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06 07 | 18 18 | Von Menschen und Marken von Manfred Thurm Der Mensch als Marke Was ist der Mensch mehr als die Summe seiner Basenpaare und was weniger als die Differenz zwi- schen den guten und den schlechten Einflüssen? Was hebt ihn ab von den anderen belebten Lehmklumpen, die über die Erde wandeln? Die DNS eines jeden ist zwar einzigartig, aber weder sein Name noch sein Verhalten oder seine Kleidung machen ihn per se zum Unikat. Dennoch will sich der Mensch – vor allem in westlichen Kulturkrei- sen – möglichst einzigartig geben. Sein angeborener Hang zu Gruppen zwingt ihn allerdings unbewusst zur Anpassung an eine Subkultur. Denn: Wer will schon ganz alleine sein? Also kleidet und verhält sich ein jeder so, wie es üblich ist, um anderen aus einer gewünschten Subgruppe ähnlich zu sein. Dieses Paradoxon aus Individualitäts- und Gruppenzugehö- rigkeitsstreben zeigt Ari Versluis in seinen Exactitu- des auf besonders eindrückliche Weise. Den Menschen einzigartig und zur Marke macht am Ende die Kombination aus allen Faktoren und, wie in der Warenwelt, der Mehrwert, den die Men- schenmarke für ihre Umgebung schafft. Dabei zählen aber nicht nur die wertbildenden Faktoren und ihre Kombination. Es gelten beinahe die gleichen Regeln wie beim Gründen eines Start-Ups: Mit dem richtigen Produkt – für den richtigen Kunden, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort – ist man nur mit einer großen Portion Glück und Mut erfolgreich. Wer sich selbst als Marke etablieren will, muss auch denken und handeln wie ein Unternehmens- gründer: Eine klare USP aufbauen, der Zielgruppe Mehrwert schaffen, Medienpräsenz ausbauen etc. Denn auch für Menschenmarken ist der Markt begrenzt. Weder Fernsehen noch Internet oder Magazine halten zu viele Fußballer als Testimonials aus. Erst recht nicht, wenn die Werbeclips dank feh- lendem schauspielerischen Talent einiger Weltmeis- ter gar nicht mehr funny sind. Die Modewelt ist ein wunderbares Biotop, um zu beobachten, wie Menschen zu Marken werden. Allen voran Modeschöpfer wie Karl Lagerfeld, Calvin Klein, Giorgio Armani. Die Liste ist länger als jeder Laufsteg. Als Modedesigner kann man sich durch seinen eige- nen Stil, Markenzeichen und eine gewisse Exzen- trik durchaus einen Namen erarbeiten. Für Models mit den immer gleichen langen Beinen und eintönig makellosen Gesichtern ist der Markt allerdings här- ter. Dennoch stechen immer wieder einzelne Damen (und Herren) hervor und verdienen mit einem Shoo- ting mehr als ganze Städte als Bruttosozialprodukt erwirtschaften. Der wichtigste Verbündete der Mode-Schaffenden und -Tragenden? Die Medien! Denn Medien machen Menschen zu Marken. Früher war es die Predigt auf dem Berg, dann die Kirchentür Wittenbergs, heute sind es RTL II oder der eigene Modeblog. Jeder kann sich inzwi- schen selbst zur Marke machen. Es müssen ihm nur genügend Menschen folgen, zuhören oder über ihn reden. Der Mensch als Ware Der Mensch als Marke wird auch schnell zur Ware. Keiner trägt zwar mehr seine Haut im ursprünglichen Sinne zu Markte, aber die Professionalisierung der Selbstvermarktung von D- bis A-Promis lässt die Schutzmauer zwischen Markenwelt, Berufsleben und Privatleben kontinuierlich bröckeln. Vor allem wenn der Erfolg ausbleibt, neigen viele dazu, ihr Privatleben und damit ihr letztes Stück Selbst zu verkaufen. Wenige