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möRRR 50 Impermanent Lightsculptures von Vitor Schietti VON TESLA ZU TESLA

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Armut, Sicherheit der Atomenergie, Kriege und Klimawandel. Wo sucht unsere Zivilisation nach Lösungen für alte und neue Herausforderungen?Albert Einsteins Rezept für ungewöhnliche Probleme war klar: In den 1950er-Jahren, angesichts der steigenden Gefahren nuklea-rer Kriege, forderte er ein neues Denken: „Man kann Probleme nicht mit dem gleichen Denken lösen, das man benutzt hat, als man die Probleme geschaffen hat“, so seine Logik.*Wo sind heute die revolutionären Denker wie Einstein oder New-ton, die anders – „out of the box“ – denken und damit unserer Erdkugel einen neuen Schwung geben? Wir bewundern die Universalgenies der Vergangenheit, als ein Physiker auch Philosoph sein konnte und sich Wissenschaftler nicht nur auf einen kleinen, abgezirkelten Bereich spezialisieren mussten.Ein Denker und Erfinder hat in unserer Zeit besonderen Idolsta-tus erlangt, und zwar nicht nur als Vorbild für Geeks: Nikola Tes-la (1856–1943), der dank des Internets wiederentdeckt wurde. Genie, Philosoph, Zauberer des Lichts **, Visionär, Erfinder der drahtlosen Kommunikation, des Computers, des Lasers und der Röntgenstrahlung. Der idealistische Gegenpart zum Geschäfts-mann Edison. Seine Biografie ist alles außer normal. Tesla war eine introvertierte, einsame Seele, der schonungslos – er arbeitete Tag und Nacht – neue Ideen bis zur Vollkommenheit verfolgt hat. Er lechzte nach globalem Fortschritt, Wissensver-breitung, Frieden und wollte das Leben der Menschen durch die weite Verbreitung von Elektrizität erleichtern.Bekannt ist er vor allem dafür, den Wechselstrom nutzbar ge-macht und damit eine industrielle Revolution ausgelöst zu haben. Im Gegensatz zu Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne, glaubte Tesla, dass Wechselstrom („AC“) besser als Gleichstrom („DC“) für die Übertragung über große Distanzen war, da AC weniger Verluste als DC verursacht. Er war so über-zeugt davon, dass er sich gegen einen erfolgreichen Unterneh-mer wie Edison durchsetzte. Seine Erfindung des Zweiphasen-Wechselstrommotors (1888) war endlich der Schlüssel zum Erfolg von AC in den USA. Aber Teslas Entdeckergeist ließ den AC-Motor bald hinter sich. In der Morgendämmerung des neuen Jahrhunderts entwickelte sich sein philosophisches Denken und er war gefesselt von der Idee der freien Energie: „Wenn man die Geheimnisse des Uni-versums ergründen will, muss man auf der Ebene von Energie, Frequenz und Vibration denken”, so seine Aussage. Er musste feststellen, dass seine eigene These zur Energie große Ähnlich-keiten mit den Erkenntnissen der indischen Vedanta-Philoso-phie aufwies, wie sie der berühmte Yoga-Gelehrte Swami Vi-vekananda darlegte, mit dem Tesla in Verbindung stand. Gemäß Vivekananda wollte Tesla „mathematisch beweisen, dass Kraft und Materie auf eine Potentialenergie zurückführbar sind“. Tes-la hatte damit keinen Erfolg, aber 1905 bewies Einstein, dass Energie und Materie äquivalent sind.Teslas neuen Gedanken folgten neue Experimente. Er wollte die von ihm „kosmische Energie“ genannte Strahlenenergie der

