehrere Jahre).

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Die höchste Stromausbeute ß – d.h. der für die Erzeugung des gewünschten Produktes genutzte Anteil des elektrischen Stroms; er entspricht für Natronlauge der Selektivität für Na+- gegenüber OH−-Ionen – wird mit den Membranen nach dem Stand der Technik (siehe Kapitel 4.3) bei 33 Gew-% NaOH erreicht. Für eine werksinterne Nutzung ist diese Natronlauge meistens unmittelbar geeignet. Für den Transport über weite Strecken wird sie auf die handelsübliche Konzentration von 50 Gew-% NaOH eingedampft.

Besondere Anforderungen werden beim Membran-Verfahren an die Reinheit der Sole gestellt. Insbe-sondere Calcium und Magnesium müssen auf weniger als 50 ppb (50 · 10 – 9 ) entfernt werden, da sonst ihre schwerlöslichen Carbonate bzw. Hydroxide in der Membran ausfallen und deren Struktur irreversibel schädigen. Die Lebensdauer der Membran hängt entscheidend von der Solequalität ab (Stand der Technik Ca2+ + Mg2+ < 20 ppb). Die extrem niedrigen Konzentrationen an Verunreinigungen in gesättigter Natri-umchlorid-Lösung lassen sich realisieren mit chelat-bildenden Kationenaustauschern, die in der bereits vorgereinigten Sole (aus Siedesalz oder mittels Fällung) selektiv mehrfach geladene Ionen festhalten.

Eine typische Eigenschaft des Membran-Verfahrens ist der „elektro-osmotische“ Stofftransport. Er wird durch die Hydrathüllen der Na+-Ionen (etwa 3 - 5 Moleküle Wasser) bei ihrer Wanderung durch die Mem-bran verursacht, da hier – anders als in einer freien Elektrolytlösung – nur die Kationen (Gegen-Ionen), nicht aber die Anionen (Fest-Ionen) beweglich sind. Je niedriger die Sole-Konzentration im Anodenraum ist, je mehr Wasser also für jedes Na+-Ion zur Verfügung steht, umso größer ist die Hydrathülle, die mit durch Membran transportiert wird. Die Messung dieses Stoffstroms ist ein Gegenstand dieses Versuches.

Abb. 8 Vergleich des Anolytkreislaufes beim Amalgam- und Membran-Verfahren [8]

Der elektro-osmotische Stofftransport wirkt sich im Vergleich mit dem Amalgam-Verfahren günstig aus, wie es in Abb. 8 gezeigt ist. Beim Amalgam-Verfah-ren ist nur eine sehr geringe Abreicherung des Anoly-ten erlaubt (siehe Kapitel 4.2.3), so dass ein sehr gro-ßer Anolytstrom im Kreislauf gefahren werden muss. Beim Membran-Verfahren ist dieser Kreislauf wesent-lich kleiner, weil die Entfernung von Wasser durch die Membran der Abreicherung entgegenwirkt und weil eine niedrigere Endkonzentration zulässig ist. Eine stärkere Abreicherung, als in Abb. 8 angegeben, ist nicht erlaubt, da dann die Membran geschädigt wird.

4.2.5 Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren

Abb. 9 Vergleich der Elektrolyse-Verfahren (nach [1,2])

Die wichtigsten Vor- und Nachteile zeigt Abb. 9. Durch Optimierung des Membran-Verfahrens ist die Absen-kung der Zellspannung von deutlich über 3 V auf etwa 2,8 V bei 3 kA/m² gelungen. Bei der Stromdichte ist eine steigende Tendenz über 4 kA/m² hin-aus zu beobachten. Stand der Technik (2004) sind Zellspannungen < 3,0 V für die hohe Stromdichte von 6 kA/m² (Energieverbrauch an Gleichstrom ca. 2300 kWh / t Chlor). Das Membran-Verfahren verbraucht also nur noch ca. 70 % der Energie der anderen Ver-fahren. Der Platzbedarf einer Mem-brananlage (siehe auch das Foto in Abb. 7) ist im Vergleich zu den an-deren Verfahren wesentlich geringer.

Auf einen bemerkenswerten Vorteil des Diaphragma-Verfahrens durch sei-ne Eindampfung sei hingewiesen:

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die Eindampfung ist für die hohen Investitions- und Energie-Kosten dieses Verfahrens verantwortlich (siehe Abb. 9 und 10). Sie ermöglicht aber andererseits die Ausschleusung von Wasser und damit den Einsatz preisgünstiger „Natursole“ aus einem Bohrloch in einem Salzstock, während das Amalgam- und das Membran-Verfahren festes Salz benötigen (Solekreislauf, der beim Diaphragma-Verfahren entfällt, siehe Abb. 5 – 7). Selbstverständlich muss diese Natursole wie üblich gereinigt werden, siehe Abb. 5.

a) Neuanlagen für alle Verfahren

b) neue Membran-Anlage

im Vergleich zu bereits abgeschriebenen Altanlagen

Abb. 10 Vergleich der Produktionskosten für die verschiedenen Elektrolyse-Verfahren [9]

Abb. 11 Kapazitätsentwicklung des Membran-Verfahrens [10]

Der Vergleich der Produktionskosten in Abb. 10 a zeigt, dass das Membran-Verfahren nicht nur technisch und unter Umweltgesichts-punkten, sondern auch wirtschaftlich das günstigste Verfahren ist. Es wird deshalb weltweit schon seit Jahren für Neuanlagen ausschließ-lich eingesetzt. Die Entwicklung in Abb. 11 seit seiner ersten An-wendung im Jahre 1974 weist den typischen exponentiellen Anstieg für ein erfolgreiches neues Verfahren auf.

Andererseits lässt Abb. 10 b den Grund für den eher schleppenden Einsatz in den etablierten Industrieländern, speziell in Deutschland, erkennen. Die Kostenvorteile des Membran-Verfahrens können nicht den Vorsprung von abgeschriebenen, also ab einem Alter von etwa 10 Jahren keine Kapitalkosten mehr verursachenden aber trotzdem noch voll funktionsfähigen Anlagen einholen.

Weltweit, vor allem in den USA, wird immer noch überwiegend das Diaphragma-Verfahren eingesetzt. In Deutschland wird bisher das Amalgam-Verfahren bevorzugt. Hier sind die alten Anlagen (auch die neueste ist über 30 Jahre alt) durch umfangreiche Nach-rüstungen hinsichtlich der Quecksilber-Emissionen unproblematisch geworden. Erst Ende 1997 ist in Deutschland eine Großanlage mit Membranzellen in Betrieb genommen worden. Anteile 2002 zur welt-weiten Produktion von 43,3 Mio t/a Chlor: 49 % Diaphragma, 18 % Amalgam, 28 % Membran, 5 % andere (z.B. HCl-Elektrolyse) [3,4].

4.3 Aufbau und Funktion der Ionenaustauscher-Membranen

Abb. 12 Strukturformeln der perfluorierten Kationenaustauscher-Membranen [10]

Ein Ionenaustauscher (in Folienform eine Ionenaustau-scher-Membran) besteht aus einem Polymer, an dem ge-ladene Gruppen kovalent chemisch gebunden sind (Fest-Ionen). Um die Elektroneutralität zu wahren, liegen auch umgekehrt geladene Ionen (Gegen-Ionen) vor. Wenn der Ionenaustauscher in Wasser quillt und die Ionen hydrati-siert werden, sind die Gegen-Ionen beweglich und kön-nen ausgetauscht werden bzw. durch die Membran wan-dern. In einem Kationen-Austauscher sind die negativ ge-ladenen Fest-Ionen z.B. stark saure Sulfonsäure- oder schwach saure Carbonsäure-Gruppen (siehe Abb. 12).

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Eine Anwendung von Ionenaustauscher-Membranen als Separatoren für die Chlor-Alkali-Elektrolyse war erst möglich, als Membranen auf der Basis perfluorierter Polymere (PTFE = Polytetrafluorethylen, siehe Abb. 12) entwickelt werden konnten (zuerst von Du Pont „Nafion® “ [7]). Nur sie weisen eine aus-reichende chemische Stabilität bei den extrem aggressiven Bedingungen auf. Der komplexe Herstellung-sprozess hat zur Folge, dass der Preis nach wie vor in der Größenordnung von 500 €/m² liegt.

Abb. 13 Cluster-Netzwerk-Modell zur Erklärung der

Permselektivität der perfluorierten Membranen

Abb. 14 Aufbau der Membranen (nach [10])

Abb. 13 gibt ein anschauliches Bild zur Funktion der Membranen. Ihre „Permselektivität“ (Permeations-Selektivität für Na+-Kationen gegenüber OH−-Anionen) von bis zu 98 % auch bei der hohen Natronlauge-Konzentration von 33 Gew-% ist mit den klassischen Modellen für Ionenaustauscher-Membranen nicht erklärbar. Für die Nafion®-Membranen hat man das Cluster-Netzwerk-Modell entwickelt. Das Polymer nach Abb. 12 ist nicht vernetzt, nur sein sehr hohes Molekulargewicht ( > 900.000 mit ca. 1000 Mono-mer-Einheiten) verhindert eine Auflösung in Wasser. Wegen der Seitenketten, an deren Ende die Fest-Ionen verankert sind, ist das Polymer in sich leicht beweglich. Dadurch ist die in dem Modell angenom-mene Phasentrennung analog zu einer Wasser-in-Öl-Emulsion möglich. Dabei bilden sich Cluster (Tröpf-chen) der wässrigen Phase aus den Fest- und Gegen-Ionen mit ihren Hydrathüllen innerhalb der hydro-phoben Phase aus perfluorierten Polymerketten. Röntgen-Strukturanalysen ließen eine Struktur mit 5 nm großen Abständen erkennen. Aus Berechnungen mit der hydrodynamischen Durchlässigkeit der Membran schließt man auf Kanäle zwischen den Clustern mit ca. 1 nm Durchmesser. Vermutlich liegt im Betrieb keine starre Struktur vor, sondern die Cluster und Kanäle verändern sich fortlaufend. Ihre Wände sind mit den Fest-Ionen (–SO3

−- oder –COO− ) bedeckt, wie es in Abb. 13 etwa maßstabsgerecht dargestellt ist.

Ein Na+-Kation wird von den Fest-Ionen angezogen, kann aber wegen deren geringem Abstand weitge-hend kräftefrei an der Wand entlang gleiten (Abb. 13). Dagegen wird ein OH−-Anion – ein Co-Ion, d.h. ein Ion mit gleicher Ladung wie die Fest-Ionen – von diesen abgestoßen (die schraffierten Zonen in Wand-nähe deuten an, dass sich Co-Ionen dort nur mit großem Energieaufwand aufhalten können). Infolge-dessen können OH−-Anionen nur in der Mitte der Cluster und Kanäle durch die Membran wandern und müssen jeweils beim Eindringen in jeden Kanal eine hohe Potentialschwelle überwinden. Diese unter-schiedlichen Wege für Na+-Kationen und OH−-Anionen bieten eine Erklärung der hohen Permselektivität.

