VON ROBERT WIEDERSICH MS · S eit 1.1.2018 ist der Pflegere-gress Geschichte. Zur Bezah lung der...
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Ein Jahr nach der Abschaffung des Pflegeregresses ist die Nachfrage nach Plätzen in Seniorenheimen hoch. Wie lange man auf einen Heimplatz wartet, wie viel er kostet und wann betreutes Wohnen eine Alternative ist. VON ROBERT WIEDERSICH
MS ' ein Schwiegersohn hat gesagt: ,Du wohnst im goldenen Käfig.' Ich ha-
tk 9k ^ L • i^L.bc gesagt: ,Gold stimmt. / ' Und Käfig stört mich nicht, so lange
das Türl offen ist'", erzählt Ingeborg Lehmann lachend. Die rüstige 85-Jährige ist vor über einem Jahr in die Seniorenresidenz Josefstadt im Achten Wiener Bezirk eingezogen. „Ich wollte mit der Übersiedlung aus meiner Wohnung nicht warten, bis ich nicht mehr alleine wohnen kann, sondern noch al
les selbst entscheiden können. Es war immer mein Ziel, meinen Kindern zu ersparen, dass sie sich in Panik um alles kümmern müssen, nachdem ich diese Situation bei meinen eigenen Eltern miterlebt habe."
Die 2016 eröffnete Seniorenresidenz im ehemaligen Eich- und Vermessungsamt am Hamerlingplatz ist die nobelste des Landes. An der Rezeption und im Restaurant fühlt man sich eher wie in einem Fünf-Sterne-Hotel als in einem Altersheim. Das hat
freilich seinen Preis. „Es ist nicht gerade billig, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt", ist Lehmann zufrieden.
Die kleinsten Wohnungen sind 40 Quadratmeter groß und beginnen bei 2.400 Euro pro Monat. Für eine 55 Quadratmeter große Einheit zahlt man alleine 3.000 Euro. Die Aufzahlung für eine zweite Person beträgt 700 Euro. Pflegeleistungen sind in diesen Preisen noch nicht inkludiert. Sie kann man je nach Bedarf dazubuchen. Braucht man intensive Pflege mit 24-Stunden-Be-
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Wer für das Heim zahlt
Seit 1.1.2018 ist der Pflegere-gress Geschichte. Zur Bezah
lung der Kosten für Pflegeheime, die einen Vertrag mit einem Sozialhilfeträger haben (z. B. Fonds Soziales Wien], darf nur laufendes Einkommen herangezogen werden. Das sind die Pension und das Pflegegeld. Dem Heimbewohner verbleiben nur 20 Prozentvon der Pension und der 13. und 14, Monatsbezug sowie monatlich 45,20 Euro vom Pflegegeld. Auf das Vermögen des Bewohners bzw. auf alles, was er z. B. seinen Kindern vor dem Eintritt in das Heim noch geschenkt hat, darf nicht mehr
zugegriffen werden. Vermögen, das bis 31. Dezember 2017 zur Deckung der Pflegekosten an die Einrichtung überwiesen wurde, kann vom Heimbewohner bzw. seinen Angehörigen nicht zurückgefordert werden. Ist der Heimbewohner verheiratet, kann auch der Ehepartner im Rahmen der Unterhaltspflicht zur Kasse gebeten werden. Ob und wie hoch davon Gebrauch gemacht wird, wird von den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In Wien werden maximal 30 Prozent des Einkommens des Ehepartners herangezogen.
treuung, ist eine Übersiedlung auf die hauseigene Pflegestation möglich. Ein Tag in Pflegestufe vier kommt dort auf 230 Euro.
„Derzeit haben wir noch Platz für bis zu 30 neue Bewohner", sagtBrigitta Hartl-Wagner, Direktorin des 2016 eröffneten Hauses. Wartezeiten bis zum Einzug gibt es daher keine. Für noble Residenzen wie jene in der Josefstadt hat sich durch die Abschaffung des Pflegeregresses bei der Nachfrage nichts verändert. Wer hier wohnt, der musste und muss alle Kosten selbst tragen.
40 Prozent mehr Anfragen
Bei öffentlichen Heimen wie etwajenen von Städten und Ländern oder privaten Einrichtungen mit einem Vertrag mit einem Sozialhilfeträger des Landes ist O
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Senecura-Haus im mederöster-reichischen Grafenwörth. In Pflegestufe vier kostet der Aufenthalt rund 3.450 Euro pro Monat
O das anders. Hier übernimmt die öffentliche Hand die Kosten, wenn Pension und Pflegegeld nicht ausreichen. Seit der Abschaffung des Pflegeregresses greifen die Sozialhilfeträger zur Deckung dieser Kosten auch nicht mehr auf das Vermögen der Bewohner zu. Sparbücher, Häuser und Eigentums
wohnungen sind also sicher (siehe „Wer für das Heim zahlt" auf Seite 97).