Sonne und anderer Quellen als unerschöpfliche Energiespender nutzbar machen und stellte Baupläne her für einen neuen Ap-parat (Patent von 1901). Viele Menschen glauben heute, dass Teslaplatten positiv auf Menschen wirken, aber bis heute gibt es keinen wissenschaftlich demonstrierten Gebrauch – nicht ein-mal zur Energiegewinnung. Teslas ehrgeizigstes Projekt war es, Radiowellen und Energie drahtlos über die ganze Welt zu verbreiten. Er konnte schon de-monstrieren, dass es mittels seiner Tesla-Spule (Luftspalttrans-formator mit in Resonanz aufeinander abgestimmten Spulen) möglich war, hochfrequente Spannung und spektakuläre Blitze zu erzeugen und sogar drahtlos Elektrizität über kurze Entfer-nungen zu senden. In Long Island baute er einen ca. 60 m hohen Turm, der die Erde als elektrischen Resonator nutzte und als Rundfunkturm und zur drahtlosen Energieübertragung dienen sollte: „Von allen meinen Erfindungen wird sich der Magnifying Transmitter als am wichtigsten und nützlichsten für zukünftige Generationen erweisen“, so Tesla. Leider hat sein Hauptprojekt nie das Licht der Welt erblickt, aber Tesla gilt als Urheber der drahtlosen Energieübertragung, die heute schon zur Verfügung steht – z. B. für elektrische Zahnbürsten und Smartphones. Nikola Telsa war ein genialer und aus gutem Grund selbstbe-wusster Mann. Aber es wäre falsch zu sagen, dass er ganz al-lein so viel entdeckt hat – viele andere kluge Menschen haben damals Teslas Thesen eruiert und wichtige Beiträge geleistet. Es ist offensichtlich, dass er bei der Erfindung des AC-Motors vieles den Entdeckungen anderer Wissenschaftler wie Faraday und Maxwell verdankt wie auch der Förderung von Erfinder und Unternehmer George Westinghouse. Die Tage der einsamen Er-finder waren im 19. Jahrhundert lange vorbei.

Auch ein Vordenker, und ein Idol unserer Ära, trägt den Namen Tesla auf seinen Fahnen. In Elon Musk vereinen sich die Gegen-sätze. Er hebt das lange verkannte Genie Tesla auf den Sockel, nicht nur, weil er für seine Elektroautos dessen AC-Induktions-motor verwendet, sondern auch weil seine Firmen nach ihm benannt sind, Tesla Motors und Tesla Energy. Er findet, Tesla verdient mehr Aufmerksamkeit und spendet dem seinem Ge-denken gewidmeten Museum eine Million Dollar. Dabei gleicht Musk eher Edison. Auch er ist zuvorderst Geschäftsmann – Forbes schätzt sein Vermögen auf 13 Milliarden Dollar – und für ihn ist nicht nur die Idee, sondern auch ihre Vermarktung, die Verfügbarmachung wichtig. Kein Wunder, dass er zugibt, Fan von Edison zu sein. Aber Musk denkt nicht in Gegensätzen. Er stellt sich als Neudenker vor. So erklärt er auch seinen Erfolg: Er denke anders. Er macht es wie die Physiker und geht von „First Principles“ aus, statt in Analogien zu denken. Das heißt, nur die Grundlagen werden übernommen, danach wird alles neu gedacht. Alles ist erst ein-mal möglich. Schlüsse wie: das funktioniert nicht, weil es noch nie funktioniert hat, werden nicht zugelassen. Dafür bewundert er das „chained why“ der Kinder, das endlose „warum“, alles hinterfragen. Negatives Feedback von Freunden schätzt er und lernt davon.

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»Du willst den Leuten eine neue Denkweise beibringen? Lass es. Gib ihnen lieber ein Werkzeug, dessen Gebrauch zu neuen Denkweisen führt.«

Richard Buckminster Fuller

Wie Tesla denkt Musk an die Zukunft der Menschheit. Und setzt vielleicht nicht auf „freie“ Energie, aber auf nachhal-tige Produktion, nachhaltigen Verbrauch und nachhaltige Ver-teilung von Elektrizität. Sein letzter Streich war der Verkauf der „Home Battery“ für Privathäuser und kommerziellen Gebrauch, mit der man zum Beispiel durch Sonnenenergie sogar teilwei-se vom öffentlichen Stromnetz unabhängig ist, zum niedrigen Preis von 3.000 Dollar. Sie war in wenigen Tagen ausverkauft. Tesla Motors baut derzeit eine riesige Batteriefabrik: in der Gi-gafactory-1 soll die Massenproduktion von Batteriespeichern für Häuser, Gewerbe und Autos anlaufen und damit, wie Ana-lytiker glauben, die derzeitigen Verluste wieder einfahren. Der Sonnenenergieversoger Solar City, dessen Vorsitzender Musk ist, baut gerade eine zweite riesige Fabrik, diesmal für Solar-zellen, in Buffalo, NJ. In weniger als 20 Jahren soll laut Musk Sonnenenergie die primäre Energiequelle sein. Auch an der Zukunft der Transportmittel arbeiten Musks Fir-men. Das erste vollautonome, also selbstfahrende Tesla-Auto soll in drei Jahren auf den Straßen sein. Aber der Transport, der Musk besonders am Herzen liegt, ist der Transport zu fremden Planeten, die der Mensch einst bevöl-kern soll. Als CEO der privaten Weltraumgesellschaft Space X entwickelt er eine neue Raketentechnologie, um eine bezahlbare Weltraumfähre zum Mars zu bringen.

