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1 Vorlesung Wintersemester 2011/’12 Tiefenwahrnehmung, Stereosehen Hendrik Koesling Visuelle Aufmerksamkeit und Blickbewegungen Wie ist Tiefensehen möglich? Wie funktioniert Tiefensehen? Phänomen Tiefenwahrnehmung

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Vorlesung

Wintersemester 2011/’12

Tiefenwahrnehmung, Stereosehen

Hendrik Koesling

Visuelle Aufmerksamkeit und Blickbewegungen

Wie ist Tiefensehen möglich? 

Wie funktioniert Tiefensehen?

Phänomen Tiefenwahrnehmung

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• Die Beantwortung dieser Fragen wird umso spannender, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Umwelt auf unserer Retina zweidimensional abgebildet wird. 

• Das Abbild auf der Retina eines Menschen ist zwar zweidimensional, das gleiche Abbild aber enthält Hinweisreize, die dem Menschen Tiefensehen aufzwingen.

• Beispiel: Ein Objekt, das ein anderes Objekt teilweise verdeckt. 

Phänomen Tiefenwahrnehmung

• Dieses Bild ist auf unserer Retina zweidimensional abgebildet, aber wir schließen aus der Tatsache, daß ein Objekt ein anderes teilweise verdeckt, daß das verdeckte Objekt weiter hinten liegen muß.

Phänomen Tiefenwahrnehmung

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• Es gibt verschiedene Hinweisreize, die uns das Tiefensehen ermöglichen.

Klassifikation: Hinweisreize des Tiefensehens

Okulomotorische Visuelle

Konvergenz

Akkomodation

(binokular)

Monokulare

Binokulare

Bildhafte Bewegungsinduzierte

Verdeckung

Größe

Höhe

Lineare Perspektive

Bewegungsparallaxe

Verdeckung und Aufdeckung

Binokulare Disparität

Systematisierung

Um über die Tiefe eines Objekts zu „entscheiden“ wird unser Gehirn nie nur ein Hinweisreiz heranziehen, es wird viele oder alle benutzen, um eine optimale Tiefeninformation zu bekommen.

Achtung!

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• Okulomotorische Hinweisreize beruhen auf unserer Fähigkeit, einerseits die Position unserer Augen und andererseits die Spannung unserer Augenmuskeln wahrnehmen zu können. 

Okulomotorische Hinweise

Konvergenz

• Nähern wir unseren Finger unserer Nase, so konvergieren unsere Augen und wir spüren deshalb eine gewisse Spannung unserer Augenmuskulatur. Entfernen wir den Finger weiter von uns weg, so divergieren unsere Augen und die Spannung der Augenmuskulatur löst sich. Unser Gehirn ist in der Lage, diese Spannung als Nähe und eine Entspannung als Tiefe zu interpretieren. 

Quelle: www.gesundheit.de Quelle: www.oberscharrer.de

Okulomotorische Hinweise

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Akkomodation

• Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen der Entfernung eines Gegenstandes vom Auge und der Wölbung der Augenlinsen; auch hieraus kann unser Gehirn seine nötigen Informationen entnehmen. 

Quelle: www.rz.uni-karlsruhe.de

Quelle: www.augen.de

Okulomotorische Hinweise

• Es gibt verschiedene Hinweisreize, die uns das Tiefensehen ermöglichen.

Klassifikation: Hinweisreize des Tiefensehens

Okulomotorische Visuelle

Konvergenz

Akkomodation

(binokular)

Monokulare

Binokulare

Bildhafte Bewegungsinduzierte

Verdeckung

Größe

Höhe

Lineare Perspektive

Bewegungsparallaxe

Verdeckung und Aufdeckung

Binokulare Disparität

Systematisierung

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• Während die okulomotorischen Tiefenhinweise physiologischer Natur sind und auf einen Zusammenhang zwischen Entfernung eines gesehenen Gegenstandes und Veränderungen „rund ums Auge” beruhen, gründen visuelle Hinweise auf das von uns Gesehene. 

