Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der...

167
Vorlesung ZGB Frühlingssemester 2011 Dr. Tarkan Göksu, Rechtsanwalt in Vertretung von Alexandra Rumo-Jungo Erbrecht

Transcript of Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der...

Page 1: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Vorlesung ZGB

Frühlingssemester 2011

Dr. Tarkan Göksu, Rechtsanwalt in Vertretung von Alexandra Rumo-Jungo

Erbrecht

Page 2: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Inhalt Seite

Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3

Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Beispiel einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung (I) 32

Beispiel einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung (II) 33 Beispiel eines Erbvertrags 34 Rechtsprechung 39

1

Page 3: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Allgemeine Informationen I. Vorlesung im Erbrecht Dienstag, 10.15 – 12 Uhr, Auditorium A In der Vorlesung selber wird nicht der gesamte Stoff vermittelt, sondern es werden Schwer-gewichte gelegt. Diese werden regelmässig anhand von kleineren Fällen vertieft. Sowohl zur Vorbereitung als auch zur Ergänzung der Vorlesung wird die Lektüre des entsprechenden Themas in einem Lehrbuch empfohlen, z.B. im Lehrbuch von Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009 (vgl. auch Literaturliste in die-sem Skriptum) oder Breitschmid/Eitel/Fankhauser/Geiser/Rumo-Jungo, Erbrecht, Reihe Litera B, Zürich/Genf/Basel 2010. Als optische Versinnbildlichung sowie zum Lösen von Fällen bietet sich auch folgendes Buch an: Alexandra Rumo-Jungo, Tafeln zum Erbrecht. Mit Fällen und Lösungs-vorschlägen, 3. Aufl., Zürich/Genf/Basel 2010. Ziele: Kenntnis der Grundfragen des Erbrechts sowie von besonderen Einzelfragen, auf die in der

Vorlesung eingegangen wurde. Arbeiten mit dem Gesetz (Beherrschen der Systematik des Gesetzes ohne Auswendiglernen

der Artikel) Lösen von kleineren Fällen und Erkennen von Querverbindungen zum übrigen Recht (Fami-

lienrecht, Sachenrecht, OR, gegebenenfalls öffentliches Recht) II. Seminararbeiten Viermal pro Jahr werden Themen für Seminararbeiten ausgeschrieben. Je 4 bis 5 Studierende können dasselbe Thema bearbeiten. Die Einschreibung erfolgt bei den Assistent(inn)en des Lehrstuhls. Das Merkblatt kann bei diesen bezogen oder von unserer Homepage (http://www.unifr.ch/zgb/) heruntergeladen werden. III. Prüfungsstoff Im Erbrecht liegt das Schwergewicht auf folgenden Bereichen: - gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht - Herabsetzung und Ausgleichung - Verfügungsformen und Auslegung - Ungültigkeit der Verfügungen - Erwerb der Erbschaft

2

Page 4: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Vorlesung Erbrecht

Frühlingssemester 2011 Prof. Alexandra Rumo-Jungo, vertreten durch Dr. Tarkan Göksu Dienstag, 22.02.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag 01.03.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 08.03.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag 15.03.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 22.03.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag 29.03.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 05.04.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag 12.04.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 19.04.2011 10.12 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 26.04.2011 Osterferien

Dienstag, 03.05.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 10.05.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

Dienstag, 17.05.2011 10.15 – 12.00 Auditorium A

3

Page 5: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Aufbau der Vorlesung §1 Grundprinzipien des Erbrechts

I. Universalsukzession

II. Wichtige Zeitpunkte

III. Erbengemeinschaft

§2 Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge

I. Gesetzliche Erbfolge

1. Verwandte

2. Überlebender Ehegatte/überlebende eingetragene Partnerin bzw. Partner

3. Gemeinwesen

II. Gewillkürte Erbfolge im Allgemeinen

III. Pflichtteilsrecht im Besonderen

1. Begriff und Inhalt

2. Quoten

3. Sonderfall der Begünstigung des Ehegatten nach Art. 473 ZGB

4. Enterbung

§3 Ausgleichung

I. Grundlagen

1. Problem und Lösung im Allgemeinen

2. Natural- und Idealausgleichung

3. Teilungsmasse

II. Ausgleichungsanordnungen

1. Gewillkürte Ausgleichung

2. Gesetzliche Ausgleichung

III. Subjekte und Objekte der Ausgleichung

1. Subjekte

a) Ausgleichungsschuldner

b) Ausgleichungsgläubiger

2. Objekte

IV. Modalitäten

4

Page 6: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

§4 Herabsetzung

I. Grundlagen

1. Problem und Lösung im Allgemeinen

2. Hinzurechnung und Herabsetzung

3. Pflichtteilsberechnungsmasse

4. Verhältnis zur Ausgleichung

II. Subjekte

III. Objekte

1. Ausgleichungsbeträge

2. Zuwendungen unter Lebenden gemäss Art. 475/527 ZGB

3. Versicherungsleistungen

IV. Modalitäten

1. Herabsetzungsklage und -einrede

2. Reihenfolge der Herabsetzung

3. Vermächtnis und Nutzniessung insbesondere

§5 Verfügungen von Todes wegen

I. Allgemeines

1. Abgrenzung von den Rechtsgeschäften unter Lebenden

2. Letztwillige Verfügung und Erbvertrag

3. Höchstpersönlichkeit

4. Verträge über Erbanwartschaften

II. Verfügungsfähigkeit

1. Beim Testament

2. Beim Erbvertrag

III. Verfügungsarten

1. Letztwillige Verfügung und Erbvertrag

2. Erbeinsetzung

3. Vermächtnis

4. Weitere Verfügungsarten

a) Auflagen und Bedingung

b) Ersatzverfügung

c) Nacherbeneinsetzung/Nachvermächtnis

d) Stiftungserrichtung

e) Einsetzung eines Willensvollstreckers

5

Page 7: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

IV. Erbvertrag im Besonderen

1. Allgemeines

2. Erbzuwendungsvertrag

3. Erbverzichtsvertrag

V. Verfügungsformen

1. Allgemeines

2. Beim Testament

3. Beim Erbvertrag

VI. Auslegung der Verfügungen von Todes wegen

1. Beim Testament

2. Beim Erbvertrag

VII. Mangelhafte Verfügungen von Todes wegen

1. Absolut unwirksame (nichtige) Verfügung

2. Ungültigkeit

a) Formmangel

b) Willensmangel

c) Verfügungsunfähigkeit

3. Ungültigkeitsklage

a) Klage und Einreden

b) Parteien

§6 Eröffnung des Erbgangs

I. Allgemeines

1. Begriffliches

2. Bedeutung von Ort und Zeit der Eröffnung

II. Die berufene Person

1. Erbfähigkeit

2. Erbwürdigkeit

3. Erleben des Erbgangs

4. Verschollenheit

§7 Wirkungen des Erbgangs

I. Sicherungsmassregeln

1. Siegelung und Inventar

2. Erbschaftsverwaltung

3. Eröffnung der Verfügungen von Todes wegen

6

Page 8: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

II. Erwerb und Ausschlagung der Erbschaft

1. Erwerb der Erben

2. Erwerb des Vermächtnisnehmers/der Vermächnisnehmerin

3. Ausschlagung

III. Erbengemeinschaft

IV. Schuldentilgung (nur Überblick)

1. Allgemeines

2. Öffentliches Inventar

3. Amtliche Liquidation

V. Erbschaftsklage (nur Überblick)

1. Begriff

2. Bedeutung

3. Verjährung

4. Vermächtnisklage

§8 Erbteilung (nur Überblick)

I. Gemeinschaft vor der Teilung

1. Gesamthandschaft

2. Erbenvertretung

3. Haftung

4. Recht auf Teilung

II. Materielles Teilungsrecht

1. Allgemeines

2. Zwingende Normen

3. Parteiwille

4. Erblasserische Teilungsregeln

5. Gesetzliche Teilungsregeln

III. Formelles Teilungsrecht

1. Allgemeines

2. Auskunftspflicht

3. Erblasserwille

4. Behördliche Mitwirkung

5. Arten der Teilung

IV. Verträge über angefallene Erbanteile

V. Lage nach der Teilung

1. Durchführung der Teilung

2. Anfechtung des Teilungsvertrags

3. Haftung der Miterben unter sich

4. Haftung gegenüber Dritten 7

Page 9: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

LITERATURLISTE

Zeitschrift Im Erbrecht gibt es seit dem Jahr 2007 eine Fachzeitschrift. Die Beiträge aus dieser Zeit-schrift sind hier nicht explizit aufgeführt, da sie für das Erbrecht grundsätzlich alle relevant und somit zu konsultieren sind. Successio Zeitschrift für Erbrecht/Revue de droit des succes-

sions, Zürich/Basel/Genf (seit 2007).

Lehrbücher und andere systematische Darstellungen BEELER BRUNO Bäuerliches Erbrecht: gemäss dem Bundesgesetz

über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) vom 4. Okto-ber 1991, Zürich 1998.

BREITSCHMID PETER (Hrsg.) Testament und Erbvertrag. Praktische Probleme im

Lichte der aktuellen Rechtsentwicklung, in: St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht (Bd. 26), Bern 1991.

BRÜCKNER CHRISTIAN/WEIBEL

THOMAS Die erbrechtlichen Klagen, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006.

DEBATIN AMREI Das Schweizer Erbrecht, Niederhausen 1998.

DRUEY JEAN NICOLAS Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl., Bern 2002.

DRUEY JEAN NICOLAS/ BREITSCHMID PETER (Hrsg.)

Praktische Probleme der Erbteilung, in: St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht (Bd. 46), Bern 1997.

DRUEY JEAN NICOLAS/ BREITSCHMID PETER (Hrsg.)

Güter- und erbrechtliche Planung, in: St. Galler Stu-dien zum Privat- Handels und Wirtschaftsrecht (Bd. 56), Bern 1999.

GUINAND JEAN/STETTLER MARTIN/ LEUBA AUDREY

Droit des successions, 6. Aufl., Genf/Zürich/Basel 2005.

HUWILER BRUNO Arbeitsunterlage zur Vorlesung Erbrecht: ausgewählte Entscheidungen des Schweizerischen Bundesge-richts, 6. Aufl., Bern 1999.

8

Page 10: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

NÄF-HOFMANN MARLIES/ NÄF-HOFMANN HEINZ

Schweizerisches Ehe- und Erbrecht. Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen, das eheliche Güterrecht und das Erbrecht der Ehegatten. Eine Einführung für den Praktiker, Zürich 1998.

PIOTET PAUL Schweizerisches Privatrecht, Band IV/1, Basel/Stutt-gart 1978.

DERSELBE Schweizerisches Privatrecht, Band IV/2, Basel/Stutt-gart 1981.

DERSELBE Schweizerisches Privatrecht, Band IV Nachtrag, Basel/ Stuttgart 1986.

DERSELBE Précis de droit successoral, 2. Aufl., Bern 1988.

RUMO-JUNGO ALEXANDRA Tafeln und Fälle zum Erbrecht, unter Berücksichti-gung des internationalen Erbrechts, des Ehegüter-rechts und des Partnerschaftsgesetzes, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2010.

RUMO-JUNGO

ALEXANDRA/BREITSCHMID

PETER/EITEL PAUL/GEISER

THOMAS/FANKHAUSER ROLAND

Erbrecht, Reihe: litera B, Zürich/Basel/Genf 2010.

SCHÖBI FELIX Bäuerliches Bodenrecht. Eine Annäherung in drei Auf-sätzen, in: Abhandlungen zum schweizerischen Recht (Heft 558), Bern 1994.

STEINAUER PAUL-HENRI Le droit des successions, Bern 2006.

STUDER BENNO Testament, Erbschaft: Wie sie klare und faire Verhält-nisse schaffen: ein Ratgeber aus der Beobachter-Praxis, 14. Aufl., Zürich 2008.

STUTZ HEIDI/BAUER

TOBIAS/SCHMUGGE SUSANNE Erben in der Schweiz : eine Familiensache mit volks-wirtschaftlichen Folgen, Zürich 2007.

TUOR PETER/SCHNEYDER

BERNHARD/ SCHMID JÖRG/RUMO-JUNGO ALEXANDRA

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009.

WOLF STEPHAN (HRSG.) Ausgewählte Aspekte der Erbteilung, Bern 2005.

ZELGER PETER/KEISER RUDOLF

Vererben und erben, Luzern 2009.

9

Page 11: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kommentare Berner Kommentar EITEL PAUL Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen

Privatrecht, Band III: Das Erbrecht, 2. Abteilung: Der Erbgang, 3. Teilband; Die Ausgleichung (Art. 626–632 ZGB), Bern 2004.

TUOR PETER Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das Erbrecht, 1. Abteilung: Die Erben (Art. 457–536 ZGB), 2. Aufl., Bern 1952.

TUOR PETER/PICENONI VITO Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das Erbrecht, 2. Abteilung: Der Erbgang (Art. 537–640 ZGB), 2. Aufl., Bern 1964.

WEIMAR PETER Berner Kommentar, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das Erbrecht, 1. Abteilung: Die Erben, 1. Teilband: Die gesetzlichen Erben und die Verfügungen von Todes wegen (Art. 457–516 ZGB), Bern 2009.

Zürcher Kommentar ESCHER ARNOLD Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch

(Zürcher Kommentar), III. Band: Erbrecht, 1. Abteilung: Die Erben (Art. 457–536 ZGB), 3. Aufl., Zürich 1959.

DERSELBE Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Zürcher Kommentar), III. Band: Erbrecht, 2. Abteilung: Der Erbgang (Art. 537–640 ZGB), 3. Aufl., Zürich 1960.

Basler Kommentar HONSELL HEINRICH/VOGT NEDIM

PETER/GEISER THOMAS (Hrsg.) Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, Art. 457–977 Art. 1–61 SchlT ZGB, 3. Aufl., Basel 2007.

10

Page 12: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Handkommentar AMSTUTZ MARC/BREITSCHMID

PETER et al. (Hrsg.) Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich/-Basel/Genf 2007.

Praxiskommentar ABT DANIEL/WEIBEL THOMAS (Hrsg.) Praxiskommentar Erbrecht, Nachlassplanung, Nach-

lassabwicklung, Willensvollstreckung, Prozessführung, Basel 2007.

Jüngere Monographien (Auswahl) ABT DANIEL Die Ungültigkeitsklage im schweizerischen Erbrecht,

unter besonderer Berücksichtigung von Zuwendungen an Vertrauenspersonen, Diss. Basel 2002, Basel/Genf/ München 2002.

ACHERMANN HUBERT / KÜNZLE HANS RAINER / ROTH RUDOLF

(Hrsg.)

Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme. Referate des Weiterbildungsseminars der Universität St. Gallen vom 30. September 2003, Schweizer Schrif-ten zur Vermögensberatung und zum Vermögensrecht (SSVV), Band 5, Zürich 2004.

AEBI-MÜLLER REGINA E. Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegat-ten: Güter-, erb-, obligationen- und versicherungs-rechtliche Vorkehren, unter Berücksichtigung des Steuerrechts, 2. A., Bern 2007.

BADDELEY MARGARETA/FOËX

BÉNÉDICT (Hrsg.)

La planification du patrimoine, Journée de droit civil 2008. En l’honneur du Professeur Andreas Bucher, Zürich/Basel/Genf 2009.

BAUMGARTNER CHRISTOPH Nachlassplanung des Urhebers: Verfügungs- und Ge-staltungsspielraum zu Lebzeiten und von Todes we-gen, Diss. Bern 2005.

BENN JURJ Rechtsgeschäftliche Gestaltung der erbrechtlichen Ausgleichung, Zürcher Studien zum Privatrecht (ZStP) 160, Diss. Zürich 2000.

11

Page 13: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

EITEL PAUL Die Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen im

Erbrecht, Objekte und Subjekte von Ausgleichung und Herabsetzung, Abhandlung zum Schweizerischen Recht (ASR) 613, Bern 1998.

DERSELBE Zivilrechtliche, insbesondere güter-, erb- und gesell-schaftsrechtliche Probleme der Unternehmensnach-folge, recht, Studienheft 6, 2003.

GHANDCHI SCHMID JASMIN Aufhebung von Erbverträgen, ZGBR 2004, 381 ff.

HAUSHEER HEINZ Ehevertrag mit „gemeinsamen“ letztwilligen Verfügun-gen: ein Anwendungsfall für die Kunst der Gesetzes-auslegung?, in: Richterliche Rechtsfortbildung in Theo-rie und Praxis, Methodenlehre und Privatrecht, Zivil-prozess- und Wettbewerbsrecht, Festschrift für Hans Peter Walter, Bern 2005, 321 ff.

HRUBESCH-MILLAUER STEPHANIE Der Erbvertrag : Bindung und Sicherung des (letzten) Willens des Erblassers, Habil. Zürich/St. Gallen 2008.

HUBERT-FROIDEVAUX

L’attribution d’un bien à cause de mort, en particulier à une valeur déterminée, Diss. Lausanne 2007.

IZZO PIERRE Lebensversicherungsansprüche und -anwartschaften bei der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung (unter besonderer Berücksichtigung der beruflichen Vorsorge), Arbeiten aus dem Juristischen Seminar der Universität Freiburg Schweiz (AISUF) 180, Diss. Freiburg 1999.

KÜNZLE HANS RAINER Der Willensvollstrecker im schweizerischen und US-amerikanischen Recht, Schweizer Schriften zur Ver-mögensberatung und zum Vermögensrecht (SSVV),Band 1, Zürich 2000.

LEUBA AUDREY L’interprétation des testaments, SJ 2004 II, 25 ff.

PERRIN JULIEN Le "trust" à l'épreuve du droit successoral en Suisse, en France et au Luxembourg : étude de droit comparé et de droit international privé, Diss. Lausanne 2006.

PICENONI JENNIFER Der Erbenvertreter nach Art. 602 Abs. 3 ZGB, Zürcher Studien zum Privatrecht (ZStP) 185, Diss. Zürich 2004.

PITTELOUD-NGUYEN THI NHA KHANH La répudiation d’une succession, Diss. Freiburg 2008.

12

Page 14: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

SALATHÉ MISCHA

Die Nacherbfolge im schweizerischen Recht, Eine Untersuchung der privat- und steuerrechtlichen Aspekte der Nacherbfolge, Diss. Basel 2009 (BStR/A).

SCHRÖDER ANDREAS Informationspflichten im Erbrecht, Basler Studien zur

Rechtswissenschaft (BStR), Reihe A Privatrecht 54, Basel 2000.

STUDHALTER PHILIPP Die Begünstigung des überlebenden Ehegatten nach Art. 473 ZGB : mit besonderer Berücksichtigung des rechtsgeschäftlichen Wahlrechts, Diss. Bern 2007.

SÜSS REMBERT / HAAS ULRICH

(HRSG.)

Erbrecht in Europa, Basel 2004.

WIEGAND WOLFGANG (HRSG.) Vermögensverwaltung und Nachlassplanung, Berner Bankrechtstag BBT, Band 11/2004, Bern 2005.

WILDISEN CHRISTOPH Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten im revi-dierten Ehe- und Erbrecht des ZGB, Arbeiten aus dem Juristischen Seminar der Universität Freiburg Schweiz (AISUF) 167, 2. Aufl., Diss. Freiburg 1999.

WINISTÖRFER MICHÈLE Die unentgeltliche Zuwendung im Privatrecht, insbe-sondere im Erbrecht, Zürcher Studien zum Privatrecht (ZStP) 162, Diss. Zürich 2000.

WOLF STEPHAN Grundfragen der Auflösung der Erbengemeinschaft, mit besonderer Berücksichtigung der rechtsgeschäft-lichen Aufhebungsmöglichkeiten, Bern 2005.

WOLF STEPAN/KOSTKIEWICZ KREN

JOLANTA/MUNTWYLER

PETER/PFÄFFLI ROLAND

Aktuelle Fragen aus dem Erbrecht, Weiterbildungs-tagung des Verbandes bernischer Notare und des In-stituts für Notariatsrecht und Notarielle Praxis an der Universität Bern vom 19./20. August 2009, Bern 2009 (Reihe: INR).

ZOLLER BEAT Schenkungen und Vorempfänge als herabsetzungs-

pflichtige Zuwendungen, unter besonderer Berücksich-tigung des Umgehungstatbestands, Zürcher Studien zum Privatrecht (ZStP) 141, 2. Aufl., Diss. Zürich 1999.

13

Page 15: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Jüngere Beiträge aus Festschriften – Auswahl BREITSCHMID PETER Das Prinzip der materiellen Höchstpersönlichkeit letzt-

willliger Anordnungen – ein Diskussionsbeitrag, in: Geiser Thomas et al. (Hrsg.), Privatrecht im Span-nungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, Festschrift für Heinz Haus-heer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 477 ff.

BUCHER EUGEN Kompensation von Nachlassforderungen zwischen Er-ben und Dritten, in: Geiser Thomas et al. (Hrsg.), Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftli-chem Wandel und ethischer Verantwortung, Festschrift für Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 33 ff.

EITEL PAUL Erbrecht für landwirtschaftliche Gewerbe vs. Unter-nehmenserbrecht im Allgemeinen, in: Recht des länd-lichen Raums: Festgabe der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern für Paul Richli zum 60. Geburtstag, Zürich 2006, 93 ff.

DERSELBE Nos „proches“ im Erbrecht und im Erbschafts-steuerrecht – Notizen zu aktuellen Entwicklungen, in: Gauch Peter/Werro Franz/Pichonnaz Pascal (Hrsg.), Mélanges en l’honneur de Pierre Tercier, Genf/Zürich/Basel 2008, 191 ff.

DERSELBE Das Recht der Errungenschaftsbeteiligung als „Stein-bruch“ für das Recht der Nacherbeneinsetzung, in: Pichonnaz Pascal/Vogt Nedim Peter/Wolf Stephan (Hrsg.), Spuren des römischen Rechts, Festschrift für Bruno Huwiler zum 65. Geburtstag, Bern 2007, 205 ff.

DERSELBE Alte und neue Probleme der Unternehmensnachfolge, in: Geiser Thomas et al. (Hrsg.), Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, Festschrift für Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 493 ff.

EITEL PAUL/ANDERER KARIN 100 Jahre Begünstigung des Ehegatten nach Art. 473 ZGB, in: Girsberger Daniel/Luminati Michele (Hrsg.), ZGB gestern – heute – morgen, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich/Basel/Genf 2007, 139 ff.

14

Page 16: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

KOLLER THOMAS/STALDER MICHAEL Die Begünstigung in der gebundenen Vorsorgeverein-barung – ein Beitrag zur Relevanz des Erbrechts bei Verträgen zugunsten Dritter von Todes wegen, in: Geiser Thomas et al. (Hrsg.), Privatrecht im Span-nungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, Festschrift für Heinz Haus-heer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 511 ff.

KÜNZLE HANS RAINER Der Willensvollstrecker und das Bank- und Postge-heimnis, in: Schweizer Rainer J./Burkert Herbert/ Gasser Urs (Hrsg.), Festschrift für Jean Nicolas Druey zum 65. Geburtstag, Zürich 2002, 209 ff.

RUMO-JUNGO ALEXANDRA Die Vorschlagszuweisung an den überlebenden Ehe-gatten: dogmatische Gesichtspunkte, in: Piotet Denis/Tappy Denis (Hrsg.), L’arbre de la méthode et ses fruits civils, Recueil de travaux en l’honnenur du Professeur Sandoz, Genf/Zürich/Basel 2006, 411 ff.

SCHNYDER ANTON K. Trust, Pflichtteilsrecht, Familienfideikommiss, in: Breit-schmid Peter/Portmann Wolfgang/Rey Heinz/Zobl Die-ter (Hrsg.), Grundfragen der juristischen Person, Fest-schrift für Hans Michael Riemer zum 65. Geburtstag, Bern 2007, 331 ff.

STEINAUER PAUL-HENRI Le conjoint survivant comme créancier du rapport, in: Piotet Denis/Tappy Denis (Hrsg.), L’arbre de la méthode et ses fruits civils, Recueil de travaux en l’honneur du Professeur Sandoz, Genf/Zürich/Basel 2006, 423 ff.

WEIMAR PETER Der Anspruch des Vermächtnisnehmers und seine Nachrangigkeit, in: Schweizer Rainer J./Burkert Her-bert/Gasser Urs (Hrsg.), Festschrift für Jean Nicolas Druey zum 65. Geburtstag, Zürich 2002, 275 ff.

15

Page 17: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Übersichten zu den Entwicklungen sowie schematische Übersich-ten im Erbrecht BREITSCHMID PETER/KAMP

ANNASOFIA Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succ-essoral, SJZ 106 (2010), 112 ff.

BREITSCHMID PETER Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succ-essoral, SJZ 105 (2009), 107 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 104 (2008), 115 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 103 (2007), 117 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 102 (2006), 103 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 101 (2005), 110 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 100 (2004), 113 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 99 (2003), 117 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 93 (1997), 83 ff.

DERSELBE Entwicklungen im Erbrecht/Le point sur le droit succe-ssoral, SJZ 92 (1996), 84 ff.

RIEMER HANS MICHAEL Schematische Übersicht über die wichtigsten erbrecht-lichen Klagen des ZGB (Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrecht) und ihre Merkmale, 2. Aufl., recht 2002 (Studienheft 2).

DERSELBE Übersichten zum Erbrecht des ZGB, 2. Aufl., recht 2002 (Studienheft 3).

DERSELBE Schematische Übersicht über Variationen zu den The-men gesetzliche Erbfolge, Erbeinsetzung, Vermächt-nis, recht 14 (1996), 75 ff.

DERSELBE Schematische Übersicht über die erbrechtlichen Reak-tionsmöglichkeiten (inkl. passives Verhalten) auf einen Todesfall (mit Hinweis auf die zivilstandsrechtliche An-zeigepflicht), recht 13 (1995), 186 f.

16

Page 18: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

DERSELBE Schematische Übersicht über die wichtigsten Gemein-samkeiten und Unterschiede zwischen den Rechtsge-schäften von Todes wegen (Testamente, Erbverträge) und den Rechtsgeschäften unter Lebenden (Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Beschlüsse), recht 12 (1994), 124 f.

WOLF STEPHAN/BALLMER

BARBARA/WILD CHRISTIAN

Erbrecht, Entwicklungen 2008, Bern 2009 (Reihe: njus.ch).

Freiburg, Januar 2011/Gian Brändli und Christophe A. Herzig

17

Page 19: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

1

Beispiele gesetzliches ErbrechtArbeitsblatt 22. Februar 2011

Vorlesung Erbrecht Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Gleichheitsprinzip

Nachkommen

Gleichzeits-prinzip

Grosseltern

Arbeitsblatt 1

18

Page 20: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

2

Eltern

Eintritts-prinzip

Eintritts-prinzip

Grosseltern

Eltern

Anwachsungs-prinzip

Arbeitsblatt 1

19

Page 21: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

1

1.1 1.2

Fallgruppe 1

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Fallgruppe 22.1 2.2 2.3

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Arbeitsblatt 2

20

Page 22: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

2

Fallgruppe 3

3.1

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Fallgruppe 3

3.2

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Arbeitsblatt 2

21

Page 23: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

3

Fallgruppe 4

4.1 4.2

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Fallgruppe 4

4.3

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Arbeitsblatt 2

22

Page 24: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

4

Fallgruppe 5

5.1

Stirbt einen Tag nach ihrem Vater

5.2

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Arbeitsblatt 2

23

Page 25: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

1

Fallgruppe 6

Vorlesung Erbrecht 2011, Prof. Alexandra Rumo-Jungo

Arbeitsblatt 3

24

Page 26: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kurzfälle im Erbrecht: Ausgleichung

1. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine drei Kinder: Aurelia, Benjamin und Claudio. Aurelia hat anlässlich ihrer Eheschliessung von ihrem Vater Fr. 60’000 erhalten. Der Nachlass beträgt 180‘000. Quid?

2. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine Nichten Nadja und Nora sowie seinen Neffen Nicolas. Nadja hatte von ihrem Onkel zur Heirat Fr. 30‘000 erhalten. Der Nachlass beträgt 180‘000. Quid?

3. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine Ehefrau Emilie sowie seine Kinder Aurelia

und Benjamin. Aurelia hat für die Eröffnung ihrer Anwaltspraxis vom Vater 60‘000 erhalten. Quid?

4. Variante: Aurelia ist die aussereheliche Tochter von Erich. Quid? 5. Variante: Benjamin ist der aussereheliche Sohn von Erich. Quid? 6. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine Kinder Aurelia und Benjamin. Erich hat in

die Anwaltspraxis von Aurelia 60‘000 investiert, während Benjamin es bevorzugt hat, den Betrag von 60‘000 in bar zu erhalten und dafür einen Sportwagen zu kaufen. Quid?

7. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine Kinder Aurelia und Benjamin. Aurelia ist

Anwältin, Benjamin Künstler. Erich hat an die Ausbildung von Aurelia 100‘000 beigetragen, während Benjamin sich selber aus- und fortgebildet hat. Quid?

8. Erich hinterlässt bei seinem Tod seine beiden Kinder, Aurelia und Benjamin.

Benjamin hat von seinem Vater vor 10 Jahren Bauland im Wert von 150‘000 erhalten. Bei Eröffnung des Erbgangs hat das Land 300’000 wert. Quid?

9. Variante: Benjamin hat damals für das Bauland 100’000 bezahlt. Quid? Vorlesung im Erbrecht FS 2011 Prof. Dr. Alexandra Rumo-Jungo

KF 1

25

Page 27: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Verhältnis von Art. 626 und 527 Z. 1 ZGB Objektive Theorie „Auf Anrechnung an den Erbteil„ = Zuwendungen wie Heiratsgut usw., die ihrer Natur nach (objektiv) i.S. von 626 auf Anrechnung erfolgen können, unabhängig davon, ob der Erblasser etwas anderes verfügt hat. (116 II 667 ff.; 126 III 171 ff.; nun aber 131 III 49 ff.) Subjektive Theorie „Auf Anrechnung an den Erbteil“ = Zuwendungen, die nach dem Willen des Erb-lassers (subjektiv) anzurechnen sind. (Eitel; zahlreiche Monografien; implizite auch BGE 131 III 49 ff.) Kurzfall Rolf Lauper, Vater zweier Töchter, verkauft seine Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 300'000.-- an seine Tochter Ines, welche alleinerziehende Mutter eines zweijährigen Sohnes ist. Da Ines finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, verkauft ihr Vater ihr die Wohnung zu einem Preis von bloss Fr. 100'000.--. a. Welche erbrechtlichen Fragen stellen sich ganz allgemein? b. Rolf Lauper hat sich im Zeitpunkt des Abschlusses des gemischten Schen-

kungsvertrages nicht dazu geäussert, ob sich seine Tochter den geschenkten Betrag bei der Erbteilung anzurechnen habe. Sechs Jahre später stirbt er. Was gilt?

c. Was gilt, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Todes einen Wert von

450‘000.-- aufweist? d. Was gilt, wenn Ines die Erbschaft ausschlägt? e. Variante: Rolf Lauper hat seinerzeit ausdrücklich erklärt, seine Tochter Ines

brauche sich das Geschenk bei der Erbteilung nicht anrechnen zu lassen. Sechs Jahre später stirbt er. Was gilt?

f. Was gilt im Fall der Variante, wenn Ines die Erbschaft ausschlägt?

Vorlesung im Erbrecht FS 2011 Prof. Alexandra Rumo-Jungo

KF 2

26

Page 28: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kurzfälle im Erbrecht: Herabsetzung

1. Der Nachlass von Benjamin Steiner beträgt bei seinem Tod Fr. 700'000.--. Seine ge-setzlichen Erbinnen sind seine Ehefrau und seine Tochter. In seiner letztwilligen Verfü-gung hat er das gesamte Vermögen seiner Frau "vermacht". Wer erbt wieviel?

Variante: Der Tochter hat er bereits zu seinen Lebzeiten Fr. 100'000.-- für die Einrichtung einer Physiotherapeutinnenpraxis zukommen lassen. Wer erbt wie viel?

2. Elia Escher hinterlässt bei seinem Tod drei Söhne, Anton, Benjamin und Claudio. Sein

Nachlass beträgt 60'000. Anton setzt er zu 3/5 und Benjamin zu 2/5 als Erben ein. Clau-dio geht somit leer aus. Von welchem Bruder erhält Claudio wie viel, wenn er seinen Pflichtteil geltend macht?

3. Emanuel Egger hat sieben Jahre vor seinem Tod seiner Tochter Anne unentgeltlich ein

Grundstück im damaligen Wert von Fr. 100'000.-- abgetreten. Bei seinem Tod hatte die-ses Grundstück einen Wert von Fr. 200'000.--. Bei der Abtretung des Grundstückes und auch nachher wurde von niemandem etwas über die Frage der Anrechnung dieser Zu-wendung bei der Erbteilung des Nachlasses von Emanuel Egger gesagt. Drei Jahre vor seinem Tod hat Emanuel Egger einer wohltätigen Institution (einer Stiftung) Fr. 200'000.-- geschenkt. Bei seinem Tod hinterlässt er Fr. 600'000.--. In einem formgültigen eigenhän-digen Testament hat er ein Vermächtnis von Fr. 200'000.-- für sein Patenkind Martin vor-gesehen. Als gesetzliche Erben hinterlässt Emanuel Egger seine Töchter Anne, Bea und Clementine. Die drei Töchter kommen zu Ihnen und möchten von Ihnen wissen, welche erbrechtlichen Ansprüche sie haben.

a. Bestimmen Sie die Berechnungsmasse. b. Wie gross sind die Pflichtteile bzw. die verfügbare Quote? c. Wessen Pflichtteile wurden verletzt bzw. wer kann die Herabsetzungsklage erheben? d. Gegen wen richtet sich die Herabsetzungsklage? e. Welche Zuwendungen müssen herabgesetzt werden, damit die Pflichtteile hergestellt werden?

4. Das Ehepaar Esther und Elmar Egger vereinbarte ehevertraglich, der gesamte Vorschlag

stehe der Ehefrau zu, sofern diese vor dem Ehemann sterbe. Esther Egger verstarb 1990. Sie hinterliess als Erben ihren Ehemann Elmar sowie den gemeinsamen Sohn Samuel. Sie setzte Samuel als Alleinerben ein. 1995 starb auch Elmar Egger. Er hinter-liess als Erben seinen Sohn Axel und seine Tochter Bettina, beides Kinder aus erster Ehe. Diese sind nun der Meinung, durch den ehevertraglichen Vorschlagsverzicht ihres Vaters sei ihnen bei dessen Tod erhebliches Vermögen entgangen. Ihr Vater hätte beim Tod seiner Ehefrau an sich einen Anspruch auf die Hälfte des Vorschlags, also auf 500‘000 gehabt. Nun hinter-lasse er ihnen noch 100‘000. Somit seien ihre Pflichtteile ver-letzt worden. (inspiriert durch BGE 128 III 314 ff.)

Vorlesung im Erbrecht FS 2011 Prof. Dr. Alexandra Rumo-Jungo

KF 3

27

Page 29: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kurzfälle im Erbrecht Abgrenzung RG von Todes wegen – RG unter Lebenden

Handelt es sich bei den folgenden Verfügungen um ein RG von Todes wegen oder um ein RG unter Lebenden?

- Abrede, wonach ein Vertrag mit dem Tod des Vertragspartners aufgelöst sein soll;

- Abrede, deren Wirkung erst mit dem Tod einer Person eintreten soll, aber nicht deren Nachlass betrifft, z.B. Zusage über Unternehmensnachfolge;

- Erst beim Tod der Erblasserin vollziehbares Schenkungsversprechen;

- Weisungen an die Bank, wie nach dem Ableben über Vermögenswerte verfahren werden soll;

- Vertragsklausel, welche die Fortgeltung eines lebzeitig wirkenden Verhältnisses über den Tod hinaus stipuliert, z.B. eine Bankvollmacht;

- Vollmacht über den Tod hinaus an einen Bevollmächtigten, der aber erst nach dem Tod der Vollmachtgeberin auftreten soll, z.B. Willensvollstrecker;

- Begünstigungsklausel in einem Lebensversicherungsvertrag des Erblassers (Versiche-rungsnehmers): Art. 76 VVG;

- Gegenseitige Begünstigung der Ehegatten gemäss Art. 216 ZGB.

Verfügungsfähigkeit

1. Kann ein Mündel ein Testament errichten?

2. Kann ein Mündel einen Erbvertrag errichten?

3. Unter welchen Voraussetzungen kann eine 16-Jährige erbvertraglich begünstigt und verpflichtet werden?

4. Was gilt, wenn ein 17½-Jähriger ein Testament errichtet?

5. Maria lebt seit Jahren mit ihrem Bruder Thomas zusammen. 1998 erleidet sie im Alter von 75 Jahren einen Hirnschlag. Mitte 2000 wird sie vom Hausarzt wegen nächtlicher Verwirrtheit und Agitiertheit in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Im Oktober 2000 wird sie auf eigenes Begehren verbeiständet. Kurze Zeit später errichtet sie im Büro eines Notars eine öffentliche letztwillige Verfügung. Sie hält darin fest, dass ihr Bruder Thomas nichts erben soll; als Alleinerben setzt sie ihren Beistand ein. Maria stirbt im April 2001 in der Klinik. Thomas war in einem früheren eigenhändigen Testament seiner Schwester neben der Ostpriesterhilfe und der Kirchgemeinde X. grosszügig bedacht worden. Er versteht nicht, warum die gesamte Erbschaft nun an den Beistand gehen soll, den Maria nur wenige Wochen kannte, bevor sie ihn zum Alleinerben machte.

Kann Thomas etwas gegen das Testament unternehmen?

KF 4

28

Page 30: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Verfügungsarten

Um welche Verfügungsart handelt es sich nachfolgend?

1. Ich vermache meiner Nichte Ariane ¼ meines Vermögens.

2. Den Rest meines Vermögens erhält mein Ehemann.

3. Mein Freund Pascal erhält mein Ferienhaus.

4. Das Leichenmahl soll im Hotel Sternen eingenommen werden.

5. Mein Patenkind Bruno erhält 20'000. Er soll für die Grabschmückung besorgt sein. (Bruno ist Gärtner.)

6. Mein Patenkind Bruno soll für die Grabschmückung besorgt sein. Er erhält dafür 20'000.

7. Mein Sohn wird auf den Pflichtteil gesetzt, falls er heiratet. (Variante: falls er vor dem 20. Altersjahr raucht).

8. Das Ehepaar Cordula und Heinz Erler hat keine Kinder. In einem Ehe- und Erbvertrag halten sie fest: „Im Falle des Todes geht die gesamte Errungenschaft an den über-lebenden Ehegatten. Die Eltern des Verstorbenen werden auf den Pflichtteil gesetzt; der gesamte übrige Nachlass geht an den überlebenden Ehegatten. Beim Tod des Zweitversterbenden geht je die Hälfte des verbleibenden Nachlasses an die Verwandten beider Ehepartner“. Nach dem Tod des Ehemannes verfügt die Ehegattin, deren Eltern inzwischen ebenfalls verstorben sind, in einem Testament, der gesamte Nachlass gehe bei ihrem Tod an die Verwandten ihres Ehemannes. Quid iuris?

Besonderheiten beim Vermächtnis

1. Sandro Schnyder erhält als Vermächtnisnehmer das Ferienhaus der Erblasserin. Auf dem Haus lastet ein Grundpfandrecht, welches eine Schuld von 100‘000.- sichert. Wer haftet für die Schuld?

2. Erblasser Albert Einstein hat als gesetzliche Erben einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hat seinerseits zwei Töchter. Einstein verpflichtet seinen Sohn, den Töchtern je 10‘000.- auszurichten. Der Sohn schlägt das Erbe aus. Quid?

Vorlesung Erbrecht FS 2011 Prof. Alexandra Rumo-Jungo

KF 4

29

Page 31: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kurzfälle: Ungültigkeit der Verfügung von Todes wegen, inklusive Verhältnis zur Herabsetzung

1. Anlässlich eines feucht-fröhlichen Studentenfestes wird unter anderem über den Tod und das Leben nach dem Tod gesprochen. Verschiedene Studierende entschliessen sich noch am selben Abend ein Testament zu verfassen. Nach dem Fest fahren fünf Studierende gemeinsam in einem Auto nach Hause. Drei von ihnen hatten am gleichen Abend ein Testament verfasst. Was halten Sie von folgenden Testamenten? a. Fabienne schreibt auf der Rückseite ihrer Vorlesungsnotizen, die gesamte verfügbare

Quote ihres Nachlasses solle dem Studentenverein zukommen. b. Erich, der stark betrunken ist, schreibt auf einem mitgebrachten Block Papier, er ver-

mache dem Studentenverein Fr. 2'000.-. c. Gerhard schreibt dasselbe auf eine Serviette.

2. Die im Alter von 85 Jahren verstorbene Elvira Escher hinterliess drei Testamente sowie

einen Zettel des Inhalts „Barockschrank an Bruno Bisegger“. Im letzten von Elvira verfassten Testament war mit schwarzem Filzstift eingefügt worden: „8. Was übrig bleibt gehört Bruno Bisegger und Ehefrau.“

Der Sohn von Elvira erhebt gegen die Ehegatten Bisgger Klage und beantragt unter anderem den erwähnten Zusatz im Testament für ungültig zu erklären, soweit er überhaupt als letztwillige Verfügung zu qualifizieren wäre.

Wie würden Sie als Richter/in entscheiden? Inspiriert durch BGE 129 III 580 ff. (Skriptum S. 83 ff.)

3. Die 40jährige Ärztin Esther Eckhart stirbt bei einem Autounfall. In ihrem nicht datierten Testament hat sie verfügt, sie stelle ihre Organe zu Forschungszwecken zur Verfügung. Ferner vermache sie ihr gesamtes Vermögen ihrem Lebenspartner Linus Lehnherr. Dieser kann sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass die Organe seiner Partnerin in einem Forschungslabor landen sollen, während die Eltern von Esther Eckhart Anspruch auf ihren gesetzlichen Erbteil erheben. a. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen Linus Lehnherr zur Verfügung? b. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen den Eltern Eckhart zur Verfügung?

4. Der Anfang 2001 verstorbene Pierre hinterlässt als gesetzliche Erben seine drei Kinder

Franz, Julie und Paul. Kurz vor seinem Tod hatte er ein Testament errichtet, das unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

Art. 2 Mein Erbe geht zu gleichen Teilen an meine drei Kinder. Art. 7 Die Liegenschaft, die ich meinem Sohn Paul 1999 geschenkt habe, ist an den Erbteil anzurechnen;

den für die Ausgleichung massgebenden Wert lege ich auf Fr. 100'000.— fest. Zur Zeit des Erbganges hat die dem Sohn Paul geschenkte Liegenschaft einen Wert von

Fr. 200’000.—. Daneben fallen Vermögenswerte von Fr. 100'000.— in die Erbschaft. Paul gerät mit seinen Geschwistern über die Höhe des ihnen zustehenden Erbes in Streit. Welches Vorgehen raten Sie Franz und Julie, wenn

a. der Erblasser sich des wahren Wertes der Liegenschaft nicht bewusst war? b. er Erblasser den wahren Wert der Liegenschaft kannte. Inspiriert durch BGE 119 II 208 ff. (Skriptum S. 89 ff.)