Entscheidenden Einfluss auf die Permselektivität hat die Konzentration der Fest-Ionen in der Membran. Sie ist umso kleiner, je größer der Anteil an inertem PTFE-Polymer ist, d.h. je größer n in Abb. 12 ist. Üblicherweise wird dies durch das „Äquivalentgewicht“, das Membran-Gewicht in Gramm je Äquivalent Fest-Ionen, beschrieben. Je größer das Äquivalentgewicht (je kleiner die Festionen-Konzentration) ist, umso weniger Wasser nimmt die Membran auf. Dadurch werden die Cluster und Kanäle kleiner und zahlreicher, so dass die OH−-Anionen häufiger höhere Potentialschwellen überwinden müssen und die Permselektivität zunimmt. Gleichzeitig steigt aber auch der elektrische Widerstand und damit der Span-nungsabfall über die Membran sowie der Energieverbrauch. Der Durchbruch des Membranverfahrens ge-lang durch die Verwendung von Carbonsäure- anstelle von Sulfonsäure-Festionen (Abb. 12). Als schwa-che Säuren werden sie weniger hydratisiert und bewirken eine optimale Cluster-Struktur in der Membran.

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Abb. 14 zeigt den Aufbau der Membranen. Die Permselektivität wir durch eine Schicht aus Carbonsäure-Polymer auf der Kathodenseite erzeugt. Um den Spannungsabfall niedrig zu halten, ist sie sehr dünn aus-geführt. Eine dickere Schicht aus Sulfonsäure-Polymer niedrigen Äquivalentgewichtes mit einem einge-betteten PTFE-Verstärkungsgewebe dient im wesentlichen als mechanischer Träger für die Carbonsäure-Schicht. Wegen der hohen Leitfähigkeit der Sulfonsäure-Schicht ist ihr Spannungsabfall nur gering.

4.4 Stromausbeute und Nebenreaktionen bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse

Abb. 15 Reaktionen und Stoffströme bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse nach dem Membran-Verfahren

Eine sinnvolle Größe zur Beschreibung der Effektivität eines Elektrolyse-Verfahrens ist die Stromausbeute (hier ß genannt). Sie gibt den Anteil (häufig in [%]) des insgesamt umgesetzten elektrischen Stroms an, der für das betreffende Produkt genutzt wurde. Sie errechnet sich aus dem Verhältnis von praktisch erhaltener Produktmenge praktm zur theoretisch

erwarteten Menge theom (in Mol- oder Massen-Angaben):

[ ]% 100. ⋅==theo

prakt

theo

prakt

m

mbzw

m

mββ (9)

Die theoretische Produktmenge theom ergibt sich aus dem Faraday´schen Gesetz:

[ ] [ ]g .mol Fz

tIMGmbzw

Fz

tIm theotheo ⋅

⋅⋅=⋅⋅= (10)

I = Stromstärke (konstant) [A], t = Zeit [s] oder [h], F = Faraday-Konstante 96485 [As/mol] = 26,8 [Ah/mol],

z = Ladungszahl, MG = molare Masse [g/mol]

Abb. 15 zeigt die wichtigsten Reaktionen und Stoffströme beim Membran-Verfahren. Man kann hier davon ausgehen, dass an der Kathode Wasserstoff und OH−-Ionen vollständig (also mit ß = 1) nach Gleichung (2) gebildet werden. Wegen der nicht idealen Permselektivität der Membran gelangt ein Anteil 1 – ß an OH−-Ionen in den Anodenraum und fehlt deshalb im Katholyt-Ablauf (ß < 1). Da außer der Mas-senbilanz auch die Ladungsbilanz aufgehen muss, wandert eine ß entsprechende Menge an Na+-Ionen zu-sammen mit ihrem Hydratwasser (H2O)x in den Kathodenraum. Der Transport von Cl−-Ionen in den Kathodenraum fällt bei der Strombilanzierung praktisch nicht ins Gewicht. Dem Anodenraum muss die zu ß äquivalente Menge an NaCl zugeführt werden.

Im Anodenraum findet nicht nur die gewünschte Chlor-Entwicklung nach Gleichung (1) statt, sondern es liegt ein komplexes Reaktions-System vor, in das besonders die durch die Membran eindringenden OH−-Ionen eingreifen (siehe weiter unten).

Die übersichtlichsten Verhältnisse und die höchste Stromausbeute an Chlor ergeben sich, wenn die OH−-Ionen mit der Menge 1 – ß an Salzsäure sofort neutralisiert werden (siehe Abb. 15). Dies erfordert jedoch spezielle Vorsichtsmaßnahmen. Zunächst muss die Salzsäure die gleichen Reinheitsanforderungen wie die Sole erfüllen (am besten aus der Verbrennung von Chlor mit Wasserstoff). Darüber hinaus muss die Salzsäure sehr gleichmäßig im Anodenraum vermischt werden. Wenn die Membran mit einer stärker sauren Lösung als pH = 2 in Berührung kommt, werden die schwach sauren Carbonsäure-Gruppen in der Membran (siehe Kapitel 4.3) protoniert und verlieren damit ihre Eigenschaft als Fest-Ionen. Ein Ionen-transport ist dann nicht mehr möglich, der Spannungsabfall steigt stark an, und die Membran wird zer-stört. Häufig wird deshalb auf die Salzsäurezugabe verzichtet. In den modernsten Zellen nutzt man den Mammutpumpen-Effekt der Gasblasen zur Erzeugung eines starken Umlaufs aus (siehe Kapitel 4.6).

Als anodische Konkurrenz-Reaktion zur Chlor-Entwicklung ist die Sauerstoff-Bildung wegen der ungün-stigen Lage der Standardpotentiale unvermeidbar (siehe Reaktionen (1) und (4) im Kapitel 4.2.1). Da bei der Sauerstoff-Bildung H+-Ionen entstehen, nimmt sie durch in den Anodenraum gelangende OH−-Ionen zu und lässt sich durch Zugabe von Salzsäure zurückdrängen. Sauerstoff-freies Chlor entsteht allerdings

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nur bei HCl-Konzentrationen über 20 Gew-% in der Salzsäure-Elektrolyse (Rückgewinnung von Chlor aus Chlorwasserstoff, der als Nebenprodukt z.B. der Isocyanat-Synthese anfällt [14]). Unter den Bedin-gungen der Chlor-Alkali-Elektrolyse ist Chlor mit weniger als ca. 0,5 Vol-% Sauerstoff nicht herstellbar.

Ein kleiner Teil des anodisch gebildeten Chlors löst sich reversibel unter Hydratisierung im Anolyten zu Cl2 (aq). Außerdem entsteht in einer Gleichgewichts-Reaktion das Trichlorid-Ion:

Cl2 + Cl− Cl3− (11)

Die wichtigste Reaktion des Chlors in wässriger Lösung ist die Hydrolyse unter Disproportionierung zu Salzsäure und Hypochloriger Säure, bzw. zu Chlorid und Hypochlorit:

Cl2 + H2O Cl− + H+ + HOCl (12)

Cl2 + OH− Cl− + HOCl (12a)

HOCl OCl− + H+ (13)

Durch die Reaktionen (12) und (13) reagiert eine chlor-haltige Lösung immer sauer und ihr pH-Wert kann nicht über etwa 4 – 5 steigen, solange noch freies Chlor vorhanden ist – wie es im Anolyten der Chlor-Alkali-Elektrolyse gewährleistet ist. Auch größere Mengen an OH−-Ionen, die in den Anodenraum gelangen, werden durch Reaktion (12a) gebunden. Dadurch wirkt die Anolyt-Lösung im Bereich um pH 4 wie ein Puffersystem: der pH-Wert ändert sich durch Zugabe weiterer OH−-Ionen nur wenig. Die Neben-produkt-Bildung nimmt mit steigender Zufuhr von OH−-Ionen jedoch stark zu. Durch Zugabe eines Über-schusses an Salzsäure (mehr als 1 – ß) lässt sich der pH-Wert andererseits bis zur durch die Membran erlaubten Grenze von pH = 2 absenken und die Nebenproduktbildung weitgehend unterdrücken.

Die Summe aus Cl2 (aq), Cl3−, HOCl und OCl− wird als „Aktivchlor“ bezeichnet. Das Chlor ist in

diesen Stoffen reversibel gebunden. Es kann aus dem Anolyt-Ablauf in der „Anolyt-Entchlorung“ (siehe Abb. 6 und 7) durch Zugabe von Salzsäure (auf ca. pH = 2) als elementares Chlor freigesetzt, durch Anlegen von Vakuum gasförmig abgezogen und dem Chlor-Produktstrom zugeführt werden. Diese Chlormenge geht also nicht verloren und kann bei der Stromausbeute an Chlor einbezogen werden.

Die Anolyt-Entchlorung vor der Sole-Aufsättigung ist notwendig, da das Aktivchlor dort und bei der Sole-Reinigung stören würde. Insbesondere der Zulauf zu den Ionenaustauschern beim Membran-Ver-fahren muss völlig chlor-frei sein, da diese sonst zerstört würden. Man setzt deshalb nach der beschrie-benen Vakuum-Entchlorung Natriumsulfit Na2SO3 zur Reduktion der letzten Chlorspuren zu.

Eine weitere, irreversible chemische Folgereaktion ist im Anodenraum zu beachten: durch sie entsteht aus Hypochloriger Säure und Hypochlorit-Ionen infolge einer Disproportionierung Chlorat:

2 HOCl + OCl− ClO3− + 2 Cl− + 2 H+ (14)

Höchstwahrscheinlich kann Chlorat auch elektrochemisch an der Anode gebildet werden, wobei die Mechanismen nicht endgültig geklärt sind. In der Literatur wird z.B. eine – in dieser komplexen Form vermutlich unrealistische – Reaktionsgleichung genannt, nach der gleichzeitig Sauerstoff entsteht:

6 HOCl + 3 H2O 2 ClO3− + 3/2 O2 + 4 Cl− + 12 H+ + 6 e− (15)

Unabhängig vom Weg der Chlorat-Bildung werden H+-Ionen frei, sie lässt sich also durch Zugabe von Salzsäure zurückdrängen (bei der maximal zulässigen Ansäuerung bis auf pH = 2 nahezu vollständig).

Bezüglich des Chlorates unterscheiden sich die drei Elektrolyse-Verfahren. Beim Amalgam-Verfahren tritt es nicht auf (falls Chlorat an der Anode entstehen sollte, wird es offenbar an der Kathode wieder reduziert). Beim Diaphragma-Verfahren wird gebildetes Chlorat vollständig in die Lauge überführt. Es erreicht dort nach der Eindampfung zwar nur Konzentrationen von ca. 0,07 Gew-%, diese können bei kritischen Anwendungen (z.B. im Lebensmittelbereich) aber durchaus problematisch sein.

Besondere Beachtung muss die Chlorat-Bildung beim Membran-Verfahren finden, da es sich in dem ge-schlossenen Anolytkreislauf anreichern kann. Die Zerstörung von Chlorat ist in hochkonzentrierter Salz-säure durch Komproportionierung zu elementarem Chlor möglich:

ClO3− + 6 HCl 3 H2O + 3 Cl2 + Cl− (16)

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Dazu wird ein Teilstrom des Anolyt-Ablaufs mit der gesamten für die Anolyt-Entchlorung benötigten Salzsäure-Menge gemischt (nur bei einer ausreichend hohen Salzsäure-Konzentration entsteht Chlor als Produkt, bei zu niedriger Konzentration dagegen das hochexplosive Chlordioxid). Bei Anwendung dieses Verfahrens entsteht letztendlich also durch die Chlorat-Bildung kein Verlust bei der Chlor-Stromausbeute.

