Gackernde Clique Hühner sind Gruppentiere. In kleinen Trauben huschen

sie an sonnigen Tagen durchs hohe Gras

Eigentlich kannte sich Brigitte Riedl mit Kühen aus. Doch dann zogen 5 000 Hennen auf ihren Hof im bayerischen Dörfchen Jakobsbaiern. Seither

schlägt ihr Herz für Hühner und „Gackerl“, ihren hauseigenen Eierlikör

Von Hühnern und einer Schnapsidee

64 april 2020

Land & Leute Reportage

H eiße Tage mögen sie gar nicht,

kalten Regen noch weniger. Doch

jetzt, da die Sonne durch die Schäfchen-

wolken blitzt, fühlen sie sich wohl – die

Legehennen von Familie Riedl sind wah-

re Frühlingskinder. Lautstark gackernd

stolzieren sie im Freien umher. Mitten-

drin steht Brigitte „Gitti“ Riedl (41), breit

grinsend. „Dieses Wetter lieben sie!“

Im „Bairer Winkel“, einer Region

zwischen München und Rosenheim mit

sanften grünen Hügeln, liegt der Zehat-

moarhof. Ein altes Bauernhaus, Blumen

auf den Fensterbänken, im Hintergrund

die Alpen – idyllisch! Noch vor elf Jahren

lebten hier keine Hühner, sondern

45 Milchkühe. Doch der Stall war alt.

„Renovieren hätte sich nicht gelohnt“,

erinnert sie die Bäuerin. Also verkauften

sie die Kühe und sattelten um. „Wir lie-

ben es, mit Tieren zu arbeiten, mit ihren

Produkten“, verrät sie. „Aber die Umstel-

lung war krass! Es ist, als würde ein

Bäcker beschließen, Maurer zu werden.“

Heute teilt sich die Familie den Hof

mit 5 000 Vögeln. Klingt nach ganz schön

vielen Mitbewohnern. „Überhaupt nicht,

wir sind klein und fein!“ Gitti Riedl lacht.

„Betriebe in Norddeutschland haben gut

20 000 Tiere.“ 18 Wochen sind die Hennen

alt, wenn sie zu Riedls kommen. Zwei

Wochen später legen sie die ersten Eier.

Nach 13 Monaten sinkt ihre Legeleistung

stark, sie müssen zum Schlachter. „Aber

ein Jahr lang leben sie bei uns wie im

Paradies.“ Morgens um 10 Uhr dürfen sie

ins Freie. Flink stolzieren sie über die

weite Wiese, bleiben abrupt stehen,

fixieren etwas mit schiefgelegtem Kopf

und picken dann nach einem Korn. Zu

Fressen gibt’s Getreide wie Soja und

Weizen, alles gentechnikfrei.

Zartgelbe Leidenschaft „Ich mach’ Eierlikör so, wie er mir schmeckt“, verrät Gitti Riedl. Die Bäuerin nennt ihn „Gackerl“ und erhielt dank ihm 2019 einen Unternehmer-Preis

tradition Seit Generationen lebt Familie Riedl auf dem Zehatmoarhof. Gittis Ehemann Hans wuchs hier auf. Seine Eltern wohnen mit im Haus und helfen bei den Hühnern

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65april 2020

Landleben pur Der Hof liegt am Rand des kleinen Ortes Jakobsbaiern. Hier wachsen die Hühner vor traumhafter Kulisse auf – Fernblick auf die Alpen inklusive. die Hühnerbauern Das Ehepaar Riedl mit seinen Söhnen Andi (l., 5) und Michi (8).

Zwischen niedrigen Pappeln tum-

meln sich immer besonders viele Hüh-

ner. Hier können sie sich verstecken – vor

dem ungeliebten Regen, starker Sonne

oder auch Greifvögeln. „Die kommen bei

Freilandhühnern natürlich immer wieder

vorbei“, weiß Gitti Riedl und schaut zum

Himmel. Aktuell ist keiner in Sicht.

Etwa 280 Eier legt eine Henne pro

Jahr. Die verkaufen Riedls an Super-

märkte, Altenheime und auf dem Hof.

Aus einem Teil entsteht seit 2013 eine

leckere Spezialität. „Wenn du so viele

Eier hast, probierst du Eierlikör aus.“ Die

meisten Rezepte waren der experimen-

tierfreudigen Bayerin aber zu „rass“, zu

scharf. Nach etlichen Versuchen gelang

ihr dann doch der perfekte Likör: zart-

gelb, cremig, fein im Geschmack. Wobei,

„Likör“ darf sie ihn gar nicht nennen.

Dazu braucht es 14 % Volumen Alkohol,

ihrer hat 12,5 %. „Das macht ihn so zart“,

verrät sie. Also gab sie dem Getränk

einen lautmalerischen Namen, der zu

den Rohstofflieferantinnen passt: Gack.

Und was steckt drin? „Eigelb, Alkohol,

Sahne, Milch und viiiel Zucker!“

Anfangs verkaufte Gitti Riedl den

Gack in Flaschen. Doch sie hatte ein Ziel:

Den Gack partytauglich zu machen. Also

füllte sie ihn in 2 cl-Schraubgläser. Das

„Gackerl“ war geboren. Die ersten 200

Gläschen brachte sie zu einem Fest in der

Region – dort waren sie nach einem

Abend ausverkauft. Bald besuchte sie

Messen, lieferte an Hofläden, Feste,

Getränkemärkte und wurde „Bäuerin als

Unternehmerin des Jahres 2019“.