Visuelle Hinweise

Monokulare Hinweisreize

• Es handelt sich hierbei um visuelle Hinweisreize. 

• Im Gegensatz zu den binokularen Tiefenhinweisen, welche man nur durch das Sehen von beiden Augen erhalten kann, kann man monokulare Tiefen‐hinweise aus den Bildern, die auf der Retina eines einzelnen Auges abgebildet werden, entnehmen.

Visuelle Hinweise

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Bildhafte Hinweisreize

• Bildhafte Hinweisreize gehören zu den visuellen Tiefenhinweisen und können aus einem ruhenden Bild entnommen werden. 

• Die folgenden Dimensionen oder Abbildungsfaktoren ermöglichen es uns, zweidimensionale Darstellungen räumlich zu sehen

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Verdeckung

Aus der teilweisen Verdeckung eines Objekts durch ein anderes, erhalten wir den Hinweisreiz, daß das verdeckte Objekt hinter dem verdeckenden Objekt liegen muß; allerdings können wir aus diesem Hinweisreiz keine Informationen bezüglich der Entfernung, die zwischen beiden Objekten liegt, erhalten. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Verdeckung

Daß wir bei sich überschneidenden Figuren automatisch auf Tiefe schließen, funktioniert nicht nur bei uns bekannten (einfachen) Figuren, sondern auch bei unbekannten Mustern. Dies legt die Vermutung nahe, daß es sich hierbei um eine angeborene Fähigkeit handelt.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Schatten

Einen großen Einfluß auf die Tiefenwahrnehmung haben Schatten, also die Verteilung von Licht. Mit Hilfe der Schatten erkennen wir Erhebungen und Vertiefungen, denn bei Lichteinfall von oben erzeugen Erhebungen Schatten nach unten, Vertiefungen Schatten nach oben. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Schatten

Wir erkennen die Erhebungen bzw. Vertiefungen allerdings nur korrekt als solche, wenn bekannt ist, aus welcher Richtung das Licht einfällt. 

Betrachtet man die Abbildung unten, so scheint die Keilschrift in den Stein hineingeschlagen. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Schatten

Drehen wir die Abbildung jedoch um 180 Grad, so erscheint uns die Keilschrift aus dem Stein hervorzuragen. Das heißt, es entsteht zwar eine räumliche Wahrnehmung, diese kann aber verändert werden, wenn man das Bild umkehrt.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Schatten

Drehen wir die Abbildung jedoch um 180 Grad, so erscheint uns die Keilschrift aus dem Stein hervorzuragen. Das heißt, es entsteht zwar eine räumliche Wahrnehmung, diese kann aber verändert werden, wenn man das Bild umkehrt.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größe

Die wahrgenommene Größe eines Objekts stellt einen Hinweisreiz dar, denn je größer ein Objekt erscheint, desto eher nimmt man an, daß es näher zum Betrachter liegt, als ein kleiner erscheinendes Objekt gleicher Art. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Höhe im Bild

Auch die bloße Anordnung von Gegenständen in einer Ebene kann bereits zu einem Eindruck räumlicher Tiefe führen, denn wir sind es gewohnt, nahe Objekte weiter unten im Bild, entfernte dagegen weiter oben zu sehen. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Höhe im Bild

Je höher ein Objekt auf unserem Blickfeld erscheint, desto weiter liegt es von uns entfernt und umgekehrt. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Höhe im Bild

Von diesem Phänomen machten auch die Maler der vorperspektivischen Zeit Gebrauch, wenn sie in ihren Bildern Tiefe erzeugen wollten.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Perspektive

Eine häufig gebrauchte Form der perspektivischen Darstellung ist die sogenannte Linear‐ oder Zentral‐perspektive. Parallele Linien eines Gegenstandes werden nicht parallel abgebildet und scheinen so in der Ferne zusammenzulaufen.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Perspektive

