Vom Dinosaurier zum Sohn von Rambo

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Liliya Milkova Vom Dinosaurier zum Sohn von Rambo

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Das Bild des Regisseurs im selbstreflexiven Film

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Vom Dinosaurier zum Sohn von Rambo

Das Bild des Regisseurs im selbstreflexiven Film

Diplomarbeit von Liliya Milkova

Sommersemester 2009

Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung Stuttgart

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Betreuender Dozent: Prof. Christoph Dreher

Beratung: Prof. Helmut Draxler, Dr. Wilhelm Beermann

Korrektur: Stefanka Nikolova, Gestaltung: Liliya Milkova

Danke an: Mario Schuster, Yoana Markova, Felix Winkler

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Inhaltsverzeichnis

Einführung

Selbstreflexivität vor dem Film

Das Künstlerbildnis in der Kunsttheorie

Das Künstlerbildnis in der Kunstgeschichte

Der Heilige Lukas

Das Künstlerbildnis in der Renaissance

Das 19 Jh. – neue Bedeutung der künstlerischen Selbstreflexivität

Die Moderne

Selbstreflexivität im Film

Definition und Typologie

Definition

Typologie

Geschichte und Begründung der filmischen Selbstreflexivität

Filmgeschichtliche Anfänge der Selbstreflexivität

Gründe zur filmischen Selbstreflexivität

Die ästhetische Selbstreflexivität

Das Bild des Regisseurs im selbstreflexiven Film

Einführung

Der auteur

Der Cineast

Der Mythos (Der Dinosaurier)

Das Remake

Der Geist

Schlusswort

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Einführung Diese Arbeit widmet sich dem Regisseur im selbstreflexiven Film. Den Anstoss zur theoretischen Auseinandersetzung mit seinem Bild gab eine Beobachtung, der mein Interesse für selbstreflexive Filme zugrunde liegt. Mir ist aufgefallen, dass im Rahmen der Erzählungen über das Filme-machen, sehr unterschiedliche Bilder vom Regisseur1 auftreten. Wie es zu diesen Unterschieden kommt, war die erste Frage. Sie hat zu immer weiteren Fragen geführt, deren Antworten in dieser Arbeit gemündet sind.

„Das Bild des Regisseurs. . . Zum Beginn meiner Recherche war es wichtig, die Essenz vom Bild des Regisseurs zu finden. Was ist eigentlich ein Bild vom Regisseur im Film? Es ist das Bild eines kreativ tätigen Menschens in dem Produkt dieser kreativen Tätigkeit. Dieser Gedanke hat mich zurück in die Kunst-geschichte geführt, zu den Künstlerbildnissen in der Malerei. Ich habe sie, zusammen mit den damit verbundenen Theorien studiert und dabei einen besonderen Zusammenhang entdeckt – das Künstlerbildnis hat immer den Ideenentwicklungstand der Kunst repräsentiert und diskutiert. Den gleichen Zusammenhang entdeckte ich auch beim Bild des Regis-seurs im Film - es ist ein direkter Kommentar zur Ideenentwicklung des Kinos. Das Bild vom Regisseur repräsentiert nicht nur seinen film-geschichtlichen Kontext, es spricht die dazugehörigen Ideen direkt aus.

1 Ich möchte darauf hinweisen, dass das Wort „Regisseur“ den Beruf bezeichnet und an seiner Ausübung gebunden ist. Hier wird damit nicht „er ist Regisseur“, sondern „das ist der Regisseur des Films“ gemeint .

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Dieser Zusammenhang macht es aus und ist Leitmotiv in meiner Arbeit. Außerdem setzt er eine Entwicklung des Bildes voraus, die Parallel zur Entwicklung vom Film verläuft. Bei der Analyse der selbstreflexiven Filmen habe ich fünf verschiedene Stadien dieses Bildes entdeckt, die in dieser Arbeit präsentiert und analysiert werden. Genannt habe ich sie der auteur, der Cineast, der Mythos(der Dinosaurier) , das Remake und der Geist. . . . im Selbstreflexiven Film“ Das Bild vom Regisseur tritt im selbstreflexiven Film auf und ist somit ein Element der filmischen Selbstreflexivität. Damit stellt sich auch die Frage, was Selbstreflexivität überhaupt ist. Dieser Begriff bedeutet, in seiner allgemeinsten Auslegung, dass etwas sich, in sich selbst spiegelt. Da das filmische „Selbst“ und das Bewusstsein darüber eine ständige Entwicklung durchmachen, wandelt und erweitert sich auch der Begriff der filmichen Selbstreflexivität. Die Facetten einer Selbstreflexion wachsen mit den Ideen über Film bis sie in der Postmoderne an einem Punkt angelangen, an der ihre Ausbreitung infalationär ist. Über die Definition hinaus gehen jedoch die symbolische Aufladung und die Folgen des Aktes „selbstreflexiv sein“. Der Blick zu sich selbst und die intensiven Gedanken über das eigene Schaffen haben Künstler schon immer die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen Grenzen zu erfassen und somit zu erweitern. Selbstreflexivität treibt eine Kunst vorran und ist ein wichtiger Faktor für ihre Ideenentwicklung. Das zeigt sich sowohl in der bildenden Kunst, als auch im Film. Außerdem stellt das Thematisieren des Werks im Werk eine Verbindung zwischen Produktion und Rezeption her und bildet damit einen Diskurs: „Ich sage, dass ich spreche“2. Selbstreflexive Werke stellen den Betrachter in eine kommunikative Situation, vermitteln ihm Wissen über die Kunst und treiben seine Überlegungen darüber an.

2 Foucault

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Otto Dix hat mal gesagt: „...es gibt so viele Seiten eines Menschen. Am Selbstbildnis kann man sie am besten studieren“. Ähnlich behaupte ich hier: Es gibt so viele Seiten des Filmemachens. Am Bild des Filmemachers kann man sie am besten studieren.

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Selbstreflexivität im Film ist schon lange nichts neues und fällt meistens nicht als etwas besonderes auf. Doch es ist nie bedeutungslos, wenn ein Film das Machen eines Films zeigt. Der Akt der Selbstreflexivität wurde in der Kunstgeschichte schon Jahrhunderte vor dem Film entwickelt und mit Bedeutung aufgeladen. Die Darstellung des Kunstwerks oder des Künstlers im Kunstwerk hat meistens Ideen und Philosophien über die Kunst repräsentiert und somit die Kunstgeschichte und -Theorie in Bildern geschrieben. Um zur Bedeutung der Selbstreflexivität und des Bildes vom Regisseur im Film zu gelangen soll darum zunächst ein Blick auf die Entwickung der Künstlerbildnissen in der bildenden Kunst des Abend-landes geworfen werden. Das Künstlerbildnis in der Kunsttheorie Das Bild vom Künstler stand schon immer in Zusammenhang mit den Ideen über Kunst und Welt. „Kulturgeschichtlich ist die Rolle des Spiegelbildes und des Selbstporträts untrennbar an den jeweiligen ideen-geschichtlichen Diskurs geknüpft, präziser: an die Frage nach der Möglichkeit vom Welt- und Selbsterkenntnis, wie sie im ästhetischen Akt und seinem Produkt symbolisch repräsentiert wird“1. Übertragen auf dem Film würde dies bedeuten, dass das Bild vom Regisseurs im selbstreflexiven Film an den filmgeschichtlichen und - theoretischen Kontext geknüpft ist und das jeweilige Verhältnis zwischen Film und Welt reflektiert. Oftmals stehen Künstlerbildnisse durch Zitate oder Kompositionselemente in einem intertextuellen Dialog zueinander. Künstler tauschen damit untereinander Ideen aus, bestätigen oder verwerfen gegenseitig ihren Blick auf die Kunst und erweitern somit ihr Ideenprogramm. In Momenten der Einsamkeit und der öffentlichen Verständnislosigkeit ihrer Kunst gegen-über suchen sie Kontakt zu der Außenwelt, zu Seelen- und Schaffens-verwandten. Im Film, der ein derartig vielfältiges und umstrittenes Bild in der Öffentlichkeit hat, sind der kommunikative Aspekt der Selbst-reflexivität und die intertextuellen Elementen darin, noch stärker

1 „Mimesis im Spiegel. Spekulative Horizonte des Selbstportraits“ in Kunstforum International: Jörg Zimmermann; 1991

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ausgeprägt. Ich habe kaum einen selbstreflexiven Film entdeckt, der keine Bezüge zu anderen solchen herstellt. Selbstreflexive Bilder in der bildenden Kunst entstehen und platzieren sich meist in die Tradition des Selbstporträts. Nach Ludwig Goldschneider2 ist sogar jedes Bild eines schaffenden Künstlers ein Selbstporträt. Auch wenn diese These eine Frage der Definition ist und auf keinen Fall einen allgemeinen Wahrheitsanspruch erhebt ist in der Tat die Darstellung eines kreativen Prozesses auch meistens eine Reflexion auf dem eigenen Schaffen oder zumindest mit der eigenen Erfahrungen verbunden. Diese Verbindung verleiht künstlerischer Selbstreflexivität eine ganz besondere Funktion. Der Blick zu sich selber gibt den Künstlern die Möglichkeit, ihre Grenzen zu erfassen und somit sie auch zu überschreiten. Genau diese Grenzüberschreitung ist am wichtigsten für die Entwicklung und den Fortschritt der Kunst. Deswegen häufen sich selbstreflexive Werke, sowohl in der bildenden Kunst, als auch im Film, meistens in Umbruchmomenten an. Solche wären z.B. der Einbruch der Renaissance und der Moderne; die Nuvelle Vague und die Digitalen Revolution. Es wurde in der Kunstgeschichte so viel über das Selbstporträt in jeder seiner möglichen Gestalten geschrieben und nachgedacht, dass eine Art „Theorie des Selbstporträts“ entstanden ist, „die langsam aber stetig in vier-tausendjährige Tradition entwickelt wurde.“3 Ein Hauptaugenmerk dieser „Theorie des Selbstporträts“ richtet sich auf das Bild des schaffenden Künstlers und dessen Bezug zur Ideenentwicklung der Kunst. Damit ist sie ein Vorläufer meiner Theorie vom Bild des Regisseurs und sein Bezug zu der filmischen Ideenentwicklung. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Entwicklung vom vorfilmischen selbstreflexiven Künstlerbild und von den damit verbundenen theoretischen Erfahrungen.

2 Fünfhundert Selbstporträts von der Antike bis zur Gegenwart: Ludwig Goldschneider; Phaidon-Verlag, Wien 1936 3 Die Geschichte des Selbstporträts : Omar Calabrese. - München : Hirmer, 2006, S. 24

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Das Künstlerbildnis in der Kunstgeschichte

Der Wunsch sich und seine Arbeit in ihrem Produkt zu verewigen, also künstlerische Selbstreflexivität, ist schon immer ein Teil der Kunst gewesen. Die Suche nach dem ersten Bildnis eines Künstlers führt uns Jahrhunderte vor Christi zurück zu dem alten Ägypten. Jedoch, erfolgt die gendankliche Erfassung der Selbstreflexion und ihr ge-zieltes Anwenden als Ausdrucksmittel viel später. Das Selbstporträt als Gattung entsteht erst zwischen dem 15. und 16. Jh.

Der Heilige Lukas

In der abendländischen Kultur kann man das Bild eines schaffenden Künstlers auf die mittelalterlichen Bildnisse des Heiligen Lukas zurück-führen. Im Mittelalter hat der Maler einen niedrigen gesellschaftlichen Status. Sein Schaffen wird ihm von einer übergeordneten religiösen In-stanz gewährt und wird als reines Handwerk betrachtet. In dieser Zeit entwickelt sich der Mythos – die Madonna sei Lukas erschienen und er habe sie gemalt – als Legitimation zu einer realistischen Gottes- Darstellung, aber auch als Legitimation zu dem Bildnis eines Künstlers. Das älteste bekannte Lukas Bild ist von Roger van de Weyden. Hier ist der Akt des Malens als ein Aufschreiben dargestellt. Die Utensilien eines Malers wie Palette und Staffelei fehlen noch. Der Raum ist religiösen Charakters und es ist ein Nebenraum voller Schriften und Bücher auf dem Bild zu sehen. In van de Weydens Lukasbildnis gibt es keine besondere bildliche Inszenierung und keine symbolische Aufladung des künst-lerischen Aktes. Fünfzig Jahre später übernimmt Dierick Botus die Bild-konstruktion van de Weydens. Jedoch sind jetzt die Bücher im Nebenraum durch Staffelei und Malutensilien ersetzt - ein scheinbar kleiner, neben-

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sächlicher Unterschied verändert das Bild des Künstlers und zeigt schon hier die ideologische Kraft eines Künstlerbildes. In der Renaissance vollzieht sich ein Schritt in der Ideenentwicklung der Kunst, der im Künstlerbildnis einen klaren Ausdruck findet. Dabei lösen sich die Bindungen zur übergeordneten religiösen Macht auf und das Künstlerindividuum, mit seinen inneren und äußeren Erscheinungen wird neu ins Bild gerückt. Das Motiv des Heiligen Lukas tritt wieder mehrmals auf, aber in einer neuen zu dem Ideenmuster der Zeit passenden Dar-stellung. Der künstlerische Akt ist in den Vordergrund gestellt und in großer Geste inszeniert. Eins von vielen Beispielen ist das Lukas Bild von Frans Floris (1556), in dem die Madonna nicht zu sehen ist. Wir befinden uns nicht mehr an einem heiligen Ort sondern in der Werkstatt des Malers. Er blickt zum Betrachter, der somit den Platz der Madonna annimmt. Der Künstler ist hier ganz klar ein Schöpfer. An den Lukas Bilder wird die Beziehung zwischen der Ideenentwicklung der Kunst und der Darstellung des Künstlers als erstes ganz deutlich.

Das Künstlerbildnis in der Renaissance

Der Künstler bekommt in der Renaissance einen ganz anderen Status in der Gesellschaft. Jetzt ist er kein Handwerker mehr, sondern ein Wissen-schaftler und ein Gelehrter. Staffelei, Palette und Pinsel werden mit den Instrumenten des technischen Fortschritts gleichgesetzt. Das Selbstporträt ist jetzt völlig legitim und bekommt eine angesehene Stellung. Künstler präsentieren sich jetzt stolz bei der Arbeit. Durch die Art und Weise, wie der Künstler sich im Bild inszeniert, manifestiert er immer wieder die Wichtigkeit seiner Kunst. Ein Beispiel ist hier das Velazquez Bild „La Meninas“ (1656), in dem er sich stolz als königlicher Maler, Ritter und treuer Diener darstellt. In der Renaissance etabliert sich das Selbstporträt als Gattung und das Abbilden des künstlerischen Aktes als seine Untergattung. In Europa verbreitet sich der Spiegel - zweifellos der wich-tigste Gegenstand in der Entwicklung des Selbstporträts und ein Symbol für Selbstreflexivität.

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Damit entstehen neue Bilder eines künstlerischen Aktes – die des Selbstporträtierens. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Selbstporträt von Johannes Gumpp (1646), in dem der Künstler mit dem Rücken zum Betrachter steht und sein Gesicht nur im Spiegelbild und auf dem Bild im Bild zeigt. Diese Darbietung tritt immer wieder in Selbstporträts auf. Wir sehen den Künstler, den Spiegel, in dem er sich anschaut und das Bild, das er malt. Der Künstler entlarvt damit das Bild als Bild und den technischen Trick, der dahinter steckt und stellt somit den Betrachter in einer diskursiven Position. Es stellt sich die Frage: sehen wir ein Bild vom Künstler oder vom Spiegel, oder steht das Bild für sich selbst. Und worin liegt der Unterschied? Die Kunst und damit das Bild des Künstlers unterliegen einem langsamen Individualisierungsprozess. „Die aufkommende Frage nach dem „ich“ stellt auch immer mehr die Frage nach dem Tod in den Vordergrund. „Todes-allegorien treten seit dem 16. Jh. immer mehr im Selbstbildnis auf.“4 Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit wird dabei als schöp-ferischer Anstoss betrachtet.

4 Das Selbstportrait im Zeitalter der Photographie: Hrsg. Erika Billeter. Bern 1985

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Das 19.Jh. – neue Bedeutung der künstlerischen

Selbstreflexivität Anfang des 19. Jh. gewinnen Umwelt, Ateliers und Werke der Künstler immer mehr an Bedeutung für das Bild, das sie von sich präsentieren. In dieser Zeit ergibt sich eine weitere interessante Konstellation zwischen einer extremen Gestalt philosophischer Selbstreflexion und einem neuartigen Typus malerischer Selbstdarstellung, die den Weg einer Mimesis „ ...verläßt, um das Problem in eigenem Medium spekulativ zu verallgemeinern.“5 Bemerkenswert ist das ironische Bild von Jean Baptiste Simeon Chardin, „Der Affenmaler“, das den Maler, in seiner typischen Haltung und der selbstporträtistischen Bildkomposition, als Affe malt. Das Interessante hierbei ist, dass nicht die äußere Ähnlichkeit die Identifikationsgröße Chardins ist sondern der künstlerische Akt. Das Bild hat zudem als Referenz die Konstruktion des Selbstporträts und verlässt sich damit auf ein bestimmtes Wissen des Betrachters darüber. Das Künstlerbild wird nun nicht nur räumlich sondern auch zeitlich platziert. Durch Bilder im Bild und durch kompositorische Zitate weisen die Künstler auf ihre Ideen-vorfahren hin und platzieren sich in der Kunstgeschichte. Ein gutes Bei-spiel ist das Selbstporträt von Therese Schwartze (1888), in dem sie, Hand über den Augen, aus dem Bild in die Ferne schaut - die gleiche Geste wie im Selbstbildnis von Sir Joshua Reynolds von 1753-54. „Es könnte sich um ein Zeichen der Verehrung oder aber um das Eingeständnis eines künstlerischen Einflusses handeln“6 , oder um beides. Einen Schritt weiter geht Gustav Courbet in „Das Atelier des Malers“, in dem er sich im Zentrum einer großen Szenerie abbildet. Während er in der Bildmitte eine Landschaft malt, von Symbolen der Reinheit und Natürlichkeit umgeben - ein Kind, ein musenartiges nacktes Model und einen kleinen Hund – ist sein Atelier voller Menschen - viele von denen bekannte Künstler und Denker. „Courbet schuf mit diesem Werk ein großes programmatisches Manifest, denn sowohl die hier auftretenden bekannten Persönlichkeiten als auch die typisierten Figuren repräsentieren

5 „Mimesis im Spiegel. Spekulative Horizonte des Selbstportraits“ in Kunstforum International: Jörg Zimmermann; 1991 6 Der Künstler über sich in seinem Werk : Hrsg. Matthias Winner; Acta Humaniora, 1992.

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politische Ideen oder gesellschaftliche Gruppen.“ Hier werden die den Künstler umgebenden Menschen zu aktivem Teil seines Bildes, genau wie die Umgebung eines Regisseurs im Film sein Bild vervollständigt.

Die Moderne In der Moderne manifestiert sich die Kunst als subjektiver Schöpfungsakt, der Bildinhalt - als persönliche Reflexion des Künstlers. „Der Künstler ging immer mehr den langen Weg auf sich selbst zu, bis er in äußerster Ausschließlichkeit sich selbst zum Inhalt der Kunst machte“7. Die Kon-struktion des Kunstwerkes selbst wird zum einzigen übergebliebenen Sinn erhoben. Selbstreflexivität wird zu dem ästhetischen Ausdrucksmittel der Moderne, schlechthin. Dabei wird das Künstlerbild als die persönliche Suche nach dem Sinn der Kunst entlarvt. Kunst als Existenzmodus – das sagt die Moderne.

Nicht nur das Aussehen, die Umgebung, die Vorlieben repräsentieren den Künstler - seine Ausdrucksmittel sind ein Teil seiner Identität geworden. Die Fragen nach der Kunst sind für ihn Existenzfragen. Schaffens- und Existenzkrise sind nicht mehr voneinander zu trennen. Selbstreflexivität verlagert sich mehr auf die Ästhetik, als auf dem Inhalt. In dieser Zeit wird der Film geboren. Schon in seiner Geburtstunde begegnet dem neuen Medium die Idee vom komplexen Künstlerbild, das sich aus mehreren Ebenen zusammensetzt und sich tief mit der Theorie und Philosophie der Kunst und des jeweiligen Künstlers verbindet. Bald zeigen sich diese Ideen auch im Bild des Regisseurs.