schaffen es wie Stefan Raab, ihre Medien- Persönlichkeit bis ins kleinste Detail zu vermarkten und gleichzeitig ihr Privatleben zu schützen – obwohl auch er nicht unerkannt innerhalb Deutschlands eine Kugel Eis kaufen kann. Aber das ist der Preis, den jede berühmte Menschenmarke zahlen muss. Dank immer mehr Technik in unserem Alltag und der Digitalisierung beinahe aller Lebensbereiche sind aber nicht nur die Leben der Reichen, Schönen und Erfolgreichen Waren auf dem Markt. Wir, Sie, ich, jeder Internet-Nutzer ist heute mit seinem Kauf- und Surfverhalten Teil einer großen Datenindustrie, in der selbst Einwohnermeldeämter Daten an Konzerne verkaufen. Jedes Tracking-Pixel, das wir laden, füttert unser Profil im Netz mit Informationen über das, was wir vermeintlich wollen. Je mehr Informationen im Profil und je größer das Kauf-Volumen im Internet, desto wertvoller ist das Profil für die Publisher. Denn so erreichen sie effizienter eine vermeintlich (?) inte- ressierte Zielgruppe. Und irgendwie muss das der Nutzer auch tolerieren, wenn er für die meisten Online-Angebote nicht bereit ist, Geld zu zahlen. Oder, um Derek Powazek zu paraphrasieren: Wenn du nicht für ein Produkt zahlst, bist du das Produkt oder Werbeplätze werden verkauft. In die- sem Sinne: Schaltet eure Ad-Blocker aus und löscht regelmäßig eure Cookies. Dann verfolgt euch keine Google-Suche und eure Dienste sind dennoch finanziert. Doch alles, was technisch möglich ist, wird für und gegen den Nutzer eingesetzt – Canvas Finger- printing zeigte im Sommer, dass Cookies vielleicht noch die harmloseste, da einfach zu löschende, Vari- ante der Nutzer-Verfolgung darstellen. Denn Canvas Fingerprinting und sicherlich auch Nachfolgetech- nologien erkennen die Hardware der Nutzer eindeu- tig wieder und verfolgen das Nutzerverhalten über Browser hinweg. Die Marke als Ware Das Interesse der werbetreibenden Unterneh- men an diesen Informationen ist an sich auch völlig legitim, wollen sie doch einfach nur Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Leider diskreditieren einige Marken und ihre Mitarbeiter dieses System – doch dazu später. Zunächst stellt sich die Frage, was ist eine Marke überhaupt? Im Deutschen hat das Wort eine Doppel- bedeutung, die die englische Sprache offensichtlich macht. Hier wird zwischen Trademark und Brand unterschieden. In der ersten Bedeutung ist die Marke also ein Warenzeichen, genauer ein Rechtsbegriff, der durch das Markenrecht definiert und geschützt wird. Dieses Warenzeichen soll den Eigentümer vor Nachahmern schützen. Schon im Markengesetz wird deshalb explizit auf die Unterscheidungsfunktion von Marken als Warenzeichen gesprochen. Hier ist der Übergang zur Brand fließend. Denn was ist eine Marke, wenn wir von ihr als Brand sprechen? Sie ist die Summe aller wettbewerbsdifferenzierenden Fak- toren eines Produkts oder einer Dienstleistung – und damit per se Unterscheidungsmerkmal. Ein starker, ruhiger Mensch wird immer geliebt und verehrt. Er ist wie ein Schatten spendender Baum in einem dürstenden Land oder wie ein schützender Fels im Sturm. James Allen bit.ly/mehrwert-18-1 bit.ly/mehrwert-18-2 „Es gibt zu viele Blogger auf der Welt. Nur die Einzigartigen werden im Laufe der Zeit erfolgreich sein können.“ Bryan Grey Yambao, Modeblogger Targeting simpel erklärt: bit.ly/mehrwert-18-3 Viele wichtige Fragen: bit.ly/mehrwert-18-4