Bei der perspektivischen Verkürzung scheinen sich die Abstände mit zunehmender Tiefe zu verringern. Interessant ist, daß die perspektivische Verkürzung in erster Linie bei von Menschen geschaffenen künstlichen Strukturen zu beobachten ist, in der Natur dagegen kaum auftritt. Es wird vermutet, daß das Wahrnehmen der perspektivischen Verkürzung nicht angeboren sondern erlernt ist.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Perspektive

Beispiel: Ein Autofahrer nimmt Tiefe unter anderem deshalb wahr, weil die objektiv parallelen Seitenbegrenzungen der Strasse auf der Netzhaut nicht parallel abgebildet werden und dadurch am Horizont zusammenzulaufen scheinen. Die Fahrbahn erscheint dem Betrachter mit zunehmender Entfernung so schmaler. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Perspektive

Die Perspektive besitzt für das dreidimensionale Sehen große Bedeutung, ist aber keine notwendige Voraussetzung. So erkennen wir Objekte auch dann noch räumlich wenn die Seitenkanten parallel sind und nicht perspektivisch verkürzt aufeinander zulaufen (Parallelperspektive). 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Atmosphärische Perspektive

Diese Form der Perspektive wird durch Staubpartikel in der Luft hervorgerufen. Aufgrund dieser Partikel erscheinen weit entfernte Objekte für den Beobachter unscharf und verschwommen. So erscheinen weiter entfernt liegende Objekte unschärfer als näher liegende. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Atmosphärische Perspektive

Der Effekt ist umso stärker, je verschmutzter die Luft ist und entfällt in Gebieten, in denen die Luft ungewöhnlich rein ist (zum Beispiel in Wüsten oder auf dem Mond). Hier wirken weit entfernte Gegenstände für den Betrachter näher, so daß in solchen Gegenden Entfernungen häufig unterschätzt werden.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Konstanz

Konstanz bezeichnet unsere Fähigkeit, Eigenschaften von Objekten als gleichbleibend wahrzunehmen, auch wenn sich das Bild auf der Netzhaut ändert. Da diese Änderung des Netzhautbildes auf verschiedene Kriterien bezogen werden kann, unterscheidet man zwischen fünf verschiedenen Konstanzmechanismen (Formkonstanz, Lagekonstanz, Orientierungskonstanz, Helligkeitskonstanz und Größenkonstanz). 

Wir werden im folgenden jedoch nur auf die Größenkonstanz eingehen.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz

Größenkonstanz bedeutet, daß wir die Größe von Objekten, unabhängig von deren Entfernung, als konstant wahrnehmen. 

Zur Erklärung dieses Phänomens herrschen zwei Theorien vor:

• Reizrelationstheorie 

• Verrechnungstheorie.

Die Reizrelationstheorie besagt, daß wir einen Zusammenhang zwischen einzelnen Bildern herstellen, indem wir die Sehwinkel verschiedener Objekte miteinander ins Verhältnis setzen. Mit dieser Theorie läßt sich die Größenkonstanz jedoch nur unzureichend erklären. Daher wurde sie zugunsten der Verrechnungstheorie wieder verworfen. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Die Größe eines Netzhautbildes eines fixierten Gegenstandes ändert sich in Abhängigkeit von dessen Entfernung zum Betrachter. Die Größe von Sehwinkel und Netzhautbild stehen direkt miteinander in Beziehung. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Ist die Entfernung zwischen Objekt und Betrachter nur gering, entsteht ein großer Sehwinkel und, in Abhängigkeit davon, auch ein großes Netzhautbild. Mit zunehmender Entfernung wird der Sehwinkel jedoch immer kleiner, auch die Größe der Abbildung auf der Netzhaut des Betrachters nimmt folglich ab.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Jedoch hat man in einer solchen Situation nicht den Eindruck, daß das Objekt kleiner wird, sondern nimmt die  Objektgröße immer als konstant wahr. 

Dieser Effekt wird dadurch hervorgerufen, daß das Wahrnehmungssystem zur Größeneinschätzung die Entfernung des betrachteten Gegenstandes mit einbezieht. 

