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VOICE Die Zeitschrift der GfbV | Juni 2013 | Nummer 2 Es ist der 25. April 2013. Die weltgrösste Schmuck- und Uhrenmesse, die BaselWorld, öffnet ihre Tore – erstmals im umgebauten Messegelände. Gegen eine halbe Milliarde Franken investierte die Messe Basel in die Renovation der Infrastruktur und in verschiedene Neubauten. Und noch etwas ist anders an diesem Morgen: Am angrenzenden Parkhaus entfaltet sich gegen halb 11 Uhr ein riesiges Transparent von mehr als 300 Qua- dratmetern Fläche. «BaselWorld: Stop dirty Gold!» steht auf dem Banner. Das Transparent der GfbV ist von weither sichtbar. Anlass für die Aktion ist die Präsenz aller grossen Schmuck- und Uhrenhersteller der Welt an der acht- tägigen Branchenausstellung in Basel. Die Schmuck- und Uhrenbranche gehört zu den grossen Verbrau- chern von Gold. Das glänzende Edelmetall übt seit Urzeiten eine grosse Faszination auf den Menschen aus, die Herstellung aber ist oft mit blutigen Kon- flikten und Umweltzerstörung verbunden. Mit ihrer Aktion macht die GfbV darauf aufmerksam, dass in den Goldabbaugebieten immer wieder die Menschen- rechte der ansässigen Bevölkerung verletzt werden. Der nach wie vor hohe Goldpreis hat zur Folge, dass sich der Abbau von Gold selbst dort finanziell lohnt, wo das Gold in den Böden nur in Spuren vor- handen ist. Bereits ein Gramm Gold pro Tonne Erde genügt, um den Abbau rentabel zu gestalten. Des- Die Verantwortung reicht bis an die BaselWorld «No dirty Gold!» Spektakuläre Aktion der GfbV anlässlich der Eröff- nung der weltweit grössten Schmuck- und Uhrenmesse BaselWorld: Aktivisten hängen ein 20 mal 16 Meter grosses Transparent an das Parkhaus der Basler Messe. (Foto: Philipp Reynolds)

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VOICEDie Zeitschrift der GfbV | Juni 2013 | Nummer 2

Es ist der 25. April 2013. Die weltgrösste Schmuck- und Uhrenmesse, die BaselWorld, öffnet ihre Tore – erstmals im umgebauten Messegelände. Gegen eine halbe Milliarde Franken investierte die Messe Basel in die Renovation der Infrastruktur und in verschiedene Neubauten.

Und noch etwas ist anders an diesem Morgen: Am angrenzenden Parkhaus entfaltet sich gegen halb 11 Uhr ein riesiges Transparent von mehr als 300 Qua-dratmetern Fläche. «BaselWorld: Stop dirty Gold!» steht auf dem Banner. Das Transparent der GfbV ist von weither sichtbar.

Anlass für die Aktion ist die Präsenz aller grossen Schmuck- und Uhrenhersteller der Welt an der acht-

tägigen Branchenausstellung in Basel. Die Schmuck- und Uhrenbranche gehört zu den grossen Verbrau-chern von Gold. Das glänzende Edelmetall übt seit Urzeiten eine grosse Faszination auf den Menschen aus, die Herstellung aber ist oft mit blutigen Kon-flikten und Umweltzerstörung verbunden. Mit ihrer Aktion macht die GfbV darauf aufmerksam, dass in den Goldabbaugebieten immer wieder die Menschen-rechte der ansässigen Bevölkerung verletzt werden.

Der nach wie vor hohe Goldpreis hat zur Folge, dass sich der Abbau von Gold selbst dort finanziell lohnt, wo das Gold in den Böden nur in Spuren vor-handen ist. Bereits ein Gramm Gold pro Tonne Erde genügt, um den Abbau rentabel zu gestalten. Des-

Die Verantwortung reicht bis an die BaselWorld

«No dirty Gold!»Spektakuläre Aktion der GfbV anlässlich der Eröff-nung der weltweit grössten Schmuck- und Uhrenmesse BaselWorld: Aktivisten hängen ein 20 mal 16 Meter grosses Transparent an das Parkhaus der Basler Messe.(Foto: Philipp Reynolds)

halb dringen Goldkonzerne und Goldwäscher immer tiefer in die Regenwälder oder in entlegene Täler vor. Oft erteilt der Staat den Bergbaukonzernen und den Goldwäschern eine Schürflizenz – ohne Zustimmung der ansässigen Bevölkerung. Das führt zwangsläufig zu Konflikten.

Im Falle des Minenunternehmens Minera Yana-cocha, das in der Region Cajamarca in den Anden Gold abbaut und mehrheitlich dem us-amerikani-schen Konzern Newmont Mining gehört, eskalierte der Konflikt letzten Sommer. Bei Auseinandersetzun-gen zwischen der örtlichen Bevölkerung und den Si-cherheitskräften kamen fünf Campesinos ums Leben. Eine Spur dieses Konfliktes führt auch in die Schweiz: Die GfbV konnte aufzeigen, dass der grösste Teil des Goldes aus der Problemmine Yanacocha in der Tes-siner Goldraffinerie Valcambi SA aufgearbeitet wird. Auch Valcambi ist mehrheitlich im Besitz von New-mont Mining.