Zusammenfassung der Reaktionen der OH−-Ionen im Anodenraum:

Sie werden ggf. ganz oder teilweise durch zugesetzte Salzsäure sofort neutralisiert. Durch die verblei-benden OH−-Ionen wird die irreversible Sauerstoff-Bildung verstärkt, wobei eine äquivalente Menge an OH−-Ionen neutralisiert wird. Die übrigen OH−-Ionen reagieren mit Chlor zu Hypochloriger Säure / Hypo-chlorit und erhöhen so den Aktivchlor-Gehalt. Je mehr OH−-Ionen dabei umgesetzt werden – je höher also die HOCl / OCl−-Konzentration wird – desto mehr führt die chemische Folgereaktion zum Chlorat. Für die Entchlorung und die Chlorat-Zersetzung muss eine Menge an Salzsäure eingesetzt werden, die im wesentlichen den in den Anodenraum gelangten OH−-Ionen (1 – ß) äquivalent ist.

4.5 Zellspannung bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse

Die Herstellkosten von Elektrolyseprodukten werden nicht nur durch die Membraneigenschaften (Perm-selektivität) und die Stromausbeuten, sondern auch wesentlich von der Zellspannung bestimmt. Die elek-trische Energie ist als Produkt aus Stromstärke und Spannung gegeben und wird in Kilowattstunden be-zahlt. Daher ist man allgemein bei Elektrolyseprozessen bestrebt, eine möglichst niedrige Zellspannung zu erreichen. Man kann dazu aber nicht einfach die Stromstärke (bzw. Stromdichte [A/m2] absenken, da man dann eine zu große und teure Zellfläche benötigen würde, um die gleiche Menge zu produzieren, denn nach dem Faraday’schen Gesetz (Gleichung 10) muss der Gesamtstrom ja erhalten bleiben. Eine optimale Kombination aus hoher Stromdichte (2004: 6 kA/m² mit steigender Tendenz, 8 kA/m² ange-strebt) und niedriger Zellspannung (2004 knapp unter 3,0 V bei 6 kA/m²) muss also gefunden werden. Um Ansatzpunkte zur Verminderung der Zellspannung zu erhalten, ist es sinnvoll, ihre Zusammensetzung zu analysieren (siehe Abb. 16). Die technische Konstruktion einer Chlor-Alkali-Elektrolysezelle wird we-sentlich durch Maßnahmen zur Minimierung der Zellspannung bestimmt (siehe Kapitel 4.6).

Abb. 16 Zusammensetzung der Zellspannung UZell

Die Zellspannung UZell setzt sich additiv zusammen aus: (Indices: A = Anode, K = Kathode)

Ohm´sche Spannungsabfälle: UiA , UiK = Stromzuführungen UA , UK = Elektroden-Material UeA , UeK = Elektrolyt-Lösungen, erhöht infolge des Gasblasengehaltes

Thermodynamische Zersetzungs-Spannung: UtZA , UtZK

Überspannungen: ηA , ηK Durchtritts-Überspannungen Diffusions-Überspannungen Reaktions-Überspannungen

Membran-Spannungsabfall: UM

Technische Elektrolysezellen für das Membran-Verfahren verwenden Elektroden aus gelochten Blechen, z.B. eine Jalousie-Struktur, mit möglichst geringem Abstand zur Membran. Die Elektrodenräume zur Zu- und Abführung der Lösungen und zur Ableitung der Gase befindet sich jeweils auf der Rückseite der Elektroden (siehe Abb. 17). Der Aufbau der Praktikumszelle entspricht zwar grundsätzlich dem Aufbau einer technischen Zelle, durch den kleinen Maßstab sind aber Abweichungen im Verhalten unvermeidlich.

Die Durchtritts-Überspannungen der Elektroden werden durch kinetische Hemmungen der eigentlichen elektrochemischen Reaktion – des Elektronen-Durchtritts zwischen Elektrode und Reaktant – hervorgeru-fen und können durch optimale Elektroden-Beschichtungen minimiert werden (sie sind aber wie erwähnt auch für die Selektivität zwischen Chlor- und Sauerstoff-Entwicklung von entscheidender Bedeutung).

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Diffusions- und Reaktions-Überspannungen ergeben sich, wenn infolge eines gehemmten Stofftrans-portes und/oder infolge vor- und/oder nachgelagerter Reaktionen die Konzentrationen an den Elektroden-Oberflächen gegenüber den Konzentrationen im Flüssigkeitskern für Edukte vermindert bzw. für Pro-dukte erhöht sind. Ihre Größe lässt sich mit Hilfe der aus der Nernst´schen Gleichung (7) abschätzen.

In den Spannungsabfall der Membran gehen zunächst Ohm´sche Anteile entsprechend der Leitfähigkeit der Membran ein. Dazu kommt eine Potential-Differenz infolge der unterschiedlichen Lösungen auf den beiden Seiten der Membran. Diffusions-Grenzschichten und damit verbundene Diffusions-Überspannun-gen an den Membran-Oberflächen sind bei den hohen Elektrolyt-Konzentrationen vernachlässigbar. Bei einem sehr geringen Abstand von den gasentwickelnden Elektroden verursacht das verstärkte Anhaften von Gasblasen an den relativ hydrophoben Membran-Oberflächen einen deutlich erhöhten Spannungs-abfall. Durch eine Beschichtung der Membran mit hydrophilen Oxidpartikeln kann man diesem Effekt entgegenwirken (siehe Abb. 14). Dadurch sind Elektrodenabstände von unter 3 mm realisierbar, Stand der Technik 2004 etwa 0,4 mm – bis hin zum „Nullabstand“ (Zero-Gap, Membrane-Gap), bei dem die Elek-troden auf der Membran aufliegen. Wegen der höheren Leitfähigkeit der Natronlauge im Katholyten ver-glichen mit der weitgehend abgereicherten Natriumchlorid-Lösung im Anolyten legt man die Membran durch einen geringfügigen, kathodenseitigen Überdruck auf die Anode auf und verhindert so auch die Beschädigung der Membran durch mechanische Bewegungen. 4.6 Beispiel für die technische Konstruktion einer Chlor-Alkali-Elektrolysezelle

Abb. 17 Beispiel einer technischen Membran-Elektrolysezelle („Hoechst-Uhde-Zelle“, nach einem Firmenprospekt)

oben: Einbau in das Elektrolyseur-Gerüst (Sicht auf die Anodenseite eines Einzel-Zellelementes

rechts: Schnitt durch ein Einzel-Zellelement

Technische Membran-Elektrolyseure enthalten bis zu mehrere hundert Zell-Elemente mit je bis zu 5 m² Membranfläche. Abb. 17 zeigt die „Hoechst-Uhde-Zelle“, die sich gut auf dem Weltmarkt etabliert hat. Als Besonderheit sind hier die einzelnen, komplett funktionsfähigen Zell-Elemente (2,7 m²) separat durch verschraubte Flansche abgedichtet (in den Zellenblöcken anderer Hersteller werden alle Dichtungen durch eine gemeinsame Vorrichtung zusammengepresst). Die Zell-Elemente werden in Stahlgerüste eingehängt,

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durch mechanische Anpressung elektrisch in Serie geschaltet und mit den Stromzuführungs-Leitungen ver-bunden (siehe auch das Foto in Abb. 7). Alle Ein- und Auslassleitungen münden unterhalb der Zellen in Sammelleitungen. Ein defektes Zell-Element kann nach Lösen der Anpressung im Elektrolyseur-Gerüst ohne Demontage der übrigen Zell-Elemente relativ einfach und schnell ausgetauscht werden.

Die Zellen sind aus zwei Halbschalen aufgebaut (Material: Anodenseite Titan, Kathodenseite Nickel). Die Elektroden mit einer jalousieartigen Struktur sind durch jeweils 6 Stück vertikal verlaufende (unter den Kontaktstreifen in Abb. 17) gewellte Blechbänder als Stromzuführungen *) so mit den Rückwänden der Halbschalen verschweißt, dass sie bündig auf der Vorderseite abschließen. In die Elektroden sind an den Stellen der Stromzuführungen gegenüberliegende Streifen aus PTFE (Polytetrafluorethylen) eingelas-sen. Diese stützen sich unter dem Anpressdruck im Elektrolyseur-Gerüst auf der Membran ab und stellen durch ihre Dicke den richtigen Elektrodenabstand sicher. Die elektrische Verbindung zwischen den Zell-Elementen erfolgt durch auf die Rückseite der Titanhalbschalen (Anodenkammern) aufgeschweißte Kon-taktstreifen aus Nickel, die auf den benachbarten Nickelhalbschalen (Kathodenkammern) aufliegen. Die ausreichend elastische Konstruktion der Halbschalen und Stromzuführungen *) gewährleistet einen gleich-mäßigen, sicheren Kontakt mit minimalem Spannungsabfall schon bei einem mäßigen Anpressdruck ohne Beschädigung der Membranen an den erwähnten Pressstellen (PTFE-Streifen). Der Anpressdruck für die Dichtungen wird wie oben erläutert unabhängig davon in jedem Zell-Element einzeln durch die Flansch-Verschraubungen aufgebracht.

Die beschriebene serielle elektrische Verbindung der Zellen wird als „bipolare Schaltung“ bezeichnet, da die elektrisch miteinander gekoppelten Teile – hier eine Anoden- und eine Kathoden-Halbschale – auf der einen Seite als Anode und auf der anderen Seite als Kathode arbeiten. Sie ermöglicht ohne großen Aufwand ein Minimum an Spannungsabfall in den Zuleitungen und Elektroden (UiA , UA , UiK , UK in Abb. 16). Der durch die Zuleitungen fließende Strom entspricht dabei nur einfach dem Produkt aus Strom-dichte und Zellfläche, z.B. 16.200 A bei 2,7 m² und 6 kA/m². Demgegenüber erhält man bei der „mono-polaren Schaltung“, bei der alle Zellen eines Zellblockes parallel geschaltet sind, den entsprechend der Zellenzahl im Block mehrfachen Betrag. Zur Minimierung des Spannungsabfalls benötigt man in diesem Falle sehr dicke Kupferleiter. Für den ganzen Zellensaal strebt man bei allen Varianten durch entspre-chende serielle Schaltung von Zellenblöcken möglichst hohe Spannungen von 500 – 1000 V an, da sich dann die Gleichrichter-Verluste – unabhängig von der Stromstärke etwa 2 V – am wenigsten auswirken.

Während bei der monopolaren Schaltung alle Zellen eines Zellenblockes auf dem gleichen Potential lie-gen, können bei der bipolaren Schaltung zwischen der ersten und letzten Zelle Spannungen von bis zu mehreren hundert Volt auftreten. Dies erfordert Maßnahmen zur Minimierung von unerwünschten („para-sitären“) Strömen durch die Elektrolyten, die in den Zu- und Abführungs-Leitungen die Zellen mitein-ander verbinden. Der Elektrolyt-Zulauf erfolgt deshalb durch lange, dünne PTFE-Schläuche (über 1 m lang, ca. 8 mm Durchmesser, siehe Abb. 17). Die Abführung der Gase und Elektrolyte findet in Form schlecht leitfähiger Schäume durch PTFE-Rohre ausgehend vom oberen Rand der Zellkammern statt.