Nach der Verrechnungstheorie werden Sehwinkel und Entfernung vom Wahrnehmungssystem miteinander in Beziehung, der Sehwinkel allein sagt daher noch nichts über die wahrgenommene Größe aus. 

wahrgenommene Größe = wahrgenommene Entfernung * Sehwinkel

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Die Größe, die man bei einem gegebenen Netzhautbild wahrnimmt, ist direkt proportional zur wahrgenommenen Entfernung (Emmertsches Gesetz).

Eine Verkleinerung des Sehwinkels, die aus wachsender Entfernung resultiert, läßt sich also kompensieren, wenn die Entfernung korrekt wahrgenommen wird.

Optische Täuschungen treten z.B. immer dann auf, wenn die Relation zwischen Entfernung und Größe nicht mehr stimmt. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Beispiel: Durch die Perspektive entsteht hier ein Tiefeneindruck. Die Person weiter hinten im Bild erscheint dadurch weiter entfernt und wird dementsprechend kleiner. Da ihr kleinerwerdendes Netzhautbild jedoch mit der größeren Entfernung verrechnet wird, nimmt sie der Betrachter als normal groß wahr.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Die nach vorne versetzte Person erscheint direkt neben der anderen Person dagegen viel zu klein. Obwohl es sich um eine Kopie der Person im Hintergrund handelt, erscheint sie im Vordergrund viel kleiner. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Der Sehwinkel, unter dem beide Personen gesehen werden, ist zwar der gleiche, nach der Verrechnungstheorie wird dieser aber noch mit der Entfernung verrechnet. Da die Person im Vordergrund näher beim Betrachter ist als die im Hintergrund, muß sie zu klein erscheinen, weil hier das kleine Netzhautbild nicht von einer größeren Entfernung kompensiert wird.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Beispiel 2: Größenverzerrung

In der Abbildung unten hat man den Eindruck, daß die drei Figuren unterschiedlich groß sind. Mit zunehmender Entfernung scheint deren Größe zuzunehmen, obwohl in Wirklichkeit alle drei gleich groß sind.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Beispiel 2: Größenverzerrung

In der Abbildung unten hat man den Eindruck, daß die drei Figuren unterschiedlich groß sind. Mit zunehmender Entfernung scheint deren Größe zuzunehmen, obwohl in Wirklichkeit alle drei gleich groß sind.

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Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Beispiel 2: Größenverzerrung

In der Abbildung unten hat man den Eindruck, daß die drei Figuren unterschiedlich groß sind. Mit zunehmender Entfernung scheint deren Größe zuzunehmen, obwohl in Wirklichkeit alle drei gleich groß sind.

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Diese Täuschung wird dadurch hervorgerufen, daß der Betrachter aufgrund der Linear‐perspektive und der perspektivischen Verkürzung einen Tiefeneindruck gewinnt. Er sieht zwar alle Figuren unter dem gleichen Sehwinkel, dieser wird aber zur Größenwahr‐nehmung nach der Verrechnungstheorie zusätzlich mit der Entfernung verrechnet. Dadurch erscheint die am weitesten entfernte Figur am größten.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Noch ein Beispiel zur Größenverzerrung: Auch hier wird der jeweils gleiche Sehwinkel der beiden Rechtecke mit der Entfernung verrechnet und beim Betrachter entsteht ein unterschiedlicher Größeneindruck.

Der Effekt läßt sich noch verstärken, wenn man die Abbildungen mit nur einem Auge betrachtet.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Noch ein Beispiel zur Größenverzerrung: Auch hier wird der jeweils gleiche Sehwinkel der beiden Rechtecke mit der Entfernung verrechnet und beim Betrachter entsteht ein unterschiedlicher Größeneindruck.

Der Effekt läßt sich noch verstärken, wenn man die Abbildungen mit nur einem Auge betrachtet.

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Visuelle Hinweise ‐monokular

Bildhafte Hinweisreize

• Größenkonstanz ‐ Verrechnungstheorie

Noch ein Beispiel zur Größenverzerrung: Auch hier wird der jeweils gleiche Sehwinkel der beiden Rechtecke mit der Entfernung verrechnet und beim Betrachter entsteht ein unterschiedlicher Größeneindruck.