Problematische Sicherheitsverträge zwi-schen Minenbetreibern und der Polizei

Aus diesem Grund hat die GfbV den peruanischen Menschenrechts- und Umweltaktivisten Marco Ara-na in die Schweiz eingeladen (Interview mit Arana auf Seite 8). Seit vielen Jahren kämpft er für mehr Selbstbestimmung und den Erhalt der Lebensgrund-lagen der in Cajamarca ansässigen bäuerlichen und indigenen Bevölkerung. Anlässlich seines Besuches erklärte er in Schweizer Medien, gegenüber Behör-denvertretern und Interessierten die unheilvollen Al-lianzen und Verwicklungen der Rohstoffkonzerne mit den örtlichen Sicherheitskräften. Aranas Vorwurf: Das Minenunternehmen Minera Yanacocha sei mitverant-wortlich für die Eskalation im Juli des letzten Jahres. Die Sicherheitskräfte würden sich auf die Seite des Minenunternehmens stellen.

Minera Yanacocha lehnte jegliche Verantwortung an Menschenrechts-verletzungen gegenüber der Lokal-bevölkerung und am Tod der fünf Demonstrierenden ab. Die tödlichen Schüsse seien von den Sicherheits-kräften abgegeben worden. Kann sich die Firma so einfach aus der Ver-antwortung stehlen?

Recherchen der GfbV zeigen: Zwi-schen der peruanischen Nationalpo-lizei und dem Minenkonzern besteht ein äusserst problematischer und als vertraulich deklarierter Zusammen-arbeitsvertrag. Minera Yanacocha kann laut Vertrag gegen ein Entgelt jederzeit «ausserordentliche zusätz-liche Dienstleistungen» beantragen. Das Minenunternehmen Minera Yana-

cocha bezahlt den Polizeieinsatz, indem es Polizis-ten eine Tagespauschale entrichtet und Materialien, Kost und Logis, Transport, juristische Beratung und Versicherungen während des Einsatzes zur Verfügung stellt.

Der Newmont-Konzern hat die «Voluntary Prin-ciples on Security and Human Rights» unterzeichnet, mit denen sichergestellt werden soll, dass Militär, Po-lizei oder private Sicherheitsfirmen bei Einsätzen zu Gunsten von Unternehmungen im Rohstoffsektor die Menschenrechte einhalten. Der Zusammenarbeitsver-trag zwischen der Newmont-Tochter und der Polizei beurteilt die GfbV als eklatanten Widerspruch zu den Zielsetzungen der «Voluntary Principles». Die GfbV fordert die Tessiner Raffinerie Valcambi auf, beim Mutterkonzern zu intervenieren, damit der problema-tische Sicherheitsvertrag umgehend gekündigt wird. Valcambi darf kein «schmutziges» Gold einführen und raffinieren.

Minera Yanacocha ist nicht der einzige Konzern mit einem solchen Sicherheitsvertrag. Auch die pe-ruanischen Filialen von Xstrata haben solche Ver-träge abgeschlossen. Und vermutlich auch andere Rohstofffirmen. Für die indigenen Völker, die Campe-sinos und Umweltschützer sind diese Verträge fatal und gehören annulliert. Denn mit diesen Verträgen geben finanzielle Anreize der Polizei und der Poli-zisten den Ausschlag für einen Polizeieinsatz. Das darf nicht sein. Es muss Aufgabe der Politik sein, im Einklang mit den Menschenrechten Konflikte zu lö-sen. Der Staat darf nicht einseitig die Interessen der Wirtschaft schützen.

Text: Christoph Wiedmer, Geschäftsleiter GfbV

Protestaktion am European Gold ForumZwischen dem 16. und 18. April tagten im Zürcher Hotel Park Hyatt die weltweit wichtigsten Gold-produzenten. Das Gold Forum ist eine Veranstaltung für institutionelle Investoren, Portfolio- und Fondsmanager und den Mitgliedern der Denver Gold Group. Dass das Goldforum in der Schweiz statt-fand, ist wohl kein Zufall. Die Schweiz ist die zentrale Drehscheibe im internationalen Goldbusiness. Mit ihrer Aktion forderte die GfbV die Akteure im Goldbusiness dazu auf, in den Abbaugebieten die Menschenrechte zu respektieren und die Umwelt nicht zu schädigen.

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In der Ausgabe der VOICE vom März teilten wir Ihnen mit, dass die GfbV Opfer einer substanziellen Veruntreuung geworden ist. Unmittelbar nachdem wir die unrechtmässigen Transaktionen ent-deckt haben, schaltete der Vorstand einen Anwalt ein und reichten Strafanzeige ein. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern hat ein Strafverfahren eröffnet, eine verdächtige Person wurde inzwi-schen einvernommen. Da das Verfahren noch läuft, können wir im Moment keine weiteren Angaben machen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Die Veruntreuung hatte für die GfbV unmittelbare Folgen. Eine Entlassung und Pensenkürzungen waren unvermeidbar, um das Überleben der Organisation zu sichern. Seit Februar arbeitet die GfbV nun mit einem massiv gekürzten Personalbestand.