7 Ebd.

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Definition und Typologie

A. Definition

Der Begriff der künstlerischen Selbstreflexivität ist spätestens seit der Moderne zentral in der Kunsttheorie. Er ist ein komplexer Begriff, der sich immer weiter entwickelt hat, dessen Grenzen sich vom Fall zum Fall erweitert und verschoben haben. Übertragen auf dem Film hat dieser Begriff so viele Definitionsmöglichkeiten und Facetten, dass die Frage aufkommt: Was ist überhaupt filmische Selbstreflexivität? „Der Film thematisiert seinen Status als Film“1. So definiert Kay Kirchmann übergreifend die filmische Selbstreflexivität. Nach einigen Überlegungen zur Heterogenität des „Filmischen“ bietet er folgende Definition für den selbstreflexiven Film an : „Selbstreflexiv ist ein Film, der eine oder mehrere seiner

Konstituenten thematisiert“

Ein selbstreflexiver Film ist also ein Film über Film. Das heißt, eine filmische Darstellung dessen, was Film ist. Logischerweise wirft das sofort die Frage auf : Was ist Film? Aus den möglichen Antworten auf diese Frage läßt sich auch die Antwort auf die Frage, was filmische Selbst-reflexivität ist oder sein kann herausleiten. Da ein Film so viele verschiedene Aspekte und Gesichter hat: ein “ästhetisches Phänomen, ein ästhetisches Produkt (das als solches arbeitsteilig her-gestellt wird), ein kollektiv rezipiertes Massenmedium, ein sozialer und politischer Kommunikationsfaktor, eine Wahrnehmungsmatrix, ein Zeichensystem, eine Ware...und etliches andere mehr.”2, bekommt die oben eingeführte Definition einen viel zu großen Umfang. Es wird eine genauere Erklärung benötigt, die sich auf die verschiedenen Facetten vom Film bezieht. Hier ist es zu betonen, dass man nach und nach in der Erkenntnis dieser Aspekte gekommen ist. Das heißt, der Begriff, filmische Selbstreflexivtät, hat sich mit der Entwicklung vom Film erweitert. Die Reflexion auf einem oder auf mehreren dieser Aspekte macht einen Film

1 Kay Kirchmann in “Film und Kritik“, Heft2: Selbstreflexivität im Film; Hrsg. Amann, Kaltenecker, Keiper; Stroemfeld, Basel 1993 2 Ebd.

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selbstreflexiv. Die Kombinationsmöglichkeiten sind praktisch unendlich. Mir geht es ganz und gar nicht darum, klare Definitionen zu suchen oder zu erfinden. Ich will keine Grenzen ziehen sondern Unterscheidungen treffen. Es müßten eigentlich mehrere Worte für filmische Selbst-reflexivität erfunden werden, um sie überhaupt sprachlich erfassen zu können. An dieser Stelle möchte ich kurz zusammenfassen, wie man bis jetzt an selbstreflexive Filme herangegangen ist, was sich daraus schließen läßt und was daraus für mein Thema relevant ist. „Film im Film“ ist eine Bezeichnung, mit der selbstreflexive Filme von manchen als Genre klassifiziert worden sind. Diese Behauptung konnte sich jedoch nie wirklich durchsetzen, weil „Film im Film“ ein zu weites Feld umfasst. Ein selbstreflexiver Film könnte unterschiedlicher Genres angehören oder mehrere Genres verbinden und sie als Mittel einsetzen. „Film im Film“ ist genau so wenig ein Genre und sagt, im Prinzip, genau so wenig über den Film aus, wie zum Beispiel „Polizei im Film“. „Grundbegriffe, die wie „Film in Film” ein allzu weites Feld zu umfassen suchen, verlieren ihre klassifikatorische Funktion”.3 Meiner Meinung nach, ist es wichtiger, die selbstreflexiven Filme voneinander abzugrenzen als sie unter einem gemeinsamen Nenner zu bringen - eine Typologie zu erstellen. Es wurden in der Filmtheorie mehrere Versuche dazu gemacht und verschiedene typologische Varianten entworfen. Letztlich bieten die Theoretiker unterschiedliche Kombinationen an, doch keiner schafft es, genau die „richtige“, objektive, ausnahmslose Typologie des selbstreflexiven Films zu machen. Die Varianten sind immer einem übergreifenden Thema untergeordnet. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, eine grobe Typisierung zu erstellen, die sinvoll für meine Arbeit ist. Es ist wichtig zu betonen, dass sie keineswegs den Anspruch erhebt, die einzig mögliche oder die einzig richtige zu sein.

3 Film-Reflexionen: autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc Godard und Federico Fellini: Harald Schleicher; Niemeyer, Tübingen 1991.

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B. Typologie

Grundlegend für meine Typologie sind zwei Fragen zur filmischen Selbstreflexivität: welcher Aspekt vom Film wird genau thematisiert und welche Funktion die Selbstreflexivität in dem jeweiligen Film hat? Daraus resultiert eine Filmauswahl, in der das Bild vom Regisseur eine zentrale Rolle spielt. Da die Figur des Regisseurs ein Element der Narration ist, bezieht sich meine Typologie auf sie und nicht auf die Ästhetik. Zur zeitlichen Einordnung der verschiedenen Typen läßt sich sagen, dass sie nach und nach aufgekommen sind, einander jedoch nicht ersetzt oder aufgelöst haben. Das heißt, wir können die ersten Typen auch in neuen Filmen vorfinden. 1. Aspekt

Was die Frage des Aspektes betrifft, könnte man sich (wie Kay Kirch-manan) an der gesellschaftlichen Position vom Film orientieren (Kunstwerk, Industrieprodukt, gesellschaftlich prägendes Medium, wahr-nehmungprägendes Medium, etc.). Diese Aufteilung ist abstrakter, philo-sophischer und würde ein viel zu breites Feld von Filmen einschließen. Da ich später die verschiedenen Ideen über Film anhand des Bildes vom Regisseur untersuchen werde, ist hier eine Aufteilung sinnvoller, die das Bild vom Regisseur konkreter miteinbezieht. Ich werde deswegen die selbstreflexiven Filme auf einer sachlicheren Ebene klassifizieren. Dabei erschließen sich drei Hauptgruppen Filme: über das Drehbuchschreiben, über die Produktion und über die Rezeption vom Publikum. Filme die das Schreiben eines Drehbuchs thematisieren und meistens einen Drehbuchautor als Hauptfigur haben, zeigen die Zeit vor der Produktion, die Geburt der filmischen Idee. Zu dieser Gruppe gehören z.B. die Filme „Sunset Blvd.“, „Barton Fink“ und „Adaptation“. Die Arbeit eines Drehbuchautors wird meistens in Hollywoodfilmen zum Thema, was sicherlich an der strengen Arbeitsaufteilung in der Traumfabrik liegt. Drehbuchautor und Regisseur haben da oft nichts miteinander zu tun. Die größten Regisseure in der Filmgeschichte haben ihre Bücher selber geschrieben oder mindestens aktiv daran

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mitgeschrieben. Zum Beruf des Regisseurs gehört der Prozess des Drehbuchschreibens einfach dazu, wie wir später, an den ausgewählten Filmen erkennen werden. Dieser Prozess sollte eng mit der Entwicklung der Bildersprache verbunden sein. „Schon das sogenannte „Treatment“...ist nichts anderes als eine direkte Be-schreibung des Films.”4 So kann eine einheitliche künstlerische Idee am besten verfolgt und Geschichten in der Filmsprache erzählt werden. Ausnahmen gibt es natürlich, bei denen ein Drehbuchautor und ein Regisseur so gut zusammen arbeiten, dass sich eine künstlerische Vor-stellung fortschreiben läßt. “Dann müßen sie,was natürlich selten genug vorkommt, so gut zueinander passen wie Thea von Harbou und Fritz Lang, die ja sogar miteinander verheiratet sind”5 Eins ist klar – es wird nicht notwendigerweise ein Drehbuchautor benötigt, um ein Film zu machen. Seine Arbeit wird in der Filmwelt kaum gewürdigt, seine Figur ist im selbstreflexiven Film immer gescheitert. Der Drehbuchautor bekommt nichts vom Glanz der Filmwelt ab und ist immer im Hintergrund der Produktion. Da Filme über seine Arbeit diesen Sachverhalt umkehren und ihn in den Vordergrund stellen, ist der Regisseur in solchen Filmen nicht oder kaum anwesend. Deswegen wird dieser Typ Filme in meiner Arbeit nicht mehr vorkommen. Filme, die den Produktionsprozess und die Dreharbeiten an einem Film thematisieren, sind für meine Arbeit die wichtigsten. Zu dieser Gruppe gehören alle Filme meiner Auswahl, wie auch viele andere, wie zum Beispiel: „Die Warnung vor einer heiligen Nutte“, „Living in Oblivion“, usw. In diesen Filmen wird den Zeitraum der Dreharbeiten an einem Film gezeigt. In dieser Zeit ist der Regisseur eindeutig die führende Person, derjenige, an dem es liegt, den Film zu erschaffen. Logischerweise spielt in diesem Typ Filme der Regisseur immer eine tragende Rolle, selbst wenn er nicht die Hauptfigur ist. Oft bestimmen genau die Be-sonderheiten seiner Figur den Zeitraum, den wir im Film sehen: Casting, einige Aufnahmen, der Schnitt, oder die kompletten Dreharbeiten – es gibt viele Varianten. Die Filme über den Produktionsprozess und die Dreharbeiten zeigen verschiedene Antworten auf den Fragen, wie wich-

4 Film als Kunst: Rudolf Arnheim; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002 5 Ebd.

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tig die Arbeit des Regisseurs ist und was genau sie so besonders macht. Damit präsentieren sie verschiedene Bilder vom Regisseur. Filme, die sich mit der Rezeption vom Publikum eines Films beschäftigen und damit sich auf den schon fertigen Film beziehen (z.B. „The Purple Rose of Cairo“), sind vergleichsweise wenig. Dieser Aspekt tritt öfter im Rahmen der anderen Filmen auf. Da hier die Arbeit des Regisseurs schon getan ist, ist seine Figur im Film kaum vorhanden, oder nicht besonders ausgearbeitet. Eine Ausnahme ist Woody Allens „Stardust Memories“. Hier ist der Regisseur die Hauptfigur, obwohl der Film auf einem Film-festival spielt und keine Produktionselemente zu sehen sind. Diese Ausnahme resultiert daraus, dass es in Amerika eine nicht vergleichbare „Fandom Culture“ gibt. In „Jean-Luc Godard meeting Woody Allen“ sagt Woody Allen selber, dass in Amerika das Publikum richtige Welten um die Rezeption eines Films aufbauen würde. Im allgemeinen ist dieser Typ Film nicht relevant für die Entwicklung vom Bild des Regisseurs und damit auch für diese Arbeit. 2. Funktion Zur Funktion der Selbstreflexivität stellt sich die Frage: welche Position hat der Film im Film: ist er narrativer Rahmen, auftauchendes Element, oder Hauptthema. Der Film im Film als narrat iver Rahmen tritt seit den Anfängen Hollywoods auf. Darin sind Geschichten erzählt, die sich in der Holly-wood-Kinowelt abspielen, aber keine Auseinandersetzung mit dieser sind. Viel mehr sind sie Standart-Sujets, die genau sogut vor einem anderen Hintergrund erzählt werden könnten. Es geht in solchen Filmen nicht um den Film oder um das Filmemachen, sondern zum Beispiel um die arme Schauspielerin oder um den kranken Drehbuchautor. Oftmals wird eine Erfolgsgeschichte erzählt wie in „A Star was Born“. Der Film im Film ist nur Hintergrund und hat kaum Einfluss auf die Geschichte, die sich abspielt. Der Film tritt manchmal nur als Element im Film auf. Es handelt sich dabei um Filme, in denen ein Filmset, Dreharbeiten, eine Premiere, etc. kurz auftauchen, oder eine Figur vom Filmmilieu kommt. Hier wird der Film im Film nur exemplarisch gezeigt und ist weder Hintergrund noch

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Thema. Die Selbstreflexivität wird oftmals unbegründet integriert, um dem Film eine gewisse Kunstwürdigkeit zu verleihen. „Das filmische Werk, das sich dem Diskurs des Selbstreflexiven verschreibt, kann sich seiner Einordnung unter den Kanon des Kunstwerkes des ästhetisch Ambitionierten nahezu sicher sein: ja mehr noch: es darf sich der Zuschreibung eines Genium moderner Ästhetik erfreuen.”6 Logischer-weise wird in diesen Filmen kein komplexes Bild vom Regisseur und seiner Arbeit aufgebaut. Abschließend kommen die Filme, bei denen der Film Hauptthema ist. Unter dieser Kategorie fallen die meisten Filme meiner Auswahl. Die Handlung in diesen Filmen entwickelt sich aus einer filmspezifischen Problematik, mehr noch - sie weisen eine Problematik erst als film-spezifisch aus. Das sind die Filme über das Filmemachen, deren Geschichten durch Ideen und Gedanken über Film getrieben werden und nur innerhalb des Kinos existieren. Diese filmspezifische Geschichten haben sich jahrzehntelang als solche festgesetzt. Deswegen werden heute manche selbstreflexive Filme, die das Filmemachen als Hauptthema haben, sogar außerhalb der Kinowelt angesiedelt, wie zum Beispiel „Son of Rambow“. Aufgrund dieser groben Typologie selbstreflexiever Filme lassen sich einige Filme auswählen, die bedeutsame Bilder vom Regisseur hervor-bringen. Das sind diejenigen, in denen die Produktion und die Dreh-arbeiten eines Films gezeigt sind, und der Film Hauptthema ist. Ich beziehe mich auf Filme, die wichtig für ihre Zeit sind und das Bild des Regisseurs darin den jeweiligen filmgeschichtlichen Kontext reprä-sentiert. Es gibt einige Hollywoodfilme, die scheinbar die aufgeführten Kriterien erfüllen (z.B.“What just Happened“(2009) von Barry Levinson). Sie bedienen jedoch nur vorhandene Clichès und bauen keine komplexe, an der Filmgeschichte und –Theorie gebundene, Regie-Figuren auf. Ich werde mich deswegen auf europäische Autorenfilme und auf amerika-nische Independent Filme konzentrieren, die das Bild des Regisseurs in

6 Kay Kirchmann in „Film und Kritik“, Heft2: Selbstreflexivität im Film; Hrsg. Amann,

Kaltenecker, Keiper; Stroemfeld, Basel 1993

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einer ambitionierten Auseinandersetzung mit dem Filme-machen prä-sentieren.

Geschichte und Begründung der filmischen Selbstreflexivität Nach der Erklärung des Begriffes, und der Eingrenzung der verschiedenen Typen filmischer Selbstreflexivität, stellt sich die Frage, warum Filmemacher ihren Blick überhaupt zu sich selber gekehrt haben. Wie schon bei der bildenden Kunst festgestellt, ist Selbstreflexivität nie zufällig und steht meist in Zusammenhang mit der Ideenentwicklung der Kunst. Einführend zu der Beantwortung dieser Frage soll erst ein Blick auf die filmgeschichtlichen Anfänge der Selbstreflexivität geworfen werden. A. Filmgeschichtliche Anfänge der Selbstreflexivität

Zur Geburtsstunde des Films war die Konstruiertheit von Realität in der Kunst im modernen Bewusstsein schon reingeschrieben. Bei Film, als ein Medium, das die technische Fähigkeit besass, das bewegte Leben einzufangen, war doch sofort auch der Anspruch auf ein interpretationsloses Realitätsbild erhoben. Damit war ein grundsätzlicher Konflikt dem Film schon in die Wiege gelegt. Die Frage nach der Konstruiertheit des filmischen Bildes und nach dem Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit hat das Kino schon seit Anbeginn beschäftigt und hat es dazu getrieben, über seine eigene Mittel zu reflektieren. Manche bildliche und dramaturgische Auflösungen, die heutzutage kaum noch als selbstreflexiv wahrgenommen werden, waren in den Anfängen der Filmgeschichte eine gezielte Reflexion auf den filmischen Mitteln. So etwa, kommt in „ The big Swallow“ (1901) der Protagonist auf die Kamera zu, bis er sie schließlich „verschlingt“. Heute würde das kaum als selbstreflexiv gelesen werden, doch damals hat es ganz klar auf das Verhältnis vom Publikum zum Filmbild reflektiert. Dabei war die Kamera selbst der Spielpartner vom Protagonisten. Offensichtlich hat sich bis zum heutigen Tag der Begriff der Selbstreflexivität und ihre filmische Erscheinung mehrmals gewandelt

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und zusammen mit dem Kino entwickelt. Trotzdem sind die meisten Grundsätze der später aufgekommenen Ideen schon am Anfang des Kinos gelegt worden und ein, wenn auch unbewusster Bezug darauf findet noch heute statt. Wenn Dziga Vertovs „Mann mit der Kamera“ die Welt nur durch das Kinoauge sieht und erst dadurch neue Perspektiven entdeckt, lernen die Kinder in „Son of Rambow“ und in „Lisabon story“ die Welt durch die Videokamera kennen. In „Der Mann mit der Kamera“ (eine korrekte Übersetzung wäre „Der Mensch mit der Kamera“, die den Titel aufschlussreicher macht) stecken viele ästhetische und dramaturgische Formen, wie auch ideologische Aussagen der filmischen Selbstreflexivität, die wir auch in viel späteren Filmen entdecken. Hier soll das selbstreflexive Bild, ähnlich wie in der bildenden Kunst der Renaissance, einer Emanzipation von den anderen Künsten dienen. Das Selbstreflexive in „ Der Mann mit der Kamera“ manifestiert das Vorhandensein eines filmischen „Selbst“ und ist damit überhaupt der erste Schritt zur filmischen Selbstreflexion. Es wird das Sehen mit Hilfe und durch die Filmtechnik thematisiert. Der Film visualisiert Vertovs theoretische Suche nach einer reinen Form vom Film, frei von den Einflüßen der anderen Künste. Eine Suche nach dem „absoluten Film“, wie Balasz ihn nennt. Auch wenn „Der Mann mit der Kamera“ oft in der Geschichte des Dokumentarfilms reingeschrieben wird, ist „seine Ausgangsbasis nicht die Wirklichkeit sondern das Filmmaterial...Indem er immer wieder die Operatoren des Films wie Kamera, Objektiv, Schneidetisch, etc. bei ihren Tätigkeiten selbst ins Bild brachte....wollte er durch diese Verweise auf die Unterschiede von Wahrnehmung und Medienrealität, nicht nur die Materialität und Machbarkeit des Films, sondern auch die damit konstruirte Realität zeigen.“7 Der Bezug zwischen Filmtheorie und Praxis, der ein selbstreflexiver Film herstellt, äußert sich somit schon im Jahre 1929. Doch, auch wenn er nicht als Dokumentarfilm gedacht sein mag, schreibt sich „Der Mann mit der Kamera“ auch keineswegs in der Tradition des Spielfilms ein. Ich werde mich deswegen nicht weiter damit auseinander-setzen. Trotzdem finde ich, dieser Film ist einer der wichtigsten in der Geshischte der filmischen Selbstreflexion und prägend für jeden weiteren

7 Film als Film. 1910 bis heute.:Hrsg. Birgit Hein,Wulf Herzogenrath; Stuttgart 1978

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selbstreflexiven Film. Auch wenn er nicht mehr explicit erwähnt wird, wird er bis zum letzten Satz dieser Arbeit anwesend sein. Rasch wird die Kinowelt immer komplexer und bietet immer mehr Stoff für Selbstreflexion an. Auch die Filmtheorie entwickelt sich und gibt immer mehr Anlass dazu. Doch was genau ist der Anstoß für die Filme-macher, die Welt hinter der Kamera vor die Kamera zu stellen. B.Gründe zur filmischen Selbstref lexivität

Ähnlich wie für einen bildenden Künstler, kann es für einen Filmemacher übergreifend zwei verschiedene Gründe geben, selbstreflexiv zu sein. Der erste hat persönlichen Charakter und kommt aus seinem Leben und seiner inneren Welt. Der zweite, und bei Film der häufigere, kommt aus seiner Auseinandersetzung mit der Filmwelt und ihren Besonderheiten. Der Anstoss zur Selbstreflexion wird oftmals in der Biographie des Filmemachers gesucht, was mancher Analyse des selbstreflexiven Films den Charakter einer Verschwörungstheorie verleiht. Ich möchte hier den autobiographischen oder selbstporträtistischen Moment im Bild des Regisseurs keineswegs ausschließen oder verleugnen. Ich finde jedoch, man sollte ihn aus dem Film und seinem filmischen Kontext herausleiten und nicht einfach der Selbstreflexivität wegen auf dieser Weise deuten. Ich werde mich auf den Inhalt der Filme konzentrieren und auf die darin verstrickte Information, denn das ist letztens das von Filmemachern vermittelte Bild. Persönliche Gründe

Die persönlichen Beweggründe eines Filmemachers zur Selbstreflexion sich ähnlich den Beweggründen jedes anderen Künstlers. Oft markiert der selbstreflexive Film einen besonderen Wendepunkt in seinem Leben, oder ist das Resultat und der Ausdruck seiner Schaffenskrise. In Krisenmomenten, wenn ein Künstler nicht fähig ist, kreativ zu sein, blickt er tief in seinen Inneren, um nach den Gründen dafür zu suchen („8 !“). Ein anderer persönlicher Grund ist das Ziehen einer Zwischen-bilanz in seinem Leben und in seinem Schaffen („Der Stand der Dinge“). Es kommen Existenzfragen auf, die mehr oder weniger jeden