Der Effekt läßt sich noch verstärken, wenn man die Abbildungen mit nur einem Auge betrachtet.

• Es gibt verschiedene Hinweisreize, die uns das Tiefensehen ermöglichen.

Klassifikation: Hinweisreize des Tiefensehens

Okulomotorische Visuelle

Konvergenz

Akkomodation

(binokular)

Monokulare

Binokulare

Bildhafte Bewegungsinduzierte

Verdeckung

Größe

Höhe

Lineare Perspektive

Bewegungsparallaxe

Verdeckung und Aufdeckung

Binokulare Disparität

Systematisierung

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Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Diese Hinweisreize gründen auf Bewegungen des Betrachters oder der Umwelt. 

• Bewegungsparallaxe

Wenn wir aus einem Zugfenster eines fahrenden Zuges hinaus schauen können wir beobachten, daß sich weiter entfernte Objekte langsamer bewegen als näher liegende. Diesen Hinweisreiz nennt man Bewegungsparallaxe. 

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Bewegungsparallaxe

Bei einem bewegten nahen Objekt (B) ist eine stärkere Änderung der Blickrichtung nötig, um das Objekt im Blick zu halten, als bei einem fernen (A).

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Bewegungsparallaxe

Zwei Objekte mit unterschiedlichen Entfernungen scheinen sich relativ zueinander zu verschieben. Man kann aus dem Verhältnis der Parallaxen Entfernungsunterschiede bestimmen.

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Bewegungsparallaxe

(Gegen‐) Beispiel A: Versuchspersonen betrachten Kreise auf verschiedenen Ebenen. Die Kreise sind so beschaffen, daß sie alle gleich groß erscheinen. 

Bei einer einäugigen Betrachtung der Kreise ist keine Entfernungseinschätzung möglich

Entfernungsparallaxe kann hier nicht als Informationsquelle für räumliches Sehen genutzt werden.

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Bewegungsparallaxe

Beispiel B: Kinetischer Tiefeneffekt. Der Schatten, der durch die Lichtquelle und durch das sich um die eigene Achse drehende, schiefe „T“ auf dem durchscheinenden Schirm erzeugt wird, wird korrekt als „T“ erkannt, auch wenn die Versuchsperson den Schirm einäugig betrachtet

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bewegungsinduzierte Hinweisreize``

• Bewegungsparallaxe

Beispiel C: Kinetischer Tiefeneffekt. Bei Rotation von konzentrischen Kreisen um den Mittelpunkt des äußersten Kreises wird ein drei‐dimensionaler Kegelstumpf wahrgenommen

Visuelle Hinweise ‐monokular

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Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Bewegungsparallaxe

Die Frage, warum bei dem ersten Beispiel keine räumliche Wahrnehmung entsteht, wohl aber bei den nachfolgenden, ist umstritten. 

Es wird vermutet, daß die Erklärung in der Verknüpfung von einzelnen Bildelementen zum ganzen Objekt liegt. 

So werden in A Punkte nur als Punkte wahrgenommen – flächig, nicht räumlich

In B und C werden die Linien bzw. Kreise zu ganzen Figuren zusammengesetzt – die üblicherweise räumliche Objekte darstellen

Visuelle Hinweise ‐monokular

Bewegungsinduzierte Hinweisreize

• Verdeckung und Aufdeckung

Der Hinweisreiz von Verdeckung und Aufdeckung stellt eine Variante des oben schon behandelten Hinweisreizes der Verdeckung dar

Visuelle Hinweise ‐monokular

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• Es gibt verschiedene Hinweisreize, die uns das Tiefensehen ermöglichen.