Dennoch konnte die GfbV in den letzten Wochen einige eindrückliche Erfolge aufwei-sen. Dank unseren Kontakten in den Kosovo konnten wir nachweisen, dass die Migrati-onspartnerschaft der Schweiz mit dem Balk-anland nicht korrekt umgesetzt wird (vgl. VOICE 1-2013). Unsere Kritik am Bundesamt für Migration fand auch in den Medien Echo. Im April weilten auf Einladung der GfbV Gäs-te in Bern, welche über die Situation der Menschenrechte im Tibet und in Uigurien berichteten und für die wir verschiedene Treffen in der Schweiz organisiert haben. An einer öffentlichen Veranstal-tung sprachen die beiden Gäste über die Menschenrechtssituation in ihrer Heimat.

Grosse Aufmerksamkeit erreichte schliesslich auch unsere Gold-Kampagne, mit der wir auf systematische Menschenrechtsverlet-zungen in den Gold-Abbaugebieten, insbesondere in Peru und Ko-lumbien, aufmerksam machen. Auf Einladung der GfbV weilte der bekannte peruanische Umwelt- und Menschenrechtsaktivist Marco Arana in der Schweiz. An mehreren Veranstaltungen und in Ge-sprächen mit Behörden- und Industrievertretern erläuterte Arana die Situation vor Ort (Interview mit Marco Arana auf Seite 8).

Mit einer Mahnwache am Treffen der Gold-Branche Mitte April und mit einer spektakulären Transparent-Aktion anlässlich der Eröffnung der Uhren- und Schmuckmesse BaselWorld Ende April machten wir auf die Missstände in den Gold-Abbaugebieten auf-merksam. Die GfbV appellierte an die Schweizer Gold-Raffinerien, Schmuckhersteller und Banken, nur noch Gold zu verwenden, wel-ches unter Einhaltung der Menschenrechte und von hohen Um-weltstandards abgebaut wird.

Aktionen wie jene an der BaselWorld sorgen für grosses öf-fentliches Echo. Darauf sind wir stolz, denn der Erfolg motiviert. Trotzdem – die Folgen der Veruntreuung sind noch nicht überstan-den. Viele Mitglieder und Sympathisierende haben uns in unserer misslichen Situation mit einer Extra-Spende unterstützt. Dafür

möchten wir uns bei allen herzlich bedan-ken. Dank diesen Anstrengungen ist zwar die Liquidität gesichert, aber die finanzielle Si-tuation der GfbV bleibt vorläufig prekär. Um unsere Arbeit weiterführen zu können, sind wir dringend auf Ihre Unterstützung ange-wiesen. Indigene und Minderheiten in aller Welt sind auf das solidarische Engagement von Organisationen wie der GfbV angewie-

sen. Die Erfolge der letzten Monate geben uns recht und spornen uns an. Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Treue und grosszügige Unterstützung.

Ruth-Gaby Vermot-Mangold, PräsidentinGöpf Berweger, Vize-Präsident und Mitbegründer der GfbV

Christoph Wiedmer, Geschäftsleiter

P.S. Unsere Jahresversammlung findet am 23. Oktober statt. Wir freuen uns, Sie dann persönlich über unsere Aktivitäten und den Stand des Verfahrens bezüglich des Veruntreuungs-falls zu informieren.

Mit Ihrer Unterstützung sichern Sie das Überleben der GfbV!

«Die finanzielle Situation der GfbV bleibt vorläufig prekär. Um unsere Arbeit weiterführen zu können, sind wir dringend auf Unter-stützung angewiesen.»

«Die GfbV verschafft indigenen Völkern Gehör – deshalb braucht es die GfbV auch in Zukunft.»

Pedro Lenz, Schriftsteller

«Die GfbV muss weiter bestehen, weil Minder-heiten weltweit diese Stimme brauchen.»

Michèle Roten, Publizistin, Autorin und Kolumnistin

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Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Spendenkonto IBAN CH86 0079 0016 9164 8644 8

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Mafiös organisierte Bettelbanden, die grosses Geld machen? Kinder, die von Drahtziehern aus dem Hintergrund zum Betteln gezwungen werden? All das hört man immer wieder, wenn über Bettelverbote in Schweizer Städten dis-kutiert wird. Nur: Es gibt sie gar nicht, die organisierten Bettelbanden. Zumin-dest nicht in Lausanne, der viertgröss-ten Schweizer Stadt. Zu diesem Schluss kommt eine bisher unveröffentlichte Studie des Lausanner Soziologen Jean-Pierre Tabin.

Die angeblich organisierten Roma-Bettel-banden sind ein beliebtes und wiederkeh-rendes Thema für die Medien. Von kaltblü-tigen kriminellen Organisationen, welche Kinder zum Betteln zwingen, ist vor allem dann die Rede, wenn die Politik Bettel-verbote erlassen will. Denn, so die Argu-mentation, nur mit Bettelverboten lasse sich das organisierte Betteln bekämpfen. So auch in Lausanne: Im Zuge einer öf-fentlichen Debatte über das organisierte Betteln wurde das Polizeigesetz verschärft und die SVP des Kantons Waadt lancierte kürzlich eine Volksinitiative für ein kanto-nales Bettelverbot.