Vorlesung Erbrecht FS 2011/Prof. A. Rumo-Jungo

KF 5

30

Page 32: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Kurzfälle: Erbgang und Erwerb der Erbschaft 1. Elmar Escher hat mit letztwilliger Verfügung seine zweite Ehefrau Eva Engel als

Alleinerbin eingesetzt und seine Söhne aus erster (durch Tod aufgelöster) Ehe völlig übergangen.

a. Einer der Söhne, seinerseits Vater zweier Söhne, ist vorverstorben. Quid? b. Was gilt, wenn dieser Sohn einen Tag nach seinem Vater stirbt? c. Eva Engel ist im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes ebenfalls bereits tot. Quid?

d. Die Söhne des Verstorbenen finden das Testament. Was haben sie vorzukehren? e. Was gilt, wenn die Söhne der Meinung sind, das Testament sei ungültig, weil nicht

datiert? f. Was gilt, wenn das Testament erst zwei Jahre nach dem Tod von Elmar Escher

aufgefunden wird? g. Was gilt, wenn statt des Testaments ein Erbvertrag gefunden wird? h. Wer erhält eine Erbenbescheinigung und wozu dient sie? i. Elmar Escher war Mitglied im Rotary-Club seines Wohnortes. Seine Ehefrau, die

schon lange Mitglied werden wollte, ist der Meinung, sie könne als Erbin die Mitgliedschaft übernehmen. Der Rotary-Club stellt sich auf den Standpunkt, Frauen seien als Mitglieder nicht willkommen. Quid?

j. Elmar Escher hat noch vor seinem Tod einen Schadenersatz- und einen Genug-tuungsanspruch wegen einer Persönlichkeits-verletzung erworben. Was geschieht mit diesen Ansprüchen bei seinem Tod?

2. Anton und Miryam sind Eltern von vier Kindern. Alle Kinder haben studiert. Tina, eine der

Töchter, hat sich in den USA zur Chiropraktikerin ausbilden lassen; kurz darauf hat sie in der Schweiz eine Praxis eröffnet, die inzwischen gut läuft. Die Ausbildung hat ihre Eltern 50‘000.- gekostet. Den Betrag hat die Mutter aufgebracht. Ein gutes Jahr nach der Praxiseröffnung durch Tina stirbt die Mutter. Tina schlägt die Erbschaft ihrer Mutter aus, da deren Musikgeschäft in den letzten Jahren immer schlechter lief und die finanziellen Konsequenzen für Tina nicht übersehbar sind. Die Mutter hinterlässt tatsächlich mehr Schulden als Guthaben. Quid?

3. Ueli der Pächter hat von seinem Vater einen Bauernhof mit Ackerland gepachtet. Der

Bauernhof befindet sich in der Bauzone. Nach dem Tod des Vaters kündigen die beiden Brüder sowie die Schwester von Ueli den Pachtvertrag. Die Mutter ist bereits vorverstorben. Die Kinder des Erblassers sind also dessen einzige Erben.

Ueli wehrt sich gegen die Kündigung. Hat er damit Erfolg ? Inspiriert durch BGE 125 III 219 ff. (Skript S. 120 ff.)

Vorlesung Erbrecht FS 2011 Prof. Alexandra Rumo-Jungo

KF 6

31

Page 33: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Eigenhändige letztwillige Verfügung (I) mit Einsetzung von Erben, Ersatzerben und einer gemeinnützigen Institution, mit einer Auf-lage, Einsetzung eines Willensvollstreckers und Anweisungen an diesen (inspiriert durch Walter E. Hindermann, Massnahmen und Verfügungen vor dem Tode, Anwei-sungen und Anleitungen für die Hinterbliebenen im Todesfall, Zürich 1982, S. 63 f.)

Testament

Ich verfüge hiemit für den Fall meines Todes über meinen Nachlass wie folgt: 1. Das von mir hinterlassene Vermögen soll an folgende Personen fallen: a) zu einem Viertel an meinen Freund Hans Lang-Wiesner, Luzernstrasse 500, Olten, im Falle

seines Vorabsterbens an seine Kinder, und zwar unter sich zu gleichen Teilen; b) zu einem Viertel an mein Patenkind Alice Grossmann-Hug, Bernerring 800, Basel. Im Falle

ihres Vorabsterbens soll ihr Anteil an die beiden anderen eingesetzten Erben fallen; c) zur Hälfte an das Kinderheim Sonnenhof, Locarno, mit der Auflage, dass es verpflichtet ist,

jederzeit zwei unbemittelte Kinder aus meiner Heimatgemeinde Adelboden, die vom dorti-gen Gemeinderat zu bestimmen sind, zum halben Pensionspreis aufzunehmen.

2. Zu meinem Testamentsvollstrecker ernenne ich den zur Zeit meines Todes amtenden Gemein-

deschreiber von Adelboden. Bei der Teilung meines Nachlasses soll er darauf achten, dass die beiden unter Punkt 2a und b eingesetzten, mir persönlich nahestehenden Erben sich von mei-nen Büchern und Einrichtungsgegenständen das aussuchen können, was sie als Andenken an mich haben möchten. Ferner soll er das Einhalten der dem Kinderheim Sonnenhof, Locarno, auferlegten Auflage kontrollieren.

Solothurn, 6. Dezember 1997 Lucia Lutz

32

Page 34: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Eigenhändige letztwillige Verfügung (II) mit Erbeinsetzung einer Nichte an Stelle ihres Vaters und Nacherbeneinsetzung (auf Über-rest) bei einer Schwester sowie Änderung der Erbquoten (inspiriert durch Walter E. Hindermann, Massnahmen und Verfügungen vor dem Tode, Anwei-sungen und Anleitungen für die Hinterbliebenen im Todesfall, Zürich 1982, S. 61 f.)

Testament

Hiemit verfüge ich für den Fall meines Todes, dass mein Nachlass nicht entsprechend der gesetzlichen Erbfolge je zur Hälfte an meinen Bruder und meine Schwester fallen, sondern dass damit wie folgt verfahren werden soll: Mein Bruder soll vom Erbe ausgeschlossen sein, dagegen soll seine einzige Tochter Rosa oder ihre Nachkommen einen Drittel meines Nachlasses erben. Die übrigen zwei Drittel meines Nachlasses sollen meiner Schwester zufallen. Da sie unverheiratet und kinderlos ist, setze ich als Nacherben dafür mein Patenkind Ernst Jost-Hartmann, Waldmann-strasse 300, Zürich, ein. Meine Schwester soll von der Sicherstellung gegenüber dem Nacherben befreit sein. Olten, den 20. August 1995 Liselotte Hablützel

33

Page 35: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urschrift C Nr. 109

E R B V E R T R A G Ferdinand Rossi, Notar des Kantons Freiburg, mit Büros in Freiburg und Treyvaux,

beurkundet:

1. Herr Victor Ammann geb. 7. März 1940, von Freiburg, Unternehmer, verheiratet, Bergstrasse 10, 1634 La Roche

2. Frau Sophie Courvoisier Ammann geb. 29. Juli 1951, von Freiburg, Haus- und Geschäftsfrau, verheiratet, Bergstrasse 10, 1634 La Roche 3. Herr

Georges Emanuel Ammann, geb. 3. Dezember 1970, von Freiburg, Maler, nicht verheiratet, rue Jacques Piller 2, 2000 Neuchâtel 4. Herr

Benoît Fernand Ammann, geb. 7. Januar 1974, von Freiburg, Kaufmann, verheiratet, chemin des Roses 23, 1700 Freiburg 5. Herr

Ludovic Ammann geb. 19. Februar 1980, von Freiburg, Betriebsökonom, nicht verheiratet, Zunftgasse 9, 1700 Freiburg

34

Page 36: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

erklären:

im Sinne einer Familienregelung miteinander gleichzeitig und übereinstimmend folgenden Erbvertrag abzuschliessen:

I. EINLEITENDE FESTSTELLUNGEN 1. Nachkommen - Die Ehegatten Victor und Sophie Courvoisier Ammann haben folgenden gemeinsamen

Sohn:

Ludovic Ammann, geb. 19. Februar 1980 - Herr Victor Ammann hat aus erster Ehe folgende Nachkommen:

Georges Emanuel Ammann, geb. 3. Dezember 1970 Benoît Fernand Ammann, geb. 7. Januar 1974

- Frau Sophie Courvoisier Ammann hat aus erster Ehe folgende Nachkommen:

Severin Rey geb. 18. August 1972 Amanda Rey, geb. 2. Januar 1974

2. Ehevertrag Die Ehegatten Victor und Sophie Courvoisier Ammann haben heute einen Ehevertrag auf Gütertrennung rückwirkend per Eheabschluss vereinbart. Die Vertragsschliessenden nehmen von diesem Ehevertrag zustimmend Kenntnis. 3. Aufhebung bisheriger Verfügungen von Todes wegen Die Ehegatten Victor und Sophie Courvoisier Ammann heben hiermit gemeinsam, bzw. je einzeln, bisher abgeschlossene Erbverträge und letztwillige Verfügungen vollumfänglich auf.

35

Page 37: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

II. ERBVERTRAG 1. Verfügungen von Herrn Victor Ammann a) Herr Victor Ammann setzt als seine einzigen Erben zu gleichen Teilen nach Stämmen

seine Nachkommen ein. b) Für den Fall, dass er vor seiner Ehefrau versterben sollte, räumt er ihr gestützt auf Art.

473 ZGB die lebenslängliche Nutzniessung an seinem gesamten dereinstigen Nachlass ein. Frau Sophie Courvoisier Ammann nimmt von dieser Nutzniessungseinräumung Kenntnis.

c) Im Sinne einer jederzeit einseitig abänderbaren letztwilligen Verfügung, setzt Herr

Victor Ammann Herrn Dr. Michael Weber, Freiburg, bzw. in seinem Verhinderungsfall Herrn Urs Schneider, Freiburg, als Willensvollstrecker mit den weitestgehenden Kompetenzen ein.

2. Verfügungen von Frau Sophie Courvoisier Ammann a) Frau Sophie Courvoisier Ammann setzt hiermit ihren Sohn Severin und ihre Tochter

Amanda auf den Pflichtteil. Die dadurch frei werdende verfügbare Quote wendet sie zu gleichen Teilen ihrem Ehemann und ihrem Sohn, Ludovic Ammann, zu.

Sollte ihr Ehemann vorverstorben sein, wendet sie die gesamte verfügbare Quote ihrem Sohn Ludovic Ammann, bzw. seinen Nachkommen, zu.

Sollte ihr Sohn Ludovic vorverstorben sein, wendet sie die gesamte verfügbare Quote ihrem Ehemann zu.

b) Im Sinne einer jederzeit einseitig abänderbaren letztwilligen Verfügung, setzt Frau

Sophie Courvoisier Ammann Herrn Dr. Michael Weber, Freiburg, bzw. in seinem Verhinderungsfall Herrn Urs Schneider, Freiburg, als Willensvollstrecker mit den weitestgehenden Kompetenzen ein.

3. Zustimmung Kaufpreis für Aktien der Ammann AG Frau Sophie Courvoisier Ammann sowie Herr Georges Emanuel Ammann und Herr Benoît Fernand Ammann nehmen zur Kenntnis, dass Herr Victor Ammann mit Kaufvertrag vom heutigen Tag seine sämtlichen 250 Namenaktien zu nom. CHF 1000.-- der Ammann AG zum Kaufpreis von CHF 2'800'000.-- der Ammann Holding AG verkauft hat. Alleinaktionär der Ammann Holding AG ist Herr Ludovic Ammann. Sie stimmen diesem Kaufpreis zu und verzichten hiermit unwiderruflich, nachdem sie durch Herrn Urs Schneider, lic. rer. pol. und dipl. Steuerexperte, Freiburg, über die Bewertungsmethoden für die Ermittlung des Aktienwertes informiert wurden, dereinst Ausgleichungs- bzw. Herabsetzungsansprüche geltend zu machen.

36

Page 38: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

III. SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Dieser Erbvertrag ist für die Vertragsschliessenden fünffach auszufertigen.

* * * * * Diese Urkunde wird durch den Notar aufgesetzt und durch die ihm persönlich bekannten und handlungsfähigen Vertragsschliessenden in seiner Gegenwart sowie in Gegenwart der beiden Zeugen gelesen. Bei den Zeugen handelt es sich um: 1. Herr Dr. Michael Weber, Rechtsanwalt, Freiburg 2. Herr Urs Schneider, lic. rer. pol. und dipl. Steuerexperte, Freiburg Der vorliegende Erbvertrag wird hierauf in Gegenwart der Zeugen durch den Notar eigen-händig datiert und von den Vertragsparteien und dem Notar unterzeichnet. Die Verurkundung vollzieht sich ohne wesentliche Unterbrechung und in Anwesenheit der Parteien im Büro des Notars, Kreuzstrasse 26, Freiburg, den dreizehnten März Zweitausendundvier.

D.d. 13. März 2004 Die Vertragsparteien: Der Notar: ................................................. ........................................... Victor Ammann Ferdinand Rossi ................................................. Sophie Courvoisier Ammann ................................................. Georges Emanuel Ammann …………………………………………. Benoît Fernand Ammann ………………………………………….. Ludovic Ammann

37

Page 39: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Zeugnisbescheinigung Wir, die unterzeichnenden Zeugen, bescheinigen: 1. Die Vertragsparteien haben die vorliegende Urkunde vor uns und in Gegenwart des

Notars unterzeichnet. 2. Unmittelbar nachher haben sie uns in Gegenwart des Notars erklärt, dass sie die vor-

liegende Urkunde in Gegenwart des Notars gelesen haben, und dass diese ihren Erbvertrag enthalte.

3. Nach unserer Wahrnehmung befanden sich die Vertragsparteien dabei im Zustande

der Verfügungsfähigkeit. Freiburg, 13. März 2004 Die Zeugen: .............................................. Dr. Michael Weber .............................................. Urs Schneider

38

Page 40: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Rechtsprechung Seite

1.* Ausgleichung: Anwendbarkeit von Art. 626 Abs. 2 ZGB auf gesetzliche

und/oder eingesetzte Erben? BGE 124 III 102 ff.

41

2.* Ausgleichungswert eines Erbvorbezugs BGE 133 III 416 ff.

45

3.* Nachlass: Behandlung der Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen im Erbfall BGE 129 III 305 ff.

48

4.* Herabsetzung: Anwendungsbereich von Art. 527 Ziff. 1 ZGB, Verhältnis zu Art. 626 Abs. 2 ZGB BGE 126 III 171 ff.

57

5. Herabsetzung: Einredeweise Geltendmachung bei einem Rentenlegat (Art. 530, 533 Abs. 3 ZGB) BGE 135 III 97 ff.

61

6. Herabsetzung eines unverzinslichen Darlehens BGE 136 III 305 ff.

68

7.* Testierfähigkeit: (Art. 467 f. ZGB) BGE 124 III 5 ff.

73

8.* Vernichtung einer letztwilligen Verfügung BGE 116 II 411 ff.

83

9. Auslegung des Testaments; Irrtum mit Bezug auf die Bezeichnung von Personen BGE 124 III 414 ff.

88

10. Auslegung des Testaments; Heranziehung eines früheren Testaments zur Auslegung eines späteren BGE 124 III 406 ff. [412 f.] Erw. 3

91

11. Auslegung des Testaments BGE 131 III 106 ff.

96

12.* Regeln für die Auslegung von Erbverträgen; Verhältnis zwischen einem Erbvertrag und ihm widersprechenden späteren unentgeltlichen Zuwendungen

BGE 133 III 406 ff.

102

13.* Ungültigkeit oder Nichtigkeit eines Testamentszusatzes (Art. 519 ff. ZGB) BGE 129 III 580 ff.

108

14.* Ungültigkeitserklärung eines eigenhändigen Testaments (Art. 505, 520 ZGB) BGE 131 III 601 ff.

111

39

Page 41: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

15. Ungültigkeitsklage bei Irrtum des Erblassers; Verhältnis zur Herabsetzungsklage (Art. 519 ff., Art. 522 ff. ZGB) BGE 119 II 208 ff.

114

16. Erbunwürdigkeit; Hinderung am Widerruf bzw. Errichtung einer Verfügung von Todes wegen durch Unterlassen BGE 132 III 305 ff.

117

17. Auswirkungen der Erbunwürdigkeit auf den eingesetzten Erben und seine Erbeinsetzung BGE 132 III 315 ff.

124

18. Erbschaftsklage; Zuständigkeit im internationalen Verhältnis; Auskunftsklage gegen Erbschaftsbesitzer BGE 132 III 677 ff.

128

19. Verwirkung der Ausschlagungsbefugnis durch Einmischung in die Angelegenheit der Erbschaft, Einholen einer Erbenbescheinigung BGE 133 III 1 ff.

135

20. Haftung im Fall der Ausschlagung der Erbschaft; Legitimation, Verjährung, Ausgleichung (Art. 579 ZGB) BGE 131 III 49 ff.

138

21.* Ausübung von Gestaltungsrechten durch die Erbengemeinschaft (Art. 602 ZGB) BGE 125 III 219 ff.

145

22. Anfechtung des Teilungsurteils; notwendige Streitgenossenschaft (Art. 604 ZGB)

BGE 130 III 550 ff.

148

23. Erbteilung: Gegenseitige Mitteilungspflicht der Erben (Art. 610 Abs. 2 ZGB) BGE 127 III 396 ff.

152

24. Erbteilung: Zuweisung der ehelichen Wohnung bzw. des Hauses an den überlebenden Ehegatten (Art. 612a ZGB) BGE 119 II 323 ff.

158

25. Klage des eingesetzten Erben auf Feststellung seiner Einsetzung als Alleinerbe gegen die gesetzlichen Erben BGE 136 III 123 ff.

160

* = Kenntnis obligatorisch Stand: BGE 136 III 437 ff.

40

Page 42: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

124 III 102

Seite 102 (BGE_124_III_102)

Regeste

Sachverhalt

Seite 103 (BGE_124_III_102)

20. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 2 mars 1998 dans la cause B. contre L. et V. (recours en réforme)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 4 Erwägung 5

Seiten 102 103 104 105 106 107

Zuwendungen unter Lebenden; Ausgleichungspflicht der Erben (Art. 626 ff. ZGB). Anwendbarkeit von Art. 626 Abs. 2 ZGB auf gesetzliche oder eingesetzte Erben oder beide (E. 4). Nach herrschender Lehre unterstehen von der gesetzlichen Anordnung abweichende Zuwendungen des Erblassers an eingesetzte Nachkommen nicht der Ausgleichungspflicht im Sinne von Art. 626 ff. ZGB, sofern der Erblasser nicht etwas anderes verfügt (E. 5a).

A.- Par jugement du 16 septembre 1986, le Tribunal de première instance de Genève a notamment prononcé le divorce des époux G. et A., attribué à la mère l'autorité parentale sur les enfants du couple, L., née en 1970 et V., née en 1975, et ratifié la convention matrimoniale conclue entre les époux le 12 décembre 1986. En exécution de cet accord, G. a transféré à chacune de ses filles, par convention des 30 juillet et 13 août 1987, respectivement par acte authentique du 1er septembre suivant:

- 25 actions de la SI X. et la moitié d'une créance contre cette société, d'un montant de 665'623 fr. au 31.12.1986; - 12 actions ainsi que la copropriété par moitié d'une 25e action de la SI Y. et la moitié d'une créance chirographaire contre cette dernière, valant 94'631 fr.88 (sic) au 31.12.1986; - la moitié de sa part sur l'immeuble Z., à Mont-sur-Rolle, dont il était copropriétaire pour une demie, ses filles reprenant, avec l'autre copropriétaire, la dette hypothécaire de 2'000'000 fr. y relative. En ce qui concerne l'immeuble Z., l'acte authentique comportait la clause suivante: "La présente donation entre vifs est stipulée non rapportable à la succession de G.; elle n'est soumise à aucun droit de retour." Peu après, A. a acquis l'autre part de copropriété de l'immeuble Z. Par acte du 17 novembre 1987, elle et ses filles ont vendu celui-ci dans son intégralité à un tiers, pour le prix de 3'700'000 fr.

41

Page 43: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 104 (BGE_124_III_102)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 4

B.- Le 27 mai 1991, G. a épousé en secondes noces B. Au préalable, il avait rédigé, le 16 avril 1991, un testament olographe par lequel il attribuait 25% de ses biens à sa nouvelle épouse, "équivalent à sa part légitime (réserve)", et le 75% à ses filles, à répartir de façon égale entre elles. Par contrat de mariage du 21 mai 1991, les futurs époux avaient par ailleurs choisi le régime de la séparation de biens, selon le droit suisse. G. est décédé le 12 janvier 1992 lors d'un accident de voiture en Italie, laissant pour seules héritières sa femme, et ses filles issues de son premier mariage. Le 5 avril 1994, B. a informé l'exécuteur testamentaire qu'elle entendait demander le rapport des trois donations faites par le défunt à ses enfants, en application de l'art. 626 al. 2 CC; en mai 1994, elle a pris connaissance de la clause excluant le rapport de l'immeuble Z. figurant dans l'acte de donation de celui-ci. Le 8 novembre 1994, les héritières ont conclu une convention de partage réservant expressément le sort des donations litigieuses. C.- Le 19 avril 1995, B. a ouvert action en rapport et en réduction à l'encontre de L. et V. Par jugement du 20 juin 1996, le Tribunal de première instance de Genève a notamment ordonné le rapport à la succession de feu G. des donations en faveur de ses filles selon convention des 30 juillet/13 août 1987, constaté le caractère réductible de la donation faite à L. et V., selon acte notarié du 1er septembre 1987, de la part de copropriété pour moitié de l'immeuble Z., enfin, ordonné la réunion à la succession des sommes représentant

le produit de la vente de ladite part de copropriété (1'850'000 fr.) et les intérêts courus sur ce capital (370'000 fr.). Par arrêt du 25 avril 1997, la Cour de justice du canton de Genève a annulé ce jugement, la demanderesse étant déboutée de toutes ses conclusions. Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours en réforme interjeté par B. contre cet arrêt.

Extrait des considérants:

4.- a) Selon les constatations de l'autorité cantonale, qui ne sont pas remises en cause, les libéralités litigieuses ont été accordées par le défunt à ses filles à titre de dotation, c'est-à-dire en vue de faciliter leur établissement dans l'existence (ATF 116 II 667 consid. 3a p. 673 et les arrêts cités). L'art. 626 al. 2 CC prévoit pour les descendants l'obligation de rapporter de telles libéralités, sauf dispense expresse du défunt. Ce rapport est dit légal, par opposition au rapport volontaire de l'art. 626 al. 1 CC. Si l'on s'en tient au texte de la loi, l'art. 626 CC ne concerne que les héritiers légaux, par quoi il faut entendre, en principe, les héritiers ab intestat (ESCHER, Commentaire zurichois, n. 5 ad remarques préliminaires sur le rapport et n. 16 ad art. 626 CC; TUOR/PICENONI, Commentaire bernois, n. 11 ad remarques préliminaires sur le rapport et n. 1a et 5a ad art. 626 CC; PAUL PIOTET, Droit successoral, in: Traité de droit privé suisse (TDPS), tome IV, p. 290 et 337; LUC VOLLERY, Les relations entre rapports et réunions en droit successoral, thèse Fribourg 1994, p. 54 no 80 et les références; STÉPHANE SPAHR, Valeur et valorisme en matière de liquidations successorales, thèse Fribourg 1994, p. 162 ch. 3). Rien n'empêche cependant le défunt de soumettre, expressément ou implicitement, des héritiers institués aux règles des art. 626 ss CC (ATF 53 II 202 ss). On parle alors communément de rapport improprement dit (VOLLERY, op.cit., p. 80/81 no 130 et les auteurs cités à la note 481; GUINAND/STETTLER, Droit civil II, Successions, 3e éd., p. 154 no 324; pour une autre terminologie, voir PIOTET, TDPS IV, p. 342 s. et VOLLERY, op.cit., p. 81). b) La doctrine assimile par ailleurs aux héritiers légaux ceux qui, tout en succédant ab intestat, sont institués pour des parts égales ou proportionnelles

42

Page 44: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 105 (BGE_124_III_102)

Erwägung 5

Seite 106 (BGE_124_III_102)

à celles prévues par la loi: la doctrine parle alors de rapport volontaire présumé (ESCHER, op.cit., n. 6 ad remarques préliminaires sur le rapport; TUOR/PICENONI, op.cit., n. 8 ad art. 626 CC; PIOTET, TDPS IV, p. 341 et les références; ALEXANDER BECK,

Grundriss des schweizerischen Erbrechts, 2e éd., 1976, p. 165; JEAN NICOLAS DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 4e éd., 1997, par. 7 no 24; SPAHR, op.cit., loc.cit.; VOLLERY, op.cit., p. 80 et les auteurs cités à la note 474). En revanche, si le défunt institue ses descendants pour des parts différentes ou non proportionnelles à leur part légale respective, la doctrine considère généralement qu'ils ne sont pas tenus au rapport (ESCHER, op.cit., loc.cit.; TUOR/PICENONI, op.cit., loc.cit.; PIOTET, TDPS IV, p. 290 et la note 88; FRANÇOIS GUISAN, JdT 1942 I 141 et JdT 1943 I 401; ULRICH SCHWENDENER, Die Ausgleichungspflicht der Nachkommen unter sich und in Konkurrenz mit dem überlebenden Ehegatten, thèse Zurich 1959, p. 74; ERIC STOUDMANN, L'avancement d'hoirie et sa réduction, thèse Lausanne 1962, p. 23 et la note 71; PIERRE WIDMER, Grundfragen der erbrechtlichen Ausgleichung, thèse Berne 1971, p. 15 no 7 et p. 20 note 56; JÖRG ALAIN SCHWARZ, Die Herabsetzung gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB, thèse Berne 1983, p. 20 et la note 18; SPAHR, op.cit., p. 162 ch. 3 et la note 55; VOLLERY, op.cit., p. 78 no 126 et les références). La question est toutefois controversée. Selon certains auteurs, l'art. 626 al. 2 CC s'applique, que les descendants soient institués ou non, et, s'ils le sont, quelque soit leur part, car le fait pour le défunt d'instituer ses descendants ne constitue en aucun cas une dispense expresse de rapport (JAKOB ARNOLD MÜLLER, Das Verhältnis von Ausgleichung und Herabsetzung im schweizerischen Erbrecht, thèse Berne 1949, p. 85 s., critiqué par STOUDMANN, op.cit., loc.cit., et par WIDMER, op.cit., p. 15 note 37; JUSTIN THORENS, Quelques considérations concernant les rapports en droit successoral, in: Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève no 43/1974, 13e journée juridique, p. 39 ss; DRUEY, op.cit., par. 7 no 28; idem, Ausgleichung oder rapport? Einige Fragen zu Art. 626 ZGB, in: Mélanges Piotet, p. 39; LIONEL H. SEEBERGER, Die richterliche Erbteilung, thèse Fribourg 1992, p. 273 s.).

5.- L'arrêt entrepris constate que par testament olographe du 16 avril 1991, G. a attribué le quart de ses biens à la recourante - soit l'équivalent de sa réserve -, le solde devant être partagé entre ses deux filles. Dans la mesure où le défunt a ainsi dérogé à la répartition successorale légale (cf. art. 462 ch. 1 CC), il convient de déterminer si l'art. 626 al. 2 CC s'applique à la présente cause. a) Dans un arrêt publié aux ATF 53 II 202, le Tribunal fédéral a clairement affirmé que les art. 626 ss CC sur l'obligation de rapporter ne s'appliquent pas aux héritiers testamentaires - en l'occurrence

héritiers de la deuxième parentèle - si le testateur ne les a pas réservés expressément ou tacitement (consid. 2). Dans sa jurisprudence ultérieure, il s'est toutefois prononcé par deux fois sur l'existence d'une dispense expresse de rapport, quand bien même il ne s'agissait pas de successions ab intestat (ATF 69 II 71, critiqué par Guisan au JdT 1943 I 401, et ATF 89 II 72, critiqué par Piotet au JdT 1963 I 529). L'absence de dispositions successorales modifiant la répartition prévue par la loi entre héritiers ab intestat n'a pas non plus été énoncée comme condition du rapport légal dans l'ATF 98 II 352 (cf. PIOTET, La donation mixte et la réduction selon l'art. 527 ch. 1 ou 3 CC, in: JdT 1973 I 333 ss, spéc. p. 336 et 337). Selon la majorité de la doctrine, la question du caractère exprès de la dispense de l'art. 626 al. 2 CC ne peut se poser qu'en cas de succession ab intestat ou de succession testamentaire prévoyant des parts égales ou proportionnelles à celles du droit ab intestat. Cette opinion doit être suivie,

43

Page 45: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 107 (BGE_124_III_102)

nonobstant les avis divergents des quelques auteurs mentionnés plus haut (cf. supra consid. 4). Il convient en effet de considérer qu'en modifiant de manière intentionnelle la répartition légale, le défunt a entendu tenir compte des libéralités reçues par les héritiers légaux de son vivant. Dans un tel cas, il n'y a aucune raison de compléter cette volonté, ni de chercher à rétablir entre les héritiers une égalité que le disposant n'a manifestement jamais voulue (STOUDMANN, op.cit., loc.cit.; SCHWENDENER, op.cit., loc.cit.; GUISAN, JdT 1942 I 141). Contrairement à ce que pense MÜLLER (op.cit., loc.cit.), il n'est nullement question d'assimiler un testament dérogeant à l'ordre légal à une dispense expresse de rapport, selon l'art. 626 al. 2 CC. Il s'agit bien plutôt de considérer qu'en cas d'attribution inégale des parts d'héritage, le parallélisme entre succession volontaire et succession légale n'est plus tel qu'il permettrait une application par analogie des règles sur le rapport (WIDMER, op.cit., p. 15 note 37). Cette solution est conforme au fondement des dispositions sur le rapport légal, dont le but est certes de rendre effectif le principe d'égalité de traitement entre les héritiers légaux, mais qui ne sont pas moins des règles de droit dispositif. Visant à résoudre un problème posé par un acte juridique du défunt, elles correspondent aux idées reçues, à ce que déciderait normalement la plupart des gens (PIOTET, TDPS IV, p. 274/276). Si l'art. 626 al. 2 CC déroge au principe de l'absence de rapport, c'est qu'habituellement, d'après les conceptions communément répandues, une dotation en faveur d'un descendant ne doit pas rompre l'égalité des héritiers ab intestat

(PIOTET, RJB 1972, p. 298). Mais cet article ne contient pas, à proprement parler, une règle de droit matériel imposant le rapport. Les art. 626 à 633 CC n'entendent nullement restreindre la liberté de disposer à cause de mort, le de cujus n'étant à cet égard limité que par les règles relatives à la quotité disponible et aux réserves fixées à l'art. 471 CC. Dans ces limites, lui seul peut décider si une libéralité reçue entre vifs par un héritier doit être imputée sur sa part, ou lui demeurer acquise à titre préciputaire (ATF 77 II 228 consid. 3a p. 231/232). Le champ d'application de l'art. 626 al. 2 CC est ainsi réduit aux situations dans lesquelles le défunt n'a pas exprimé sa volonté, ou, du moins, n'a pas confirmé, d'une manière ou d'une autre, le système prévu par la loi. En revanche, lorsque celui-ci a pris des dispositions pour cause de mort différentes de celles du droit ab intestat, on ne saurait se référer à des règles successorales dont il a précisément voulu s'écarter. Conformément à la doctrine dominante, il faut s'en tenir au principe, énoncé dans l'ATF 53 II 202, selon lequel les art. 626 ss CC sur l'obligation de rapporter ne s'appliquent pas aux descendants institués pour des parts différentes de celles prévues par la loi, sous réserve de la volonté du testateur.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 4 Erwägung 5

Seiten 102 103 104 105 106 107

44

Page 46: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

133 III 416 51. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen C., F.A. und D. (Berufung) 5C.158/2006 vom 23. März 2007

E.A. verstarb am 3. März 1999. Er hinterliess als seine gesetzlichen Erben die Ehefrau F.A. sowie seine drei Söhne C., D. und B. Die Ehegatten A. schlossen keinen Ehevertrag ab, am 23. September 1994 jedoch einen Erbvertrag (mit Nachtrag/Ergänzung vom 31. März 1995), mittels welchem C. auf den Pflichtteil gesetzt und diverse Teilungsvorschriften vereinbart wurden. Auf Anrechnung an seinen Erbteil hat der Erblasser seinem Sohn B. im Jahre 1994 die unüberbaute Parzelle Nr. e abgetreten. Einen Anrechnungswert haben die Vertragsparteien in der öffentlichen Urkunde

damals nicht vereinbart. B. hat das Grundstück parzelliert, die Teilgrundstücke anschliessend überbaut und in den Jahren 1997 und 1998 verkauft. C. reichte gegen seine Miterben Klage ein und begehrte die Ungültigerklärung des Erbvertrages mit Nachtrag/Ergänzung sowie die Feststellung und Teilung des Nachlasses von E.A. Insbesondere verlangte er, der Beklagte B. sei zu verpflichten, erhaltene Erbvorbezüge - insbesondere den Vorempfang der Parzelle Nr. e - zur Ausgleichung zu bringen. Streitig war im kantonalen Verfahren der Ausgleichungswert dieses Erbvorbezuges. Das Bezirksgericht Frauenfeld erkannte auf Gültigkeit des Erbvertrages inkl. Nachtrag, stellte das eheliche Nettovermögen, die ausgleichungspflichtigen Vorempfänge sowie den Nettonachlass betragsmässig fest und führte die Erbteilung durch. Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung von B. an das Obergericht des Kantons Thurgau hiess dieses teilweise gut und bestimmte den Anrechnungswert der Parzelle Nr. e auf Fr. 1'542'990.-, um daraufhin die Teilung des Nachlasses vorzunehmen. B. beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung unter anderem eine Herabsetzung des Betrages, welchen er bezüglich der vorempfangenen Parzelle zur Ausgleichung bringen muss. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Aus den Erwägungen:

Urteilskopf

Ausgleichungswert eines Erbvorbezuges (Art. 630 ZGB). Wird ein unüberbautes Grundstück mittels Erbvorbezug übertragen und anschliessend vom vorempfangenden Erben parzelliert, überbaut und verkauft, so richtet sich die Ausgleichung nach dem (Verkehrs-)Wert des (unüberbauten) Grundstücks im Zeitpunkt der vorzeitigen Veräusserung (E. 6.3.1 und 6.3.4). Methode der Verkehrswertschätzung (E. 6.3.3). Geht der ausgleichungspflichtige Erbe bezüglich der zugewendeten Sache einer unternehmerischen Tätigkeit nach, gelangt Art. 630 Abs. 2 ZGB und damit ein allfälliger Verwendungsausgleich nicht zur Anwendung (E. 6.3.4).

Regeste

Sachverhalt ab Seite 416

BGE 133 III 416 S. 417

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 645

Page 47: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

6. 6.3 6.3.1 Das Grundstück ist von Seiten des Erblassers an den Beklagten auf Anrechnung an dessen Erbteil abgetreten worden und deshalb zur Ausgleichung zu bringen (vgl. Art. 626 ZGB). Dabei erfolgt gemäss Art. 630 Abs. 1 ZGB die Ausgleichung - mangels gegenteiliger erblasserischer Anordnung - nach dem (Verkehrs-) Wert der Zuwendung zur Zeit des Erbganges oder, wenn die (zugewendete) Sache vorher veräussert worden ist, nach dem dafür erzielten Erlös. Gegenstand der Zuwendung war eine unüberbaute Parzelle. Da es sich bei dieser um ein nichtlandwirtschaftliches Grundstück handelte, gilt das Verkehrswertprinzip (EITEL, Berner Kommentar, N. 18 ff. zu Art. 630 ZGB; FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 630 ZGB; LIONEL SEEBERGER, Die richterliche Erbteilung, Diss.

Freiburg 1992, S. 295). Massgebend ist der Verkehrswert zur Zeit des Erbganges, ausser die Sache sei zuvor veräussert worden. Für diesen Fall sieht das Gesetz - in Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen (z.B. Art. 206 Abs. 2 ZGB) - vor, dass für die Bewertung der Zeitpunkt der Veräusserung massgebend ist und der Ausgleichungswert dem "erzielten Erlös" entspricht. Bei einer vorzeitigen Veräusserung wird dabei vom Gesetzgeber idealerweise angenommen, der Erlös stimme mit dem damaligen Verkehrswert überein. Wird die Sache jedoch unter diesem Wert veräussert, so ist ihr der objektive (Schätzungs-) Wert anzurechnen, den die Sache im Veräusserungszeitpunkt hatte (vgl. dazu FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 5 zu Art. 630 ZGB; EITEL, a.a.O., N. 33 ff. zu Art. 630 ZGB; ESCHER/ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 10 zu Art. 630 ZGB; SEEBERGER, a.a.O., S. 300 f.; HEINZ VONRUFS, Der massgebende Zeitpunkt für die Bewertung der Erbschaftsgegenstände bei Pflichtteilsberechnung, Ausgleichung und Teilung, Diss. Zürich 1952, S. 51). 6.3.2 Anhand der - im kantonalen Berufungsverfahren eingereichten - (rekonstruierten) Abrechnung über die Überbauung und den Verkauf der Liegenschaft hat der Beklagte einen tatsächlich erzielten Erlös von Fr. 918'720.- für die unüberbaute Parzelle Nr. e behauptet. Dieser in der Bauabrechnung "eingesetzte Grundstückswert" hat der Beklagte mittels einer Rückrechnung aus der Differenz zwischen dem Erlös aus den Verkäufen der überbauten Parzellen und den gesamten Aufwendungen inklusive eines Unternehmensgewinns von Fr. 277'563.- ermittelt. Das Obergericht hat ausführlich dargelegt, dass und weshalb auf die Bauabrechnung des Beklagten und seines Partners H. beweismässig nicht abgestellt werden könne. Seine Schlüsse beruhen auf Beweiswürdigung, die im Rahmen der Berufung nicht überprüft werden kann. Die darauf bezogenen Vorbringen des Beklagten sind nicht zu hören (vgl. BGE 127 III 73 E. 6a S. 81; 119 II 84 E. 3 S. 84). 6.3.3 Der Beklagte kritisiert die obergerichtliche Methode der Verkehrswertschätzung. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf den Unterschied zwischen Tat- und Rechtsfrage bei Bewertungsfragen hinzuweisen. Das Bundesrecht bestimmt hierbei, nach welchen Rechtsgrundsätzen (Methode, Massstab) die Bewertung vorzunehmen ist, wogegen die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Wertermittlung grundsätzlich eine vom kantonalen Gericht abschliessend zu beurteilende Tatfrage darstellt. Im Folgenden wird daher geprüft, ob das Obergericht eine zulässige und nachvollziehbare Bewertungsmethode

herangezogen und diese auch richtig angewandt hat. Der Amtsbericht des Grundbuchamtes Frauenfeld (GBA) fusst auf der von Lehre und Praxis anerkannten - und vom Bundesgericht primär angewandten - Vergleichswert- oder statistischen Methode (auch Preisvergleichsmethode genannt; vgl. zum Ganzen: Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Stand 2005, Hrsg. Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten SVK und Schweizerische Schätzungsexpertenkammer/Schweizerischer Verband der Immobilien-Treuhänder SEK/SVIT, S. 50 und S. 99 ff.), die primär auf die tatsächlich bezahlten Preise abstellt (vgl. BGE 114 Ib 286 E. 7 S. 295). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung führt diese zulässige Methode dann zu richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in genügender Anzahl für Objekte ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung stehen. Diesem Erfordernis ist das

BGE 133 III 416 S. 418

BGE 133 III 416 S. 419

46

Page 48: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Obergericht durch das Abstellen auf den Amtsbericht, der seiner Schätzung neun Vergleichspreise aus Landverkäufen in einem Umkreis von 500 Metern in vergleichbarer Lage und Zone zugrunde gelegt hat, bundesrechtskonform nachgekommen. Aufgrund der besseren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse im Rahmen der Auswahl von Schätzungsmethode und Vergleichsgrundstücken verfügt die kantonale Instanz über ein gewisses Ermessen. In diesen Beurteilungsspielraum greift das auf eine reine Rechtskontrolle beschränkte Bundesgericht nur mit Zurückhaltung dann ein, wenn die Auffassung der Vorinstanz als unvertretbar erscheint (vgl. BGE 130 III 193 E. 2.3 S. 197; 126 III 223 E. 4a S. 227). Dafür aber sind Anhaltspunkte weder ersichtlich noch dargetan. 6.3.4 Der Beklagte beruft sich mehrfach unter Hinweis auf Art. 630 ZGB auf sein Unternehmerrisiko infolge Überbauung der zugewendeten Liegenschaft. Seine Darlegungen sind schwer nachvollziehbar. Gemäss Art. 630 Abs. 1 ZGB erfolgt die Ausgleichung nach dem Wert des für die Zuwendung erzielten Erlöses. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung sind Verwendungen unter den Erben nach den Besitzesregeln (Art. 938 bis 940 ZGB) in Anschlag zu bringen. Dies gilt sowohl für notwendige als auch für nützliche Verwendungen des gutgläubigen Besitzers. Verwendungen sind Leistungen aus freien Stücken im Interesse einer (fremden) Sache (vgl. STARK, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 939 ZGB). In der Literatur wird vorwiegend die Meinung vertreten, dass es sich bei den Verwendungen im Sinne des Ausgleichungs- und des Besitzesrechts um Ausbesserungs- sowie Sicherungsarbeiten etc.

handelt, mithin um Handlungen zur (passiven) Erhaltung einer Sache im Sinne einer Werterhaltung und -steigerung (vgl. STARK, a.a.O., N. 2 zu Art. 939 ZGB; EITEL, a.a.O., N. 50 zu Art. 630 ZGB; auch ein bereits existierender Betrieb kann werterhaltenden Massnahmen zugänglich sein, vgl. dazu BGE 130 III 441). Art. 630 Abs. 2 ZGB liesse sich zwar auch für den vorliegenden Fall eine Antwort entnehmen, jedoch widerspricht diese Sinn und Zweck des Ausgleichungsrechts. Denn im vorliegenden Fall hat der ausgleichungspflichtige Beklagte unter Verwendung des Zuwendungsobjektes (unüberbautes Grundstück) mit der Abparzellierung und der anschliessenden Überbauung und dem Verkauf der einzelnen Objekte ein eigentliches Unternehmen betrieben. Das Konzept und die systematische Einordnung von Art. 630 Abs. 2 ZGB lässt jedoch den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nicht an solche Fälle gedacht hat, diese mithin nicht unter diesen Ausgleichungstatbestand subsumiert werden können. Denn erzielte der ausgleichungspflichtige Erbe durch die unternehmerische Tätigkeit einen grossen Gewinn, so wäre es unbillig, müsste er diesen Gewinn mit den Miterben teilen. Umgekehrt wäre es auch für die ausgleichungsberechtigten Miterben unbillig, müssten sie unternehmerische Verluste - auf deren Entstehung sie keinerlei Einfluss ausüben konnten - mittragen, wenn der erzielte Erlös die Verwendungen nur knapp überstiege oder jener gar unter diesen läge. Nach dem Gesagten widerspricht eine Beteiligung am Unternehmerrisiko - d.h. an Gewinn oder Verlust - dem Grundgedanken der Ausgleichung. Sobald der Ausgleichungsschuldner - wie hier - mit dem Zuwendungsobjekt einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, können demnach solche Handlungen nicht mehr als Verwendungen im Sinne von Art. 630 Abs. 2 ZGB angesehen werden. Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man vom Zweck der einzelnen Handlungen in Bezug auf das Zuwendungsobjekt ausgeht. So ist der primäre Zweck der Verwendungen derjenige der Werterhaltung im Hinblick auf die zukünftige Erbteilung, währenddem mit der unternehmerischen Tätigkeit einzig die Gewinnerzielung angestrebt wird. Für den vorliegenden Fall bleibt somit kein Raum für eine andere Lösung als - abweichend vom Konzept des Art. 630 ZGB - diejenige, dass auf das ursprüngliche und unveränderte Zuwendungsobjekt (unüberbautes Grundstück) abzustellen und dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der vorzeitigen Veräusserung zu bestimmen ist. Im Ergebnis hat das Obergericht demnach kein Bundesrecht verletzt.