Klassifikation: Hinweisreize des Tiefensehens

Okulomotorische Visuelle

Konvergenz

Akkomodation

(binokular)

Monokulare

Binokulare

Bildhafte Bewegungsinduzierte

Verdeckung

Größe

Höhe

Lineare Perspektive

Bewegungsparallaxe

Verdeckung und Aufdeckung

Binokulare Disparität

Systematisierung

Binokulare Disparität

• Dieser Hinweisreizkomplex gründet auf der Tatsache, daß auf der Netzhauzt der beiden Augen leicht unterschiedliche (disparate) Bilder der gleichen Gegebenheit abgebildet werden, aber letztlich ein einziges Bild hieraus entsteht. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Die Disparität ist proportional zur Entfernung zwischen zwei betrachteten Punkten und gibt somit Auskunft über Entfernungsunterschiede, also über räumliche Tiefe. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Voraussetzung ist jedoch die Vergleichsmöglichkeit zweier Punkte. Ein Punkt alleine reicht nicht aus, um mit Hilfe der Disparität die Entfernung zu bestimmen.

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Mechansimus: Binokulare Fusion

Man fixiere einen fernen Punkt und halte dabei einen Finger vor das Gesicht. Der Finger erscheint nun doppelt. Er wird vom linken wie vom rechten Auge gleichzeitig gesehen.

Schließt man abwechselnd das linke und dann das rechte Auge, so stellt man fest, daß der Finger zuerst nach links und dann nach rechts springt. Dabei nimmt man die beiden einfachen monokularen Bilder war, aus denen das binokulare Doppelbild entsteht. 

Die beiden mokularen Bilder des Fingers sind nicht identisch, da die Augen nicht an der gleichen Stelle am Kopf angebracht sind, sondern in einem gewissen Abstand. 

Beim Fixieren des entfernten Punktes ist die Stellung der beiden Augen so ausgerichtet, daß der Punkt in der linken und rechten Fovea abgebildet wird. Natürlich bestehen auch von diesem Punkt zwei Netzhautbilder, diese liegen aber auf korrespondierenden Netzhautorten, das heißt auf der linken und rechten Retina an der gleichen Stelle. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Mechansimus: Binokulare Fusion

In diesem Fall "verschmelzen" die Beiträge des linken und rechten Auges und der Punkt wird nicht doppelt, sondern einfach gesehen. Diesen Vorgang nennt man binokulare Fusion.

Beispiel: Fixiert man einen entfernten Punkt so, daß aus den beiden Pyramiden genau drei werden, dann sind beide Pyramiden in den Foveen abgebildet (und damit auf korrespondierenden Netzhautstellen).

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Horopter

Es lassen sich allerdings noch mehr Raumpunkte ausmachen, die ebenfalls nur einfach gesehen werden und die nicht in den beiden Foveen abgebildet werden. Alle diese ebenfalls auf korrespondierenden Netzhautorten liegenden Punkte befinden sich in der horizontalen Ebene auf dem sog. Horopter. Der Horopter ist definiert als der geometrische Ort für alle einfach gesehenen Raumpunkte. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Horopter

Der grüne Punkt wird in den beiden Sehgruben abgebildet und damit auf korrespondierenden Netzhautorten, daher wird er einfach gesehen. 

Das gleiche gilt für den blauen Punkt, da auch er auf dem Horoptor (in diesem Falle durch den sogn.Vieth‐Müller‐Kreis dargestellt),also ebenfalls auf korrespondierenden Netzhautorten, liegt. 

Der rote Punkt dagegen würde doppelt gesehen werden.

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Horopter

Die empirisch ermittelten Horoptoren weichen von der theoretischen Vorhersage des hier dargestellten Vieth‐Müller‐Kreises etwas ab. 

Dieser beruht auf der Annahme, daß Punkte in Richtungen, die für beide Augen um den gleichen Winkel von den Sehachsen abweichen, auf korrespondierenden Netzhaut‐orten abgebildet und einfach gesehen werden. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Horopter

Darüber hinaus korrespodiert jeder Punkt eines Auges nicht einfach nur mit einem einzigen Punkt im anderen Auge, sondern mit einer Fläche, dem Panumschen Fusionsareal.

Abweichungen vom Horopter innerhalb eines solchen Areals zerstören nicht den Eindruck des einfachen Bildes, führen aber zu einer veränderten Tiefenwahrnemung. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Das visuell wahrgenommene "Bild der Umwelt" ist eine Fusion aus den Bildern des linken und des rechten Auges. Wie aber entsteht dadurch ein Tiefeneindruck ? 