Gekommen, um zu arbeitenVor diesem Hintergrund untersuchte der Soziologieprofessor Jean-Pierre Tabin von der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) das Betteln in der Stadt Lausanne. Über ein Jahr lang hat Jean-Pierre Tabin

und sein Team rund 60 Bettlerinnen und Bettler interviewt und systematisch beim Betteln beobachtet: Auf der Strasse, in der Notschlafstelle oder in der Suppenküche. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass es in Lausanne keinerlei Anzeichen gibt, dass das Betteln in organisierten Strukturen erfolgt. Die meisten ausländi-schen BettlerInnen seien in kleinen Fa-miliengruppen von drei bis vier Personen in die Schweiz gekommen mit dem Ziel, hier zu arbeiten – nicht um zu betteln. Die Kleingruppen kennen sich untereinan-der nicht und haben untereinander wenig Kontakt. Die meisten Personen stammen aus Rumänien, einige aber auch aus Un-garn, der Slowakei und aus Frankreich. Der grösste Teil der BettlerInnen ist zwi-schen 20 und 50 Jahren alt. Auch betteln-de Kinder wurden in Lausanne keine ange-troffen, weder alleine noch zusammen mit Erwachsenen.

Betteln ist nicht lukrativDie beobachteten Personen erbettelten im Schnitt zwischen 10 und 20 Franken pro Tag. Schon alleine dieser Umstand zeigt: Das Betteln kann kaum organisiert sein, denn mit Betteln lässt sich offenbar nicht viel verdienen. Es würde ein Netzwerk von Hunderten von Bettlerinnen und Bettlern brauchen, damit Betteln finanziell interes-sant wäre und die «Hintermänner» einen nennenswerten Gewinn erzielen könnten. Tabins Studie ist die erste dieser Art und wird im Herbst 2013 veröffentlicht.

Stadt Bern: Projekt AgoraAuch in der Stadt Bern ist die Debatte um das Betteln neu entflammt. 2009 startete die Stadt Bern das Projekt Agora. Ziel des Projektes war es, das organisierte Betteln einzudämmen. Die bekannteste Massnah-me ist die Platzierung von Minderjährigen in Heimen und die anschliessende Rück-führung in ihre Heimat. Wie die Fremden-polizei der Stadt Bern kürzlich bekannt gab, wurde seit der Einführung von Agora kein einziges bettelndes Kind aufgegrif-fen. Gemäss Alexander Ott, dem Leiter der städtischen Fremdenpolizei, beweist

«Organisierte Roma-Bettelbanden»: Nur ein Mythos!Stigmatisierung der Roma

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Vom 1. bis zum 6. April 2013 besuchte eine parla-mentarische Delegation unter dem Vorsitz von Na-tionalratspräsidentin Maya Graf den Kosovo und Al-banien. Bei dieser Reise handelte es sich um einen Gegenbesuch – die kosovarische Delegation weilte bereits letztes Jahr in der Schweiz. Nebst einem Treffen mit Parlamentspräsident Jakup Krasniqi fand ebenfalls ein Gespräch mit dem Ombudsmann Sami Kurthesi statt, dessen Funktion es ist, Verstösse ge-gen die Menschenrechte zu ahnden. In Gjakova be-suchte die Delegation ein Wohnbauprojekt, welches zum Ziel hat, die Wohnverhältnisse von 700 Roma zu verbessern. Das Projekt wird von Caritas und der Deza unterstützt.

Im Vorfeld der Parlamentarierreise veröffentlichte die GfbV einen Bericht über die Situation der Rückkehrer aus der Schweiz. Die GfbV kommt zum Schluss, dass der kosovarische Staat seiner Verpflichtung, die Rück-kehrerInnen zu reintegrieren, nicht nachkommt, und damit zentrale Bestimmungen der Migrationspartner-schaft zwischen der Schweiz und dem Kosovo ver-letzt. Der grüne Nationalrat und Mitglied der Delega-tion Ueli Leuenberger will deshalb per Vorstoss vom Bundesrat wissen, was die Schweiz zu unternehmen gedenkt, damit der Kosovo seinen Verpflichtungen nachkommt. Zudem verlangt Leuenberger Massnah-men von Seiten der Schweiz, um die Reintegration der Roma im Kosovo sicherzustellen. (am)

Delegation des Schweizer Parlaments im Kosovo

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Roma-Familien kom-men in die Schweiz, weil sie hier arbeiten möchten. Das zeigt die Studie des Lausanner Soziologen Jean-Pierre Tabin.

Der Soziologe und Professor an der Fachhochschule West-schweiz, Jean-Pierre Tabin, hat die Studie über angeblich bet-telnde Roma-Banden im Auftrag der Jugendschutzbehörde des Kantons im Frühjahr 2012 zusammen mit René Knüsel von der Universität Lausanne erstellt. Im Vorfeld der Parlamentsdebatte vom Februar 2013 über ein Bettelverbot in der Stadt Lausanne wurde die Studie auch in den Medien diskutiert. Allerdings mit mässigem Erfolg: Das Bettelverbot wurde im Polizeigesetz von Lausanne festgeschrieben – in der Parlamentsdebatte spielten die Erkenntnisse von Tabins Studie keine Rolle.

