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Von Oldham bis Bradford: Die Gewalt der zur Gewalt Getriebenen I Von April bis Mai wurden die norden- glischen Städte Oldham, Burnley und Bradford von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jungen Asiaten und der Polizei er- schüttert. Sie erreichten ihren Hö- hepunkt bei Zusammenstößen in Bradford zwischen dem 7. und 9. Juli. 200 Polizisten wurden dabei verletzt. Übergriffe auf die asiatische Commu- nity von Seiten rassistischer Gangs und das Versagen der Polizei, die Com- munity vor dieser Bedrohung zu schüt- zen, provozierten die Ausschreitun- gen. Betrachtet man das Ausmaß der verursachten Schäden und die Be- stürzung unter der britischen Bevöl- kerung, waren die Ausschreitungen von 2001 die schlimmsten seit den Aufständen von Handworth, Brixton und Tottenham im Jahre 1985. Die Feuer, die im Sommer 2001 über Lancashire und Yorkshire brannten, zeigten die Wut junger Pakistani und Bangladeshi der zweiten und dritten Generation. Diese Jugendlichen, um ihre Zukunft gebracht, umgeben von Rassismus und im Stich gelassen von ihren eigenen Anführern und Ver- tretern, waren nicht gewillt, einfach herumzustehen, als zuerst Faschisten und dann Polizisten ihre Straßen heim- suchten. Ihre Gewalt war spontan, improvisiert und planlos. Nicht zu ver- gleichen mit der organisierte Selbst- verteidigung der Community von 1981, als das Asian Youth Movement die Hambrough Tavern in Southall nieder- brannte, in der sich Faschisten ver- sammelt hatten oder als zwölf Mit- glieder der Bradford Black United Youth League verhaftet wurden, weil sie Benzinbomben herstellt hatten, um auf gewalttätige Überfälle von Fa- schisten in ihrem Viertel zu reagieren. Während die Aufstände in Brixton, Handsworth, Tottenham und Toxteth in den Jahren 1981 und 1985 von der Gewalt einer im Zorn über die grobe Behandlung durch die Polizei vereinten - schwarzen und weißen - Community geprägt waren, wurden die jetzigen Feuer von Jugendlichen angezündet, die sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Communities abseits stehen - von Jugendlichen, deren Gewalt folglich weitaus ver- zweifelter war. Es war die Gewalt von gespaltenen Communitites - gespal- ten durch ethnische Grenzen (colour lines), Klassengrenzen und unter- 5 AKTUELL ZAG39

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Von Oldham bis Bradford:

Die Gewalt der zurGewalt Getriebenen IVon April bis Mai wurden die norden-

glischen Städte Oldham, Burnley

und Bradford von gewalttätigen

Auseinandersetzungen zwischen

jungen Asiaten und der Polizei er-

schüttert. Sie erreichten ihren Hö-

hepunkt bei Zusammenstößen in

Bradford zwischen dem 7. und 9.

Juli. 200 Polizisten wurden dabei

verletzt.

Übergriffe auf die asiatische Commu-nity von Seiten rassistischer Gangsund das Versagen der Polizei, die Com-munity vor dieser Bedrohung zu schüt-zen, provozierten die Ausschreitun-gen. Betrachtet man das Ausmaß derverursachten Schäden und die Be-stürzung unter der britischen Bevöl-kerung, waren die Ausschreitungenvon 2001 die schlimmsten seit denAufständen von Handworth, Brixtonund Tottenham im Jahre 1985.Die Feuer, die im Sommer 2001 überLancashire und Yorkshire brannten,zeigten die Wut junger Pakistani undBangladeshi der zweiten und drittenGeneration. Diese Jugendlichen, umihre Zukunft gebracht, umgeben vonRassismus und im Stich gelassenvon ihren eigenen Anführern und Ver-tretern, waren nicht gewillt, einfachherumzustehen, als zuerst Faschistenund dann Polizisten ihre Straßen heim-suchten. Ihre Gewalt war spontan,improvisiert und planlos. Nicht zu ver-gleichen mit der organisierte Selbst-