Die Antwort auf diese Frage liegt in der Tatsache, daß, wie oben schon erwähnt, diese beiden Bilder nicht identisch sind. Wenn wir einen entfernten Punkt fixieren, liegen die beiden Abbilder dieses Punktes in den Sehgruben des linken und rechten Auges, also auf korrespondiereden Netzhautorten, was auch auf alle anderen Punkte zutrifft, die auf dem Horopter liegen.

Was geschieht aber mit Abbildern von Punkten, die nicht auf dem Horpter liegen ? Solche Punkte werden nicht auf korrespodierenden Netzhautorten abgebildet. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Beispiel 1: Wird der blaue Punkt fixiert, erzeugt er Abbildungen an korrespondieren Netzhautorten.

Das Abbild des roten Punktes befindet sich auf der linken Netzhaut links der Sehachse und der Fovea, auf der rechten Netzhaut hingegen wird der Punkt rechts der Sehachse abgebildet. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Beispiel 2: Hier liegen die Abbilder von roten Punktes zwar beide rechts der Sehgrube, in diesem Falle differieren aber ihre Abstände zu den Sehachsen. Auch hier wird der rote Punkt also nicht auf korrespondierenden Netzhautorten abgebildet.

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Diese Abstandsunterschiede sind wichtige Hinweisreize für das binokulare Tiefensehen und werden Querdisparation genannt. 

Das menschliche visuelle System ist in der Lage, die verschiedenen Beträge der Querdisparation als räumliche Tiefe zu interpretieren. 

So entsteht aus den beiden zweidimensionalen Netzhautbildern ein dreidimensionaler Eindruck unserer Umwelt.

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Beispiel: Durch Schielen sind das linke und rechte Quadrat binokular zu fusionieren. Es entstehen dann drei Quadrate, von denen das mittlere fixiert werden soll. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Da die Abstände zwischen den Kugeln jeweils gleicher Farbe differieren, werden sie auf der linken Netzhaut an anderer Stelle abgebildet, als in der rechten. 

Die dadurch hervorgerufenen Querdisparationen führen zu einer räumlichen Wahrnehmung der Kugeln. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Große Abstandsunterschiede zwischen den Bildern im linken und rechten Auge zu der jeweiligen Sehachse werden von unserem optischen System als großer Abstand zum Horopter interpretiert.

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Nach diesem Prinzip funktionieren Stereogramme, die sich alle die Möglichkeit des visuellen Systems Querdisparationen als räumliche Tiefe zu interpretieren zu Nutze machen

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Querdisparation und Stereopsis

Nach diesem Prinzip funktionieren Stereogramme, die sich alle die Möglichkeit des visuellen Systems Querdisparationen als räumliche Tiefe zu interpretieren zu Nutze machen

Binokulare Disparität

• Neurophysiologische Voraussetzungen des stereoptischen Tiefensehens

Die frontale Augenaufstellung des Menschen, die ihm ein binokolares Gesichtsfeld ermöglicht, ist eine der Voraussetzungen des stereoptischen Tiefensehens. 

Die Gesichtsfelder des linken, sowie des rechten Auges lassen sich in jeweils einen monokularen und einen gemeinsamen binokularen Teil, an dem beide Augen partizipieren, gliedern. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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Binokulare Disparität

• Neurophysiologische Voraussetzungen des stereoptischen Tiefensehens

Die beiden monokularen Teile des Gesichtsfeldes werden temporäre Halbmonde genannt und haben auf das stereoptische Tiefensehen keinen Einfluß. 

Gegenstände, die innerhalb des binokularen Gesichtsfeldes liegen und nicht auf korrespon‐dierenden Netzhautarealen abgebildet werden, müßten eigentlich doppelt gesehen werden, da sie ja von den beiden Augen auf unterschiedliche Weise gesehen werden. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

Binokulare Disparität

• Neurophysiologische Voraussetzungen des stereoptischen Tiefensehens

Unter normalen Umständen haben wir jedoch nicht den Eindruck, Gegenstände, die nicht auf dem Horopter liegen, doppelt zu sehen. Das oben genannte Beispiel mit dem doppelt wahrgenommenen Finger ist eine der wenigen Ausnahmen. Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Erklärungsansätze. 