Für Tabin zeigt dies deutlich, dass die Vorurteile über angeb-lich bettelnde Roma-Banden, welche ihre Kinder zum Betteln in-strumentalisieren, dermassen verbreitet sind, dass sie sich selbst durch Fakten kaum widerlegen lassen. (am)

VOICEImpressum: VOICE 2-2013, Juni 2013 Herausgeberin: Gesellschaft für bedrohte Völker, Schermenweg 154, 3072 Ostermundigen, 031 939 00 00, [email protected], www.gfbv.ch Redaktion: Reto Moosmann (rm) Mitarbeit an die-ser Nummer: Christoph Wiedmer (cw), Angela Mattli (am), Jessica Fuchs (jf), Marianne Naeff (mn), Golda Fuentes (gf), Christian Bosshard (cb) Layout: Reto Moosmann Erscheinungsweise: vierteljährlich Auflage: 8000 Exemplare Druck: gdz AG, Zürich; gedruckt auf Plano Speed («FSC Mix») Abonnement: CHF 30.–/ Jahr Mitgliederbeitrag: mindestens CHF 60.–/ Jahr

dieser Umstand den Erfolg des Projekts. Doch: Das Vorgehen erinnert stark an die «Kinder der Landstrasse». Zwischen 1929 und 1972 wurden Kinder von Schweizer Fahrenden in Heimen oder bei Familien fremdplatziert. Begründet wurde diese Massnahme mit dem Schutz des Kindes-wohls. Die Stiftung Pro Juventute, die Trägerorganisation der «Aktion Kinder der Landstrasse», bekannte sich zur Mit-verantwortung und hat sich wiederholt dafür entschuldigt und ihr Bedauern aus-gedrückt.

Text: Jessica Fuchs, GfbV

Hartnäckige Vorurteile

Kayapó und Mundurukú gemeinsam gegen Belo MonteAnfang Mai besetzten erneut mehr als 100 Indigene die Baustelle des Belo Monte-Staudamms. Sie forderten den Baustopp sowie die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung der lokalen Bevölkerung. Eine Woche später verfügte ein Gericht die Räumung der besetzten Baustelle. Kurz vor Ablauf des Ultimatums wurde diese geräumt. Wenige Tage später wurde eine weitere Baustelle besetzt.Vor Ort waren auch 100 Angehörige des Indigenenvolkes der Mundurukú – sie reis-ten von mehr als 900 Kilometern her an, um die Kayapó in ihrem Protest gegen das Staudamm-Projekt zu unterstützen. An-lass zu dieser Verbrüderung gab die Prä-senz von Militär und Polizei in der Region der Mundurukú. Auch dort sollen mehrere Staudämme gebaut werden, welche den Lebensraum der Mundurukú zerstören würden.

Ständeratskommission lehnt Petition «Recht ohne Grenzen» abMitte Mai hat die aussenpolitische Kom-mission des Ständerats die Petition «Recht ohne Grenzen» abgelehnt. Die Petition, welche auch von der GfbV mitlanciert wurde, verlangt verbindliche Bestimmun-gen, damit international tätige Unterneh-men mit Sitz in der Schweiz weltweit die Menschenrechte und Umweltvorschriften respektieren. Die Ständeratskommission ist zwar der Meinung, dass die Menschen-rechte auch für multinationale Unterneh-men verbindlich sein müssten. Sie lehnt es aber ab, dies gesetzlich festzuschreiben.

Kurz

5VOICE | 2-2013

Seit Jahren wächst Chinas Wirtschaftsleistung. Da-mit steigt auch der politische Einfluss des Landes. Als eines der ersten europäischen Länder hat die Schweiz mit China über ein Freihandelsabkommen verhandelt. Verbindliche Menschenrechtsklauseln sollen offenbar kein Thema sein.

An einer GfbV-Podiumsdiskussion vom 7. März in Bern bekräftigten Vertreter der Tibeter und der Uigu-ren ihre Bedenken gegen ein Freihandelsabkommen, das die Menschenrechtspolitik Chinas Aussen vor lässt. Die Schweizer Regierung gab sich in den letz-ten Monaten alle Mühe, die chinesische Regierung nicht zu verstimmen. So lehnte es der Bundesrat ab, Mitte April den Dalai Lama zu empfangen – stattdes-sen lud ihn die grüne Nationalratspräsidentin Maya Graf ins Bundeshaus ein.

Während China wirtschaftlich auf Erfolgskurs ist, macht China im Bereich der Minderheiten- und Menschenrechtspolitik eher Rück- statt Fortschritte. Nach wie vor werden die politische Opposition und ethnische Minderheiten wie die Tibeter, die Uiguren oder die Mongolen unterdrückt. Sie leben im dünn besiedelten Westen und Norden des Landes. Dort gibt es viele Bodenschätze. Für die Zentralregierung in Pe-king ist das Gebiet deshalb strategisch bedeutsam. Das mag einer der Hauptgründe sein für die zuneh-mende Repression gegenüber den ansässigen Volks-gruppen.

Kritik an Repression in ChinaAn einer internationalen, von der GfbV mitorgani-sierten Konferenz von Mitte März in Genf kritisier-ten VertreterInnen der Uiguren, Tibeter und Mongo-len sowie chinesische Oppositionelle das aggressive Vorgehen der chinesischen Zentralregierung im Tibet und in Ostturkestan, wie die Region des uigurischen Volkes genannt wird. Sie berichten von der drama-tischen Intensivierung der Polizeistaatsmassnahmen, politischen Exekutionen, Verschwindenlassen, ge-waltsamer Ansiedlung nomadisierender Tibeter und Mongolen und anderen Menschenrechtsverletzungen.