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  • 06 07| 18 18 |

    Von Menschen und Markenvon Manfred Thurm

    Der Mensch als Marke

    Was ist der Mensch mehr als die Summe seiner Basenpaare und was weniger als die Differenz zwi-schen den guten und den schlechten Einflüssen? Was hebt ihn ab von den anderen belebten Lehmklumpen, die über die Erde wandeln?

    Die DNS eines jeden ist zwar einzigartig, aber weder sein Name noch sein Verhalten oder seine Kleidung machen ihn per se zum Unikat. Dennoch will sich der Mensch – vor allem in westlichen Kulturkrei-sen – möglichst einzigartig geben. Sein angeborener Hang zu Gruppen zwingt ihn allerdings unbewusst zur Anpassung an eine Subkultur. Denn: Wer will schon ganz alleine sein? Also kleidet und verhält sich ein jeder so, wie es üblich ist, um anderen aus einer gewünschten Subgruppe ähnlich zu sein. Dieses Paradoxon aus Individualitäts- und Gruppenzugehö-rigkeitsstreben zeigt Ari Versluis in seinen Exactitu-des auf besonders eindrückliche Weise.

    Den Menschen einzigartig und zur Marke macht am Ende die Kombination aus allen Faktoren und, wie in der Warenwelt, der Mehrwert, den die Men-schenmarke für ihre Umgebung schafft. Dabei zählen aber nicht nur die wertbildenden Faktoren und ihre Kombination. Es gelten beinahe die gleichen Regeln wie beim Gründen eines Start-Ups: Mit dem richtigen Produkt – für den richtigen Kunden, zur richtigen

    Zeit, am richtigen Ort – ist man nur mit einer großen Portion Glück und Mut erfolgreich.

    Wer sich selbst als Marke etablieren will, muss auch denken und handeln wie ein Unternehmens-gründer: Eine klare USP aufbauen, der Zielgruppe Mehrwert schaffen, Medienpräsenz ausbauen etc. Denn auch für Menschenmarken ist der Markt begrenzt. Weder Fernsehen noch Internet oder Magazine halten zu viele Fußballer als Testimonials aus. Erst recht nicht, wenn die Werbeclips dank feh-lendem schauspielerischen Talent einiger Weltmeis-ter gar nicht mehr funny sind.

    Die Modewelt ist ein wunderbares Biotop, um zu beobachten, wie Menschen zu Marken werden. Allen voran Modeschöpfer wie Karl Lagerfeld, Calvin Klein, Giorgio Armani. Die Liste ist länger als jeder Laufsteg. Als Modedesigner kann man sich durch seinen eige-nen Stil, Markenzeichen und eine gewisse Exzen-trik durchaus einen Namen erarbeiten. Für Models mit den immer gleichen langen Beinen und eintönig makellosen Gesichtern ist der Markt allerdings här-ter. Dennoch stechen immer wieder einzelne Damen (und Herren) hervor und verdienen mit einem Shoo-ting mehr als ganze Städte als Bruttosozialprodukt erwirtschaften. Der wichtigste Verbündete der Mode-Schaffenden und -Tragenden?

    Die Medien! Denn Medien machen Menschen zu Marken. Früher war es die Predigt auf dem Berg, dann die Kirchentür Wittenbergs, heute sind es RTL II oder der eigene Modeblog. Jeder kann sich inzwi-schen selbst zur Marke machen. Es müssen ihm nur genügend Menschen folgen, zuhören oder über ihn reden.

    Der Mensch als Ware

    Der Mensch als Marke wird auch schnell zur Ware. Keiner trägt zwar mehr seine Haut im ursprünglichen Sinne zu Markte, aber die Professionalisierung der Selbstvermarktung von D- bis A-Promis lässt die Schutzmauer zwischen Markenwelt, Berufsleben und Privatleben kontinuierlich bröckeln. Vor allem wenn der Erfolg ausbleibt, neigen viele dazu, ihr Privatleben und damit ihr letztes Stück Selbst zu verkaufen.

