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www.uni-stuttgart.de Einführung Materialsynthese mit gesteuerten BioNanoreaktoren (PHAGETOOLS) Zur Herstellung von Nano- und Mikrostrukturen werden komplexe Methoden sowie potentiell aggressive Chemikalien benötigt. Diese etablierten Fabrikationsmethoden sind zudem auf ausgewählte Materialien beschränkt und erlauben keine Erzeugung echter 3D Strukturen und keine direkte Bearbeitung von biologischen Materialien. Auf den Grundlagen biologischer Prozesse werden Methoden für die einfache und nachhaltige Herstellung und Bearbeitung von technisch und biologisch relevanten Materialien entwickelt. Phagen sollen als Templat- und Ankerstruktur verwendet werden, um multifunktionale BioNanoreaktoren zu erzeugen, die gezielt und aktiv bewegt werden können und dabei eine Materialsynthese mit hoher Auflösung erlauben. Das modular auf Phagen basierende Nanowerkzeug (Phagetool) ermöglicht sowohl die additive Erzeugung von Materialien als auch die subtraktive Bearbeitung von Materialien. Durch die Entwicklung dieser Methoden sollen neue Wege in der Nanofabrikation und -bearbeitung, u.a. auch von Biomaterialien, beschritten und 3D Strukturen einfacher und umweltbewusster als bei bestehenden Prozessen realisiert werden. Vom Virus zum Material Dirk Rothenstein 1 , Peter Oswald 2 , Joseph Wang 3 , Peer Fischer 2 , Joachim Bill 1 Abbildung 1: BioNanoreaktoren mit M13 Bakteriophagen (blau) und fd Y21M Bakteriophagen (lila). Die Phagen unterscheiden sich in ihren mechanischen Eigenschaften voneinander. Fd Y21M Phagen weisen eine höhere Steifigkeit auf. Beide Phagen-Typen wurden genetisch modifiziert und ein His-tag an das p3 Hüllprotein fusioniert. Die Phagen werden über das His-tag spezifisch an Ni-Nitrilotriessigsäure (NTA) beschichtete anorganische Partikel gebunden werden (A: M13 p3-His, C: fd p3-His und D: fd p7-His). Nicht modifizierte Phagen, den das His-tag fehlt, können nicht an die Partikel binden (B und E). Um die Bakteriophagen an diskreten Positionen abzusetzen ist zusätzlich eine Protease-Schnittstelle nach dem His-tag in das Hüllprotein inseriert. Kontrolle: Partikel ohne Phagen(F). NanoBioreaktoren Abbildung 5: Kopplung und Entkopplung von M13 Phagen an BioNanoreaktoren. M13 Phagen mit His-tag am p3 bzw. p7 Hüllprotein und nicht modifizierte Phagen wurden an Ni-NTA beschichtete Partikel gebunden. Eine Entkopplung vom Partikel ist bei Zugabe von Protease (+) nur für Phagen mit Protease-Schnittstelle mögliche (hellgraue Balken). Ohne die Zugabe der Protease (-) bleiben die Phagen am Partikel gekoppelt (schwarze Balken). Nicht modifizierte wildtyp Phagen (M13 wt) zeigen nur eine geringe, unspezifische Bindung. Abbildung 4: Kopplung von fd Y21M Phagen an BioNanoreaktoren. Fd Y21M Phagen mit His-tag am p3 bzw. p7 Hüllprotein und nicht modifizierte Phagen wurden an Ni-NTA beschichtete Partikel gebunden. Eine Kopplung der Phagen an Partikel ist nur für Phagen mit His-tag möglich. Phagen ohne His-tag (fd A21M) zeigen nur eine sehr geringe, unspezifische Bindung. C) 200 nm 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 A) 100 nm B) 100 nm Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme 2 Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme Labor für Mikro- Nano- und Molekulare Systeme Heisenbergstraße 3 70569 Stuttgart Universität