Als wirtschaftliche Weltmacht reagiert China zu-nehmend harsch auf Kritik anderer Länder. Offenbar mit Erfolg: Die Kritik an Chinas Minderheiten- und Menschenrechtspolitik ist leiser geworden – auch für die Schweiz ist die Menschenrechtssituation in China offenbar weniger wichtig geworden. Löbliche Aus-nahme: Mitte März verabschiedete das europäische Parlament eine Resolution, mit der China aufgefor-dert wird, die Tibeter und Uiguren vermehrt einzubin-den statt sie zu unterdrücken.

Autonomie versus UnabhängigkeitDie Zentralregierung in Peking betont immer wieder, dass die chinesische Souveränität, Chinas territoriale

Wirtschaft top – Menschenrechte flopChinas Minderheiten- und Menschenrechtspolitik

Integrität und Sicherheit die wichtigsten Interessen seien. Sie lehnt die Weiterführung des Dialoges mit der tibetischen Exilregierung ab (mit den uigurischen und mongolischen Minderheiten wurden noch gar nie Gespräche geführt). Die bisher über 100 Selbstver-brennungen von Tibetern zeigen, wie auswegslos sie ihre Situation sehen. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Unterdrückung zum Ausbruch gewaltsamer Proteste oder zur Entstehung terroristischer Gruppie-rungen führen kann.

Dabei wären sowohl Tibeter als auch Uiguren be-reit, die territoriale Integrität Chinas zu respektie-ren. Bereits seit Ende der Achtziger Jahre verlangen die Tibeter nicht die volle Unabhängigkeit, sondern einen Autonomiestatus. Bei den Uiguren war die For-derung für ein unabhängiges Ostturkestan bis vor wenigen Jahren sakrosankt. In letzter Zeit mehren sich die Stimmen derjenigen, welche lieber zuerst über eine weitreichende Autonomie innerhalb Chinas diskutieren wollen. Asgar Can, der Vize-Präsident des Weltuigurenkongresses, sagte anlässlich der GfbV-Veranstaltung von Anfang März: «Noch vor 10 Jahren war es nicht möglich, unter uns Uiguren das Thema Autonomie zu diskutieren. Man wurde gleich als Lan-desverräter abgestempelt.»

Die Teilnehmer der internationalen Konferenz in Genf verabschiedeten ein Abschlussdokument, mit dem sie die UNO und die internationale Staatenge-meinschaft auffordern, China für die systematische Unterdrückung von Minderheiten zur Verantwortung zu ziehen. Sie verlangen, dass die Menschenrechte eine wichtige Komponente der bilateralen und mul-tilateralen Dialoge bleiben. Diese Forderung richtet sich auch an die Schweizer Regierung: Mit einer griffi-gen Menschenrechtsklausel im Freihandelsabkommen könnte die Schweiz dazu beitragen, dass China den Dialog mit seinen Minderheiten und der politischen Opposition in Angriff nimmt. Falls der Bundesrat es verpasst hat, mit China eine Klausel auszuhandeln, liegt es am Parlament, die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

Text: Christoph Wiedmer, Geschäftsleiter GfbV

Verhandlungen über FreihandelsabkommenDie Verhandlungen der Schweiz mit China über ein neues Freihandelsab-kommen sind seit Mitte Mai abgeschlossen – das Abkommen soll bereits im Juli unterzeichnet werden. Dies gab der Bundesrat kurz vor dem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang bekannt. Einzelne Details des Vertragswerkes sind seit Ende Mai bekannt. Der Vertragstext wurde allerdings bis Redaktionsschluss dieser VOICE noch nicht publiziert. Die China-Plattform, ein Zusammenschluss von mehreren Schweizer NGOs (darunter die GfbV), hat den Bundesrat erneut aufgefordert, mit China nur ein Abkommen zu unterzeichnen, welches die Arbeits- und Menschen-rechte der chinesischen Arbeitnehmenden wirksam schützt. Das haben auch über 23 000 Menschen mit einer Petition gefordert, welche im Januar dem Bundesrat übergeben wurde.

6 VOICE | 2-2013

Ist die neue chinesische Regierung zum Dialog bereit?Kelsang Gyaltsen zur Tibet-Frage

GfbV-Podiumsdiskussion am 7. März im Politforum Käfigturm in Bern mit Christoph Wiedmer (GfbV-Geschäftsleiter), Asgar Can (Weltuigurenkongresses), Angela Mattli (GfbV-Kam-pagnenleiterin), Kelsang Gyaltsen (Sonderrepräsen-tant des Dalai Lama) und Martin Naef (Nationalrat SP) (v.l.n.r.)

Weder die tibetische Führung im Exil noch der Dalai Lama fordern die Unab-hängigkeit Tibets. Die Tibeter wollen aber eine echte Autonomie des tibeti-schen Volkes innerhalb der Volksrepub-lik China. Bislang fehlte es der chine-sischen Führung am politischen Willen. Wird nun unter der neuen Regierung alles anders?