Durch die an den Elektroden entwickelten Gase wird der für den Stromfluss im Elektrolyten zur Verfü-gung stehende Querschnitt vermindert und ein deutlich erhöhter Spannungsabfall verursacht. Das Profil der jalousieartigen Elektroden ist deshalb so optimiert worden, dass die Gase möglichst rasch in den stromfreien Raum hinter den Elektroden abgeführt werden. Auf der Anodenseite ist dieser Raum außer-dem durch ein Blech („Umströmungsblech“ in Abb. 17) parallel zur Elektrodenfläche geteilt, das nur oben und unten Schlitze über die Breite der Zellkammern freilässt. Da die Dichte des gas-haltigen Elektrolyten auf der Elektrodenseite des Umströmungsbleches wesentlich geringer ist als beim gas-freien Elektrolyten auf der Rückseite, kommt es zu einer heftigen Strömung in Richtung des aufsteigenden Gases („Mammut-pumpen“-Effekt), die sich durch Beschleunigung der Abfuhr des Gases positiv auswirkt. Darüber hinaus dient sie zur guten Durchmischung des Anolyten bei Salzsäure-Zugabe (siehe Kapitel 4.4).

Auf der Kathodenseite erfolgt ein großer Umlauf an Natronlauge, deren Konzentration sich deshalb in der Zelle nur geringfügig von 31 auf 33 Gew-% NaOH erhöht (siehe Abb. 7). Dieser Kreislauf durch-strömt einen Wärmeaustauscher, um die in den Zellen als Folge der Spannungsabfälle und Überspannun-gen entwickelte Wärme abzuführen. _____________________________________________________________________________________ *) Durch Minimierung der Fertigungstoleranzen kann man inzwischen auch mit weniger elastischen Konstruktionen

arbeiten, die eine bessere Leitfähigkeit erreichen, weil in ihnen eine größere Metallmenge verarbeitet ist.

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5. Versuchsplanung

5.1 Ziel der Versuchsplanung

Die in diesem Versuch behandelte Chlor-Alkali-Elektrolyse ist ein Beispiel für einen chemischen Pro-zess, in dem sehr viele Einflussgrößen zu einer sehr komplexen Verknüpfung von Abhängigkeiten führen.

Stromausbeute und Energiebedarf (das Produkt aus Zellspannung und Stromstärke) sind neben den in-vestitionsabhängigen Aufwendungen die charakteristischen Größen für die Kosten der NaCl-Elektrolyse. Zur Ermittlung der optimalen Betriebsbedingungen benötigt man Informationen über ihre Abhängigkeit von den wichtigsten Einstellvariablen, beim Membranverfahren also von

• Eigenschaften der Membran • Elektrodenmaterialien von Anode und Kathode • Geometrie der Zelle • Temperatur von Anolyt und Katholyt • Konzentration der Sole im Anodenraum • Zugabe von Salzsäure in den Anodenraum • Konzentration der Natronlauge im Kathodenraum • Stromdichte

Nach den Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln 4.2.4 bis 4.6 ist damit zu rechnen, dass die Formulierung der erforderlichen Abhängigkeiten allein auf der Grundlage physikalischer und chemischer Gesetzmäßigkeiten praktisch unmöglich ist. Deshalb müssen sie empirisch durch umfangreiche experi-mentelle Untersuchungen gefunden werden.

Da diese Untersuchungen im allgemeinen sehr zeit- und kostenaufwendig sind, ergibt sich die Forde-rung, die Experimente so anzulegen, dass mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Aussagen erzielt wird. Eine besonders wirksame Methode zur Planung von Experimenten und zur Aufstellung empirischer Funktionen stellt die „faktorielle Versuchsplanung“ dar (z.B. [15,16]). Hierbei bezeichnet man als „Faktoren“ Größen, die sich als (unabhängige) Variable oder Parameter einstellen lassen (z.B. Stromdichte, Konzentrationen, Temperatur usw.) und die eine interessierende Größe (abhängige Variable) wie z.B. die Stromausbeute, Zellspannung oder auch die Kosten eines Verfahrens beeinflussen. Die bei den Experimenten einzustellenden Werte dieser Faktoren nennt man Niveau. Soll der Einfluss von n Fak-toren auf jeweils 2 Niveaus untersucht werden, so ist 2 n die Anzahl der möglichen Niveaukombinationen.

5.2 Beispiel für die faktorielle Versuchsplanung

5.2.1 Versuchsdaten

Die Methode soll im folgenden an einem Beispiel, dessen Ergebnisse unmittelbar nachvollziehbar sind, erläutert werden. Gemessen wird der Einfluss der Faktoren A = Stromstärke und B = Temperatur auf den Spannungsabfall an einem Kupferdraht, der bei 100 °C einen Widerstand von 100 Ohm hat.

Abb. 18 2 2-Versuchsplan

Um einen Mittelpunkt – der z.B. dem bisherigen Be-triebspunkt einer Anlage entsprechen könnte und der hier auf 50 mA und 100 °C festgelegt ist – werden 2 2 = 4 Versuche angeordnet (Abb. 18). Nach Festlegung der

Schrittweite w für jeden Parameter, die dem Abstand der Versuche vom Mittelpunkt entspricht (hier w A = 20 mA, w B = 50 °C), ergeben sich für jeden Parameter ein hohes und ein niedriges Niveau. Nach der üblichen Nomenkla-tur bezeichnet man die Parameter bzw. ihre Wirkungen mit großen Buchstaben. Die Bezeichnung der einzelnen Versuche bzw. ihrer Ergebnisse enthält für die Parameter auf hohem Niveau den betreffenden kleinen Buchstaben, die Parameter auf niedrigem Niveau treten in der Be-zeichnung nicht auf. (1) bezeichnet den Versuch mit allen Parametern auf niedrigem Niveau.

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Folgende Ergebnisse wurden gemessen, wobei außer den 4 Versuchen des 2 2-Versuchsplans die wie-derholten Mittelpunktsversuche M1 bis M5 durchgeführt worden sind (der Nutzen der Mittelpunktsver-suche wird weiter unten diskutiert, sie gehören aber nicht prinzipiell zur faktoriellen Versuchsplanung ! ).

Versuch Parameter A [mA]

Parameter B [°C]

Messwert Y [V]

M1 50 100 5,02 (1) 30 50 2,39 M2 50 100 5,10 a 70 50 5,67

M3 50 100 5,05 b 30 150 3,47

M4 50 100 4,94 ab 70 150 8,30 M5 50 100 4,97

Abb. 19 Dreidimensionale Darstellung

der Ergebnisse aus dem 2 2-Versuchsplan für das Beispiel

Die durch die Achsen mit den Parametern A und B aufgespann-te Ebene entspricht der Abb. 18, während nach oben auf der Y-Achse die Messwerte aufgetragen sind.

5.2.2 Berechnung der Wirkungen

Zur Berechnung der Wirkungen A und B („Hauptwirkungen“) muss jetzt jeweils der Mittelwert der Ergebnisse auf dem niedrigen Niveau des betreffenden Parameters gebildet und vom Mittelwert auf dem hohen Niveau abgezogen werden. Man erhält dann die Wirkung als mittleren Einfluss des Parameters auf die Zielgröße bei der vollen Änderung des Parameters vom niedrigen zum hohen Niveau. Häufig ist es sinnvoller, die Wirkungen auf die jeweilige Schrittweite zu beziehen, z.B. wie in diesem Versuch, um eine Vorhersagegleichung aufzustellen. Man muss dann die genannten Ergebnisse durch 2 dividieren, da die Schrittweite dem halben Unterschied zwischen niedrigem und hohem Niveau entspricht. Immer muss angegeben werden, auf welche Niveau-Änderung sich die Wirkungen beziehen.

A = (1/2 ⋅ (a + ab) – 1/2 ⋅ ((1) + b) ) / 2 = 2,03 (17)

B = (1/2 ⋅ (b + ab) – 1/2 ⋅ ((1) + a) ) / 2 = 0,93 (18)

Zusätzlich muss die sogenannte Wechselwirkung AB berechnet werden. Sie gibt an, wie stark die Wir-kung A (bzw. B) davon abhängt, ob man sie auf dem hohen oder auf dem niedrigen Niveau des Parameters B (bzw. A) bestimmt. Sie ist also ein Maß dafür , wie sich die Parameter gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen.

AB = (1/2 ⋅ (ab + (1)) – 1/2 ⋅ (a + b)) / 2 = 0,39 (19)

Schließlich wird noch der Mittelwert der Versuche berechnet:

I = 1/4 ⋅ ((1) + a + b + ab) = 4,96 (20)

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Die Ergebnisse des Beispiels sind leicht überschaubar:

Nach dem Ohm´schen Gesetz steigt der Spannungsabfall Y linear mit der Stromstärke A (Wirkung A) an. Er nimmt ebenso (weitgehend) linear mit der Temperatur B zu (Wirkung B), da sich der Widerstand des Kupferdrahtes mit der Temperatur B erhöht. Dadurch ist auch die Wechselwirkung AB zu erklären, denn die Stromstärke A wirkt sich an dem kleinen Widerstand bei niedriger Temperatur B weniger stark auf den Spannungsabfall Y aus, als an dem hohen Widerstand bei hoher Temperatur B (oder umgekehrt: bei der niedrigen Stromstärke A hat die Widerstandsänderung durch die Temperatur B einen kleineren Einfluss auf den Spannungsabfall Y, als bei der hohen Stromstärke A).

Die Wechselwirkung AB darf nicht mit einer Wirkung des Parameters A auf den Parameter B verwech-selt werden, wie es im hier gezeigten Beispiel dadurch entstehen könnte, dass bei erhöhter Stromstärke A die Temperatur B ansteigt. Dies wäre ein experimenteller Fehler, der einen zusätzlichen Einfluss zur Folge hätte. Ein solcher Fehler muss z.B. durch einen Thermostaten vermieden werden. Grundsätzlich ist bei der Versuchsplanung sorgfältig darauf zu achten, dass die Parameter voneinander unabhängig sind, also als „unabhängige Variable“ frei eingestellt werden können (u.U. nur innerhalb vorgegebener Gren-zen). Dies schließt nicht aus, dass sie sich in ihrer Wirkung auf die Zielgröße gegenseitig beeinflussen (Wechselwirkung).

Für das Verständnis der Wirkungen ist die vorgestellte Berechnung der Wirkungen nach den Gleichun-gen (17) – (19) unverzichtbar. Sie setzt allerdings voraus, dass man die Parameter-Niveaus aller Versuche genau einhält, was in der Praxis selten gelingen wird. Durch Anwendung der Regressions-Rechnung, die z.B. in Tabellenkalkulations-Programmen verfügbar ist, kann man die tatsächlich erreichten Parameter-werte einsetzen und so unnötige zusätzliche Fehler bei der Auswertung vermeiden.

5.2.3 Versuchsstreuung

Um die Versuchsergebnisse beurteilen zu können, braucht man die Versuchsstreuung. Am einfachsten ist es, wenn man sie aus früheren Messungen schon kennt. Bei größeren Versuchsplänen mit mehr als 2 Parametern ist es möglich, sie aus den Ergebnissen abzuschätzen (häufig nimmt man z.B. die Wechsel-wirkungen zwischen 3 und mehr Parametern als in Wirklichkeit nicht existierend an und verwendet die für sie erhaltenen Ergebnisse als Schätzwerte der Versuchsstreuung). Man kann die Versuchsstreuung auch aus Wiederholungsmessungen, wie hier in diesem Beispiel des Mittelpunktsversuches, ermitteln. Voraussetzung ist, dass man dies aus zeitlichen und finanziellen Gründen verantworten kann ! Hier bei dem Elektrolyse-Versuch ist dafür keine Zeit verfügbar, die statistische Beurteilung muss deshalb entfallen. Trotzdem soll das Vorgehen kurz erläutert werden.