Stuttgart 1 Universität Stuttgart Institut für Materialwissenschaft Lehrstuhl für Chemische Materialsynthese Heisenbergstraße 3, 70569 Stuttgart 3 University of California San Diego Jacobs School of Engineering Dept. of Nanoengineering La Jolla, CA 92093-0448, USA Abbildung 3: Ortsspezifische Mineralisation von Gold-Nanopartikeln an genetisch veränderten M13 Phagen. Ein Gold-mineralisierendes Peptide (Peptid Au) wurde an verschiedenen Stellen der Phagenoberfläche präsentiert. In Abhängigkeit der Lokalisation des Gold-Peptids wurde Gold auf den Phagentemplaten abgeschieden. A) M13 p3-Au: Mineralisation von GNP an der Spitze von Phagen. B) und C) M13 p8-Au: GNP Bildung entlang des gesamten Phagenkörpers. C) Es wurden voll entwickelte (1) und naszierende GNP (2) parallel an Templaten nachgewiesen. Lokalisierte Mineralisation auf Phagen Abbildung 2: Schematische Darstellung der lokalisierten Goldnanopartikeln-Mineralisation auf gentechnisch veränderten M13 Phagen. Gold-bindungspeptide (A Y S S G A P P M P P F, Naik et al. (2002) Nature Materials 1: 169 – 172.)(rot) wurden an der Spitze bzw. am Phagenkörper präsentiert. Abbildung 1: Phagen basierte Nanoreaktor. A) Grundelemente des Phagen basierten Nanoreaktors: anorganischer Partikel oder Latexkügelchen als Grundmodul sowie Phagen. B) Phagen werden über (B1) Biotin-konjungierte -p3 Hüllprotein Antikörper an Streptavidin beschichtete Partikel (B2) oder mittels spezifischer anorganisch-bindender Peptide (B3) an den Grundkörper gekoppelt. Anschließend werden die Phagen mit Enzym-Antiköperkomplexen dekoriert. Die nächsten Schritte: Phagen basierte BioNanoreaktoren werden gezielt bewegt. Katalytisch aktive Enzyme werden an die Phagen gekoppelt und setzten Substrate um und bewirken eine additive oder subtraktive Materialbearbeitung. Rothenstein, D., et al. (2013). Mineralization of gold nanoparticles using tailored M13 phages. Bioinspired, Biomimetic and Nanobiomaterials, 2, 173-185. doi:10.1680/bbn.13.00004. Ausblick Phagen werden über den His-tag an anorganische Partikel gekoppelt. Gentechnisch veränderte fd Y21M Phagen binden mit ~90 % hochspezifisch an das Grundmodul (Abbildung 4). Nur 1,2 % der nicht modifizierten Phagen zeigen eine unspezifische Interaktion mit dem Grundmodul. Die Phagen können durch Proteasen von den Grundmodulen entkoppelt werden (Abbildung 5). Dabei werden nur solche Phagen von den Partikeln gelöst, die eine dementsprechende Protease-Schnittstelle haben. Gefördert durch die Baden-Württemberg Stiftung Bioinspirierte Materialsynthese A) Grundmodul anorganischer Partikel Phage p3 p8 p7 / p9 1 2 3 Y Y Y Antikörper -gp3 Antikörper -gp8 Sekundärantikörper Biotin Streptavidin Bindungs-Peptid Enzym 1 Enzym 2 Genetische Modifikation Gold Mineralisation Gold Mineralisation M13 Phage A) E) D) C) B) F) Substratumsatz Mineralisation Degradierung Mikroumgebung Substratumsatz Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ + Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ + Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ + + + Ni 2+ + + Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ Ni 2+ p3- p3- p3- /p7- p3- p7- / M13 wt Protease + - + - + - + - + - fd Y21M p7- p3- p7- / p3- p7- B) DNA Organisation der genetisch modifizierten Phagen: Phagen DNA Protease Schnittstelle His-tag Gen Hüllproteine p3, p7 oder p9