Zum einen mag die geringe Sehschärfe außerhalb der Fovea eine Rolle für die Vermeidung der Wahrnehmung von Doppelbildern spielen, zum anderen vermutet man einen binokularen Hemmungsmechanismus. David H. Hubel und Thorsten N. Wiesel endeckten 1959 im Großhirn einer Katze binokular erregbare Neuronen, die auf unterschiedliche Disparitäten spezialisiert sind (d.h. die bei einer bestimmten Abweichung von den korrespondierenden Netzhautarealen, z.B. 15°Winkelminuten, besonders stark feuern). 

Diese Zellen könnten der Grund sein, warum wir Gegenstände normalerweise nicht doppelt sehen. 

Visuelle Hinweise ‐ binokular

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• Es gibt verschiedene Hinweisreize, die uns das Tiefensehen ermöglichen.

Klassifikation: Hinweisreize des Tiefensehens

Okulomotorische Visuelle

Konvergenz

Akkomodation

(binokular)

Monokulare

Binokulare

Bildhafte Bewegungsinduzierte

Verdeckung

Größe

Höhe

Lineare Perspektive

Bewegungsparallaxe

Verdeckung und Aufdeckung

Binokulare Disparität

Systematisierung

Der Wahrnehmungsraum als internes Umweltmodell

Wie wir gesehen haben, sind bei der räumlichen Wahrnehmung interne Vorgaben genauso wirksam, wie die Reize aus unserer Umwelt; sonst könnte das zweidimensionale Netzhautbild keinen räumlichen Eindruck in uns hervorrufen. Das ist der Grund, warum wir zweidimensionale Muster als Raum auffassen können,wie es bei Stereogrammen der Fall ist. 

So wie wir den Farbraum als Modell benutzen um Farbphänomene zu erklären (obwohl Farben in unserem Kopf nicht Räumen entsprechen), scheint unser Gehirn über ein internes Umweltmodell zu verfügen, das man Wahrnehmungsraum nennt. Mit Experimenten aus der Psychophysik versucht man mehr über die Eigenschaften dieses Wahrnehmungsraums zu erfahren. 

Zusammenfassung

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Der Wahrnehmungsraum als internes Umweltmodell

So hat man bemerkt, daß die subjektive Horizontale auf Augenhöhe von der objektiv meßbaren abweicht. Sie ist ab einer Entfernung von 2,5m (von der Vp) nach außen gekrümmt, bis 2,5m dagegen nach innen. 

Dieser und ähnliche Befunde legen die Vermutung nahe, der Wahrneh‐mungsraum habe hyperbolische Eigenschaften. F.K. Lüneburg versuchte eine allgemeine mathematische Beschreibung dieses Konzepts zu erarbeiten. 

Das stereoptische Tiefensehen steht bei größeren Distanzen als Hinweisreiz nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe psychophysikalischer Messungen fand man heraus, daß sein Wirkungsbereich bei ca. 6m Entfernung endet, es ist also auf den unmittelbaren Handlungsbereich des Menschen beschränkt. 

Zusammenfassung

Der Wahrnehmungsraum als internes Umweltmodell

Es hilft uns sicher einen Ball zu fangen, die Entfernung abzuschätzen, wenn wir über einen Bach springen, oder auch nur um gezielt nach einem Glas Wasser zu greifen. 

Das stereoptische Tiefensehen dient also in erster Linie der Handlungsregulation. Dies ist insofern eine wichtige Erkenntnis, da sie uns verdeutlicht, daß unsere Sinne und unsere internen Vorgaben uns kein genaues Abbild der Wirklichkeit liefern sollen, sondern Instrumente sind, die unser tägliches Überleben sichern sollen. 

Zusammenfassung