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DAS MAGAZIN FÜR NACHHALTIGE LEBENSKULTUR SEPT/OKT 2013 5/2013, P.b.b., Erscheinungsort St. Pölten, Verlagspostamt 3100, Zulassungsnummer: 05Z036431M, Ö: 3,90, D: 4,90 vertrauen sie bio? So wird kontrolliert kochen wie ein profi Was die neuen Küchengeräte können akupunktur & zirbenholz Das hilft gegen schlaflose Nächte crowdfunding Projekte gemeinsam finanzieren

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Zitronen schmecken gar nicht sauer. Zumindest wenn man herzhaft in eine von Bio-Zitrus-bauer Michael Ceron beißt. Seit 30 Jahren beschäftigt er sich mit südländischen Früchten und hat in seinem Garten über 240 Arten Zitrusgewächse aus aller Welt.

ANITA ARNEITZ

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süße zitrusfrüchtchen

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Blauer Himmel. Keine Wolke trübt den Blick auf die Kärntner Karawanken. Die Sonne knallt direkt auf die rot-wei-ßen Pflastersteine im Glashaus. Ein perfektes Zitronenwetter, findet Mi-chael Ceron und geht von seiner Ter-rasse zu einem Zitronenbaum, pflückt eine gelbe Frucht und quetscht sie mit einer Hand ohne Anstrengung über der roten Pelargonie aus. Ein herrlich erfrischender Zitronenduft steigt in die

Nase und schon wird das zarte Frucht-fleisch probiert: Richtig saftig, nur ein klein wenig sauer, fast süß, so schmeckt das Zitrusfrüchtchen. „Das ist der echte Geschmack von Zitronen“, kommen-tiert Ceron zufrieden das überraschte Gesicht. Sauer schmecken nur unreife Zitronen – und diese werden überwie-gend in den Supermärkten verkauft. Der Geschmack bleibt bei ihnen auf der Strecke. „Erstens brauchen Zitro-nen Zeit, um am Baum nachzureifen. Nur dadurch werden die Bitterstoffe abgebaut und sie wird schmackhaft“, erklärt Ceron. Zweitens stecke bei Zit-rusfrüchten ein Großteil des Aromas und Geschmacks in der Schale. „Wenn diese nicht zum Verzehr geeignet ist, was bei vielen im Handel erhältlichen Zitronen der Fall ist, dann sagt das doch schon alles aus“, findet Ceron. Die chemischen Zusätze seien ungesund und ein gewaltiger Geschmackshem-mer. Dabei würde es Produzenten nicht viel kosten, auf biologischen Anbau umzusteigen, das weiß der Zitrusbauer aus eigener Erfahrung.

Weg von Blumen hin zu ZitronenLange war seine Gärtnerei, die bereits seine Eltern gründeten, wie jede an-dere. Blumen findet Ceron zwar schön,

aber langweilig beim Kultivieren. Er beschäftigt sich viel lieber mit seinen Zitrusbäumen. Die Liebe zu den medi-terranen Pflanzen entfachte beim Gärt-ner vor 30 Jahren ein Familienausflug nach Italien. Vor dem EU-Beitritt war es jedoch gar nicht so leicht, die exoti-schen Pflanzen in Österreich einzufüh-ren. Das hielt ihn aber nicht davon ab, eine eigene Sammlung mit Zitrusbäu-men zu beginnen. Er suchte in Spanien und Italien nach seltenen Sorten – und wurde fündig. Die Familie Medici züchtete antike Sorten. Noch heute sind in den Palais rund um Florenz sel-tene Stücke zu bewundern. Dort lernte Ceron seinen Zitronenmentor Alberto Tintori kennen. Der Italiener hat als „Papst der Zitronen“ die Zitronenzucht in Europa salonfähig gemacht und ver-riet Ceron so manches Geheimnis, wie jenes der Veredelung. Heute sind die beiden eng befreundet und sobald Tin-tori neue Zitrusbäume hat, hat sie auch Ceron. „In dieser Hinsicht habe ich ei-nen Vogel“, gesteht Ceron mit einem

Augenzwinkern. Jede neue Zitrussorte wird von ihm umgarnt wie eine Ge-liebte. Jeden Tag wandelt er durch den 5.000 Quadratmeter großen Garten und sieht nach dem Rechten. Streicht mit der Hand über die Blätter und be-obachtet die Früchte beim Wachsen.

