Vertreibung Deutscher Aus Dem Osten
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Vertreibung aus dem Osten
…Das Jahr der größten Vertreibungsaktionen war 1946, die das gesamte ostdeutsche Gebiet
unter polnischer Herrschaft erfaßten. In diesem Jahr wurden in den Grenzen von 1937 zwei
Millionen Deutsche von Polen im wahrsten Sinn des Wortes über die Oder-Neiße-Linie
„getrieben”…
1946: Höhepunkt der Vertreibung
Das Jahr der größten Vertreibungsaktionen war 1946, die das gesamte ostdeutsche Gebiet unter
polnischer Herrschaft erfaßten. In diesem Jahr wurden in den Grenzen von 1937 zwei Millionen
Deutsche von Polen im wahrsten Sinn des Wortes über die Oder-Neiße-Linie „getrieben”. An der
Brutalität und den die Austreibung begleitenden Verbrechen änderte sich auch 1946 lange Zeit
nichts. Zwei vom alliierten Kontrollrat vorgelegten Pläne bezüglich der „Überführung der
deutschen Bevölkerung” beinhalteten nochmals die Worte „Human” und „Ordnung”, bewirkten
aber absolut keine Änderung am Verhalten der Polen und deren Maßnahmen.
Doch schon in den eigenen Bestimmungen erwiesen sich diese Pläne als hart und verbrecherisch:
So wurde den Vertriebenen untersagt, mehr als fünfhundert Reichsmark und mehr Gepäck
mitzunehmen, als sie „in den Händen tragen können”. Von „ordentlicher und humaner”
Durchführung konnte daher auch in der folgenden Zeit nicht die Rede sein. So gab es nahezu
keine Verpflegung und ärztliche Versorgung der Transporte.
An der Brutalität der Miliz und dem Zwang, oft binnen Minuten Haus, Hof oder Wohnung zu
verlassen, änderte sich ebenfalls nichts. Immer noch wurden die Vertriebenen in kilometerlangen
Märschen in Konzentrationslager gebracht, von denen aus erst nach Wochen die Transporte
weitergingen. Festzuhalten ist auch die Tatsache, daß diese Menschen nach der Ankunft in
Westdeutschland oder der sowjetischen Besatzungszone in Mitteldeutschland bei der damaligen
Situation keinesfalls mit offenen Armen empfangen wurden. Meistens mußten sie monatelang ihr
Dasein in einem Lager fristen, bis sie nach und nach in Behelfswohnungen unterkommen
konnten. Die Kriegsschäden, vor allem die Luftangriffe auf die deutschen Städte, hatten eine
Wohnungsnot von unvorstellbarem Ausmaß verursacht. Ein Hintergedanke von Stalin war ja
auch, daß die verordnete Menschenflut aus dem Osten vom Westen nicht verkraftet werden
konnte und die erwarteten Unruhen unter der Bevölkerung dem Kommunismus nützen würden.
Dabei hatte er sich aber in einem Punkt verrechnet: Trotz des langen und schrecklichen Krieges,
oder vielleicht gerade deswegen, hatte die Disziplin der Deutschen nicht gelitten. Natürlich
wirkte sich auch die im argen liegende „polnische Organisation” für die Vertreibungsopfer
keinesfalls segensreich aus. So wurden beispielsweise Deutsche aus Pommern manchmal erst
nach Polen geschafft, von dort aus nach Schlesien, wo sie schließlich ausgewiesen wurden. Bei
solchen, nicht enden wollenden Transporten stieg die Zahl der an Kälte, Hunger und den
ständigen Mißhandlungen Sterbenden noch weiter. Auch ist zu bedenken, daß die 1946
Vertriebenen durchwegs durch eine halb- bis anderthalbjährige Zeit von Hunger, Zwangsarbeit,
Seuchen, Mißhandlungen und Entbehrungen entkräftet waren.
Internationale Hilfsorganisationen, wie Rotes Kreuz oder ähnliches, waren überhaupt nicht zur
Stelle, um die Leiden der armen Menschen zu lindern. Wer den Strapazen und Entbehrungen
nicht gewachsen war, verendete schlimmer als ein Stück Vieh.
Als 1946 der Winter begann und unter den Vertriebenen große Verluste verursachte, setzte Polen
die Ausweisung dennoch unverändert fort. Erst als die britischen Behörden die weitere
Übernahme von Ausweisungstransporten verweigerten, ging die Zahl der Ausweisungen zurück.
Eine Anzahl von Transporten kehrte sogar zurück, um zu einem späteren Zeitpunkt das gleiche
nochmals zu erleben. Ende 1946 war der Hauptteil der Deutschen, die beim Einzug der Roten
Armee in ihrer ostdeutschen Heimat geblieben oder nach der Flucht wieder zurückgekehrt
waren, zusammen etwa 5,7 Millionen, bereits vertrieben oder nicht mehr am Leben. Einer
weiteren umfassenden Etappe der Vertreibung fiel 1947 rund eine halbe Million Deutsche zum
Opfer. Orte, an denen die Vertreibung bisher teilweise oder ganz vorbeigegangen war, wurden
nun gewaltsam deutschenfrei gemacht. Damit war die Massenvertreibung der Deutschen wie
geplant aus den deutschen Ostgebieten unter polnischer Verwaltung im wesentlichen
abgeschlossen, während beispielsweise im nördlichen Ostpreußen unter sowjetischer Verwaltung
die Ausweisung gerade begann und im Memelland keine systematische Ausweisung stattfand. In
den folgenden Jahren kam es in den polnisch verwalteten Gebieten zwar noch zu einer Anzahl
von Einzelausweisungen, vor allem aber versuchten unzählige zurückgehaltene Deutsche
auszureisen oder zu flüchten. In der Provinz Oberschlesien hielt sich bis heute vor allem auf dem
Lande etwa eine knappe Million deutscher Menschen. Zunächst in Lager gesperrt, überließ man
ihnen wieder ihren bescheidenen Besitz und erzwang damit die Option für Polen. Außerdem
waren es Katholiken, und Polen setzte alles daran, um diese Menschen zu polonisieren, was
ihnen auch nach fünfundvierzig Jahren nicht gelungen ist. „Wir haben dem Vaterland die Treue
gehalten, aber das Vaterland hat uns verraten”, hört man immer wieder bei Besuchen in
Oberschlesien.