Der Mittelwert der Mittelpunktsversuche M1 bis M5 ergibt sich zu:

x = 1/N ⋅ ∑ x i = 5,016 Volt (N = 5 = Anzahl der Versuche) (21)

Die Standardabweichung als Maß für die Versuchsstreuung ist:

( )∑ −⋅−

= 2

1

1xx

Ns ix = 0,0635 Volt (22)

Im Nenner unter der Wurzel wird nicht die Anzahl der Versuche N sondern der Freiheitsgrad N – 1 eingesetzt, der angibt, wie viele der Versuchswerte frei verfügbar sind. Er ist gegenüber der Versuchszahl N um 1 vermindert, da durch die notwendige Berechnung des Mittelwertes x ein frei verfügbarer Wert verloren geht.

Diese Standardabweichung gilt für einen Versuch, z.B. auch für einen neuen, unter gleichen Voraus-setzungen durchgeführten Versuch.

Der Mittelwert mehrerer Versuche lässt sich genauer, d.h. mit kleinerer Standardabweichung, angeben, auch wenn die durch das Messverfahren vorgegebene Versuchsstreuung gleich bleibt. Dies wird folgen-dermaßen berücksichtigt, wobei N* die Anzahl der Versuche ist, aus denen der Mittelwert gebildet wird (hier N* = 5):

( ) Volt 0284,05

Volt 0635,0

1

111 2 ==−⋅−

⋅=⋅= ∑∗∗xx

NNs

Ns ixx (23)

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5.2.4 Vertrauensbereich

Wenn eine Aussage über den sogenannten Vertrauensbereich eines Wertes gemacht werden soll, kann die t-Verteilung als statistische Funktion eingeführt werden. Sie hängt einerseits vom Freiheitsgrad ab und andererseits von der statistischen Sicherheitswahrscheinlichkeit, die für eine Aussage gelten soll. Eine Sicherheitswahrscheinlichkeit von 95% (häufig benutzter Wert) bedeutet z.B., dass die Aussage statis-tisch gesehen in 95% der Fälle richtig und nur in 5% der Fälle falsch ist (eine Aussage darüber, ob ein konkreter Wert richtig oder falsch ist, kann die Statistik natürlich nicht machen). Der Wert für die Sicher-heitswahrscheinlichkeit muss je nach den Bedingungen ausgewählt werden. Der Vertrauensbereich ergibt sich durch Multiplikation der Standardabweichung des betrachteten Wertes mit dem Wert der t-Vertei-lung.

t = 3.18 bei 3 Freiheitsgraden t = 2.78 bei 4 Freiheitsgraden t = 2.57 bei 5 Freiheitsgraden jeweils für 95% Sicherheitswahrscheinlichkeit.

Im hier behandelten Beispiel ergibt sich für das Ergebnis eines Versuches der Vertrauensbereich zu:

t ⋅ sx = 2,78 ⋅ 0,0635 = 0,177 Volt (24)

Um diesen Betrag kann also der wahre Wert µ (den man natürlich nicht kennt) nach oben und unten von einem Versuchsergebnis abweichen, wobei die Sicherheitswahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Wert in diesem Vertrauensbereich befindet, 95% beträgt. Die übliche Schreibweise lautet:

P [x – t ⋅ sx < µ < x + t ⋅ sx] = P [ x – 0,177 < µ < x + 0,177] = 95% (25)

P bedeutet „probability“ = Sicherheitswahrscheinlichkeit.

Für den Mittelwert der Mittelpunktsversuche x aus dem Beispiel ergibt sich der Vertrauensbereich zu:

t ⋅ sx = 2,78 ⋅ 0,0284 = 0,079 Volt (26)

P [x – 0,079 < µ´ < x + 0,079] = 95% (27)

5.2.5 Signifikanzprüfung der Wirkungen

In analoger Weise kann auch der Vertrauensbereich der Wirkungen berechnet werden. Man nimmt dabei an, dass die aus den Mittelpunktsversuchen erhaltene Versuchsstreuung für den ganzen Versuchsplan gilt. In diesem Beispiel soll weiterhin vereinfachend vorausgesetzt werden, dass sie auch für den ganzen Bereich gilt, in dem die Parameter variiert werden können. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Wir-kungen auf die halbe Niveauänderung des 2n-Versuchsplans, d.h. hier die Schrittweite, bezogen werden, ergibt sich eine formale Ähnlichkeit der Wirkungsberechnung mit einer Mittelwertsberechnung aus den vier Versuchen des Versuchsplanes. Für die Berechnung der Standardabweichung muss also N* = 4 eingesetzt werden (die exakte statistische Begründung dafür würde hier zu weit führen).

Der Vertrauensbereich einer Wirkung für 95 % Sicherheitswahrscheinlichkeit ist also hier im Beispiel:

088,02

0635,078.2

4=⋅=

⋅ xst (28)

Für die einzelnen Wirkungen ergibt sich:

Wirkung A = 2,03 P [1,942 < A < 2,118] = 95% Wirkung B = 0,93 P [0,842 < B < 1,018] = 95% Wechselwirkung AB = 0,39 P [0,302 < AB < 0,478] = 95%

Mit Hilfe des Vertrauensbereiches einer Wirkung kann jetzt die Frage beantwortet werden, ob sie signifikant ist oder nicht. Nur wenn der Vertrauensbereich nicht den Wert Null einschließt, kann man mit der gewählten Sicherheitswahrscheinlichkeit die Aussage machen, dass die betreffende Wirkung existiert, der entsprechende Parameter also wirklich einen Einfluss hat und der erhaltene Zahlenwert nicht nur ein zufälliges Ergebnis der Versuchsstreuung ist.

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In diesem Beispiel sind alle Wirkungen signifikant, wie es ja gemäß dem Ohm’schen Gesetz zu erwarten ist. Wären die Messungen weniger sorgfältig, d.h. mit größerer Standardabweichung, durchgeführt wor-den, hätten auch eine oder mehrere Wirkungen nicht signifikant sein können. Das würde nicht etwa bedeuten, dass die betreffenden Parameter in diesem Fall keine Wirkung hätten, sondern nur, dass ihre Wirkung mit diesem Datenmaterial nicht in statistisch gesicherter Weise nachgewiesen werden kann.

Da wegen ihrer langen Dauer nicht mehr als fünf Elektrolyse-Versuche durchgeführt werden können, fehlt hier die Datenbasis um die Resultate in der beschriebenen Weise statistisch beurteilen zu können.

5.2.6 Auswahl der Schrittweite und Überprüfung der Linearität

Eine wichtige Frage bei der Versuchsplanung ist die Auswahl der Schrittweiten w (siehe Abb. 18). Es ist einerseits wichtig, sie so groß zu wählen, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, signifikante Wirkun-gen zu erhalten. Die Niveaus müssen mindestens so weit auseinander liegen, dass die Vertrauensbereiche der einzelnen Versuche deutlich voneinander getrennt sind.

Abb. 20 Beispiel einer Antwortfunktion

Andererseits darf die Schrittweite nicht zu groß wer-den, wie es an Abb. 20 erläutert werden soll. Hier ist ein willkürliches Beispiel für eine Antwortfunktion gezeigt, nach der eine Zielgröße Y von einem Parameter A ab-hängt. Es ist zu sehen, dass man im Bereich von 0 – 1 einen stark positiven und im Bereich von 5 – 6 einen stark negativen Wert für die Wirkung A erhält. Würde man den ganzen Bereich von 0 – 6 für den Versuchsplan verwenden, wäre die Wirkung A = 0, und man bekäme ein völlig falsches Bild. Die faktorielle Versuchsplanung mit nur 2 Niveaus kann naturgemäß nur lineare Zusam-menhänge erfassen. Die Schrittweite darf also grundsätz-lich nur so groß gewählt werden, dass die Abweichungen von der Linearität vernachlässigbar sind.

Für die Wahl der Schrittweite gibt es selbstverständlich kein Patentrezept. Mit Hilfe eines Mittelpunkts-versuches kann man nachträglich überprüfen, ob die Zusammenhänge linear sind. Dazu wird der Mittel-wert der Versuchspunkte I (Gleichung 20), der den Mittelpunkt des in dem Versuchsplan gefundenen Zu-sammenhangs angibt, mit dem Ergebnis des Mittelpunktsversuchs (bzw. dem Mittelwert mehrerer Mittel-punktsversuche) aus der direkten Messung verglichen. Die Linearität ist bestätigt, wenn beide Werte in-nerhalb des Vertrauensbereichs von I liegen.

Die Auswahl der richtigen Schrittweite gelingt u.U. erst nach einigen vergeblichen Versuchen. Für den Praktikumsversuch sind deshalb die Parameterniveaus vorgegeben. 6. Versuchsdurchführung

6.1 Versuchsbedingungen

Fünf Elektrolyse-Versuche eines 2²-Versuchsplans und ein Mittelpunktsversuch sollen durchgeführt werden, wobei als Niveaus der Versuchsparameter (Faktoren) festgelegt sind:

A NaCl-Konzentration im Anolyten (d.h. auch im Anolyt-Ablauf) A1 = 17 Gew-% NaCl, A2 = 23 Gew-% NaCl

B Stromdichte (Elektroden- = Membran-Fläche = 21,2 cm2) B1 = 1000 A/m2, B2 = 5000 A/m2

Der Mittelpunktsversuch wird bei Ao = 20 Gew-% NaCl und Bo = 3000 A/m2 durchgeführt.

Als Membran wird die Zweischichten-Carbonsäure/Sulfonsäure-Membran Nafion® 901 der Firma Du Pont de Nemours eingesetzt (siehe Abb. 14). Die Temperatur beträgt 80 °C. Die Elektrolyse wird galva-nostatisch, d.h. mit konstanter Stromstärke betrieben. Durch die Variation der Betriebsparameter sollen die Auswirkungen dieser wichtigen Einflussgrößen gezeigt werden. Naturgemäß läuft die Elektrolyse dann nicht immer bei den technisch optimalen Bedingungen, wie z.B. 33 Gew-% NaOH im Katholyten.