verteidigung der Community von 1981,als das Asian Youth Movement dieHambrough Tavern in Southall nieder-brannte, in der sich Faschisten ver-sammelt hatten oder als zwölf Mit-glieder der Bradford Black UnitedYouth League verhaftet wurden, weilsie Benzinbomben herstellt hatten,um auf gewalttätige Überfälle von Fa-schisten in ihrem Viertel zu reagieren.Während die Aufstände in Brixton,Handsworth, Tottenham und Toxtethin den Jahren 1981 und 1985 vonder Gewalt einer im Zorn über diegrobe Behandlung durch die Polizeivereinten - schwarzen und weißen -Community geprägt waren, wurdendie jetzigen Feuer von Jugendlichenangezündet, die sowohl innerhalb,als auch außerhalb der Communitiesabseits stehen - von Jugendlichen,deren Gewalt folglich weitaus ver-zweifelter war. Es war die Gewalt vongespaltenen Communitites - gespal-ten durch ethnische Grenzen (colourlines), Klassengrenzen und unter- 5

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schiedlichen polizeilichen Vorgehens-weisen (police lines). Es war die Ge-walt der Hoffnungslosen. Es war dieGewalt der zur Gewalt Getriebenen.

Das Ende der ArbeitDer Kolonialismus ist verwoben mitder Geschichte der Spinnereien inden nordenglischen Städten seit demBeginn der industriellen Revolution.Das Spinnen der Baumwolle, auf derder frühe Aufstieg der Städte basier-te, war die Technik, die, eingeführtaus Indien, eine zentrale Bedeutungfür die Entstehung Nordenglands als„Fabrik der Welt“ hatte. Baumwollevon den Plantagen der Karibik, ausden südlichen US-Staaten oder denFeldern Bengalens (heute Indien undBangladesh) wurde nach Lancashireund Yorkshire gebracht, um dort zuStoffen verarbeitet zu werden, diedem Empire einen guten Gewinnbrachten. Das war globaler Handelvor der Globalisierung.In den Sechzigern investierten dieSpinnereien in neue Technologien,welche zur Gewinnmaximierung 24Stunden täglich in Betrieb waren. DieNachtschichten, welche bei den Ar-beitskräften unbeliebt waren, wurdenzu der Domäne der Pakistanis undBangladeshis, die sich nun in denSpinnereistädten niederließen. Aberals die Maschinen weiterentwickeltwurden, verringerte sich der Bedarf

an Arbeitskräften; gleichzeitig bekamman dieselbe Arbeitsleistung woan-ders billiger. Die Arbeit, die einst billigvon Bangladeshis in Nordengland voll-bracht wurde, konnte nun weitaus bil-liger von Bangladeshis in Bangladeshgeleistet werden. Als die Spinnereienverfielen, landeten ganze Städte aufdem Schrottplatz. Schwarze und wei-ße Arbeiter waren in ihrer Arbeitslo-sigkeit vereint.Die einzige Zukunft der asiatischenCommunities liegt heute im lokalenDienstleistungssektor. Einige habenihre Ersparnisse zusammengekratztund ein Geschäft, ein Restaurant oderein „Take-Away“ eröffnet. Ansonstenarbeiten sie als Taxifahrer (minicab-bing), mit langen Arbeitszeiten unddem Risiko von - oft rassistisch mo-tivierten - Übergriffen. Mit dem Endeder Textilindustrie ist der öffentlicheDienst zum größten Arbeitgeber ge-worden, wobei dort die meisten Jobsden Weißen vorbehalten bleiben.Zum Ende des Zwanzigsten Jahrhun-derts ist eine Generation herange-wachsen, die von hoher Arbeitslosig-keit betroffen ist. Unter jungen Asiatenin Oldham erreicht die Zahl der Ar-beitslosen 50% . Jenseits der PennineHills - von Oldham, Burnley, Accring-ton, Blackburn und Preston bis Brad-ford und Leeds - gehören eine Reihevon Pakistani und Bangladeshi Com-munities zu den verarmtesten inGroßbritannien. Diese Communities

sind unter den Radar der BlairschenRegierung gesunken, die ihrerseitsmehr mit dem Wohlstand der Mitglie-der des Asian Millionaires Club be-schäftigt ist.