Wir Tibeterinnen und Tiber sind fest da-von überzeugt, dass es die beste Lösung ist, wenn Tibet auch künftig Teil der Volksrepublik China bleibt. In der globa-lisierten Zeit verlieren nationale Grenzen an Bedeutung. Die Lösung der heutigen Probleme bedarf immer mehr der regiona-len und internationalen Zusammenarbeit. Auch die wirtschaftliche Entwicklung Ti-bets kann am besten gewährleistet wer-den, wenn Tibet Teil der Volksrepublik China bleibt. Daher wollen wir aus Ein-sicht und Überzeugung Teil der Volksre-publik bleiben.

Dieser Vorgang bedarf jedoch eines Übereinkommens auf dem Verhandlungs-weg. Solange eine einvernehmliche und von beiden Seiten akzeptierte Lösung auf dem Verhandlungsweg nicht gefunden wird, muss die völkerrechtliche Legiti-mation der chinesischen Präsenz in Tibet versagt bleiben. Daher ist es nicht hilf-reich für die Lösung des Tibet-Problems, wenn Regierungen im vorauseilenden Ge-horsam Tibet als Teil Chinas anerkennen. Denn so wird ein wichtiger Anreiz für die chinesische Regierung, sich mit den Tibe-tern ernsthaft an den Verhandlungstisch zu setzen, aus der Hand gegeben.

Der Dalai Lama ruft die Menschen auf, das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhun-dert des Dialogs und der Gewaltlosigkeit zu machen. Mit dieser Geisteshaltung hat der Dalai Lama versucht, durch Dialog auf dem Verhandlungsweg eine friedliche Lösung für das Tibet-Problem zu finden – was für beide Seiten von Vorteil ist.

Die Volksrepublik China ist ein mul-tinationaler Staat und versucht wie viele andere Staaten, die Nationalitätenfrage durch Autonomie und Selbstverwaltung von nationalen Minderheiten zu lösen. Die chinesische Verfassung beinhaltet die nötigen Grundprinzipien über Autonomie und Selbstverwaltung und stellt im Prin-zip sicher, dass die Kultur und die Iden-tität von nationalen Minderheiten ge-schützt wird. Die Bedürfnisse der Tibeter nach Selbstverwaltung können mit den von der Verfassung gesetzten Prinzipien weitestgehend erfüllt werden. Sie sollten aber auch in die Tat umgesetzt werden.

Verhandlungen seit 2010 unterbrochenIm Jahr 2002 konnte ein direkter Kontakt mit der chinesischen Führung hergestellt werden. Seither fanden etliche formelle und informelle Gespräche statt, letztmals Ende Januar 2010. Seit mehr als drei Jah-ren herrscht nun Funkstille.

Leider haben die Gespräche keine Ver-besserung der Lage im Tibet oder eine Annäherung gebracht. Im Gegenteil: Die Repression Chinas gegen die Tibeter hat in der Zwischenzeit zugenommen. Allei-ne in den letzten zwei Jahren haben sich mehr als Hundert Tibeter selbst verbrannt.

Diese Selbstverbrennungen aus purer Ver-zweiflung sind bedauerlich und äusserst tragisch und veranschaulichen die Dring-lichkeit, die Tibet-Frage nun endlich zu lösen.

Die chinesische Regierung hat alle Vorschläge für eine echte Autonomie für Tibet zurückgewiesen. Die chinesische Führung vertritt den Standpunkt, dass es kein Tibet-Problem und keine Tibet-Frage gibt.

Der chinesischen Führung fehlte es bislang am politischen Willen, die Tibet-Frage zu lösen. Deshalb hat die tibetische Seite in der Zwischenzeit Initiativen er-griffen, um Kontakte zu chinesischen Stu-denten, Akademikern und Geschäftsleuten herzustellen resp. zu intensivieren. Heute findet sich unter der gebildeten und in-formierten chinesischen Bevölkerung eine wachsende Anzahl Menschen, welche die Tibet-Politik der chinesischen Regierung kritisieren und die Position und den Lö-sungsansatz des Dalai Lama und der ti-betischen Führung im Exil unterstützen. Vor diesem Hintergrund bin ich mittel- bis langfristig optimistisch und hoffnungs-voll, dass auch für das Tibet-Problem eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann. Abzuwarten bleibt, ob die neue chi-nesische Regierung die in sie gesteckten hohen Erwartungen erfüllen kann.

Text: Kelsang Gyaltsen,

Sonderrepräsentant des Dalai Lama für Europa

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7VOICE | 2-2013

GfbV: Marco Arana, Sie kämpfen gegen die Goldmine Yanacocha. Weshalb?Marco Arana: Als Priester war ich viele Jahre direkt konfrontiert mit der Armut der Menschen und den negativen Folgen, welche die Mine auf die Bevölkerung hat. Die Menschenrechtsverletzungen führten schliesslich dazu, dass ich begann, mich für den Umweltschutz und die Rechte der Bauerngemeinschaften zu engagieren.

Seit 20 Jahren wird in Yanacocha Gold abgebaut. Welche Auswirkungen hat die Mine auf Mensch und Umwelt?Wie jede industrielle Grossmine verbraucht auch Yanacocha viel Land und Unmengen an Wasser. Um die Mine zu betreiben, wer-den Wasserleitungen gelegt, Flüsse umge-leitet und das Wasser aus den Bergseen abgepumpt. Etliche Seen sind ausgetrock-net und die Flüsse führen kaum noch Was-ser. Für die Bauern ist das dramatisch, sie sind auf Wasser angewiesen. Viele Bauern müssen das Land verkaufen, weil sie es nicht mehr bewirtschaften können.