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Um unter Berücksichtigung der NaCl-Abreicherung im Anodenraum die geforderte NaCl-Konzentration im Anolyten zu erreichen, muss für jede Parameter-Kombination eine eigene Anolyt-Zulaufkonzentration eingehalten werden, wobei der Anolyt-Zulauf fest auf 350 ml/h eingestellt ist und sich infolge der Dichte-unterschiede unterschiedliche Zulauf-Massenströme in [g/h] ergeben:

Mittelpunktsversuch A0, B0: 22,0 Gew-% NaCl im Anolyt-Zulauf, 410 g/h für Versuch (1) A1, B1: 17,5 Gew-% NaCl im Anolyt-Zulauf, 395 g/h für Versuch b A1, B2: 20,5 Gew-% NaCl im Anolyt-Zulauf, 405 g/h für Versuch a A2, B1: 23,5 Gew-% NaCl im Anolyt-Zulauf, 415 g/h für Versuch ab A2, B2: 26,0 Gew-% NaCl im Anolyt-Zulauf, 420 g/h

Der Katholyt-Zulauf ist fest auf 20 ml/h = g/h eingestellt. 6.2 Aufbau der Versuchsanlage

Abb. 21 Schematische Darstellung der Versuchsanlage Der Aufbau der Versuchsanlage ist schematisch in Abb. 21 dargestellt. Die Elektrolysezelle hat eine runde Elektroden- bzw. Membran-Fläche von 52 mm Durchmesser (= 21,2 cm2). Die Elektroden sind aus flachgewalztem Streckmetall gefertigt und haben am Rand einen aufgeschweißten Ring, damit keine scharfen Kanten die Membran verletzen können. Das Material der Anode ist Titan, beschichtet mit Ruthe-nium-Titan-Mischoxid („dimensionsstabile Anode“ DSA®). Die Stromzufuhr zur Anode erfolgt durch einen mittig aufgeschweißten Titanstab. Der Anodenraum ist aus Glas gefertigt mit angeschmolzenen Stutzen für Zu- und Ablauf, Gasabfuhr und Temperaturfühler. Er ist 37 mm dick und wird mit Hilfe eines Magnetrührers durchmischt. Der Kathodenraum ist durch die Membran abgetrennt und besteht wegen seiner Beständigkeit gegen Natronlauge aus Acrylglas (PMME Poly-Methacrylsäure-Methyl-Ester) mit

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PTFE-Schläuchen für die Zu- und Abfuhr. Der Kathodenraum ist 8 mm dick und hat deshalb nur ein Volumen von 17 ml. Dadurch kann ein stationärer Zustand trotz einer sehr kleinen Katholyt-Durch-satzmenge in vertretbar kurzer Zeit erreicht werden. Wegen des kleinen Volumens reicht die Gasent-wicklung für die Durchmischung aus. Das Kathodenmaterial ist Chrom-Nickel-Stahl (Werkstoff-Nr. 1.4571 „V4A-Stahl“). Der Elektroden-Abstand beträgt 3 mm. Die Membran liegt auf der Anode auf, da der Wasserstoff auf der Kathodenseite durch das Tauchrohr T auf einem kleinen Überdruck gehalten wird.

Die Membranpumpe P1 fördert konstant 20 ml/h Wasser in den Kathodenraum. Bei dieser kleinen Zu-laufmenge genügt es zur Beheizung des Kathodenraumes, seine Abschlusskammer durch einen Heiß-wasserkreislauf aus einem Thermostaten auf 80 °C zu halten. Die Temperatur des Katholyten kann nicht gemessen werden, dafür wird die Temperatur des Thermostaten auf dem Schreiber registriert.

Die Membranpumpe P2 fördert konstant 350 ml/h Sole in den Anodenraum. Diese wird im Zulauf-stutzen des Anodenraumes durch einen mit 42 Volt betriebenen Heizstab soweit aufgeheizt, dass der Anolyt eine Temperatur von 80 °C erreicht. Für die richtige Heizleistung sorgt ein PID-Regler, der von einem Pt-100-Widerstandsthermometer im Anolyt-Ablauf gesteuert wird und der den Heizstab über ein Thyristor-Stellglied in schnellem Takt ein- und ausschaltet (erkennbar am Flackern der Kontrolllampe). Die Anolyt-Temperatur wird auf dem Schreiber registriert. Bei einigen Versuchen (hohe Stromdichte und kleine Anolytkonzentration) kann die Joule’sche Wärme im Anodenraum so groß werden, dass er gekühlt werden muss (die Heizung schaltet dann kaum noch oder gar nicht mehr ein). Dazu kann Kühlwasser (Leitungswasser) durch die Abschlusskammer des Anodenraumes geleitet werden. Um Verlustströme zur Erde und eine daraus folgende Korrosion zu vermeiden, muss das Wasser vor und hinter der Anode abtropfen, damit sich keine leitfähige Verbindung über das Wasser zur Erde aufbauen kann. Die Wasser-menge sollte über das Reduzierventil V7 so eingestellt werden, dass die Anodenheizung etwa mit halber Leistung arbeitet (erkennbar am gleichmäßigen Flackern der Kontrolllampe).

Zur Mengenmessung der Zuläufe können die kleinen Zulaufbehälter für Wasser und Sole gewogen wer-den. Der Solebehälter kann auf den Fußboden gestellt werden und dann durch richtiges Betätigen der Ventile V1 – V6 (Schlauchklemmen) mit Sole aus einem der Vorratsbehälter gefüllt werden. Bei längerer Einlaufzeit über Nacht kann die Pumpe P2 auch direkt aus einem der Vorratsbehälter fördern.

Wasserstoff und Natronlauge verlassen durch drei PTFE-Schläuche gemeinsam den Kathodenraum und werden dann getrennt. Die Natronlauge fließt durch eine als Gasverschluss wirkende Tauchung in einen Sammelbehälter ab, bzw. sie kann zur Bestimmung des Massenstromes in einer kleinen Kunststoffflasche aufgefangen werden. Dabei kühlt sie sich infolge der kleinen Durchflussmenge von selbst ausreichend ab. Der Wasserstoff wird in K1 gekühlt, strömt dann durch die Tauchung T und wird mit der Gasuhr G1 gemessen.

Der Anolyt-Ablauf (Magersole) und das Chlorgas werden unmittelbar oberhalb des Anodenraumes ge-trennt. Der Anolyt-Ablauf fließt durch den Kühler K3 und eine Tauchung (Gasverschluss) in einen Sam-melbehälter, bzw. er kann in einer 1-Liter-Flasche zum Abwiegen aufgefangen werden. Mit Hilfe eines PTFE-Kapillarschlauches kann eine Probe zur Bestimmung des Aktivchlorgehaltes direkt aus dem Ano-denraum gezogen werden, wobei darauf zu achten ist, dass nicht mehr entnommen wird als dem Zulauf entspricht, da sonst der Füllstand im Anodenraum abnehmen würde. Das Chlorgas wird in K2 abgekühlt und in der Gasuhr G2 erfasst. Es strömt anschließend von unten in die Absorptionsspirale A ein, wo es im Gegenstrom mit 10%-iger Natronlauge umgesetzt und so unschädlich gemacht wird:

Cl 2 + 2 NaOH NaOCl + NaCl + H2O (29)

Die Zulaufmenge der Natronlauge (Überschuss) ist mit der Membranpumpe P3 fest eingestellt. Der Ab-sorptions-Ablauf gelangt durch eine Überlaufkugel (Gasverschluss) in einen Sammelbehälter.

Das chlor-freie Restgas (vereinfachend wird es hier als reiner Sauerstoff angenommen) gelangt im Nor-malfall durch das Ventil V8 (Schlauchklemme) in die Abluftleitung. Während des Versuchs wird es nach dem Umschalten von V8 – V10 mit dem hier „Volumeter“ genannten Apparat VM gemessen, der so konstruiert ist, dass das Gas praktisch druckfrei einströmen kann und auch kleinste Gasmengen sicher erfasst werden können.

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Zur Bestimmung der Elektrodenpotentiale sind die beiden Luggin-Kapillaren L1 und L2 vorgesehen. Sie bestehen aus feinen PTFE-Kapillarschläuchen, die in die Elektrodenräume eingeführt sind. Sie treten im Bereich hinter den Elektroden in die Zellkammern ein, wo kein Elektrolysestrom fließt, der zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen könnte. Sie sind durch mit KCl-Lösung gefüllte Schläuche mit je einer Thalamid®-Referenzelektrode verbunden, deren Ausgangsspannung – bei beiden Luggin-Kapil-laren gemessen gegen die Kathode – jeweils von einem Messverstärker aufgenommen und auf dem Schreiber registriert wird. Damit sich in den hydrophoben PTFE-Kapillarschläuchen keine Gasblasen festsetzen und die Messleitung unterbrechen können, sind feine Platin-Drähte eingezogen. Sie stellen die Funktion der Luggin-Kapillaren sicher ohne Messfehler zu verursachen. Die Thalamid-Elektroden (Thal-lium-Quecksilber-System) haben an ihrem elektrischen Anschluss ein stabiles Potential gegenüber der KCl-Lösung an den Spitze der Luggin-Kapillaren. Es beträgt – 575 mV relativ zur Standard-Wasserstoff-Elektrode. Dadurch ermöglichen sie die Messung der Elektroden-Potentiale in der Zelle. Bei der Messung gegen die Kathode werden immer positive Werte abgelesen, die dann zur Korrektur für die übliche An-gabe bezogen auf die Standard-Wasserstoff-Elektrode um 0,575 V erhöht werden müssen (siehe Abb. 16).

Die Potentialdifferenz zwischen den beiden Luggin-Kapillaren L1 und L2 setzt sich aus den Spannungs-abfällen der Membran und der Elektrolyte zwischen den Elektroden und der Membran zusammen. Eine Differenzierung dieser Spannungsanteile ist mit den vorhandenen Messeinrichtungen nicht möglich.

Die Stromversorgung der Zelle erfolgt durch ein Netzgerät (in Abb. 21 nicht eingezeichnet), das sowohl die Regelung eines konstanten Stromes wie auch einer konstanten Spannung ermöglicht. Die Umschal-tung zwischen beiden Betriebsweisen erfolgt automatisch, je nachdem ob zuerst der eingestellte Wert der Spannung oder des Stromes erreicht wird. Zum Arbeiten mit konstantem Strom muss man also mit dem Spannungs-Einstellknopf einen genügend großen Spannungsbereich vorgeben (er sollte auch nicht zu groß sein, um Schäden durch zu hohe Spannung im Störfall zu vermeiden) und dann den geforderten Strom genau einstellen. Der Strom wird mit einem Shunt-Widerstand gemessen und wie die Zellspannung auf dem Schreiber registriert. Die elektrischen Messwerte können auch über einen Umschalter auf einem Digitalmultimeter angezeigt werden (auf intakte Sicherungen am Umschalter achten ! ).

Bei abgeschalteter Anlage wird ein Schutzpotential von ca. 2 Volt an der Zelle aufrechterhalten. Diese Spannung liegt unter der Zersetzungsspannung von NaCl-Lösungen, es kann also kein (deutlicher) Strom fließen. Durch die Spannung wird aber Korrosion sicher vermieden, so dass die Zelle in den relativ kurzen Pausen zwischen den Praktikumstagen nicht gespült zu werden braucht. 6.3 Versuchsablauf

Es ist aus praktischen Gründen nicht möglich, die von der Statistik eigentlich geforderte zufällige Ver-suchsreihenfolge auszuführen. Am ersten Versuchstag soll der Mittelpunktsversuch durchgeführt werden, der auch zum Kennenlernen der Versuchstechnik und Analytik dient. Die Versuche mit 1000 A/m2 benötigen trotz des kleinen Kathodenraumes eine längere Einlaufzeit. Sie müssen also jeweils am Abend des 1. und 2. Versuchstages eingestellt werden, damit sie über Nacht (bzw. auch über ein dazwischen-liegendes Wochenende) ihren stationären Zustand erreichen können. Die Versuche mit 5000 A/m2 kommen mit einer kürzeren Einlaufzeit aus und können am 2. und 3. Versuchstag nach Abschluss des jeweiligen Versuches mit 1000 A/m2 durchgeführt werden.

Jeder Versuch wird in eine Vorperiode, in die Einlaufzeit und in die eigentliche Messperiode eingeteilt:

• In der Vorperiode werden die Betriebsparameter eingestellt und kontrolliert (Temperaturen, Kühlwas-sermengen, Zulaufkonzentration und Zulaufmenge Anolyt sowie Zulaufmenge Katholyt).