Erzwungene Trennung(forced segregation)Die Textilindustrie war der gemein-same Faden, der die weiße mit derasiatischen Arbeiterklasse zu einer„sozialen Struktur“ verwob. Mit ih-rem Zusammenbruch wurde jedeCommunity gezwungen, sich um sichselbst zu kümmern. Die notleiden-den "inner-city areas", bestehendaus alten "two-up-two-down" Reihen-häusern, welche für Textilarbeiterfa-milien gebaut worden waren, wurdenvon den Weißen, die es sich leistenkonnten, in die Vororte zu ziehen,verlassen. Die, die nicht dazu in derLage waren, nutzten die diskriminie-rende Politik des sozialen Wohnungs-baus aus, welche Weißen die neuen- von asiatischen Vierteln getrenn-ten - Siedlungen zuwies. Von Brad-fords großem Bestand an Sozialwoh-nungen sind nur zwei Prozent Asiatenzugewiesen worden. In Oldham wur-de die Behörde nach einer Untersu-chung der „Commission for RacialEquality“ aus dem Jahre 1990 fürschuldig befunden, eine trennendeWohnungsbaupolitik zu betreiben.Die Asiaten aber, die eine Sozialwoh-nung in den von Weißen dominiertenSiedlungen erhielten, fanden ihreHäuser bald als Zielscheiben fürBrandsätze wieder. Die Angst vor ras-sistischer Schikane bewirkte, dassdie meisten Asiaten die Sicherheit ih-rer eigenen Gebiete suchten, trotzder Überfüllung, trotz der feuchtenund schmuddeligen Häuser und derKlaustrophobie einer eingesperrtenCommunity.Mit der Flut der aus den Ghettos flie-henden Weißen wurden die Grund-stückspreise niedrig gehalten, wasaußerdem viele Asiaten ermutigte,ihr eigenes billiges Heim in diesenVierteln zu kaufen. Es war eine staat-lich unterstützte „weiße Flucht“. DieGeographie der so getrennten nord-englischen Städte wurde zu einemSchachbrett sich gegenseitig aus-schließender Viertel 1

Räumliche Trennung führte zu einer.

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Trennung in Schule und Ausbildung.In einigen Vierteln bestand die Bevöl-kerung des Einzugsgebietes derSchule zu fast 100% aus einer ethni-schen Gruppe. In anderen, wo dieBevölkerung des Einzugsgebietes ausverschiedenen Ethnien bestand, er-laubte das elterliche Wahlrecht wei-ßen Eltern, ihre Kinder auf weiter ent-fernte, hauptsächlich weiße Schulenzu schicken. Das Resultat waren asi-atische Ghettoschulen, in denen Ver-sagen oder Misserfolge weitgehenderwartet wurden. Schlechte Ergeb-nisse konnten mit "kulturellen Pro-blemen" wegargumentiert werden.Asiatische Mädchen würden sowiesoverheiratet werden - also was soll's?Die Minderheit der Lehrer, die gewilltwar, dieses Problem anzugehen,fand sich selbst kämpfend gegeneine Masse von institutionalisiertenVorurteilen wieder.Da diesen Schulen der Geruch desMisserfolgs anhaftete, vertrauten ei-nige asiatische Eltern auf sog. "faithschools", um das Bildungsniveau ih-rer Kinder zu steigern. Schulen, dieeine Bildung mit islamischem Rah-men anbieten.Hier wuchs nun eine Generation vonWeißen und Asiaten heran, dereneinziger gegenseitiger Kontakt ausvagen, flüchtigen Blicken auf derStraße oder aus Informationen derlokalen Zeitungen bestand. Gegen-seitiges Misstrauen keimte. Die örtli-che Presse, die sich auf dubiose Poli-zeistatistiken stützte, tat das ihrezur Förderung der Vorstellung, jungeAsiaten wären Schläger, versessendarauf, willkürlich Weiße anzugreifen.Die alltägliche rassistische Gewaltgegen Asiaten wurde marginalisiert,während Gewalttaten von Asiaten ge-gen Weiße dramatisiert und fälsch-lich als "rassistisch motiviert" aus-gelegt wurden.Die Trennung der Communities, derenUrsache der institutionelle Rassis-mus ist, wurde nun als "self-segrega-tion" wahrgenommen. Als Versuchvon Asiaten, ihre eigenen geschlos-senen Gebiete oder "no-go-areas" zuschaffen, weil sie sich nicht mit Wei-ßen vermischen wollen. Es wurde zueiner sich selbst erfüllenden Prophe-zeiung.