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beschäftigen: das Erkunden der eigenen Persönlichkeit, die Suche nach dem Glück, nach der Liebe, nach dem Sinn des Lebens. Für den Filme-macher gehört die Frage nach seinem Schaffen zu den existenziellen Fragen dazu. Nicht nur sein Leben findet eine Reflexiion in seinen Filmen, auch die Art und Weise wie ein Regisseur Filme macht reflektiert auf sein Leben. Der filmischen Selbstreflexion könnte auch ein beson-deres autobiographisches Ereignis zugrunde liegen, wie in „Der Stand der Dinge“. Filmische Gründe

Wie bereits erwähnt, werden Filmemacher öftrer von filmspezif ischen Gründen zur Selbstreflexion getrieben. Diese sind eng mit der filmgeschichtlichen und filmtheoretischen Entwicklung verknüpft und führen zu einer Anhäufung von selbstreflexiven Filmen in film-historischen Umbruchmomenten. Die filmischen Gründe kommen aus den Besonderheiten der Filmproduktion und der Kinowelt. Es sind meistens Konflikte innerhalb dieser Welt, die ich im Folgenden genauer erläutere. 1/ Als erstes stehen kaum in einer anderen Kunstrichtung Entstehungsprozess und Rezeption so weit auseinander. Das ästhetische Produkt selbst weist im Kino kaum auf seinen Entstehungsprozess hin. Was man sieht ist nur eine Projektion, nicht mal das Filmpositiv selbst. Alles was mit dem langen und mühsamen Entstehungsprozess des Films zu tun hat, bleibt für das Publikum verborgen. Diese Besonderheit setzt ein Bedürfnis nach Selbstreflexion voraus, nach Offenbarung der eigenen schweren Arbeit. Irgendwann hat jeder Filmemacher den Drang dazu, sich und seine manchmal sich über Jahre hinziehende Arbeit an einem Film zu zeigen. 2/ Der größte Konflikt, in dem sich Film seit seinen Anfängen befand, ist der zwischen der anspruchsvollen künstlerischen Arbeit und dem materiellen Druck der Unterhaltungsindustrie. Dieser innere Kampf hat oftmals die Regisseure zur Selbstreflexion getrieben. Einerseits haben sie die Geldgeber und ihr komplettes Unkenntnis von der Filmkunst ironisiert, andererseits haben sie die Tragödie der Abhängigkeit eines Künstlers vom großen Geld dargestellt. Ich denke, dass in jedem selbst-

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reflexiven Film dieser Konflikt anwesend ist. Die Spannung zwischen den Polen Kunst und Geld ist bei Film so groß, dass sie sich perfekt in eine Geschichte verwandeln läßt. Das hat Hollywood schon früh erkannt und als Erzählrahmen bis heute benutzt. Ein sehr klares Bild davon zeigt Barry Levinson in „What Just Happened“ (2009). Der Film spielt in Hollywood und schildert diese Problematik von der Perspektive des Geschäftsmannes - des Produzenten. In einer sehr angespannten Sitzung von Studiobossin, Produzent und Regisseur werden folgende Repliken ausgetauscht: Studiobossin: Mit diesem Ende werde ich 250 000 Doller verlieren. Regisseur: Der Hund muss sterben.

Es gibt keine Schnittstelle zwischen Geld und Kunst, sie sprechen verschiedene Sprachen. Doch die Filmwelt ist darauf ausgelegt, dass beide miteinander kommunizieren. 3/ Dabei kommt man zur nächsten großen Konfliktfrage: Ist dann Film überhaupt noch Kunst? Arnheim, Balasz und Krakauer haben schon früh die Kunstwürdigkeit und den Potential im Film entdeckt und sich damit auseinandergesetzt. Jedoch haben ihre Ideen in der Gesellschaft und unter dem breiten Publikum nur langsam und auch nicht ganz Verständnis und Akzeptanz gefunden. Diese Diskrepanz hat Filmemacher, die sich als Künstler sahen, jedoch als solche nicht gesehen wurden, in eine ange-spannte Schaffenssituation gestellt, die sie unumgänglich zu den Gedan-ken über ihre eigene Arbeit getrieben hat. 4/ Film als Kunst für die Massen verlangt danach, von einem breiten Publikum akzeptiert zu werden. Dazu bräuchte dieses Publikum, aber ein Grundwissen über das Kino, wie man ein solches über bildende Kunst schon in der Schule vermittelt bekommt. Ohne dieses Wissen bleibt als Voraussetzung für das Aneignen einer Kinokultur nur noch die bedin-gungslose Akzeptanz vom Film als Kunst. Mit einem selbstreflexiven Film will der Macher oft seinem Publikum dazu verhelfen, die Filmkunst und ihre Sprache besser zu verstehen. 5/ Es gab in der Filmgeschichte Umbruchmomente, in denen die Filme-macher konzentriert zu sich selber geschaut haben. Spätestens ab den

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60ern waren sie massiv dazu getrieben, die Ideen über Film in der Praxis umzusetzen. Indem sie in ihren Filmen die Position des Filmemachers als Denker, Künstler und Philisoph vertreten haben, offenbarten sie den Film als das entsprechende Gut. Sie haben den Prozess des Filmemachens in seiner Künstlichkeit, Konstruiertheit und Abhängigkeit gezeigt, um dem Publikun den Regisseur in seiner kreirenden Position nahe zu bringen. Das Bild des Regisseurs wurde zu einer Stellungnahme zum Kino. 6/ Der Film wurde so lange als Konsummittel vermarktet und rezipiert, dass daraus sich noch ein Grund zur Selbstreflexion ergab: die Notwendigkeit, den kommunikativen Charakter des Mediums wieder in den Vordergrund zu bringen und die Zuschauer auf ihre aktive Position bei der Bedeutungsbildung des Films hinzuweisen. Die Idee vom Film als Sprache und Kommunikationsmittel rückt in den 60ern in den Vordergrund. Es werden Filme gemacht „...die die Konstituierung des Textes Film so thematisieren, dass der von ihnen vorstrukturierte Rezeptionsprozess selbst zum Thema erhoben wird.“8. Indem die Filmemacher den Entstehungsprozess des Films in den thematisieren, bauen sie eine Brücke zwischen Produktion und Rezeption. 7/ Ein weiterer Grund zur Selbstreflexivität liegt in dem Vorhaben des Regisseurs, seiner Kunst einen Platz in der Filmgeschichte einzuordnen oder seine Stellung zur Filmgeschichte zu nehmen. Die Nostalgie der Nuvelle Vague um das „große alte Kino“ zum Beispiel, findet in selbst-reflexiven Filmen Ausdruck. Ihre Filmemacher präsentieren die eigene Kunst als Nachfolger der großen Werke der Filmgeschichte. 8/ In der Postmoderne hat sich das Bild vom Kino als großartige Kunst und damit auch vom großen Regisseur verabschiedet. Der Bezug zur Realität ist gebrochen und die Freiheit von einer Selbstreferenzialität - unmöglich. „Die Selbstreflexion eines Autors war stets ein Versuch, diese Kluft auszumessen und eine Sehnsucht nach dem Unmittelbaren zu mobi-lisieren.“9 In den neuen selbstreflexiven Filmen wird genau mit dieser Sehnsucht aufgeräumt. Sie zeigen ein ganz anderes Bild vom

8 Film-Reflexionen: autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc Godard und Federico Fellini: Harald Schleicher; Niemeyer, Tübingen 1991. 9 Im Spiegelkabinett der Illusionen": Filme über sich selbst (Arnoldshainer Filmgespräche ; 13): Hrsg. Ernst Karpf; Schüren, Marburg 1996.

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Filmemachen und vom Filmemacher, der nicht dem Alten nacheifert, sondern das Filmemachen spielerisch neu entdeckt. Es geht darum wie ein Kind Spaß dabei zu haben und die Möglichkeiten der neuen Technik auszunutzen, so wie die ersten Filmemacher mit der damaligen Technik auch gemacht haben.

Die ästhetische Selbstreflexivität Man könnte die filmische Selbstreflexivität auch von ihrer ästhetischen Seite bertrachten, d.h. wenn die Mittel über sich selbst sprechen. Diese Form gilt „mehr oder minder uneingestandenermaßen als Ausweis moderner Ästhetik“10 . Es gibt einige Mittel, die sich als selbstreflexiv etabliert haben und allein durch ihren Einsatz einen Film ästhetisch selbstreflexiv machen. Jumpcuts, Kontinuitätsbrüche, extreme Farben und Verschiebungen in der Tonebene weisen auf ihre eigene Funktion hin und sprechen so über sich selbst. Die ästhetische Selbstreflexivität ist nicht an dem Narrativen gebunden und kann durchaus in Filmen vorkommen, die in ihrer Erzählung nicht selbstreflexiv sind. In Filmen, die es sind, wird dadurch die Beziehung zwischen Narration und Ausdrucksmittel stark in den Vordergrund gestellt. Wenn in „Le Mepris“ der athmospherische Sound mitten in der Szene kurz aussetzt, um dann ohne einen bildlichen Grund wieder anzufangen, spricht der Filmton über sich selbst. Und wenn Fellini in „8 !“ vor und nach der Szene im Hotellobby eine Uhr zeigt, die immer die gleiche Zeit anzeigt, so reflektiert er auf die Konstruktion filmischer Zeit. Schon die Ent-scheidung in „Der Stand der Dinge“ auf schwarz-weiß zu drehen reflektiert auf die Farbe/ Farblosigkeit als filmisches Mittel. Die Beispiele sind endlos und ich werde weiterhin auf die Ästhetik eingehen, nur insofern sie sich direkt auf dem Bild des Regisseurs auswirkt.

10 Ebd.

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Nachdem ich den Kontext und die Grenzen des Bildes vom Regisseur erläutert habe, komme ich zum Kern meiner Arbeit, zur Analyse von diesem Bild und seiner Wandlung in der Filmgeschichte. Zeitlich stammt der erste Film meiner Auswahl aus Anfang der 60er. Obwohl, wie schon erwähnt Selbstreflexivität ein Teil vom Film seit seinen Anfängen ist, entstehen erste filmische Auseinandersetzungen mit dem Regisseur und seinem Schaffen erst Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre. Dies geschieht gleichzeitig mit dem Aufkommen der Idee vom Autorenfilm. Da die Theorie des Autorenfilms sich nicht mehr nur auf das Werk son-dern auch auf den Macher selbst bezieht, findet sie einen filmischen Aus-druck im Bild des Regisseurs. Meine konkrete Filmauswahl ist: „8 !“ (1963) von Federico Fellini, „Die amerikanische Nacht“(1973) von Francois Truffaut, „Le Mepris“(1963) von Jean-Luc Godard und „La Ricotta“ (1963) von Pier Paolo Passolini, „Stardust Memories“(1980) von Woody Allen und „Der Stand der Dinge“(1982) von Wim Wenders, „Son of Rambow“ (2008) von Hammer&Tongs und „Be kind, rewind“(2008) von Michel Gondry. Es sind meist Werke herausragender Regisseure, die mit ihrer Arbeit zur Entwicklung der filmischen Ideen beigetragen haben. Bemerkenswert ist, dass genau diese Regisseure mindestens einen selbstreflexiven Film ge-macht und somit ihren Gedanken über Film einen bildlichen Ausdruck gegeben haben. In allen diesen Filmen wird das Verhältnis zwischen dem Filmemacher und seinem Werk dargestellt. Dieses Verhältnis ist von be-sonderer Bedeutung, denn es ist der Kommentar zum Filmemachen einiger der bedeutendsten Regisseure der Filmgeschichte. Zudem reflektiert es den Bezug zwischen Film und Realität. Um das Bild des Regisseurs möglichst objektiv und umfangreich zu analysieren, habe ich Filme ausgewählt, die aus verschiedenen Ländern kommen und somit verschiedene Einflüße aufweisen. Bei meinen Recherchen und Überlegungen zum Thema sind fünf haupt-sächliche Regisseurbilder herauskristalisiert: Der Autor, Der Cineast, Der Mythos (Der Dinosaurier) , Das Remake, und Der Geist. Sie alle sind mit dem Filmemachen verbunden und kennzeichnen fünf verschiedene Stadien in der Filmgeschichte. Darin hat sich die Rolle des Regisseurs immer wieder gewandelt und er hat aufs neue über sich, seine Vorfahren und seine Zukunft nachgedacht.

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Es ist an diesen Bildern eine hauptsächliche Wandlung zu erkennen – weg vom physischen und psychischen Abbild der Person des Filme-machers zu einer abstrakten Eigenschaft. Da filmische Selbstreflexivität sich immer leicht auf die Vergangenheit bezieht, gibt es eine zeitliche Verschiebung zwischen Idee und Bild. So ist das neueste filmische Bild vom Regisseur eine Reflektion auf die Filmemacher Ende der 90er.

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„Womöglich kann man in jedem unserer Filme unser Herz, unsere Sehnsüchte, al les was wir lieben und was uns ausmacht finden. Ich denke, wenn jemand jemals mich und dich analysieren würde, könnte er herausfinden.. .warum wir dies und das machen. Ich weiß nicht, wieso ich meine Filme gemacht habe. Weißt du es?“ Fritz Lang zu Godard Das Bild des auteur ist eng mit der Auffassung vom Autorenfilm verbunden, die Anfang der 60er aufkommt. Hierbei wird der kreative Prozess des Regisseurs als sehr prsönlich dargestellt, eng verbunden mit seiner persönlichen Sicht auf die Welt, mit seinem Leben und seiner Erfahrung. „Die Kategorie des auteurs zielt auf die sehr persönliche Leistung eines Filmemachers, der...die jeweilige Geschichte in seiner ganz eigenen Art und Weise in Szene setzt...d.h. sich stets die Freiheit nimmt, in seinem Film „ich“ zu sagen“ 1. Dieses Bild entspricht der Auffassung der Moderne vom Kunst als Ausdruck der Identität und der Persönlichkeit eines Künstlers. Es ist das glanzvolle Bild eines Regisseurs, der in großer Geste große Kunst schafft. Hier rückt Fellinis Film „81/2“ (1963) in den Vordergrund. „Ich filme, also bin ich“ - Federico Fellini Im „8 !“ ist der Regisseur eindeutig die Hauptfigur und das Zentrum, um dem sich die kaleidoskopartig erzählte Geschichte dreht. Guido Anselmi (Marcello Mastroiani) ist mit Abstand das egozentrischste Bild vom Regisseur. Es ist das Bild vom großen Autor, der alles kontrolliert und mit Stolz den „Titel“ Regisseur

1 „Mit der Kamera Ich sagen“ Norbert Grob in Nouvelle Vague: Hrsg. Grob, Kiefer, Klein, Stiglegger; Bender, Mainz 2006, s.49

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trägt - der Regisseur so wie er zu Orson Wells Zeit war. Der Zeitraum, in dem wir Guido An-selmi sehen ist zwei Wochen vor dem Beginn der Dreharbeiten seines Films. Doch der Regisseur befindet sich in einer Schaffenskrise und ist unfähig damit anzufangen. Im Laufe von „8 !“ kommt der Zuschauer jedoch immer mehr in die Gewissheit, den Film zu sehen, den Guido drehen will. Die innere Welt, der Spiegel und der Film In „81/2“ offenbart Fellini nach und nach den Film im Film als ein Spiegelbild der inneren Welt seines Regisseurs, Guido Anselmi. Daran ist direkt die allgemeinere Aussage zu erkennen, dass Film ein Spiegelbild der inneren Welt seines Machers ist. So entlarvt Fellini indirekt „8 1/2“ als sein eigenes. Dieser Gedanke verdichtet sich auch dadurch, dass der Film von Anselmi sich immer mehr mit dem Film von Fellini vermischt, so dass dazwischen keine klare Grenzen gezogen werden können. Der Film, den Guido machen will, weist auch eindeutig Fellinis Stil auf. „Von der Musik bis zum Casting der opulenten Frauen: überall schlägt Fellinis Handschrift durch. Er hat den Film gemacht, an dem Guido gescheitert ist“2. Wir sehen das Gesicht von Anselmi zum ersten Mal in dem Mo-ment, in dem er in den Spiegel schaut - also ein Spiegelbild. Das ist nur eins von vielen in der Geschichte geschickt verwobenen Zeichen Fellinis, dass sein Bild vom Regisseur sein eigenes Spiegelbild ist. „Ich fand genau den Kern des Films. Ich würde das erzählen, was mir selbst widerfahren war: Der Film sollte von einem Regisseur handeln, der nicht mehr weiß, welchen Film er drehen möchte.“ 3

2 Karl Sierek in Im Spiegelkabinett der Illusionen": Filme über sich selbst (Arnoldshainer Filmgespräche ; 13): Hrsg. Ernst Karpf; Schüren, Marburg 1996. 3 www.filmzentrale.de: Interview

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In „8 !“ ist der Filmemacher als der sensible Schöpfer einer einzigartigen filmischen Vision präsentiert, die aus der Tiefen seiner Seele komm. Diese Vision ist das aller wichtigste für den Film und das seelische Befinden seines Filmemachers - entscheidend für seine Entstehung. Jedes mit dem Film verbundenes Problem trifft Guido Anselmi persönlich und jedes seiner persönlichen Probleme trifft den Film. Wir sehen ihn nie physisch arbeiten - seine Arbeit findet im Kopf und in seiner Fantasie statt. Schon die erste Szene von „8!“ ist eine Traumsequenz, ein erdrückender Traum Guidos, der uns sofort in seine innere Welt einführt. Gleich danach sehen wir das dunkle Zimmer des Regisseurs, der in seinem Krankenbett liegt. Im Raum sind ein Arzt und ein Filmkritiker – der Heiler und der Krank-macher. Einerseits erfahren wir, dass der Regisseur leberkrank und deswegen in der Kuranstalt ist, andererseits, dass er sich am Hauptdrehort des Films befindet. Schon hier werden der Film im Film und der eigentliche Film angeglichen. In Guidos Welt verlaufen die Grenzen zwischen Film, Spiegelbild und Traum immer mehr. Anfangs sieht er sich im Spiegel nur an, später in Carlas Hotel, redet er mit seinem eigenen Spiegelbild. Dort wird er auch als „Doktor“ angesprochen, er hat sich als jemand anderen ausgegeben - ist in eine Rolle geschlüpft. Sein Bruch mit der Realität eskaliert so weit, dass er einzig dem filmischen Bild seiner Frau seine wahre Gefühle offenbaren kann. Spiegel und Film geben hier die Möglichkeit ein anderer zu sein, sich von sich selbst zu befreien. Guido ist nur als jemand anderer dazu fähig, Regie zu führen, nur im Bett mit seiner Geliebten. Er kann nur zu fiktiven Film-bilder ehrlich sein. Guido versinkt in seine Lügenwelt und ist nicht mehr in der Lage, den „ehrlichen Film“ zu machen, den er machen will. Die Schuldgefühle, die ihm die Kirche schon als Kind einprägen wollte, holen ihn jetzt ein. Am Anfang der Szene mit der magischen Show trägt er eine lange Plastiknase, in der Haremszene sagt seine Schwester sie sei Pinoccios sprechende Grille. Guido ist wie Pinoccio und kann diesem Ge-danken sogar in seinen wildesten Träumen nicht entfliehen. Seine Unfähigkeit zu lieben macht ihn unfähig zu filmen. Liebe und Filmema-chen werden hier als höchste Emotionen hervorgehoben und gleich-gesetzt.