BGE 133 III 416 S. 420

nach oben

47

Page 49: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

129 III 305

Seite 305 (BGE_129_III_305)

Regeste

Sachverhalt

Seite 306 (BGE_129_III_305)

51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S.A. gegen B. und C. (Berufung) 5C.212/2002 vom 24. April 2003

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3 Erwägung 4

Seiten 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316

Behandlung der Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen im Erbfall. Die Leistungen der beruflichen Vorsorge (Säule 2a und 2b) fallen nicht in den Nachlass; sie unterliegen auch nicht der Herabsetzung (E. 2). Nicht anders verhält es sich mit den Freizügigkeitsleistungen; diese werden in der entsprechendenReihenfolge an die in Art. 15 FZV aufgeführten Destinatäre ausbezahlt (E. 3).

A.- Der Erblasser, D., verstarb kurz nach Auflösung seiner zweiten Ehe am 21. April 1997. Er hinterliess zwei volljährige Töchter aus erster Ehe und eine minderjährige Tochter aus zweiter Ehe. Weil D. damals arbeitslos war, befand sich sein Pensionskassenguthaben auf einem Freizügigkeitskonto. Ansonsten besass er kein Vermögen, weshalb die Tochter aus zweiterEhe die Erbschaft am 30. Mai 1997 ausschlug, während die beiden anderen Töchter sie annahmen. Am 31. Oktober 1997 teilte die Freizügigkeitsstiftung X. den beiden Töchtern aus erster Ehe mit, gestützt auf ihr Reglement erfülle

einzig die minderjährige Tochter die Anspruchsvoraussetzungen für die Freizügigkeitsleistung. In der Folge überwies sie dieser am 3. Dezember 1997 den Betrag von Fr. 157'650.50, wovon Fr. 82'858.90aus obligatorischer und Fr. 74'791.60 aus überobligatorischer Vorsorge herrührend. B.- Die beiden Töchter aus erster Ehe stellten sich auf den Standpunkt, die Freizügigkeitsleistung, jedenfalls soweit sie aus der überobligatorischen Vorsorge stamme, gehöre in die Erbmasse, und sie verlangten mit Klage vom 12. November 1999 die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung von Fr.74'791.60, unter Nachklagevorbehalt für Fr. 82'858.90.

48

Page 50: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 307 (BGE_129_III_305)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

Das Kantonsgericht Schaffhausen erwog, Leistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Säule 2a) seien nicht zum Nachlass zu rechnen; ebenso wenig sei es auf Grund des Vorsorgezweckes das entsprechende Freizügigkeitskapital. Anders verhalte es sich mit der Austrittsleistung der überobligatorischen beruflichen Vorsorge (Säule 2b), weil die Vorsorgevereinbarung hier als privatrechtlicher Vertrag zu qualifizieren sei. Des Weiteren befand das Kantonsgericht, die Ausschlagung des Erbes durch die Beklagte sei irrtümlich erfolgt und deshalb unbeachtlich. Ausgehend von diesen Erwägungen verurteilte es die Beklagte zur Bezahlung von Fr. 46'895.80 (von den Klägerinnen bezahlte Nachlassschulden von Fr. 19'000.- zuzüglich je ein Viertel des Nettonachlasses von Fr. 55'791.60 als Pflichtteil). Das Obergericht des Kantons Schaffhausen schloss sich dieser Auffassung an und verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 30. August 2002 zur Bezahlung von Fr. 46'895.80 an die Klägerinnen. Es erwog dabei im Wesentlichen, die aus der überobligatorischen Vorsorge herrührenden Leistungen seien in (zumindest analoger) Anwendung von Art. 476 ZGB herabzusetzen,umso mehr als die vom Erbrecht abweichende Begünstigtenordnunggemäss Art. 15 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung, FZV; SR 831.425) auf keiner genügenden gesetzlichen Grundlage basiere, nicht self-executing sei und auf einem elementaren Wertungsfehler beruhe. C.- Dagegen hat die Beklagte am 3. Oktober 2002 Berufung eingereicht mit den Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils und um Abweisung der Herabsetzungs- und Erbteilungsklage. Mit Berufungsantwort vom 3. Januar 2003 haben die Klägerinnen auf Abweisung der Berufung geschlossen.

Aus den Erwägungen:

2. 2.1 Bei der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Säule 2a) ist das Rechtsverhältnis zwischen Vorsorgenehmer und Vorsorgeeinrichtung öffentlich-rechtlicher Natur; es entsteht als zwingende Nebenfolge des Arbeitsverhältnisses (Art. 2 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG; SR 831.40]). Die Ansprüche der Hinterbliebenen gemäss Art. 18 ff. BVG stehen nach einhelliger Meinung vollständig ausserhalb des Erbrechts: Weder fallen sie in den Nachlass noch unterliegen sie der erbrechtlichen Herabsetzung. Dies wird damit begründet, dass das BVG gegenüber dem ZGB ein zeitlich jüngeres Spezialgesetz ist (lex specialis posterior derogat legi generali priori). 2.2 Im Bereich der freiwilligen, der vor- und der vorliegend interessierenden überobligatorischen beruflichen Vorsorge (Säule 2b) wird das Rechtsverhältnis zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer durch einen privatrechtlichen Vorsorgevertrag begründet, der rechtsdogmatisch den Innominatverträgen zuzuordnen ist (BGE 118 V229 E. 4b S. 232; 122 V 142 E. 4b S. 145). Der Vorsorgevertrag ist funktional verwandt mit dem Lebensversicherungsvertrag im Sinne des VVG (SR 221.229.1). So wie die Begünstigten ihren Anspruch

49

Page 51: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 308 (BGE_129_III_305)

gegenüber einer Lebensversicherungsgesellschaft aus eigenem Recht(iure proprio) und nicht aus Erbrecht (iure hereditatis) erwerben (Art. 78 VVG; BGE 112 II 157 E. 1a S. 159 f.), haben die Anspruchsberechtigten auch bei der Säule 2b einen eigenen Anspruchgegen die Vorsorgeeinrichtung. Dieser basiert auf Art. 112 Abs. 2 OR, und entsprechend fallen die Leistungen der Vorsorgeeinrichtung nicht in die Erbmasse (BGE 112 II 38 E. 3 S. 39; 116 V 218 E. 2 S. 222). Indes ist in der Lehre umstritten, ob die Leistungen aus der überobligatorischen Vorsorge oder jedenfalls die theoretische Austrittsleistung per Todestag in sinngemässer Anwendung von Art. 476 und 529 ZGB für die Berechnung der verfügbaren Quote zum Nachlass hinzuzurechnen seien (dafür: PIOTET, Prestations des institutions de prévoyance et droit successoral, in: ZBJV 117/1981 S. 292 ff., insb. S. 298 f.; ders., Stipulations pour autrui, prévoyance professionnelle et droit successoral, in: AJP 1997 S. 538; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, Bern 1985, S. 122; REBER/MEILI, Todesfallleistungen aus über- und ausserobligatorischer beruflicher Vorsorge und

Pflichtteilsschutz, in: SJZ 92/1996 S. 121 ff.; NUSSBAUM, Die Ansprüche der Hinterlassenen nach Erbrecht und aus beruflicherVorsorge bzw. gebundener Selbstvorsorge, in: SZS 1988 S. 200; dagegen: Bundesamt für Justiz, in: ZBGR 70/1989 S. 283; WEIMAR, in: Berner Kommentar, N. 45 zu Art. 476 ZGB; KOLLER, Privatrecht und Steuerrecht, Bern 1993, S. 210; ders., Familien- und Erbrecht und Vorsorge, in: recht, Studienheft 4, S. 24; GEISER, Güter- und erbrechtliche Planung und Vorsorgeeinrichtungen, in: Güter- und erbrechtliche Planung, Bern 1999, S. 96 ff.; AEBI-MÜLLER, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, Diss. Bern 2000, S. 40; dies., Gedanken zur Begünstigung des überlebenden Ehegatten, in: ZBJV 135/1999 S. 512; MOSER, Die zweite Säule und ihre Tragfähigkeit, Diss. Basel 1993, S. 175 f.; IZZO, Lebensversicherungsansprüche und -anwartschaften bei der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung, Diss. Freiburg 1999, S. 329f.; vermittelnd: STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 19 zu Art. 476 ZGB). 2.3 Die Vorsorgeeinrichtung hat für die (öffentlich-rechtliche) obligatorische und die (dem Zivilrecht unterstehende) überobligatorische Vorsorge getrennte Rechnung oder jedenfalls eine Schattenrechnung zu führen (BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, S. 255; HELBLING, Personalvorsorge und BVG, Bern 2000, S. 436), wenn sie beide Bereiche abdeckt (sog. umhüllende Vorsorgeeinrichtung). Oft ist der Vorsorgenehmer auch bei zwei verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen versichert, so zum Beispiel, wenn der obligatorische Teil an eine Drittgesellschaft übertragen ist und die Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers nur den überobligatorischen Bereich abdeckt (REBER/MEILI, a.a.O., S. 119; BRÜHWILER, a.a.O., S. 255 f.). In rechtlicher Hinsicht untersteht die überobligatorische Vorsorge im Unterschied zur obligatorischen (Art. 2 BVG) und der freiwilligen (Art. 4 BVG) nicht (bzw. nur punktuell, vgl. Art. 49 Abs. 2 BVG) dem BVG, sondern den Regeln des OR (RIEMER, Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der beruflichen Vorsorge, in: Innominatverträge, Zürich 1998, S. 238 ff.). Namentlich die Begünstigtenordnung richtet sich nicht nach Art. 18 ff. BVG, sondern nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung und dem privatautonom ausgestalteten Vorsorgevertrag, dessen Abschluss und dessen Inhaltwenigstens in der Theorie auf den freien Willen des Vorsorgenehmers zurückzuführen sind. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Vorsorgevertrag in der Praxis allenfalls bei höheren Kadern und gegebenenfalls beim Unternehmer individuell ausgestaltet wird (dazu E. 2.7).

50

Page 52: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 309 (BGE_129_III_305)

Seite 310 (BGE_129_III_305)

Demgegenüber hat der ganz überwiegende Teil der Arbeitnehmer faktisch gar keine Wahl, ob und in welchem Umfang er im überobligatorischen Bereich eine Vorsorge treffen will (AEBI-MÜLLER, ZBJV, a.a.O., S. 512; REBER/MEILI, a.a.O., S. 119; MOSER, a.a.O., S. 176; IZZO, a.a.O., S. 329). Der Arbeitnehmer unterzeichnet in der Regel auch nur einen einzigen Vorsorgevertrag, der vielfach direkt im Arbeitsvertrag integriert ist (oft durch blossen Verweis auf das Reglement der Vorsorgeeinrichtung) und der kaum je auf eine obligatorische und eine überobligatorische Vorsorgekomponente hinweist. Die Leistungsmodalitäten und namentlich auch der Kreis der anspruchsberechtigten Hinterlassenen werden im Reglement der Vorsorgeeinrichtung generell-abstrakt umschrieben. Lässt es der Arbeitsvertrag nicht bei einem Verweis auf dieses Reglement bewenden, sondern enthält er Bestimmungen über die Vorsorge oder wird ein separater Vorsorgevertrag abgeschlossen, handelt es sich in der Regel um eine unveränderte Übernahme des im Reglement vorgesehenen Standards (zu den Ausnahmen siehe E. 2.7). In diesemSinn ist die Vertragsautonomie eine einseitige und der Vorsorgenehmer verfügt richtig besehen weder über Abschluss- oder Partnerwahl- noch über Inhalts- oder gar Begünstigungsfreiheit (REBER/MEILI, a.a.O., S. 119; MOSER, a.a.O., S. 176). Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied nicht nur zur gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a), bei der völlige Partnerwahl- und Abschlussfreiheit besteht, bei der die jährlichen Einzahlungen je nach Ausgestaltung des Vertrages beliebig ausgesetzt und bei der für den Todesfall die Begünstigten frei bestimmt werden können, sondern insbesondere auch zum Lebensversicherungsvertrag,der frei nach den Wünschen des Versicherten ausgestaltet und bei dem die Begünstigten nach dessen freier Willkür bezeichnet werden können. 2.4 Hinsichtlich der praktischen Durchführung gilt es zu bedenken, dass die Berechnung der zukünftigen Rentenleistung namentlich beim überlebenden Ehegatten, aber auch bei Kindern, deren Ausbildungsdauer noch ungewiss ist, mit grossen Schwierigkeiten verbunden wäre. Mit einem Teil der Lehre statt die Rentenleistungen die rechnerische Austrittsleistung per Todestag der Herabsetzung zu unterstellen (so namentlich REBER/MEILI, a.a.O., S. 121 f.), wäre kein gangbarer Ausweg: Die Austrittsleistung richtet sich nach dem angesparten Vorsorgekapital (Beitragsprimat) und gegebenenfalls nach der Beitragsdauer (Leistungsprimat), während sich die Höhe der insgesamt ausbezahlten Rentensumme massgeblich aus der Dauerder Bezüge ergibt. Dieser Mechanismus würde beispielsweise

dann zu unhaltbaren Ergebnissen führen, wenn ein kurz vor der Volljährigkeit stehendes Kind für eine hohe Austrittsleistung einstehen müsste - es wäre diesfalls gegenüber seinen Geschwistern geradezu für das infolge des Kollektivitätsprinzips bei der Vorsorgeeinrichtung verbleibende Kapital herabsetzungspflichtig. 2.5 Nebst den bereits erwähnten Elementen ist entscheidend, dass zwischen den Säulen 2a und 2b versicherungstechnisch kein Unterschied besteht. Beide sind an die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit sowie an das Willkürverbot gebunden (BGE 115 V 103 E. 4b S. 109; 119 V 283 E. 2a) und beide folgen den Prinzipien der Planmässigkeit und Angemessenheit sowie der Solidarität und Kollektivität (BGE 120 Ib 199 E. 3c und d S. 202). Die beiden letztgenannten Prinzipien bedeuten, dass das verbleibende Kapital

51

Page 53: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 311 (BGE_129_III_305)

Erwägung 3

der Vorsorgeeinrichtung verfällt und für die Leistungserbringung an die übrigen Vorsorgenehmer verwendet wird, wenn der Vorsorgenehmer stirbt, ohne nach Reglement anspruchsberechtigte Personen zu hinterlassen; dies im Unterschied zur gebundenen Selbstvorsorge, bei der die Versicherungsleistung oder das angesparte Kapital in jedem Fall an jemanden ausbezahlt wird (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b BVV 3 [SR 831.461.3]). Ebenso wenig besteht zwischen den Säulen 2a und 2b ein funktionaler Unterschied: Während die AHV/IV-Leistungen (Säule 1a) sowie die Ergänzungsleistungen (Säule 1b) der Existenzsicherung im Alter dienen, will die berufliche Vorsorge in ihrer Gesamtheit die Fortführung der bisherigen Lebenshaltung nachAufgabe der Erwerbstätigkeit garantieren. So ist denn die Bevorzugung der Witwe (und je nach Reglement des Witwers) sowieder unterhaltsberechtigten Waisen gegenüber den anderen Pflichtteilsberechtigten auch im überobligatorischen Bereich ein wesentliches Merkmal des Vorsorgevertrages (WEIMAR, a.a.O., N. 45 zu Art. 476 ZGB). Eben dieser Vorsorgezweck könnte ernsthaftin Frage gestellt sein, wenn die vom Vorsorgenehmer unterstützten Personen nach dessen Tod gegenüber den anderen gesetzlichen undden testamentarischen Erben herabsetzungspflichtig wären (vgl. etwa KOLLER, recht, a.a.O., S. 24). 2.6 Die bisherigen Erwägungen stehen denn auch in Einklang mit den Grundgedanken des erbrechtlichen Pflichtteilsschutzes: Die "Überschreitung der Verfügungsbefugnis durch den Erblasser" bzw. eine "unentgeltliche Zuwendung" setzt einerseits Verfügungsfreiheit des Erblassers, andererseits willentliche Bevorzugung gewisser Personen und einen animus donandi voraus. Dies ist bei der Säule 2b ebenso wenig der Fall wie bei der Säule 2a: Wie vorstehend ausgeführt,

ist der Vorsorgenehmer faktisch zum Abschluss der überobligatorischen Vorsorge gezwungen und der Kreis der Begünstigten für den Fall seines Todes wird nicht von ihm, sondern durch das Reglement der Vorsorgeeinrichtung bezeichnet. Vor diesemHintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern der Vorsorgenehmer erbrechtliche Pflichtteile verletzen könnte, und in diesem Sinn trifft auch das von den Befürwortern der erbrechtlichen Herabsetzung vorgebrachte Argument der "kalten Enterbung" nicht zu, umso weniger als das Vorsorgekapital lebzeitig gebunden und nicht frei übertragbar ist (AEBI-MÜLLER, Begünstigung, a.a.O., S. 40; dies., ZBJV, a.a.O., S. 512). 2.7 Das Gesagte lässt es als angezeigt erscheinen, die Säule 2b in erbrechtlicher Hinsicht gleich zu behandeln wie die Säule 2a und die entsprechenden Leistungen nicht der Herabsetzung zu unterstellen. Dies gilt jedenfalls für den Normalfall, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Abschluss und Ausgestaltung der Vorsorge faktisch unfrei ist und ein Reglement in generell-abstrakter Weise die Leistungsmodalitäten sowie die Destinatäre bezeichnet. Wie es sich mit individuell ausgestalteten (RIEMER, a.a.O., S. 237) oder mit den wesentlich über die normale Vorsorge hinausgehenden (IZZO, a.a.O., S. 330 f.) Vorsorgeverträgen für höhere Kader und vor allem für Unternehmer verhält, kann vorliegend offen bleiben. Immerhin sind die Stiftungsorgane auch bei den individuellen Verträgen an den Vorsorgezweck gebunden (IZZO, a.a.O., S. 329; MOSER, a.a.O., S. 171 und 175) und müssen prüfen, ob die Prinzipien der Rechtsgleichheit, der Verhältnismässigkeit und des Willkürverbots eingehalten sind (KOLLER, recht, a.a.O., S. 24).

3. 3.1 Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eingetreten ist (Freizügigkeitsfall),

52

Page 54: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 312 (BGE_129_III_305)

Seite 313 (BGE_129_III_305)

haben Anspruch auf eine Austrittsleistung (Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1993 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [Freizügigkeitsgesetz, FZG; SR 831.42]). Kann diese nicht an eine neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden undist auch kein Barzahlungstatbestand gemäss Art. 5 FZG gegeben, muss der Vorsorgeschutz in anderer Form erhalten werden (Art. 4 Abs. 1 FZG), sei es mit einer Freizügigkeitspolice, sei es mit einem Freizügigkeitskonto (Art. 10 Abs. 1 FZV). Tritt der Versicherte wieder in ein Vorsorgeverhältnis ein, hat die Freizügigkeitseinrichtung das Vorsorgekapital an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen (Art. 4 Abs. 2bis FZG),

soweit es für die Finanzierung der Eintrittsleistung benötigt wird (Art. 13 Abs. 1 FZG). 3.2 Im Unterschied zu den Vorsorgeeinrichtungen unterliegen die Freizügigkeitseinrichtungen weder den Grundsätzen der Planmässigkeit und Angemessenheit noch dem Kollektivitätsprinzip; insofern besteht eine gewisse Nähe zur gebundenen Selbstvorsorge (BGE 122 V 320 E. 3b S. 326; KOLLER, recht, a.a.O., S. 25; REBER/MEILI, a.a.O., S. 122; IZZO, a.a.O., S. 329): Stirbt der Versicherte, bleibt das Kapital nicht bei der Freizügigkeitseinrichtung, sondern es wird an die in Art. 15 FZV kaskadenartig aufgelisteten Destinatäre ausbezahlt, zu denen in letzter Linie - vom Vorsorgegedanken her atypisch (KOLLER, recht, a.a.O., S. 25) - sämtliche gesetzlichen Erben gehören. 3.3 Freizügigkeitsguthaben beruhen jedoch, dies im Unterschied zur gebundenen Selbstvorsorge, nicht auf Freiwilligkeit; vielmehr ist die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die damit einhergehende Gebundenheit des Guthabens gesetzlich vorgesehen. Die Freizügigkeitseinrichtungen gehören denn auch zurberuflichen Vorsorge im weiteren Sinn, und Freizügigkeitspolicen bzw. -konti haben in der Regel eine blosse Überbrückungsfunktion (KOLLER, recht, a.a.O., S. 25), indem sie primär für die Finanzierung der Eintrittsleistung in die neue Vorsorgeeinrichtung bestimmt sind. Hinterlässt der Versicherte einen Ehegatten oder unmündige Kinder, aber auch andere Personen, für die er aufgekommen ist, löst sein Ableben in der Regel eine klassische Vorsorgesituation aus. Es erscheint unbillig, den bedürftig gewordenen Hinterbliebenen die Vorsorge zu entziehen, die ihnen zu Teil geworden wäre, wenn das Vorsorgekapital nicht infolge Arbeitslosigkeit des Vorsorgenehmers oder aus anderen Gründen aneine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen worden wäre. Es drängt sich deshalb auf, dieses für die Zeit, während der der Versicherte keiner Vorsorgeeinrichtung angehört, nicht anders zu behandeln, als wenn ein Vorsorgeverhältnis bestünde (GEISER, a.a.O., S. 102; AEBI-MÜLLER, Begünstigung, a.a.O., S. 41; dies., ZBJV, a.a.O., S. 513; IZZO, a.a.O., S. 333; a.M.: KOLLER, recht, a.a.O., S. 25). Es ist nicht zu übersehen, dass sich dabei Konstellationen ergeben können, die auf den ersten Blick stossend wirken. So könnte - wie im vorliegenden Fall - ein kurz vor der Volljährigkeit stehendes Kind bei einem Freizügigkeitskonto die ganze Leistung für sich beanspruchen, während seine volljährigen Geschwister leer ausgingen. Umgekehrt würde jedoch ein Kind, dasnoch über Jahre

vorsorgebedürftig ist und durch den verstorbenen Versicherten

53

Page 55: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 314 (BGE_129_III_305)

versorgt worden wäre, bei einem Freizügigkeitskonto ebenfalls (nur) die gleiche Summe erhalten. Das allenfalls stossende Moment liegt demnach nicht darin begründet, dass die Freizügigkeitsleistung am Erbrecht vorbeigeht, denn die volljährigen Geschwister könnten ja ebenso wenig Ansprüche geltend machen, wenn das Vorsorgeverhältnis des Verstorbenen noch bestünde(dazu E. 2); vielmehr ist es auf den Umstand zurückzuführen, dass sich das ausbezahlte Kapital bei den Freizügigkeitskonti und den Kapitalpolicen - im Unterschied zu den Renten bei der beruflichen Vorsorge - nicht nach der effektiven Versorgungsbedürftigkeit der Anspruchsberechtigten richtet. 3.4 Massgebend für die erbrechtliche Behandlung von Freizügigkeitsleistungen ist schliesslich, dass Art. 15 FZV die Begünstigungsfrage abschliessend regelt. Entgegen gewissen Lehrmeinungen (etwa KOLLER, Die neue Begünstigtenordnung bei Freizügigkeitspolicen und Freizügigkeitskonti, in: AJP 1995 S. 742; REBER/MEILI, a.a.O., S. 122), denen sich die Vorinstanz angeschlossen hat, beruht die entsprechende Norm auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage, und es lässt sich auch nicht von einer füllungsbedürftigen Lücke sprechen: Art. 29 Abs. 3 BVG bestimmte in der ursprünglichen Fassung vom 25. Juni 1982, dass der Vorsorgeschutz durch eine Freizügigkeitspolice oder in anderer gleichwertiger Form zu erhalten sei, wenn die Austrittsleistung weder einer neuen Vorsorgeeinrichtung überwiesen noch bei der alten belassen werden könne (AS 1983 S. 803). Der damalige Art. 29 Abs. 4 BVG ermächtigte den Bundesrat, die Errichtung, den Inhalt und die Rechtswirkungen der Freizügigkeitspolicen und der anderen Erhaltungsformen zu regeln. Gestützt auf diese Ermächtigungsnorm hat der Bundesrat am 12. November 1986 die Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit erlassen (AS 1986 S. 2008). Art. 6 Abs. 1 lit. b dieser Verordnung erklärte als Begünstigte für den Todesfall die Hinterlassenen nach Art. 18-22 BVG (Ziff. 1), die übrigen Kinder, den Witwer und die Personen, die vom Vorsorgenehmer in erheblichem Masse unterstützt worden sind (Ziff. 2) sowie die übrigen Erben (Ziff. 3). Mit dem Freizügigkeitsgesetz ist der seinerzeitige Art. 29 BVG ersatzlos aufgehoben worden (Anhang zum FZG, Ziff. 3). Dafür bestimmt nunmehr Art. 26 Abs. 1 FZG, dass der Bundesrat die Ausführungsvorschriften erlasse und die zulässigen Formen der

Erhaltung des Vorsorgeschutzes regle. Gestützt hierauf ist am 1. Januar 1995 gleichzeitig mit dem FZG die FZV in Kraft gesetzt worden, deren Art. 15 die Begünstigtenregelung von Art. 6 der früheren Verordnung - mit einer vorliegend irrelevanten Einschränkung in Ziff. 3 - übernommen hat. In der Botschaft zum FZG ist auf die alte Verordnung hingewiesen worden; diese müsse den neuen Verhältnissen angepasst werden, wobei insbesondere dieFührung der Freizügigkeitskonti durch die Auffangeinrichtung neu zu regeln sei (BBl 1992 III 602). Wenn auch die Delegationsnorm von Art. 26 Abs. 1 FZG allgemein gehalten ist, muss sie vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Freizügigkeitsrechts gelesen werden. Diese lässt keinen anderen Schluss zu, als dass der Gesetzgeber des FZG, der die Begünstigtenregelung der früheren Verordnung kannte, davon ausgehen durfte und musste, diese würde durch Überführung in die neue Verordnung gleich oder jedenfalls nicht wesentlich anders ausfallen. Indem der Gesetzgeber auf eine eigeneRegelung im FZG verzichtet hat, billigte er konkludent die seit 1987 auf Verordnungsstufe bestehende. Als dergestalt vom Gesetzgeber sanktionierte Spezialregelung geht sie den älteren undallgemeinen Bestimmungen des Erbrechts vor. Ausser Zweifel stehtschliesslich, dass die Vorschriften des FZG auf alle beruflichen Vorsorgeverhältnisse anwendbar sind und insbesondere auch den überobligatorischen Bereich umfassen (BBl 1992 III 570). Nichts anderes gilt für die vom Bundesrat erlassene FZV (Bericht der

54

Page 56: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 4

Seite 315 (BGE_129_III_305)

Arbeitsgruppe Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge, Bern 1990, S. 126 Fn. 17). 3.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Freizügigkeitsleistungen weder in den Nachlass fallen noch der erbrechtlichen Herabsetzung unterliegen.

4. Bei diesem Ergebnis wird die Frage, ob die Beklagte mit Schreiben vom 12. September 2000 ihre Ausschlagungserklärung vom 30. Mai 1997 rechtsgültig habe widerrufen können, mit Bezug auf die Freizügigkeitsleistung gegenstandslos. Sie bleibt jedoch insoweit von Bedeutung, als es um die Tragung der Erbschaftsschulden geht. 4.1 Die Vorinstanz hat diesbezüglich ausgeführt, die blossen Meinungsäusserungen der Klägerinnen hätten die massgebliche Rechtslage nicht verbindlich zu klären vermocht unddie Beklagte habe sich angesichts der kontroversen Lehre auf dievon der Freizügigkeitsstiftung vertretene Auffassung verlassen dürfen, dass das

Freizügigkeitskapital keine erbrechtliche Relevanz aufweise; erst an der Hauptverhandlung vom 29. Mai 2000 sei sie von der wahren Rechtslage in Kenntnis gesetzt worden. Gemeint ist damit offensichtlich der Vergleichsvorschlag des Kantonsgerichts Schaffhausen, der gleich lautete und gleich begründet worden ist wie schliesslich das Urteil (HV-Protokoll, p. 67 unten). Bei der Unterbreitung des Vergleichsvorschlages hat das Kantonsgericht im Übrigen ausgeführt, die Beklagte habe sich bei der Ausschlagung in einem Grundlagenirrtum befunden; die Frist für dessen Anfechtung beginne erst mit den jetzigen Erläuterungen durch das Gericht zu laufen und der Irrtum könne deshalb beim Vergleichsvorschlag berücksichtigt werden (HV-Protokoll, p. 67 oben). 4.2 Während sich die Beklagte in ihrer Berufung zur Frage der Rechtsverbindlichkeit des Widerrufs bzw. der Anfechtung nicht äussert - sie hat lediglich ein Begehren um vollständige Abweisung der Herabsetzungs- und Erbschaftsklage gestellt -, wird diese Möglichkeit von den Klägerinnen in der Berufungsantwort vehement bestritten: Zum einen handle es sich bei der Ausschlagungserklärung um ein widerrufsfeindliches Gestaltungsrecht, zum anderen sei Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR nur auf Verträge anwendbar. 4.3 Die Ausschlagungserklärung wird in der Lehre fast einhellig als prinzipiell unwiderruflich bezeichnet (EUGEN HUBER, Erläuterungen zum Vorentwurf des ZGB, Bd. I, Bern 1914, S. 441; TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 6 zu Art. 570 ZGB; ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 7 zu Art. 570 ZGB; SCHWANDER, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 566 ZGB; RUSCH, Die erbrechtlichen Gestaltungsrechte nach Eröffnung des Erbganges, Diss. Zürich 1983, S. 57). Aus rechtsdogmatischer Sicht ist dies zwingend, weil ein Gestaltungsrecht mit seiner Ausübung untergeht. Hingegen befürworten die Kommentatoren, die Ausschlagungserklärung in sinngemässer Anwendung von Art. 23 ff. OR der Anfechtung zu unterstellen (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 6 zu Art. 570 ZGB; ESCHER, a.a.O., N. 8 zu Art. 570 ZGB; SCHWANDER, a.a.O., N. 4 zu Art. 566 ZGB). Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann vorliegend offen gelassen werden: Angesichts der Kontroverse über die Frage, wie die überobligatorische Vorsorge und die Freizügigkeitsleistung erbrechtlich zu behandeln seien, musste die Beklagte über die Vor- und Nachteile der Ausschlagung abwägen. Indem sie sich für die Ausschlagung entschied, nahm sie das Risiko in Kauf, die Freizügigkeitsleistung oder jedenfalls den aus der überobligatorischen Vorsorge stammenden Teil im Klagefall herausgeben zu müssen.

55

Page 57: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 316 (BGE_129_III_305)

Wäre sie bei ihrem Entscheid einem (Rechts-)irrtum erlegen, hätte es sich somit nicht um einen Grundlagen-, sondern um einen unbeachtlichen Motivirrtum gemäss Art. 24 Abs. 2 OR gehandelt. Abgesehen davon geht der Meinungsäusserung eines erstinstanzlichenGerichts zu einer hochkontroversen Frage anlässlich der Präsentation eines unverbindlichen Vergleichsvorschlages von vornherein jede Eignung ab, einen Rechtsirrtum "aufzudecken". 4.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Ausschlagungserklärung der Beklagten vom 30. Mai 1997 weder widerruflich noch anfechtbar (gewesen) ist.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3 Erwägung 4

Seiten 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316

56

Page 58: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

126 III 171

Seite 171 (BGE_126_III_171)

Regeste

Sachverhalt

Seite 172 (BGE_126_III_171)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Februar 2000 i.S. M. A.-O. gegen L. S. (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3

Seiten 171 172 173 174 175 176

Herabsetzungspflicht nach Art. 527 Ziff. 1 ZGB. Eine Herabsetzung gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB setzt eine unentgeltliche Zuwendung im Sinn von Art. 626 Abs. 2 ZGB voraus, die den Pflichtteil eines Erben verletzt. Dabei ist an der Rechtsprechung festzuhalten, dass ein Zuwendungswille des Erblassers vorliegen muss (E. 3).

Der am 24. Oktober 1987 verstorbene Erblasser hinterliess als gesetzliche Erben seinen Sohn und seine Enkelin, welche das einzige Kind der 1985 vorverstorbenen Tochter des Erblassers ist. In seinem Testament vom 30. Juli 1987 hatte der Erblasser seine Enkelin auf den Pflichtteil gesetzt sowie u.a. verfügt, dass die zu Lebzeiten seinen beiden Kindern gemachten Schenkung nicht der Ausgleichung unterlägen. Am 13. Februar 1989 erhob die auf den Pflichtteil gesetzte Enkelin gegen ihren Onkel - den Sohn des Erblassers - Ungültigkeits- und Herabsetzungsklage. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Erblasser am 22. April 1987 seinem Sohn eine Reihe von Grundstücken massiv unter deren wirklichem Wert verkauft habe. Sowohl das Amtsgericht Luzern-Stadt als

auch das Obergericht des Kantons Luzern wiesen die Ungültigkeits- bzw. Herabsetzungsklage ab. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Aus den Erwägungen:

2.- Nach Art. 626 Abs. 2 ZGB untersteht grundsätzlich der Ausgleichungspflicht, was der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass und dergleichen

57

Page 59: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 173 (BGE_126_III_171)

Erwägung 3

zugewendet hat; von der Ausgleichung kann der Erblasser die Erben ausdrücklich dispensieren. a) Das Obergericht hat eine Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an den Beklagten sinngemäss mit der Begründung abgelehnt, dass der Erblasser den Beklagten ausdrücklich von der Pflicht zur Ausgleichung befreit habe; die Klägerin habe im kantonalen Appellationsverfahren selbst die Meinung vertreten, dass angesichts des Ausgleichungsdispenses die gesetzliche Pflicht zur Ausgleichung lebzeitiger unentgeltlicher Zuwendungen des Erblassers zwischen den Parteien nicht greifen könne. In der eidgenössischen Berufung stellt sich die Klägerin nun auf den Standpunkt, dass die Vorinstanz verbindlich festgestellt habe, dass sich der Erblasser und der Beklagte in Bezug auf die umstrittenen Grundstückgeschäfte des Missverhältnisses der Leistungen nicht bewusst gewesen seien, da die Kaufpreise nach Massgabe der Schätzung eines von den Parteien damals beigezogenen Experten festgesetzt worden seien. Ohne das Vorliegen eines Zuwendungswillens könne sich der vom Erblasser angeordnete Ausgleichungsdispens aber von Vornherein nicht auf das umstrittene Rechtsgeschäft beziehen. b) Dieser Einwand ist unbegründet. Der Erblasser ordnete einen Ausgleichungsdispens an, indem er verfügte, "dass die zahlreichen Schenkungen, die ich zu Lebzeiten meinen beiden Nachkommen [...] gemacht habe, nicht der Ausgleichspflicht unterliegen Art. 626 Abs. 2 ZGB". Der Ausgleichungsdispens bezieht sich somit nicht auf bestimmte, sondern auf "die zahlreichen Schenkungen". Der Dispens ist allgemein gehalten und kann nicht anders verstanden werden, als dass der Erblasser, was auch immer auf Grund der dispositiven Gesetzesbestimmung von Art. 626 Abs. 2 ZGB der Ausgleichung unterliegen würde, von dieser auszunehmen sei. Es ist nicht ausgeschlossen, einen Ausgleichungsdispens auch "auf Vorschuss" für den Fall des Bestehens einer Ausgleichungspflicht anzuordnen.

3.- Da eine Ausgleichung zufolge des vom Erblasser angeordneten Ausgleichungsdispenses nicht in Frage kommt, ist im Folgenden zu prüfen, wie es sich mit der Herabsetzung verhält. a) Nach Art. 527 Ziff. 1 ZGB unterliegen die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung der Herabsetzung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind. Gemäss dieser Bestimmung sind jene Zuwendungen herabzusetzen, die ihrer Natur nach gemäss Art. 626 Abs. 2 ZGB der Ausgleichung unterständen, ihr aber durch eine Verfügung des Erblassers entzogen worden sind (BGE 98 II 352 E. 3a S. 356 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung setzt die Ausgleichung bzw. Herabsetzung in objektiver Hinsicht voraus, dass eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, und in subjektiver Hinsicht, dass der Erblasser einen Zuwendungswillen (animus donandi) hat; die Parteien müssen z.B. bei einer gemischten Schenkung eine unentgeltliche Zuwendung in dem Sinn beabsichtigten, dass sie den Preis bewusst unter dem wahren Wert des Kaufgegenstandes angesetzt haben, um die Differenz dem Käufer unentgeltlich zukommen zu lassen (BGE 98 II 352 E. 3b S. 357 f. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 116 II 667 E. 3b/aa S. 674). Gestützt auf diese Rechtsprechung hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht verbindlich festgehalten, dass die Differenz zwischen dem Gesamtverkaufspreis und der Schatzung des kantonalen Schatzungsamtes unter Berücksichtigung der latenten Grundstückgewinnsteuern 28% und ohne deren Berücksichtigung 40% betragen habe, weshalb in objektiver Hinsicht von einer gemischten Schenkung auszugehen sei. In subjektiver Hinsicht verneinte das Obergericht hingegen, dass die Vertragsparteien die objektiv zu tiefen Grundstücksverkaufspreise "hätten erkennen können bzw. erkannt haben". b) Die Klägerin kritisiert diese Rechtsprechung, die das Obergericht seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Sie macht geltend, dass die Ausgleichung bzw. Herabsetzung ausschliesslich vom Vorliegen des objektiven Elementes des groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung abhänge. Ob zusätzlich dazu in subjektiver Hinsicht eine Zuwendungsabsicht vorliege, sei irrelevant. aa) Das Bundesgericht hat in seiner älteren Rechtsprechung zunächst die Frage

58

Page 60: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 174 (BGE_126_III_171)

Seite 175 (BGE_126_III_171)

aufgeworfen, aber offen gelassen, ob bei einem Geschäft mit einem Nachkommen ein grobes Missverhältnis der Leistungen zugunsten desselben für die Annahme einer herabsetzbaren und ausgleichungspflichtigen Zuwendung im Sinn von Art. 626 ZGB genüge, auch wenn das Missverhältnis beim Geschäftsabschluss

nicht erkannt worden sei (BGE 77 II 36 S. 40). Später erwog es dann aber, dass eine (teilweise) unentgeltliche Zuwendung bzw. gemischte Schenkung nur vorliege, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vom Erblasser tatsächlich erkannt worden sei; blosse Erkennbarkeit genüge nicht (BGE 98 II 352 E. 3b S. 358; bestätigt in BGE 116 II 667 E.3b/aa, wobei das subjektive Element des Bewusstseins des Missverhältnisses in diesem Fall nicht umstritten war). In seiner neusten Rechtsprechung ist das Bundesgericht von seiner Praxis nicht abgerückt; zwar wurde nur das objektive Element des Vorliegens einer unentgeltlichen Zuwendung, nicht aber das subjektive Element des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht erwähnt, doch bestand dazu auch keine Veranlassung, da die Frage des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht nicht umstritten war (BGE 120 II 417 ff.). Insbesondere deutete das Bundesgericht dadurch, dass es das subjektive Element nicht erwähnte, keineswegs an, dass es sich von dieser Voraussetzung distanziert. Ein Verzicht auf dieses Element, wie es die Klägerin verlangt, stand im Übrigen nie zur Diskussion - auch nicht im Rahmen des "obiter dictum" in BGE 77 II 36. In der Literatur wird denn auch praktisch einhellig verlangt, dass nebst der objektiven Voraussetzung des Vorliegens einer unentgeltlichen Zuwendung auch das subjektive Element das Vorliegens einer Zuwendungsabsicht gegeben sein müsse. Die Kontroverse dreht sich nicht um die Frage, ob an einer subjektiven Voraussetzung überhaupt festzuhalten sei, sondern darum, ob von einer ausgleichungspflichtigen Zuwendung bereits dann auszugehen ist, wenn der Wertunterschied für die Parteien erkennbar war, oder erst dann, wenn sich die Parteien des Wertunterschiedes zwischen Leistung und Gegenleistung auch tatsächlich bewusst waren (vgl. die Übersicht bei PAUL EITEL, Die Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen im Erbrecht, Bern 1998, S. 173 mit den Hinweisen in Fn. 164 und 166). bb) Es ist einzuräumen, dass die Ausgleichung die Gleichbehandlung und die Herabsetzung den Pflichtteilsschutz der Erben bezwecken und beide Zweckbestimmungen grundsätzlich ungeachtet des subjektiven Willens des Erblassers gewährleistet sein müssen. Dennoch besteht kein Anlass, das Erfordernis des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht als subjektive Komponente fallen zu lassen. Wenn nur das objektive Element der Zuwendung massgebend wäre, müssten streng genommen auch Kleinzuwendungen, welche das Mass von üblichen Gelegenheitsgeschenken gemäss Art. 632 ZGB übersteigen, der Ausgleichung und gegebenenfalls der Herabsetzung

unterliegen, was zu kleinlichen und unergiebigen Auseinandersetzungen unter den Erben führen könnte. Die Klägerin vertritt denn auch unter Hinweis auf den von ihr als Privatgutachter beigezogenen Professor Druey die Auffassung, dass unentgeltliche Zuwendungen der Ausgleichung bzw. Herabsetzung nur dann unterlägen, wenn in objektiver Hinsicht zwischen Leistung und Gegenleistung ein erheblicher Wertunterschied bestehe. Wo indessen im konkreten Einzelfall unter rein objektiven Gesichtspunkten die Grenze zwischen einer Kleinzuwendung und einer ausgleichungspflichtigen Grosszuwendung zu ziehen wäre, kann kaum generell festgelegt werden, was auch vom Privatgutachter eingeräumt wird. Würde diese Grenze tief angesetzt, würde aus dem "wohlfeilen" Kauf ein ausgleichungspflichtiges Geschäft; würde sie hoch angesetzt, unterlägen Verfügungen trotz erheblichen Missverhältnisses und Schenkungsabsicht keiner Ausgleichung bzw. Herabsetzung. Hingegen lassen sich die entgeltlichen - evtl. aber nicht ganz äquivalenten - Verfügungen von den unentgeltlichen und damit auszugleichenden bzw. herabzusetzenden Verfügungen in sinnvoller Weise dadurch abgrenzen, dass nebst der objektiven Voraussetzung einer unentgeltlichen Zuwendung auch die subjektive Voraussetzung der Zuwendungsabsicht gefordert wird: Wenn bei einem Rechtsgeschäft, das unter objektiven Gesichtspunkten als

59

Page 61: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 176 (BGE_126_III_171)

Grenzfall zu betrachten ist, eine Zuwendungsabsicht zu bejahen ist, erweist es sich als ausgleichungspflichtig und gegebenenfalls als herabsetzbar; umgekehrt stellen sich die erwähnten heiklen Abgrenzungsfragen nicht, wenn es ohnehin an der Zuwendungsabsicht fehlt. Dies alles spricht dafür, am Erfordernis einer subjektiven Komponente für die Ausgleichungs- und Herabsetzungspflicht festzuhalten. cc) Eine andere Frage ist, ob den Parteien in subjektiver Hinsicht die Zuwendungsabsicht tatsächlich bewusst sein musste, oder ob vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzung bereits dann auszugehen ist, wenn die Zuwendungsabsicht erkennbar gewesen wäre, was bei einem grobem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu vermuten wäre. Das Bundesgericht hat bereits in BGE 98 II 352 ff. erkannt, dass unbefriedigende Ergebnisse auftreten können, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung für den Erblasser nicht bloss erkennbar, sondern von diesem auch tatsächlich erkannt worden sein muss; in der Folge wurde dann aber ohne nähere Begründung ausgeführt, "dass sich eine andere Lösung trotzdem nicht rechtfertigen" lasse (E. 3b a.E., S. 359). An dieser Rechtsprechung wurde von namhaften

Autoren Kritik geübt, so dass es sich rechtfertigt, bei Gelegenheit darauf einzugehen. Im vorliegenden Fall besteht dazu indessen kein Anlass, weil unabhängig davon, ob tatsächliches Bewusstsein gefordert wird oder blosse Erkennbarkeit genügen soll, die Berufung auf jeden Fall unbegründet wäre. Das Obergericht hat aufgrund umfangreicher Beweiserhebungen für das Bundesgericht verbindlich festgehalten, dass das Vorliegen eines Schenkungswillens ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung schliesst nicht nur aus, dass die Parteien die Unentgeltlichkeit tatsächlich erkannt haben, sondern spricht auch dagegen, dass sie wenigstens erkennbar gewesen sein soll, zumal sich die Parteien nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bei der Preisgestaltung auf einen, wie die Vorinstanz feststellte, unabhängigen Schatzungsexperten abgestützt haben. Dieser besondere Umstand wäre geeignet, die Vermutung der Erkennbarkeit ausnahmsweise trotz eines erheblichen Missverhältnisses umzustossen.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3

Seiten 171 172 173 174 175 176

60

Page 62: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

97

I. EINLEITUNG ZUM ZGB

TITRE PRÉLIMINAIRE DU CC

TITOLO PRELIMINARE DEL CC

Siehe S. 112 -- Voir p. 112 -- Vedi pag. 112

II. ERBRECHT

DROIT DES SUCCESSIONS

DIRITTO SUCCESSORIO

14. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilungi.S. X. gegen Z. (Beschwerde in Zivilsachen)

5A_289/2008 vom 4. Dezember 2008

Art. 530 i.V.m. Art. 533 Abs. 3 ZGB; einredeweise Geltendmachung desHerabsetzungsanspruchs bei einem Rentenlegat; Untergang des Herab-setzungsanspruchs durch Verzicht.