Jede Frucht ein NaturschauspielSpeisezitronen tragen Blätter, Blüten und Früchte in verschiedenen Rei-festadien gleichzeitig und das ganze Jahr über. Je älter ein Baum wird, desto mehr Früchte hat er. „Jeder Baum, jede Frucht ist ein Unikat und ein Natur-schauspiel sondergleichen“, erzählt Ce-ron begeistert bei „Buddhas Hand“. Diese gilt als die allererste Zitrone in der Evolution und ist vor rund 4.000 Jahren in einem indischen Ausläufer des Himalajas entstanden. Ihr Anblick ist so faszinierend, dass so manch einer gleich hingreifen möchte. Aber das ist tabu: Auf unseren Händen befinden sich zu viele Bakterien, durch das An-greifen oder Drücken werden die Zel-

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Saftig, fast süß undnur wenig sauer – dassind echte Zitronen.

248 Sorten und rund 2.000 Zitrusbäume kultiviert Michael Ceron in Faak am See.

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len zerstört und die Fäulnis setzt ein. Deshalb gilt auch für zu Hause: Ge-kaufte Zitronen nicht drücken, son-dern sofort waschen, mit Küchenrolle abtupfen und bei ungefähr zwölf Grad dunkel einlagern. So halten sie bis zu ei-ner Woche länger.

Lange gab es nur wenig Literatur und Erfahrungswerte über Zitrusfrüchte im alpenländischen Raum. Deshalb hat sich Ceron sein Wissen selbst erarbei-tet. Am Anfang hat es mit den Zitro-nenbäumen nicht so recht funktio-niert. Viele der teuren Gewächse überlebten nicht. Falscher Dünger, fal-scher Topf, falsche Erde. Jetzt weiß er, wie die Pflanzen durch den kalten ös-terreichischen Winter kommen. „Trotz-dem lerne ich noch. Vor kurzem merkte ich, dass ich vor sieben Jahren beim Umtopfen einen Fehler begangen habe.“ Das mache die Sache spannend. Mittlerweile besitzt er 248 Sorten und rund 2.000 Zitrusbäume.

Ökologische BeweggründeAls „Zitronendoktor“ hilft Ceron er-

krankten Zitronenbäumchen, hält Vor-träge an Schulen und Universitäten und hat sogar eine eigene Produktlinie mit Bio-Zitrusdünger und Bio-Zitru-serde entwickelt. Ein Weg, der viel Geld und Zeit kostete. Erst in diesem Jahr traute er sich, komplett auf Zitro-nen und Biokräuter umzusteigen. Die Finanzierung sei schwer. Eine Pflanze kann bis zu 15.000 Euro kosten, dem-entsprechend hoch ist der Warenein-satz. „Obwohl die Zitrusbäume wahn-sinnig viel wert sind, sind sie für die Bank wertlos. Es ist leichter für ein Haus einen Kredit oder eine Förderung zu bekommen als für ein nachhaltiges Produkt, das nicht ins gewohnte Schema passt“, sagt Ceron über die Hürden eines Einzelkämpfers.

2008 hat er begonnen, auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Heute führt er die erste österreichische Bio-Zitrusgärtnerei mit sechs Mitarbeitern und ist wirtschaftlich gut unterwegs. Vor allem sei es ökologisch besser: Blu-men brauchen im Winter im Glashaus eine Temperatur von 15 Grad, Zitronen

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Es gibt 600 verschiedene Speisezitronen, alle mit einem eigenen Sortennamen, wie bei den Äpfeln die Golden Delicius. Rund 200 davon haben eine orange Farbe und weniger Säurege-halt, rund 100 haben eine außergewöhnliche Form.

Die Zedratzitronen sind die Urzitronen mit einer dicken Schale, dazu zählt die gefingerte Budda-hand oder die Maxima, mit 25 Zentimeter Län-ge die größte Frucht der Zitrusarten.

Orangen und Mandarinen sind die Klassiker. Bitterorangen sind nicht zum rohen Fruchtver-zehr geeignet. Aus ihnen wird die englische Marmelade gemacht.

Limetten bekommen, wenn sie in Europa wachsen, eine Gelbfärbung und können für Cocktails und als süße Speisefrucht verwendet werden.

Grapefruits gibt es in gelber und orange-roter Farbe.