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Der Regissuer ist ein Gefangener seiner eigenen inneren Welt, die zur Welt von seinem und auch von Fellinis Film wird. Man kann „81/2“ komplett als psychologisches Bild von Guido und seiner Schaffenskrise betrachten. Alle Elemente des Films, von seiner Struktur bis zum letzten Detail im Szenenbild können als psychologische Metaphern gelesen werden. Fellini bezieht sich hier auf die psychoanalytischen Theorien von C.G.Jung, den er „ein Reisegefährte, ein älterer Bruder, ein Weiser, ein seelischer Gelehrter...“4 nennt. Um nur ein Beispiel zu nennen, ist das „magische“ Wort „Asa - Nisi – Masa“ aus Guidos Kindheit eine Ver-fremdung von Jungs Begriff Anima - der weibliche Archetypos im männlichen Unterbewusstsein. Jedoch sind Guidos psychische Probleme und seine existenzielle Ver-wirrtheit hier nur insofern von Bedeutung, da sie sich entscheidend auf seine arbeit als Regisseur und auf seinen Film auswirken. Somit wird der Prozess des Filmemachens subjektiviert und die Bedeutung des Autors verstärkt. Guido sucht eine Antwort auf seine Probleme in der eigenen Kindheit. Hierbei sehen wir als maßgeblich den Einfluss der Familie, der katho-lischen Kirche und der Kinderspiele. Filme werden gar nicht als Kind-heitserinnerung eingebracht. Im ganzen Film wird nicht auf andere Filme verwiesen. Es gibt keine Zitate und Referenzen auf andere filmische Werke. Guidos Filme kommen aus ihm heraus. Alle Bilder trägt er in sich, aus der Realität herausgeleitet und in seiner schöpferischen Wahr-nehmung gebrochen. Durch die Ohnmächtigkeit des Regisseurs, seinen Film zu machen, wird seine Macht auf diesen Prozess nur noch bestätigt. Die demonstriert er auch ganz offen als er einen Matrosen steppen läßt. „In meinem Film soll so viel wie möglich passieren...Ich packe alles rein, sogar einen Matrosen, der steppt“. Hier führt Guido seiner Schwester,

4 Liebesgeschichte: Fellini, s.133

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aber auch Fellini seinem Publikum vor die Macht, die ein Regisseur über das filmische Geschehen hat. Doch mit der großen Macht kommt auch die große Verantwortung und der kann Guido nicht gerecht werden. Äußere Erscheinung, Öffentlichkeit und Filmemachen Guido ist in einer sehr angesehenen gesellschaftlichen Position, immer gepflegt und schick angezogen. Fellini plaziert den Regisseur in einem schicken Kurort, wo er wie ein König behandelt wird. Doch der Kurort ist nicht nur ein Treffpunkt der Reichen, er ist auch ein Heilort der Kran-ken – Guidos Schaffenskrise ist wie eine schwere Krankheit für ihn. Alle sind auf Anselmis Entscheidungen angewiesen, ständig wird er von Fragen überschüttet. Die Szene in der er durch das Hotellobby geht und von jedem irgendwas gefragt wird ähnelt der Szene in „Die amerikanische Nacht“, in der Truffaut auf jedem Schritt eine Antwort geben und eine Entscheidung treffen muss. Im Gegensatz zu Truffauts Regisseur Ferrand, begegnet Guido seinen Mitarbeitern herabsehend, hochnäsig und respekt-los. Der einzige, vor dem er sich buchstäblich verbeugt ist sein Produzent. Die Beziehung zwischen Produzent und Regisseur ist nicht nur in „8 !“, sondern auch in den meisten Filmen meiner Auswahl thematisiert. Sie vekörpert den im Kapitel 2. bereits beschriebenen Konflikt zwischen Kunst und Geld im Kino. Beim Autorenfilm ist dieser oftmals besonders stark ausgeprägt. Der Produzent, in „8 !“, „Commandatore“ genannt, ist ein älterer Mann, der in seinem Verhalten gegenüber Frauen an Prokosch von Godards „Le Mepris“ erinnert. Auf dem ersten Blick hat Regisseur Anselmi ein gutes Verhältnis zu ihm. Man hat aber immer mehr das Gefühl es sei nur gespielt (um nicht zu sagen, er schleimt sich regelrecht an), damit Anselmi sich von seiner Krise ablenkt. Einen besonderen Einfluss auf Guidos Welt hat die Kirche. Doch nicht die privaten und moralischen Aspekte sind hier interessant sondern die, die Guido in seiner Arbeit als Regisseur beeinflussen. Die Kirche ist eine harte Zensurinstanz im Filmgeschäft in streng katholischen Italien. Der Einfluß der Zensur wird oft vernachläßigt, er kann sich jedoch maßgeb-lich auf der Arbeit des Regisseurs und auf das Resultat auswirken. Fellini zeigt hier kritisch, wie stark sich die Kirche beim Filmemachen in Italien

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eingemischt hat. Sie ist hier ein Feind des Filmemachers, der ihm die künstlerische Freiheit raubt. Außer der Zensur der Kirche ist hier der Druck, der vom Außen auf einem Regisseur ausgeübt wird, in seinen anderen zwei Hauptformen anwesend – Kritik und Medien. Von der zweiten Szene an ist der Kritiker immer dabei. Im Bezug auf Guidos Film spricht er alle möglichen Einwände aus, die die Kritik auch gegen „81/2“ haben könnte. So nimmt Fellini, mit geschickter Ironie den Kritikern ihre Arbeit vorweg und macht sie sprachlos. In der Szene der Castingvorführung bringt die Besserwisserei des Kritikers das Fass endgültig zum überlaufen und Guido läßt ihn symbolisch mit einer Handbewegung erhängen. Fantasie und Film haben sich hier völlig angeglichen.

Auch die Medien sind ständig anwesend. Bei der Pressekonferenz am En-de des Films, zu der Guido gewaltsam geschleppt wird, überfallen ihn Journalisten und Photographen wie wilde Tiere. Sie sind einerseits ein Zeichen seiner hoch angesehenen, glamurösen gesellschaftlichen Posi-tion, stellen andererseits noch einen starkeren Druckfaktor in seiner Arbeit und seinem Leben dar. Auf dem Höhepunkt Guidos Alptraums bei der Casting-Sichtung rettet ihn seine Idealvorstellung von einer Frau, Claudia Kardinale, die mit ihrem eigenen Namen hier auftritt. Auf der Autofahrt wird der Film endgültig aufgelöst und die bisher in Bilder gezeigten Gedanken werden ausgesprochen: „Wärst du fähig...dich nur einer bestimmten Sache zu

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widmen, der du immer treu bleibst, so dass sie der einzige Inhalt deines

Lebens wird. Eine Aufgabe die alles umfasst, der du treu bleibst und die

dir mehr als alles andere bedeutet?“.

Das ist Fellinis Vorstellung vom Filmemachen. Das ist seine Frage an Guido und an sich selber, die Frage, die seinem Film nach, ein Regisseur mit „ja“ beantworten soll. Claudia stellt die Frage zurück, worauf Anselmi in 3. Person antwortet. Der Regisseur im Film spricht über sich als Figur in seinem Film. Der Kreis schließt sich zu.

Am Ende des Films entscheidet sich Guido, seinen Film nicht zu machen. Ein Tag vor Drehbeginn das kundzugeben bedeutet für ihn beruflicher Selbstmord. Die Entscheidung, nicht mehr Filme zu machen gleicht für ein auteur der Entscheidung, nicht mehr zu leben. Auch das spricht Fellini explicit aus, indem er seinen Regisseur sich tatsächlich erschießen läßt. Doch der metaphorische Tod erweist sich als genau das Richtige für Guido. So ist er fähig, sich endlich zu befreien und zu dem Film zurückzufinden. Alle Figuren des Films kommen zu ihm zurück. Er gibt jetzt wieder Anweisungen, führt Regie. Er hat die Leichtigkeit und das Spielerische im Kino wieder für sich entdeckt. Die Zirkusarena in der letzten Szene „verweist auf den Charakterder Kunst als spielerisches Welt-Modell“5. Ästhetik vom Bild des auteurs Beim ästhetischen Aufbau des Bildes von Guido hat Fellini auch nichts dem Zufall überlassen. Der Film ist schwarz-weiß mit sehr starken Kontrasten. Guido lebt in einer Welt, in der Gut und Böse klar definiert sind. Im Film sind alle Über-gänge vom Dunklen zum Hell sind sym-bolisch und bedeutungsaufgeladen. An-selmi selber ist immer schwarz gekleidet und trägt sehr oft eine schwarze Sonnen-brille, die seinen Blick auf der Welt erahnen läßt.

5 Im Spiegelkabinett der Illusionen": Filme über sich selbst (Arnoldshainer Filmgespräche ; 13): Hrsg. Ernst Karpf; Schüren, Marburg 1996.

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Der Film ist voller zeitliche und Kontinuitätsbrüche, die ihn als assoziative Weltwahr-nehmung und -Konstruktion des Autors entlarven. Die Zeit wird hier in verschiedenen Formen und auf verschiedenen

Ebenen thematisiert. Außer dass Vergänglichkeit und Altwerden direkt angesprochen werden wird ganz viel mit der Wahrnehmung filmischer Zeit, mit der filmischen Konstruktion von Gleichzeitigkeit und Aufein-anderfolgen gespielt. Wahrscheinlich ist das eindeutigste Beispiel dafür die Tatsache, dass der Film, den wir sehen, sich als der Film entlarvt, der niemals gedreht wird. „81/2“ ist paradoxal in seinem Zeitaufbau. Die filmische Wahrnehmung wird auch durch die Konstruiertheit der Figuren thematisiert, wo wieder die Casting-Szene als Beispiel in den Vordergrund rückt. Obwohl der in „8 !“ ganz eindeutig die filmische Konstruiertheit offenbart wird, fällt hier Folgendes auf: Die Luisa auf der Lienwand betrachtet man ganz klar als Schauspielerin; allerdings ist für den Zuschauer die Luisa im Kinosaal eine „wahre“ Luisa. In der Gegen-überstellung dieser zwei Abstufungen der Fiktion, zeigt sich ein sehr wiedersprüchlicher Effekt der filmischen Selbstreflexivität – sie lässt den Film realistischer erscheinen. Anstatt die Bilder in Frage zu stellen, weil ihr Entstehungsprozess offenbart wird, unterscheidet der Zuschauer zwischen Fiktion und Realität und nicht zwischen mehr und weniger Fiktion. Einige ästhetische Mittel, die hier zum Aufbau des Bildes vom Regisseur dienen, finden wir auch in den anderen, in dieser Arbeit analysierten Filmen. Die Gedanken des Filmemachers, gesprochen aus dem Off, sowie die subjektive Kameraeinstellung sind zum Beispiel, ein oft benutztes Mittel im selbstreflexiven Film. Ein interessantes Mittel, dass ich auch in mehreren der ausgewählten Filmen gefunden habe, ist die „umgewan-delte Subjektive“, wie ich sie nenne. Dabei sehen wir durch die Augen des Protagonisten, der irgendwann selbst ins Bild, in die eigene Subjektive hereinkommt. In der dritten Szene von „8 1/2“, als Guido zum Brunnen läuft, sehen wir alles durch seine Subjektive. Die Frauen drehen sich zu

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ihm und begrüßen ihn direkt in die Kamera bis er irgendwann selber in der Einstellung hereingeht. Ist es jetzt immernoch eine Subjektive, und wessen Subjektive war das überhaupt? Einerseits symbolisiert diese Einstellung das Erscheinen eines Filmemachers vom Platz hinter der Kamera in der Welt davor, es vollzieht sich eine Art Zweiteilung vom Filmemacher. Andererseits wird dadurch auch die Aufnahme durch die Kamera thematisiert: eine Subjektive ist kein tatsächlicher Blick durch die Augen von jemandem sondern eine konstruierte Kameraaufnahme. Interessant bei „8 1/2“ ist, dass anders als in den anderen Filmen meiner Auswahl, keine Filmkamera zu sehen ist. Der technische Prozess des Filmemachens wird nicht gezeigt. Sattdessen zeigt Fellini den Regisseur als Zentrum der Filmproduktion. Nur seine Gedanken und Visionen bestimmen über den Film, die Technik ist hier Nebensache. „Ich bin,was ich erfinde“ 6, sagt Fellini in einem seiner letzten Interviews. Und was er erfindet - das ist er. Guido Anselmi repräsentiert das Bild vom Regisseur als auteur: der mächtige Schöpfer, dessen Gemütszustand un-mittelbar in seinem Werk wiedererkennbar ist, dessen Visionen am entscheidendsten beim Filmemachen sind und dessen Referenzfeld die reale Welt ist.

6 Federico Fellini, Ich bin ein großer Lügner, Gespräch mit Damien Pettigrew, Frankfurt/M. 1995, S.11

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“ Ich habe das Kino geschwänzt, um in die Schule zu gehen” Francois Truffaut. Das nächste Bild vom Regisseur habe ich der "Cineast " genannt. Es ist ein Bild, eng mit den Filmemachern der Nuvelle Vague verbunden und zeigt den Regisseur, der das Filmemachen liebt und zudem über ein gro-ßes Kinowissen verfügt. Der französische Begriff Cineast beschreibt es eigentlich perfekt -„in Frankreich bezeichnet er jemanden, dessen natür-liche Begabung, dessen Kenntnisse und dessen künstlerische Tätigkeit sich auf Filme beziehen“1. Hierbei sind die natürliche Begabung und die innere Fantasiewelt nicht ausreichend, so wie es bei Fellini ist, um ein Regisseur zu sein. Der Filmemacher verfügt auch über eine große Filmkenntnis. “Das Spezi-fische der Nuvelle Vague ist Bildung: Kinobildung.“2 Durch das Kennen und Anerkennen der künstlerischen Vorfahren ist der Regisseur jetzt nicht mehr als schöpferisches Genie dargestellt sondern als würdiger Nachfolger. Dadurch verlagert sich sein Hauptkönnen von der Erfindung einer einzigartigen Idee viel mehr auf der Ausführung einer filmischen Idee. Der Regisseur erkennt hier die Abhängigkeit seines Filmes von den vielen verschiedenen Umständen außerhalb seiner Person. Das Bild vom Regisseur ist nicht mehr egozentrisch, wie Fellinis Guido Anselmi. Es zeigt den Regisseur als ein Teilchen eines großen Ganzen – des Kinos. Hierbei rückt ein Film eines der grösten Cineasten der Nuvelle Vague, Francois Truffaut, in den Vordergrund - „Die amerikanische Nacht“ (1973). Dieser Film hat Referenzen auf eine filmische Vergangenheit, setzt den Regisseur in Zusammenhang mit anderen Filmemachern und läßt ihn so seinen Platz in den filmgeschichtlichen Kontext einnehmen. Der Cineast erfindet das Kino nicht, er lernt es. Bezug zwischen Ferrand und Truffaut Der Regisseur Ferrand wird von Truffaut selber gespielt, was auf einen selbtporträtistischen Charakter des Bildes hindeutet. Dieser läßt sich auch dadurch erahnen, dass in seiner Gesamtkunst Truffaut sich immer wieder

1 „Nur das Kino, 40 Jahre mit der Nuvelle Vague“, Friede Grafe - Ausgewählte Schriften in Einzelbänden; Hrsg. Enno Patalas; Brinkmann&Bosse; Berlin 2003 2 Ebd.

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auf autobiographische Momente bezieht. Der Hauptdarsteller in Ferrands Film ist Truffauts eigener Lieblingsdarsteller, Jean-Pierre Leaud. Die Szene der Dreharbeiten mit dem Kätzchen ist ein Zitat aus Truffauts Film „Die süße Haut“, Ferrands Träume- ein Verweis auf Truffauts ersten Film „Sie küssten und sie schlugen ihn“. Allerdings hat diese Selbstbezogenheit kaum etwas mit Fellinis Egozentrismus gemeinsam. Hier sehen wir keine Selbstverherrlichung oder Manifestierung der eigenen schöpferischen Macht. In "Die amerikanische Nacht" dienen die eigenen Erfahrungen lediglich als Grundlage und Anstoss zu Überlegungen über das Filme-machen. Es ist kein Bild Truffauts von sich selbst, sondern Nachdenken über sein eigenes Schaffen. Ferrand und sein Film "Die amerikanische Nacht" zeigt die kompletten Dreharbeiten an dem fiktiven Film „Meine Ehefrau Pamela“. Sie finden in einem alten Studio in Nizza statt, das ziemlich verlassen und verfallen aussieht. Der Glanz und die Großartigkeit des Kinos, die bei „81/2“ noch gegenwärtig erscheinen sind hier Vergangenheit, die nur an ihren Spuren zu erahnen ist. Darin dreht Regisseur Ferrand seinen Film. Er ist kein Nuvelle Vague Werk, sondern ähnelt viel mehr dem Qualitätskino, gegen den die Nuvelle Vague rebelliert hat. Nach "Die amerikanische Nacht" hat Godard seinem ehemaligen Ideengefährten Truffaut vorgeworfen er hätte sich gegen ihre Auffassung vom Kino gewendet. Und tatsächlich zeichnet dieser Film einen Wendepunkt in Truffauts Schaffen aus, nach dem er und Godard auseinandergegangen sind. Danach machte Truffaut keine Nuvelle Vague Filme mehr.

Doch hier steht nicht die Aussage oder der Inhalt von "Meine Ehefrau Pamela" im Vor-dergrund, sondern ganz klar die mit seinen Dreharbeiten verbundenen Prozesse und Er-eignisse. Truffaut zeigt einen möglichst ob-jektiven Film über das Filmemachen und führt uns ein ausführliches Bild der Freuden und der Leiden eines Filmemachers vor. Wir sehen die verschiedenen Konstruktionstricks, die techni-sche Verfahren und die optischen Schwin-deleien, über die der Zuschauer eines Films

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meistens nicht nachdenkt. „Die amerikanische Nacht" wirkt somit wie ein Lehrfilm zum Filmemachen. „Ein Seminar über Filmarbeit sollte mit ihm eröffnet werden können“3. Und trotzdem sollte "Dei amerikanische Nacht" auf keinen Fall mit einem Making of verwächselt werden. Auch wenn darin technische Prozesse gezeigt werden, geht es vordergründig um die Menschen und das Menschliche hinter der Kamera. In der Geschichte über die Dreharbeiten eines Films sind hier auch Liebe, Leben und Tod verflochten. Schon in der Exposition wird es klar: der Hauptdarsteller in "Die amerikanische Nacht" ist nicht, wie bei Fellini der Filmemacher, sondern das Filmemachen mit allen seinen Facetten. Wir sehen zunächst das Wichtigste, den Film im Film. Dann erst kommt der Regisseur, der mit dem Anhalten der Aufnahme sie als solche entlarvt. Gleich danach sehen wir das ganze Team bei der Arbeit - eine perfekt funktionierende Ma-schine. Die Reihenfolge und die Art und Weise wie diese erste Bilder aneinandermontiert sind, definiert klar die Position des Regisseurs beim Filmemachen. Als erstes und am aller wichtigsten ist der Film, dann kommt der Filmemacher, der gleich als Teil eines großen Teams gezeigt wird. „Wenn ich mir diese Sequenz anschaue, empfinde ich sie als sehr ehrlich, denn sie wendet sich gegen den Mythos des allmächtigen Regisseurs“4. Das ist das Bild vom Cineast: weg vom allmächtigen Regisseur zu dem hart arbeitenden Men-schen. Ferrand bleibt aber der Leiter und der wichtigste Mensch bei den Dreharbeiten und ist in den meisten Szenen die leitende Figur.

3 Truffaut, Zitiert in Die Filme von Francois Truffaut: Willi Winkler; Wilhelm Heyne Verlag, München 1984 4Monsieur Truffaut, wie haben sie das gemacht?: Fischer, Robert; München: Heyne Verlag 1993, s.168

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Er bleibt jedoch außerhalb jeder Verwicklung, die nicht mit dem Film zu tun hat. Wir sehen ihn nur bei der Arbeit, wo er sogar in seinen Ge-danken die ganze Zeit bleibt. Seine Konzentaration läßt nie nach. Alles was er sieht, wird sofort im Bezug zum Film gebracht. So wird, zum Beispiel eine Vase, an der er eilig im Hotel vorbeiläuft kurzerhand zum Teil seines Sets. Ferrand ist definitiv ein Perfektionist. Er gibt alles und gibt sich nur mit dem Besten zufrieden. Auch wenn ein Take gut war, dreht er weiter bis er den Besten hat. Er achtet liebevoll auf jedes Detail, wie auf die minimalste Drehung des Kopfes von Julie Baker oder auf die winzigste Verschiebung ihrer Hand. Privatleben und Filmemachen Ganz anders als bei Fellini, wo jeder privater Faktor aus dem Leben Anselmis sich auf seinen Film auswirkt, ist bei Truffaut die Welt des Filmemachens als in sich geschlossen gezeigt. Wir sehen hier den Regisseur nicht mit seinen psychologischen und sozialen Zusammen-hängen sondern nur als Filmemacher. Seine Figur verändert sich im Laufe des Films nicht. Das Bild des Filmemachers bleibt konstant, weil es in seinem Beruf einprogramiert ist, jeden Umstand möglichst professionell und gelassen gegenüber zu treten. Das einzige, was auf Ferrands Bio-graphie hindeutet ist sein Hörgerät. Er ist angeblich seit seiner Militärzeit auf einem Ohr hörgeschädigt.5 Diese Tatsache hat aber weniger eine informative als eine symbolische Funktion. Meiner Meinung nach, ist das Hörgerät einerseits ein Zeichen für Schwäche und Imperfektion und andererseits verstärkt es die Distanz zu den anderen Teammitgliedern. Zudem ist das Benutzen eines Hörgeräts die sinnliche Wahrnehmung durch ein technisches Mittel, wie das Sehen durch die Kamera im Film. Weiterhin erfahren wir nichts mehr aus Ferrands Biographie, seinem Privatleben oder seiner Familie. Alles was wir über ihn wissen ist mit seiner Arbeit verbunden. Obwohl im ganzen Film Liebe und Sex bei den Dreharbeiten thematisiert werden, bleibt er auch davon unberührt.