Ein Erbe kann sich gemäss Art. 530 i.V.m. Art. 533 Abs. 3 ZGB einrede-weise gegen eine pflichtteilsverletzende Rentenbelastung wehren. DieEinrede steht ihm jedoch nicht zu, wenn er auf seinen Herabsetzungsan-spruch verzichtet hat (E. 3).

Leistet der rentenbelastete Erbe jahrelang in Kenntnis aller zur Begründungseines Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente vorbehaltlos Zah-lungen an die Rentenbegünstigte, muss dieses Verhalten als konkluden-ter Verzicht auf die Geltendmachung des Herabsetzungsanspruchs ge-wertet werden (E. 3.2).

Art. 530 en relation avec l'art. 533 al. 3 CC; exercice du droit à réductionpar voie d'exception dans le cas d'une libéralité de rente; perte du droità la réduction par renonciation.

Un héritier peut, conformément à l'art. 530 en relation avec l'art. 533 al. 3CC, s'opposer par voie d'exception à la charge d'une rente qui lèse sa ré-

7 AS 135 III - 2009

61

Page 63: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

98 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

serve. Il ne dispose cependant pas de cette exception s'il a renoncé à sondroit à la réduction (consid. 3).

Si, en connaissance de tous les éléments essentiels fondant son droit à laréduction, l'héritier chargé d'acquitter la libéralité de rente effectue des ver-sements au bénéficiaire de celle-ci durant des années sans faire de ré-serve, son comportement doit s'apprécier comme un acte concluant de re-nonciation à l'exercice de son droit à la réduction (consid. 3.2).

Art. 530 in relazione con l'art. 533 cpv. 3 CC; diritto alla riduzione oppostoin via di eccezione nel caso di un legato che prevede il versamento di unarendita; estinzione del diritto alla riduzione in seguito a rinuncia.

Giusta l'art. 530 in relazione con l'art. 533 cpv. 3 CC, un erede può opporsiin via d'eccezione all'onere causato da una rendita che lede la sua legit-tima. Egli non dispone però di tale eccezione se ha rinunciato al suo di-ritto alla riduzione (consid. 3).

Se, pur a conoscenza di tutti gli elementi essenziali costitutivi del suo dirit-to alla riduzione, l'erede gravato dalla rendita effettua per anni senza ri-serve pagamenti alla beneficiaria della rendita, il suo comportamentodev'essere considerato una rinuncia per atti concludenti all'esercizio deldiritto alla riduzione (consid. 3.2).

A.A.a Y. verstarb 1985. Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Lebens-partnerin W. zusammen. Als Erben hat Y. seine beiden Kinder R.und Z. hinterlassen.

A.b Y. hatte am 16. Juli 1982 ein öffentliches Testament mit fol-gendem Wortlaut errichten lassen:

"[...]

Art. 3

Meine Erben haben W. vom Tage meines Ablebens hinweg je eine le-benslängliche vorschüssige Rente auszurichten, nämlich

a) R. bezahlt monatlich einen Betrag von Fr. 2'700.-.

b) Z. bezahlt monatlich einen Betrag von Fr. 2'900.-.

[...]"

Am 24. Februar 1984 errichtete Y. im Sinne eines Nachtrags einweiteres öffentliches Testament. Darin änderte er die in Art. 3 desTestaments vom 16. Juli 1982 festgesetzten Rentenbeträge zuguns-ten von W. dahingehend ab, dass er die monatliche Rentenzahlungseiner Tochter R. auf Fr. 2'500.- und diejenige seines Sohnes Z.auf Fr. 3'000.- festsetzte.

B.B.a Nachdem Z. in der Zeit von März 1985 bis Ende Dezember2005 seiner Rentenzahlungspflicht gegenüber W. nachgekommen

62

Page 64: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 135 III 97 99

war und ihr in 249 Renten einen Betrag von Fr. 747'000.- bezahlthatte, stellte er per Januar 2006 die Rentenzahlung ein.

B.b Im März 2006 leitete W. gegen Z. für die seit Januar 2006ausstehenden Rentenzahlungen die Betreibung ein, worauf dieserRechtsvorschlag erhob.

Mit Klage vom 9. Oktober 2006 beantragte W., Z. sei zu verpflich-ten, ihr eine Rente von Fr. 3'000.- für die Zeit vom 1. Januar 2006bis zu ihrem Ableben zu bezahlen, nebst Verzugszins von 5 %. Wei-ter verlangte sie die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in derBetreibung Nr. x des Betreibungsamtes A.

Der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VII Bern-Laupen hiessdiese Klage am 29. März 2007 gut und erteilte die definitive Rechts-öffnung.

B.c Am 31. März 2007, zwei Tage nach der erstinstanzlichen Ver-handlung, verstarb W. Sie hinterliess ihren Sohn X. als einzigengesetzlichen Erben.

B.d Mit Eingabe vom 2. April 2007 erklärte Z. Appellation beimObergericht des Kantons Bern und verlangte die Abweisung derKlage.

Mit Urteil vom 12. März 2008 wies das Obergericht die Klage ab.

C. X. (fortan: Beschwerdeführer) ist am 30. April 2008 mit Be-schwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht gelangt. Er verlangt dieAufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Verurteilung vonZ. (fortan: Beschwerdegegner) zur Bezahlung von Fr. 45'000.- nebstVerzugszins von 5 % auf Fr. 39'000.- seit 5. September 2006 bisMärz 2007 bzw. auf Fr. 45'000.- seit 1. April 2007. Weiter verlangter die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung in der BetreibungNr. x des Betreibungsamtes A.

Die II. zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Ange-legenheit am 4. Dezember 2008 an einer öffentlichen Sitzung be-raten und die Beschwerde gutgeheissen.

Aus den Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer verlangt vom Beschwerdegegner, gestütztauf das öffentliche Testament vom 16. Juli 1982 und die Ergänzungvom 24. Februar 1984, monatliche Rentenleistungen für die Zeit vonJanuar 2006 bis zum Ableben von W. Der Beschwerdegegner möch-

63

Page 65: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

100 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

te sich von zukünftigen Rentenverpflichtungen befreien, indem ereine Verletzung seines Pflichtteils geltend macht und einredewei-se eine Herabsetzung der Rente gemäss Art. 530 i.V.m. Art. 533Abs. 3 ZGB verlangt. Vor Bundesgericht ist streitig, ob dem Be-schwerdegegner nach jahrelanger Rentenzahlung die Herabsetzungs-einrede noch zusteht.

2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 530 undArt. 533 Abs. 3 ZGB und bringt vor, dass die einredeweise Geltend-machung des Herabsetzungsanspruchs nicht mehr zulässig sei.

Zur Begründung seiner Rüge führt er insbesondere aus, der Be-schwerdegegner habe während rund 20 Jahren die monatliche Renteausgerichtet und mit der Zahlung in der testamentarisch verfügtenHöhe die Erbschaftsbelastung durch den entsprechenden Kapital-wert des Rentenlegats anerkannt. Der Beschwerdegegner könne da-her nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Leistungen wieder auf ih-re Pflichtteilsverletzung hinterfragen. Würde man nach jahrelangerZahlung die Möglichkeit der einredeweisen Geltendmachung zulas-sen, so fände ein unwürdiges Spiel rechtlichen Schutz. Der belas-tete Erbe könnte nämlich vorläufig seine Rentenzahlung aufnehmenund abwarten, ob die begünstigte Person rasch stirbt. Würde die be-günstigte Person doch lange leben, könnte nach Jahren die Herab-setzungseinrede erhoben werden und der Rentengläubiger würdevon einem Monat zum anderen den Rentenzufluss verlieren, der fürseine Lebensgestaltung massgeblich sein könne. Dieses Resultat ha-be der Gesetzgeber nicht gewollt.

2.2 Das Obergericht und der Beschwerdegegner teilen die Auffas-sung, dass die Herabsetzung im Rahmen von Art. 533 Abs. 3 ZGBjederzeit zulässig sein müsse, da dieses Recht nicht verwirkbar sei.Hinweise darauf, dass die jederzeitige Herabsetzungseinrede, wievom Beschwerdeführer behauptet, im Falle von Art. 530 ZGB nichtzulässig sein sollte, seien weder dem Gesetz noch der Literatur zuentnehmen.

3. Gemäss Art. 530 ZGB können die Erben die verhältnismässigeHerabsetzung einer Rente oder, unter Überlassung des verfügbarenTeils der Erbschaft an den Rentengläubiger, deren Ablösung verlan-gen, wenn der Kapitalwert der Rente nach der mutmasslichen Dauerder Leistungspflicht den verfügbaren Teil der Erbschaft übersteigt.Auch ein einzelner Erbe, der durch die Rente übermässig belastetwird, kann sich unter Preisgabe der ihm gegenüber verfügbaren

64

Page 66: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 135 III 97 101

Quote von der Last befreien oder eine Herabsetzung der Leistungenverlangen (ARNOLD ESCHER, Das Erbrecht, Kommentar zum Schwei-zerischen Zivilgesetzbuch, Bd. III, 3. Aufl. 1959, N. 10 zu Art. 530ZGB).

Die Herabsetzungsklage des in seinen Pflichtteilsrechten verletz-ten Erben verjährt gemäss Art. 533 Abs. 1 ZGB mit Ablauf einesJahres seit Kenntnis der Pflichtteilsverletzung, längstens aber nachAblauf von 10 Jahren seit der Eröffnung der letztwilligen Verfü-gung. Hingegen kann nach Art. 533 Abs. 3 ZGB der Herabsetzungs-anspruch einredeweise jederzeit geltend gemacht werden, solangeder Erbe Besitz an der Erbschaft hat. Der übergangene Erbe wirdsomit von der Pflicht, Herabsetzungsklage zu erheben, befreit (BGE98 II 176 E. 10 S. 181; FORNI/PIATTI, in: Basler Kommentar, Zivilge-setzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 534 ZGB).

Das Gesetz gewährt dem rentenbelasteten Erben demnach verschie-dene Möglichkeiten, sich gegen eine Pflichtteilsverletzung zu weh-ren. Er kann eine Herabsetzungsklage erheben und damit entwederdie Ablösung der Rente oder die Herabsetzung der einzelnen An-sprüche verlangen oder sich entschliessen, die Rente nicht zu be-zahlen und die Herabsetzung mittels Einrede geltend zu machen,wenn er später zur Zahlung aufgefordert wird. Von der Geltendma-chung der Herabsetzung wäre der rentenbelastete Erbe nur dannausgeschlossen, wenn der Anspruch gemäss Art. 533 ZGB verwirktoder durch Verzicht untergegangen wäre.

3.1 Von einer Verwirkung kann vorliegend jedenfalls nicht die Re-de sein. Da die Herabsetzung gegenüber einer Klage auf Vollzie-hung der das Pflichtteilsrecht verletzenden Testamentsbestimmun-gen angerufen wird, wird sie vom Beschwerdegegner einredeweisegeltend gemacht, was nach Art. 533 Abs. 3 ZGB jederzeit möglichist. Bleibt zu prüfen, ob der Herabsetzungsanspruch durch Verzichtuntergegangen ist.

3.2 Ein Verzicht auf die Geltendmachung des Herabsetzungsan-spruchs ist nach dem Eintritt des Erbgangs durch einseitige, form-lose Erklärung gegenüber dem Gläubiger rechtlich möglich. Alleindurch passives Verhalten kommt es grundsätzlich nicht zu einemVerzicht, jedoch kann dieser auch stillschweigend (konkludent) er-folgen (BGE 108 II 288 E. 3a S. 293).

3.2.1 Auf die Herabsetzungsklage hat der Beschwerdegegner da-durch verzichtet, dass er die Klagefrist von Art. 533 Abs. 1 ZGB

65

Page 67: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

102 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

verstreichen liess, ohne Klage zu erheben. Aus diesem Umstand kannaber noch nicht ein endgültiger Verzicht auf den Herabsetzungsan-spruch abgeleitet werden, weil immer noch die Möglichkeit dereinredeweisen Geltendmachung der Herabsetzung bestanden hätte.

3.2.2 Den Akten kann nicht entnommen werden, dass der Beschwer-degegner gegenüber der Rentenbegünstigten, W., je ausdrücklichauf die Herabsetzungseinrede verzichtet hätte. Hingegen bleibt zuprüfen, ob aus dem Umstand der jahrelangen Rentenzahlung auf ei-nen stillschweigenden Verzicht geschlossen werden kann.

Die Annahme eines stillschweigenden Verzichts setzt voraus, dassdem Erben die wesentlichen Elemente zur Begründung des Herab-setzungsanspruchs bekannt waren und dass seine Erklärung gegen-über der begünstigten Person hinreichend kundgetan wurde (BGE108 II 288 E. 3 S. 292 ff.).

Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, die zur Begründungseines Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente damals nichtgekannt zu haben. Das angefochtene Urteil äussert sich dazu zwarnicht ausdrücklich, jedoch ergeben sich die entsprechenden Faktenohne weiteres daraus: Am 9. Februar 1985 verstarb Y. Am 20. Feb-ruar 1985 eröffnete die Stadtkanzlei die Testamente. Das Steuerin-ventar datiert vom 24. März 1986. Aus diesem sind die Bestandteiledes Nachlasses und ihre (steuerlich massgebende) Bewertung er-sichtlich. Es darf unter diesen Umständen angenommen werden, dassder Beschwerdegegner nach der Eröffnung des Erbgangs über diezur Begründung eines Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Ele-mente, namentlich auch über die Informationen zur Ermittlung desKapitalwerts der Rente nach der mutmasslichen Dauer der Leistungs-pflicht, verfügte. Er konnte daher die Vermögenslage genügend ein-schätzen und musste zumindest davon ausgehen, dass sein Pflicht-teil durch die testamentarischen Anordnungen, insbesondere durchdas Rentenlegat, mit grosser Wahrscheinlichkeit verletzt sein könnte.

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass der Beschwerdegegnervon März 1985 bis Ende Dezember 2005 seiner monatlichen Ren-tenzahlungspflicht gegenüber W. nachgekommen ist und ihr in 249Renten einen Betrag von Fr. 747'000.- bezahlt hat. Erst Ende De-zember 2005 hat er kundgegeben, dass er inskünftig keine weiterenRenten bezahlen werde, da sein Pflichtteil verletzt sei. Somit rich-tete der Beschwerdegegner während 20 Jahren Renten aus, obwohler von den zur Begründung seines Herabsetzungsanspruchs wesent-

66

Page 68: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Sachenrecht – 135 III 103 103

lichen Elementen Kenntnis hatte bzw. mit einer Pflichtteilsverlet-zung ernsthaft rechnen musste. Dass sich der Beschwerdegegnerjemals gegenüber der Rentenempfängerin in dem Sinne geäusserthätte, die Renten nur vorläufig, provisorisch oder unter Vorbehaltder späteren Herabsetzung zu bezahlen, wird nirgends festgestelltund vom Beschwerdegegner auch nicht geltend gemacht. Hat derBeschwerdegegner aber in Kenntnis der für die Geltendmachungdes Herabsetzungsanspruchs wesentlichen Elemente die Rente jah-relang vorbehaltlos ausgerichtet, hat er die testamentarischen An-ordnungen des Erblassers durch konkludentes Handeln anerkanntund auf den Herabsetzungsanspruch verzichtet. Auch die Renten-begünstigte durfte aufgrund der vorbehaltlosen regelmässigen Zah-lungen damit rechnen, bis an ihr Lebensende eine Rente zu erhalten.Sie hat ihre Lebensgestaltung entsprechend danach ausgerichtet undist in ihrem berechtigten Vertrauen auf den Rentenzufluss zu schüt-zen.

Nach dem Gesagten muss die jahrelange vorbehaltlose Rentenaus-richtung an die Begünstigte in Kenntnis aller Umstände als ein still-schweigender (konkludenter) Verzicht auf die Geltendmachung desHerabsetzungsanspruchs gewertet werden, weshalb dieser heuteauch nicht mehr einredeweise geltend gemacht werden kann.

III. SACHENRECHT

DROITS RÉELS

DIRITTI REALI

15. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilungi.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde-

und Kirchendirektion des Kantons Bern(Beschwerde in Zivilsachen)

5A_614/2008 vom 26. November 2008

Zustimmung des Grundeigentümers zur Übertragung eines selbständigenund dauernden Baurechts.

Gegenstand der Beschwerde; Zuständigkeit des Zivilgerichts im konkre-ten Fall zur Überprüfung der Voraussetzungen für die Übertragung einesselbständigen und dauernden Baurechts (E. 2).

67

Page 69: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

305

I. ERBRECHT

DROIT DES SUCCESSIONS

DIRITTO SUCCESSORIO

46. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S.B.X. gegen C.Y.-X. und D.Z.-X. (Beschwerde in Zivilsachen)

5A_536/2009 vom 3. März 2010

Herabsetzung bei Verfügungen unter Lebenden (Art. 522 Abs. 1 und Art. 527 ZGB).

Hat der Erblasser einzelnen seiner Nachkommen Darlehen gewährt mit der ausdrücklichen Erklärung, diese seien nicht zu verzinsen, ist in dieser Un-entgeltlichkeit keine der Herabsetzung unterliegende Zuwendung im Sin-ne von Art. 527 Abs. 1 ZGB zu erblicken (E. 3).

Réduction de libéralités entre vifs (art. 522 al. 1 et art. 527 CC).Lorsque le défunt a accordé à certains de ses descendants des prêts, en men-

tionnant expressément qu'ils ne portent pas intérêts, cette gratuité ne consti-tue pas une libéralité sujette à réduction au sens de l'art. 527 al. 1 CC (consid. 3).

Riduzione di disposizioni fra vivi (art. 522 cpv. 1 e art. 527 CC).Se il de cuius ha concesso a determinati discendenti mutui dichiarando e-

spressamente che essi non producono interessi, questa gratuità non co-stituisce una liberalità soggetta a riduzione nel senso dell'art. 527 cpv. 1 CC (consid. 3).

C.Y.-X., B.X. und D.Z.-X. sind die Kinder der Eheleute E.X. und F.X.-R. E.X. verstarb im März 1993 und F.X.-R. (im Folgenden: Erblasserin) im März 2002.

Mit Vertrag vom 7. April 1989 hatte die Erblasserin den beiden Töch-tern C.Y.-X. und D.Z.-X. zum Preis von Fr. 870'000.- ein Grund-stück verkauft. Für den Teilbetrag von Fr. 370'000.- hatte sie den Käuferinnen ein unverzinsliches Darlehen, fällig bei ihrem Ableben, gewährt. Für ein weiteres den Töchtern verkauftes Grundstück wurde

20 AS 136 III - 2010

68

Page 70: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

306 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

gemäss Vertrag vom 12. Dezember 1989 ein Preis von Fr. 69'030.- vereinbart, wofür die Erblasserin (für den ganzen Betrag) wiederum ein unverzinsliches Darlehen gewährte, das mit ihrem Ableben fäl-lig werden sollte. Durch einen zweiten Vertrag vom 12. Dezember 1989 verkaufte die Erblasserin ihren Töchtern ein drittes Grund-stück, wobei diese zur Tilgung des Kaufpreises von Fr. 1'254'860.- von der Erblasserin abermals ein unverzinsliches Darlehen, fällig im Zeitpunkt ihres Todes, gewährt erhielten. Insgesamt hatte die Erblasserin C.Y.-X. und D.Z.-X. somit unverzinsliche Darlehen in der Höhe von Fr. 1'693'890.- ausgerichtet.

B.X. erhob mit Eingabe vom 27. März 2003 beim Kantonsgericht des Kantons Zug Klage gegen seine beiden Schwestern C.Y.-X. und D.Z.-X. und verlangte, den Nachlass der Mutter und seinen Erbteil daran festzustellen; zur Nachlassmasse seien sämtliche lebzeitigen Zuwendungen der Erblasserin an C.Y.-X. und D.Z.-X. und deren Ehemänner und Kinder hinzuzurechnen.

In teilweiser Gutheissung der Klage stellte das Kantonsgericht mit Ur-teil vom 23. April 2008 fest, dass der strittige Nachlass Fr. 3'943'241.45 betrage und B.X. als pflichtteilsberechtigtem Erben ein Anteil von Fr. 985'810.35 zustehe. Bei der Ermittlung des als Nachlass festge-stellten Betrags berücksichtigte das Kantonsgericht unter anderem Zinsen (von 5 %) auf den den Töchtern im Zusammenhang mit den Grundstückkäufen gewährten Darlehen.

C.Y.-X. und D.Z.-X. gelangten an das Obergericht (Zivilrechtliche Abteilung), das am 9. Juni 2009 die Berufung teilweise guthiess und feststellte, dass der Nachlass Fr. 2'888'724.95 und der Pflichtteil von B.X. Fr. 722'181.25 betrügen. Das Obergericht reduzierte den von der ersten Instanz errechneten Betrag mit der Begründung, für die C.Y.-X. und D.Z.-X. gewährten Darlehen seien keine Zinsen zu ver-anschlagen.

Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 17. August 2009 beantragt B.X. unter anderem, festzustellen, dass der Wert des mütterlichen Nach-lasses Fr. 3'513'181.60, zuzüglich Verzugszinsen von 5 % auf den von der Erblasserin den Miterbinnen gewährten Darlehen von ins-gesamt Fr. 1'693'890.- seit 27. März 2003, betrage.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf ein-tritt.

(Zusammenfassung)

69

Page 71: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 305 307

Aus den Erwägungen:

3. Falls der Erblasser seine Verfügungsbefugnis überschritten hat, können die Erben, die nicht dem Werte nach ihren Pflichtteil erhal-ten, die Herabsetzung der Verfügung auf das erlaubte Mass verlan-gen (Art. 522 Abs. 1 ZGB). Wie die Verfügungen von Todes wegen unterliegen nach Art. 527 ZGB der Herabsetzung unter anderem die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Aus-stattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind (Ziff. 1), sowie die Entäusserung von Vermögens-werten, die der Erblasser offenbar zum Zweck der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat (Ziff. 4).

3.1 Unter "Zuwendung" kann in einem obligationenrechtlichen Sinn jede Handlung verstanden werden, durch die eine Person einer an-deren einen Vermögensvorteil verschafft. Die Zuwendung kann sich aus einem Vermögensopfer oder aus einer Arbeitsleistung ergeben (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligatio-nenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 198 f.). In Art. 527 Ziff. 1 ZGB wird ausdrücklich (nur) der Begriff "Vermögensabtretung" verwen-det. Es rechtfertigt sich unter diesen Umständen, der erbrechtlichen Herabsetzung einzig Tatbestände zu unterstellen, die auf einem Vermögensopfer beruhen. Die Zuwendung besteht entweder in der Übertragung eines Rechts oder im Verzicht auf ein solches. Rein wirtschaftlich betrachtet, kann der Verzicht auf das Entstehen eines Rechts – wie etwa auf Zinse – zum gleichen Ergebnis führen wie der Verzicht auf ein Recht. Das bedeutet jedoch nicht schon, dass die beiden Tatbestände aus erbrechtlicher Sicht gleich zu behandeln wä-ren. So ist darauf hinzuweisen, dass beispielsweise bei der mit der Herabsetzung verwandten Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) der Be-trag sich nach der Natur der Zuwendung bemisst: Bei einem Geld-betrag in Landeswährung bleibt es beim Nominalwert und ist genau der zugewendete Betrag zum Nachlass hinzuzurechnen, unabhän-gig davon, wie der Empfänger das Geld angelegt hat. Demgegenüber trägt der Empfänger im Falle der Zuwendung eines Gegenstandes oder eines bestimmten Rechts in dem Sinne Nutzen und Gefahr von Wertschwankungen, dass bei einer Wertsteigerung der höhere Wert, bei einer Verminderung lediglich der niedrigere Wert zu berücksich-tigen ist (Urteil des Bundesgerichts 5A_477/2008 vom 11. August 2009 E. 4; vgl. auch PETER WEIMAR, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 36 f. zu Art. 475 ZGB). Das schweizerische Erbrecht kennt mit-

70

Page 72: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

308 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

hin nicht eine absolute Gleichstellung der Erben. Erfasst werden auch bei der Herabsetzung zur Absicherung der Pflichtteile grund-sätzlich nur bestimmte lebzeitige Vorgänge, und es ist deshalb ange-bracht, nur eigentliche Entäusserungen Art. 527 Ziff. 1 bis 3 ZGB zu unterstellen.

3.2 3.2.1 Der wirtschaftliche Vorteil, den die Beschwerdegegnerinnen aus den ihnen in Verbindung mit den Grundstückkäufen gewährten Darlehen gezogen haben, geht nicht darauf zurück, dass die Erblas-serin auf ein Recht verzichtet hätte: Wie auch das Obergericht fest-hält, bestimmt Art. 313 Abs. 1 OR, Darlehen seien im gewöhnlichen Verkehr nur dann verzinslich, wenn es so verabredet sei. Zins ist in diesen Fällen mit anderen Worten keine gesetzliche Folge des Dar-lehens und bedarf einer vertraglichen Abmachung. Aus der ange-führten Bestimmung ergibt sich zudem, dass Unentgeltlichkeit zu vermuten ist (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2003, N. 6 zu Art. 313 OR).

3.2.2 Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz wurde für die fraglichen Darlehen von Anfang an ausdrücklich die Unent-geltlichkeit vereinbart. Es ist demnach nicht so, dass die Erblasse-rin mit einer entsprechenden Vereinbarung zunächst einen Anspruch auf Zinsen erworben hätte, auf deren Einforderung sie nachträglich verzichtet hätte. Die Erblasserin hat einen Zinsanspruch vielmehr gar nicht erst entstehen lassen. Insoweit ist nach dem Gesagten kei-ne Zuwendung im Sinne des Herabsetzungstatbestands von Art. 527 Abs. 1 ZGB vorhanden, die zu einer Hinzurechnung eines über die Nominalsummen der Darlehen hinausgehenden Betrags führen wür-de.

3.2.3 Den Darlegungen des Obergerichts zur Höhe bzw. zum Cha-rakter von Darlehenszinsen, die einzusetzen seien, ist nach dem Aus-geführten die Grundlage entzogen. Die vorinstanzliche Auffassung zu diesem Punkt ist daher nicht näher zu erörtern. Festgehalten sei lediglich, dass das Obergericht verkennt, dass das unentgeltliche Einräumen von Vorteilen – unabhängig von deren wirtschaftlicher Bedeutung – für sich allein noch keine Zuwendung im hier einschlä-gigen Sinne darstellt.

3.3 Sodann widerspricht der Beschwerdeführer der vorinstanzlichen Feststellung, die Erblasserin habe keine verpönten Entäusserungs-absichten gehabt: Mit den unentgeltlichen Zuwendungen an die Be-

71

Page 73: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 305 309

schwerdegegnerinnen in Form von Zinsausfall habe die Erblasserin sich ihres Vermögens offensichtlich zum Zweck der Umgehung der Verfügungsbeschränkung, d.h. zur Schmälerung seines Pflicht-teils, entäussert; die strittige Zuwendung sei daher auch gestützt auf Art. 527 Ziff. 4 ZGB herabzusetzen.

Die Absicht einer Person lässt sich unmittelbar nur durch deren Aus-sagen und daneben bloss durch Schlussfolgerungen aus dem äusse-ren Verhalten der fraglichen Person und aus den äusseren Gegeben-heiten, die auf sie eingewirkt haben, ermitteln. Es geht mithin um eine Frage tatsächlicher Natur (vgl. BGE 134 III 452 E. 4.1 S. 456). Was der Beschwerdeführer zu den Umständen der strittigen Zuwen-dungen vorträgt, ist rein appellatorischer Natur und deshalb nicht ge-eignet, die obergerichtliche Annahme, die Erblasserin habe keine Absicht gehabt, den Beschwerdegegnerinnen einen unentgeltlichen Vorteil zu verschaffen und ihn zu schädigen, als willkürlich erschei-nen zu lassen. Damit ist durch den Verzicht der Erblasserin auf Dar-lehenszinsen auch der Herabsetzungstatbestand von Art. 527 Ziff. 4 ZGB nicht erfüllt.

72

Page 74: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

124 III 5

Seite 5 (BGE_124_III_5)

Regeste

Sachverhalt

Seite 6 (BGE_124_III_5)

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1997 i.S. Rosa X. gegen Reto R. (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2 Erwägung 3 Erwägung 4

Seiten 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Art. 8, 9, 467, 499 ff. und 519 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Gültigkeit eines öffentlich beurkundeten Testamentes. Zusammenfassung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Testierfähigkeit (vgl. BGE 117 II 231 ff.); diese gelten auch in bezug auf ein öffentlich beurkundetes Testament (E. 1). Fall einer Erblasserin, die angesichts ihres allgemeinen Gesundheitszustandes und des teilweise schwer nachvollziehbaren Testamentsinhalts im massgebenden Zeitpunkt hinsichtlich der Errichtung eines Testamentes wahrscheinlich nicht mehr verfügungsfähig war. Die Vermutung der Testierfähigkeit gilt daher nicht, doch steht der Gegenbeweis offen, dass die Erblasserin in einem luziden Intervall gehandelt hat (E. 4).

A.- Am 24. Dezember 1993 verstarb die am 2. Februar 1903 geborene Maria X. Als einzige gesetzliche Erbin hinterliess sie ihre ledige Schwester Rosa X. Ein von Maria X. am 5. September 1974 verfasstes eigenhändiges Testament enthält u.a. folgende Anordnung: "Sollte ich vor meiner Schwester sterben, so verfüge ich, dass sie meinen Wohnhausanteil samt Umschwung auf Anrechnung an ihren Pflichtteil erhalten soll, auch wenn der Wert ihren Pflichtteil übersteigen sollte.

Mein Bar und Wertschriften Vermögen soll indessen zu gleichen Teilen nach Abzug der Todesfallkosten an folgende Institutionen ausgerichtet werden: 1. für die Kirchenrenovation in [...] 2. Pater W. Ostpriesterhilfe 3. Das Spital [...] 4. Das Spital [...] ..." Im Jahr 1979 verliess Maria X. das gemeinsam mit ihrer Schwester bewohnte Haus und zog in eine Wohnung in eine andere Gemeinde. Am 14. Juli 1980 verfasste Maria X. einen Nachtrag zu ihrem Testament vom 5. September 1974. Abgesehen von der Bestätigung der Gültigkeit ihres früheren Testamentes ordnete sie was folgt an:

73

Page 75: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 7 (BGE_124_III_5)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

"... Bei meinem Tode sollen zu meinem Seelenheil 30 hl. Messen eine (Gregoriana) gelesen werden. Das Pfarramt in L. soll dafür sorgen, dass die Messen gelesen werden." B.- Am 11. November 1985 erlitt Maria X. einen Hirnschlag. Nach einem Spital- und Erholungsaufenthalt kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Am 12. Januar 1989 wurde Maria X. von der Pro Senectute, von der sie während des letzten halben Jahres stundenweise in der Haushaltsarbeit unterstützt worden war, in ein Altersheim verbracht. Nachdem sie am 13. Januar 1989 von dort davongelaufen war, wurde sie durch den Hausarzt wegen nächtlicher Verwirrung, Agitiertheit und daraus abgeleiteter Selbstgefährdung in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. Am 25. Februar 1989 wurde sie von der zuständigen Vormundschaftsbehörde auf eigenes Begehren verbeiständet; zum Beistand wurde Reto R. bestellt. Am 23. März 1989 fand zwischen Maria X. und dem Notar P. eine Besprechung im Hinblick auf ein öffentlich zu beurkundendes Testament statt, und am 5. April 1989 wurde im Büro des Notars eine öffentliche letztwillige Verfügung mit folgendem Wortlaut errichtet: I. Meine einzige derzeit noch lebende gesetzliche Erbin, nämlich meine Schwester Rosa X. ist gemäss geltendem Erbrecht nicht pflichtteilsgeschützt. Ich verweise auf Art. 471 ZGB. Es ist deshalb mein letzter Wille, dass meiner Schwester aus meinem Nachlass aus Erbrecht nichts zukommt. II. Ich wünsche ausdrücklich meine Beerdigung in [...]. III. Als Alleinerben setze ich Herrn Reto R.[...] ein.

IV. Sofern ich zu einem früheren Zeitpunkt eine letztwillige Verfügung, sei diese eigenhändig oder öffentlich errichtet haben sollte, gelten diese errichteten letztwilligen Verfügungen als vollumfänglich aufgehoben. V. Mein derzeitiges Vermögen setzt sich aus Wertschriften im Umfang von rund Fr. 110'000.-- und einem hälftigen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft mit Gebäulichkeiten in [...] zusammen. VI. Als Testamentsvollstrecker ernenne ich Rechtsanwalt und Notar P." C.- Nachdem die zuständige Behörde am 2. Februar 1994 die durch die Erblasserin am 5. September 1974 und am 14. Juli 1980 eigenhändig verfassten Testamente sowie das öffentliche Testament vom 5. April 1989 eröffnet hatte, erhob Rosa X. am 17. Juni 1994 gegen Reto R. Klage mit dem Begehren, dass das öffentliche Testament vom 5. April 1989 für ungültig zu erklären sei. Mit Urteil vom 5. September 1996 hiess das Bezirksgericht die Klage von Rosa X. gut und erklärte das öffentliche Testament vom 5. April 1989 für ungültig. Die gegen dieses Urteil von Reto R. erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht mit Urteil vom 7. Januar 1997 gut; das Urteil des Bezirksgerichts wurde aufgehoben und die von Rosa X. erhobene Ungültigkeitsklage abgewiesen. D.- Mit Berufung vom 28. August 1997 beantragt Rosa X. dem Bundesgericht, dass das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und das am 5. April 1989 verfasste öffentliche Testament für ungültig zu erklären sei. Sowohl Reto R. als auch das Kantonsgericht beantragen die Abweisung der Berufung, soweit auf sie einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurück

aus folgenden Erwägungen:

1.- Umstritten ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob Maria X. im Zeitpunkt der Errichtung des öffentlichen Testamentes verfügungsfähig war. Ein gültiges Testament kann nur derjenige errichten, der urteilsfähig ist (Art. 467 ZGB). Urteilsfähig ist, wem nicht infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu

74

Page 76: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 8 (BGE_124_III_5)

Seite 9 (BGE_124_III_5)

handeln (Art. 16 ZGB). a) Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente: einerseits eine intellektuelle Komponente, nämlich die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen, andrerseits ein Willens- bzw. Charakterelement, nämlich die Fähigkeit, gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung

in normaler Weise Widerstand zu leisten (BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 m.w.H.; ausführlich EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, N. 44 ff. zu Art. 16 ZGB). Die Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist nicht abstrakt festzustellen, sondern in bezug auf eine bestimmte Handlung je nach deren Schwierigkeit und Tragweite zu beurteilen. Es ist daher denkbar, dass eine Person trotz allgemeiner Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zwar gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und diesbezüglich urteilsfähig ist, während ihr für anspruchsvollere Geschäfte die Urteilsfähigkeit abzusprechen ist (BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 f. m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 87 ff. zu Art. 16 ZGB). Im Unterschied zu alltäglichen Geschäften und Besorgungen zählt die Errichtung eines Testamentes zu den eher anspruchsvolleren Geschäften; dies trifft insbesondere dann zu, wenn komplizierte Verfügungen getroffen werden (ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 6 zu Art. 467 ZGB). b) Die Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung vermutet. Folglich hat derjenige, der deren Nichtvorhandensein behauptet, dies zu beweisen. Der Beweis ist keiner besonderen Vorschrift unterstellt; eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit, welche jeden ernsthaften Zweifel ausschliesst, genügt insbesondere bei einer verstorbenen Person, weil in diesem Fall die Natur der Dinge selber einen absoluten Beweis unmöglich macht (BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 125 ff. zu Art. 16 ZGB). An sich ist der Beweis nicht in bezug auf die Urteilsfähigkeit einer Person im allgemeinen, sondern in einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen. Dieser Beweis ist dann einfach zu führen, wenn beispielsweise wegen einer Geisteskrankheit auf eine permanent vorhandene Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten zu schliessen ist und damit auch luzide Intervalle auszuschliessen sind; ist dies aber nicht der Fall, dürfte namentlich "post mortem" der Nachweis der Urteilsunfähigkeit zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im allgemeinen kaum zu führen sein. Wie die Vermutung der Urteilsfähigkeit und die daraus fliessende Beweislastverteilung folgen auch die Grenzen dieser Regeln aus der allgemeinen Lebenserfahrung: Führt die Lebenserfahrung - etwa bei Kindern, bei bestimmten Geisteskrankheiten oder altersschwachen Personen - zur umgekehrten Vermutung, dass die handelnde Person ihrer allgemeinen Verfassung nach im Normalfall und mit Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten muss, ist der Beweispflicht insoweit Genüge getan und die Vermutung der Urteilsfähigkeit umgestossen; der Gegenpartei steht in diesem Fall der

Gegenbeweis offen, dass die betreffende Person trotz ihrer grundsätzlichen Urteilsunfähigkeit aufgrund ihrer allgemeinen Gesundheitssituation in einem luziden Intervall gehandelt hat (BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 f. m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 127 zu Art. 16 ZGB). c) Als öffentliche Urkunde erbringt das öffentliche Testament für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist (Art. 9 ZGB). Für den Beweis der Urteilsfähigkeit ändert dies allerdings nichts, da die Verfügungsfähigkeit wie erwähnt ohnehin aufgrund der Lebenserfahrung zu vermuten ist. Hinzu kommt, dass die öffentliche Urkunde lediglich eine Vermutung zugunsten der Richtigkeit des Urkundeninhaltes schafft, um dessentwillen die Form der öffentlichen Urkunde gefordert ist (MAX KUMMER, Berner Kommentar, N. 39 und 48 zu Art. 9 ZGB). Nicht zum Urkundeninhalt in diesem engen Sinn gehört aber beim öffentlichen Testament die Erklärung der beiden Zeugen auf der Urkunde, dass sich der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung im Zustand der Verfügungsfähigkeit befunden hat (Art. 501 Abs. 2 ZGB); diese bildet lediglich ein Indiz zugunsten der Urteilsfähigkeit (BUCHER, a.a.O., N.

75

Page 77: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 2

Seite 10 (BGE_124_III_5)

Seite 11 (BGE_124_III_5)

137 f. zu Art. 16 ZGB m.w.H.). Der Richter ist weder an die Bestätigung der Testierfähigkeit durch die Zeugen noch an die Erklärungen des Urkundsbeamten gebunden (BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 und E. 3b/bb S. 238). Erkrankungen des Geistes, die sich nicht in akuten Erscheinungen, sondern in einer allgemeinen Abnahme der geistigen Kräfte äussern, bleiben dem ungeübten Beobachter leicht verborgen, so dass sie und namentlich ihre Auswirkungen vielfach nur durch eine sachverständige Untersuchung festgestellt werden können (ESCHER, a.a.O., N. 7 zu Art. 501 ZGB).