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Einführung

Materialsynthese mit gesteuerten BioNanoreaktoren (PHAGETOOLS)

Zur Herstellung von Nano- und Mikrostrukturen werden komplexe Methoden sowie potentiell aggressive Chemikalien benötigt. Diese etablierten Fabrikationsmethoden sind zudem auf ausgewählte Materialien beschränkt und erlauben keine Erzeugung echter 3D Strukturen und keine direkte Bearbeitung von biologischen Materialien. Auf den Grundlagen biologischer Prozesse werden Methoden für die einfache und nachhaltige Herstellung und Bearbeitung von technisch und biologisch relevanten Materialien entwickelt. Phagen sollen als Templat- und Ankerstruktur verwendet werden, um multifunktionale BioNanoreaktoren zu erzeugen, die gezielt und aktiv bewegt werden können und dabei eine Materialsynthese mit hoher Auflösung erlauben. Das modular auf Phagen basierende Nanowerkzeug (Phagetool) ermöglicht sowohl die additive Erzeugung von Materialien als auch die subtraktive Bearbeitung von Materialien. Durch die Entwicklung dieser Methoden sollen neue Wege in der Nanofabrikation und -bearbeitung, u.a. auch von Biomaterialien, beschritten und 3D Strukturen einfacher und umweltbewusster als bei bestehenden Prozessen realisiert werden.

Vom Virus zum Material

Dirk Rothenstein1, Peter Oswald2, Joseph Wang3, Peer Fischer2, Joachim Bill1

Abbildung 1: BioNanoreaktoren mit M13 Bakteriophagen (blau) und fd Y21M Bakteriophagen (lila). Die Phagen unterscheiden sich in ihren mechanischen Eigenschaften voneinander. Fd Y21M Phagen weisen eine höhere Steifigkeit auf. Beide Phagen-Typen wurden genetisch modifiziert und ein His-tag an das p3 Hüllprotein fusioniert. Die Phagen werden über das His-tag spezifisch an Ni-Nitrilotriessigsäure (NTA) beschichtete anorganische Partikel gebunden werden (A: M13 p3-His, C: fd p3-His und D: fd p7-His). Nicht modifizierte Phagen, den das His-tag fehlt, können nicht an die Partikel binden (B und E). Um die Bakteriophagen an diskreten Positionen abzusetzen ist zusätzlich eine Protease-Schnittstelle nach dem His-tag in das Hüllprotein inseriert. Kontrolle: Partikel ohne Phagen(F).

NanoBioreaktoren

Abbildung 5: Kopplung und Entkopplung von M13 Phagen an BioNanoreaktoren. M13 Phagen mit His-tag am p3 bzw. p7 Hüllprotein und nicht modifizierte Phagen wurden an Ni-NTA beschichtete Partikel gebunden. Eine Entkopplung vom Partikel ist bei Zugabe von Protease (+) nur für Phagen mit Protease-Schnittstelle mögliche (hellgraue Balken). Ohne die Zugabe der Protease (-) bleiben die Phagen am Partikel gekoppelt (schwarze Balken). Nicht modifizierte wildtyp Phagen (M13 wt) zeigen nur eine geringe, unspezifische Bindung.

Abbildung 4: Kopplung von fd Y21M Phagen an BioNanoreaktoren. Fd Y21M Phagen mit His-tag am p3 bzw. p7 Hüllprotein und nicht modifizierte Phagen wurden an Ni-NTA beschichtete Partikel gebunden. Eine Kopplung der Phagen an Partikel ist nur für Phagen mit His-tag möglich. Phagen ohne His-tag (fd A21M) zeigen nur eine sehr geringe, unspezifische Bindung.