    Wenige schaffen es wie Stefan Raab, ihre Medien-Persönlichkeit bis ins kleinste Detail zu vermarkten und gleichzeitig ihr Privatleben zu schützen – obwohl auch er nicht unerkannt innerhalb Deutschlands eine Kugel Eis kaufen kann. Aber das ist der Preis, den jede berühmte Menschenmarke zahlen muss.

    Dank immer mehr Technik in unserem Alltag und der Digitalisierung beinahe aller Lebensbereiche sind aber nicht nur die Leben der Reichen, Schönen und Erfolgreichen Waren auf dem Markt. Wir, Sie, ich, jeder Internet-Nutzer ist heute mit seinem Kauf- und Surfverhalten Teil einer großen Datenindustrie, in der selbst Einwohnermeldeämter Daten an Konzerne verkaufen.

    Jedes Tracking-Pixel, das wir laden, füttert unser Profil im Netz mit Informationen über das, was wir vermeintlich wollen. Je mehr Informationen im Profil und je größer das Kauf-Volumen im Internet, desto wertvoller ist das Profil für die Publisher. Denn so erreichen sie effizienter eine vermeintlich (?) inte-ressierte Zielgruppe. Und irgendwie muss das der Nutzer auch tolerieren, wenn er für die meisten Online-Angebote nicht bereit ist, Geld zu zahlen.

    Oder, um Derek Powazek zu paraphrasieren: Wenn du nicht für ein Produkt zahlst, bist du das Produkt oder Werbeplätze werden verkauft. In die-sem Sinne: Schaltet eure Ad-Blocker aus und löscht regelmäßig eure Cookies. Dann verfolgt euch keine Google-Suche und eure Dienste sind dennoch finanziert.

    Doch alles, was technisch möglich ist, wird für und gegen den Nutzer eingesetzt – Canvas Finger-printing zeigte im Sommer, dass Cookies vielleicht noch die harmloseste, da einfach zu löschende, Vari-ante der Nutzer-Verfolgung darstellen. Denn Canvas Fingerprinting und sicherlich auch Nachfolgetech-nologien erkennen die Hardware der Nutzer eindeu-tig wieder und verfolgen das Nutzerverhalten über Browser hinweg.

    Die Marke als Ware

    Das Interesse der werbetreibenden Unterneh-men an diesen Informationen ist an sich auch völlig legitim, wollen sie doch einfach nur Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Leider diskreditieren einige Marken und ihre Mitarbeiter dieses System – doch dazu später.

    Zunächst stellt sich die Frage, was ist eine Marke überhaupt? Im Deutschen hat das Wort eine Doppel-bedeutung, die die englische Sprache offensichtlich macht. Hier wird zwischen Trademark und Brand unterschieden. In der ersten Bedeutung ist die Marke also ein Warenzeichen, genauer ein Rechtsbegriff, der durch das Markenrecht definiert und geschützt wird.

    Dieses Warenzeichen soll den Eigentümer vor Nachahmern schützen. Schon im Markengesetz wird deshalb explizit auf die Unterscheidungsfunktion von Marken als Warenzeichen gesprochen. Hier ist der Übergang zur Brand fließend. Denn was ist eine Marke, wenn wir von ihr als Brand sprechen? Sie ist die Summe aller wettbewerbsdifferenzierenden Fak-toren eines Produkts oder einer Dienstleistung – und damit per se Unterscheidungsmerkmal.

    Ein starker, ruhiger Mensch wird immer geliebt und verehrt. Er ist wie ein Schatten spendender Baum in einem dürstenden Land oder wie ein schützender Fels im Sturm.

    James Allen

    bit.ly/mehrwert-18-1

    bit.ly/mehrwert-18-2

    „Es gibt zu viele Blogger auf der Welt. Nur die Einzigartigen werden im Laufe der Zeit erfolgreich sein können.“

    Bryan Grey Yambao, Modeblogger

    Targeting simpel erklärt: bit.ly/mehrwert-18-3Viele wichtige Fragen: bit.ly/mehrwert-18-4

  • 08 09| 18 18 |

    Heute gibt es mehr Freiheit und Unsicherheit: Auf nichts kann man sich mehr verlassen.