2.- Das Kantonsgericht hat bei seinen Tatsachenfeststellungen einerseits auf die Krankengeschichte und ein medizinisches Gutachten von Prof. K. und andrerseits auf die Aussagen einer Reihe von Zeugen abgestellt. a) Nach der Krankengeschichte ist Maria X. am 13. Januar 1989 in eine Psychiatrische Klinik gebracht worden; anlässlich der Aufnahme hat der diensthabende Arzt festgehalten, dass es der Patientin nach längerer Überlegungszeit gelinge, die Fragen zu ihrer Person und ihrem nahen Umfeld richtig zu beantworten und dass sie durchaus wisse, wo sie sich nun befinde und was in der letzten Zeit vorgefallen sei; lediglich bei der Zeitangabe habe sie etwas Mühe, könne aber nach längerem Überlegen den richtigen Tag angeben. Eine Verwirrtheit bestehe zum Zeitpunkt der Aufnahme und auch

abends um 6 Uhr auf der Station nicht. Die Assistenzärztin Dr. A. hat am 25. Januar 1989 notiert, dass sich Maria X. unterschiedlich orientiert zeige und dass sie vorgestern abend in einem Verwirrtheitszustand aus dem Fenster steigen wollte; am 7. Februar 1989 hielt die Assistenzärztin fest, dass sich Maria X. nun eingelebt habe. Am 13. März 1989 stellten Oberarzt Dr. Z. und Assistenzärztin Dr. A. folgende Diagnose: "Ausgeprägtes POS senilsklerotischer Genese ICD Nr. 290.4"; an eine Verlegung der noch recht mobilen Patientin in ein Pflegeheim sei in diesem Zeitpunkt auf längere Zeit kaum zu denken. Der nächste Eintrag in der Krankengeschichte erfolgte erst am 20. Dezember 1989, d.h. nach der Errichtung des hier zu beurteilenden öffentlichen Testamentes. Im Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik nach dem Tod von Maria X. am 24. Dezember 1993 wird wiederholt, dass die Patientin bei ihrem Eintritt allseits orientiert gewesen sei, dass sie aber mit der zeitlichen Orientierung Mühe gehabt habe; ohne zeitliche Angaben wird ausgeführt, dass Maria X. in zunehmendem Mass pflegebedürftig geworden sei, dass sich ihre Mobilität auf ein Minimum reduziert habe und dass sich die geistigen Fähigkeiten bei stark fortschreitendem POS gemindert hätten. b) Der mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Prof. K. stützte sich in erster Linie auf die Unterlagen der Psychiatrischen Klinik. Im Gutachten wird die Diagnose der Klinikärzte bestätigt, dass ein "Psychoorganisches Syndrom senilsklerotischer Genese" vorliege. Nach Auffassung des Experten habe Maria X. in den ersten Monaten des Jahres 1989 an einer Geistesschwäche gelitten, weshalb ihre Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken deutlich beschränkt gewesen seien. Aufgrund des in der Krankengeschichte dokumentierten psychischen Zustandes ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erblasserin mehr von einem momentan überwiegend emotionalen Gedanken gegenüber Reto R., der sie zum Notar begleitet habe, habe leiten lassen als von ihren habituellen Einstellungen und Überzeugungen, die ihrer Grundpersönlichkeit entsprochen hätten und die in den früheren Testamenten zum Ausdruck gekommen seien. Nachdem eine spezielle Testuntersuchung der mnestischen Funktionen in der Klinik nicht durchgeführt worden sei, bleibe rückblickend unklar, in welcher geistigen Verfassung sich Maria X. anlässlich ihrer beiden Besuche beim Notar - am 23. März 1989 und am 5. April 1989 - im einzelnen befunden habe und welche Aussagen zum Testament sie bei einer neutralen psychiatrischen Exploration gemacht hätte.

76

Page 78: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 12 (BGE_124_III_5)

Erwägung 3

c) Im Zusammenhang mit den tatsächlichen Feststellungen rapportierte das Kantonsgericht sodann eine Reihe von Zeugenaussagen: Die mit der Erblasserin entfernt verwandte Rita B. erklärte, mit Maria X. habe man schon in der Zeit vor 1989 keine vernünftigen Gespräche mehr führen können, und sie habe auch komisch gelacht; immerhin habe sie das Gefühl gehabt, Maria X. sei in verwandtschaftlichen Fragen orientiert gewesen und habe sie als Verwandte betrachtet. Der als Zeuge einvernommene Dr. F., der langjährige Hausarzt von Maria X., führte aus, dass sich das Denkvermögen der Erblasserin nach dem Hirnschlag im Herbst 1985 deutlich verschlechtert habe; sie habe sich zwar gut erholt, sei im Denken aber deutlich verlangsamt geblieben; im Dezember 1988 sei sie zeitweise etwas verwirrt gewesen. Bei seinem letzten Besuch am 20. Dezember 1988 habe sie die Örtlichkeiten noch gekannt, sei aber im Zeitbegriff ganz unsicher gewesen. Über ihre eigenen Angelegenheiten (Eintritt ins Altersheim) habe man sich mit ihr aber noch gut unterhalten können. Der Psychiatriepfleger Vitus S. sagte als Zeuge aus, dass sich Maria X. vorerst klar ausdrücken konnte, aber bereits anfänglich an Wahnideen, Halluzinationen und Angstzuständen gelitten habe. Ihre Verwirrtheit und Desorientiertheit hätten laufend zugenommen; am Schluss sei ihre Orientierung sehr schlecht gewesen, und sie habe wahrscheinlich keine Besucher mehr erkennen können, oder zumindest habe sie sich nach kurzer Zeit nicht mehr daran erinnern können. Schliesslich sagte Hans T., der zu Maria X. in der Zeit zwischen Juni 1988 und April 1989 als Sozialarbeiter Kontakt gehabt hatte, als Zeuge aus, dass der Zustand von Maria X. als "eher verwirrt" - im Sinne altersbedingter Vergesslichkeit - zu bezeichnen sei; sie sei beispielsweise mitten auf der Hauptstrasse gelaufen, wobei er nicht wisse, ob sie sich der Gefahr bewusst gewesen sei. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass die Erblasserin im Jahr 1988/1989 gut habe unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei und wer nicht; sie habe seine Funktion gekannt und seine Intention, sie möglichst lange in ihrer Wohnung "halten" zu können. d) Gestützt darauf ging das Kantonsgericht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass Maria X. in der Zeit um die Errichtung des öffentlichen Testamentes in ihren geistigen Fähigkeiten nach aussen erkennbar eingeschränkt gewesen sei - mit Defiziten vor allem im Bereich zeitlicher und örtlicher Orientierung sowie der Merkfähigkeit. Sie habe sich indessen noch gut unterhalten können, sei sich ihrer Situation bewusst gewesen und habe gewusst, wer zu ihr stehe.

3.- Im Unterschied zum Bezirksgericht, welches die Verfügungsfähigkeit der Erblasserin verneinte, ist das Kantonsgericht in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, es sei nicht erwiesen, dass Maria X. am 5. April 1989 urteilsunfähig war. Zur Begründung führt das Kantonsgericht im wesentlichen aus, dass der medizinische Gutachter bei Maria X. zum Zeitpunkt der Errichtung des angefochtenen Testamentes ein "Psychoorganisches Syndrom" diagnostiziert habe, welche Krankheit als Geistesschwäche im Rechtssinn zu qualifizieren sei; seine Ausführungen liessen aber keinen Zweifel daran, dass diese Geistesschwäche nicht derart gravierend war, dass die Fähigkeit rechtsgeschäftlichen Handelns zum vornherein hätte ausgeschlossen werden müssen. Angesichts der Vermutung der Urteilsfähigkeit hätte die Klägerin daher die Urteilsunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes beweisen müssen. Dieser Beweis sei indessen in keiner Weise gelungen. Der Gutachter spreche zwar von der Wahrscheinlichkeit, dass Maria X. sich mehr von momentan überwiegend emotional bedingten Gedanken gegenüber dem als Alleinerben eingesetzten Beklagten habe leiten lassen; letztlich werde aber die Frage der Urteilsfähigkeit der Erblasserin offengelassen. Für die Handlungsfähigkeit der Erblasserin spreche, dass sie ein nachvollziehbares Motiv gehabt habe, den Beklagten anstelle ihrer Schwester - der Klägerin - zu begünstigen; während die Erblasserin mit ihrer Schwester zerstritten gewesen sei und aus diesem Grund aus dem gemeinsam bewohnten Haus ausgezogen sei, sei die Erblasserin vom Beklagten in den Jahren vor der Übersiedlung in die Klinik in verschiedener Hinsicht unterstützt worden. Im übrigen sprächen die Aussagen sämtlicher Zeugen sowie die Angaben in der Krankengeschichte der

77

Page 79: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 13 (BGE_124_III_5)

Erwägung 4

Seite 14 (BGE_124_III_5)

Psychiatrischen Klinik übereinstimmend eher für die Testierfähigkeit von Maria X. Insgesamt würden im vorliegenden Fall weder ein einzelnes Beweismittel - namentlich das Gutachten - noch die Würdigung sämtlicher Beweismittel ausreichen, um die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Verfügung umzustossen, weshalb es sich nicht rechtfertige, das Testament wegen fehlender Testierfähigkeit für ungültig zu erklären. Die Klägerin hält diese Begründung für bundesrechtswidrig. Sie räumt zwar ein, dass der Experte in seinem Gutachten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen konnte, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung der öffentlich letztwilligen Verfügung urteilsunfähig war. Da sich die Erblasserin jedoch in einem generellen Zustand von Verwirrtheit und Desorientiertheit

befunden habe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände die Vermutung der Handlungsfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt nicht haltbar; vielmehr spreche die Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände gegen die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin, so dass dem Beklagten hätte der Beweis für die Urteilsfähigkeit im Verfügungszeitpunkt auferlegt werden müssen.

4.- Die Beurteilung der Urteilsfähigkeit einer Person umfasst sowohl Feststellung von Tatsachen als auch Anwendung von Bundesrecht, wobei die Abgrenzung sich im Einzelfall als schwierig erweisen kann: Der Sachrichter stellt den geistigen Zustand einer Person im fraglichen Zeitraum sowie Art und Tragweite möglicher störender Einwirkungen fest; dazu gehört insbesondere, ob und inwieweit die Erblasserin zur Beurteilung der Folgen ihres Handelns und zur Leistung von Widerstand gegenüber Versuchen der Willensbeeinflussung befähigt war. Diese tatsächlichen Feststellungen können vom Bundesgericht im Berufungsverfahren unter Vorbehalt offensichtlicher Versehen nicht überprüft werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d und 63 Abs. 2 OG). Hingegen prüft das Bundesgericht frei, ob der kantonale Richter zu Recht oder zu Unrecht vom festgestellten geistigen Gesundheitszustand bzw. diesbezüglichen Störungen auf die Urteilsfähigkeit geschlossen habe, soweit dies vom Begriff der Urteilsfähigkeit selbst abhängt bzw. von der allgemeinen Lebenserfahrung oder vom hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, der für den Ausschluss dieser Fähigkeit erforderlich ist (BGE 117 II 231 E. 2c S. 235 m.w.H.). a) Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung ergänzende Tatsachenbehauptungen vorträgt, von denen sich im angefochtenen Urteil nichts findet, ist angesichts der verbindlichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz auf die Berufung nicht einzutreten. Die Berufung erweist sich daher insoweit als unzulässig, als geltend gemacht wird, der Beklagte habe knapp einen Monat nach seiner Ernennung zum Beistand mit dem Notar einen Termin zur Errichtung des Testaments arrangiert, in der Folge Maria X. zum Notar gebracht und sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dieser Besprechung über die erbrechtliche Situation aufgeklärt und ihr das vor dem Notar zu Nennende eingetrichtert. Dasselbe gilt für den Verweis auf die am 13. März 1989 in der Krankengeschichte gemachte Feststellung, wonach sich Maria X. unter einer niedrig gehaltenen Dipiperonkur auf der Abteilung ruhig halten lasse, recht angenehm und im grossen und ganzen lenkbar sei, dass sie an permanenten Verwirrtheitszuständen mit Höhepunkt jeweils am

Abend, aber auch den Tag durch sowie an zeitlicher, örtlicher und teilweise autopsychischer Desorientiertheit mit mnestischen Einbussen leide. Eine unzulässige Tatsachenbehauptung liegt schliesslich auch insoweit vor, als geltend gemacht wird, der Notar sei weder durch die Erblasserin selber noch durch deren Beistand auf die Hospitalisation in der Psychiatrischen Klinik aufmerksam gemacht worden, wie überhaupt letzterer gegenüber dem Notar alle auf die Urteilsunfähigkeit von Maria X. hinweisenden Tatsachen verschwiegen habe.

78

Page 80: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 15 (BGE_124_III_5)

So habe der Notar auch den Testamentsentwurf nicht etwa an die Adresse von Maria X. in der psychiatrischen Klinik geschickt, sondern an deren frühere, mit jener des Beklagten übereinstimmenden Adresse. Da sich zu all dem wie auch zum Fragenkomplex allfälliger Beeinflussungen der Erblasserin durch Dritte keine Ausführungen im Urteil finden, kann auf die entsprechenden tatsächlichen Ausführungen in der Berufung nicht eingetreten werden. b) Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, dass bei Maria X. für den Zeitpunkt der Errichtung des angefochtenen Testamentes ein "Psychoorganisches Syndrom" diagnostiziert wurde, so dass von einer Geistesschwäche im Rechtssinn auszugehen sei; daraus könne aber in rechtlicher Hinsicht nicht gefolgert werden, dass der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes die Fähigkeit rechtsgeschäftlichen Handelns zum vornherein gefehlt habe. Es begründet dies damit, dass Prof. K. als Gutachter das Ausmass der Beeinträchtigung nicht mehr habe bestimmen können und namentlich keine schlüssigen Aussagen darüber gemacht habe, ob Maria X. anlässlich der Besprechung des öffentlichen Testamentes am 23. März 1989 und dessen Errichtung am 5. April 1989 urteilsfähig war oder nicht; daraus folge, dass nach der Lebenserfahrung die Vermutung der Urteilsfähigkeit gelte; es sei daher Sache der Klägerin, die Urteilsunfähigkeit der Erblasserin bei der Errichtung des Testamentes zu beweisen, weil die Ausführungen des Experten keine Zweifel daran liessen, dass die Geistesschwäche nicht derart gravierend war, dass Maria X. zum vornherein die Fähigkeit zu rechtsgeschäftlichem Handeln gefehlt habe. Mit dieser Begründung verstösst die Vorinstanz gegen die Grundsätze, die sich zur Vermutung der Urteilsfähigkeit ergeben (E. 1b). Allein der Umstand, dass sich im nachhinein das genaue Ausmass der Störung bei Maria X. nicht mehr bestimmen liess und weder bewiesen ist, dass die Erblasserin an den fraglichen Tagen die Tragweite ihres Handelns realisierte, noch das Gegenteil, lässt nicht darauf schliessen, dass die Klägerin mit dem von ihr zu erbringenden

Beweis der Urteilsunfähigkeit gescheitert ist. Nach der Rechtsprechung ist nämlich der Nachweis einer Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit für einen ganz bestimmten Zeitpunkt - im vorliegenden Fall für den 23. März 1989 und den 5. April 1989 - dann nicht erforderlich, wenn nachgewiesen wird, dass die verfügende Person aufgrund ihres allgemeinen Gesundheitszustandes im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten musste. Während die Lebenserfahrung im allgemeinen für die Vermutung der Urteilsfähigkeit spricht, findet diese Vermutung dort ihre Grenzen und wird in ihr Gegenteil umgekehrt, wo aufgrund des allgemeinen Gesundheitszustandes der betroffenen Person die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Person im allgemeinen für urteilsunfähig zu gelten hat. Aus diesen Gründen durfte das Kantonsgericht den von der Klägerin zu erbringenden Nachweis der Urteilsunfähigkeit nicht mit dem Hinweis für gescheitert erklären, dass die fehlende Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des öffentlichen Testamentes nicht bewiesen sei. Vielmehr hätte es sich zunächst dazu äussern müssen, ob die Klägerin den Nachweis dafür erbracht hat, dass Maria X. im fraglichen Zeitraum im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht testierfähig war. c) Im folgenden ist daher zu prüfen, ob gestützt auf die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz über den geistigen Zustand von Maria X. aufgrund der Lebenserfahrung von der Vermutung auszugehen ist, dass die Erblasserin in der damaligen Zeit im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit urteilsunfähig war, wie es die Klägerin behauptet. aa) Die Vorinstanz geht selbst davon aus, dass Maria X. an einem ausgeprägten Psychoorganischen Syndrom und damit an einer Geistesschwäche im Rechtssinn gelitten hatte. Ihre Krankheit äusserte sich unter anderem darin, dass die damals 86jährige Erblasserin aufgrund mehrerer tatsächlicher Feststellungen allgemein unter einem Zustand der Verwirrtheit litt, wobei sie einmal versucht habe, abends aus dem Fenster zu steigen bzw. mitten auf der Hauptstrasse gelaufen sei. Diese Vorfälle decken sich mit der vom Kantonsgericht übernommenen Feststellung des ärztlichen Gutachters, dass die Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken bei Maria X. in der massgebenden Zeit deutlich beschränkt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, dass die Erblasserin hinsichtlich der intellektuellen Komponente noch als urteilsfähig gelten konnte. Doch auch in bezug auf das Willenselement ergeben sich ernsthafte Zweifel an der Testierfähigkeit

79

Page 81: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 16 (BGE_124_III_5)

Seite 17 (BGE_124_III_5)

der Erblasserin; immerhin hielt der medizinische Gutachter nach den verbindlichen Tatsachenfeststellungen fest, dass sich Maria X. aufgrund ihres Geisteszustandes mehr von einem momentan überwiegend emotional bedingten Gedanken gegenüber dem sie begleitenden Beklagten leiten liess als von ihren habituellen Einstellungen und Überzeugungen. Bereits aufgrund dieses allgemeinen Gesundheitszustandes und der dadurch hervorgerufenen Verhaltensweisen erscheint fraglich, ob aufgrund der Lebenserfahrung die Fähigkeit zu vernunftgemässem Handeln im allgemeinen noch gegeben war. bb) Diese Bedenken werden durch den Umstand noch akzentuiert, dass die Urteilsfähigkeit relativ zu verstehen ist; auch wenn jemand trotz einer allgemeinen Beeinträchtigung gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und daher in bezug auf diese urteilsfähig ist, kann die gleiche Person aufgrund des Grades der Beeinträchtigung für andere, anspruchsvollere Geschäfte urteilsunfähig sein. Der für die Verurkundung des Testamentes verantwortliche Notar P. erklärte gemäss den Feststellungen der Vorinstanz, Maria X. habe ihn am 23. März 1989 unter vier Augen darüber orientiert, dass sie eine Schwester als Verwandte habe, dass der Beklagte auf ihren Wunsch zu ihrem Beistand ernannt worden sei und dass sie ein Testament errichten wolle; sie habe ihm die Weisung gemacht, ihre Beerdigung solle in [...] erfolgen, habe ihr Vermögen mit ca. Fr. 110'000.-- Wertschriften sowie einem hälftigen Hausteil angegeben und klar festgehalten, den Beklagten als Alleinerben einsetzen zu wollen. Er habe den Eindruck gehabt, dass Maria X. an diesem Tag ihren Willen klar formulieren konnte und dass sie auch verstand, worum es ging und wie die rechtliche Situation war. In der Folge sei am 5. April 1989 die Beurkundung des öffentlichen Testamentes in Anwesenheit von Maria X. vorschriftsgemäss erfolgt. Der vom Notar über den Verlauf der Sitzung vom 23. März 1989 vermittelte Eindruck, Maria X. habe völlig autonom über ihre Verwandtschafts- und namentlich Vermögensverhältnisse berichtet und ihre Verfügungsabsichten klar kundgetan und habe sich als zweifelsfrei testierfähig erwiesen, steht unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten solcher Geschäfte in offensichtlichem Kontrast zur Tatsachenfeststellung des Kantonsgerichts, dass ihre Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken gemäss ärztlichem Gutachter deutlich beschränkt gewesen seien. Auffallend ist namentlich, dass Maria X. in ihrem eigenhändigen Testament vom 5. September 1974 von ihrem "Bar und Wertschriften Vermögen" sprach, ohne dessen Höhe auch nur ungefähr zu benennen, während

sie - 15 Jahre später und 11 Jahre nach Erleiden des Hirnschlages - anlässlich der Errichtung der öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 5. April 1989 ihr Vermögen auf "rund Fr. 110'000.--" zu beziffern vermochte. In Kontrast dazu steht auch der Umstand, dass sich die Erblasserin an ihre früheren testamentarischen Verfügungen offensichtlich nicht mehr erinnerte und diese gegenüber dem Notar nicht erwähnte, so dass sich dieser mit einer vagen Standardformulierung behelfen musste (siehe Ziff. IV des öffentlichen Testamentes). Obwohl aufgrund des allgemeinen Gesundheitszustandes von Maria X. ihre Urteilsfähigkeit in bezug auf das hier zu beurteilende Geschäft alles andere als evident ist, findet sich im angefochtenen Urteil keine Erklärung, weshalb sie in der Lage war, ihr Wertschriftenvermögen - wenn auch nur mit einem Zirkabetrag - anzugeben, nicht aber, sich an ihre früheren eigenhändigen Testamente zu erinnern. Aufgrund der geistigen Verfassung, in welcher sich die Erblasserin laut dem angefochtenen Urteil befand, ist es - unter Vorbehalt eines luziden Intervalls - schwer vorstellbar, dass sie die ihr Vermögen betreffenden Angaben zu machen vermochte, wie es umgekehrt plausibel ist, dass sie sich der früheren Testamente nicht mehr entsann. cc) Dass die Fähigkeit zu vernunftgemässem Verhalten für das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei Maria X. nicht mehr gegeben war, wird auch erhärtet, wenn die umstrittene Verfügung auf ihre Vernünftigkeit geprüft und daraufhin untersucht wird, ob sie den habituellen Einstellungen und Überzeugungen der Erblasserin entsprach, wie sie namentlich in den eigenhändigen Testamenten zum Ausdruck gelangten. Unter bestimmten Umständen darf auch die Vernünftigkeit der in Frage stehenden Handlung bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit berücksichtigt werden. Zwar

80

Page 82: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 18 (BGE_124_III_5)

Seite 19 (BGE_124_III_5)

kann nicht generell vom Inhalt oder von den Folgen eines Rechtsgeschäftes auf das Vorliegen oder Fehlen der Urteilsfähigkeit der betreffenden Person geschlossen werden. Die Frage, ob eine Verfügung unter dem Gesichtspunkt des verantwortungsbewussten und vernünftigen Handelns für Aussenstehende nachvollziehbar ist, stellt sich nämlich dann nicht, wenn beim Testator weder allgemein noch speziell für die Zeit der Verfügung Zweifel an der Urteilsfähigkeit bestehen; sind hingegen wie im vorliegenden Fall solche Zweifel angebracht, kann die Vernünftigkeit einer Verfügung insoweit bedeutsam werden, als deren Inhalt als Indiz dafür gelten kann, dass sich der Testator seiner Handlung bzw. deren Folgen nicht mehr bewusst war (BGE 117 II 231 E. 2a S. 233 m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 83 ff. zu Art. 16 ZGB).

In diesem Zusammenhang weist das Kantonsgericht darauf hin, dass der Beklagte Maria X. - offenbar während Jahren - geholfen, und sich namentlich um ihre finanziellen Verhältnisse gekümmert und ihr das nötige Brennholz besorgt habe, während die Erblasserin mit der Klägerin zerstritten gewesen sei. Die Begünstigung des Beklagten auf Kosten der Klägerin, d.h. dessen Einsetzung als Alleinerbe unter Ausschaltung der Schwester als gesetzliche Erbin, entspricht unter den gegebenen Umständen dem normalen Gedankenablauf eines normalverständigen Menschen, so dass diese mutmassliche Motivationslage die Verfügung insoweit durchaus als plausibel erscheinen lässt. Auch dem Kantonsgericht ist indessen nicht entgangen, dass Maria X. mit der durch die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgten Aufhebung aller früherer Testamente nicht nur ihre Schwester vom Erbe ausschloss, sondern auch ihre Vermächtnisse gegenüber vier Institutionen - der Kirche [...], der Ostpriesterhilfe und den Spitälern [...] und [...] - aufhob, welche sie mit dem 15 Jahre zuvor verfassten eigenhändigen Testament mit dem Bar- und Wertschriftenvermögen je zu gleichen Teilen bedacht hatte. An sich ist es zwar nichts Aussergewöhnliches, dass jemand ein früheres Testament durch ein späteres ganz oder teilweise aufhebt. Nun gilt es aber auch zu bedenken, dass nach der allgemeinen Erfahrung Menschen mit zunehmendem Alter sich oft in ihren Gedanken mit dem Tod und damit zusammenhängenden Fragen beschäftigen, und nicht selten stehen Vergabungen damit in Zusammenhang; namentlich religiöse Menschen tätigen zugunsten gemeinnütziger oder kirchlicher Institutionen Vergabungen auch ganz bewusst im Sinn guter Werke im Hinblick auf ihr Ableben. Bei Maria X. hätte es sich nun aber insoweit gerade umgekehrt verhalten, als sie im sehr hohen Alter frühere, gemeinnützige Vergabungen widerrief, ohne dass eine Motivation für diese Handlungsweise sichtbar wäre. Besonders ins Auge springt in diesem Zusammenhang, dass mit der öffentlichen letztwilligen Verfügung auch der am 14. Juli 1980 erfolgte Testamentsnachtrag widerrufen wurde, mit dem die Erblasserin nicht nur die "volle Gültigkeit" des Testaments vom Jahre 1974 bestätigt, sondern auch verfügt hatte: "Bei meinem Tode sollen zu meinem Seelenheil 30 hl. Messen eine (Gregoriana) gelesen werden". Dass Maria X. im Alter von 86 Jahren ihre frühere Anweisung zum eigenen "Seelenheil" widerrief, muss als sehr ungewöhnlich gewertet werden; nach der allgemeinen Erfahrung ist ein solches Verhalten nicht nachvollziehbar und entspricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz keineswegs "dem normalen Gedankenablauf eines normalverständigen Menschen". Der mit dem umstrittenen

Testament verbundene Widerruf früherer gemeinnütziger Vergabungen sowie der zugunsten ihres Seelenheils getroffenen Auflagen sind Umstände, denen entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts bei der Beurteilung der Testierfähigkeit durchaus Gewicht zukommt. d) Insgesamt ergibt sich, dass angesichts des allgemeinen Gesundheitszustandes von Maria X. die Lebenserfahrung für den Normalfall gegen deren Urteilsfähigkeit in bezug auf das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft spricht. Was das Kantonsgericht als Umstände anführt, die nach der Lebenserfahrung für die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin hinsichtlich des hier zu beurteilenden Geschäftes sprechen sollen, vermag daran nichts zu ändern:

81

Page 83: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 20 (BGE_124_III_5)

aa) Das Kantonsgericht hat bei der Beurteilung der Frage der Urteilsfähigkeit von Maria X. insbesondere grosses Gewicht auf die Aussagen der Zeugen gelegt, und unter Bezugnahme auf dieselben festgestellt, dass man sich mit Maria X. noch gut habe unterhalten können, dass sie sich ihrer Situation bewusst gewesen sei und dass sie gut habe unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei oder nicht. Die Feststellung, die Erblasserin sei sich ihrer Situation bewusst gewesen, erfolgt unter Hinweis auf Äusserungen des Hausarztes Dr. F. Abgesehen davon, dass eine so allgemein gehaltene Umschreibung kaum konkrete Schlüsse auf den Grad der Urteilsfähigkeit zuliesse, hat sich der Zeuge gerade nicht in diesem allgemeinen Sinn ausgedrückt, sondern nach den Feststellungen des Kantonsgerichts vielmehr erklärt, über ihre eigenen Angelegenheiten - d.h. den Eintritt ins Altersheim - habe man sich mit ihr noch gut unterhalten können; zudem ist nicht bekannt, auf welchem intellektuellen Niveau sich die Unterhaltung über den Eintritt ins Altersheim bewegte. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Dr. F. nach den verbindlichen Tatsachenfeststellungen auch von einer deutlichen Verschlechterung des Denkvermögens seit dem 1985 erlittenen Hirnschlag, von einer deutlichen Verlangsamung des Denkens und von einer teilweisen Verwirrtheit im Dezember 1988 sprach. Dies deutet eher darauf hin, dass von einer im Normalfall wesentlich beeinträchtigten Urteilsfähigkeit auszugehen ist. bb) Was sodann die sich teilweise widersprechenden Aussagen der Zeugen Vitus S. und Hans T. einerseits und der Zeugin Rita B. andrerseits betrifft, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass Laien erfahrungsgemäss nur selten eine zutreffende Vorstellung der Urteilsfähigkeit im Rechtssinn haben; in aller Regel kann ein Zeuge hinsichtlich der Urteilsfähigkeit keine genaue Angaben machen, ausser er

wisse tatsächlich genau Bescheid über das fragliche Rechtsgeschäft und die psychische Verfassung der betreffenden Person. Dieser Besonderheit hat das Kantonsgericht bei seinen Schlüssen, die es aus den Zeugenaussagen in bezug auf die Urteilsfähigkeit gezogen hat, keine Rechnung getragen. Jedenfalls kann allein aus den Einschätzungen des Zeugen Vitus S., zu Beginn des Aufenthaltes in der Klinik sei Maria X. für das Abfassen eines Testamentes urteilsfähig gewesen, nicht einfach auf die Testierfähigkeit der Erblasserin geschlossen werden; das gleiche gilt für die Aussage des Zeugen Hans T., der den Eindruck gehabt hat, Maria X. habe im Jahre 1988/1989 gut unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei und wer nicht. Umgekehrt kann auch aus der Aussage der Zeugin Rita B., mit Maria X. habe man schon in der Zeit vor 1989 keine vernünftigen Gespräche mehr führen können und sie habe auch komisch gelacht, nicht ohne weiteres auf die fehlende Testierfähigkeit geschlossen werden. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Umstand, dass in der Krankengeschichte festgehalten wird, dass die Patientin - wenn auch nur in bescheidenem Rahmen - noch diskussionsfähig gewesen sei. Wenn eine unbestrittenermassen in ihren intellektuellen Fähigkeiten angeschlagene Person noch in der Lage war, an einer Unterhaltung etwa über banale Alltäglichkeiten teilzunehmen, kann daraus nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit der Schluss gezogen werden, diese Person sei auch in bezug auf intellektuell anspruchsvollere Fragen - wozu letztwillige Verfügungen über das Vermögen zweifellos gehören - im Normalfall wahrscheinlich urteilsfähig gewesen. e) Insgesamt ergibt sich das Bild einer allgemeinen Geistesverfassung von Maria X., das nur den Schluss auf eine im Normalfall stark eingeschränkte Urteilsfähigkeit zulässt; es ist daher davon auszugehen, dass die Erblasserin nach ihrer Einweisung in die Psychiatrische Klinik im Frühjahr 1989 in bezug auf den Abschluss von relativ anspruchsvollen Geschäften, wozu die Errichtung eines Testamentes zählt, im Normalfall nicht mehr urteilsfähig war. Das Kantonsgericht durfte daher nicht davon ausgehen, dass der von der Klägerin zu erbringende Nachweis für die fehlende Testierfähigkeit der Erblasserin gescheitert sei. Vielmehr ist aufgrund einer Würdigung aller Umstände davon auszugehen, dass Maria X. im fraglichen Zeitraum mit grosser Wahrscheinlichkeit im Normalfall nicht mehr testierfähig war. Dem Beklagten steht der Gegenbeweis offen, dass die Erblasserin trotz im Normalfall gegebener Urteilsunfähigkeit zum fraglichen Zeitpunkt ausnahmsweise urteilsfähig war.

Inhaltsverzeichnis

82

Page 84: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

116 II 411 76. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. November 1990 i.S. R. gegen S. (Berufung)

A.- Emma Louise M. errichtete am 10. Januar 1977 eine handschriftliche letztwillige Verfügung, in der sie Sylvia R. mit einem Legat von Fr. 80'000.-- bedachte. Zu einem unbestimmten spätern Zeitpunkt strich sie diese Verfügung. Die Streichung erfolgte ohne handschriftliche Orts- und Datumsangabe; sie wurde auch nicht mit der Unterschrift bestätigt. Am 19. Februar 1987 starb Emma Louise M. Als ihren Erben hatte sie Martin S. eingesetzt. B.- Am 30. August 1988 klagte Sylvia R. beim Bezirksgericht Zürich gegen Martin S. auf Feststellung der Ungültigkeit der Streichung und auf Ausrichtung des Vermächtnisses. Am 6. April 1989 trat das Bezirksgericht auf das Feststellungsbegehren nicht ein und entschied, dass das Vermächtnis auszurichten sei. Auf Appellation von Martin S. hin hob das Obergericht mit Urteil vom 12. Dezember 1989 diesen Entscheid auf und wies die Klage ab. C.- Gegen dieses Urteil gelangt Sylvia R. mit Berufung an das Bundesgericht und verlangt die Gutheissung ihrer Klage. Martin S. beantragt die Abweisung der Berufung und der Klage. Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden

Erwägungen:

2.- Das Obergericht hat entschieden, dass eine handschriftliche teilweise Streichung des Textes eines eigenhändigen Testaments eine Vernichtung im Sinne von Art. 510 ZGB darstelle und deshalb auch ohne Unterschrift sowie Orts- und Zeitangabe gültig sei. Demgegenüber will die Klägerin in ihrer Berufung die Streichung als Widerruf nach Art. 509 ZGB verstanden wissen, für den die Formerfordernisse des eigenhändigen Testaments (Unterschrift, Ort- und Zeitangabe) gelten.

3.- a) Das Bundesgericht hatte bis jetzt noch nie die Frage der Gültigkeit einer durchgestrichenen Testamentsbestimmung als solche zu beurteilen. Es hatte aber mehrmals Gelegenheit, sich zu

Urteilskopf

Art. 509 und Art. 510 ZGB. Abgrenzung zwischen Vernichtung und Widerruf einer letztwilligen Verfügung. Vernichtung durch Streichen. Streicht der Erblasser nachträglich eine Anordnung in einem Testament durch, so ist der entsprechende Teil der Verfügung aufgehoben, auch wenn die Streichung nicht in der Form der letztwilligen Verfügung erfolgt ist.

Regeste

BGE 116 II 411 S. 412

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

Erwägung 3

BGE 116 II 411 S. 413 83

Page 85: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Unterscheidung zwischen Widerruf und Vernichtung einer letztwilligen Verfügung auszusprechen. In BGE 73 II 149 entschied das Bundesgericht, dass eine Vernichtung nicht vorliege, wenn das Testament zu abgelegten Akten gelegt werde. Es umschrieb dabei das Vernichten als eine Handlung, "die die Testamentsurkunde körperlich zunichte macht (z.B. Verbrennen, Zerreissen) oder wenigstens ihre körperliche Erscheinung so verändert, dass ohne weiteres erkennbar ist, dass sie als entkräftet gelten soll (Durchstreichen, Überschreiben, Durchlöchern usw.)". In BGE 78 II 351 tauchte sodann die Unterscheidung zwischen einer eigentlichen und einer symbolischen Vernichtung (Durchstreichen, Durchlöchern, Überschreiben) auf, wobei ausdrücklich offengelassen wurde, ob eine symbolische Vernichtung genüge (so auch in BGE 80 II 307 E. 2, bezüglich des Streichens). In BGE 83 II 504 ff. ging es darum zu beurteilen, ob eine Bestimmung des kantonalen Rechts das Bundesrecht verletze, welche vorsieht, dass das Original des Testamentes beim Notar bleiben muss und von diesem grundsätzlich nicht herausgegeben werden darf. Das Bundesgericht verneinte diese Frage, weil die Vernichtung nach Art. 510 ZGB nicht nur im Zerreissen oder Verbrennen bestehen könne, sondern auch im Streichen, Durchschneiden oder Radieren und ähnlichem. Der Erblasser könne sich an den Notar wenden und ihn beauftragen, die öffentliche Urkunde in der genannten Art zu vernichten. In der Lehre wird zugelassen, dass sich der Erblasser für die Vernichtung einer Mittelsperson bedient und sie nicht eigenhändig vornimmt (TUOR, N. 10 zu Art. 509-511 ZGB; ESCHER, N. 4 zu Art. 510 ZGB; PIOTET, Erbrecht, SPR Bd. IV/1, S. 248; ders., Précis de droit successoral, Bern 1988, S. 53). Schliesslich ging das Bundesgericht auch in BGE 101 II 217 davon aus, dass eine Vernichtung im Durchstreichen bestehen könne. b) Wie im vorinstanzlichen Urteil ausgeführt wird, ist auch die überwältigende Mehrheit der Autoren der Meinung, dass das Streichen als Vernichtung anzusehen und damit Art. 510 ZGB zu unterstellen sei (statt vieler: TUOR, N. 11 zu Art. 509-510 ZGB; ESCHER, N. 1 zu Art. 510 ZGB; PIOTET, SPR Bd. IV/1, S. 247; DRUEY, Grundriss des Erbrechts, Bern 1988, S. 109). Eine abweichende, differenzierende Meinung vertritt JEAN-PIERRE HENRI COTTIER (Le testament olographe en droit suisse, Diss. Lausanne 1960, S. 136 ff.). Im Interesse der Rechtssicherheit sei von der für

das Testament geltenden Formstrenge nicht leichthin abzuweichen. Die Vernichtung müsse zwar nicht notwendigerweise die Zerstörung des Schriftträgers bedeuten, sondern könne auch nur die Schrift erfassen. Dies setze aber voraus, dass der Text vollständig unleserlich gemacht werde. In die gleiche Richtung zielt SCHWALLER, der für symbolische Vernichtungshandlungen die strenge Form des eigenhändigen Testament verlangt (URS SCHWALLER, Die Unwirksamkeit des eigenhändigen Testamentes, Diss. Freiburg 1981, S. 169). Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift findet die Klägerin für ihre Auffassung keine Stütze bei PETER BREITSCHMID (Formvorschriften im Testamentsrecht, Diss. Zürich 1982, S. 457 ff.). Mit Bedenken anerkennt auch dieser Autor das Streichen als Vernichtungshandlung. Er verlangt jedoch, dass die entsprechende Handlung vom Erblasser selber vorgenommen wird (a.a.O., S. 460).

4.- a) Art. 510 ZGB handelt vom Aufheben eines Testamentes durch Vernichtung der Urkunde. Es fragt sich somit in erster Linie, was unter "Urkunde" im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen ist. Es handelt sich dabei um ein Schriftstück, somit um eine Schrift zusammen mit ihrem Träger. Der Träger allein, das heisst das Papier, stellt noch keine Urkunde dar. Die Schrift ihrerseits kann ohne Träger nicht bestehen. Bedeutet aber "Urkunde" die Schrift und deren Träger, so kann auch die Vernichtung das eine oder das andere erfassen. Vom Begriff der Urkunde aus gesehen lässt sich somit nicht sagen, die blosse Einwirkung auf die Schrift sei keine Vernichtungshandlung. Eine vor allem früher übliche Art der Vernichtung war denn auch das Radieren oder Auslöschen des Textes. Dadurch wird aber nur die Schrift, nicht auch das Papier zerstört. Es ist denn auch unbestritten, dass das Durchstreichen eines Textes im Sinne eines völligen Unkenntlichmachens als Vernichtung gemäss Art. 510 ZGB betrachtet werden muss. Der Gesetzeswortlaut lässt somit ohne weiteres zu, das Streichen als Vernichtungshandlung zu erfassen.

BGE 116 II 411 S. 414

Erwägung 4

Erwägung 5 84

Page 86: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

5.- a) Das Obergericht hat aus der Entstehungsgeschichte des ZGB den Schluss gezogen, ausdrückliche Formvorschriften für die Streichung in Testamenten seien bewusst nicht ins Gesetz aufgenommen worden. Der Gesetzgeber sei der Meinung gewesen, Streichungen stellten eine (Teil-)Vernichtung dar. Die Klägerin widersetzt sich dieser Würdigung der Materialien und sieht darin eine Verletzung von Art. 1 ZGB durch das Obergericht. Es ist ihr zuzugeben, dass die Materialien, wie sie im vorinstanzlichen Urteil

wiedergegeben werden, kein völlig klares Bild ergeben. Der Umstand, dass die Streichung regelmässig im Zusammenhang mit der Vernichtung erwähnt wurde, lässt noch keinen eindeutigen Schluss zu, denn das Streichen kommt jedenfalls dann einer Vernichtung gleich, wenn dadurch der Text unleserlich wird. b) Wie die Entstehungsgeschichte zu deuten ist, braucht indessen nicht abschliessend beurteilt zu werden. Das Bundesgericht hat wiederholt erkannt, dass das Gesetz in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie nach den ihm zugrunde liegenden Wertungen, auszulegen ist. Die Vorarbeiten sind weder verbindlich noch für die Auslegung unmittelbar entscheidend. Massgeblich für den Richter ist ausschliesslich die Norm selber. Das heisst nun nicht, die Gesetzesmaterialien seien unbeachtlich. Sie können als wertvolles Hilfsmittel dienen, um den Sinn einer Norm zu erkennen (statt vieler: BGE 112 II 4). Ihre Bedeutung ist unterschiedlich je nach dem, ob es sich um neuere oder um ältere Gesetze handelt (BGE 112 Ia 104; vgl. auch die Wertung der Materialien in BGE 114 II 406 ff.; 115 II 199 ff. E. 6; 115 II 408 E. 2a; BGE 116 II 176 ff. E. 3). Dies hat das Obergericht nicht verkannt. Es hält ausdrücklich fest, dass das historische Element nur einen Ansatzpunkt für die Auslegung bildet, welchen es unter geltungszeitlichen Gesichtspunkten zu prüfen gilt.