5 Frauke Böhm (Selbst-Reflexionen : von der Leinwand bis zum Interface: Hrsg. Matthias; Schüren, Marburg 2004), aber auch eine Zeitschrift für Taube meinen, das sei ein Verweis auf einer wahren Begebenheit in Truffauts Leben, die eine aufällige Parallele zwischen Ferrand und Trüffaut zu herstellen beabsichtige. Ich finde es völlig ausreichend als Paralelle, dass Truffaut selber den Regisseur in seinem Film spielt, und glaube, das Hörgerät hat eine andere Funktion.

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Während Fellinis Guido in seiner Hauptdarstellerin, Claudia Cardinale regelrecht verliebt ist, sieht sich Ferrand die Fotos der schönen Schauspielerin, Julie Baker, ganz kühl an, und betrachtet ihre Schönheit nur als filmisches Mittel. Ein einziges Mal bekommt der Regisseur weiblichen Besuch im Hotel. Die Dame wird allerdings schon an der Rezeption weggeschickt, da er noch am Script für den nächsten Drehtag sitzt. In der Zeit der Dreharbeiten ist die Filmcrew Ferrands Familie. Er nennt die Mitglieder „Kinder“; der Hauptdarsteller Alphonse bietet ihn sogar sein Trauzeuge zu sein. Soziales Verhalten und äußere Einflüße Ferrand ist ein normaler Mensch, der als Regisseur arbeitet. Er hat nichts besonders Schickes an und sein Verhalten ist normal und menschlich. Trotzdem wird er vom Team mit großem Respekt behandelt und jeder versucht, seine Ideen möglichst gut umzusetzen. Ferrand kommandiert sein Team nicht rum, er Arbeitet mit ihm zusammen.Er ist keineswegs perfekt und auch keineswegs allmächtig. Der Regisseur ist vielen Um-ständen ausgesetzt und seine Arbeit muss oft von Aktion in Reaktion übergehen. Die Abhängigkeit von den anderen Menschen im Team ist ihm durchaus bewusst: „Die größte Angst, die ich jemals hatte, ist dass ein Schauspieler wärend der Dreharbeiten stirbt.“, und er behandelt sie mit Geduld und Respekt. Mit seinem Produzenten hat er auch ein freund-schaftliches Verhältnis. Der Produzent ist hier nur als Vermittler zwi-schen dem Regisseur und den Geldgebern gezeigt. Trotzedem wird es unterstrichen, dass er sich aus dem künstlerischen Prozess heraushalten soll. -Was passiert in dem Film?

-Fragen sie mich nicht, ich bin nur der Produzent. Auch wenn Ferrand jemanden privat nicht mag, behandelt er ihn gut und schätzt seinen Beitrag zum Film. Zum Beispiel kann er Stacy, die am An-fang der Dreharbeiten ihre Schwangarschaft verheimlicht, nicht be-sonders leiden. Doch ihre Teilnahme an den Film ist Grund genug für Ferrand, sie nett zu behandeln. Alle Menshcen die mithelfen, den Film zu drehen, haben Respekt verdient. Nur die Geldgeber werden uns nicht gezeigt und absichtlich ausgeschlossen. Trotzdem ist ihre Anwesenheit

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spürbar. Sie geben aus der Ferne ihre unmögliche Anforderungen, ohne sich über den Aufwand und die Grenzen des Filmemachens zu interessieren. „So einen Film in drei Wochen drehen ist absolut unmög-lich“. Wenn "Die amerikanische Nacht" eine Liebeserklärung an das Filmemachen ist und ein Dankeschön an allen die dabei sind, so ist das Letztere nicht an die Geldgeier im Geschäft gerichtet. Ferrand ist ein Professionalist. Er vermischt das Private mit der Arbeit nicht. Allerdings zeigt Truffaut, dass beim Filmemachen beide oft nicht auseinander zu halten sind. Die privaten Probleme von Severinne zum Beispiel, wirken sich extrem auf ihr Schauspiel aus. Bei den Dreharbeiten spielen sich mehrere zwischenmenschliche Geschichten ab, aus alldenen sich Ferrand offensichtlich heraushällt. Für ihn ist nur der Film wichtig.

Das einzige woran er denkt, außer an seinen Film sind an-dere Filme. In seinem sich im-mer wiederholenden Traum sehen wir einen Jungen, der nachts „Cititzen Kane“-Postkar-ten klaut. Regisseur Ferrand läßt sich sogar Bücher von und über anderen Regisseuren, von seinen (Truffauts) Vorbildern: Bergmann, Dreyer, Hitchkock, Godart, usw. zum Drehort

schicken. “Einen Film drehen ist wie eine Kutschenfahrt durch den Wilden Westen“ – sogar seine Vergleichsgrößen kommen aus dem Film, denn er hat sicherlich selber keine Fahrt durch den Wilden Westen erlebt. Seine Liebe zum Kino findet Ausdruck in den Worten: „Leute wie

du und ich können nur bei der Arbeit glücklich sein, bei der Arbeit für

das Kino“. Die Dreharbeiten werden auch in „Die amerikanische Nacht“ vom Anfang an von den Medien reflektiert. Wie bei „8!“ sehn wir hier auch Interviews und Pressekonferenzen, Journalisten und Photographen. Der Regisseur ist aber keineswegs ein Star. Hier sind alle viel mehr an der Geschichte des Films interessiert.

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Ästhetik Francois Truffaut zeigt in "Die amerikanische Nacht" die Realität des Filmemachens. Er entlarvt die Fiktion, die das Kino zu erhalten ver-suchte: der Regen kommt aus der Maschine, der Schnee ist Seifenschaum, das Haus ist nur ein Gerüst und die Worte, die im Film so ehrlich zu sein scheinen, stehen auf Zettelchen an den Setwänden und werden abgelesen. Damit wird nicht nur die Künstlichkeit der filmischen Bildern thematisiert, sondern auch die harte Arbeit, die dahinter steckt, gezeigt. Truffaut zeigt die Realität hinter den Filmbildern und macht es auch in sehr realistischen Filmbildern. Die Gedanken Ferrands kommen auch aus dem Off gesprochen und es sind ausschließlich Gedanken über das Filmemachen. Abgesehen davon gibt es kaum eine auffällige Stilisierung oder Hervorhebung des Bildes vom Regisseur. Es gibt auch keinen Konflikt, sondern eine Aufgabe, die zu lösen gilt. Ferrand ist der Cineast, das Bild vom Regisseur als Kinoliebhaber, der Filme macht, weil er Filme liebt. Er hat vom Kino gelernt und achtet seine künstlerischen Vorfahren. Hier ist der Regisseur ein sehr profes-sioneller, hart arbeitender Mann, weit weg von jedem Egozentrismus. Truffaut zeigt ihn in seiner Abhängigkeit von den anderen Menschen. Der Film ist hier nicht seine Eigenleistung, sein Alleinverdienst. Trotzdem, wie Godard sagt, „Van Gogh ist wichtiger als der Handwerker, der seine Pinsel gemacht hat“. „Ja, du hast recht“, erwiedert Fritz Lang.

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„Ich denke, wir hatten es viel le ichter als ihr jetzt, denn wir waren Pioniere. . .Und wir haben in diesen Tagen viel Geld mit unseren Filmen gemacht“ Fritz Lang Damit komme ich zum nächsten Bild vom Regisseur. Das Wesen dieses filmischen Bildes besteht darin, dass hier die Rolle des Regisseurs mit einem Regie-Mythos besetzt ist - mit realen zum Mythos gewordenen Persönlichkeiten. Auch wenn diese Persönlichkeiten von den Anfängen des Kinos kommen, dauert es einige Zeit bis sie zum Mythos werden. So kommt ihr filmisches Bild erst mit den Cineasten auf. Hier liegt das Wesen des Bildes in der außenfilmischen Welt und im Status der realen Person darin. Zum Aufbau dieses Bildes spielt die Entscheidung, die Regisseurfigur mit einem Regie-„Dinosaurier“ zu be-setzen genau so große Rolle wie die Inszenierung im Film. Diese Ent-scheidung macht den Film, meiner Meinung nach, automatisch selbst-referenziell, auch wenn er sonst keine solche Elemente aufweisen würde. Als Beispiele habe ich „Le Mepris“ (1963) von Jean-Luc Godard und „La Ricotta“ von Pasolini aus dem selben Jahr gewählt. Hier ist die Rolle des Regisseurs jeweils von Fritz Lang und Orson Welles besetzt. Beide Filme zeigen die Regisseure bei den Dreharbeiten. In beiden Filmen sind sie nicht die Hauptfiguren. Die Präsenz von so bedeutenden filmhistorischen Persönlichkeiten als die Regisseure im Film hat viel mehr eine diskursive als eine narrative Funktion. Sie stellt die Filme in einen bestimmten Kontext ein und verweist gleichzeitig indirekt auf die Wichtigkeit der Besetzung als filmische Entscheidung. Orson Welles in „La Ricotta“ “La Ricotta“ ist ein dreißigminütiger Beitrag Pasolinis zum Film „Rogopag“1, der aus vier Kurzfilme besteht. Trotz der Kürze baut hier Pa-solini mit ein paar Strichen ein komplexes Bild vom Regisseur auf.

1 ROsselini, GOdard, PAsolini,Gregoretti

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Der Film ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Filmemachen. „La Ricotta“ zeigt die nicht so schöne Seite des Filmemachens als men-schenfeindliche, von Ausbeutern regierte Maschinerie, die das Leben des kleinen Menschen verachtet. In diesem Sinne ist „La Ricotta“ ein prole-tarischer Film und Orson Welles - der Adlige darin. Er sitzt auf seinem Regiestuhl, wie ein König auf dem Thron. Ein Kreis aus abgelegten schwarzen Kleidungsstücken umgibt ihm. Seine erste Worte: „La Corona“ verdeutlichen seine königliche Position. „In der kargen, archaisch anmutenden Landschaft vor den Toren Roms wird von dem von Orson Welles verkörperten Regisseur einen Passions-film gedreht, der manieristische Bilder als Tableaux Vivants nachstellt.“ Am Ende des Films bekommt “La Ricotta“ selbst den Charakter der Passionsgeschichte, indem die Hauptfigur, der Statist Stracci tatsächlich an dem Kreutz stirbt. So gleichen sich auch hier Film im Film und tat-sächlicher Film an. „La Ricotta“ wird zu moderner Passionsgeschichte, die sich in der Filmwelt abspielt. Der arme Statist Stracci wird, für ein wenig Essen zum Material und Spottobjek der Filmwelt. Damit wird ein Aspekt im Kino und in der Arbeit eines Regisseurs wird angesprochen, der immer wieder kritisiert wird: die maßlose Erschöpfung und Ausbeutung der menschlichen Resourcen. Allerdings, finde ich, funktioniert es im Kino kaum anders als in jeder anderen Hierarchie. In „La Ricotta“nimmt Orson Welles die Position eines Ausbeuters an und bedient sich den Darstellern als Menschenmaterial. Er gibt seine An-weisungen kalt, ohne sich dafür zu interessieren, was für ein Aufwand ihre Ausführung kostet. Welles redet mit niemandem und steht von

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seinem Stuhl nie auf. In der Drehpause gibt er einem Journalisten ein Interview, und zitiert dabei ein Gedicht Pasolinis, das während die Dreh-arbeiten von „Mamma Roma“ entstanden ist.

„Ich bin eine Kraft der Vergangenheit, nur der Tradition gilt meine

Liebe...“

Ein Text, den man auch auf Welles und sein Kino beziehen könnte, die eine nie wiederkehrende Vergangenheit repräsentiert. Das Gedicht hat hier auch eine andere wichtige Funktion. Dadurch und durch den Text (wahrscheinlich das Drehbuch), den Welles in der Hand hällt, wird Paso-linis Auffasung vom Film als Poesie und Sprache aufgegriffen. Das ist ein wichtiger Aspekt der Filmtheorie der 60er, der auch von Godard in „Le Mepris“ thematisiert wird. Der Regisseur in „La Ricotta“ ist isoliert von den Menschen im Team und besessen von seiner Vision. Orson Welles, vieleicht der mytholo-gisierteste Filmemacher überhaupt, gilt selber als dekadenter und sehr strenger Regisseur. Seine Persönlichkeit ist so aufgeladen, dass die mini-malistische Dramaturgie seiner Figur in „La Ricotta“ völlig ausreichend ist. So wie Pasolini die Konstruiertheit filmischer Bilder hier darstellt, hat „auch Welles ... mit Citizen Kane den narrativen Diskurs aufgebrochen und die Fiktionsbildung hinterfragt“. Da hier diese Bild- und Realitätskonstrukton eines der Hauptthemen ist, ist die ästhetische Selbstreflexivität sehr komplex. Farbe, Musik, Mise en Scene werden auf mehreren Ebenen reflektiert. Die Filmbilder, die Welles dreht sehen wir in Farbe, die Welt hinter der Kmera – schwarz-weiß. Die Kadrierung und die Montage geben dem Film einen besonderen Rythmus: Welles Anweisungen finden Ausklang indem mehrere nacheinandergeschnitten und nah aufgenommen Menschen vom Team sie wiederholen. Im Gegensatz dazu ist Orson Wells wie ein Monu-ment. Seine Person wird in einem sehr langsamen Rückwärtszoom ein-geführt, umgeben von einer fast hörbaren Stille. Er ist im Film aber auch außerhalb davon, er befindet sich in der Zeit, ist aber auch zeitlos.

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„Der Dinosaurier und das Baby“ Außerhalb der Zeit scheint mir auch ein filmisches Gespräch zwischen Jean-Luc Godard und Fritz Lang zu sein. Der Titel ist „Der Dinosaurier und das Baby“ 2 – ein Kommentar ist wohl kaum nötig. In diesem Ge-spräch trffen zwei filmhistorische Figuren aufeinander, zwischen denen scheinbar Jahrhunderte liegen. Die rasante Entwicklung vom Film und allgemein von der Welt im 20. Jh. macht hier ein Treffen möglich wie es in der bildenden Kunst, zum Beispiel, zwischen Da Vinci und Dali wäre. Ich schaue mir das Interview an und habe das Gefühl, es hat außerhalb dieses Films nicht existiert, es ist eine Montage...oder jemand hat eine Zeitmaschine erfunden. Tatsächlich aber war die Nuvelle Vague, die Cineasten, die als letzte Ge-neration, die den Pionieren des Kinos begegnen konnte. Dieses Interview hat mich persönlich zutiefst berührt. Für mich ist Fritz Lang eine Ab-straktion. Mein Fritz Lang ist womöglich Godard...Zu sehen, wie sich beide gegenüberstehen und Godards Aufregung über dieses Gespräch zu spüren...ist sehr emotional, menschlich, und geht über die Theorien von Selbstreferenzialität, über die Filmtheorie hinaus. In diesem Interview sind meine Ideen und Beobachtungen zu den ersten drei Bilder vom Regissuer ausgesprochen und zusammengefasst. Sie tref-fen hier aufeinander - Lang war einer der ersten Autoren und wurde zu einem Mythos, Godard ist ein Cineast. Ich habe selbstreflexive Filme im-mer als eine Kommunikation von Ideen zwischen Filmemachern betrach-tet. Überhaupt sind Filmemacher auf einer ganz besonderen Weise mit-einander verbunden, die zumindest aus meiner Sicht, d.h. der Sicht der heutigen Zeit sehr spürbar aber unbewusst und nicht greifbar ist. Viele Fragen in dem Gespräch zwischen Lang und Godard werden auch in den selbstreflexiven Filmen gestellt, beantwortet oder diskutiert.

2 Das Interview ist im Original auf Französisch

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JLG: -Was ist ein Mann der ein Regisseur ist?. .Ist er ein

Arbeiter,ein Künstler? Was ist das menschliche Wesen, das

sich Regisseur nennt?

Lang: -. . . . ich mag das Wort Künstler nicht. Was ist ein

Künstler? Ein Mann, der hart arbeitet und seine Ware

kennt. . . . ..Ich liebe meine Arbeit wirklich. Das ist alles.

. . . ich denke er (ein Regisseur) soll ein bisschen ein

Psychoanalytiker sein.

JLG: - Die Menschen denken wir arbeiten nicht wirklich in

der Filmindustrie.

FL: -Richtig, das Publikum denkt Filme werden einfach so

gemacht. Es ist al les Spiel und Spaß. Sie begreifen nicht, es

ist sehr, sehr harte Arbeit.

Dieser Gedanke, der offensichtlich auch die größten Regisseure über Jahrzehnte verfolgte, hat Filmemacher immer wieder zu Selbstreflexivität getrieben, um das Gegenteil zu beweisen. Truffaut hat es mit „Der amerikanischen Nacht“ sicherlich geschafft, das Bild vom Filmemachen als harte Arbeit zu verteidigen. JLG: Du hast viel mehr Filme als ich gemacht. . .

FL: .. .Aber ich weiß, dass du viel mehr über meine Filme

weißt als ich selber. . . .

In diesen Worten ist das Wesen der filmischen Entwicklung enthalten und der Entwicklung des Bildes vom Regisseur. Die Pioniere des Kinos haben den Grundstein gelegt, auf dem sich Filmtheorie entwickelt hat. Die Cineasten haben aus der Filmtheorie Filme gemacht.

FL: Heute ist kaum noch jemand am Leben von der Zeit als

wir anfingen in dieser neuen Kunst zu arbeiten.. .

Das Gespräch zwischen Lang und Godard hat einen besonderen Cha-rakter von Weitergeben, von Fortschreibung, von Geschichtsschreibung. Diesen Charakter hat auch das Bild des mythischen Regisseurs im Film.

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Fritz Lang in „Le Mepris“ Fritz Lang ist der Regisseur in Godards „Le Mepris“. Ein Film erfüllt von Nostalgie nach einem glanzvollen Kino, wie es zu seiner Zeit gewesen ist. Hier möchte ich daran erinnern, dass ich auf die ästhetischen Mittel nur im Bezug auf Langs Figur eingehen werde. Müßte ich Godards ästhetische Selbstreflexivität in „Le Mepris“ analysieren, würde dies eine eigenstän-dige Arbeit ergeben. Lang ist hier von einem amerikanischen Studio angestellt worden, die „Odysee“ zu verfilmen. Auch wenn er in „Le Mepris“ klarerweise sich selbst spielt, weist seine Position Parallele zu Godard auf. So ist „Le Mepris“ Godards teuerster Film und der erste, den er mit einem großen Studio dreht. Joe Levine ist der Geldgeber für Godards „Le Mepris“, aber auch für Langs „Odysee“ darin, wie wir aus dem Film erfahren. Außer-dem werden Godard bestimmte Entscheidungen aufgezwungen, wie die Besetzung mit Bardot (er wollte Kim Novak) und ihre nackte Szenen. Er schafft es jedoch die Geldgeber mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen, und macht eine selbstreflexive Parodie der Produktion. „Dass bei so viel branchensicherem Ausgangsmaterial das Endprodukt so wenig den Vor-stellungen der Geldgeber entsprach, lag nur daran, dass sie Godards Begabung zur Improvisation...ganz einfach unterschätzten. Und ihre Fan-tasie reichte nicht aus, sich auszudenken, wie auch das kommerzielle Kino spielend auf sich selber reflektieren könne.“ 3 Fritz Lang macht die „Odysee“,ohne dem dummen Produzenten Prokosh besondere Beachtung zu schenken, denn er weiss er kann in der filmischen Sprache alles so sagen wie er will - der Produzent würde es einfach nicht verstehen. Das hat die ersten großen Autoren auch ausgemacht – Autorenschaft inner-halb des kommerziellen Kinos.

3Film für Film: Friede Grafe - Ausgewählte Schriften in Einzelbänden; Band 9; Hrsg. Enno Patalas; Brinkmann&Bosse; Berlin 2003

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Der Konflikt Die Geschichte von „Le Mepris“ erzählt vordergründig den Konflikt zwischen Kunst und Geld, der für das Kino so typisch ist. Ein junger Drehbuchautor (Michel Piccoli) wird vom amerikanischen Produzenten Prokosh angestellt, Langs Version von der „Odysee“ inmitten der Dreh-arbeiten umzuschreiben. Der Werteverfall im Kino aber auch in der Welt wird hier ganz klar. Paul : 1933 hat Goebbels Lang angeboten, die deutsche Filmindustrie zu

leiten. Noch in der selben Nacht verließ er Deutschland.

Prokosh: Das ist nicht 33, das ist 63 und er wird alles verfilmen, was

geschrieben ist.

Dem größten menschlichem Bösen in der Geschichte konnte Lang entfliehn, dem Geld aber nicht. Die Figuren in „Le Mepris“ sind sehr klar gezeichnet und stilisiert, viel mehr symbolisch als realistisch. Paul ist, meiner Meinung nach, der einzige reale Mensch hier. Er steht im Zentrum eines Kampfes, wie Odysseus im Zentrum des Kampfes zwischen der Götter steht. Nicht zufällig dreht Lang einen Film genau darüber. Der Kampf im Kino wird seit seinen Anfängen zwischen Geld und Kunst (Filmkunst) ausgetragen. Die Hauptfiguren um Paul verkörpern jeweils einen dieser Aspekte.