Musk verkauft gut und verkauft sich gut als der Mann, der die Zukunft gestalten wird. Aber ähn-lich wie Tesla ist Musk nicht allein: Er lebt in einem Kontext von Ideen, Erfindern und Möglichkeiten; er stützt sich auf die besten Ingeneure und Forscher der Welt und durch die NASA fließen staatliche Fi-nanzierungen. Auch sollte man einige seiner Behauptungen und Erfindungen kritisch betrachten. Die allgemeine Verbreitung autonomer Autos wird noch auf sich warten lassen, da künstliche Intelligenz noch im Säuglingsalter ist. Und die Batterien, die er ver-kauft, sind nicht revolutionär, es sind normale Li-thium-Ionen-Batterien, nur preiswerter. Visionäre wie Tesla und Musk haben viele Ideen, die meisten sind genial, einige sind skurril. Wir lassen uns – zu Recht – von ihrem Denken inspirieren und wir lieben die Idee, dass sie – unsere Helden und

ihre Thesen – es allein schaffen, die Welt zu ändern. Aber Ge-schichte ist nicht so einfach! Am Ende hatten Edison, Tesla und Westinghouse alle Recht – AC und DC funktionieren heute Seite an Seite, jedes für unterschiedliche Zwecke.

Wenn es eine freie Energie gibt, dann ist es vielleicht das Wis-sen, das durch die Köpfe fließt. Einstein bewies das auch auf politischer Ebene.Denn Neues Denken alleine genügt nicht, es bedarf auch des Handelns. Des gemeinsamen Handelns.Einstein glaubte, dass ein neues kollektives Bewusstsein von-nöten sei, um die Ausbreitung von Nuklearwaffen und Krie-gen zu stoppen. Während des nuklearen Wettrennens in den 1950er-Jahren klärte er die Öffentlichkeit über die Gefahren auf und unterstützte politische Aktivitäten von Wissenschaft-lern gegen Nuklearwaffen. Sein letztes öffentliches Werk, das Russell-Einstein-Manifest (1955) zusammen mit dem Philoso-phen Bertrand Russell, war ein Aufruf an alle brillianten Den-ker, sich zusammenzuschließen und führte zum einflussreichen Pugwash Movement, das 1995 den Friedensnobelpreis erhielt. Einstein und seine Genie-Freunde haben dazu beigetragen, dass es den Homo Sapiens immer noch gibt.Die zukunft? Ein chaotisches Resultat kollektiver Visionen und aktionen. wer will mitmachen?

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* Wir feiern den den hundertsten Geburtstag von Einsteins Relativitätstheorie** 2015 ist das Internationale Jahr des Lichtes www.light2015.org.

Das Buch des englischen Kult-Autors Robert Rankin: „the witches of chiswick“ beschreibt eine Welt, in der die Erfindungen Teslas im viktorianischen England umgesetzt worden waren: „ ... das Luftschiff wird von zwei großen elektrischen Turbinen angetrie-ben. Diese sind die Kreation von Mr Nikola Tesla, dessen mächtige Power-Towers die Skyline der Hauptstadt schmücken und die täglich längs und breit im Land errichtet werden zur Bereitstellung von elektrischer Energie, die kabellos auf einer Radio-Frequenz in jedes Heim und in jede Industriestätte unseres (sic) schönen Landes verbreitet wird”.

(Gollancz 2003)

„The Witches of Chiswick“