6.- In systematischer Hinsicht geht das Obergericht davon aus, dass die Art. 509 und 510 ZGB nicht in einem eindeutigen Verhältnis von Regel und Ausnahme stehen. Überdies sei der Grundsatz umstritten, dass Ausnahmen nicht extensiv auszulegen seien. Die Klägerin sieht demgegenüber Art. 510 ZGB als Ausnahme zu Art. 509 ZGB an und will deshalb jene Bestimmung zurückhaltend ausgelegt wissen. a) Die Art. 509-511 ZGB stehen unter dem Titel "II. Widerruf und Vernichtung". Ein eindeutiges Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht nicht. Es kann nicht gesagt werden, der Widerruf sei die Regel, während die Vernichtung und die Errichtung einer späteren Verfügung Ausnahmen dazu darstellten. Das Gesetz zeichnet drei gleichwertige Wege auf, ein Testament aufzuheben. Einerseits kann der Testator seinen letzten Willen dadurch widerrufen, dass er eine entsprechende ausdrückliche Erklärung abgibt (Widerruf im engeren Sinn). Diese ist an die testamentarische Form gebunden (Art. 509 ZGB). Aufhebende Wirkung kommt aber auch jeder neuen Verfügung zu, welche der früheren widerspricht. Handelt es sich wiederum um eine Verfügung von Todes wegen, bedarf sie der

testamentarischen Form. Das Gesetz stellt aber die Vermutung auf, dass ein neues Testament das ältere aufhebt (Art. 511 Abs. 1 ZGB). Handelt es sich um eine Verfügung unter Lebenden, besteht keine besondere Formvorschrift (Art. 511 Abs. 2 ZGB). Schliesslich besteht die Möglichkeit, das Testament dadurch aufzuheben, dass auf die Urkunde des ursprünglichen Testamentes selber eingewirkt wird. Diesen Fall regelt Art. 510 ZGB. b) Welche dieser drei möglichen Vorgehensweisen die Regel ist, lässt sich kaum bestimmen. Die Urkunde, welche sich ausschliesslich darauf beschränkt, eine letztwillige Verfügung zu widerrufen (Art. 509 ZGB), dürfte wohl am seltensten vorkommen. Näher liegt es, ein Testament mit einer neuen Verfügung - sei es von Todes wegen oder unter Lebenden (Art. 511 ZGB) - oder durch Vernichten der Urkunde zu beseitigen (Art. 510 ZGB). Insofern erscheint Art. 510 ZGB sicher nicht als die Ausnahme. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass das schweizerische Erbrecht für Verfügungen von Todes wegen in der Regel bestimmte, strenge Formen vorsieht (vgl. Art. 498 ff. und 512 ZGB). Nur in wenigen Bestimmungen wird von diesen Formen abgewichen. Dazu gehören die Art. 510 und 511 Abs. 2 ZGB. Insofern bildet Art. 510 ZGB eine Ausnahme. Es wäre von daher zweifellos nicht

BGE 116 II 411 S. 415

Erwägung 6

BGE 116 II 411 S. 416

85

Page 87: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

angebracht, den in Art. 510 ZGB verankerten Verzicht auf die erbrechtlichen Formen bei der Vernichtung auf weitere Tatbestände auszudehnen, so beispielsweise auf die einseitige Aufhebung eines Erbvertrages (vgl. Art. 513 Abs. 3 ZGB). Dies kann aber nicht bedeuten, dass der Begriff der Vernichtung selber eng auszulegen sei. Hier ist vielmehr danach zu forschen, was sinnvollerweise unter dem im Gesetz geregelten Tatbestand zu verstehen ist. Insofern ist das Obergericht richtigerweise davon ausgegangen, dass aus der Systematik für die vorliegende Rechtsfrage nichts Eindeutiges gewonnen werden kann.

7.- a) Die Vorinstanz wendet sich schliesslich der teleologischen Auslegung zu. Sie hält fest, dass der Gesetzgeber dem Testator vereinfachte Möglichkeiten zur Aufhebung einer letztwilligen Verfügung habe einräumen wollen. Es gehe darum, dem letzten Willen des Testators zum Durchbruch zu verhelfen. Mit Rücksicht auf die Beweisschwierigkeiten zufolge des Todes des Erblassers basiere das Erbrecht auf einer gewissen Formstrenge. Diese gelte aber bei der Aufhebung nicht in gleichem Masse. Abgesehen davon, dass die Formstrenge nicht nur Beweis-, sondern auch Solennitätsfunktion hat, kann dem Obergericht darin zugestimmt

werden. Zutreffend ist auch, dass dieser Gesetzeszweck der Anerkennung einer formlos gültigen Teilstreichung in einem Testament nicht entgegensteht. b) Die Klägerin hält in Anlehnung an die Ausführungen des Bezirksgerichts der Betrachtungsweise der Vorinstanz die Rechtssicherheit entgegen. Nur das Erfordernis der strengen Form erlaube es abzuklären, ob der Erblasser überhaupt verfügungsfähig war. In Art. 510 ZGB werde nur deshalb von den beim eigenhändigen Testament geltenden Regeln abgewichen, weil die Datierung und Unterzeichnung dann nicht möglich sei, wenn die Urkunde vernichtet werde. Damit verkennt die Klägerin, dass von Vernichtung sicher auch dann gesprochen werden muss, wenn die Schrift vollständig unleserlich gemacht wird. Hier besteht aber die Urkunde weiter, und eine Datierung, Ortsangabe und Unterschrift wären ohne weiteres möglich. Es ist der Klägerin zuzugeben, dass der Verzicht auf die in Art. 505 ZGB vorgeschriebene Form es erschwert, den Zeitpunkt der Willensäusserung und damit auch die Verfügungsfähigkeit festzustellen. Diese Schwierigkeit kann sich aber bei jeder Art von Vernichtung nach Art. 510 ZGB ergeben. Sie besteht auch bei der auf den Textträger und nicht nur auf den Text gerichteten Vernichtung (z.B. Zerreissen der Urkunde). c) Wenn neben dem Streichen auch das Datieren, die Ortsangabe und die Unterschrift verlangt wird, besteht zweifellos eine grössere Sicherheit über die Urheberschaft der Handlung. Dieses Argument verkennt aber, dass diese Unsicherheit vom Gesetzgeber bei jeder Art von Vernichtung in Kauf genommen wird. Das Gesetz setzt die Vernichtung als gleichwertige Art der Aufhebung einer letztwilligen Verfügung neben den förmlichen Widerruf. Wollte man die Streichung einer Testamentsbestimmung wegen der Unsicherheit ihrer Urheberschaft nicht als zulässige Art der Vernichtung gelten lassen, so liefe dies darauf hinaus, die Aufhebung eines Testamentes durch Vernichtung gegenüber den beiden andern Arten der Aufhebung einer letztwilligen Verfügung durch restriktive Auslegung zu erschweren und damit zu benachteiligen. Dies stünde im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung der drei Aufhebungsarten, die durchaus gleichwertig ausgestaltet sind. Die befürchtete Unsicherheit liesse sich zudem auch dann nicht vermeiden, wenn man das formlose nachträgliche Streichen durch den Testator nicht zuliesse. Eine im Zuge der Testamentserrichtung vorgenommene Streichung ist unbestrittenermassen zulässig,

da sie durch die Orts- und Zeitangabe sowie die Unterschrift auf dem Testament auf jedem Fall gedeckt ist. Häufig lässt sich aber nach dem Tode des Erblassers nicht mehr feststellen, in welchem Zeitpunkt eine Streichung vorgenommen worden ist.

Erwägung 7

BGE 116 II 411 S. 417

BGE 116 II 411 S. 418

Erwägung 886

Page 88: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

8.- Auszugehen ist davon, dass die Vernichtung im Sinne von Art. 510 ZGB nicht nur durch die Zerstörung des Schriftträgers erfolgen kann. Von Vernichtung muss sicher auch dann gesprochen werden, wenn der Text vom Schriftträger entfernt (radiert) oder vollständig unleserlich gemacht wird. Allen diesen Vorgängen ist gemeinsam, dass auf die ursprüngliche Urkunde eingewirkt wird (vgl. BGE 83 II 504 ff.). Während der Widerruf nach Art. 509 ZGB und die spätere Verfügung nach Art. 511 Abs. 1 ZGB in Wörter gekleidete Willensäusserungen darstellen, erweist sich die Vernichtung als ein nicht an die Form der Sprache gebundener Realakt. Das Streichen einer Testamentsbestimmung hat mit den übrigen Erscheinungsformen der Vernichtung gemeinsam, dass der Wille nicht durch Wörter, sondern durch ein Zeichen ausgedrückt wird, das ebenfalls als eine Art Realakt verstanden werden kann. Streichen einer Bestimmung hat mit den übrigen Arten der gegen die Schrift als solcher gerichteten Vernichtung mehr gemeinsam als mit dem Widerruf in Form von Wörtern. Insofern handelt es sich - im Gegensatz zum in der Berufung vertretenen Eventualstandpunkt - nicht um eine schriftliche Ausdrucksweise. Es kann somit als eine Art von Vernichtung betrachtet werden, und zwar umso mehr, als es nicht angeht, zwischen den verschiedenen Formen von Streichen (gänzliches Unkenntlichmachen, mehrfaches oder einfaches Durchstreichen) einen Unterschied zu machen. Allen gemeinsam ist der Wille der Vernichtung und das averbale Ausdrucksmittel. Nicht entschieden werden muss vorliegend, ob neben den sich nicht der Sprache bedienenden Aufhebungshandlungen allenfalls auch ein quer über den Text angebrachter Vermerk "ungültig" oder dergleichen als eine keiner besonderen Form bedürftige Vernichtung im Sinne von Art. 510 ZGB angesehen werden kann, wie dies teilweise in der Lehre vertreten wird, oder ob es sich hier - weil in Sprache gekleidet - um einen formbedürftigen Widerruf nach Art. 509 ZGB handelt (vgl. dazu PIOTET, SPR Bd. IV/1, S. 249 f.).

nach oben

87

Page 89: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

124 III 414

Seite 414 (BGE_124_III_414)

Regeste

Sachverhalt

Seite 415 (BGE_124_III_414)

71. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 7 septembre 1998 dans la cause Charles Constant Jr Dupont (patronyme fictif) contre C.F. Dupont (patronyme fictif) (recours en réforme)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3

Seiten 414 415 416 417

Art. 469 Abs. 3 ZGB; Irrtum in Bezug auf die Bezeichnung von Personen und Auslegung eines Testaments. Hat der Erblasser den eingesetzten Erben aus offensichtlichem Irrtum falsch bezeichnet, so ist die Verfügung richtig zu stellen, wenn sein Wille mit Bestimmtheit festgestellt werden kann (E. 2b). Zeigt es sich, dass mehrere Personen den richtig gestellten Familiennamen tragen, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche von ihnen der Erblasser zu begünstigen beabsichtigte (E. 2b). Für diesen Fall stellt der Gesetzgeber an das Beweismass keine besonderen Anforderungen (E. 3).

A.- Dame H., née B. le 26 juillet 1905, de nationalité hollandaise, veuve de H., né le 19 septembre 1893, est décédée sans postérité, le 8 août 1989, à son domicile de La Tour-de-Peilz. Elle a laissé un testament daté du 31 octobre 1986 et homologué le 14 août 1991, dans lequel elle a notamment institué héritier des valeurs déposées au Crédit Suisse, à Montreux, et auprès de la banque Mextrust, à Amsterdam, "Monsieur C.F. Dupont, 000 East 00, Manhattan, NEW YORK N.Y., U.S.A." B.- Par décision du 11 juillet 1991, la Justice de Paix du cercle de La Tour-de-Peilz a désigné le notaire R. en qualité de curateur de l'absent C.F. Dupont, en vue d'en retrouver la trace et de gérer dans l'intervalle ses biens.

Après d'infructueuses recherches, le notaire a chargé S. SA d'entreprendre les démarches nécessaires pour trouver le dénommé "C.F. Dupont". Les investigations ont abouti à la découverte de Charles Constant Jr Dupont, né le 24 octobre 1922 et parent au cinquième degré de la défunte. Il est le fils de Charles Constant Dupont, né le 8 mars 1894 et décédé le 10 septembre 1965, en laissant une épouse, E. Il est lui-même père de trois filles, C., M. et T. Cette dernière a vécu à l'adresse indiquée dans le testament de 1979 à 1983. Les recherches complémentaires visant à déterminer si Charles Constant Jr Dupont ou feu son père ont pu avoir un frère portant les initiales "C.F." ou s'il existe une autre personne susceptible de répondre au patronyme "C.F. Dupont" n'ont donné aucun résultat.

88

Page 90: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

Seite 416 (BGE_124_III_414)

Erwägung 3

C.- Par décision du 12 juin 1995, l'autorité tutélaire a refusé d'autoriser la délivrance de la succession à Charles Constant Jr Dupont, pour le motif qu'il subsiste une incertitude quant à sa qualité d'héritier. D.- Le 14 novembre 1995, Charles Constant Jr Dupont a ouvert action en pétition d'hérédité. La Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté cette demande, sous suite de frais et dépens, le 5 novembre 1997. E.- Charles Constant Jr Dupont exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut, principalement, à la réforme de l'arrêt cantonal en ce sens qu'il est reconnu comme l'héritier institué de feu dame H. et que les biens désignés dans le testament lui sont remis. Il demande, subsidiairement, le renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour complément d'instruction et nouvelle décision. L'intimé s'en remet à justice. Le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure où il est recevable.

Extrait des considérants:

2.- Le recourant reproche à la cour cantonale de lui avoir dénié à tort la qualité d'héritier institué. Il se plaint, en résumé, de violations de l'art. 469 al. 3 CC et de la règle d'interprétation "favor testamenti". a) Se fondant sur l'art. 469 al. 3 CC, les juges cantonaux ont admis une erreur de la testatrice dans la désignation de son héritier. Ils ont toutefois refusé de rectifier la disposition testamentaire erronée pour le motif que la volonté d'instituer héritier le demandeur n'a pu être constatée avec certitude. Ce faisant, ils ont violé le droit fédéral.

b) Selon l'art. 469 al. 3 CC, en cas d'erreur manifeste dans la désignation de personnes ou de choses, les dispositions erronées sont rectifiées d'après la volonté réelle de leur auteur, si cette volonté peut être constatée avec certitude. Cette norme - qui institue un cas particulier d'interprétation des dispositions testamentaires, lorsque la volonté du disposant a été exprimée clairement, mais de manière erronée (PAUL PIOTET, Droit successoral, in Traité de droit privé suisse, Tome IV, p. 192) - suppose que l'erreur soit manifeste et que la volonté réelle du défunt puisse être rétablie avec certitude. Concernant ce dernier point, cela signifie pour celui qui se prévaut de la rectification qu'il démontre que le disposant a voulu sans aucun doute le gratifier (ATF 50 II 332 consid. 3 p. 335; 89 II 182 consid. 7 p. 184 et l'arrêt cité; ESCHER, Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, n. 26 ad art. 469 CC; HANNES GLAUS, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament, thèse Zurich 1982, ch. 4, p. 19). Ces réquisits sont remplis en l'espèce. Selon l'arrêt entrepris (art. 63 al. 2 OJ), il n'y a jamais eu d'individus de sexe masculin prénommés "C.F." dans la lignée Dupont apparentée à la testatrice; par contre, deux hommes portent des prénoms commençant par les lettres "C.C.", à savoir le demandeur, Charles Constant Jr Dupont, et son père, Charles Constant Sr Dupont. Il faut dès lors admettre - et nul ne le conteste - que la défunte s'est manifestement trompée en utilisant les initiales "C.F." et a voulu en réalité désigner un dénommé "C.C. Dupont". Est en revanche litigieuse la question de savoir si elle a entendu gratifier le père ou le fils. Dans ce cadre, il ne s'agit plus de rectifier une erreur en application de l'art. 469 al. 3 CC, mais d'interpréter une déclaration de volonté ambiguë, afin de dégager la véritable volonté du testateur (PAUL PIOTET, op.cit., p. 192; DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 4e éd., § 12, n. 5, p. 145-146; GUINAND/STETTLER, Droit civil II: Successions (art. 457-640 CC), 3e éd., n. 117).

89

Page 91: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 417 (BGE_124_III_414)

3.- Pour interpréter un testament, le juge doit partir de son texte, qui seul exprime valablement la volonté librement manifestée du disposant; il peut, cependant, si les dispositions testamentaires manquent de clarté au point qu'elles peuvent être comprises aussi bien dans un sens que dans l'autre, recourir aux circonstances extrinsèques lorsque celles-ci éclairent la volonté manifestée dans les formes légales par le testateur (ATF 120 II 182 consid. 2a p. 184; 103 II 88 consid. 3a p. 92; 100 II 440 consid. 6 p. 446 et les arrêts cités); il peut également se référer à l'expérience générale de la vie

(DRUEY, op.cit., § 12, n. 2, p. 145 et n. 21 s., p. 149) et au principe du favor testamenti, selon lequel, entre deux solutions possibles, il faut choisir la plus favorable au maintien de l'acte (ATF 89 II 185 consid. 3 p. 191 et 437 consid. 1a p. 441; PAUL PIOTET, op.cit., p. 195; GUINAND/STETTLER, op.cit., n. 118, let. g). Contrairement à l'art. 469 al. 3 CC, le législateur ne pose en la matière aucune exigence s'agissant du degré de preuve requis. Le Tribunal fédéral revoit librement l'interprétation que l'autorité cantonale a donnée aux dispositions du testateur eu égard à l'ensemble des circonstances du cas d'espèce; seules les constatations de fait du jugement attaqué dont l'on peut déduire la volonté du disposant le lient (cf. ATF 120 II précité; 115 II 323 consid. 1a p. 325 et la jurisprudence mentionnée). Dans le cas particulier, il ressort du testament - rectifié en application de l'art. 469 al. 3 CC - que la testatrice a entendu gratifier un homme prénommé "C.C." résidant à "000 East 00, Manhattan, NEW YORK N.Y., U.S.A.". Les recherches entreprises ont révélé que deux individus portent des prénoms dont les initiales sont "C.C.", à savoir le demandeur et son père. Ce dernier est décédé à l'âge de septante et un an le 10 septembre 1965, à savoir plus de vingt ans avant la confection du testament. Il n'existe aucun lien entre sa personne et l'adresse indiquée dans la disposition de dernière volonté. En revanche, il est établi que la fille du demandeur y a résidé de 1979 à 1983, à savoir bien postérieurement au décès de Charles Constant Dupont Senior et qu'elle a occupé un appartement loué par la famille Dupont (art. 64 al. 2 OJ). Sur le vu de ces circonstances, de l'âge des intéressés et en vertu du principe favor testamenti, il faut admettre que la défunte a entendu désigner le demandeur. Cette interprétation s'impose d'autant plus qu'il est peu probable qu'à quatre-vingt-un an elle ait voulu gratifier quelqu'un de onze ans son aîné. Dans ces conditions, le premier chef de conclusions du demandeur doit être accueilli. Celui qui vise la remise des biens désignés dans le testament, à savoir des valeurs déposées au Crédit Suisse, à Montreux, et auprès de la banque Mextrust, à Amsterdam, est en revanche irrecevable; il n'est pas suffisamment déterminé pour être exécuté (art. 55 al. 1 let. b OJ; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, n. 1.4.1.2 ad art. 55).

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 2 Erwägung 3

Seiten 414 415 416 417

90

Page 92: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

124 III 406

Seite 406 (BGE_124_III_406)

Regeste

Sachverhalt

Seite 408 (BGE_124_III_406)

70. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Juni 1998 i.S. A. gegen B. und C. (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 3

Seiten 406 408 409 410 411 412 413

Berufung gegen ein Teilurteil, in dem die Gültigkeit von zwei Testamenten nur bezüglich des zuletzt verfassten beurteilt worden war (Art. 48 Abs. 1 OG und Art. 50 Abs. 1 OG); Auslegung dieses Testamentes. Gegen ein Teilurteil betreffend die Ungültigkeit von Testamenten im Rahmen einer Klage auf Teilung des Nachlasses ist die Berufung zulässig (E. 1a). Ist das Urteil bezüglich der Gültigkeit des letzten Testamentes berufungsfähig, so ist auch die Berufung gegen den Nichteintretensbeschluss hinsichtlich des älteren Testamentes zulässig; denn die innere Verknüpfung zwischen den beiden letztwilligen Verfügungen und den darauf beruhenden Entscheiden verbietet endgültig, dass der gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht werden kann (E. 1b). Ob ein Testament gültig ist, es insbesondere überhaupt einen materiellen Inhalt aufweist, entscheidet sich aufgrund der gesamten eigenhändigen Aufzeichnungen des Erblassers. Hat dieser in einem früheren Testament eine Abänderung vorgenommen und diese im letzten für gültig erklärt, kann im Rahmen der Auslegung, welche Testamente nach dem Willen des Erblassers aufgehoben sind, das frühere unbekümmert um seine Rechtswirksamkeit herangezogen werden (E. 3).

A.- Der am 9. Januar 1990 verstorbene D. hatte mehrere eigenhändige letztwillige Verfügungen errichtet. In einem Testament vom 17. Juni 1988 hatte er seine Töchter B. und C. auf den Pflichtteil gesetzt und Haus, Mobiliar sowie sonstiges A. vermacht; gemäss letztwilliger Verfügung vom 22. Juni 1988 wurden seine gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil gesetzt, die frei werdende Quote je zur Hälfte E. und A. vermacht und als Teilungsvorschrift angeordnet, dass die eingesetzten Erben die Liegenschaft F. zugewiesen erhalten. In einem Testament vom 24. Oktober 1988 hatte er seine gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil gesetzt und die freiwerdende Quote der Zunft G. vermacht. In einem "Zusatz" vom 3. Februar 1989 zum Testament vom 17. Juni 1988 hatte er erklärt, nur das Testament vom Juni 1988 mit dem neuen Zusatz solle gelten und alle anderen früheren Testamente sollten ungültig sein; ferner verfügte er darin, sein Haus erhalte A. und seine Töchter seien auf den Pflichtteil gesetzt.

91

Page 93: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 409 (BGE_124_III_406)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

Am 14. Juni 1989 errichtete er folgende letztwillige Verfügung: "Tetstament. Ich D., geb. 1907 Widerrufe hiermit meine früheren letztwilligen Verfügungen und bestime, dass im Bezug auf meinen Nachlass die gesetzliche Regelung gelten soll." Am 26. Juli 1989 verfügte er: "Testamentaufhebung. Ich D., geb. ... 1907, bestätige nochmals, dass ich die Abänderung die ich am 14. Juni 1989 im Spital H. geschrieben habe, als gültig erkläre." B.- Mit Klage vom 7. Januar 1991 begehrte A.: "Es seien die letztwilligen Verfügungen vom 14. Juni und 26. Juli 1989 des am 9. Januar 1990 verstorbenen D., geb. ... 1907, von I. und K., wohnhaft gewesen F., gemäss ZGB 519 als ungültig zu erklären, - es sei der Nachlass des Erblassers D. festzustellen und im Sinne seiner als gültig erklärten Testamente vom 3. Februar 1989 in Verbindung mit demjenigen vom 22. Juni 1988 zu teilen, - insbesondere sei bei der Teilung die Liegenschaft F., dem Kläger zuzuweisen gegen Leistung einer noch zu bestimmenden Ausgleichszahlung an die Beklagten, - ev. seien die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger im Sinne der nachstehenden Ausführungen eine noch zu bestimmende Summe zu bezahlen." Das Bezirksgericht L. wies in einem Vorentscheid vom 7. Juli 1995, welcher auf die Frage der Gültigkeit der beiden letztwilligen Verfügungen des D. vom 14. Juni und 26. Juli 1989 beschränkt war, die Klage betreffend Ungültigkeit dieser letztwilligen Verfügungen ab und stellte fest, jene vom 26. Juli 1989 sei gültig. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das A. mit Berufung gelangt war, beschloss am 29. Juli 1997, auf das Begehren, die letztwillige Verfügung vom 14. Juni 1989 ungültig zu erklären, werde nicht eingetreten; es erkannte ferner, das Begehren, die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 ungültig zu erklären, werde abgewiesen, und es werde festgestellt, dass diese gültig sei. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die von A. gegen das Urteil des Obergerichts geführte Nichtigkeitsbeschwerde am 14. Januar 1998 ab. C.- A. hat eidgenössische Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die letztwilligen Verfügungen des D. vom 14. Juni und 26. Juli 1989 ungültig zu erklären; sodann sei die Vorinstanz anzuweisen, den Nachlass festzustellen

und im Sinne der gültig erklärten Testamente vom 3. Februar 1989 in Verbindung mit jenem vom 22. Juni 1988 zu teilen, wobei die Liegenschaft F. ihm zuzuweisen sei. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Aus den Erwägungen:

1.- Das Bezirksgericht hat das Verfahren auf die Frage der Gültigkeit der beiden letztwilligen Verfügungen vom 14. Juni und 26. Juli 1989 beschränkt und wie in der Folge auch das Obergericht bloss darüber, nicht aber über die weiteren Begehren, insbesondere jenes auf Teilung des Nachlasses, befunden. a) Ob Testamente gültig sind, bildet materiellrechtliche Vorfrage der Teilung, deren Beantwortung diese präjudiziert. Wird die Gültigkeit des Testaments wie hier zum Gegenstand eines besonderen Rechtsbegehrens neben anderen - insbesondere jenem auf Teilung des Nachlasses - gemacht, so stellt der Entscheid darüber ein Teilurteil, nicht einen Vor- oder Zwischenentscheid dar, falls wie vorliegend die anderen Begehren unbeurteilt geblieben sind; denn es wird über eines der gestellten mehreren Klagebegehren in vollstreckungsfähiger Erledigung, nicht lediglich über eine streitige, Prozess- oder Anspruchsvoraussetzungen betreffende Vor- oder Zwischenfrage entschieden,

92

Page 94: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 410 (BGE_124_III_406)

Seite 411 (BGE_124_III_406)

von deren Beantwortung zwar das Schicksal von Klagebegehren abhängt, die aber unbeurteilt bleiben (BGE 104 II 285 E. 1b; 107 II 352 E. 2, je mit Hinweisen; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N. 1.1.7.1 zu Art. 48 OG; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Ziff. 69, S. 97; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, S. 196 Nr. 267; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage 1997, 7. Kapitel, N. 95; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage 1997, N. 2 f. zu § 189 ZPO/ZH). Teilurteile sind mit Berufung selbständig anfechtbar, wenn die davon erfassten Begehren zum Gegenstand eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und deren Beurteilung für den Entscheid über die verbleibenden Begehren präjudiziell ist (BGE 123 III 140 E. 2a; 117 II 349 E. 2a, je mit Hinweisen). Das Begehren auf Ungültigerklärung der beiden Testamente hätte für sich allein, also nicht notwendigerweise und nur im Zusammenhang mit anderen Begehren, insbesondere jenem auf Teilung des Nachlasses, anhängig gemacht werden können; dessen Beurteilung präjudiziert

den Entscheid über die restlichen Begehren, zumal sich je danach, ob der Betreffende als Erbe am Nachlass überhaupt beteiligt ist, die Teilungsquoten und -betreffnisse verändern. Das Obergericht stellt unwidersprochen fest, mit der vorgängigen Beurteilung der Gültigkeit der beiden Testamente könne in erheblichem Masse Kosten und Zeit gespart werden. Es kann daher offen gelassen werden, ob das für die Anfechtung anderer selbständiger Vor- oder Zwischenentscheide gemäss Art. 50 Abs. 1 OG verlangte Erfordernis, es müsse ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden können, so dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheine, in der Regel auch für Teilurteile gelte (BGE 123 III 140 E. 2a mit Hinweisen). Die Pflicht zur Begründung des Vorliegens der besonderen Eintretensvoraussetzungen des Art. 50 Abs. 1 OG (BGE 118 II 91 E. 1a), die im Übrigen in der Literatur unter Hinweis auf Art. 55 Abs. 1 OG in Frage gestellt wird (POUDRET, a.a.O., N. 2.6 zu Art. 50 OG; BIRCHMEIER, SJK 937 S. 7 Ziff. 5; WURZBURGER, a.a.O., S. 295 Nr. 309 und S. 11 Nr. 9), kann nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres auch für Teilurteile bejaht werden, die unter Art. 48 OG fallen (BGE 104 II 285 E. 1b); denn diese Bestimmung enthält keinerlei Art. 50 Abs. 1 OG entsprechende Vorbehalte. Die Eintretensvoraussetzungen nicht besonders begründet zu haben, kann dem Kläger daher nicht schaden, umso mehr als die Zulässigkeit der Berufung von Amtes wegen und frei zu prüfen ist (BGE 120 II 270 E. 1 und 352 E. 1, je mit Hinweisen). b) Der Entscheid des Obergerichts ist in zwei mit unterschiedlicher Rechtsmittelbelehrung versehene Teile gegliedert: einen Beschluss, durch welchen auf das Begehren, die letztwillige Verfügung vom 14. Juni 1989 ungültig zu erklären, nicht eingetreten wird, und ein Urteil, durch welches das Begehren, die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 ungültig zu erklären, abgewiesen und deren Gültigkeit festgestellt wird. Der Kläger ficht beide mit Berufung an. Aus der allenfalls unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Obergerichts, welche das Bundesgericht ohnehin nicht zu binden vermöchte, kann dem Kläger daher kein Nachteil erwachsen sein, der zu beheben wäre (BGE 117 II 508 E. 2 S. 511 mit Hinweisen). Beim Erkenntnis, die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 sei gültig, handelt es sich um einen Entscheid, durch den materiell in der Sache befunden worden ist; als solches kann es mit Berufung angefochten werden (BGE 122 III 92 E. 2a). Berufungsfähig wäre

- ebenso für sich allein betrachtet - der Nichteintretensbeschluss, sofern durch diesen die Beurteilung der Gültigkeit des Testamentes vom 14. Juni 1989 aus einem Grund abgelehnt worden wäre, der endgültig verbietet, dass der gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht werden kann (BGE 120 II 352 E. 1b mit Hinweisen). Ist dieses Erfordernis strikt und in dem Sinne zu verstehen, dass

93

Page 95: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 412 (BGE_124_III_406)

Erwägung 3

nur die allein und unmittelbar aus diesem Grund sich ergebende rechtliche Unmöglichkeit erneuter Klageanhebung beachtlich ist (BGE 86 II 123), wäre es durch den Nichteintretensbeschluss nicht erfüllt; und das Gleiche gälte bei fehlendem Rechtsschutzinteresse. Bei dieser restriktiven Zulassungspraxis, welche von POUDRET (a.a.O., N. 1.1.4 zu Art. 48 OG) kritisiert wird, wäre fraglich, ob nicht auch eine im Zusammenwirken mit anderen Gründen eingetretene rechtliche Unmöglichkeit (z.B. die Verjährung nach Art. 521 ZGB) zu verhindern vermöchte, dass der materielle Anspruch erneut Gegenstand eines Prozesses werde. Nichts schliesst jedoch aus, dass sich das Rechtsschutzinteresse nachträglich einstellen kann. Vorliegend besteht indessen eine besondere Konstellation, indem in ein und demselben, auf die Frage der Gültigkeit der beiden letztwilligen Verfügungen beschränkten Verfahren durch einen einzigen Entscheid - allerdings in Beschluss und Urteil aufgegliedert - über die beiden Ungültigkeitsbegehren befunden worden ist; letztere hängen insofern voneinander ab, als die Abweisung des Ungültigkeitsbegehrens betreffend das Testament vom 26. Juli 1989 notwendigerweise das Rechtsschutzinteresse für das Ungültigkeitsbegehren betreffend die letztwillige Verfügung vom 14. Juni 1989 dahinfallen lässt. Diese innere Verknüpfung erlaubt eine getrennte, voneinander losgelöste Betrachtungsweise nicht, welche dazu führte, dass auf die gegen den Nichteintretensbeschluss gerichtete Berufung mangels Endgültigkeit desselben, damit aber auch auf die Berufung gegen die Feststellung der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 nicht eingetreten werden könnte. Für deren Beurteilung mangelte das Interesse, wenn die Ungültigkeit des Testaments vom 14. Juni 1989, welches die Anordnung der gesetzlichen Erbfolgen enthält, nicht festgestellt, dieses also als gültig zu betrachten wäre. Solange das Urteil, die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 sei gültig, besteht - und das trifft bei Prüfung der Eintretensvoraussetzungen unbekümmert darum zu, ob es bei Abschluss des Berufungsverfahrens noch Bestand habe -, ist ein Nichteintreten auf das Ungültigkeitsbegehren bezüglich des Testaments vom 14. Juni 1989 ausgeschlossen. Denn der Konnex zwischen den

beiden letztwilligen Verfügungen und den darauf beruhenden Entscheiden verbietet endgültig, dass der gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht werden kann. Auch auf die gegen den Nichteintretensbeschluss gerichtete Berufung ist deshalb einzutreten. c) Der für die Berufung erforderliche, wenigstens Fr. 8'000.-- betragende Streitwert ist erreicht. d) Soweit die Berufungsanträge über die Begehren auf Ungültigkeitserklärung der letztwilligen Verfügungen vom 14. Juni und 26. Juli 1989 hinausgehen, auf deren Beurteilung das kantonale Verfahren beschränkt worden ist, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden.

3.- Die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 ist vom Erblasser mit "Testamentaufhebung" überschrieben, und er bestätigt im Folgenden darin, dass er die am 14. Juni 1989 geschriebene Abänderung - womit er anerkanntermassen jene in seiner letztwilligen Verfügung vom 14. Juni 1989 meint - als gültig erkläre. Das Obergericht schränkt die Prüfung der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 auf diese Bestätigung ein. Das erweist sich im Ansatz als unzutreffend; ob ein Testament gültig ist, es insbesondere überhaupt einen materiellen Inhalt aufweist, entscheidet sich aufgrund der gesamten eigenhändigen Aufzeichnung des Erblassers, wenn es wie hier insgesamt den Formerfordernissen genügt. Als Ganzes betrachtet weist die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989 sehr wohl eine erbrechtliche Anordnung minimalen materiellen Inhalts auf, infolge ihrer dahingehenden Kennzeichnung nämlich den erklärten Willen des Erblassers einer Testamentaufhebung; sie ist so betrachtet also nicht inhaltslos, wie der Kläger es geltend macht, und sie erschöpft sich ebenso wenig in einem blossen Verweis auf eine frühere letztwillige Verfügung. Welche Testamente dieser Wille auf Aufhebung umschliesst, hat der Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 allerdings nicht näher umschrieben. Zur Erhellung dessen, was wie hier als Wille des Erblassers zwar klar, aber in unvollständiger Weise zum Ausdruck gebracht wurde, ist Auslegung zulässig (BGE 101 II 31 E. 3 S. 35); diese kann jedoch nicht dazu dienen, einen in der letztwilligen Verfügung nicht zum

94

Page 96: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 413 (BGE_124_III_406)

Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers in diese einzuführen (BGE 109 II 403 E. 2b S. 406 mit Hinweisen). Bei Auslegung der Willenserklärung ist der Gesamtheit des Testaments Rechnung zu tragen, und es können auch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente, Umstände und Beweismittel dazu herangezogen werden (BGE 120 II 182 E. 2a und 117 II 142 E. 2a, je

mit Hinweisen). Wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989, nachdem er den Willen zur Testamentaufhebung geäussert hat, bestätigt, dass er die am 14. Juni 1989 geschriebene Abänderung als gültig erkläre, so ist daraus zweifelsfrei zu entnehmen, dass er gerade diese Abänderung auf keinen Fall aufheben wollte. Als Beweismittel für den Inhalt der Abänderung, die in der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 auch nicht ansatzweise wiedergegeben wird, beispielsweise durch Bezugnahme auf die gesetzliche Erbfolge, kann im Rahmen der Auslegung, welche Testamente nach dem Willen des Erblassers aufgehoben sind, die letztwillige Verfügung vom 14. Juli 1989 unbekümmert darum, ob sie als solche rechtswirksam ist oder nicht, ohne weiteres herangezogen werden. Aus dieser geht hervor, dass die früheren letztwilligen Verfügungen widerrufen sind und in Bezug auf den Nachlass die gesetzliche Regelung gelten soll. Ging der vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 geäusserte Wille auf Testamentaufhebung, gemäss dessen Auslegung aber nicht auf Aufhebung der Abänderung, durch welche er die gesetzliche Erbfolge in seinen Nachlass angeordnet hatte, so bleibt als Ergebnis der Auslegung, dass nach dem Willen des Erblassers lediglich alle übrigen letztwilligen Verfügungen aufgehoben sind. Das führt zur gesetzlichen Erbfolge und damit zur Abweisung der Ungültigkeitsklage betreffend die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 1989. Dann bleibt es aber auch beim Nichteintreten auf die Ungültigkeitsklage betreffend die letztwillige Verfügung vom 14. Juni 1989, für welche jedes Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn sich der Wille des Erblassers der gültigen letztwilligen Verfügung vom 26. Juli 1989 entnehmen lässt.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 3

Seiten 406 408 409 410 411 412 413

95

Page 97: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

131 III 106 14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. G.F. gegen Erben des H.B. (Berufung) 5C.49/2004 vom 27. Oktober 2004

Die am 11. Mai 1979 im Alter von knapp 59 Jahren verstorbene A.B. (nachstehend auch: Erblasserin) hatte am 1. März 1979 eine eigenhändige letztwillige Verfügung mit dem folgenden Wortlaut verfasst: "Ich, die Unterzeichnete, A.B., geboren am 20. Juni 1920, von Z., bestimme hiermit bezüglich meines Nachlasses, was folgt: 1. Ich setze meinen Ehegatten, H.B. ... als meinen Universalerben ein. 2. Mein Ehegatte ist als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit.

3. Als meinen Testamentsvollstrecker ernenne ich lic. jur. K.L. ... 4. Wer dieses Testament und Entscheidungen des Testamentsvollstreckers anficht, wird auf den Pflichtteil gesetzt, soweit ein solcher besteht, sonst ganz von der Erbschaft ausgeschlossen. Zürich, den 1. März 1979 A.B." In dem vom Notariat X. errichteten Nacherbschaftsinventar vom 8. Oktober 1979 wurde als Hauptaktivum der (Erb-)Anteil von 13/32 an der aus dem väterlichen Nachlass stammenden Liegenschaft an der Strasse Z. in Y. aufgeführt. Am 3. Februar 1982 starb die Mutter der Erblasserin. Deren einzige Erbin war ihre ältere Tochter, E.F. In der Folge wurden im Grundbuch bezüglich der Liegenschaft an der Strasse Z. in Y. E.F. und H.B. als "Gesamteigentümer infolge Erbengemeinschaft" eingetragen. Am 14. Oktober 1997 starb E.F., die als einzigen Erben ihren Sohn G.F. hinterliess. Einen Tag danach, am 15. Oktober 1997, starb auch H.B. Er hinterliess zahlreiche gesetzliche Erben. Eine letztwillige Verfügung von ihm ist nicht vorhanden. Im Zeitpunkt des Ablebens von H.B. war aus dem Nachlass seiner vorverstorbenen Ehefrau, A.B. (Erblasserin), einzig noch deren Anteil an der Liegenschaft an der Strasse Z. vorhanden. Mit Eingabe vom 22. Februar 1999 erhob G.F. beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die Erben von H.B. Er verlangte, es sei festzustellen, dass er Nacherbe und damit Alleinerbe im Nachlass von A.B. sei, und das Grundbuchamt X. sei anzuweisen, ihn als Eigentümer der Liegenschaft Z. in Y. einzutragen. Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage. Nachdem das Bezirksgericht die Klage in einem ersten Urteil abgewiesen hatte und die Sache vom Obergericht des Kantons Zürich zurückgewiesen worden war, erkannte es in seinem neuen Urteil vom 1. November 2002, dass das

Urteilskopf

Auslegung eines Testaments. Grundsätze für die Auslegung eines Testaments (E. 1). Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin ihren zum Universalerben eingesetzten Ehemann als "Vorerbe" bezeichnet hat, eine Bestimmung über Nacherben jedoch fehlt (E. 3 und 4).

Regeste

Sachverhalt ab Seite 106

BGE 131 III 106 S. 107

96

Page 98: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grundbuchamt X. in Gutheissung der Klage angewiesen werde, H.B. als Gesamteigentümer der Parzelle an der Strasse Z. in Y. zu löschen und den Kläger an dessen Stelle als Gesamteigentümer einzutragen. Das Obergericht hiess am 18. November 2003 eine Berufung der Beklagten gut und wies die Klage ab. Das Bundesgericht weist die vom Kläger erhobene Berufung ab, soweit darauf einzutreten ist.

Aus den Erwägungen:

1. Die Parteien streiten um den Anspruch auf den im Zeitpunkt des Ablebens von H.B. aus dem Nachlass seiner Ehefrau, A.B., einzig noch vorhandenen Anteil an der Liegenschaft an der Strasse Z. Wem dieser zusteht, beurteilt sich nach dem letzten Willen von A.B., den diese in ihrem Testament vom 1. März 1979 niedergelegt hat. 1.1 Das Testament stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei seiner Auslegung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Auszugehen ist vom Wortlaut. Ergibt dieser für sich selbst betrachtet eine klare Aussage, entfallen weitere Abklärungen. Sind dagegen die testamentarischen Anordnungen so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, oder lassen sich mit guten Gründen mehrere Auslegungen vertreten, dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden. Stets hat es jedoch bei der willensorientierten Auslegung zu bleiben; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte (zum Ganzen BGE 124 III 414 E. 3 S. 416 f.; 117 II 142 E. 2a S. 144; 115 II 323 E. 1a S. 325, mit Hinweisen). 1.2 Auf Grund der Vorstellung, dass der Erklärende das geschriebene Wort dem allgemeinen Sprachgebrauch (Verkehrssprache, Rechtssprache) entsprechend versteht, gilt die Vermutung, dass Gewolltes und Erklärtes übereinstimmen (NICCOLÒ RASELLI, Erklärter oder wirklicher Wille des Erblassers?, in: AJP 1999 S. 1263 Ziff. II/3). Indessen kann die vom Erklärenden verwendete Bezeichnung oder Ausdrucksweise sich als missverständlich oder als unrichtig erweisen, sei es wegen eines blossen Verschriebs, sei es deshalb, weil Ausdrücke in einer von der Verkehrs- oder Rechtssprache abweichenden Bedeutung verwendet wurden. Nach der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 18 Abs. 1 OR, die bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen sinngemäss heranzuziehen ist

(Art. 7 ZGB), ist der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen (dazu RASELLI, a.a.O., S. 1267 Ziff. VII mit Hinweisen; PETER BREITSCHMID, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 22 zu Art. 469 ZGB).

2. Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht die Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch die kantonale Instanz frei. Gebunden ist es indessen an die tatsächlichen Feststellungen, aus denen sich der innere Wille des Erblassers ergibt (BGE 125 III 35 E. 3a S. 39; 120 II 182 E. 2a S. 184, mit Hinweisen). Soweit der Kläger die vom Obergericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen als unzutreffend rügt oder die vorinstanzliche

BGE 131 III 106 S. 108

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

BGE 131 III 106 S. 109

Erwägung 2

97

Page 99: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Würdigung der Zeugenaussagen beanstandet, ist auf die Berufung daher nicht einzutreten.