Die Angst um das Vermögen war bis 1. Jänner 2018 eine große Hemmschwelle für die Übersiedlung in ein Heim. Zu Recht: Schließlich übersteigen die Kosten gerade in den höheren Pflegestufen durchschnittliche Pensionen
Betreutes Wohnen statt Heim?
Was, wenn kein geeignetes Heim in der Nähe des Wohnortes
oder ein Einzug erst ab einer höheren Pflegestufe möglich ist? Hier bietet sich betreutes Wohnen als Alternative an. Darunter versteht man meist (unterschiedliche Definitionen! eine kleine barrierefreie Wohnung in einer Anlage, in der man mit anderen Senioren lebt und sich noch weitgehend selbst versorgt. Eine Betreuungskraft ist nicht rund um die Uhr, sondern meist nur während des Tages unter der Woche anwesend und organisiert Dinge wie Gedächtnistraining oder gemeinsames Kochen. Pflegeleistungen kauft man von Organisationen wie dem Hilfswerk zu. Zielgruppe sind alte Menschen in den unteren Pflegestufen, die noch keine intensive Betreuung brauchen. „Die Leute ziehen im Schnitt mit 75 ein und befinden sich in einer unteren Pflegestufe bis drei", sagt Walter Eichinger, der unter der Marke Silver Living bereits zahlreiche betreute"Wohnprojekte reali
siert hat. Wegen der weniger intensiven Betreuung sind die Kosten auch deutlich niedrigerals in einem Pflegeheim. „Das Ziel ist die Leist-barkeit für Mindestpensionisten." Laut Kostenbeispielvon Silver Living muss man für eine 40-Quadratme-ter-Wohnung je nach Bundesland und Förderung mit Kosten zwischen 550 und 830 Euro pro Monat rechnen. Der Nachteil: Sollte man mehr Pflege benötigen, ist oft ein Umzug in ein Pflegeheim notwendig. Daher kombinieren manche Anbietervon Pflegeheimen ihre Einrichtungen mit betreutem Wohnen. Einer davon ist Senecura: „An einigen Standorten betreiben wir selbst Apartments für betreutes Wohnen. Die Bewohner nützen gerne die Angebote des meist benachbarten Senecura Sozialzentrums mit wie z. B. den Mittagstisch oder die Teilnahme an Aktivitäten. Bei höherem Pflegebedarf ist auch die Übersiedlung in das Sozialzentrum möglich", so Firmenchef Anton Kellner.
und Pflegegeld bei Weitem. So beträgt die durchschnittliche Alterspension in Österreich rund 1.200 Euro, das Pflegegeld in Stufe vier 678 Euro. Für einen entsprechenden Heimplatz muss man aber mit 3.400 bis 4.500 Euro rechnen.
„Die Frage: ,Wie viel Geld kann ich meinen Kindern vererben?' war für ältere Menschen ganz entscheidend. Dieser Druck ist mit Abschaffung des Pflegeregresses weggefallen", beobachtet Gabriele Graumann, Geschäftsführerin des Kuratoriums der Wiener Pensionisten Wohnhäuser. Das Kuratorium verwaltet die 30 „Häuser zum Leben", in denen derzeit 8.900 ältere Menschen leben. Nach der Abschaffung des Regresses liefen dort die Telefone heiß: „Wir hatten Ende 2018 40 Prozent mehr Anfragen von Senioren und Angehörigen. Viele haben auch einfach nur zur Sicherheit angerufen, ob das mit der Abschaffung wirklich stimmt", so Graumann. Auch Anton Kellner, Geschäftsführer von Senecura, einem der größten privaten Pflegeheimbetreiber, bestätigt enorm gestiegene Anfragen: „Im Schnitt zwischen 20 und 40 Prozent. Es gab aber regionale Spitzen von bis zu plus 50 Prozent."
Doch nicht nur die Anfragen, auch die tatsächlichen Einzüge der Senioren sind gestiegen. Gabriele Graumann beziffert den Anstieg der Auslastung in den Wiener „Häusern zum Leben" mit fünf Prozentpunkten auf 97 Prozent.
„Im stationären Pflegebereich, wo Menschen leben, die regelmäßige Betreuung brauchen, sind wir sogar zu 100 Prozent ausgelastet", so Graumann, die mit einer anhaltend starken Nachfrage nach Pflegeplätzen rechnet. Dafür spricht auch die Altersentwicklung. Heute sind in Österreich 458.000 Menschen über SOJahre alt, in zehn Jahren werden es 617.000 sein.