• Nach der letzten Veränderung einer Einstellung während der Vorperiode beginnt die Einlaufzeit. Sie muss mindestens so lang sein, dass in dieser Zeit 85 ml Natronlauge aus dem Kathodenraum abfließen, d.h. dass das Katholytvolumen 5 mal durchgesetzt wird. Dieser Faktor 5 ist ein Richtwert aus der Reaktionstechnik für das Erreichen des stationären Zustands bei einem Rührkessel-Reaktor. Selbstverständlich müssen in dieser Zeit die Temperaturen konstant sein und die Zellspannung sowie die Potentiale der Luggin-Kapillaren müssen konstante Werte erreichen (durch Schreiberprotokoll belegen). Wenn die Einlaufzeit zu kurz ist oder dazwischen Störungen auftreten, führt dies unwei-gerlich zu schlechten oder unbrauchbaren Messergebnissen.

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• Nach erfolgreichem Abschluss der Einlaufzeit kann die eigentliche Messperiode von ca. 90 Minuten Dauer beginnen. Dabei sollten möglichst viele Messwerte aufgenommen werden, damit zuverlässige Mittelwerte gebildet werden können.

• Nach jedem Versuch vor Änderung der Betriebsbedingungen müssen die Ergebnisse mit dem Assistenten durchgesprochen werden, um zu klären, ob sie für die Auswertung brauchbar sind !

Die Arbeit während der Messperiode lässt sich erheblich erleichtern, wenn man sie während der Einlaufzeit so weit wie möglich vorbereitet (Gefäße vorwiegen, Analysenlösungen, Volumeter und eine Datentabelle vorbereiten, usw.).

6.4 Betriebsvorschrift

6.4.1 Sicherheitshinweis

Die Elektrolyse arbeitet mit stark ätzenden Chemikalien. Das Tragen von Schutzbrille und Kittel ist deshalb unbedingte Pflicht. Es muss sorgfältig und vorsichtig gearbeitet werden, damit keine Teile zerbro-chen oder Schläuche abgerissen werden. Wer ohne Schutzbrille an der Zelle arbeitet, wird für den Rest des Tages aus dem Labor verwie-sen. Soweit möglich, soll die Schutzscheibe vor der Zelle bleiben. Kleidungsstücke dürfen nur in den Schränken aufbewahrt werden.

6.4.2 Inbetriebnahme der Elektrolyse

a) Zulaufsole durch richtiges Betätigen der Schlauchklemmen V1 – V6 auswählen und mit dem Füllen der 5-Liter-Flasche für die Waage beginnen (durch Absenken unter das Flüssigkeitsniveau im Vor-ratsbehälter, nicht mehr als 4 kg einlaufen lassen). Sorgfältig darauf achten, dass nicht durch Bedie-nungsfehler oder Reste in der Flasche verschiedene NaCl-Lösungen vermischt werden.

b) Pumpen und Taktgeber für Anolyt- und Katholytzulauf sowie Pumpe für Chlorabsorption einschalten.

c) Kathoden-Thermostat und Anolyt-Heizung einschalten.

d) Einstellknöpfe am Stromversorgungsgerät ganz auf Null drehen und Gerät einschalten. Wenn beide Zellräume ganz gefüllt sind und die Temperaturen über 60°C liegen, kann der Strom langsam hoch-geregelt werden (innerhalb von 5 Minuten, zu schnelles Hochregeln zerstört die Membran ! )

e) Temperaturen im Anodenraum bzw. im Kathodenthermostat auf 80°C einregulieren und auf dem Schreiber kontrollieren.

f) Das U-Rohr-Manometer oberhalb des Anodengaskühlers K2 sollte nie mehr als ca. 10 mm Druck-differenz anzeigen. Bei höherem Druck ist der Gasweg behindert, z.B. durch Klemmen der Gasuhr (Assistenten informieren ! ).

g) Darauf achten, dass der Wasserstoff in der Tauchung T einen Überdruck von etwa 3 cm Wassersäule aufrechterhält (auch die Natronlauge-Überlaufhöhe muss darauf eingestellt sein).

h) In der Einlaufphase geht das Restgas durch die geöffnete Schlauchklemme V8 direkt in die Ent-lüftung (V8 darf nie geschlossen werden, wenn V9 geschlossen oder das Volumeter VM nicht vorbereitet ist).

i) Vorbereitung des Volumeters für die Messung: Die Ventile (Schlauchklemmen) V9 und V12 sind geschlossen, V10 geöffnet. Durch V11 wird die gewünschte Wassermenge eingelassen (Raumtemperatur ! zum besseren Ablaufen sollte etwas Spül-mittel enthalten sein), V10 und V11 werden geschlossen und V12 geöffnet. Unter dem Wasser-auslass bei V12 sollte immer ein 1-Liter-Gefäß stehen, damit es bei einem Bedienungsfehler keine Überschwemmung gibt.

j) Zur Auswertung der Messwerte ist eigentlich eine aufwendige Druckkorrektur erforderlich, die jedoch vernachlässigt werden kann, wenn der Füllstand im Volumeter bei der letzten Wägung nicht mehr als 3 cm über dem Gaseinleitungsrohr steht. Um dies zu erreichen, ist die ankommende Gasmenge während der Einlaufphase durch eine kurze Messung abzuschätzen und das Volumeter dann entsprechend zu füllen (mit Hilfe der angebrachten Skala, deren Genauigkeit aber nicht für die eigentliche Messung ausreicht und die deshalb nicht allein verwendet werden darf).

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6.4.3 Aufnahme der Messwerte während der Messperiode

Zunächst ist das vorbereitete Volumeter an die Restgasleitung anzuschließen. V10 und V11 bleiben dicht geschlossen. Zuerst muss V12 voll geöffnet werden. Es ist darauf zu achten, dass das Überlaufrohr über V12 keine Flüssigkeit mehr enthält. Erst dann wird V9 geöffnet und V8 mit dieser Schlauchklemme geschlossen. Mit der Messung der ablaufenden Wassermenge soll erst nach ca. 5 Minuten begonnen werden, wenn sich der Ablauf stabilisiert hat.

Während der ca. 90 Minuten dauernden Messperiode sollen im 15-minütigen Rhythmus folgende Werte abgelesen und in einer vorbereiteten Tabelle eingetragen werden:

• Stromstärke (Digitalmultimeter)

• Zellspannung (Digitalmultimeter)

• Anoden- und Kathoden-Potential (Digitalmultimeter)

• Gewicht Katholyt-Zulauf

• Gewicht Anolyt-Zulauf

• Gasuhr Kathodengas (inkl. Gastemperatur und Überdruck)

• Gasuhr Anodengas (inkl. Gastemperatur und Überdruck) (bei den Gasuhren muss der Überdruck nur kontrolliert werden, mehr als 10 mm Überdruck deuten auf eine Störung hin)

• Gewicht des aus dem Volumeter verdrängten Wassers inkl. der Temperatur (beim 1. Mal gewogenes leeres Gefäß unterstellen, bei den folgenden Messungen gefülltes Gefäß durch neues gewogenes Gefäß ersetzen und gefülltes Gefäß wiegen)

• Für die Berechnung des Molvolumens und des Wasserdampfgehaltes bei den Gasuhren und beim Volumeter soll angenommen werden, dass die gemessene Temperatur für Gas und Wasser gilt.

Bei allen Gewichts- und Gasuhr-Ablesungen ist darauf zu achten, dass sie sekundengenau zur vollen Minute erfolgen (immer die gleiche Uhr verwenden; nicht vergessen, die Zeit aufzuschreiben).

Für alle Wägungen wird die gleiche elektronische Waage (Wägebereich 4,4 kg mit 0,1 g Ablesbarkeit) verwendet. Wird nach dem Neu-Tarieren der Bereich von 400 g Gewichtsänderung nicht überschritten, beträgt die Ablesbarkeit 0,01 g (ausreichend zur Einwaage der Analysen).

Beim Wiegen der Zulaufbehälter ist darauf zu achten, dass das Ansaugrohr immer in der gleichen Position eingespannt wird (Markierung in der Höhe des Flaschenhalses). Der Auftrieb des Ansaugrohres wird vernachlässigt.

Zu Beginn der Messperiode werden die Abläufe von Anolyt und Katholyt in geeignete, gewogene Behälter geleitet (Zeit aufschreiben). Diese werden in etwa halbstündigem Abstand ausgetauscht (Zeit und Gewicht erfassen, um die Ablaufmenge berechnen zu können). Die gefüllten Behälter werden sofort verschlossen. Die so gewonnenen je drei Ablaufproben werden analysiert (Anolyt durch Dichtebestim-mung, Katholyt durch Titration mit 0,5 n-HCl, siehe Analysenvorschriften Kapitel 6.5).

Ebenfalls dreimal wird eine Probe des Anolyten zur Bestimmung des Aktivchlorgehaltes durchgeführt. Dies erfolgt durch Entnahme direkt aus dem Anodenraum und Eintropfen unmittelbar in eine Reduktions-lösung. Dadurch kann die Weiterreaktion des Aktivchlors vor der Analyse vermieden werden (siehe Analysenvorschrift Kapitel 6.5.2). Die Entnahmegeschwindigkeit kann durch die Höhe der Abtropfstelle reguliert werden. Dabei darf das Flüssigkeitsniveau im Anodenraum nicht unter den Temperaturfühler absinken, da sonst die Zulaufheizung außer Kontrolle gerät. Der Entnahmeschlauch ist in der Ruhestel-lung sorgfältig gegen Herunterfallen zu sichern (Leerlaufen der Zelle bewirkt schwere Folgeschäden mit Zerstörung der Anode und der Membran). Die Probemenge dieser Bestimmung muss zu der jeweiligen Anolyt-Ablaufmenge addiert werden !

Nach Abschluss der Messperiode können die neuen Versuchsbedingungen eingestellt werden. Die Stromstärke darf auch dann nicht sprunghaft erhöht werden.

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6.4.4 Zellspannungsanalyse (für alle Versuche)

Aus den Messwerten (Digitalmultimeter) der Zellspannung und der Luggin-Kapillaren werden für jeden Versuch gemäß Abb. 16 ermittelt:

• das Kathoden-Potential, d.h. das Potential der Kathode gegenüber dem Katholyten (negativer Wert), bestehend aus UiK , UK , UtZK , ηK , bezogen auf die Standard-Wasserstoff-Elektrode

= – (Messwert L1 + 0,575 V)

• das Anoden-Potential, d.h. das Potential der Anode gegenüber dem Anolyten (positiver Wert), bestehend aus UiA , UA , UtZA , ηA , bezogen auf die Standard-Wasserstoff-Elektrode

= Zellspannung – (Messwert L2 + 0,575 V)

• der Spannungsabfall in der Membran und in den Elektrolyten bestehend aus UM , UeA , UeK

= Messwert L2 – Messwert L1 6.5 Analysenvorschriften

6.5.1 NaOH-Analyse im Katholyt-Ablauf

1 bis 2 g der Probelösung werden genau eingewogen, mit ca. 100 ml Wasser verdünnt und mit 0,5 n HCl gegen Mischindikator titriert.

(g) Einwaage

f100MG105(ml)Verbrauch = NaOH %-Gew. HClNaOH

4 - ⋅⋅⋅⋅⋅ (30)

6.5.2 Aktivchlorbestimmung im Anolyt-Ablauf

In einem Erlenmeyerkolben mit Schliff werden 5 ml 0,2 n KJ-Lösung sowie 10 ml 0,1 n Natrium-arsenitlösung vorgelegt. Die Lösung wird mit NaHCO3 abgepuffert (Bodensatz von NaHCO3 ! ). Das so vorbereitete Probegefäß wird gewogen. Bei der Probenahme wird nun in die Vorlage langsam Anolyt-Ablauf (mit dem Schlauch direkt aus dem Anodenraum, siehe 6.4.3) solange zugegeben, bis eine Gelb-färbung auftritt. Das gelöste Chlor und die hypochlorige Säure werden dabei reduziert nach

-AsO + -Cl 2 + H 2 -AsO + OH + Cl 3

4+3

322 → (31) bzw.