Eine neue GenerationWährend der Neunziger wurde eineneue Generation junger Asiaten in dennordenglischen Städten mündig; ge-boren und erzogen in England. Siewar nicht gewillt, den Zweite-Klasse-Status ihrer Eltern zu akzeptieren.Kamen Rassisten in ihre Straßen,die auf Konfrontation aus waren, be-gegneten sie dieser Gewalt ebenfallsmit Gewalt. Und weil die Polizei beimVorgehen gegen rassistische Gruppenfortlaufend versagte, wurden gewalt-tätige Auseinandersetzungen zwischenweißen und asiatischen Gruppen all-täglich. Zwangsläufig waren es jungeAsiaten, die beim Eingreifen der Poli-zei die Hauptlast zu tragen hatten.Also wurden asiatische Gebiete stär-ker von der Polizei frequentiert, dadiese entschied, dass Gangs asiati-scher Jugendlicher "außer Kontrollegeraten". Die wirklichen Probleme,denen die asiatischen Communitiesgegenüberstanden wurden ignoriert.Dies war neben plötzlichen rassisti-schen Angriffen vor allem der schnellanwachsende Heroinmissbrauch. Un-ter jungen Asiaten wuchs ein Hassauf die Polizei, welche sie einerseitsungeschützt rassistischen Übergrif-fen überließ und sie andererseits kri-minalisierte, wenn sie sich verteidig-ten. Aber diese neue Generationwurde auch von ihren eigenen, selbsternannten Anführern der Communityverkauft.Die staatliche Reaktion auf frühereUnruhen Schwarzer war, eine schwarzeElite zu fördern, welche mit der Wutund dem Zorn innerhalb der Schich-ten der schwarzen Communities zu-rechtkam und diese in ihrer Gewalthatte. Wo eine Mittelklasse existierte,wurde sie integriert, wo nicht, wurdeeine geschaffen. Ab Mitte der Achtzi-ger hielt eine neue Klasse "ethnischerRepräsentanten" Einzug in die Rat-häuser, die vertretend für ihre eigeneethnisch abgegrenzte Minderheitsprach. Sie schlossen einen Pakt mitden Behörden; sie vertuschten undbemäntelten den Widerstand derschwarzen Communities im Austauschgegen freie Hand beim Schutz ihreseigenen Patriarchats. Das war ein ko-loniales Übereinkommen, das die An-führer der Communities von radikalerKritik abhielt, aus Angst, dass dieGelder für ihre Lieblingsprojekte da-

durch gestrichen würden. Die Behör-den hofften, dass wenn sie den Nig-gern ein bisschen Geld hinwerfen,diese aufhören würden, sich zu be-klagen. Die Vertreter der Communi-ties bewiesen, dass diese Hoffnungberechtigt war. Das Resultat war,dass die schwarzen Communities ge-spalten wurden, horizontal durch dieethnische Zugehörigkeit (ethnicity),vertikal durch die Klasse. Unter-schiedliche ethnische Gruppen sa-hen sich genötigt, um bewilligte Gel-der für ihre Viertel zu konkurrieren.Die Armen und noch Ärmeren kämpf-ten um die Reste dieser schäbigenUnterstützung, die die Regierunglocker machte, um sie ruhig zu hal-ten. Erhaltene Gelder wurden, nachinhaltslosen Gemeindeaufgaben, fürProjekte verwendet, die besondersden zunehmend unruhigeren Jugend-lichen wenig nützten. Schlimmer noch,das Problem des Rassismus wurdemehr und mehr als ethnisches Pro-blem wahrgenommen. Zur "Rassis-musbekämpfung" musste also nurirgendein ethnisches Projekt, egalwie dubios, gegründet werden. Wiees Sivanandan formulierte: "equalopportunities became equal opportu-