Auf dem Hof haben die Hennen seit

der Geburtsstunde der cremigen Lecke-

rei in Sachen Gackern starke Konkur-

renz – aus dem Kuhstall. Hier wurde die

Likör-Küche eingerichtet. Gut gelaunt

schlagen fünf Frauen Eier mit der Hand

auf, trennen sie und geben alle Zutaten

in einen Pasteurisator. Er erhitzt die Mas-

se auf 70 Grad. „Nicht höher, sonst stockt

das Eigelb“, erklärt die Chefin. Nebenan

stapeln sich Eierkartons. Darin verpa-

cken die Frauen die kleinen Gläser.

„Man kann die Kartons nur paletten-

weise kaufen, daher mussten wir hier

am Anfang plötzlich 20 000 Stück

unterbringen.“ Pro Woche kochen Gitti

Riedl und ihre vier Mitstreiterinnen

180 Liter Likör. Und die Gackerl erobern

die Menschen im Sturm. Weltweit: „Die

Leute nehmen sie mit und schicken mir

Fotos – etwa aus Dubai und Korea.“

Damit hätte die Bäuerin wirklich nie

gerechnet, dass ihre „kleinen Hühner“

mal so weit fliegen! Sabina Kist

Riedls Geheimrezept: Frische Eier, Alkohol, Sahne

und viiiel Zucker

„Kloanes Gackerl“ heißt im Bayerischen

„kleines Huhn“

❶ ❷

❹ Hier gackern nicht nur Hühner Vier Freundinnen helfen Gitti Riedl bei der Produktion. nur das Beste darf in den „Likör“: Die Eier stammen vom eigenen Hof, Bio-Milch und -Sahne aus der Region. Die Gackerl gibt’s in 4er- und 10er-Packs u. a. hier: www.bavariashop.de

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66 april 2020

Land & Leute Reportage

EierlikörZubereitung 25 MinutenFür 1 Liter/ 10 Gläser• ½ Vanilleschote • 8 frische Eigelb (Größe M) • 200 g Puderzucker • 250 g Schlagsahne • 250 ml Wodka

1 ½ Vanilleschote aufschneiden, Mark herausschaben. In einer Metallschüssel Eigelbe mit Puderzucker und Vanille-mark mit den Schneebesen des Hand rührers 2–3 Minuten aufschlagen. Nach und nach die Schlagsahne und den Wodka unterrühren.

2 Schüssel in ein heißes Wasserbad setzen, Masse ca. 5 Minuten dick- cremig aufschlagen. Achtung: Nicht kochen lassen, damit die Eigelbe nicht stocken. Eierlikör warm in heiß ausge-spülte Flaschen füllen, verschließen. Haltbarkeit ca. 4 Wochen (gekühlt).

Pro GlaS: 313 kcal/1315 kJ 22 g KH, 5 g EW, 17 g F

Lieblings- Rezepte

aus der Region

Eierlikör-CremeZubereitung 10 MinutenFür 12 Portionen• 1 Glas Sauerkirschen • 500 ml Eier-likör • 500 g Mascarpone • 500 g Crème fraîche • 170 g Puderzucker

Kirschen abtropfen lassen. In der Zeit Eierlikör, Mascarpone, Crème fraîche und Puderzucker gut verrühren. Zuletzt die Kirschen unterheben.

Pro Portion: 575 kcal/2417 kJ 43 g KH, 5 g EW, 43 g F

Eierlikör-EisbombeZubereitung 45 MinutenGefrierzeit 60 Minuten und über nachtFür 1 Eisbombenform (Inhalt: 2 l, Ø 18 cm; ersatzw. Schüssel nehmen). Ergibt 12 Stücke• 130 g Vollkornbutterkekse • 90 g geschmolzene Butter • ¼ tonkabohne (im Gewürzregal; ersatzweise Mark von 1 Vanilleschote) • 4 Eigelb (Größe M) • 120 g Zucker • 200 g Eierlikör • 500 g Schlagsahne • 150 g gemischte Beeren (tK)

1 Durchmesser der Eisbombenform auf Backpapier aufzeichnen. Kekse im Alleszerkleinerer fein hacken, mit flüssiger Butter mischen. Masse als Boden auf den Backpapierkreis verteilen und festdrücken. Im Kühlschrank fest werden lassen. Eisbombenform mit Frischhaltefolie auskleiden und einfrieren.

2 Für die Eismasse Tonkabohne fein ab- reiben. Mit Eigelben und Zucker in einer Schüssel über einem heißen Wasserbad aufschlagen. Likör unterrühren. Masse in einem kalten Wasserbad kalt schlagen. Sahne steif schlagen, unterheben.

3 Eismasse in die vorbereitete Form füllen, einfrieren. Nach 60 Minuten den Keksboden auflegen, etwas andrücken. Das Eis zugedeckt über Nacht tiefkühlen.

4 Beeren auftauen lassen, pürieren und durch ein Sieb streichen. Eisbombe aus dem Gefrierfach holen, auf einen Teller stürzen, Frischhaltefolie abziehen. Eisbombe mit Beerenpüree garnieren, in Stücke schneiden und sofort servieren.

Pro StüCK: 350 kcal/1470 kJ 25 g KH, 4 g EW, 24 g F

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