Jahrelange Voranmeldung nicht notwendig
Dass man sich am besten schon bei | Pensionsantritt im Heim seines Ver- 1 trauens anmeldet, um sicher einen Platz 1 zu bekommen, davon halten aber we- f der Graumann noch Kellner etwas. Die J Stadt Wien hat das System der Voran- 1
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meidung für ihre Häuser überhaupt abgeschafft. „Man meldet sich dann, wenn man Bedarf hat. Bei akutem Bedarfist eine Aufnahme innerhalb von 24 Stunden möglich. Das Haus kann man sich dabei allerdings nicht aussuchen", betont Graumann. Bei nicht akuten Fällen kann es zu wenigen Wochen bis Monaten Wartezeit kommen. J e genauer der Wunsch nach einem bestimmten Haus oder Bezirk, desto länger die Wartezeit. So sind z. B. unsere Häuser im 18., 19. und 21. Bezirk sehr gut ausgelastet."
Senecura-Chef Kellner empfiehlt eine Voranmeldung rund acht bis zwölf Wochen vor dem geplanten Umzug in ein Heim. Das entspricht auch der Wartezeit, die man in seinen Häusern für einen Pflegeplatz einplanen sollte: „In Einzelfällen ist es manchmal auch möglich, früher einen Platz zu bekommen. Diese Wartezeit ist regional Unterschied-
Gabriele Graumann, Häuser
zum Leben: „Bei akutem Bedarf
ist die Aufnahme innerhalb von
2k Stunden möglich."
lieh. Ein Stadt-Land-Gefälle oder Ost-West- Gefälle sehen wir dabei aber nicht. Es liegt viel mehr an Faktoren wie der Größe des Einzugsgebietes, dem Bevölkerungsanteil der pflegebedürftigen Menschen und der Anzahl der Pflegeeinrichtungen in der näheren Umgebung." Freilich gibt es auch Heime anderer Betreiber, in denen die Wartezeiten länger sind (siehe Tabelle). Meh-rerejahre Wartezeit sind aber auch hier die Ausnahme.
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Seniorenheime
Doch wie passen hohe Nachfrage und gestiegene Auslastung mit relativ kurzen Wartezeiten zusammen? Der Hauptgrund: Die Bewohner sind heute beim Einzug deutlich älter als noch vor zehnJahren, meist um die 80. Die Menschen verbringen einen kürzeren Abschnitt ihres Lebens im Heim, Plätze werden schneller wieder frei.
Wer nicht in einer Notsituation ist und akut einen Platz braucht, sollte daher durchaus mehrere Heime vergleichen und nicht das erstbeste nehmen.
„Wir empfehlen, sich Pflegeheime persönlich anzuschauen und sich dort individuell beraten zu lassen", so Kellner. In den meisten Heimen ist ein Probewohnen möglich, beispielsweise für eine Woche. Davon hat auch Frau Lehmann in der Seniorenresidenz Josefstadt Gebrauch gemacht. Erst dann war sie sich sicher, dass ein Einzug die richtige Entscheidung ist.
Wohnen für Senioren im Vergleich
Heim
Häuser zum Leben Seniorenresidenz Josefstadt Residenz am Kurpark Wien Oberlaa Kursana Residenz Wien-Tivoli Senecura Residenz Grinzing Park Residenz Döbling Sozialzentrum Grafenwörth Seniorenresidenz Waldhof Pflegezentrum Kreuzbergl Residenz Mirabell Sozialzentrum Kirchberg Residenz Veldidenapark
Ort
30 Häuser in Wien 1080 Wien 1100 Wien 1120 Wien 1190 Wien 1190 Wien
Grafenwörth (NÖ) Lieboch (Stmk)
Klagenfurt Salzburg
Kirchberg (Tirol) Innsbruck
mind. Kosten pro Monat ohne
Pflegestufe 1.783,20 2.400,00 1.905,98 2.039,18 1.380,00 1.794,76
* 1.951,50
* 1.664,28
* 1.512,33
mind. Kosten pro Monat bei Pflegestufe 4
3.443,10 6.900,00** 4.574,03 4.186,80 5.062,00 4.037,03 3.447,84 3.827,40 3.241,81 4.384,26 3.570,60 4.359,85
Wartezeit
sofortige Aufnahme im Akutfall keine
ca. 6 Monate innerhalb einer Woche
keine 3-5 Jahre
4-6 Wochen bis zu 2 Monate
keine ca. 4. Monate 4-6 Wochen ca. 4 Monate
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I *) Zuteilung erst ab Pflegestufe 4; **] bei Aufenthalt im Pflegezimmer mit 24h-Betreuung ©
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