Brigitte Bardot ist die Kunst, die Schönheit, die Muse. Wir sehen zum Beispiel ein Bild aus Langs „Odyssee“, in dem eine Frau, eine Muse, nackt im Meer schwimmt. Gegen das Ende des Films sehen wir Bardot in einer fast identischen Szene. In dem Moment, in dem sie für Geld „verkauft“ wird, verachtet sie den Künstler und nimmt ihm die Inspiration weg. Andererseits braucht sie das Geld, um zu existieren. Obwohl Camile Prokosh und sein Geld hasst, will sie unbedingt die schöne Wohnung

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haben. Deswegen steht diese Wohnung im Zentrum des Konflikts und auch der Dramaturgie von „Le Mepris“. Würde Paul sich endgültig ent-scheiden, seine Kunst - Camile zu prostituieren, könnte er die Wohnung, die sie sich so sehr wünscht behalten. Doch diese wäre dann nicht mehr gebraucht, weil Camile ihn verachten und verlassen würde. Zusam-mengefasst ist der Paradox des Kinos, eine Kunst zu sein, die ohne Geld nicht möglich ist und wenn sie wegen des Geldes verändert wird - auch nicht.

Für das Geld, die dumme stumpfe Industrie, die kein Respekt gegenüber irgendetwas hat und nur auf Profit hinaus ist, steht hier Prokosh. Er ist Godards Groteske Zeichnung geldgieriger Produzenten. „My relations with producers are very good: I know very few of them.”4 Am Ende des Films verfällt die Kunst endgültig dem Geld. Camile fährt mit Prokosh weg. Unter diesem Umstand kann die Kunst nicht existieren, doch wenn es im Film keine Kunst gibt, wird auch die Industrie sterben. So sterben beide zusammen – Camile und Prokosch – die Kunst und das Geld. Was übrig bleibt ist der Intellekt, der Gedanke, der Mythos, „des ganzen Kinos Gewissen in Person“5 – Fritz Lang. Er steht über allen Dingen. Eine Auseinandersetzung mit niedrigen Wesen wie Prokosh ist für ihn sinnlos. Lang im Studio Wir sehen Lang erstmals im Vorführraum. Er ist wie ein Teil des verfallenen Studios, wie der Kapitän eines untergehenden Schiffes. Er präsentiert den Produzenten die neuen Aufnahmen:

4 Godard in: Jean-Luc Godard-Interviews: Hrsg. David Sterritt; University Press of Mississipi, 1998 5 Godard, Ebd.

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„Ich weiß nicht, ob du das versehen wirst, Jerry. Ich hoffe nur du kannst

es...“ . Jerry kann es nicht. In dieser Szene wird die Idee vom Film als Sprache, die sich durch den ganzen Film hinzieht, vermittelt. Lang spricht diese Sprache, Prokosh nicht. „Die Bilder auf der Leinwand sind nicht

das, was im Skript steht“, sagt Lang „denn das eine ist geschrieben, das

andere Bilder – motion picture, its called“, ironisiert Lang die Dummheit des Produzenten. „Il cinema es un invenzione senza avvenire“ 6 steht unter der Leinwand. Davor spielt sich der Beweis dieser Behauptung ab – wenn Dummheit und Geld die komplette Macht über das Kino übernehmen, dann wird es sterben. Langs Vergleich zwischen Revolver und Checkbuch spricht die tödliche Kraft des Geldes aus. In diesem Zusammenhang wird in „Le Mepris“ der Regisseur eingeführt - als der letzte Vertreter einer großen Kunst, die in Industrie erstickt. Am Ende dieser Szene bleibt Lang nur mit der Dolmetscherin Franceska im Vorführraum. Er und sie haben etwas gemeinsam – sie sprechen mehr Sprachen als die anderen und ihre Arbeit ist zu vermitteln. Lang spricht die Filmsprache, die Sprache der Kunst, der Poesie und der Philosophie, die er in Bilder übersetzt. Dabei weiß er ganz genau, dass ein Wort, ein Bild, den ganzen Sinn umkehren kann, was er am Hölderlin Zitat beweist. Das macht auch Godard mit den nackten Bildern von Bardot, indem er durch Kontext und Inszenierung sie mit einer ganz anderen Bedeutung auflädt. Im Laufe des Films übersetzt Francesca oftmals nicht ganz korrekt und zeigt damit den Bruch in der Welt, wenn Menschen sich nicht mehr verständigen können.

6 „Das Kino ist eine Erfindung ohne Zukunft“, Lumiere Gebrüder

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Im Theater Wir sehen Fritz Lang nur noch in vier Szenen, jedoch ist seine Präsenz seit dieser Einführung im ganzen Film spürbar und seine Position zum Konflikt - ganz klar. Als nächstes sehen wir ihn im Theater, wo alle sich eine potenzielle Sängerin für den Film anschauen. Die Teilung ist jetzt ganz klar – Camile sitzt neben Lang, Paul – neben Prokosch, auf beiden Seiten des Durchganges. Im Gegensatz zum Produzenten, ist Camile auf Fritz Langs Seite, denn Kunst und Intellekt gehören zusammen. Obwohl das Theater fast leer ist, also gibt es offensichtlich genug Möglichkeiten nebeneinander zu sitzen, befinden sich Produzent und Regisseur auf den beiden Seiten des Ganges, als gäbe eine unüberwindbare Schlucht da-zwischen. Durch die Zentralperspektive wird das ganz deutlich. Nachdem Lang gefragt wird, ob er zu den Aufnahmen nach Capri geht, zitiert er „Hollywood“ von Brecht. „BB“ nennt er ihn – diese bekannte Abkürzung für Brigitte Bardot, kann genau so von Bertholt Brecht kom-men. Es kommt hier auf dem Wissen an, über das man verfügt und die Ideale, die man anstrebt. Lang repräsentiert Werte, die in der Zeit von „Le Mepris“ schon vergessen sind.

„Produzenten sind etwas, ohne dem ich ganz gut leben könnte.“ , sagt er abschließend an der Szene. Auch wenn er im Film sich seber spielt, stimmt seine Stimme oft mit Godards überein. Danach geht er wieder allein. Im ganzen Film taucht er allein auf und tritt auch so ab, als wäre er ein Geist aus einer anderen Zeit, der der mit der ganzen Weisheit der Welt Paul helfen soll, die richtige Entscheidung zu treffen.

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Auf Capri Bei den Dreharbeiten auf Capri tritt Godard selber kurz als Langs Regieassistent auf und erweist dem „Dinosaurier“ damit nochmal seine Ehre. Nach dem Dreh auf dem Boot schreitet Lang langsam zusammen mit Paul zu Prokoshs Villa. Seine ganze Gestik, seine Worte, seine Bewegungen deuten auf eine andere Zeit hin. Im kalten Wohnzimmer des Hauses befinden sich alle wie in einem Glaskefig. Draußen ist die Schönheit der Natur, drinnen - das Silberbesteck. Lang sitzt in einem Sessel, halb außer des Bildauschnitts und beobachtet das Gespräch sprachlos. Er kennt alle diese Probleme und steht über sie. Er gehört zu einer Welt außerhalb des Kefigs. In der letzten Szene sehen wir ihn bei der Arbeit am Set. Paul ver-abschidet sich, ohne irgendeine Reaktion auf den tragischen Tod von Camile. Er verläßt den Drehort wie ein Schauspieler, dessen Szene abgedreht ist. Fritz Lang bleibt, der Regisseur bleibt immer bis zum Schluss. Er ist ein Teil vom Kino und wird es immer bleiben. Vorher hat er gesagt, der Tod sei keine Lösung. Jetzt beweist er es und verwirft gleichzeitig die Behauptung des Lumieres. „Ich werde den Film fertig machen. Bring

immer zum Ende, was du angefangen hast!“. Aufmerksam und liebevoll führt er die Aufnahme in völliger Stille und Konzentration, frei von allem, was nicht zu diesem Moment gehört. Auf dem einsamen Meeres-feslen ist jetz nur das Kino, als würde es nichts anderes auf der Welt ge-ben. Die Kamera im Film und die eigentliche Kamera gleichen immer mehr ihren Blick an, und lassen ihn dann in die Unendlichkeit frei. Das Bild des Regisseurs als Mythos ist ein filmisches Monument der Pioniere des Kinos. Hier fehlt die Subjektivierung aus den vorherigen Bilder vom Regisseur. Stilmittel wie die subjektive Einstellung oder die Off-Stimme werden nicht eingesetzt. Beide Filme, die aus dem selben Jahr stammen markieren einen Wendepunkt im Kino. In „Le Mepris“ er-kennen wir ganz deutlich, es ist der Abschied von einem glanzvollen Kino, das nun nur als Mythos existiert.

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Die Umstände sind anders, die Industrie ist gewachsen, das Filmemachen hat sich verändert. Selbstreferenzialität ist das neue Mittel. Das Bewusst-sein über die eigenen Mittel und Sprache zu entwickeln und zu ver-mitteln, ist jetzt wichtig um weiterhin die Filmkunst zu erhalten. Mit starker Selbstreferenzialität und dem gezieltem Bruch mit der filmischen Fiktionsbildung beginnen die Nuvelle Vague Cineasten eine Dekonstruk-tion des Kinos. Sie sind damit die letzten, die das Kino in seinen Mittel revolutionieren bis zu den Kindern der Digitalen Revolution. In den nächsten Dekaden verdichtet sich die Krise des Kinos in der Filmemacher ihrer Referenzialität zu entfliehn versuchen, jedoch in ewiger Wieder-holung ersticken.

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„Viel anders als Remakes wird ja im Kino schon seit geraumer Zeit nicht mehr gemacht“

Wim Wenders Das Remake ist ein Bild des endgültigen Endes vom Regisseur wie man ihn bis dahin kannte. Es ist das sterbende Bild vom Regisseur. Er ist nicht mehr dazu fähig, etwas neues zu machen und hat seine Referenzfreiheit verloren. Sein Können ist nicht mehr einzigartig, seine Position in der Gesellschaft – vergessen. Die Technick hat sich auch enorm weiter-entwickelt und damit auch sein technisches Wissen inflationiert. Alles was dem alten Bild vom Filmemacher jetzt bleibt ist der Tod. Das Kino tritt in die Post-Moderne ein und verabschiedet sich ein letztes Mal von dem Filmemacher der Moderne. Ich habe dieses Bild vom Regisseur Remake genannt, denn hier wird der Regisseur und seine Arbeit auf der Grundlage von vorherigen Filmen und Regisseuren aufgebaut und hat keine künstlerische oder persönliche Identität mehr. So wie Filme sich nicht mehr auf die Realität sondern nur noch auf andere Filme beziehen, so hat dieses Bild keinen Bezug mehr zur Realität und ist komplett selbstreferenziell. In diesem Bild spiegelt sich ein Krisenmoment des Kinos wieder und lädt es somit pessimistisch auf. Es ist nicht mehr möglich, etwas neues zu erschaffen. Die Mittel sind ausgeschöpft. Das wird von den Filmemachern als Krise empfunden und den abgebrochenen Bezug zu Realität - als Verlust. „Stardust Memories“ In dieser Zeit dreht Woody Allen „Stardust Memories“(1980) – eine Art Remake von Fellinis „81/2“. Dieses Remake ist jedoch anders als die üb-lichen. Nicht die Geschichte wird neu erzählt sondern die einzigartige Struktur und Ästhetik von Fellinis Film wird aufgegriffen und auf eine andere Erzählung ange-wandt. Hier nimmt Allen die fertige Konstruktion eines selbstreflexiven Films, um selber selbstreflexiv zu sein.

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In „Stardus Memories“ wird auf Sandy Bates (Allens) innere und äußere Welt reflektiert. Da die Ästhetik von „8 ! einen Wiedererkennungswert hat, werden die damit verbundenen Ideen automatisch auf Allens Film übertragen. Somit ist ein fertiges Verständnis dafür angeboten. In „Star-dust Memories“ wird mehrmals die Tatsache angesprochen, dass dieser Film nicht der erste seiner Art ist. “Hommage? Ne, wir haben es nur ge-

klaut“, wird zu Bates Film von seinem Assistent gesagt. Die Ironie ist eindeutig. Der Aussage von „8 !“ nach, folgt jedoch, dass auch die Auswahl von Fellinis filmischen Mittel eng mit seiner Person verbunden ist. Damit ist die filmische Selbstreflexivität von Allen nicht vollständig, sondern weist auch Reflexionen auf Fellini auf. So wirkt der Film nicht stimmig in sich. Wie kann man auch die eigene subjektive Wahrnehmung mit fremder Ästhetik darstellen? Anstatt wie Fellini einen Oscar, bekommt Allen die schlechteste Kritik seines Lebens und der Film wird nach einer Woche aus den Kinos genommen. Wim Wenders’ Friedrich Munro Das Bild des Regisseurs als Remake sehen wir in Wim Wenders „Der Stand der Dinge“. Wenders zeigt hier einen deutschen Regisseur, Fried-rich Munro, der versucht einen Film unter Holywoodbedingungen zu drehen - erfolglos. Die Geschichte des Films reflektiert auf Wenders eigene Erfahrung mit der Traumfabrik.1977 bekommt er von Francis Ford Coppola das Ange-bot, einen Film in Holywood zu drehen – „Hammet“, bei dem Wenders zum ersten Mal bei solchen Produktionsbedingungen arbeitet. Sein Traum kippt in einem Alptraum um und Wenders scheitert in seinem Vorhaben, ein Autor in Hollywood zu sein. Diese Erfahrung wirkt sich auf „Der Stand der Dinge“, der im Erscheinungsjahr von „Hammet“ gedreht wird, eindeutig aus. Der Film ist jedoch nicht autobiographisch sondern einfach in einem bestimmten Gemütszustand Wenders er-schaffen, der von den vorhergehenden Ereignissen ausgelöst ist. Auch wenn es im Film gewisse Parallele zwischen Munro und Wenders gibt (z.B. ist „Der Stand der Dinge“ Wenders zehnter Film und Munro dreht auch seinen zehnten Film oder die Titel seiner vorherigen Filme stimmen teilweise mit Wenders überein), ist Fritz Munro keineswegs ein Selbstbild

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von Wenders. Beide Regisseure haben lediglich eine ähnliche Geschichte erlebt. In „Der Stand der Dinge“ sehen wir ein Filmteam bei Dreharbeiten an der portugiesischen Küste. Als das Filmmaterial und das Geld ausgehen, be-gibt sich der Regisseur, Fritz Munro nach Amerika, um den verschollenen Produzenten Gordon zu suchen. Die Handlung des Films ist jedoch hier weniger interessant, als die einzelnen darin verflochtenen Details. Friedrich Munros Film Friedrich Munros Figur gleicht in jeder Hinsicht einem Remake. Am bezeichnendsten dafür ist, meiner Meinung nach, dass Munro als erster der von mir betrachteten Regisseurfiguren ein Remake dreht. “Es war mir wichtig, dass Friedrich ein Remake macht...Geschichten, die als einzige Realität nur die Realität von vorhergehenden Geschichten haben.“1 Damit ist klarerweise ein Kommentar zum filmgeschichtlichen Kontext des Films abgegeben. Munros Film „The Survivours“ ist als Neuverfilmung von Allan Dwans „The most dangerous man allive“ geplant. Es ist die Geschichte der wenigen, deformierten Überlebenden nach einer Atomkathastrophe. Die damit assoziierten Emotionen werden in „Der Stand der Dinge“ über-nommen und auf den Stand des Kinos übertragen. Der Filmemacher ist hier ein einsamer Kämpfer ums Überleben in einer schon toten Welt. Der Film im Film hat hier eine stimmungsaufbauende Funktion, denn seine Geschichte existiert bereits und hat auch eine eigene emotionale Auf-ladung. Deswegen, sehen wir ganze neun Minuten von „The Survivours“ bevor die Haupthandlung anfängt und sich als seine Dreharbeiten entlarvt. Im Gegensatz zu „Die amerikanische Nacht“, der mit einer ein-zigen Einstellung von Film in Film anfängt, die gleich als ihre Aufnahme offenbart wird, sehen wir hier den Film in Film geschnitten, vertont, fertig.

1 Zitiert in: Film-Reflexionen: autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc Godard und Federico Fellini: Harald Schleicher; Niemeyer, Tübingen 1991.

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Friedrich Munros Welt (Ästhetik) Wir sehen Fritz Munro in einer post-apokalyptischen Kulisse, in einer Welt, in der scheinbar alle ausgestorben sind. Nichts vom Glanz des Kinos ist hier noch spürbar. Wenn uns Godard die zerfallenen Studios zeigt, sind wir hier in einer zerfallenen Welt, wo die Studios längst weg sind. Das karge Betonhotel ist einsam und gottverlassen, das kleine Filmteam - von der Welt komplett vergessen. „Die haben uns abgeladen wie ein Haufen Müll“, sagt Joan. Hier sehen wir nichts mehr von Medieninteresse oder Glamour, keine Journalisten oder Photographen. Der schwarz-weiße Film ist düster und bedrückend. Die Bilder sind aus klaren geometrischen Formen kompo-niert und wirken statisch und tot. Jedes Bild antizipiert Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Wir sehen das Filmteam zum ersten Mal auf einer Terasse, drumherum ist nur das zornige schwarze Meer. Später werden uns die Mitglieder alleine in ihren Zimmern vorgestellt. Keiner kom-muniziert wirklich mit den anderen. Jeder hat seine eigene Kunst, die aber nicht als Kommunikationsmittel sondern als Abgrenzung hier dient. Die Musik aus „The Survivours“ zieht sich durch den ganzen Film. Friedrich Munro – Das Remake Friedrich Munro ist Frankensteins Monster unter den Bildern vom Regisseur (nur, dass der Ausruf hier „Es stirbt!“ wäre). Es ist auf mehreren Ebenen aus Zitaten aufgebaut. Erstens weist sein Name auf verschiedene Regie-Größen hin – Friedrich Murnau ist dabei ganz vordergründig. Doch Munro wird von seinem Team auch Fritz und Federico genannt (Lang und Fellini). Das Buch, das er wie eine Bibel behandelt, und das er nur kurz seiner Hauptdarstellerin Anna ausleiht, ist die Vorlage für John Fords Kult-Western „The Searchers“. „Diese Leute hatten eienen solchen Mut, wie er nur wenigen geschenkt

ist. Den Mut einfach immer weiter zu machen, immer das jeweils

Nächstliegende über die Grenzen alles erträgliche hinaus, ohne sich je

selbst für besonders tapfer zu halten“.

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Während Anna diesen Absatz aus dem Buch vorliest und damit den „The Searchers“ zitiert, sehen wir das Filmteam Munros. Damit bezieht Wen-ders die tragische Geschichte seinen Helden auf die von Fords Film. In LA fährt Munro an einem Kino vorbei, wo dieser gerade läuft. Auch in seinem Aussehen - mit der schmalen Krawatte und dem Hut, ähnelt der Regisseur einem Cowboy. Munro kommt aus einer Filmwelt. Er ist eine fiktive Figur nur aus filmischen Elementen zusammengesetzt. „All das hier ist Fiktion“, sagt er in seiner Rede zum Team. Er verhält sich wie Filmfiguren und benutzt Filmzitate, um seine eigene Emotionen zu erklären. Fritz Munro kennt Gefühle nur aus dem Film und kann sie nur mit Beispielen daraus erklären.“Manchmal fühlt man sich wie in „Magnificent Obsession“ und

im nächsten Moment wieder wie in “ My Darling Clementine“ oder in

„Jach of Hearts“. An einer Stelle dieser Rede hustet er wie Doc Holliday aus „My Darling Clementine“. Als er aus einer Telefonzelle in LA das Team in Portugal anruft zitiert er Murnau.

„Geschichten existieren gar nicht, außer in Geschichten selbst“, sagt Munro in seiner Rede und entlarvt sich selbst als aus anderen Geschichten entsprungen.“Erzählen,so behauptet der Film, ist nur noch als Nacherzählen möglich“2. Munro ist kein Autor und kein Cineast, sein Bild ist eine Collage aus filmgeschichtlichen Splittern.

2 Ebd.

Während Anna diesen Absatz aus dem Buch vorliest und damit den „The Searchers“ zitiert, sehen wir das Filmteam Munros. Damit bezieht Wen-ders die tragische Geschichte seinen Helden auf die von Fords Film. In LA fährt Munro an einem Kino vorbei, wo dieser gerade läuft. Auch in seinem Aussehen - mit der schmalen Krawatte und dem Hut, ähnelt der Regisseur einem Cowboy. Munro kommt aus einer Filmwelt. Er ist eine fiktive Figur nur aus filmischen Elementen zusammengesetzt. „All das hier ist Fiktion“, sagt er in seiner Rede zum Team. Er verhält sich wie Filmfiguren und benutzt Filmzitate, um seine eigene Emotionen zu erklären. Fritz Munro kennt Gefühle nur aus dem Film und kann sie nur mit Beispielen daraus erklären.“Manchmal fühlt man sich wie in „Magnificent Obsession“ und

im nächsten Moment wieder wie in “ My Darling Clementine“ oder in

„Jach of Hearts“. An einer Stelle dieser Rede hustet er wie Doc Holliday aus „My Darling Clementine“. Als er aus einer Telefonzelle in LA das Team in Portugal anruft zitiert er Murnau.