    Was einst in Stein gemeißelt schien, erodiert mehr

    und mehr. Biosiegel halten nicht, was sie verspre-chen, in der Rindfleischlasagne ist Pferdefleisch, und welcher Jeans sieht man schon die Ausbeutung ihrer Näherinnen an? Die Marke verspricht als Signet immer auch einen gewissen Qualitätsstandard und klärt den Kunden (meist) verlässlich über die Quelle seines Konsumguts auf. Der Hang zu Markenproduk-ten ist damit für einige auch der Griff nach dem Ret-tungsanker der von Lebensmittel-, Ausbeutungs- und Deklarationsskandalen durchzogenen Konsumwelt.

    Weil Marken somit offensichtlich selbst direkt zum Unternehmenserfolg beitragen, ist es durch-aus naheliegend, diese zu bilanzieren – vor allem da Unternehmen häufig nur ihres Namens wegen gekauft werden. Die Komplexität hinter der Berech-nung und Bilanzierung des Markenwerts führte in den letzten Jahren zu einem Methodenwildwuchs und schwankenden Ergebnissen. Interbrand, Nielsen, GfK, Batten & Company – die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Daher sollte man bei aller Euphorie um wertvolle deutsche Marken in diesen Rankings die Erstellungsmethode nicht aus den Augen verlieren.

    Die Marke als Mensch

    Marken entstehen nicht aus dem Nichts. Sie wer-den von Menschen entwickelt, aufgebaut und kon-sumiert. Ohne Menschen sind Marken nichts (wert). Allerdings gilt das (noch) für jedes Subjekt im Wirt-schaftskreislauf: Am Ende produzieren (noch) immer Menschen Produkte und Dienstleistungen. Sie ver-packen, transportieren und verkaufen diese. Und natürlich sind es Menschen, die Waren kaufen und das Gekaufte verbrauchen.

    Die Probleme der Marken im sprichwörtlichen Markendschungel sind die Zunahme an Kanälen und Konkurrenz bei sinkenden Margen und Bud-gets sowie die wachsende Entfernung vom Kunden und die Beschleunigung aller Prozesse bei gleich-zeitig abnehmendem Differenzierungspotential und komplexeren Interaktionsgeflechten zwischen den Akteuren des Marktes. Vor allem verlangt es den Konsumentenmenschen durch die Beschleuni-gung und Technisierung seiner Umwelt nach mehr menschlicher Nähe.

    Nichtsdestotrotz haben Marken neben all ihren guten und schlechten Eigenschaften ihrer selbst und ihrer Repräsentanten noch einen faszinierenden menschlichen Zug: Sie sind begnadete Kuppler.

    Nichts schweißt mehr zusammen als 35°C und kaputte Klimaanlangen im ICE und es heißt, es wur-den schon die Grundsteine für glückliche Ehen nach tagelangem Schlangestehen vor dem Applestore gelegt. Unzufriedenheit und Euphorie, zwei der grundlegendsten menschlichen Emotionen, schwei-ßen Menschen stärker zusammen als vieles andere. Marken sollten diese nie vergessen.

    Und er fordert diese indirekt und direkt auch von Marken ein.

    Marken müssen daher mit der Zeit gehen und ihre Marken, Markenbotschaften, Markenbotschafter und Kommunikationsmittel entsprechend anpassen. Tolle Floskel, aber schwer umzusetzen!

    Viele Marken-Unternehmen behelfen sich daher ganz einfach, indem sie ihre Markenkommunikation mit Berühmtheiten aufwerten. Schließlich kann sich doch jeder mit irgendeinem Prominenten, der gerade angesagt ist, identifizieren …

    Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, warum in fast jeder Werbung Menschen zu sehen sind? Warum Testimonials, vor allem zu WM-Zeiten, beinahe allgegenwärtig sind? Weil sich Werbetrei-bende selbst bei schlechter schauspielerischer Leis-tung auf psychologische Effekte berufen können!