-AsO + -Cl 2 + H 2 -AsO + -Cl + H + HClO 34

+33

+ → (32)

Ist die Arsenitvorlage durch die obigen Reaktionen verbraucht, so färbt sich die Lösung in dem Probe-gefäß gelb infolge der Reaktionen

22 J + -Cl 2 -J 2 Cl →+ (33)

OH + J + -Cl 2 -J 2 + -Cl + H + HClO 22+ → (34)

Nach Auftreten der Gelbfärbung werden noch ca. 10 – 20 Tropfen Anolyt-Ablauf als Überschuss zugege-ben. Sodann wird das Probegefäß gewogen und das ausgeschiedene Jod mit 0,1 n Natriumarsenitlösung gegen Stärke als Indikator zurücktitriert.

2(g) eAnolytprob Einwaage

10f(ml) geVorlagemen incl.rauch Gesamtverb

g

Cl Mol 4-2

⋅⋅⋅= (35)

Die Titrationsabfälle müssen unbedingt in den Sammelbehälter für Arsenitabfälle und dürfen nicht in den Ausguss geschüttet werden ! 6.5.3 NaCl-Bestimmung im Anolyt-Ablauf

Das Chlorid im Anolyt-Ablauf wird durch Dichtemessung bestimmt. Die Vorschrift für die Dichte-bestimmung mit Hilfe der Mohr´schen Waage liegt aus, ebenso eine Tabelle der Dichtewerte als Funktion der NaCl-Konzentration und der Temperatur.

Universität Dortmund Gemeinsames Praktikum, Praktikumsbereich TCA Zeichen: Jörissen Fachbereich Bio- und TC 27 Seite: 28 Chemieingenieurwesen Chlor-Alkali-Elektrolyse Datum: Oktober 2005

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6.6 Massen- und Strom-Bilanzierung der Versuche 6.6.1 Molekulargewichte

Komponente K H2 O2 Cl2 H2O NaCl NaOH NaClO3 Molekulargewicht MG [g / mol] 2,02 32,00 70,91 18,02 58,44 40,00 106,44

6.6.2 Elektrolysegase

Der Volumenstrom )( feuchtV& für das Anoden- und Kathoden-Gas in [l / h] ergibt sich aus der Steigung

der Geraden, wenn man das abgelesene Volumen der Gasuhr in Abhängigkeit von der Zeit t darstellt. Der Volumenstrom wird entweder graphisch oder rechnerisch mit Hilfe der linearen Regression ermittelt.

Das Gleiche gilt für die Auswertung der Volumeter-Messwerte für das Restgas aus der Chlor-Absorp-tion. Anhand der Einzelmesswerte sollte graphisch oder mit Hilfe der linearen Regression die Konstanz des Restgas-Stromes überprüft werden. Die dabei fehlende Druckkorrektur hat zwar Einfluss auf den Zahlenwert des Gasstromes, aber kaum auf die Linearität. Hat sich bei dieser Prüfung herausgestellt, dass der Gasstrom ausreichend konstant war und alle Messwerte verwendbar sind, wird die Summe der ver-drängten Wassermenge bis zu einem Füllstand von weniger als 3 cm über der Spitze des Gaseinleitungs-rohres in Liter feuchtes Gas umgerechnet (Dichte des Wassers wird zu eins gesetzt). Es wird angenom-men, dass das Restgas aus reinem Sauerstoff besteht.

Vom Gesamtvolumenstrom )( feuchtV& muss der Anteil des Wasserdampfes abgezogen werden, um den Strom )(trockenV& des trockenen Gases zu erhalten:

)(1)(2

feuchtVp

trockenVOH && ⋅

Π−= (36)

Der Wasserdampfdruck p (H2O) als Funktion der Temperatur ist der ausliegenden Tabelle zu entnehmen. Der Gesamtdruck ∏ soll zu 1 atm = 760 Torr angenommen werden (Barometerstand vernachlässigt).

Der Volumenstrom des trockenen Chlors ergibt sich aus dem gesamten, trockenen Anodengas durch Subtraktion des trockenen Restgases.

Für die einzelnen Gaskomponenten K lassen sich für die Ermittlung der Stromausbeuten nach dem Faraday´schen Gesetz (siehe Gleichung 9 und 10) berechnen:

Molenstrom [ ]Mol/hM

KK V

VM

&& = (37)

Massenstrom [ ]g/h )(KMGMm KK ⋅= && (38)

Das Molvolumen VM in Liter wird für alle Gase vereinfachend nach dem idealen Gasgesetz errechnet:

[ ] [atm]k Gesamtdruc,KturGastempera=T,MolK

atml0,082=R =Π

⋅⋅

Π⋅= TR

VM (39)

6.6.3 Flüssigkeiten

Die Massenströme Km& der Flüssigkeitskomponenten sind gegeben durch das Produkt aus dem Gesamt-

Massenstrom gesamtm& (Zu- oder Ablauf) und der Konzentration c i der jeweiligen Komponente in Gew-%:

[ ]g/h )100/( igesamtK cmm ⋅= && (40)

[ ]Mol/h )(KMG

mM K

K&& = (41)

Alle Stromausbeuten werden wieder nach den Gleichungen (9) und (10) berechnet. Der Differenzbetrag zwischen der Summe der anodischen Stromausbeuten (Chlorgas, Aktivchlor und Sauerstoff) zu 100 % sollte der Stromausbeute für Chlorat entsprechen (bei größeren Messfehlern kann aber auch ein unsinniger Wert herauskommen). Die Stromausbeuten für Natronlauge und Chlorgas sollten in etwa übereinstimmen.

Universität Dortmund Gemeinsames Praktikum, Praktikumsbereich TCA Zeichen: Jörissen Fachbereich Bio- und TC 27 Seite: 29 Chemieingenieurwesen Chlor-Alkali-Elektrolyse Datum: Oktober 2005

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6.6.4 Wasserbilanz

Abb. 22 Schematische Darstellung der Bilanzhülle für die Wasserbilanz

Der Wassertransport durch die Membran Memm& er-rechnet sich gemäß Abb. 22 nach Gleichung (42), wobei alle Werte zunächst in [g/h] angegeben werden:

ZulKathGasAblMem mmmmm &&&&& −++= (42) wobei Ablm& Wasser im Katholyt-Ablauf Gasm& Wasser im Kathodengas

Kathm& Wasser für die Kathodenreaktion Zulm& Wasser im Katholyt-Zulauf

Zulm& ist reines Wasser und kann unmittelbar einge-setzt werden, während Ablm& vorher nach Gleichung (40) zu ermitteln ist. Gasm& wird vernachlässigt.

Für Kathm& ist von 100 % Stromausbeute für die Reak-tion (2): 2 H2O + 2 e− H2 + 2 OH− auszugehen, denn für alle OH−-Ionen, auch für die-jenigen, die dann durch die Membran abwandern, muss Wasser dem Kathodenraum zugeführt werden.

Als eine Größe, anhand der sich der Wassertransport gut einschätzen lässt, insbesondere in seiner Ab-hängigkeit von der Anolyt-Konzentration, kann man eine Hydratationszahl der Na+-Ionen bei ihrer Wan-derung durch die Membran mol H2O / mol Na+ berechnen. Dazu wird der durch die Membran transportierte Molenstrom des Wassers ( Memm& / 18,02) durch den Molenstrom der Na+-Ionen ( = Molenstrom NaOH im Katholyt-Ablauf) dividiert. 7. Literatur

[1] Folienserie des Fonds der chemischen Industrie Nr. 24, „Die Chemie des Chlors und seiner Verbindungen“ (Frankfurt am Main 1992)

[2] Schmittinger, P.: „Chlorine“, WILEY-VCH, Weinheim, 2000

[3] Winnacker-Küchler: Chemische Technik: Prozesse und Produkte, Band 3: Anorganische Grundstoffe, Zwischenprodukte, Kapitel: „Chlor, Alkalien und anorganische Chlorverbindungen“ und „Natriumchlorid und Alkalicarbonate“, 5. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2005

[4] Ullmann´s Encyclopedia of Industrial Chemistry, Chapters „Chlorine“ and „Electrochemistry“, WILEY-VCH, Weinheim, jeweils neueste Auflage: 2005 7th edition electronic Release zugänglich im Internet über die Homepage der Universitätsbibliothek

[5] Kirk-Othmer „Encyclopedia of Chemical Technology“, Chapter „Chlorine“, A Wiley-Interscience Publication, New York, jeweils neueste Auflage

[6] Hamann, C.; Vielstich, W.: „Elektrochemie“, 3. Auflage, WILEY-VCH, Weinheim, 1998

[7] Grot, W.: „Perfluorierte Ionenaustauscher-Membrane von hoher chemischer und thermischer Stabilität“, Chem.-Ing.-Tech. 44 (1972) Nr. 4, 167-169

[8] Bergner, D.; Hartmann, M.; Staab, R.: „Fortschritte auf dem Gebiet der Alkalichlorid-Elektrolyse“, Chem.-Ing.-Tech. 59 (1987), Nr. 4, 271-280

[9] Staab, R.; Bergner, D.; Scheibitz, W.: „Umrüstung auf Membranzellen in der Alkalichlorid-Elektro- lyse vor dem Hintergrund der FCKW/CKW-Diskussion“, Chem.-Ing.-Tech. 59 (1987) Nr. 4, 271-280

[10] Bergner, D.: „Entwicklungsstand der Alkalichlorid-Elektrolyse“ Teil 1: „Zellen, Membranen, Elektrolyte, Produkte“, Chem.-Ing.-Tech. 66 (1994) Nr. 6, 783-791 Teil 2: „Elektrochem. Größen, wirtschaftl. Fragen“, Chem.-Ing.-Tech. 66 (1994) Nr. 8, 1026-1033

[11] Staab, R.: „Alkalichlorid-Elektrolyse mit Sauerstoff-Verzehrkathode – ein Verfahren zur Energie- Einsparung“, Chem. Ing. Tech. 59 (1987) Nr. 4, 316-319

[12] Jörissen, J.; Simmrock, K. H.: „Einsatz von Gaselektroden in Zellen für die Alkalichlorid- und die Natriumsulfat-Elektrolyse“, DECHEMA-Monographien 124, 21-35, VCH Verlag, Weinheim, 1991

[13] DE 19715429 A, Bayer AG (Erfinder: Gestermann u.a.), 15.10.1998, „Elektrochemische Halbzelle“

[14] Isfort, H.; Stockmans, W.-J.: ”Entwicklungsstand nach 20 Jahren Erfahrung mit technischer HCl- Elektrolyse”, DECHEMA-Monographien 98 (1985) 141-155, Verlag Chemie, Weinheim 1985

[15] Retzlaff, G.; Rust, G.; Waibel, J.: „Statistische Versuchsplanung“, Verlag Chemie, Weinheim - New York, 2. Auflage, (1978)

[16] Weihs, C., Jessenberger, J., Grize, Y.-L.: „Statistische Methoden zur Qualitätssicherung und -optimierung in der Industrie“, Wiley-VCH, Weinheim, 1999