3. 3.1 Die Anordnungen von A.B. in der letztwilligen Verfügung sind in einfacher und leicht verständlicher Sprache abgefasst. In Ziffer 1 bestimmte die Erblasserin, dass der mit ihr in ehelicher Gemeinschaft lebende Ehemann ihr "Universalerbe" sein solle. Damit gab sie klar zum Ausdruck, dass nach ihrem Tod sämtliche Vermögenswerte ihrem Ehemann zufallen sollten. Die Erblasserin erliess diese Verfügung in einem Zeitpunkt, da sie wegen einer schweren Erkrankung den Tod vor Augen hatte und damit rechnen musste, dass sie ihre 29 Jahre ältere Mutter und erst recht ihre Schwester E.F. nicht werde überleben können. Ohne Testament hätten sowohl der Mutter als auch der Schwester Erbansprüche zugestanden (vgl. [a]Art. 462 Ziff. 2 ZGB). Ein Teil davon wäre gemäss (a)Art. 471 Ziff. 2 ZGB sogar pflichtteilsgeschützt gewesen. Entgegen der Meinung des Klägers war mithin die strittige letztwillige Verfügung nicht darauf ausgerichtet, die Herkunftsfamilie der Erblasserin möglichst zu begünstigen. Ziffer 1 des Testaments hat vielmehr die gegenteilige Zielrichtung. 3.2 In Ziffer 2 ihrer letztwilligen Verfügung legte die Erblasserin fest, dass ihr Ehemann als Vorerbe von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit sei. Der Text ist in diesem Punkt insofern lückenhaft, als der Ehemann nicht zunächst förmlich in den Status eines Vorerben eingesetzt wurde und keine Nacherben bezeichnet wurden.

Es ist indessen Sache des Erblassers, und nicht des Vorerben, die Nacherben zu bestimmen, sind doch diese die Rechtsnachfolger des Erblassers, und nicht des Vorerben (dazu EUGEN SPIRIG, Nacherbeneinsetzung und Nachvermächtnis, in: ZBGR 58/1977 S. 202). Angesichts der dargelegten Lückenhaftigkeit dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden. 3.2.1 Für die Klärung von Ziffer 2 der letztwilligen Verfügung sind die Zeugenaussage von K.L. und die von ihm eingereichten Schriftstücke von besonderer Bedeutung. Diese Beweismittel hatten im Zeitpunkt des vom Obergericht am 25. Juni 2001 gefällten Beschlusses, die Sache an das Bezirksgericht zurückzuweisen, noch nicht zur Verfügung gestanden. In jenem Entscheid war die Vorinstanz ohne weiteres von einer Nacherbeneinsetzung ausgegangen, und sie hatte sich nur gefragt, welche Personen nach dem Willen der Erblasserin Nacherben sein sollten. Die Aussagen von K.L. und die von ihm eingereichten Schriftstücke stellen indessen die Nacherbeneinsetzung selbst in Frage. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist K.L. ein als Berater in Erbsachen tätiger Jurist. K.L. habe als Zeuge erklärt, er habe im Mai 1978 H.B. im Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses beraten. Ob bei der Beratung auch die Ehefrau A.B., die Erblasserin, zugegen gewesen sei, vermöge er nicht mehr zu sagen; auszuschliessen sei es nicht. Es sei aber sicher auch darüber gesprochen worden, dass Frau A.B. ein Testament errichten sollte. Bei den ins Auge gefassten testamentarischen Vorkehren sei es um die gegenseitige Sicherstellung der Ehegatten gegangen für den Fall, dass einer ableben sollte. Sicher sei H.B. von ihm, dem Zeugen, darauf hingewiesen worden, dass es zwei Testamente brauche, um die Nachfolge vernünftig zu regeln. Das Obergericht hält sodann fest, dass K.L. einen für H.B. erstellten Testamentsentwurf eingereicht habe, und zwar sowohl in einer handschriftlichen als auch in einer maschinengeschriebenen Version. Letztere trage das Datum vom 8. Mai 1978 sowie die Initialen des Zeugen. Dieser habe darauf hingewiesen, dass der Entwurf als Vorlage für Testamente beider Ehegatten hätte dienen sollen; deshalb finde sich im Entwurf die Formulierung "ich, der/die Unterzeichnete". K.L. habe weiter ausgesagt, er habe sich nie mit der konkreten Formulierung des Testaments der Erblasserin befasst. Auf Vorhalt der letztwilligen Verfügung der Erblasserin habe er jedoch

Erwägung 3

BGE 131 III 106 S. 110

BGE 131 III 106 S. 111 98

Page 100: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

erklärt, er nehme an, dass die Formulierung einen Teil seines Entwurfs vom 8. Mai 1978 darstelle. Nach Auffassung des Obergerichts ist dies offensichtlich so: Ziffer 1 des Testaments der Erblasserin (Universalerbeneinsetzung) entspreche exakt dem Entwurf von K.L. Gleiches gelte für die Schlussbestimmung, mit der die Erben hätten davon abgehalten werden sollen, das Testament sowie Handlungen des Willensvollstreckers anzufechten. Auch der im vorliegenden Prozess interessierende Passus betreffend die Befreiung des Vorerben von der Sicherstellungspflicht stamme wörtlich aus dem Entwurf des Zeugen. Ziffer 2 des Entwurfs sei von der Erblasserin allerdings nur als Torso übernommen worden. Der erste Absatz, mit dem die Nacherbeneinsetzung ausdrücklich hätte verfügt werden sollen und der auch die namentliche Bezeichnung der Nacherben vorgesehen habe, sei nämlich von der Erblasserin weggelassen worden. Die Vorinstanz weist des Weitern auf die Erklärung von K.L. hin, anlässlich der Beratung im Jahre 1978 sei sicher über "Nacherben" gesprochen worden: "Deshalb auch die Ziffer 2". Ob in diesem Zusammenhang der Name des Klägers genannt worden sei, könne er nicht mehr sagen. Er meine, dass der Kläger im Zusammenhang mit Ziffer 3 des Entwurfs, wonach "meinem Göttikind" ein Legat hätte vermacht werden sollen, erwähnt worden sein könnte. Im Übrigen sei ihm, dem Zeugen, gegenüber der Name des Klägers sicher Jahre später, anlässlich einer andern Besprechung, erwähnt worden. 3.2.2 In Würdigung der Aussagen von K.L. und der von diesem vorgelegten Unterlagen stellt das Obergericht alsdann fest, es seien neue wesentliche Aspekte zu Tage gefördert worden. Aufgedeckt worden sei, wie die Erblasserin zu den in ihrer letztwilligen Verfügung gewählten Formulierungen gekommen sei. Es stehe auf Grund der Aussagen von K.L. fest, dass die Erblasserin offensichtlich den Entwurf des Zeugen als Vorlage für die Abfassung ihres Testaments benutzt habe. Der Entwurf habe in Ziffer 2 eine Nacherbeneinsetzung unter Nennung der Nacherben und Angabe ihrer Quoten vorgesehen. Die Erblasserin habe ihre Formulierung sorgfältig an die Vorlage angelehnt. Beim Abschreiben habe sie den ersten Absatz von Ziffer 2 betreffend Nacherbeneinsetzung einfach weggelassen und sich mit dem zweiten Absatz betreffend Befreiung des Vorerben von der Sicherstellungspflicht begnügt. Bei der Übernahme von Ziffer 4 der Vorlage ("Als meinen Testamentsvollstrecker

auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft ernenne ich Herrn lic. iur. K.L. und bei dessen Verhinderung die S. AG ...") habe sie - nebst der Ersatztestamentsvollstreckerin - die Worte "auch bezüglich einer allfälligen Nacherbschaft" ausgelassen. Sie habe sich darauf beschränkt, ihren als "Universalerben" eingesetzten Ehemann "als Vorerben" von jeglicher Sicherstellungspflicht zu befreien. 3.2.3 Auf Grund der festgestellten Gegebenheiten hält es das Obergericht für fraglich, ob die nicht juristisch ausgebildete Erblasserin tatsächlich eine konstruktive Nacherbeneinsetzung habe vornehmen wollen, um so mehr, als sie die letztwillige Verfügung nicht unmittelbar nach der erteilten Rechtsberatung abgefasst habe, sondern gestützt auf Vorlagen, die vom Berater Monate zuvor ihrem Ehemann ausgehändigt worden seien. Die Annahme liege nahe, Ziffer 2 der letztwilligen Verfügung beruhe auf der Überlegung, dass die Befreiung des "Universalerben" von einer Sicherstellungspflicht allenfalls dessen Stellung aufwerte, sie jedoch sicher nicht beeinträchtige. Hätte die Erblasserin den Kläger als Nacherben einsetzen wollen, wäre schwer verständlich, warum sie ihn in ihrer letztwilligen Verfügung nicht namentlich erwähnt habe, wenn sie doch die Vorlage von K.L., welche die namentliche Bezeichnung der Nacherben ausdrücklich vorgesehen habe, vor sich gehabt habe. 3.2.4 Ob entgegen ihrer im Rückweisungsbeschluss vom 25. Juni 2001 geäusserten Auffassung eine Nacherbeneinsetzung allenfalls zu verneinen sei, hat die Vorinstanz letztlich offen gelassen. Sie hatte deshalb zu prüfen, wer im Falle der Annahme einer Nacherbeneinsetzung durch die letztwillige Verfügung hätte begünstigt werden sollen, und kam zum Schluss, dass es die gesetzlichen Erben der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes gewesen wären. Da diese den Nacherbfall indessen nicht erlebt hätten, sei die Erbschaft im Sinne von Art. 492 Abs. 2 ZGB beim Vorerben, d.h. bei H.B., verblieben, weshalb die Klage abzuweisen sei.

BGE 131 III 106 S. 112

Erwägung 499

Page 101: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

4. 4.1 Für die Annahme, die von der Erblasserin am 1. März 1979 errichtete letztwillige Verfügung enthalte eine Nacherbeneinsetzung, bleibt angesichts der vom Obergericht festgehaltenen tatsächlichen Gegebenheiten kein Raum. Auf Grund der Aussagen des Zeugen K.L. und der von diesem vorgelegten Schriftstücke kann das Testament in seiner Gesamtheit betrachtet nur so verstanden werden, dass die Erblasserin ihren Ehegatten als Universalerben einsetzen und keine Nacherbeneinsetzung vornehmen wollte. Soweit die

Erblasserin den vom Zeugen verfassten Testamentsentwurf übernommen hat, hat sie ihn Wort für Wort abgeschrieben. Auf den (Haupt-)Teil der Ziffer 2, der von der Nacherbeneinsetzung und von der Bestimmung der Quoten handelte, hat sie indessen verzichtet und damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Nacherbeneinsetzung wollte. Sie hat lediglich den letzten Satz von Ziffer 2 übernommen und damit den Willen geäussert, dass ihr Ehegatte von jeglicher Sicherstellungspflicht befreit sein solle. Freilich hat die Erblasserin ihren Ehegatten - entsprechend der Vorlage mit einem Begriff der Rechtssprache - als Vorerbe bezeichnet. Es kann indessen nicht davon ausgegangen werden, dass sie als juristische Laie genau wusste, was ein Vorerbe sei und dass die Bestimmung eines Vorerben eine Nacherbeneinsetzung voraussetze. Werden Vorlage und Testament miteinander verglichen, drängt sich die Annahme auf, die Erblasserin habe diesen Begriff lediglich deshalb gewählt, weil er in der Vorlage so stand und sie habe vermeiden wollen, dass ihr Ehemann zu irgendwelchen Sicherheitsleistungen herangezogen werden könnte. Auch daraus, dass die Erblasserin - unter Ziffer 3 der letztwilligen Verfügung - Ziffer 4 der Vorlage nur teilweise übernahm, ergibt sich, dass es der Erblasserin nicht um die Anordnung einer Nacherbschaft gegangen war. Sie setzte zwar den Zeugen K.L. als ihren Testamentsvollstrecker ein, jedoch nicht auch bezüglich einer Nacherbschaft, wie es im Entwurf formuliert worden war. Diese Streichung kann nicht anders verstanden werden, denn als Bestätigung des Verzichts auf die Nacherbeneinsetzung. Ausserdem hat die Erblasserin auf die Übernahme von Ziffer 3 der Vorlage verzichtet, worin für das Göttikind, das in ihrem Fall der Kläger gewesen wäre, die Festsetzung eines Legats vorgesehen war. Auch daraus ergibt sich, dass der Ehegatte ohne irgendeine Einschränkung als Erbe eingesetzt werden sollte. Die erwähnte Weglassung widerlegt die Vermutung mehrerer Zeugen, dass die Erblasserin den Kläger habe begünstigen wollen. Schliesslich bestätigt auch der Umstand, dass die Erblasserin - unter Ziffer 4 - die rechtstechnisch abgefasste Schlussbestimmung (Ziffer 5) wörtlich wiedergab, ihren Willen, der Vorlage genau zu folgen, soweit sie mit deren Inhalt einverstanden war, und lediglich die Passagen wegzulassen, die sie nicht in ihr Testament aufnehmen wollte. Unter den dargelegten Umständen kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht gesagt werden, das Testament enthalte wegen der

missglückten und überflüssigen Verwendung des Rechtsbegriffs "Vorerbe" in Ziffer 2 eine Lücke bezüglich der Nacherbeneinsetzung. Die Überlegungen zur Frage, wie eine Lücke in einem Testament zu füllen sei, stossen daher ins Leere. 4.2 Führt die Auslegung des Testaments nach dem Gesagten zum eindeutigen Ergebnis, dass eine Nacherbeneinsetzung zu verneinen ist, ist den klägerischen Ausführungen zu den verschiedenen Zeugenaussagen der Boden entzogen. Das Obergericht hat im Übrigen festgehalten, dass der Kläger selbst wie auch praktisch alle von ihm angerufenen Zeugen ihre Schlussfolgerungen zugunsten des Klägers nicht aus konkreten Hinweisen auf eine von der Erblasserin beabsichtigte letztwillige Verfügung herleiteten, sondern im Wesentlichen nur aus dem engen Zusammenhang der Familiengemeinschaft und der allgemeinen Meinung, die bei allen Beteiligten mehr oder weniger unausgesprochen vorgeherrscht haben soll; die Einschätzungen der verschiedenen Personen hätten auf subjektiven Beurteilungen beruht. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat keiner der Zeugen (mit Ausnahme von M.N.) mit der Erblasserin über ihre konkrete

BGE 131 III 106 S. 113

BGE 131 III 106 S. 114

100

Page 102: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Nachfolgeregelung gesprochen. Die Aussage von M.N. vermöge zwar gewisse Indizien für den vom Kläger eingenommenen Standpunkt abzugeben, doch wirke die Stellungnahme dieser Zeugin nicht sehr überzeugend. Sodann sei die Erblasserin nach der Darstellung einiger Zeugen wohl der Meinung gewesen, dass das Haus dereinst irgendwie auf den Kläger übergehen werde, doch ergäben sich keine konkreten Hinweise dafür, dass die Erblasserin konkret daran gedacht hätte, nach dem Hinschied ihres Ehemannes den Kläger als Erben einzusetzen. Selbst der Kläger und seine Frau hätten nie ausgesagt, die Erblasserin habe ausdrücklich erklärt, dass der Kläger ihren Anteil am Haus erben werde. Bei dieser für das Bundesgericht verbindlichen Beweiswürdigung sind die Hinweise des Klägers auf seine besondere Beziehung zur Erblasserin, auf die Familienstruktur und die Lebensumstände sowie auf die übrigen Zeugen unbehelflich.

nach oben

101

Page 103: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

133 III 406 50. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gesellschaft X. und Stiftung Y. gegen T., U. und V. (Berufung) 5C.46/2007 / 5C.47/2007 vom 6. Juni 2007

A.Z. (Ehemann) und B.Z. (Ehefrau), Jahrgänge 1926 und 1928, heirateten am 3. Juli 1954. Ihre Ehe blieb kinderlos. Am 7. Dezember 1973 liessen die Ehegatten einen Ehe- und Erbvertrag öffentlich beurkunden. Sie vereinbarten den Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft. Für die Auflösung des ehelichen Vermögens nach dem Ableben des erstversterbenden Ehegatten sahen sie vor, dass das eheliche Gesamtgut vollumfänglich dem überlebenden Ehegatten zufallen sollte (Bst. A Ziff. 3). Unter dem Zwischentitel "Erbrechtliche Vereinbarungen" (Bst. B) setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein und trafen folgende Regelung: "Der überlebende Ehegatte ist über die ihm aus Güterrecht und Erbrecht zugefallenen Vermögenswerte uneingeschränkt verfügungsberechtigt. Namentlich ist er befugt, nach seinem Ermessen aus dem ihm zugefallenen Vermögen Zuwendungen vorzunehmen oder zu verfügen" (Bst. B Ziff. 1.13). Hinsichtlich der Erbfolge und der Erbteilung beim Ableben des zweitversterbenden Ehegatten oder beim gleichzeitigen Tod beider Ehegatten bestimmten sie, der frei verfügbare Teil des Erbschaftsvermögens sei aufzuteilen zur Hälfte an die Gesellschaft X. und zur Hälfte an die Stiftung Y. (Bst. B Ziff. 2.22). B.Z. starb am 14. Juli 1981. In einem eigenhändig errichteten Testament vom 15. September 1999 widerrief A.Z. sämtliche letztwilligen Verfügungen. Er setzte T. als Alleinerbin und ihre beiden Kinder U. und V. als Ersatzerben ein. Für den Fall, dass T. eine Ehe eingehen sollte, bezeichnete A.Z. sie als Vorerbin ohne Pflicht zur Sicherstellung und die beiden Kinder als Nacherben. In einem Nachtrag vom 22. September 1999 verfügte A.Z., dass bei Fehlen eines der Kinder von T. das andere Kind alleine erben sollte. A.Z. starb am 25. März 2003. Der Nettowert des Nachlasses beträgt rund 1,9 Mio. Franken. Im behördlichen Sicherungsinventar ist eine 1995 abgeschlossene Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert per 31. Dezember 2002 in der Höhe von Fr. 555'000.- verzeichnet.

Als Begünstigte finden sich in der Police für den Erlebensfall "der Versicherungsnehmer" und im Todesfall "gemäss Testament" eingetragen. Die Gesellschaft X. (Klägerin 1) und die Stiftung Y. (Klägerin 2) erhoben als Erbinnen gemäss Erbvertrag Klage gegen T. und deren Kinder U. und V. (hiernach: Beklagte). Die Klagen wurden in erster Instanz gutgeheissen, in zweiter Instanz hingegen abgewiesen. Das Kantonsgericht stellte fest, dass

Urteilskopf

Art. 494 ZGB; Regeln für die Auslegung von Erbverträgen. Verhältnis zwischen einem Erbvertrag und ihm widersprechenden späteren unentgeltlichen Zuwendungen. Die Frage, ob eine vertragsmässige und damit bindende oder eine einseitige und damit widerrufliche Anordnung vorliegt, muss auf Grund der Interessenlage der Vertragsparteien beantwortet werden, wenn deren übereinstimmender wirklicher Wille nicht ermittelt werden kann und der Wortlaut der Vertragsklausel keinen genauen Aufschluss gibt. Die Einsetzung von Dritten als Erbinnen, die mit dem erstversterbenden Ehegatten weder in einer verwandtschaftlichen noch in einer persönlichen Beziehung standen, kann der überlebende Ehegatte grundsätzlich frei widerrufen (E. 2 und 3).

Regeste

BGE 133 III 406 S. 407

Sachverhalt

BGE 133 III 406 S. 408

102

Page 104: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

auf Grund des Testamentes vom 15./22. September 1999 die Beklagte 1 alleinige Vorerbin ohne Pflicht zur Sicherstellung und ihre beiden Kinder, die Beklagten 2 und 3, Nacherben zu gleichen Teilen des ganzen Nachlasses sind. Das Bundesgericht weist die Berufungen der Klägerinnen ab.

Aus den Erwägungen:

2. Die Ehegatten Z. haben am 7. Dezember 1973 eine öffentliche Urkunde mit der Überschrift "Ehe- und Erbvertrag" unterzeichnet. Die "Erbrechtlichen Vereinbarungen" (Bst. B) regeln die Erbfolge und Erbteilung beim Ableben des erstversterbenden Ehegatten (Ziff. 1) und beim Ableben des zweitversterbenden Ehegatten oder beim gleichzeitigen Tod beider Ehegatten (Ziff. 2). Ein dritter Abschnitt befasst sich mit Fragen der Bestattung. Streitig ist, inwiefern die vom Erblasser A.Z. 1995 abgeschlossene Lebensversicherung und das Testament des Erblassers vom 15./22. September 1999 mit dem früher unterzeichneten Erbvertrag vereinbar sind. 2.1 Gemäss Art. 494 ZGB kann sich der Erblasser durch Erbvertrag einem andern gegenüber verpflichten, ihm oder einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen (Abs. 1). Er kann über sein Vermögen frei verfügen (Abs. 2). Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen, die mit seinen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen jedoch der Anfechtung (Abs. 3). Neben vertraglichen Bestimmungen, die beide Parteien binden, kann das in der Form eines Erbvertrags abgefasste Rechtsgeschäft auch einseitige, testamentarische Klauseln enthalten, die im Sinne von Art. 509 Abs. 1 ZGB frei widerrufen werden können (BGE 105 II 253 E. 1b S. 257). Spätere Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen können deshalb gestützt auf Art. 494 Abs. 3 ZGB nicht angefochten werden, wenn der streitige Teil des Erbvertrags keine vertraglichen Bestimmungen enthält, sondern einseitige, testamentarische Klauseln (BGE 101 II 305 E. 3a S. 309).

2.2 Die obligationenrechtlichen Regeln der Vertragsauslegung gelten nach der Rechtsprechung auch für Erbverträge. Massgebend ist der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien (Tatfrage). Bleibt eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Willens der Parteien deren Erklärungen auf Grund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (Rechtsfrage; vgl. BGE 132 III 626 E. 3.1 S. 632; für Erbverträge: BGE 127 III 529 E. 3c S. 533; Urteil 5C.109/2004 vom 16. Juli 2004, E. 3.3.1, publ. in: Pra 94/2005 Nr. 28 S. 212 f. und ZBGR 87/2006 S. 97 f.). Dabei hat der Wortlaut Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln, es sei denn, er erweise sich auf Grund anderer Vertragsbedingungen, dem von den Parteien verfolgten Zweck oder weiteren Umständen als nur scheinbar klar. Den wahren Sinn einer Vertragsklausel erschliesst zudem erst der Gesamtzusammenhang, in dem sie steht. Die Begleitumstände des Vertragsabschlusses oder die Interessenlage der Parteien in jenem Zeitpunkt dürfen ergänzend berücksichtigt werden (allgemein: BGE 131 III 377 E. 4.2.1 S. 382 und 606 E. 4.2 S. 611 f.). 2.3 Die Frage, ob eine bestimmte im Erbvertrag enthaltene Klausel vertraglicher oder einseitiger Natur ist, beurteilt sich ebenfalls nach allgemeinen Grundsätzen. Vertragliche Bindung setzt voraus, dass die Parteien sich entweder tatsächlich übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt haben (Tatfrage) oder - d.h. wenn sie sich übereinstimmend geäussert, aber abweichend verstanden haben - eine der Parteien nach dem Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der gegnerischen Willenserklärung zu schützen und damit die andere Partei auf ihrer Äusserung in deren objektiven Sinn zu behaften ist (Rechtsfrage; vgl. BGE 116 II 695 E. 2a S. 696; 123 III 35 E. 2b S. 39 f.; für Erbverträge: PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/1, Basel 1978, § 33/I S. 205 ff. und § 49/II/C S. 350 bei Anm. 42; KNAPP, Les clauses conventionnelles et les clauses unilatérales des pactes successoraux, Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Peter Tuor, Zürich 1946, S. 201 ff., 216).

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

BGE 133 III 406 S. 409

103

Page 105: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Gibt der Wortlaut der Vertragsklausel dabei keinen genauen Aufschluss, ist der Parteiwille nach der früheren Praxis des Bundesgerichts vorab anhand von Tatsachenvermutungen zu ermitteln gewesen. Eine Klausel sollte danach als vertraglich gelten, wenn sie

nicht bloss zufällig in den Vertragstext eingestreut ist, sondern damit auch innerlich zusammenhängt (BGE 70 II 7 E. 2 S. 11). Die neuere Rechtsprechung folgt der Interessentheorie. Ob eine vertragsmässige und damit bindende oder eine einseitige und damit widerrufliche Anordnung vorliegt, muss auf Grund der Interessenlage der Vertragsparteien entschieden werden (Urteil 5C.256/2004 vom 2. Juni 2005, E. 3.2 mit Hinweisen auf die Lehre, vorab auf KNAPP, a.a.O., S. 216 ff.; vgl. auch PIOTET, a.a.O., § 28/II/B S. 178 f.; GHANDCHI SCHMID, Aufhebung von Erbverträgen, ZBGR 85/2004 S. 381 ff., S. 384 ff. Ziff. VI). Angeknüpft wird insoweit an das deutsche Recht. Ausschlaggebend ist im Einzelfall, ob der Vertragspartner des Erblassers ein - für diesen erkennbares oder diesem bekanntes - Interesse an dessen Bindung gehabt hat (vgl. LANGE/KUCHINKE, Lehrbuch des Erbrechts, 4. Aufl., München 1995, S. 446 f.; MUSIELAK, Münchener Kommentar, 2004, N. 3 zu § 2278 BGB, mit Hinweisen). 2.4 Das Kantonsgericht hat die massgebenden Auslegungsgrundsätze zutreffend dargestellt und festgehalten, Belege für den subjektiven Willen der Parteien fehlten. Die Ermittlung des Vertragssinns müsse sich daher nach objektiven Kriterien und somit nach dem Vertrauensprinzip richten. Soweit es dabei freilich auf den Willen des Erblassers, wie er sich aus dessen nachträglichem Verhalten ergeben soll, abgestellt hat, ist der Einwand der Klägerinnen berechtigt, darauf könne es für die Ermittlung des objektiven Sinnes einer Vertragsklausel nicht ankommen (E. 2.3 soeben). Die weiteren Einwände der Klägerinnen sind hingegen unbegründet und teilweise schwer nachvollziehbar. Einerseits wird die Verletzung von Art. 18 Abs. 1 OR und Art. 8 ZGB geltend gemacht und damit die Tatsachengrundlage des Entscheids bemängelt, andererseits aber eingeräumt, der subjektive Wille der Ehegatten Z. im Sinne von "Materialien" lasse sich nicht mehr feststellen und die Auslegung habe deshalb objektiviert zu erfolgen, d.h. die erbvertragliche Bestimmung so zu gelten, wie sie eine vernünftige Person nach Treu und Glauben verstehen durfte und musste. Namentlich die Behauptung der Klägerin 1 trifft nicht zu, das Kantonsgericht habe den Vertragswillen der Ehegatten als unbewiesen betrachtet. Das Kantonsgericht ist vielmehr von einem übereinstimmenden Parteiwillen der Vertragsschliessenden ausgegangen, den überlebenden Ehegatten im Sinne einer güter- und erbrechtlichen Meistbegünstigung sicherzustellen. Es geht hier nicht um den Bestand des Erbvertrags, sondern um dessen Inhalt. Fehlte es am Vertragswillen überhaupt, stellte sich die Frage

gar nicht, ob einzelne Klauseln einseitig und damit nicht zum Inhalt des Erbvertrags gehören. 2.5 Mangels Tatsachenfeststellungen zum wirklichen Parteiwillen, deren Fehlen weder mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten worden ist noch hier mit formell ausreichend begründeten Sachverhaltsrügen beanstandet wird (Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG; vgl. BGE 119 II 353 E. 5c/aa S. 357), ist die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip erfolgt und im Berufungsverfahren zu prüfen. Darin besteht der Unterschied zum Urteil 5C.72/2004 vom 26. Mai 2004, auf das sich die Klägerin 1 wiederholt beruft, zumal dort für das Bundesgericht in tatsächlicher Hinsicht verbindlich festgestellt war, dass die Vertragspartnerinnen sich (auch) bezüglich der Nacherbenseinsetzung beim Ableben der zweitversterbenden Vertragspartei (erb-)vertraglich binden wollten (E. 2.4). Die hier zu prüfende Auslegung nach dem Vertrauensprinzip hat die Frage zu beantworten, ob Ziff. 2.22 des Erbvertrags, mit der die Klägerinnen beim Ableben des zweitversterbenden Ehegatten als Erbinnen eingesetzt wurden, zweiseitig ist und den Erblasser vertraglich gebunden hat oder ob die Klausel einseitiger, testamentarischer Natur ist, so dass der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau zu Lebzeiten und letztwillig über das ihm erbvertraglich zugefallene Vermögen frei verfügen konnte.

BGE 133 III 406 S. 410

BGE 133 III 406 S. 411

104

Page 106: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

3. Seine Auslegung hat das Kantonsgericht dahin gehend zusammengefasst, dass sowohl in textlicher Hinsicht als auch mit Blick auf Intentionen und Interessenlage der Ehegatten die Argumente dafür überwiegen würden, die Ziff. 2.22 des Erbvertrags als Auffangklausel mit subsidiärer Bedeutung und somit als testamentarische, einseitig einschränkbare bzw. widerrufbare Klausel anzusehen. Die Klägerinnen wenden dagegen vor allem die gewählte Erbvertragsform ein und berufen sich auf die mangelnde Kennzeichnung der Klausel als einseitige Verfügung und das Fehlen jeglichen Vorbehalts im Vertragstext zu Gunsten späterer abweichender Verfügungen des überlebenden Ehegatten. 3.1 Dass eine Klausel in der Erbvertragsurkunde enthalten ist, soll nach der Lehre nur ein (allerdings wichtiges) Indiz abgeben, das durch Überprüfung der in Frage stehenden Parteiinteressen zu verifizieren ist, da Bindungswirkung ein wechselseitiges Interesse und nicht (nur) einen Verfügungsverzicht voraussetzt, wobei allerdings die gesamte Vereinbarung und nicht lediglich eine isolierte Klausel

zu würdigen ist (BREITSCHMID, Basler Kommentar, 2003, N. 12 vor Art. 494-497 ZGB, mit Hinweisen). Der Erbvertragsform kann der Indiziencharakter somit nicht einfach abgesprochen werden. Entscheidend ist jedoch die Interessenlage der Vertragsparteien (E. 2.3 hiervor). Ob man sich vertraglich bindet oder einzeln verfügt, kann zudem verschiedene Gründe haben. Wenn Ehegatten - wie vorliegend wegen der gegenseitigen Erbeinsetzung - ohnehin einen Erbvertrag abschliessen müssen, dürfte die Lebenserfahrung auch eher dafür sprechen, dass sie, soweit dies rechtlich möglich ist, in einem Akt alle Fragen regeln und nicht noch zusätzlich öffentliche oder eigenhändige Testamente erstellen wollen. Die Wahl der Erbvertragsform erscheint unter diesen Umständen nicht als ausschlaggebendes Indiz zu Gunsten einer gegenseitigen Bindung. 3.2 Die kinderlosen Ehegatten Z. haben sich in der erbvertraglichen Vereinbarung gegenseitig als Alleinerben eingesetzt (Ziff. 1) und vorgesehen, dass die Klägerinnen den überlebenden Ehegatten beerben oder bei gleichzeitigem Versterben beider Ehegatten erben sollen (Ziff. 2). Dieser unstreitig gewollte Inhalt der erbrechtlichen Regelung kommt im Vertragstext ausreichend klar zum Ausdruck. Hingegen lässt sich der Ziff. 2.22, wonach der frei verfügbare Teil des Erbschaftsvermögens hälftig auf die Klägerinnen aufzuteilen ist, nicht entnehmen, ob es sich um einseitige Verfügungen eines jeden Ehegatten oder um vertraglich verpflichtende Erklärungen unter den Ehegatten handelt (anders z.B. BGE 95 II 519 Sachverhalt lit. A S. 520: "Ils conviennent, à titre de disposition irrévocable, que la succession du survivant d'eux sera dévolue de la façon suivante: [...]"; z.B. zit. Urteil 5C.256/2004, Sachverhalt lit. A/b: "Ils conviennent que celui d'entre eux qui survivra à l'autre ne pourra pas modifier les dispositions prises ci-dessus [...]"). Mangels ausdrücklicher Bezeichnung ihrer Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit muss die Ziff. 2.22 des Erbvertrags im Gesamtzusammenhang der erbrechtlichen Regelung gesehen werden. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, welche rechtliche Bedeutung einer Erwähnung der Unwiderruflichkeit zukäme (vgl. zit. Urteil 5C.256/2004, E. 4.1 Abs. 2 und E. 4.2). 3.3 Die gegenseitige Meistbegünstigung abschliessend haben die Ehegatten in Ziff. 1.13 bestimmt, dass der überlebende Ehegatte über die ihm aus Güterrecht und Erbrecht zugefallenen Vermögenswerte uneingeschränkt verfügungsberechtigt und namentlich befugt

ist, nach seinem Ermessen aus dem ihm zugefallenen Vermögen Zuwendungen vorzunehmen oder zu verfügen. Die - vom Wortlaut her - umfassende Verfügungsfreiheit widerspricht einer vertraglichen Verpflichtung des überlebenden gegenüber dem erstversterbenden Ehegatten, wie sie die Klägerinnen behaupten. Entgegen ihrer Darstellung kann es sich bei Ziff. 1.13 des Erbvertrags nicht um eine blosse

Erwägung 3

BGE 133 III 406 S. 412

BGE 133 III 406 S. 413

105

Page 107: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Wiederholung von Art. 494 Abs. 2 ZGB handeln. Dass der Erblasser danach über sein Vermögen frei verfügen kann, wird - nach dem gesetzlichen System von Regel und Ausnahme - durch Abs. 3 des Art. 494 ZGB sogleich wieder eingeschränkt ("jedoch"), als Verfügungen von Todes wegen oder Schenkungen der Anfechtung unterliegen, soweit sie mit Verpflichtungen des Erblassers aus dem Erbvertrag unvereinbar sind. Eine entsprechende Einschränkung der Verfügungsfreiheit durch letztwillige ("Verfügungen von Todes wegen") und lebzeitige ("Schenkungen") Anordnungen kommt in Ziff. 1.13 des Erbvertrags nirgends zum Ausdruck. Es wird gegenteils noch betont, dass der überlebende Ehegatte dereinst "uneingeschränkt" und "nach seinem Ermessen" verfügungsberechtigt sein solle. Gerade mit Blick auf die gesetzliche Regelung muss davon ausgegangen werden, die - nach Angaben der Klägerinnen erfahrene und sachkundige - Urkundsperson hätte auf die massgebenden Gesetzesbestimmungen hingewiesen oder einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten der anschliessenden Erbfolge und Erbteilung beim Ableben des zweitversterbenden Ehegatten angebracht, wenn nicht ausdrücklich gewollt gewesen wäre, dass der überlebende Ehegatte die uneingeschränkte Verfügungsfreiheit erhalten sollte. Im Vertragstext finden sich denn auch derartige Hinweise auf die einschlägigen Gesetzesvorschriften (Ziff. 1-3 und 5 des Ehevertrags) und auf andere Teile der Urkunde (Ziff. 1.12 des Erbvertrags). Insoweit hat Ziff. 1.13 einen über die "Verfügungsfreiheit" im Sinne von Art. 494 Abs. 2 und 3 ZGB hinaus gehenden, eigenen Inhalt und ist nicht bloss, wie die Klägerin 1 glauben machen will, eine pleonastische und damit vollständig überflüssige Ergänzung. Vorzuziehen ist stets die Auslegung, die den Vertragstext gesamthaft erfasst und nicht Teile davon überflüssig werden lässt (vgl. STEINAUER, Le droit des successions, Bern 2006, N. 294 S. 180 bei/in Anm. 51, mit Hinweis; z.B. BGE 124 III 406 E. 3 S. 412 f.). Bei objektivierter Betrachtungsweise durfte deshalb auf Grund des Wortlauts der einzelnen Klauseln im Vertragsgefüge angenommen

werden, die Erbeinsetzung der Klägerinnen sei eine einseitige, testamentarische Klausel, so dass abweichende Anordnungen des überlebenden Ehegatten zu Lebzeiten oder letztwillig nicht ausgeschlossen sein sollten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin 2 bedarf es hierzu keines eindeutigen textlichen Vermerks im Erbvertrag. Die sog. Andeutungstheorie hat das Bundesgericht für die Auslegung von Erbverträgen aufgegeben (BGE 127 III 529 E. 3c S. 531; vgl. STEINAUER, a.a.O., N. 289 und 289a S. 177, mit Hinweisen). 3.4 Mit ihrer ehe- und erbvertraglichen Meistbegünstigung haben die Ehegatten die bestmögliche wirtschaftliche Sicherstellung des überlebenden Ehegatten bezweckt. Dieser Zweck war mit dem Ableben des einen Ehegatten vor dem anderen Ehegatten erreicht, wie auch die Klägerin 2 einräumt. Vom Vertragszweck her ist eine vertragliche Verpflichtung des zweitversterbenden Ehegatten, aus dem ihm zugefallenen Vermögen keine unentgeltlichen Zuwendungen zu machen, somit nicht begründbar. Entgegen der Behauptung der Klägerin 1 und der kantonsgerichtlichen Annahme besteht auch keine Asymmetrie zwischen den Befugnissen des erstversterbenden und des überlebenden Ehegatten. Auf Grund des gemeinsam verfolgten Zweckes waren die Ehegatten während der Ehe gleichermassen gehindert, erbvertragswidrig zu verfügen, und nach dem Ableben eines Ehegatten hatten sie sich dieselben Verfügungsbefugnisse eingeräumt, konnten sie doch zur Zeit des Vertragsabschlusses im Alter von 45 Jahren (Ehefrau) und 47 Jahren (Ehemann) offenkundig nicht vorhersehen, wer wen überleben werden würde. Entscheidend ist deshalb, welches Interesse der erstversterbende Ehegatte an einer vertraglichen Verpflichtung des überlebenden Ehegatten gehabt haben könnte, die Klägerinnen als Erbinnen einzusetzen statt völlig frei über den gesamten Nachlass lebzeitig oder letztwillig zu verfügen. Diesbezüglich hat das Bundesgericht in seinem hiervor erwähnten (E. 2.3) Urteil 5C.256/2004 eine schon früher aufgestellte Regel bestätigt, die wie folgt lautet: Setzen sich in einem Erbvertrag Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und ordnen sie darüber hinaus für den Fall des Vorversterbens des andern an, was mit dem eigenen Nachlass geschehen soll, so ist die zweite Anordnung dahin auszulegen, dass sich jeder Ehegatte nur gegenüber den Verwandten des andern endgültig binden will; die Zuwendungen an die eigenen Verwandten kann der überlebende Ehegatte in einem späteren Testament demnach grundsätzlich frei widerrufen (E. 3.2 mit Hinweis auf das Urteil C.354/1982 vom 3. März

BGE 133 III 406 S. 414

106

Page 108: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

1983, E. 4c; vgl. PIOTET, a.a.O., § 28/II/B S. 179; STEINAUER, a.a.O., S. 316 Anm. 4). Angeknüpft wird damit an das deutsche Recht, das von gleichlautenden Sätzen der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeht (vgl. LANGE/KUCHINKE, a.a.O., S. 447 in Anm. 55; MUSIELAK, a.a.O., N. 5 zu § 2278 BGB, mit Hinweisen). Ist aber eine Anordnung im Erbvertrag dann vertraglich und bindend gewollt, wenn der Vertragspartner selbst oder eine ihm verwandte oder eine ihm sonst nahestehende Person bedacht wird, so ergibt sich daraus zwanglos der Umkehrschluss, dass das Fehlen jeglicher verwandtschaftlicher oder persönlicher Nähe gegen den vertraglichen Charakter und für die Einseitigkeit der Anordnung spricht (vgl. BUCHHOLZ, Zur bindenden Wirkung des Erbvertrags, in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht [FamRZ] 1987 S. 440 ff., 441). Die Klägerinnen sind Dritte, die mit der Vertragspartnerin des Erblassers weder in einer verwandtschaftlichen noch in einer persönlichen Beziehung gestanden sind. Gegenteiliges haben die kantonalen Gerichte nicht festgestellt und wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet. Das sog. Bindungsinteresse des erstversterbenden Ehegatten, das eine vertragliche Verpflichtung des Erblassers begründen könnte, durfte deshalb verneint werden. 3.5 Als Ergebnis der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip kann festgehalten werden, dass der Erblasser mit dem Abschluss der Lebensversicherung im Jahre 1995 und mit der testamentarischen Erbeinsetzung der Beklagten vom 15./22. September 1999 keine Verpflichtungen aus dem Erbvertrag vom 7. Dezember 1973 verletzt hat. Die Ziff. 2.22 des Erbvertrags, wonach Erbinnen des zweitversterbenden Ehegatten die Klägerinnen sein sollten, durfte als einseitige, testamentarische und damit frei widerrufliche Klausel qualifiziert werden. Die Berufungen der Klägerinnen erweisen sich insoweit als unbegründet.

BGE 133 III 406 S. 415

nach oben

107

Page 109: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

129 III 580

Seite 580 (BGE_129_III_580)

Regeste

Sachverhalt

Seite 581 (BGE_129_III_580)

Auszug aus den Erwägungen:

92. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilungi.S. K. gegen Ehegatten B. (Berufung) 5C.22/2003 vom 7. Juli 2003

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2

Seiten 580 581 582

Art. 519 ff. ZGB; Ungültigkeit oder Nichtigkeit eines Testamentszusatzes. Fall einer Einfügung in das Testament unter einer vorhandenen Unterschrift. Steht fest, dass die Einfügung vomErblasser stammt und dass sie dessen Willen entspricht, ist sie gültig.

Die im Alter von fünfundachtzig Jahren verstorbene E. hinterliess drei Testamente sowie einen Zettel des Inhalts "Barockschrank an B.". Im letzten von E. verfassten Testament war mit schwarzem Filzstift eingefügt worden: "8. Was übrig bleibt gehört B. und Ehefrau". K. (Kläger), ein Grossvetter von E., erhob Klage gegen die Ehegatten B. (Beklagte) und beantragte unter anderem den erwähnten Zusatz im Testament für ungültig zu erklären, soweit er als letztwillige Verfügung zu qualifizieren wäre. Die kantonalen Gerichte wiesen die Klage ab. Sie verneinten die geltend gemachte Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung und lehnten die beantragte Ungültigerklärung wegen Versäumnis der Klagefrist ab. Mit eidgenössischer Berufung erneuert K. sein Begehren vor Bundesgericht. Nach Abweisung der von K. gleichzeitig gegen das nämliche Urteil erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde weist das Bundesgericht auch dieBerufung ab.