„Geschichten existieren gar nicht, außer in Geschichten selbst“, sagt Munro in seiner Rede und entlarvt sich selbst als aus anderen Geschichten entsprungen.“Erzählen,so behauptet der Film, ist nur noch als Nacherzählen möglich“2. Munro ist kein Autor und kein Cineast, sein Bild ist eine Collage aus filmgeschichtlichen Splittern.

2 Ebd.

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Der Tod des Bildes vom Regisseur Der Tod des Regisseurs, mit dem der Film endet, steht symbolisch für den Tod eines bestimmten Kinos aus dem diese Splitter stammen. Der Gedan-ke von Ende und Tod ist im ganzen Film präsent. „Der Tod, Friedrich,

darum dreht sich im Grunde alles auf dieser Welt“, sagt Gordon. Sogar die Kinder reden über den Tod. Doch aus diesem scheinbar düsterem Gespräch der beiden Mädchen dringt ein positiver Gedanke hervor. Auf der Frage ihrer Freundin, was sie tun würde, wenn ihr Vater sterbe, antwortet Munros Tochter: „Weißt du, ich würde wohl weiterleben.“. Genau diese Aussage, bezogen auf das Kino, zieht sich auch durch den ganzen Film hin. Das alte Filmemachen und der alte Filmemacher ster-ben, doch das Kino wird weiterleben und neue Formen finden. Wir sehen ständig die zwei Mädchen mit Fotokameras und eine Super8 Kamera. Sie sind die Generation, die die neuen Filmemacher hervorbringen wird. Friedrich Munro stirbt, das Bild des Regisseurs kann als Remake, das heißt an der Vergangenheit gebunden, nicht mehr existieren. Doch nach-dem Friedrich „Fritz“, „Frederico“ Munro erschossen auf dem Boden liegt, läuft seine kleine Kamera weiter: Der Film wird weiter leben. „Lisabon Story“ Diese Idee, die sich in „ Der Stand der Dinge“ andeutet, bestätigt sich in „Lisabon Story“ (1994) von Wenders. Dort tritt Friedrich Munro nochmal auf. Hier wird es ganz eindeutig, dass das Bild vom Regisseur, das er verkörpert der Vergangenheit angehört. Der Film zeigt Munros alten Tonmann, der die ganze Zeit auf der Suche nach ihm ist. Dabei wird er ständig von ein paar Kindern begleitet, die die Welt mittlerweile durch die Videokamera sehen und durch das Erstellen von bewegten Bildern kennenlernen – die neuen Filmemacher.

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Am Ende des Films taucht Munro endlich auf. Doch er macht seinen Film nicht mehr, er macht keinen Film mehr, denn der Filmemacher in ihm ist tot. Munro trägt eine Videokamera auf dem Rücken und schaut sich die Aufnahmen nicht mal an – er hat es aufgegeben, für das alte Filmemachen zu kämpfen. „Bilder sind nicht mehr, was sie mal Waren. Mann kann

ihnen nicht mehr trauen“. Friedrich Munro hällt hier eine Rede, die zusammengefasst eine Ktitik an der äußersten Kommersialisierung und der Selbstreferentialität des Films ist.

„Reine“ Bilder kann ein Filmemacher nur noch erstellen, wenn er sie nicht sieht. Denn in einer Zeit, in der man von klein auf mit dem kommerziellen Kino aufwächst, ist Film „selbst da noch selbstreferenziell, wo er sich scheinbar den traditionellen mimeti-schen Prinzipien verpflichtet zeigt.“3. Munro vergleicht sich wieder mal mit filmischen und filmhistorischen Figu-ren. Er ist wie Buster Keaton in „Die

Kamera“ und will der „Vertov der 90er“ sein und das pure Kino wieder-entdecken. Doch der Regisseur Munro ist längst tot, er hat seine Gedanken in Nostalgie ersticken lassen. Seine Ansichten sind nicht aktuell, seine Kritik ist aussichtslos und nicht konstruktiv. Er will gegen den natürlichen Fort-schritt kämpfen. Seine Suche nach der anfänglichen Reinheit des Kinos ist beinahe lächerlich. Munro will „so tun als hätte die Filmgeschichte

niemals stattgefunden“ 4 – und Genau da ist seine Geschichte vorbei. Denn die Filmgeschichte hat stattgefunden und davon wegzulaufen ist nicht möglich. Ein Filmemacher, der sich dieses Ziel setzt ist tot. Das Bild vom Regisseur ist tot. Wenders zeigt in den zwei Filmen diesen Tod als eine äußerst schmerzhafte Empfindung. Er nimmt darin einen 3 Kay Kirchmann in: Im Spiegelkabinett der Illusionen": Filme über sich selbst (Arnoldshainer Filmgespräche ; 13): Hrsg. Ernst Karpf; Schüren, Marburg 1996. 4 Munro

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letzten Abschied von dem Filmemacher, so wie er ihn kennengelernt hat. „Lisabon Story“ entsteht sofort nach Fellinis Tod. Das erste Bild im Film ist einer Zeiting, in der wir Fellinis Bild und die Überschrift „Ciao Federico!“ sehen. Doch der Tod dieses Bildes von Regisseur bedeutet endlich eine Befreiung davon. Das Feld ist geräumt für die neuen Filmemacher. Im Jahre 1982 bahnt sich in „Der Stand der Dinge“ sich etwas an, das mit der Digitalen Revolution explodiert, und in „Lisabon Story“ schon ein Fakt ist. Es ist die Zeit der neuen Regisseuren, die die Welt betrachten “mit Augen, die anders sehen“5, die das Kino spielerisch neu entdecken. Eine Generation von Filmemachern ist da, die anstatt mit Puppen, mit Kameras gespielt hat.

5 Munro

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„So, yeah, we were the.. . and I don’t think we realized at the time, but we were the generation that grew up on all those Lucas/Spielberg movies.” Garth Jennings (Hammer&Tongs) Das alte Bild vom Regisseur stirbt doch der Film lebt weiter; der selbst-reflexive Film auch. Darin zeigt sich jetzt der Regisseur in einer neuen Form, einer neuen Darstellung. Der Geist habe ich diese neue Darstellung vom Fimemacher genannt, weil sie jetzt frei von allen Begrenzungen und Bestimmungen ist, die das alte Bild mit sich getragen hat. Wie ein Geist hat sie keine feste Form mehr und hängt an keinen Clichès - nur die Energie, die Seele, die Fantasie eines Filmemachers ist darin enthalten. Dieses abstrakte Bild vom Regis-seur, das auf dem Remake folgt, bewegt sich ganz klar weg davon. In den zu diesem Punkt analysierten Filme wird anfangs ein Remake gedreht, woraus sich schließlich ein ganz neuer Film entwickelt. Nach der völligen Dekonstruktion des Bildes vom Regisseur ist jetzt aus dessen Splittern eine volkommen neue Konstruktion möglich. Wir sehen jetzt Laien und Kinder als Filmemacher – jeder könnte ein Filmemacher sein. Wie beim Autor, also wie in den Anfängen des Kinos, ist hier die Fantasie des Machers entscheidend für den Film. Der frühe Zugang zu Videokameras und das Aufwachsen mit Film und Fernsehen machen Filme und deren Entstehungsprozess zu einem Element dieser Fantasie. So reflektieren die heutigen Regisseure auf ihre Arbeit zum Teil als Kindheitserrinerung, mit der Naivität eines Kindes. Sie haben Film durch das kommerzielle Popcornkino kennengelernt und das Erstellen bewegter Bilder - in deren Spielen ausprobiert. Diese Aspekte beein-flussen ihre Werke und werden darin reflektiert. Allgemein, wie schon angesprochen, hat sich der Begriff der filmischen Selbstreferentialität mit der Filmgeschichte entwickelt und verändert. Im postmodernen Film hat sich seine Bedeutung inflationiert, weil sich die Referenzfelder der realen und der filmischen Welt angeglichen haben. Somit wurde die filmische Selbstreferenzialität von ihrer einschrän-kenden Rolle befreit. Die Filmsprache wird jetzt anders genutzt – in gan-zen Sätzen. Früher war die Frage im Film, was eine Froschperspektive vermittelt, heute - was ein Zitat z.B. aus „Star Wars“ uns sagt.

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Diese Ideen werden durch die neuen selbstreflexiven Filmen vermittelt. Sie kennzeichnen somit das Filmemachen seit den 90ern. Da diese Zeit noch nicht als filmhistorischer Moment klar definiert ist, fasse ich erstmal kurz zusammen, auf welche reale Regisseure das neue filmische Bild des Regisseurs reflektiert. Der neue Filmemacher Einer der ersten und bekanntesten der neuen Filmemacher ist Tarantino. Durch seine auf das Popcornkino reflektierende Filmwelt, hat er zweifelslos ins Art-House-Kino ganz neue Diskurse gebracht und ins Pop-cornkino - ganz viel Kunst. Tarantino zitiert jedoch nicht, um seinen Filmen Kunstwürdigkeit zu verleihen. Seine Filme reflektieren lediglich bedenkenlos auf das, was ihn gerade interessiert – andere Filme. Selbs-treferentialität ist die Grundlage für Tarantinos Arbeit, doch seine Filme sind keineswegs Remakes. Seine Selbstreflexivität vollzieht sich jedoch meist auf der ästhetischen Ebene, deswegen werde ich nicht weiter auf seine Filme eingehen. Spike Jonze, Michel Gondry, Hammer&Tongs gehören auch zu den neuen Filmemachern. Einen entscheidenden Einfluss auf deren Arbeit hat die Digitale Revolution. Video hat ihnen die Möglichkeit gegeben, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und neue Arbeitsweisen zu entwickeln „Die Kunstform des Videoklips eignet sich auf Grund ihrer Natur besonders gut für die experimentelle Form des visuellen Erzählens“1. Sie alle sind vom Musikvideo zum Spielfilm gekommen. Keiner war an einer Film-hochschule. Anfangs als Filmemacher nicht ernst genommen, haben sie heute, als einige der innovativsten Regisseure unserer Zeit einen festen Platz in der Kinowelt. Und es ist kein Zuffal, dass sie aus dem Musik-videobranche kommen. Sie haben das Erstellen bewegter Bilder unabhängig vom Kino kennengelernt und hatten somit die Freiheit zu experimentieren, Neues zu entdecken, ohne verurteilt zu werden. Ihre Musikvideos haben bereits einen würdigen Platz in der Musikvideo-

1 Die Filme und Musikvideos von Michel Gondry: Markus Altmeyer; Tectum, Marburg

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geschichte und ihre Filme werden, meiner Meinung nach, genau so einen in der Filmgeschichte bekommen. „Beeing John Malkovic”, “The Eternal Sunshine of the Spottles Mind”, „ The Science of Sleep“, “Son of Ram-bow” - schon ihre erste Spielfilme hatten riesen Erfolg bei dem jungen Publikum, denn sie haben ganz neue Bilder und Bildkonzepte gezeigt. Die Filme dieser Regisseure sind nicht bloß bebilderte Geschichten. Sie basieren auf einer visuellen Idee. Die Geschichten entstehen hier zu-sammen mit den Bildern; Bilder, die ihr Gemachtsein nicht verbergen. Damit haben Jonze, Gondry, Hammer&Tongs u.a. die Regeln des main-stream Filmemachens umgekehrt und etwas neues kreiert. Mit ihnen ist das Kino, nach einem riesigen Umweg, wieder zu seinen ursprünglichen Kern angelangt - es ist an erster Stelle eine visuelle Kunst. Aus neuen Bildern werden neue Geschichten entstehen - Geschichten, die die eigenen Bilder erklären. Welten aus Pappe oder die Verhundertfachung einer Person sprechen ihre Fiktionalität offen aus. Damit sind die Regisseure von den Grenzen der Realitätsbezogenheit befreit und können Fantasiewelten erschaffen, frei von der Logik der realen Welt. „I kind of like the idea of taking a concept and going all the way with it, even if it's not completely plausible. It's something that I like about making movies. You have a concept that maybe would not work in real life, but you can make it work in the world you're creating.”2 Das neue Bild vom Filmemacher Ich betrachte das neue Bild vom Filmemacher anhand zwei selbst-reflexiver Filme aus dem Jahr 2008: „Son of Rambow“ von den Briten Hammer&Tongs (Regisseur Garth Jennings und Produzent Nick Gold-smith) und „Be kind, rewind“ von dem Franzosen Michel Gondry. Hier ist das Filmemachen komplett entmystifiziert, jeder kann jetzt bewegte Bilder erstellen. Die Dreharbeiten finden jetzt außerhalb des Kinos statt –in der alltäglichen Welt. Doch trotzdem, kann nicht jeder ein Regisseur sein. Dies erfordert be-stimmte Begabungen und Charaktereigenschaften, die schon in den älteren selbstreflexiven Filmen dem Regisseur zugeordnet wurden.

2 www.avclub.com - Interview mit Gondry

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Kreativität, Hingebung, Ausdauer, Sensibilität, Führungsfähigkeiten, das Kennen und Lieben von Film - ergeben zusammen seinen „Geist“. Diesen repräsentieren die Filmemacher-Figuren in „Son of Rambow“ und „ Be kind, rewind“. Ich werde sie in meiner Analyse parallel betrachten, weil ihre Eigen-schaften und die damit verbundenen Aussagen ähnlich sind, und sich gegenseitig vervollständigen. Die Geschichte Die Geschichten beider Filme sind in den 80er angesiedelt. In „Son of Rambow“ sehen wir eine kleine Britische Stadt. Als sich die 10 Jährigen Lee Carter (Will Poulter) und William (Bill Milner) an ihrer Schule kennenlerne beschließen sie, einen Film zusammen zu machen. Sie fangen an, auf ihrer kindlichen Art, ein Remake von Rambo zu drehen. Schnell bekommt die Produktion ihr Eigenleben und aus dem Remake wird ein eigenständiger Film – „Son of Rambow“. In ihrem naiven Kinderspiel arbeiten beide Freunde zusammen und ergeben an-fangs ein Filmemacher. Doch je mehr sich die Produktion entwickelt, desto mehr klären sich die Positionen der beiden darin auf und William wird zum eigentlichen Regisseur. „Be kind, rewind“ spielt dagegen in der Großstadt - in Harlem, New York. Hier sehen wir wieder zwei Freunde als Filmemacher – Jerry (Jack Black) und Mike (Mos Def). Jerry hängt ständig in der Videothek, in der Mike arbeitet rum - eine der letzten, die Filme auf VHS anbietet. Nach einem Stromschlag wird Jerry mit einem starken magnetischen Feld aufgeladen, wodurch er den Inhalt aller Kasseten in der Videothek auslöscht. Beide Freunde sehen sich gezwungen, die bestelten Filme selber nachzudrehen. Wir werden Zeuge, wie z.B. an einem Tag ein self-made „Ghost Busters“ entsteht. Unerwarteterweise, gafallen die selbstgemachten Filme den Kunden besser als die Originale. Der Andrang wird größer und die Produktion wächst wie bei „Son of Rambow“. Am Schluss von „Be kind, rewind“ drehen beide, zusammen mit den Menschen aus dem Viertel, die Geschichte von ihrem Vorbild - der Jazz-Musiker Fats Waller. Wie in „Son of Rambow“ ist der Film in Film kein Remake mehr, sondern eine eigenständige Geschichte.

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Das Bild vom Regisseur Sowohl in „Son of Rambow“, als auch in „Be kind Rewind“ werden die Filme von einem Filmemacher-Duo gedreht. Der Geist des Filmemachers ist hier auf zwei Personen aufgeteilt. Wir sehen Filmemachen als Teil des Lebens normaler Menschen, deswegen haben sie keine besondere äußer-liche Erscheinung, die auf ihren Stand als Filmemacher hindeutet. Die Produktionen in beiden Filmen entwickeln jedoch und es kommen auch andere Menschen dazu. Die Dreharbeiten nähern sich immer mehr an das komplexe Bild eines Filmdrehs, das wir schon in den alten selbst-reflexiven Filmen gesehen haben. Aus diesem Grund teilen sich die Auf-gaben der zwei Freunde nach und nach auf, und der eine sticht mehr oder weniger als Regisseur raus. Dies wird jedoch niergendwo direkt ausgesprochen. Der Zuschauer ordnet die Figur selber als Regisseur ein. Dabei werden Verhaltensmuster und Eigenschaften als typisch für den Regisseur verstanden, die mit der Zeit und zum großen Teil mit dem selbstreflexiven Film dem Zuschauer nahegebracht worden sind. Voraussetztung zum vollständigen Verständ-nis beider Filme ist demnach nicht nur ein Wissen über Film, sondern ein Wissen über das Filmemachen. Jerry und Mike Wir sehen Mike und Jerry erstmals als sie eine riesige Graffitti-Werbung für Mikes Videothek sprühen. Schon in den ersten Bildern des Filmes wird klar – die beiden Freunden werden durch ihre Liebe zur „Be kind, rewind“ Videothek verbunden und ihre Achtung vor Fats Waller, die Jazz „Legende“ des Hauses, in dem sie sich befindet. Jerry ist ein ziemlich verrückter Rumtreiber. Er wohnt auf eine Art Metall-Mülldeponie neben einem Elektrizitätswerk, von dessen elek-trische Strahlung er paranoid besessen ist. Dieser Besessenheit bestimmt seinen ganzen Alltag und bringt ihn zu den skurillsten Einfällen – z.B. muss man in der Nähe des Werkes ein Metallhelm tragen. Der ist selbst-gebastelt, sowie alles in Jerrys Welt, die nach ganz eigenen Regeln funk-

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tioniert. Die Wahnvorstellungen treiben seine Fantasie und Kreativität an und bringen ihn zu den verrücktesten Erfindungen. Sein Freund Mike ist dagegen der gute Junge vom Viertel und vor allen Dingen, der psychisch gesündere von beiden. Er ist sehr verant-wortungsbewusst und macht sein Job in der Vidheothek mit Liebe und Hingebung. Als die Filme ausgelöscht werden, geht er jede Möglichkeit durch, um eine Lösung für das Problem zu finden. Dabei kommt er schließlich auf die Idee, eine alte VHS Kamera auszugraben und damit die fehlende Filme nachzudrehen. Mike ist auch derjenige, der die meiste Zeit Ideen und Anweisungen gibt und somit die Züge des Regisseurs annimmt. „I´m Bill Murry, you´re everybody else“ – so teilt er Jerry sei-nen Plan mit. Seine verrückte Idee erklärt er damit, dass wenn jemand den Film nicht gesehen hat bestimmt nichts darüber weiß. In zwei Stun-den muss „Ghost Busters“ fertig sein. Statt angesichts der scheinbar unmöglichen Aufgabe zu resignieren, stürzen sich die Jungs in den Dreharbeiten. Jerry ist der Hauptdarsteller, Mike macht Kamera...und alles anderes auch.

Jerry und Mike ergeben zusammen den Filmemacher in „Be kind, rewind“. Jerry besitzt die Eigenschaft eines Filmemachers, sich mit sei-nem ganzen Wesen einer Idee zu widmen: seine Besessenheit verlagert sich von der elektrischen Strahlung auf dem Filmemachen. Er hat auch das Herz und die Spontanität des Filmemachers in sich. Als am Schluss Mike aufgegeben hat, weil er keinen Sinn mehr in der Arbeit erkennt, ist Jerry derjenige, der ihn dazu treibt weiterzumachen und einen eigenen Film zu drehen.