Bergamotten werden gepresst und sind unter anderem Hauptbestandteil von Parfüms, wie 4711, und Earl Grey Tea.

Kumquat wird als Speisefrucht immer beliebter.

Pomelos gibt es in Gelb und Rose. Wichtig: Die Fruchthaut der Spalten abschälen!

Papeda ist in Europa eher unbekannt, in Asien aber die wichtigste Zitrusfrucht. Die Blätter werden in der thailändischen Suppe als Ge-würz verwendet.

DIE BUNTE PALETTE DER ZITRUSFRÜCHTE

Täglich wandelt Ceron durch den 5.000 Quadratmeter großen Garten und sieht nach dem Rechten.

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nur 3,5 Grad. Das spart Energiekosten. „Außerdem ärgerte es mich, dass so viel weggeworfen wurde. Zitronen-bäume werden bis zu 300 Jahre alt, sie pflanzt man für Generationen und es

kann alles verwertet werden – Früchte und Blätter.“ Die Blätter sind in der Thaiküche sehr beliebt und Haubenkö-che haben die dicke Schale der Früchte für sich entdeckt. Zum Würzen und Kandieren.

Liebkind der HaubenköcheBesonders begehrt sind die sogenann-ten Zedratzitronen. In Europa ist Ceron der Einzige, der 40 Sorten von der Ze-dratzitrone in Bioqualität verkauft. Für eine Frucht gibt es rund 50 Anfragen und sie kostet um die 40 Euro. „Es sind nur vier bis fünf Früchte am Baum“, be-dauert Ceron. Deshalb will er umstruk-turieren und seine Zitrusbäume nicht mehr im Topf halten, sondern im Glas-haus auspflanzen. Die Bäume würden so zehnfachen Ertrag bringen. Doch da-bei gibt es ein Problem: die österreichi-sche Bio-Verordnung. „Genau wie mein gesamter Betrieb ist jede Pflanze bei mir bio-zertifiziert. Pflanze ich aber den

bio-zertifizierten Zitrusbaum vom Topf in mein Bio-Glashaus, muss ich drei Jahre warten, bis die Früchte auch bio sind“, ärgert er sich. Der Grund ist die Umstellungszeit für den Boden. „Das Gesetz ist gerechtfertigt, wenn jemand neu auf bio umstellt, aber ich verwende ja seit Jahren nur biologische Erde, Dünger und Pflanzenschutz“, sagt der Zitrusgärtner. Drei Jahre zu warten sei für ihn wirtschaftlich untragbar. Sollte es keine Einigung geben, wird er ohne Zertifizierung weitermachen. Die Ideen gehen Ceron nie aus: Wenn „ihm das Leben Zitronen schenkt“, macht er eben Eistee daraus. Mit einem Prozent Bio-Rübenzucker, grünem Tee und Zit-ronenverbene. E

01Zitrusbäume in einen Tontopf mit Zitruserde pflanzen, um eine

Überwässerung auszugleichen.

02Keine Untertasse verwenden. Tontopf auf Tonecken stellen,

damit die Wurzeln genügend Luft bekommen.

03Wenn‘s kühler wird, Zitruspflanze zur Hauswand stellen. Bis

zum ersten Frost kann sie draußen stehen, dann am besten im Schlafzimmer platzieren und regelmäßig viel lüften!

04Gedüngt und umge-pflanzt wird nur in der Wachstumszeit zwischen

April und September. Pflanze an den luftigsten Ort stellen.

TIPPS & TRICKS FÜR DIE ZITRUSAUFZUCHT ZUHAUSE

Infos: Der Zitrusgarten von Michael Ceron in Faak am See kann von April bis Dezember, Montag bis Samstag, von 10 bis 16 Uhr, besichtigt werden. Es gibt laufend Ausstellungen, Vorträ-ge, Verkostungen, Workshops und Seminare, im September auch einen Biomarkt mit Produ-zenten aus Österreich, Friaul und Slowenien. www.zitrusgarten.com

„Buddhas Hand“ gilt als die allererste Zitrone in der Evolution und ist vor

rund 4.000 Jahren in einem indischen Ausläufer des Himalajas entstanden.

LEBENSART TIPPGekaufte Zitronen nicht drücken, sondern sofort waschen, mit Kü-chenrolle abtupfen und bei unge-fähr zwölf Grad dunkel einlagern.