Die Vertreibung der Deutschen aus ihren übrigen europäischen Siedlungsgebieten wie dem
Sudetenland, Jugoslawien und Ungarn wurde genauso unmenschlich durchgeführt wie jenseits
von Oder und Neiße, zum Teil sogar noch grausamer. Mit Sicherheit sind in den KZ-Lagern im
tschechischen und jugoslawischen Machtbereich die meisten Todesfälle vorgekommen.
Präsident Benesch hatte sich schon vor dem Krieg vorgenommen, die Sudetendeutschen nach
dem zu erwartenden Krieg aus ihrer Heimat zu vertreiben. Die Genehmigung hierzu hatte er, wie
schon erwähnt, schon während des Krieges in seinem Exil in den USA von den Alliierten
erhalten.
Mit zum Teil noch härterer Brutalität als die Polen betrieben die Tschechen, beginnend gleich
nach Kriegsende, die Austreibung der Sudetendeutschen. Drei Millionen mußten ihre Heimat
verlassen, und fast dreihunderttausend verloren ihr Leben. An Todesarten für Deutsche werden
überliefert: Erschlagen, erdrosseln, ertränken, erstechen, entmannen, tottrampeln durch
Menschen, tottrampeln durch Pferde, verbrennen bei lebendigem Leib, verstümmeln auf
verschiedenste Weise, ferner vollpumpen mit Jauche und zu Tode rollen in Fässern. Einzelheiten
wie die Ausschreitungen in Aussig, wo zwischen zweitausend und zweitausendsiebenhundert,
auch Frauen und Kinder, von der Elbe-Brücke in den Fluß gestürzt wurden sowie die Ermordung
von schwangeren Frauen, sollen hier nicht wiedergegeben werden. (E. J. Reichenberger, a. a. O.,
Seite 217 – Thorwald, a. a. O., Seite 485 ff.; V. Mastny, Seite 334.)
Besonders tragisch war das Schicksal der deutschen Sprachinseln in Jugoslawien. Im
Statistischen Bundesamt (a. a. O. Seite 47) wurde auf Grund eingehender Untersuchungen
festgestellt, daß etwa ein Drittel der Jugoslawiendeutschen durch Krieg und Vertreibung
umgekommen ist. Bedenkt man, daß nach dem Abzug der deutschen Truppen weit weniger als
die Hälfte im Land blieb, so ergibt sich weiter, daß von den Zurückgebliebenen rund zwei Drittel
getötet wurden. Größte Grausamkeit kennzeichnete diesen Genozid. (Statistisches Bundesamt,
Seite 47.)
Die jugoslawischen Plagen waren dreifach: 1) Deportation in die Sowjetunion, 2) Verhaftung
und Massenerschießung, 3) Konzentrationslager. Die Besonderheit der Deportation war in
Jugoslawien, daß sie zu über achtzig Prozent Frauen betraf, die man obendrein regelmäßig von
ihren Kindern trennte; diese wurden dann in jugoslawische Lager verbracht. (Bundesarchiv a. a.
O., Seite 68; vergl. W. Ahrens.) Man unterschied offiziell dreierlei Lager: Zentralarbeitslager,
Ortslager und Konzentrationslager für Arbeitsunfähige. (Dokumentation der Vertreibung a. a. O.,
Bd. V, Seite 108 Ef.) Die letzteren wurden inoffiziell auch Endlager oder Vernichtungslager
genannt, weil dort die Sterberate ganz besonders hoch war. Dazu vermerkt das Bundesarchiv: (a.
a. O., Seite 72) „Das größte Lager dieser Art, Knicanin (Rudolfsgnad), passierten etwa
dreiunddreißigtausend Menschen, von denen nach geretteten Aufzeichnungen eines Lagerarztes
neuntausendfünfhundertunddrei verstorben sind, davon achttausendzwölf Erwachsene und
vierhundert-einundneunzig Kinder unter vierzehn Jahren.
Als weitere Beispiele seien genannt: Gakovo mit achtzehntausend Insassen, davon
achttausendachthundert Todesfällen, Backi Jarek mit achtzehntausend Insassen und
sechstausendvierhundert Todesfällen, Krusevlje mit zehntausend Insassen, davon rund
dreitausend Todesfälle.” Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes hat eintausend-
fünfhundertzweiundsechzig Lager und Gefängnisse ermittelt, in denen Deutsche festgehalten
wurden. (Bundesarchiv a. a. O., Seite 71.)
“Die Sieger im Schatten Ihrer Schuld” – Joachim Nolywaika
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