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Anders als Jerry, nutzt Mike sein klaren Verstand und verläßt sich darauf. Er ist der Kopf von beiden. Wenn Jerrys Fantasiewelt erst keinen Bezug zum Film hat, hat Mike, durch seine Arbeit in der Videothek, von Anfang an eine Bindung dazu. Von ihn kommt überhaupt die Idee, Filme zu drehen. Mike ist auch derjenige, der sich mit den filmtechnischen Details auskennt. Er verkörpert das Filmische, den Intellekt, aber auch die Moti-vation eines Filmemachers. Sein Wunsch, die Videothek zu retten treibt ihn immer weiter. Lee Carter und William Lee Carter und William sind die Filmemacher in „Son of Rambow“ und ein ganz klares Bild von neuen Filmemachern. Diese Figuren sind sehr eindeutig an den Ideen vom neuen Regisseur gebunden - die unbefangene Vermischung von reiner Fantasie mit kommerziellem Kino und das Expe-rimentieren mit Video, die ich schon erwähnt habe. Will iam verkörpert die reine Fantasie und Vorstellungskraft. Der Zehn-jährige hat noch nie einen Film, nicht mal ein einziges bewegtas Bild gesehen. Seine sektenartige Religion erlaubt es nicht. Das erste Bild des Films spricht das alles schon aus. Wir sehen William und die Mitglieder seiner Kirche vor dem Kino versammelt, dem sie den Rücken zugedreht haben. Indem der Junge aus der Bibel vorliest, soll gegen den darin lau-fenden Film protestiert werden – „Rambo“. Der Junge ist ängstlich und schüchtern und hat keiene Freunde in der Schule. Dort muss er sogar das Klassenzimmer verlassen, wenn ein Unterrichtsvideo gezeigt wird. Um den riesigen Bedarf nach Farben, Bilden und Geschichten in seiner grauen Welt auszugleichen, muss William seiene eigene Fantasie benutzen – was er auch tut. Alles worauf man malen kann ist von ihm vollgemalt – seine Bücher und Hefte, sogar das Schuhlklo. Jedes Eckchen seiner Bücher ist ein Daumenkino. In seiner Fantasie hat William die von seiner Mutter

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und seiner Religion gezogenen Grenzen längst gesprengt und eigene Bilder, die sich bewegen erstellt. Trotzdem hat das erste sehen eines Filmes – einer Szene von „Rambo“ - riesige Auswirkung auf dem Jungen. Der Gedanke daran läßt ihn nicht mehr los und vermischt sich mit seinen eigenen Fantasiegeschichten. Schon bevor William Film entdeckt hat, das vermittelt uns „Son of Ram-bow“, ist Filmemachen für ihn genau die richtige Art, seine Fantasie aus-zudrücken. Im Laufe des Filmes entwickelt er sich stark als die Regisseur-Figur. Als die Produktion schließlich professionelle Züge annimmt, ist Will ganz eindeutig der Regisseur. Er kommt am Set wie Truffaut in „Die Amerikanische Nacht“ an, wird von allen etwas gefragt und gibt seine Anweisungen. Sein Vorstellungsvermögen wird von allen hoch geschätzt und er drängt Lee Carter, der den Film angefangen hat, komplett aus der Produktion raus. Lee Carter ist hier jedoch der eigentliche Sohn von Rambo, der Sohn des kommerziellen Kinos. Während wir im ersten Bild William und seine gezwungene Kino-Verweigerung sehen, führt uns das zweite Bild in den Kinosaal hinein, wo Lee Carter es sich wie zuchause bequem gemacht hat und den laufenden Film mit seiner VHS Kamera aufnimmt. Er ist das schwarze Schaaf der Schule, rebellisch und ungezogen. Das einzig gute in Lees Leben sind Filme, sein größter Wunsch - Filme zu machen.Wenn man die bisherigen Bilder vom Regisseur betrachtet, so ähnelt William dem auteur und Lee - dem Cineast. Lee Carter will ein Remake von „Rambo“ drehen. Für ihn bedeutet Film die Filme, die er kennt. Einen Film zu machen heißt für den Jungen, einen nachzudrehen. Bevor er William begegnet, zieht er es gar nicht in Betracht, eine eigene Geschichte zu verfilmen. „A lot of kids, when they have a camera, have tended to do remakes of existing films.”3 Lee hat viel

3 www.avclub.com - Interview mit Gondry

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Ahnung von Filmen, einer Kamera. Er kann sogar Schneiden. Was ihm fehlt, ein vollständiger Filmemacher zu sein, sind das selbständige Vorstellungsvermögen und das Denken in Bildern. Als er William ken-nenlernt, ist er von seinen Zeichnungen beeindruckt und erkennt sofort sein filmisches Potential. Carter und William fangen an, zusammen an dem Film zu arbeiten. Kino und Fantasie vermischen sich und aus Rambo wird „Son of Rambow“. Die Filme und das Filmemachen Es gibt viele Details um den Filmproduktionen in „Son of Rambow“ und „Be kind, rewind“, die einen Kommentar zum zeitgenößischen Kino ab-geben. Wie schon angesprochen, sollten in beiden Filmen erst Remakes gedreht werden, woraus sich am Schluss eigenstendige Filme ergeben. Damit wird vordergründig die Aussage getroffen, dass es nicht schlimm ist, eine alte Geschichte neu zu erzählen oder sich auf andere Filme zu beziehen – solange es nicht nur darum geht den kommerziellen Erfolg des Originals zu erreichen.Wenn man in dieser Geschichte seine eigenen Ideen in eigenen Bildern ausdrückt, wird daraus auch ein eigener Film und nicht bloß eine Kopie. „These are not simple remakes, they are way more creative”4. Jerry und Mike fangen mit “Ghost Busters” an, und müßen danach immer mehr Remakes drehen. Sie verfilmen hier jedoch nicht die Filme neu, sondern ihre eigene Errinerungen daran, ihre eigene Vorstellung von diesen Filmen.

4 Alma, „Be kind,rewind“

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Jerry und Mike entwickeln im Laufe ihrer Arbeit ihre Fantasie und ihren eigenen Stil. Die Filme bekommen sogar einen eigenen Namen – Sweded. Vielleicht bezeichnet dieser Begriff sehr gut die Idee von dem heutigen Filmemachen – auch wenn heutzutage Filme sich ungewollt immer auf andere Filme beziehen und damit in gewisser Weise nur noch als Remakes möglich sind, können diese Remakes neuartig und kreativ sein, neue Bilder zeigen und Originalität neu definieren. Ähnlich entwickelt sich die Filmidee auch in „Son of Rambow“. Als Lees Vorhaben Rambo nachzudrehen auf Williams Kreativität trifft, ent-wickelt sich aus dem Remake etwas ganz neues. Williams sowieso sehr blühende Fantasie, bekommt durch das Sehen von „Rambo“ einen gewal-tigen Anstoss. Um einer einzigen Szene entwickelt er eine komplette Geschichte. Hier dient der Film als Inspiration und nicht als Vorlage. Lee Carter muss nicht lange überzeugt werden – „Alright, we’ll do your story, but we’re doin’ it my way”. Hier hat immer noch Lee das Sagen. Die Jungs freunden sich jedoch immer mehr an, und machen den Film Seite an Seite. Sowohl Gondry als auch Hammer&Tongs, zeigen wie das Filme-machen auf einer unbefangenen spielerischen Art anfängt, wobei die Filmemacher ihre Fantasie mit Leichtigkeit ausdrücken. Doch auch die nicht so schöne Entwicklung dieses Anfangs wird hier gezeigt. Mit dem Wachsen der Produktion in „Son of Rambow“ und dem Erfolg der Sweded Filme in „Be kind Rewind“ wird auch einen anderen Aspekt des heutigen Kinos angesprochen – die Kommerzialisierung. Diese ist ein Feind von der reinen und schönen filmischen Idee und zerstört den Idealismus des Filmemachers. In Gondrys Film ist Jerry irgendwann total von seinem „Ruhm“ geblendet und zerstreitet sich beinahe mit Mike. Der kommerzielle Aspekt vom Kino tritt aber viel mehr in den Vordergrund, als in der kleinen Harlem-Videotheothek, Vertreter der großen Studios kommen. Sie verlangen über 5 Billionen Doller Entschädigung für die Urheberrechteverletzung , die Jerry und Mike mit ihren Remakes be-gangen haben. Dies ist das Ende der Sweeded Filme. In „Son of Rambow“ spielt sich alles noch dramatischer ab. Als die Produktion immer größer und professioneller wird, wird William von

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dem Kinder-Filmteam immer mehr in die clichéhafte Rolle des Regisseurs reingedrängt. Nichts bleibt übrig vom Kinderspiel und Spaß. Jetzt gibt es Stars, Partys, Fans, Glamour – alles was ein Aushängeschild für Holly-wood ist. William hat jetzt das Sagen, aber viel weniger Freiheit. Irgend-wan vergisst er selber, wie alles angefangen hat. Er ist völlig von seiner Hochmut geblendet. Das reicht so weit, dass er Lee Carter auf brutaler Weise vom Set wegjagt und erniedrigt. Erst als die Dreharbeiten mit einem tragischen Unfall enden, wird der kleine Regisseur wieder auf den Boden der Tatsachen geholt.

Ästhetik Es gibt zwei Faktoren, die sich auf die Ästhetik beider Filme auswirken. Zum ersten können sich die Filmemacher darin nichts leisten und müssen alles was in ihren Filmen vorkommt selber bauen. Jede komplizierte

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Kamerabewegung muss nachgemacht werden, jeder Gegenstand - selber gebastelt. Mangel vordert hier die Kreativität und es entstehen die aus-gefallensten Ideen. Dies wirkt sich, besonders in „Be kind, rewind“, auf die Gesamtästhetik des Filmes aus. Alles hier ist analog, ausgeschnitten, aufgeklebt, angepasst.

Zum zweiten, zeigt das Format VHS seine Auswirkung. „Be kind, rewind“ und „Son of Rambow“ sind beide eine Art Hommage an diesem kurz-lebigen Medium unserer Zeit. Durch ihn haben die neuen Regisseuren das Filmemachen überhaupt kennengelernt. Wir sehen in beiden Filmen Aufnahmen der VHS Kameras. In „Be kind, rewind“ wird zudem die Ästhetik der Stummfilme nachgemacht, der Film über Fats Waller ist in retro schwarz-weiss. Da es sich hier nicht mehr um ein klares Bild sondern um die Eigenschaft Filmemacher handelt, gibt es in beiden Filmen, bis auf eine Ausnahme, keine besondere Stilmittel, die den Regisseur charakterisieren. Diese Ausnahme zeigt „Son of Rambow“. Hier handelt es sich zwar auch um Charaktereigenschaften des Regisseurs, doch eins davon ist in Bilder dargestellt. Garth Jennings hat ein bildlicher Ausdruck für Williams Fantasie gefunden - seine Buntstiftzeichnungen. Diese treten im Film mehrmals auf. Wir sehen sie auch als bewegte Bilder – Animationen die William in seinen (Tag-)Träumen sieht. Diese kontrastieren stark zu seinem grauen sterilen Zuhause. Der bildliche Kontrast zwischen Drinnen und Draußen ist im Film sehr stark. Er verdeutlicht, dass beide Jungs zuhause ganz anders sind als bei ihrem Filmdreh. Durch das Filmemachen finden sie den Weg sich zu befreien und sich selbst zu sein.

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Schlusswort

Kaum 100 Jahre nach seiner Geburt, hat das Kino einen langen Weg

zurückgelegt. Die Entwicklung von Film wurde von der Filmgeschichte

festgehalten, die Ideen darüber - von der Filmtheorie. Was ist Film? Mit

dieser Frage hat sich die Theorie über Jahrzehnte auseinandergesetzt und

hat versucht sie zu beantworten - in Texten.Was ist Filmemachen? Diese

Frage konnten nur Filmemacher beantworten und haben es auch gemacht

– in Bilder.

Seit Anbeginn der Filmgeschichte gewähren uns selbstreflexive Filme

Aufschluss über die Entwicklung des Filmemachens und die damit

verbundenen Ideen. So bilden sie eine Art Geschichte des Filmemachens

– und zwar nicht aus technischer und industrieller, sondern aus

ideologischer Hinsicht. Eine zentrale Rolle in dieser „Geschichte des

Filmemachens“ spielt logischerweise der Filmemacher – der Regisseur.

Wie wir gesehen haben, repräsentiert sein Bild den filmgeschichtlichen

Kontext und reflektiert die damit verbundenen Ideen über das

Filmemachen.

Der auteur ist das erste Bild und entspricht der ersten Autoren der

Filmgeschichte. Bei diesem Bild hat der Regisseur eine hohe

gesellschaftliche Position und sein Können wird hoch geschätzt. Seine

filmische Ideen kommen aus ihm heraus und haben als Referenzgröße

seine innere Welt und die Realität.

Darauf folgt das Bild Cineast - der Schüler des auteurs. Hier ist der

Regisseur ein Nachfolger. Er kennt und ehrt seie künstlerische Vorfahren

und verfügt über Kinobildung. Sein Auftreten und seine gesellschaftliche

Position sind bei weitem nicht so nobel wie die des auteurs. Sein Können

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wird zwar immernoch geschätzt, doch es äußetr sich jetzt in dem was er

weiß und nicht in dem was er erfindet. Er ist kein Schöpfer mehr,

sondern ein Gelehrter.

Die realen Cineasten bringen das nächste Bild hervor – der Mythos (der

Dinosaurier) . Hier ist der Regisseur mit einem Regie-Mythos, wie z.B.

Orson Welles besetzt. So wird die Figur durch die reale Persönlichkeit

symbolisch aufgeladen. Dieses Bild kommt aus der Vergangenheit und hat

den Charakter einer Retrospektive, eines Abschieds von dem Kino der

großen Autoren. Eine Kinoära, die unwiederbringlich vorbei ist.

Das ist sich das Remake durchaus bewusst. Dieses Bild vom Regisseur

markiert eine Krise im Kino. Der Regisseur ist nicht mehr dazu fähig,

etwas Neues zu machen und existiert, wie seine Filme, nur noch als

Remake. Er kann der Referenz auf andere Filme nicht entfliehen. Er ist

außerhalb der Gesellschaft, nichts von seiner glanzvollen Position ist

übrig. Sein Können hat sich mit der Kommerzialisierung vom Kino und

mit der Digitalen Revolution komplett entwertet. Es bleibt ihm nichts an-

deres übrig als der Tod. Das Remake ist das sterbende Bild vom Regisseur.

Doch dieser Tod macht Platz für einen neuen Anfang, in einer neuen

Form - der Geist. Hier ist das Bild des Filmemachers frei von den

Grenzen des Alten. Es ist eine abstrakte Eigenschaft die jeder besitzten

könnte. Der neue Filmemacher hat noch in seiner Kindheit das Erstellen

bewegter Bilder kennengelernt. Video gab ihm die Möglichkeit,

spielerisch und unabhängig vom Kino das Filmemachen auszuprobieren.

Er ist jetzt wieder ein Schöpfer, weil Film ein Teil seiner Fantasie ge-

worden ist. Er versinkt nicht in einer utopischen Flucht von der

Selbstreferentialität, sondern drückt sich ganz frei aus und erschafft somit

etwas wirklich Eigenes und Originelles.

Zusammengefasst haben sich die Macht und die Fähigkeiten des

Filmemachers mit der Verbreitung des Films und der Entwicklung der

Technik infalationiert; er hat seine anfangs angesehe gesellschaftliche

Position verloren; Filme bekamen einen immer größeren Einfluss auf

seine Ideen; seine Selbstreferentialität ist irgendwann unumgänglich

geworden. Diese Umstände haben das anfängliche Bild des Regisseurs zur

Dekonstruktion gebracht, bis es sich schließlich komplett aufgelöst hat.

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Es ist gestorben. Doch mit seinem Tod wurde auch das Feld für eine neue

Idee vom Filmemacher geräumt. Da sich heute die Referenzfelder Film

und Realität angeglichen haben und ganz neue Technologien entwickelt

wurden, kann der Filmemacher auf einer anderen Grundlage neu

anfangen.

Was jetzt zählt ist, wie in den Anfängen des Kinos, die Fantasie. Heut-

zutage, als Technik und Medien über die Welt bestimmen, wird die

menschliche Fantasie mehr denn je gebraucht und mehr den je

vernachläßigt. Unmengen an fertigen Bildern werden konsumiert, doch

oft gar nicht verarbeitet. Dass die Fantasie des Regisseurs von Filmbildern

beeinflusst ist, ist normal, denn die Weltwahrnehmung von uns allen

besteht zur Hälfte daraus. Solange der Filmemacher seine Gefühle,

Träume und Gedanken ausdrückt, wird das Filmemachen nie seinen Sinn

verlieren. Solange der Regisseur ehrlich ist, wird er in der Lage sein, einen

einzigartigen Film zu machen. Denn die Fantasie ist individuell und

einzigartig. Sie kann nicht kopiert werden, man kann kein Remake davon

machen. Man kann nur darauf hören und den Mut haben sie einzusetzen.

Der Geist des Filmemachers sagt:

Es lebe die Fantesie! Es lebe der Film!

Und er bringt sie zusammen.

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Quellenverzeichnis

Bücher:

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C. G. Jung. [Hrsg.: Marianne Niehus-Jung ...] ; Freiburg im Breisgau

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Schweikhart]. - Köln, 1998

Das Selbstportra it im Zeita lter der Photographie : Hrsg. Erika Billeter.

Bern 1985

Die Geschichte des Selbstporträts : Omar Calabrese; Deutscher Kunstverlag,

München, 2006

Der Künstler und der Tod : Hrsg. Volker Adolphs. - Köln : König, 1993

Selbstbi lder in Psychose und Kunst : Hrsg: Flora Gräfin von Spreti, Hans

Förstl, Karolina Breindl, Philipp Martius; München 2001

Der Künstler über sich in seinem Werk : Hrsg. Matthias Winner; Acta

Humaniora, 1992.

„Mimesis im Spiegel. Spekulat ive Horizonte des Selbstportra its“ in

Kunst forum International : Jörg Zimmermann; 1991

Fünfhundert Selbstporträts von der Ant ike b is zur Gegenwart: Ludwig

Goldschneider; Phaidon-Verlag, Wien 1936

Fi lm als Kunst: Rudolf Arnheim; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002

Der Geist der Films: Bela Balazs; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001

Fr iede Grafe - Ausgewählte Schriften in Einzelbänden; Band 3,4,8,9; Hrsg.

Enno Patalas; Brinkmann&Bosse; Berlin 2003

Kunstwert des Fi lms und Massencharakter des Mediums : Peter Wuss;

Henschel, Berlin 1990.

Nouvelle Vague: Hrsg. Grob, Kiefer, Klein, Stiglegger; Bender, Mainz 2006

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Fi lm und Kritik, Heft2: Selbstreflexivität im Fi lm; Hrsg. Amann,

Kaltenecker, Keiper; Stroemfeld, Basel 1993

Gesell scha ft im Film: Hrsg. Markus Schroer (Hg.); UVK, Konstanz 2008

Fi lm im Fi lm. Selbstporträ ts der Traumfabrik. : Horst Schäfer; Hrsg. Greune

und Schwarzer; Fischer 1984

Selbst-Reflexionen : von der Leinwand bis zum Interface: Hrsg. Matthias;

Schüren, Marburg 2004

Im Spiegelkabinett der Illu sionen": Filme über s ich selbst

(Arnoldshainer Fi lmgespräche ; 13): Hrsg. Ernst Karpf; Schüren, Marburg

1996.

Fi lm-Reflexionen: autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc

Godard und Federico Fell ini: Hara ld Schleicher; Niemeyer, Tübingen

1991.

Jean-Luc Godard-Interviews: Hrsg. David Sterritt; University Press of

Mississipi, 1998

Die Filme und Musikvideos von Michel Gondry: Markus Altmeyer;

Tectum, Marburg 2008

Fi lmregisseure: Hrsg.Thomas Koebner; Reclam, 2008

Die Filme von Francois Truffaut: Willi Winkler; Wilhelm Heyne Verlag,

München 1984

Stardust Memories (Drehbuch):Woody Allen; Diogenes, Zürich 1981

Deconstruct ing Woody Allen (Studien zum Theater, Film und

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Andere Medien:

Interview mit Fellini – ZDF Archiv

„Der Dinosaurier und das Baby, Gespräch in acht Teile zwischen Fritz Lang und

Jean-Luc Godard“ – Film/ Interview

„Meeting Woody Allen“ – Jean-Luc Godard; Portrait Film/ Interview

www.filmzentrale.com – verschiedene Artikel

www.avclub.com/articles/michel-gondry - Interview mit Gondry

www.boston.com/movies/ - Artikel zu Son of Rambow

www.guardian.co.uk/film/2008/ - Interview mit Hammer&Tongs

www.aintitcool.com/ - Interview mit Hammer&Tongs

Filme:

„Der Man mit der Kamera“ – Dziga Vertov, „8 !“ – Fel l ini, „Stardust Memories“,

“The Purple Rose of Cairo”, “Zelig” - Woody Allen , „La Ricotta“ – Pasolin i, “Le

Mepris“ u. A. – Jean-Luc Godard, „Die Amerikanische Nacht“ u.A. – Francois

Truffaut, „Der Stand der Dinge“, „Lisbon Story“ – Wim Wenders , „Be kind,

rewind”, “The Science of Sleep” – Michel Gondry, “Son of Rambow” –

Hammer&Tongs , “The Big Swallow” - James Wil liamson, “Prison” - Ingmar

Bergmann, “What just happened” - Barry Levinson, “Lilvin in Oblivion” - Tom

DiCil lo , „Die Warnung vor einer heiligen Nutte“- R.W. Fassbinder, “Search and

Destroy”- David Sa lle(Mart in Scorsese Prod.), “The Player” - Robert

Altman, “Sunset Boulevard” - Bi lly Wilder, „Adaptation“ – Spike Jonze,

„Barton Fink“ - Coen Gebrüder , “Inland Empire”, “Mulholland Drive“ - David

Lynch, “Timcode” - Mike Figgis , “Show People” - King Vidor, “Das Fenster

zum Hof” – Alfred Hitchkock, “Pulp Fiction”, ”Kill Bill” – Quentin Tarantino

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