C)

200 nm

1

1

1

2

2

2

2

2

2 2

A)

100 nm

B)

100 nm

Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

2 Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme Labor für Mikro- Nano- und Molekulare Systeme Heisenbergstraße 3 70569 Stuttgart U n i v e r s i t ä t

S t u t t g a r t

1 Universität Stuttgart Institut für Materialwissenschaft

Lehrstuhl für Chemische Materialsynthese Heisenbergstraße 3, 70569 Stuttgart

3 University of California San Diego Jacobs School of Engineering Dept. of Nanoengineering La Jolla, CA 92093-0448, USA

Abbildung 3: Ortsspezifische Mineralisation von Gold-Nanopartikeln an genetisch veränderten M13 Phagen. Ein Gold-mineralisierendes Peptide (Peptid Au) wurde an verschiedenen Stellen der Phagenoberfläche präsentiert. In Abhängigkeit der Lokalisation des Gold-Peptids wurde Gold auf den Phagentemplaten abgeschieden. A) M13 p3-Au: Mineralisation von GNP an der Spitze von Phagen. B) und C) M13 p8-Au: GNP Bildung entlang des gesamten Phagenkörpers. C) Es wurden voll entwickelte (1) und naszierende GNP (2) parallel an Templaten nachgewiesen.

Lokalisierte Mineralisation auf Phagen

Abbildung 2: Schematische Darstellung der lokalisierten Goldnanopartikeln-Mineralisation auf gentechnisch veränderten M13 Phagen. Gold-bindungspeptide (A Y S S G A P P M P P F, Naik et al. (2002) Nature Materials 1: 169 – 172.)(rot) wurden an der Spitze bzw. am Phagenkörper präsentiert.

Abbildung 1: Phagen basierte Nanoreaktor. A) Grundelemente des Phagen basierten Nanoreaktors: anorganischer Partikel oder Latexkügelchen als Grundmodul sowie Phagen. B) Phagen werden über (B1) Biotin-konjungierte -p3 Hüllprotein Antikörper an Streptavidin beschichtete Partikel (B2) oder mittels spezifischer anorganisch-bindender Peptide (B3) an den Grundkörper gekoppelt. Anschließend werden die Phagen mit Enzym-Antiköperkomplexen dekoriert.

Die nächsten Schritte: Phagen basierte BioNanoreaktoren werden gezielt bewegt. Katalytisch aktive Enzyme werden an die Phagen gekoppelt und setzten Substrate um und bewirken eine additive oder subtraktive Materialbearbeitung.

Rothenstein, D., et al. (2013). Mineralization of gold nanoparticles using tailored M13 phages. Bioinspired, Biomimetic and Nanobiomaterials, 2, 173-185. doi:10.1680/bbn.13.00004.

Ausblick Phagen werden über den His-tag an anorganische Partikel gekoppelt. Gentechnisch veränderte fd Y21M Phagen binden mit ~90 % hochspezifisch an das Grundmodul (Abbildung 4). Nur 1,2 % der nicht modifizierten Phagen zeigen eine unspezifische Interaktion mit dem Grundmodul. Die Phagen können durch Proteasen von den Grundmodulen entkoppelt werden (Abbildung 5). Dabei werden nur solche Phagen von den Partikeln gelöst, die eine dementsprechende Protease-Schnittstelle haben.

Gefördert durch die Baden-Württemberg Stiftung Bioinspirierte Materialsynthese

A)

Grundmodul

anorganischer Partikel

Phage

p3

p8

p7 / p9

1 2 3

Y

Y Y

Antikörper -gp3 Antikörper -gp8 Sekundärantikörper

Biotin Streptavidin Bindungs-Peptid Enzym 1 Enzym 2

Genetische Modifikation

Gold Mineralisation

Gold Mineralisation

M13 Phage

A) E) D) C) B) F)

Substratumsatz Mineralisation Degradierung Mikroumgebung

Substratumsatz

Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+

+

Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+

+

Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+ +++

Ni2+++

Ni2+

Ni2+ Ni2+ Ni2+

Ni2+ Ni2+

Ni2+

Ni2+

Ni2+

p3- p3- p3- /p7- p3- p7-

/ M13 wt

Protease + - + - + - + - + - fd Y21M p7- p3- p7-

/ p3- p7-

B)

DNA Organisation der genetisch modifizierten Phagen:

Phagen DNA Protease Schnittstelle His-tag Gen Hüllproteine p3, p7 oder p9