. " 3nlsm ...Die Umdeutung von Anti-Rassismuszu ethnischer Anerkennung griff auchauf die Schulen über, wo Unterrichtüber andere Kulturen als beste Stra-tegie angesehen wurde, die Trennungzu überwinden. Unglücklicherweisetaugte die vermittelte asiatische "Kul-tur" wenig, den Weißen eine sinn-volle Vorstellung asiatischen Lebenszu geben, basierte der Unterricht dochauf abgedroschenen Formeln und Kli-schees. Und seit weiße Arbeiterkin-der als "kulturlos" angesehen wur-den, begannen ihre Eltern sich über"Begünstigung von Asiaten im Klas-senzimmer" zu beschweren.Eine authentische Bildung über an-dere Menschen, ihre Geschichte undihre Auseinandersetzungen wurde er-setzt durch das erbarmungslose Her-vorheben der Identitätsunterschiede.Da wuchs eine Generation heran, dernicht beigebracht wurde, zu verste-hen, wie ihre eigenen Städte zuneh-mend in ethnische Gruppen unter-teilt wurden.4Das Ersetzen des Anti-Rassismusdurch Kulturabgrenzung (cultural pro- 7

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tectionism) hemmte überdies auchdie eigene, kulturelle Weiterentwick-lung der asiatischen Communities.Die Führung der Communities ver-suchte ihre Clans von der restlichenWelt zu isolieren, die sie nur als Be-drohung des patriarchalen Systemssah, auf dem ihre Macht beruhte.Interne Kritik wurde als illoyal ange-sehen. Tief verankerte Dinge wie dieUngleichheit der Geschlechter, er-zwungene Heiraten und Drogenpro-bleme wurden so weder öffentlichnoch privat thematisiert.

Blairs RiotsSchließlich provozierte die unwis-sende Überheblichkeit der Polizei dieJugendlichen zum Aufstand. Als diePolizei auf das Wüten weißer Rassi-sten im asiatischen Viertel von Glod-wick in Oldham mit Festnahmen vonAsiaten reagierte und versuchte, diewütende Menge örtlicher Anwohnerzu zerstreuen, ging es ihr nicht umdie "Verteidigung der Rechtsstaat-lichkeit". Es erinnerte vielmehr aneine einmarschierende Armee. Ge-nauso antworteten die asiatischenJugendlichen: sie benutzten Steine,brennende Autos und Benzinbom-ben, um die Polizei, ihre Hunde undWagen aus ihren Straßen zu vertrei-ben. Die Polizei brauchte sechs Stun-den, um die Kontrolle über das Vier-tel wieder zu erlangen. Ähnlichesereignete sich später in Burnley undBradford.Noch während der Nachwirkungender Ausschreitungen wurde dem poli-zeilichen Rassismus nur dürftigesInteresse entgegengebracht. Nur zweiJahre vorher hatten Vorgesetzte in-nerhalb der Polizei unmittelbar nachder Veröffentlichung des Macpher-son Reports eingestanden, dass Ras-sismus unter ihren Einsatzkräften ander Tagesordnung sei. Aber die Mög-lichkeit, dass institutionalisierter Ras-sismus jetzt zu den Zusammenstö-ßen beigetragen hat, wurde nicht inErwägung gezogen. Stattdessen ga-ben der Premier- und der Innenmini-ster der Polizei volle Rückendeckungund boten sogar neue Spielzeuge inForm von Wasserwerfern an. Ebensowie Thatcher die Ausschreitungen un-ter ihrem Regime als bloße Ausbrücheder Kriminalität nicht als Auswirkungen