    Unter anderem helfen der Authority-Effekt und der Liking-Bias: Wir gehorchen Autoritäten, selbst wenn es rational oder moralisch wenig Sinn ergibt. Wissenschaftler, Sportler, Schauspieler und Sänger mögen in ihren Domänen vielleicht Experten und relevant sein – aber wenn Tennisspieler Zahnbürsten, Fußballspieler Reiseportale oder Golfer Uhren als besonders kaufenswert bewerben, und somit ihren Expertenstatus auf andere Güter übertragen, ist dies wenig nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz funktioniert es, weil der Mensch geneigt ist, diesen Autoritäten zu glauben.

    Einen vergleichbaren Effekt auf die Rezeption der Konsumenten haben attraktive und uns ähnliche Menschen in der Werbung: Je attraktiver die Person in der Werbung, desto mehr mögen wir sie – prak-tisch eine Beschäftigungsgarantie für Models.

    Dieser Liking-Bias führt dann dazu, dass wir den Aussagen der Werbung eher vertrauen. Er kommt ebenfalls zum Tragen, wenn uns die abgebildeten Personen sehr ähneln. Daher werden zum Beispiel bei Waschmittelwerbung möglichst standardisierte Familien gecastet, mit denen sich die Mehrzahl der

    Zuschauer identifizieren kann. Besonders stark ist der Liking-Bias dann, wenn die Personen in der Wer-bung den Rezipienten glauben machen können, dass sie ihn mögen. Nimmt man ihnen ab, dass sie uns mögen, vertrauen wir mehr – ein Einfallstor für alle möglichen Werbebotschaften.

    The Dark Force

    So fruchtbar wie die Beziehungen zwischen Men-schen und Marken sein mögen, sie können auch des-truktiv sein. Eine einzelne Person kann eine ganze Marke in den Abgrund stürzen oder eine ganze Bran-che in Verruf bringen.

    Josef Ackermann stand stereotypisch für den Banker neuen Typs: Kurzfristigem Erfolg verfallen, ohne Interesse am kleinen Mann und von den deut-schen Tugenden abgewandt, die seine Firma haben groß werden lassen. Sein Victory-Zeichen symboli-sierte damals eine gefühlskalte, Rendite-orientierte Bankenbranche. Die Finanzkrise einige Jahre später hatte zwar mit Hank Paulson, Fabrice Tourre und anderen zwar mehr aber weniger bekannte Gesichter und Namen. Aber egal ob es einzelne sind oder viele – wie Menschen Marken und Reputation aufbauen, haben sie auch die Macht, diese wieder zu zerstören.

    Zum Leidwesen der Marketingverantwortlichen in den Firmen gilt hier, dass es lange braucht, Vertrauen, Reputation, kurz: eine starke Marke, aufzubauen – aber nur Sekunden, diese wieder zu vernichten. Ob homophobe Nudel-Könige, unhygienische Bur-ger-Magnaten oder steuerlaxe Würstchen-Brater; schwarze Schafe sorgen schnell für Empörung, die Medien greifen diese auf und die Imagewerte sinken in den Keller.

    Zwar ist nicht jede Schmähtirade und nicht jeder pseudo-virale Twitter-Hashtag ein sprichwörtlicher Shitstorm, aber negative Berichterstattung nützt kei-ner Marke. Dann hilft nur, schnell zu reagieren und offen Fehler einzugestehen. Burger King in Deutsch-land war in der ersten Jahreshälfte 2014 ein gutes Beispiel dafür. Ganz anders als BP im Sommer 2010.

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    Manfred Thurm studiert Technologie- und Management-orientierte BWL. Als Redaktionsleiter verantwortet er die Heft-redaktion und den Blog mtp-mehrwert.de. Er benutzt drei verschiedene Browser, um seine Spuren zu verwischen, löscht regelmäßig Cookies, installierte aber nur in einem Browser Ad-Blocker.

    Psychologie von Macht und Schönheit

    Nichts schweißt mehr zusammen als 35°C und kaputte Klimaanlagen im ICE

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