Vor allem aber die Wasserverschmut-zung ist ein grosses Problem. Der Ein-satz des giftigen Zyanids, der Abbau von Quecksilber und anderen Schwermetallen und die Entsorgung des Giftmülls in den Gewässern führten dazu, dass das Wasser nicht mehr getrunken werden kann. Die Regierung kann oder will selbst minimale Umweltnormen nicht durchsetzen.

Kämpfer gegen die Problemmine YanacochaUmwelt- und Menschenrechtsaktivist Marco Arana

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Die zum us-amerikanischen Newmont-Konzern gehörende Minenbetreiberin Minera Yanacocha will die Mine erwei-tern. Was hätte das für Folgen?Die Folgen wären gravierend. Bis heute sind der Mine Yanacocha 25 000 Hekta-ren Boden zum Opfer gefallen. Mit dem Erweiterungsprojekt würde noch mehr Bo-den kaputt gemacht. Zudem würde das ge-samte Wasser-Ökosystem des Tals zerstört und die noch intakten Bergseen würden verschwinden. Das Erweiterungsprojekt ist eine ökologische, ökonomische und soziale Bedrohung für die Landwirte und die Viehzüchter der Region, aber auch für die Bewohner der angrenzenden Städte.

Im Juli letzten Jahres kam es bei Pro-testen zu blutigen Auseinandersetzun-gen zwischen Protestierenden und der Polizei. Wie konnte es soweit kommen?Die Bevölkerung von Cajamarca hat seit 2002 versucht, das Minen-Projekt zu stoppen. Einsprachen gegen die Minen-erweiterung der betroffenen Bevölkerung versandeten. Selbst Entscheide des Bür-germeisters gegen die Mine wurden nicht respektiert. Als der Weg über die Instituti-onen erschöpft war, trug die Bevölkerung ihren Protest auf die Strasse. Schliesslich rief die Regierung unter Ollanta Humala den Notstand aus, verbot weitere Protest-aktionen und militarisierte so eine ganze Region. Das liess sich die Bevölkerung

nicht gefallen. An Demonstrationen im Juli 2012 kam es zu gewaltvollen Ausein-andersetzungen, bei denen fünf Personen starben. Eines der Opfer war erst 16 Jahre alt. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Wie ist die Situation heute?Formell gilt zwar ein Baustopp. Doch viele befürchten, dass das Minenunternehmen illegal mit den Arbeiten für die Erweite-rung der Mine beginnt. Deshalb haben die Bauern der Region eine Art «Wache» bei den Bergseen organisiert. Die sogenann-ten «Hüter der Bergseen» beschützen seit Monaten die Seen vor der Zerstörung durch die Bagger der Minenbetreiberin.

Ein grosser Teil des Yanacocha-Goldes wird in der Schweiz bei Valcambi raffi-niert. Was können wir hier tun?Das beste Mittel gegen schmutzige Ge-schäfte ist Transparenz. Die Schweizer müssen wissen, dass schmutziges Gold auch in der Schweiz verarbeitet wird. Es ist deshalb wichtig, dass Organisationen wie die GfbV auf die Probleme hinweisen. Der Schweizer Bevölkerung möchte ich sagen: Fordert von eurer Regierung, dass Schweizer Firmen gesetzlich verpflichtet werden, nur noch sauberes Gold zu impor-tieren.

Interview: Marianne Naeff, Golda Fuentes, GfbV

Marco Arana an der BaselWorldDer ehemalige Priester Marco Arana (hier anlässlich der Eröffnung der weltweit grössten Uhren- und Schmuckmesse BaselWorld) kämpft seit über 20 Jahren für den Schutz der Lebensgrundlagen der bäuer-lichen und indigenen Bevölkerung in der Region Cajamarca und ver-sucht, die Betreiber von Südame-rikas grösster Goldmine Yanacocha für eine Reihe von Menschenrechts-verletzungen und Umweltvergehen zur Rechenschaft zu ziehen. 2002 war Marco Arana Mitbegründer der Umwelt- und Menschenrechtsorgani-sation Grufides. Grufides unterstützt Bauern in ihrem Kampf.

«No dirty Gold!»Das Goldgeschäft ist ein schmutziges Geschäft. Multinationale Bergbaukonzerne bauen Gold oft gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerungen ab. Der Goldabbau verschmutzt die Umwelt und entzieht so der teilweise indigenen Bevölkerung die Lebensgrundlage.

Eine zentrale Rolle im internationalen Goldgeschäft spielt auch die Schweiz. Rund ein Drittel des weltweit geförderten Goldes wird in der Schweiz verarbeitet. Vier der neun grössten Raffinerien haben ihren Sitz in der Schweiz. Die Schweiz steht also in der Verantwortung.

Die GfbV fordert mit ihrer Kampagne «No dirty Gold!», dass nur noch Gold in die Schweiz ein-geführt und verarbeitet wird, das unter Wahrung der Menschenrechte und unter Respektierung von hohen Umweltstandards abgebaut wurde.

Unterstützen Sie uns! Unterschreiben Sie die Online-Petition auf www.gfbv.ch/no_dirty_gold

8 VOICE | 2-2013