ihres eigenen politischen Programmsgesehen hatte, sprach nun auchBlair von "Schlägereien", ohne überein engstirniges "Iaw-and-order"- Sy-stem hinaus zu denken und ohnesein eigenes Versagen in der Be-kämpfung sozialer Ausgrenzung mitden Riots in Verbindung zu bringen.In Regierungssprache "erhoben sichhunderter anderer Stimmen, die Auf-ständigen zu verurteilen", währendvon den jungen Asiaten der Spinne-reistädte (mill-towns) selbst wenig zuhören war. Die Führung der Commu-nities gab sowohl einem Mangel anDisziplin die Schuld, wie auch demVerfall muslimischer Werte und demübertriebenen Einfluss westlicherWerte, die für sie eine Bedrohung ih-rer eigenen Autorität darstellen. Dieasiatische Mittelklasse im restlichenEngland, vergessend, dass sie ihrensicheren Platz in der Gesellschaftden Straßenkämpfern der Siebzigerund Achtziger verdankt, verurteiltedie Dorfmentalität (village mentality)der asiatischen Communities. Der"World Council of Hindus" verleug-nete die muslimischen Aufständigenöffentlich. Wahrscheinlich um Wei-ßen klarzumachen, dass Hindus mitderartigem nichts zu tun haben wol-len. Asiatische Solidarität ist gestor-ben.Die Presse machte zuerst "außen-stehende Aufrührer" verantwortlichund beschuldigte dann die FÜhrungder Communities, in ihrer zugewiese-nen Rolle der Kontrolle ihrer Leuteversagt zu haben. Dann machte manden, der islamischen Kultur angeb-lich innewohnenden "Separatismus"verantwortlich. Diese Leute wolltensich nicht integrieren. Sie wurden be-schuldigt, sich einer Vermischung zuwidersetzten. Gemeint waren Men-schen, die systematisch von ande-ren getrennt, gemieden, enteignetund dann dem Verderben überlassenwurden. Da war die Rede von "er-zwungener Integration", vielleicht eineRückkehr dazu, busweise asiatischeSchüler in weiße Viertel zu schaffen,dem gehassten System der Sechzi-ger, als die Angst wuchs, dass zuviele Asiaten die selben Schulen inSouthall besuchen. Da war die Redevon neuen Einwanderungsbeschrän-kungen, einschließlich englischerSprachtests, die das Recht auf Fami-

liennachzug beseitigen würden. Dierechtsaußen stehende "British Natio-nal Party" war die einzige, die vondieser Verachtungswelle profitierte.Sie verteilte Flugblätter in ganz Eng-land, die zu einem Boykott asiati-scher Geschäfte aufriefen. Eine Ge-neration von Asiaten, ausrangiertwegen ihrer Klasse, ausgeschlossenwegen ihrer Ethnie, stigmatisiertwegen ihrer Religion, gettoisiert undvergessen, hat ihre Stimme gefun-den, jetzt muss sie nur noch gehörtwerden.

Von Arun Kundnani, IRR researcher

1 Peter Ratcliffe, Breaking Down the Bar-riers: improving Asian access to socialrented housing (Chartered Institute ofHousing, 2001).

2 From 1999 to 2001, Eric Hewitt, chiefsuperintendent of Oldham police, pu-blished figures wh ich purported toshow that Asians were responsible forthe majority of incidents classified bypolice as racially motivated and wasquoted as saying that Asians were try-ing to create exclusive areas for them-selves. But the figures only demonstra-ted that Asian confidence in the policewas, by now, so low that incidents wererarely reported. This was also the con-clusion of researchers Larry Ray (Uni-versity of Kent), David Smith and LizWastell (both University of Sussex).See letters, Independent (8 June2001).

3 A. Sivanandan, Address to CCETSWconference on anti-racist social workeducation, University of Lancaster,1989.

4 Herman Ouseley, Community Pride. notPrejudice: making diversity work inBradford (Bradford. Bradford Vision.2001).