108

Page 110: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 1

Erwägung 2

Seite 582 (BGE_129_III_580)

Aus den Erwägungen:

1. Die Vorinstanz hat die Gültigkeit des fraglichen Zusatzes sowohl unter tatsächlichen Gesichtspunkten - durch Einholung einer Schriftexpertise, derzufolge der Zusatz mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Erblasserin stammt - als auch in rechtlicher Hinsicht geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, es liege jedenfalls keine Nichtigkeit vor. Der Kläger beanstandet dies vorab unter Hinweis auf das Fehlen von Ortsangabe, Datum und Unterschrift bezüglich des Zusatzes. 1.1 Das Fehlen von Ortsangabe und Datum führt von vornherein nicht zu einer Nichtigkeit des Testamentszusatzes, da seit dem 1. Januar 1996 für die Gültigkeit des Testaments die Ortsangabe nicht mehr und das Datum nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erforderlichist. Die entsprechenden Art. 505 Abs. 1 und Art. 520a ZGB sind auch auf vor dem 1. Januar 1996 errichtete Testamente anwendbar, falls der Erblasser nach diesem Zeitpunkt verstorben ist (vgl. Art. 16 Abs. 2 SchlT ZGB und dazu BGE 42II 571 Nr. 91). Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das Erfordernis zeitlicher Angaben im konkreten Fall erfüllt sind, wird in der Berufung nicht dargelegt. 1.2 Was das Fehlen der Unterschrift betrifft, so kann dies, je nach den weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls, zu einer Nichtigkeit des Testamentes führen (RIEMER, Nichtige [unwirksame] Testamente und Erbverträge, in: Festschrift Keller, Zürich 1989, S. 245 ff., 254; vgl. auch BREITSCHMID, Testament und Erbvertrag - Formprobleme, in: Testament und Erbvertrag, Bern 1991, S. 27 ff., 63 f., und FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, 2003, N. 4 zu Art. 519/520 ZGB; a.A. wohl PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/1, Basel 1978, § 43/I S. 269). Vorliegend geht es indessen nicht um einen derartigen Fall des gänzlichen Fehlens der Unterschrift, vielmehr um die "Unterstellung" einer Einfügung in das Testament unter eine vorhandene Unterschrift. Das führt nicht zur Nichtigkeit der Einfügung, wenn diese - wie vorliegend - nachweislich von der Erblasserin stammt. Dabei vermag der Kläger aus dem von ihm erwähnten BGE 117 II 239(E. 3b S. 241) schon deshalb nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, weil es dort ausschliesslich um blosse Anfechtbarkeit bzw. um eine Ungültigkeitsklage im Sinne von Art. 520 Abs. 1 ZGB ging (lit. B S. 240).

2. Der Kläger erachtet den fraglichen Zusatz sodann auch deswegen als nichtig, weil er die Wendung"was übrig bleibt" als "nicht

schlüssigen Inhalt" qualifiziert. Das scheint er vorab daraus abzuleiten, dass nicht klar sei, ob damit eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis gewollt sei, ferner aus der falschen Nummerierung des Zusatzes. Sodann weist er auf den Zettel vom2. Januar 1998 hin ("Barockschrank an B."). Das damit errichtete Vermächtnis würde wenig Sinn machen, wenn die Erblasserin den Beklagten bereits als Erben eingesetzt hätte. Schliesslich sei auch die Bezeichnung "Ehefrau" "eher unbestimmt", weil man nicht wisse, welche Ehefrau gemeint sei und wie es sich verhalte, wenn der Beklagte geschieden oder

109

Page 111: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

verwitwet sei. Keine dieser Überlegungen vermag indessen eine Nichtigkeit der fraglichen Testamentseinfügung zu begründen. Zwar kann grundsätzlich ein unvollständiger, unbestimmter erblasserischer Wille diese Folge haben (RIEMER, a.a.O., S. 250, mit zahlreichen Hinweisen in Anm. 28, unter anderem auf den vom Kläger erwähnten BGE 81 II 22 E. 6 S. 28 ff.; vgl. auch FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 4 zu Art. 519/520 ZGB; PIOTET, a.a.O., § 43/II S. 270 ff.). Das gilt jedoch nicht für den Fall, dass lediglich nicht ohne weiteres klar ist, ob der Erblasser mit einer bestimmten Anordnung eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis gewollt hat, weshalb im vorliegenden Zusammenhang offen bleiben kann,ob überhaupt eine derartige Unsicherheit besteht. Auch die Zuwendung einer bestimmten Erbschaftssache an einen eingesetzten Erben ist als Teilungsvorschrift nicht sinnlos (vgl. Art. 522 Abs. 2 und Art. 608 Abs. 3 ZGB), und was die Person der Ehefrau betrifft, so handelt es sich vorliegend ohnehin um bloss hypothetische Überlegungen, die keinesfalls die Nichtigkeit des Zusatzes zu bewirken vermögen.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2

Seiten 580 581 582

110

Page 112: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

131 III 601 78. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile dans la cause Etat du Valais et Commune de Nendaz contre Eglise nationale protestante de Genève (recours en réforme) 5C.29/2005 des 14 juillet et 1er septembre 2005

A.- Au mois de mars ou avril 1995, Madeleine Arthaud, domiciliée alors en Valais, à Nendaz, a contacté la Banque Darier Hentsch & Cie à Genève, auprès de laquelle elle disposait d'un portefeuille de plusieurs centaines de milliers de francs. Elle a sollicité et obtenu un rendez-vous. Le 5 avril 1995, elle a pris le repas de midi auprès de la famille du Dr N., dont la mère était une de ses amies d'école. A sa demande, le Dr N. a accepté de l'accompagner à la banque, où elle fut accueillie par D. Elle a pris place en face de celui-ci, installé à son bureau. Le Dr N. s'est assis dans un fauteuil à l'arrière et a entendu toute la conversation. Madeleine Arthaud a clairement laissé entendre à D. qu'elle voulait remettre, à son décès, tous ses avoirs auprès de la banque à l'Eglise nationale protestante de Genève pour le fonds de la cathédrale. Au dire du banquier, sa cliente avait clairement exprimé la volonté de rédiger un testament; il n'y avait absolument aucun doute à ce sujet. Comme il savait que Madeleine Arthaud souffrait de graves problèmes de vue, il avait fait dactylographier par sa secrétaire un document libellé comme suit: "Madeleine Arthaud Messieurs DARIER HENTSCH & Cie Banquiers 4, rue de Saussure 1204 - GENEVE Messieurs, En cas de décès, je désire que la totalité de mes avoirs soit répartie comme suit: [espace laissé en blanc] Fait et signé à Genève, le" D. a déclaré à sa cliente qu'il était nécessaire qu'elle rédige à la main la seconde partie de la lettre. L'intéressée a alors écrit dans l'espace en blanc le texte suivant: "En totalité à l'Eglise protestante pour fond Cathédrale". Elle a daté et signé le document de sa main:

Urteilskopf

Ungültigerklärung eines eigenhändigen Testaments (Art. 505 und 520 ZGB). Auslegung eines eigenhändigen Testamentes, welches teils vom Bankier der Erblasserin mit Maschine, teils von der Erblasserin in Gegenwart eines Zeugen eigenhändig verfasst worden ist (E. 3).

Regeste

BGE 131 III 601 S. 602

Sachverhalt

BGE 131 III 601 S. 603

111

Page 113: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

"5.4.95 M. Arthaud". Au dire du banquier, sa cliente avait mis beaucoup de temps pour écrire le texte manuscrit en raison de ses problèmes de vue. Comme la testatrice avait écrit la date du 5.4.95 sur le mot "Cathédrale", il avait pris le soin de la retranscrire au-dessous, afin de "confirmer la date difficilement lisible". Il avait en outre pris la précaution de lire le testament à haute voix afin de s'assurer que son contenu corresponde bien à la volonté de la testatrice. Madeleine Arthaud est décédée le 26 octobre 2000 sans laisser d'héritier. Ses avoirs bancaires représentaient alors quelque 3'200'000 fr. et ses immeubles 2'000'000 fr. Elle possédait également de nombreux biens mobiliers. Ses avoirs auprès de la Banque Darier Hentsch & Cie se chiffraient à 668'573 fr. et à 702'163 fr. avant leur transfert à l'UBS de Haute-Nendaz en date du 22 février 2001. B.- Le 27 février 2002, l'Etat du Valais et la commune de Nendaz, auxquels devait être dévolue la succession par moitié chacun à défaut d'héritiers en application des art. 466 CC et 137 de la loi valaisanne d'application du code civil (LACC), ont introduit contre l'Eglise protestante de Genève une action en annulation du testament du 5 avril 1995. Par jugement du 17 décembre 2004, la IIe Cour civile du Tribunal cantonal valaisan a rejeté l'action et a décidé que les avoirs de Madeleine Arthaud auprès de la Banque Darier Hentsch & Cie, alors consignés auprès de l'UBS SA, devaient être remis à la défenderesse. C.- Les demandeurs ont formé, le 28 janvier 2005, un recours en réforme tendant à l'annulation du testament litigieux. Le Tribunal fédéral a admis le recours.

Extrait des considérants:

3. Les recourants contestent la décision attaquée en tant qu'elle admet la validité de la disposition pour cause de mort litigieuse malgré le non-respect de la forme du testament olographe prescrite à l'art. 505 CC. Ils invoquent donc la violation de cette disposition ainsi que des art. 519 ss CC, notamment l'art. 520 CC. 3.1 Aux termes de l'art. 505 al. 1 CC, le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé. L'art. 520 al. 1 CC prévoit que les dispositions entachées d'un vice de forme sont annulées.

Le testament peut revêtir, comme en l'espèce, la forme d'une lettre (ATF 57 II 15; 88 II 67 consid. 2; 117 II 142 consid. 2a). Il doit être écrit du début à la fin de la main du testateur. Selon la doctrine et la jurisprudence, lorsqu'un tiers prête assistance au testateur pour écrire un testament olographe, les passages écrits par une main étrangère sont nuls. Toutefois, l'acte demeure valable si le testateur a écrit lui-même les éléments essentiels des dispositions (désignation des personnes gratifiées, objet et montant des libéralités), ainsi que l'indication du lieu et de la date, de même que sa signature, et que les adjonctions de la main du tiers n'ont trait qu'à des éléments d'importance secondaire ou au rétablissement d'une lettre que le testateur aurait omise et que tout lecteur rétablirait de lui-même. Un testament rédigé en partie par le testateur et en partie par un tiers n'est frappé de nullité totale que si le texte écrit de la main du testateur n'a en lui-même aucun sens ou s'il y a lieu d'admettre que le testateur n'aurait pas pris les dispositions qu'il a écrites à la main en l'absence des parties ajoutées par le tiers (art. 20 al. 2 CO applicable par analogie, vu l'art. 7 CC; ATF 98 II 73 consid. 3b/cc p. 83 ss; BREITSCHMID, in Commentaire bâlois, n. 4 ad art. 505 CC). Une forme n'est pas prescrite pour elle-même; la forme olographe du testament a notamment pour fin de manifester la volonté du testateur, son animus testandi, soit son intention de disposer de ses biens pour après sa

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

BGE 131 III 601 S. 604

112

Page 114: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

mort (ATF 88 II 67 consid. 2 p. 71), condition indispensable de l'existence et de la validité du testament (ATF 116 II 117 consid. 7c p. 128). Cette volonté doit ressortir du testament lui-même, soit de ce que le testateur a écrit. Toutefois, si les dispositions testamentaires manquent de clarté au point qu'elles peuvent être comprises aussi bien dans un sens que dans un autre, le juge peut interpréter les termes dont le testateur s'est servi en tenant compte de l'ensemble du testament, voire d'éléments extrinsèques, mais dans la mesure seulement où ils permettent d'élucider ou de corroborer une indication contenue dans le texte, d'éclairer la volonté manifestée dans les formes légales par le testateur (ATF 131 III 106 consid. 1.1; 124 III 414 consid. 3; 117 II 142 consid. 2a p. 144; 115 II 323 consid. 1a). 3.2 La cour cantonale a considéré en substance ce qui suit: la volonté de tester de dame Arthaud était évidente; la phrase écrite de sa main est certes incomplète, mais l'intention de la prénommée est parfaitement établie lorsqu'on la lit avec la partie dactylographiée "en cas de décès, je désire que la totalité de mes avoirs soit répartie

comme suit:". Le texte dactylographié est nul en soi, parce que l'écriture de la main de la testatrice fait défaut; mais, estiment les juges cantonaux, il sert d'élément extrinsèque pour interpréter la volonté de la défunte exprimée dans le texte manuscrit; or, il ressort de ce texte, rapproché de la phrase initiale dactylographiée, que Madeleine Arthaud a entendu léguer ses avoirs auprès de la Banque Darier Hentsch & Cie à l'Eglise protestante pour le fonds de la Cathédrale, la véritable substance du testament ne se trouvant pas dans sa partie dactylographiée, qui constitue une phrase tout à fait standard transposable dans la plupart des dispositions pour cause de mort, mais bien dans le texte apposé manuellement. Même s'il fallait faire totalement abstraction du texte dactylographié, conclut la cour cantonale, la volonté de Madeleine Arthaud de disposer de ses avoirs auprès de la banque en question en faveur de l'Eglise protestante de Genève est établie par le témoignage des personnes présentes lors de la rédaction de la phrase manuscrite, à savoir le banquier D. et le Dr N. 3.3 Il est constant que, à l'exception de la désignation du bénéficiaire de la libéralité, tous les autres éléments essentiels du testament litigieux ne sont pas écrits de la main de la testatrice. Les termes utilisés par celle-ci sur la lettre préparée par le banquier, à part la date et la signature, soit les mots "en totalité à l'Eglise protestante pour fond Cathédrale", n'ont pas de sens pour eux-mêmes et ne manifestent pas une volonté de disposer selon les formes légales. Outre qu'elle ne mentionne pas l'objet des libéralités, la testatrice n'exprime même pas dans son écrit qu'il s'agit de ses dernières volontés et que le transfert de la "totalité" (des seuls avoirs auprès de la banque concernée?) devra intervenir après son décès. Son animus testandi ne ressort que de la partie du testament écrite à la machine qui, comme on l'a relevé, est nulle, et des témoignages recueillis. En l'absence de volonté manifestée selon les formes légales, une interprétation à la lumière de ces autres éléments n'est pas possible. Il s'ensuit que le testament litigieux doit être annulé en application de la jurisprudence rappelée ci-dessus (consid. 3.1).

BGE 131 III 601 S. 605

nach oben

113

Page 115: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

119 II 208

Seite 208 (BGE_119_II_208)

Regeste

Sachverhalt

42. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 juin 1993 dans la cause W. contre dame F. et consorts (recours en réforme)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 3

Seiten 208 210 211

Teilweise Ungültigerklärung einer testamentarischen Anordnung wegen Motivirrtums. 1. Die Verfügungen von Todes wegen, die der Erblasser unter dem Einfluss eines Irrtums errichtet hat, sind ungültig (Art. 469 Abs. 1 ZGB); sie können gemäss Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB für ungültig erklärt werden. In Betracht fallen kann jeder Motivirrtum, der die Verfügung entscheidend beeinflusst hat, sofern als wahrscheinlich dargetan wird, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage die Aufhebung der Verfügung ihrem unveränderten Fortbestand vorgezogen hätte. Eine mangelhafte Verfügung kann teilweise ungültig erklärt werden (Zusammenfassung der Rechtsprechung und Lehre) (E. 3bb). 2. Der Pflichtteilserbe, der sich durch eine letztwillige Verfügung benachteiligt fühlt, kann in erster Linie die Ungültigerklärung der Verfügung verlangen, wenn er diese für mangelhaft hält, und subsidiär deren Herabsetzung; dringt er mit seinem Hauptantrag durch, erlangt er nicht nur seinen Pflichtteil, sondern vielmehr seinen gesetzlichen Erbteil (E. 3cc).

A.- a) Pierre W. est décédé le 21 septembre 1985. Ses héritiers légaux sont ses cinq enfants: Françoise S., Julie F., Claire W., Louis W. et Paul W. b) Pierre W. a laissé un testament olographe, daté du 13 novembre 1980 à ..., contenant, entre autres, les dispositions suivantes: "... Article 2e J'institue mes cinq enfants pour héritiers à égalité entre eux des biens qui constitueront ma fortune successorale. En cas de prédécès de l'un d'eux, je lui substitue ses descendants à égalité entre eux. A défaut de descendance, la part du décédé accroîtrait celle de ses frères et soeurs. Article 3e J'émets les règles de partage suivantes: Rapport successoral: Je rappelle que, par un acte de donation signé le 24 novembre 1976, j'ai transféré à mon fils Paul W., ..., la propriété de la parcelle ... que je possédais, parcelle comprenant notamment un rural et chambre que mon fils a transformé en habitation. Cette donation a été convenue rapportable en moins prenant à ma succession. Je fixe à Fr. 50'000.-- (cinquante mille francs) la valeur de ce rapport successoral. Par un acte signé le 1er septembre 1977, j'ai fait donation à mon fils Louis W., ..., de la parcelle ..., ..., d'une surface totale de 53'829 m2, comprenant notamment un rural et chambre ... que mon descendant a également transformé en

114

Page 116: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 210 (BGE_119_II_208)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

Seite 211 (BGE_119_II_208)

habitation. Cette donation a également été convenue rapportable en moins prenant à ma succession. Je fixe l'importance de ce rapport à la somme de Fr. 60'000.-- (soixante mille francs). ..."

c) Devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, Julie F., Françoise S. et Claire W. ont conclu principalement à la nullité de l'article 3e du testament de feu Pierre W.; subsidiairement, à la nullité du même article dans la mesure où il fixe les rapports successoraux de Paul et Louis W. respectivement à 50'000 francs et 60'000 francs; à la dévolution de la succession du défunt par parts égales à chacun de ses héritiers après rapport des donations en faveur de Paul et Louis W.; plus subsidiairement, à l'octroi de leur réserve héréditaire et à la réduction des libéralités faites par le de cujus à Paul et Louis W. jusqu'à reconstitution des réserves. Paul et Louis W. ont conclu au rejet des conclusions des demanderesses. d) L'instruction de la cause a établi qu'à l'ouverture de la succession la valeur des rapports était respectivement de 886'740 francs à la charge de Paul W. et de 453'000 francs à la charge de Louis W. Par ailleurs, les actifs successoraux nets s'élevaient à 2'333'078 fr. 15, la part de chacun des héritiers calculée par égalité entre eux à 466'615 fr. 60 et la réserve successorale de chaque héritier à 349'961 fr. 70. B.- Par jugement du 11 janvier 1993, la Cour civile a déclaré nul l'article 3 du testament de feu Pierre W. dans la mesure où les rapports successoraux en faveur des défendeurs Paul et Louis W. sont fixés respectivement à 50'000 francs et 60'000 francs et elle a renvoyé les parties à faire trancher par le juge du partage leurs contestations relatives aux modalités des rapports et du partage. C.- Paul W. a recouru en réforme au Tribunal fédéral. Il demandait que les conclusions prises par Julie F., Françoise S. et Claire W. fussent rejetées et que ses conclusions libératoires fussent admises. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.

Extrait des considérants:

3.- bb) D'après l'art. 469 al. 1 CC, les dispositions pour cause de mort que leur auteur a faites sous l'empire d'une erreur sont nulles; elles peuvent être annulées en vertu de l'art. 519 al. 1 ch. 2 CC. Toute erreur sur les motifs peut être retenue, dans la mesure où elle a exercé une influence déterminante sur les dispositions. Selon la jurisprudence, l'annulation d'un testament pour cause d'erreur sur les motifs est subordonnée à la condition que le demandeur rende vraisemblable

que le testateur, s'il avait connu la situation réelle, aurait préféré supprimer la disposition plutôt que de la maintenir telle quelle; point n'est besoin que l'erreur soit essentielle au sens des art. 23 ss CO (ATF 94 II 140/141, qui confirme ATF 74 II 284 ss; cf. ESCHER, ad art. 469, p. 134 ss; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, Volume IV, p. 201/202; DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 3e éd., Berne 1992, p. 142). L'erreur peut notamment porter sur l'objet ou l'étendue d'une libéralité (GUINAND/STETTLER, Droit civil II, Successions, Fribourg 1990, p. 40 no 77) ou sur l'omission d'héritiers légaux ou encore de la réserve héréditaire (ESCHER, n. 8 ad art. 469, p. 136/137). L'annulation d'une disposition viciée peut être partielle (RIEMER, Nichtige

115

Page 117: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

(unwirksame) Testamente und Erbverträge, in Festschrift für Max Keller, Zurich 1989, p. 258). Dans ce cas, il faut interpréter la volonté hypothétique du testateur pour déterminer ce qui doit subsister (DRUEY, op.cit., p. 148 no 58). cc) L'héritier réservataire qui se considère comme lésé par une disposition de dernière volonté peut, principalement, demander l'annulation de ladite disposition, s'il estime que celle-ci est viciée, et, subsidiairement, sa réduction, l'action en réduction ne pouvant être dirigée que contre une disposition de dernière volonté valable; s'il obtient gain de cause à titre principal, il ne reçoit pas seulement sa réserve, mais bien sa part successorale légale (ESCHER, p. 496 no 3). C'est cette voie que les intimées ont choisi de suivre en concluant, dans l'instance cantonale, principalement à l'annulation de l'article 3 du testament et, subsidiairement, seulement à la réduction des libéralités faites en faveur de leurs frères. La Cour civile a dès lors examiné avec raison en premier lieu la question de la validité de la disposition contestée. Sur ce point, elle a constaté en fait, de manière à lier le Tribunal fédéral (art. 63 al. 2 OJ), que le de cujus avait la volonté de traiter sur un pied d'égalité tous ses héritiers, que le montant des rapports qu'il avait fixé à l'article 3 de son testament ne permettait pas de respecter ce principe, retenu comme "fondamental", et que le testateur n'aurait pas imposé de telles valeurs s'il en avait réalisé les conséquences. Cela étant, la cour cantonale, avec raison également, a annulé, pour erreur sur les motifs, la disposition litigieuse dans la mesure où elle concerne le montant des rapports (ATF 94 II 140/141). L'annulation étant prononcée, la demande subsidiaire de réduction est devenue sans objet, ce qui dispensait les juges cantonaux de l'examiner.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 3

Seiten 208 210 211

116

Page 118: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

132 III 305 37. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. B. gegen K. (Berufung) 5C.121/2005 vom 6. Februar 2006

E. wurde am 7. Februar 1907 geboren. Sie heiratete einen Industriellen aus Dresden. Die Ehe blieb kinderlos. Wenige Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes liess sich E. in Basel nieder. Sie lebte in einer eigenen Wohnung, selbstständig und ohne pflegerische Unterstützung. Am 8. oder 9. Dezember 1993 stürzte sie in ihrer Wohnung schwer und blieb eine Zeit lang unversorgt liegen. Notfallmässig wurde sie in das Bürgerspital eingeliefert und am 10. Dezember 1993 in das private Alters- und Pflegeheim P. in Basel verlegt. Daselbst starb E. (im Folgenden: Erblasserin) am 9. Juli 1995. K. (fortan: Kläger) stammt aus einer Familie, die zum Freundes- oder Bekanntenkreis der Erblasserin gehörte. Gemäss einem Testament vom 31. August 1987 setzte die Erblasserin ihn als Alleinerben ein. In einem Nachtrag zu diesem Testament bestätigte die Erblasserin am 10. März 1991 die Erbeinsetzung des Klägers. B. (hiernach: Beklagter) war ab 1991 für die Erblasserin als Rechtsanwalt tätig. In einem eigenhändigen Testament vom 16. November 1992 oder 1993 setzte die Erblasserin den Beklagten als ihren Alleinerben und Willensvollstrecker ein mit der Anweisung, dem Kläger ein Vermächtnis auszurichten. Sie bestätigte mit Testament vom 2. Dezember 1993 die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben und Willensvollstrecker, hingegen nicht das Vermächtnis zu Gunsten des Klägers. Schliesslich widerrief die Erblasserin in einem Schreiben an den Beklagten vom 25. Februar 1995 alle früheren Vollmachten und Verfügungen mit Ausnahme jener zu Gunsten des Beklagten. Der Kläger focht die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben und Willensvollstrecker der Erblasserin an und erhob - unter anderem - Klage mit den Begehren, die auf den 2. Dezember 1993 datierte letztwillige Verfügung ungültig zu erklären, eventualiter festzustellen, dass der Beklagte erbunwürdig und damit auch unfähig sei, Willensvollstrecker zu sein. Das Zivilgericht Basel-Stadt hiess das Hauptklagebegehren gut und erklärte die letztwillige Verfügung vom 2. Dezember 1993 für ungültig. Das von beiden Parteien angerufene Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verneinte die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 2. Dezember 1993. Es hiess das Eventualklagebegehren gut und stellte fest, dass der Beklagte gegenüber der Erblasserin erbunwürdig und unfähig sei, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben. Der Beklagte beantragt mit seiner Berufung (5C.121/2005) zur Hauptsache, das Eventualklagebegehren sei abzuweisen und es sei

Urteilskopf

Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; Erbunwürdigkeit; Hinderung am Widerruf bzw. Errichten einer Verfügung von Todes wegen durch Unterlassen. Die von den kantonalen Gerichten angenommene Erbschleicherei ist gesetzlich nicht erfasst, kann aber in schweren Fällen Erbunwürdigkeit begründen (E. 2). Es verletzt kein Bundesrecht, Erbunwürdigkeit auf Grund sämtlicher Umstände im konkreten Einzelfall zu bejahen, wenn der testamentarisch eingesetzte Alleinerbe durch Verletzung seiner Aufklärungspflicht die Erblasserin daran hindert, die Erbeinsetzung zu widerrufen bzw. neu und anders von Todes wegen zu verfügen (E. 3-6).

Regeste

BGE 132 III 305 S. 306

Sachverhalt

BGE 132 III 305 S. 307117

Page 119: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

festzustellen, dass er gegenüber der Erblasserin erbwürdig sowie fähig sei, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben. Das Appellationsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet unter Hinweis auf sein Urteil. Der Kläger schliesst auf Abweisung. Das Bundesgericht hat die gleichzeitig gegen das nämliche Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde des Beklagten abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.161/2005). Es weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Aus den Erwägungen:

2. Die beiden kantonalen Urteile stehen vor dem Hintergrund der Erbschleicherei. Das Zivilgericht hat Sittenwidrigkeit bejaht und das Testament vom 2. Dezember 1993 für ungültig erklärt, weil es durch offensichtliche Erbschleicherei zustande gekommen sei, und das Appellationsgericht ist gestützt auf dieselben Tatsachenfeststellungen von Erbunwürdigkeit des Beklagten ausgegangen. Wer auf unredliche oder unmoralische Weise zu einer Erbschaft zu gelangen versucht, wird gemeinhin als "Erbschleicher" bezeichnet (vgl. zum Stichwort: METZGER, Schweizerisches juristisches Wörterbuch, Basel 2005, S. 178). Das Gesetz erfasst "Erbschleicherei" weder als eigenen Ungültigkeitsgrund im Sinne von Art. 519 ZGB noch ausdrücklich als Erbunwürdigkeitsgrund gemäss Art. 540 ZGB. Es wird vertreten, dass in ganz schweren Fällen der Erbschleicherei etwa eine strenge Beurteilung der Testierfähigkeit, die Annahme eines Willensmangels, der Erbunwürdigkeit nach Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB oder sogar der Unsittlichkeit helfen könne (SPIRO, Certum debet esse consilium testantis?, Festschrift Druey, Zürich 2002, S. 259 ff., 261). Unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben, ist gemäss Art. 540 Abs. 1 ZGB, wer vorsätzlich und rechtswidrig den Tod des Erblassers herbeigeführt oder herbeizuführen versucht hat (Ziff. 1), wer den Erblasser vorsätzlich und rechtswidrig in einen Zustand bleibender Verfügungsunfähigkeit gebracht hat (Ziff. 2), wer den Erblasser durch Arglist, Zwang oder Drohung dazu gebracht oder daran verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder zu widerrufen (Ziff. 3), oder wer eine Verfügung von Todes wegen vorsätzlich und rechtswidrig unter Umständen, die dem Erblasser deren Erneuerung nicht mehr ermöglichten, beseitigt oder ungültig gemacht

hat (Ziff. 4). Gemäss Art. 540 Abs. 2 ZGB wird die Erbunwürdigkeit durch Verzeihung des Erblassers aufgehoben.

3. Das Appellationsgericht hat dem Beklagten vorgehalten, er habe die ihn unter den gegebenen Umständen treffende Aufklärungspflicht gegenüber der Erblasserin nicht erfüllt und sie etwas tun lassen, das er hätte verhindern können und müssen. Es ist davon ausgegangen, der Beklagte habe die Erblasserin arglistig daran gehindert, eine neue, anders lautende Verfügung von Todes wegen zu errichten bzw. diejenige vom 2. Dezember 1993 zu widerrufen. Nach Auffassung des Appellationsgerichts hat damit der Erbunwürdigkeitsgrund im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB vorgelegen, und zwar in der Variante des Verhinderns und nicht des Bewirkens der Errichtung oder des Widerrufs einer Verfügung von Todes wegen. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes vorauszuschicken: 3.1 Entgegen der Darstellung des Beklagten besteht zwischen der Abweisung der Ungültigkeitsklage und der Annahme des erwähnten Erbunwürdigkeitsgrundes kein innerer Widerspruch. Die verneinten Ungültigkeitsgründe betreffen die Phase der Errichtung bzw. des Zustandekommens des Testaments vom 2. Dezember 1993, während der bejahte Erbunwürdigkeitsgrund zeitlich daran anschliesst, indem verhindert worden sein soll, dass die Erblasserin das Testament vom 2. Dezember 1993 widerrufen oder neu und anders verfügt hat. Der

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

BGE 132 III 305 S. 308

Erwägung 3

118

Page 120: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbunwürdigkeitsgrund des arglistigen Verhinderns im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ergänzt in diesem Bereich die Ungültigkeitsklage (z.B. aus der kantonalen Praxis: ZR 77/1978 S. 45 f. E. VII). 3.2 Erbunwürdig macht das Verhindern am Errichten oder Widerrufen einer Verfügung von Todes wegen. Die Verhinderung muss dauernd sein. Sie setzt nicht die tatsächliche Unmöglichkeit, letztwillig zu verfügen, voraus. Es genügt, dass der Erblasser subjektiv eine andere Verfügungsmöglichkeit nicht kannte, obwohl sie objektiv vielleicht bestand (vgl. TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 24 zu Art. 540/541 ZGB). Die Verhinderung ist durch physische Gewalt möglich, kann aber auch - im Falle der Arglist wohl stets - durch geistige Beeinflussung stattfinden, die dann freilich bis zum Tod des Erblassers aufrechterhalten bleiben muss (vgl. ESCHER, Zürcher Kommentar, 1960, N. 11 zu Art. 540 ZGB). Entgegen der Darstellung des Beklagten muss die Verhinderung nicht in einem "aktiven Hinwirken" bestehen. Das Verhindern kann, wie

es das Appellationsgericht angenommen hat, in einem Unterlassen bestehen, z.B. im Ausnützen einer beim Erblasser vorhandenen Fehlvorstellung, die der Erbunwürdige korrigieren könnte und müsste (vgl. SCHWANDER, Basler Kommentar, 2003, N. 15 zu Art. 540 ZGB). Dass "verhindert" (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB), wer untätig bleibt, obwohl er handeln könnte und müsste, ist Hauptanwendungsfall der vorstellbaren Beispiele von Erbunwürdigkeit (vgl. etwa ESCHER, a.a.O., N. 11 a.E, und in der ersten Auflage von 1912, N. 6c/bb, je zu Art. 540 ZGB). 3.3 Erbunwürdigkeit setzt "Arglist" voraus. Der Begriff der Arglist stimmt mit dem Begriff "arglistiger Täuschung" in Art. 469 ZGB überein (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 26 zu Art. 540/541 ZGB; ESCHER, a.a.O., N. 12, und SCHWANDER, a.a.O., N. 14, je zu Art. 540 ZGB; zuletzt: STEINAUER, Le droit des successions, Bern 2006, N. 938 S. 456). Arglist kann in der Erregung oder der Benutzung einer schon vorhandenen falschen Vorstellung beim Erblasser bestehen (ESCHER, Zürcher Kommentar, 1959, N. 10, und TUOR, Berner Kommentar, 1952, N. 24, je zu Art. 469 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 342 S. 195). Seine gegenteilige Auffassung stützt der Beklagte auf die Lehrmeinung von PIOTET. Danach soll die Erbunwürdigkeit in den Fällen nicht zugelassen werden, wo die Enterbung gemäss Art. 477 ZGB unmöglich ist (in: SJK 774/1983, Ziff. III/C S. 4), und der Begriff der Arglist derart einschränkend ausgelegt werden, dass Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nur dann Anwendung findet, wenn die Arglist entweder einem Verbrechen oder einer Verletzung familienrechtlicher Pflichten im Sinne von Art. 477 ZGB entspricht (in: Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht IV/2, Basel 1981, § 73/II/D S. 566 f.). Die Erbunwürdigkeit ist unter dem Titel "Die Eröffnung des Erbganges" eingeordnet (Art. 537 ff. ZGB). Sie betrifft somit weder die Verfügungsfähigkeit (Art. 467-469 ZGB) noch die Verfügungsfreiheit (Art. 470-480 ZGB) des Erblassers, sondern die Voraussetzungen auf Seiten des Erben, Erbe zu sein und aus Verfügungen von Todes wegen zu erwerben (Art. 539 ff. ZGB). Die Erbunwürdigkeit hat in den Fällen der Ziff. 1 und 2 zwar Gemeinsamkeiten mit der Enterbung gemäss Art. 477 ZGB ("schwere Straftat"). Im Fall der Ziff. 3 aber, dem - anders als im Entwurf von 1895 (Art. 432) - kein Enterbungsgrund entspricht, stimmt sie praktisch wörtlich mit dem Ungültigkeitsgrund gemäss Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. Art. 469 ZGB ("Willensmangel") überein. Die Erbunwürdigkeit bezweckt

deshalb sowohl, dort den erbrechtlichen Erwerb zu verhindern, wo der Erblasser nicht imstande ist, eine Enterbung anzuordnen (vgl. ESCHER, a.a.O., 1960, N. 6 zu Art. 540 ZGB), als auch den erblasserischen Willen und Willensausdruck gegen jeden Angriff von aussen zu sichern (vgl. TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 10 zu Art. 540/541 ZGB). Von ihrem Zweck her darf nicht verallgemeinernd gefolgert werden, Erbunwürdigkeit setze begriffsnotwendig die Erfüllung eines Straftatbestands im Sinne der Enterbung voraus. Wesentlich sind indessen nicht die Gemeinsamkeiten. Entscheidend ist vielmehr der Hauptunterschied zwischen den Rechtsinstituten. Er liegt vorab

BGE 132 III 305 S. 309

BGE 132 III 305 S. 310

119

Page 121: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

darin, dass Erbunwürdigkeit - im Gegensatz zur Enterbung auf Anordnung des Erblassers (Art. 477 ZGB) und zur Ungültigerklärung auf Klage (Art. 519 Abs. 1 ZGB) - von Gesetzes wegen eintritt und durch Behörden und Gerichte von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (vgl. SCHWANDER, a.a.O., N. 22 Abs. 4 und N. 24 zu Art. 540 ZGB). An der Erbunwürdigkeit besteht insoweit ein allgemeines Interesse. Es ist deshalb nicht der Begriff der Arglist im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eng auszulegen. Arglist kann auch hier im Bewirken oder Ausnützen einer schon vorhandenen falschen Vorstellung beim Erblasser bestehen. Zusätzlich muss dieses Bewirken oder Ausnützen auf Grund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls eine schwere Verfehlung gegen den Erblasser bedeuten, die nach dem Empfinden der Allgemeinheit als unerträglich erscheint und zu missbilligen ist. Dass das Verhalten des Erben einen Straftatbestand erfüllt, mag einen Anhaltspunkt für die Schwere der Einflussnahme auf den erblasserischen Willen abgeben, ist aber nicht notwendig. 3.4 Im Gegensatz zu den anderen Erbunwürdigkeitsgründen gemäss Art. 540 Abs. 1 ZGB wird in Ziff. 3 Vorsatz und Rechtswidrigkeit des Handelns bzw. Unterlassens nicht ausdrücklich erwähnt. Die beiden Voraussetzungen sind indessen regelmässig erfüllt, wenn durch Arglist, Zwang oder Drohung die Errichtung oder der Widerruf einer Verfügung von Todes wegen bewirkt oder verhindert wird (vgl. ESCHER, a.a.O., 1960, N. 7 zu Art. 540 ZGB). Einer gesonderten Prüfung namentlich des Vorsatzes bedarf es diesfalls - entgegen der Darstellung des Beklagten - nicht. 3.5 Die Verhinderung im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB muss kausal dafür sein, dass der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen nicht errichtet oder nicht widerrufen hat (ESCHER, a.a.O., 1960,

N. 11 zu Art. 540 ZGB; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 26 zu Art. 540/541 ZGB). Besteht das Verhindern in einer Unterlassung, bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen errichtet oder widerrufen hätte, wenn die unterlassene Handlung vorgenommen worden wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss. Wird die hypothetische Kausalität ausschliesslich gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung ermittelt und nicht gestützt auf Beweismittel, unterliegt sie der Überprüfung im Berufungsverfahren (allgemein: BGE 115 II 440 E. 5b S. 448 f.; für einen Fall unterlassener Aufklärung: BGE 124 III 155 E. 3d S. 165 f.).

4. Nach Abweisung der Willkürbeschwerde, die der Beklagte gegen die Beweiswürdigung erhoben hat, muss vom folgenden, verbindlich festgestellten Sachverhalt ausgegangen werden: 4.1 Der Beklagte ist ab 1991 der Anwalt der Erblasserin gewesen und hat mit ihr auch erbrechtliche Fragen besprochen. Bei der Frage nach ihren Nachlasswünschen soll die Erblasserin zu ihm gesagt haben: "Das sind Sie". Im April 1994 hat der Beklagte vom Testament und von seiner Einsetzung als Alleinerbe Kenntnis erhalten und das Testament vom 2. Dezember 1993 mitgenommen. 4.2 Über die ihm als mandatiertem Anwalt zukommende Vertrauensstellung hinaus hat der Beklagte grossen Einfluss auf die Erblasserin gehabt und ausgeübt. Die Erblasserin ist zu ihm nicht bloss in einem Vertrauensverhältnis gestanden, sondern weitergehend in einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis. Mit ständigen Geschenken hat sie die Freundschaft und Zuneigung des Beklagten erwerben und erhalten wollen. Der Beklagte war beinahe die einzige Bezugsperson der Erblasserin. Er hat sich bemüht, seine Einflussmöglichkeiten und die Bindung der Erblasserin, die in dieser Intensität zu keiner anderen Person als ihm bestanden hat, sicherzustellen und von Seiten Dritter nicht stören zu lassen. 4.3 Die Erblasserin ist davon ausgegangen, die Zuwendung des Beklagten ihr gegenüber entspringe echter Freundschaft und Zuneigung, und in diesem

BGE 132 III 305 S. 311

Erwägung 4

120

Page 122: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Zusammenhang steht die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben. Der Beklagte hingegen hat nicht aus Freundschaft gehandelt, sondern sich bereichern wollen. Seine wahren Absichten sind der Erblasserin verborgen geblieben.

5. Das Appellationsgericht hat - seine Gesamtwürdigung zusammenfassend - angenommen, der Beklagte habe die Erblasserin angesichts gezielter Ausnützung des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses, durch Unterlassen jeglicher Aufklärung sowie unter Mitnahme des Testaments daran gehindert, eine neue, anders lautende Verfügung von Todes wegen zu errichten bzw. diejenige vom 2. Dezember 1993 zu widerrufen, auch wenn es der Erblasserin theoretisch möglich gewesen wäre, das Testament vom 2. Dezember 1993 nachträglich wieder aufzuheben und anders zu verfügen. Viele einzelne Elemente - wie z.B. auch die Mitnahme des Testaments im April 1994 - haben in der Beurteilung des Appellationsgerichts ein Gesamtbild über das Verhalten des Beklagten und dessen Verhältnis zur Erblasserin ergeben und die Annahme von Erbunwürdigkeit begründet. Zur Hauptsache hat das Appellationsgericht das Verhindern im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB aber darin gesehen, dass der Beklagte die ihn treffende Pflicht zur Aufklärung unterlassen hat und dass er die Erblasserin etwas hat tun lassen, das er hätte verhindern können und müssen. Worüber der Beklagte hätte aufklären müssen, lässt sich dem angefochtenen Urteil - entgegen der Darstellung des Beklagten - entnehmen. Danach hatte der Beklagte die Pflicht, die Erblasserin von der Unzulässigkeit und Unzweckmässigkeit der getroffenen Nachlassregelung zu überzeugen und ihr andere Lösungen aufzuzeigen. Zumindest hätte er sie auf seinen Interessenkonflikt hinweisen und sie zu einem anderen, unabhängigen Berater schicken müssen. Wie der Beklagte mit Grund geltend macht, steht die Frage der Kausalität der Unterlassung im Vordergrund, d.h. die Frage, ob die Erblasserin ihr Testament vom 2. Dezember 1993 widerrufen oder neu und anders letztwillig verfügt hätte, wenn sie vom Beklagten zumindest über seinen Interessenkonflikt aufgeklärt und zu einem unabhängigen Berater geschickt worden wäre (vgl. E. 3.5 hiervor). Gemäss den verbindlichen Feststellungen des Appellationsgerichts steht die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Annahme der Erblasserin, "die Zuwendung des Beklagten ihr gegenüber entspringe echter Freundschaft und Zuneigung" (vgl. E. 4.3 hiervor). In Anbetracht dessen erscheint es nach allgemeiner Lebenserfahrung als eher fraglich, ob die unterlassene Aufklärung über eine Interessenkollision oder die fehlende Beratung durch einen Dritten adäquat kausal dafür war, dass die Erblasserin ihr Testament vom 2. Dezember 1993 nicht widerrufen bzw. danach nicht anders verfügt hat.

Die Frage kann aus nachstehendem Grund offen bleiben (E. 6 sogleich). Ausgangspunkt und entscheidend ist die erwähnte Fehlvorstellung der Erblasserin über ihr Verhältnis zum Beklagten und dessen Verhalten ab April 1994 der Erblasserin gegenüber.

6. Es bleibt zu prüfen, ob eine Erbunwürdigkeit darin begründet liegt, dass der Beklagte die Erblasserin als seine Klientin in der Fehlvorstellung belassen hat, seine Bemühungen beruhten auf echter Freundschaft und Zuneigung, und ihr nicht klargelegt hat, dass es sich dabei um seine Gegenleistung für die Bezahlung des von ihm in Rechnung gestellten Anwaltshonorars handle. 6.1 Nach dem Gesagten ist ein Verhindern im Sinne des Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB auch durch blosses Unterlassen möglich, namentlich durch unterlassene Aufklärung, wo hätte aufgeklärt werden können und müssen (E. 3.2 hiervor). Eine Pflicht zur Aufklärung hat das Appellationsgericht aus Auftrags- und Berufsrecht abgeleitet und im Hinblick auf die Rolle des Beklagten als Anwalt der Erblasserin bejaht. Selbstständige

BGE 132 III 305 S. 312

Erwägung 5

BGE 132 III 305 S. 313

Erwägung 6

121

Page 123: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Mitteilungspflichten können sich aus dem Gebot ergeben, nach Treu und Glauben zu handeln (MERZ, Berner Kommentar, 1962/66, N. 262 f. zu Art. 2 ZGB). Wann dies zutrifft, ist im konkreten Einzelfall zu bestimmen. Massgebende Kriterien sind unter anderem das Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses oder eines Dauerschuldverhältnisses, der Grad der Erkennbarkeit und die Schwere des Mangels (HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, Bern 2003, N. 61 zu Art. 2 ZGB, bei Anm. 95; vgl. HONSELL, Basler Kommentar, 2002, N. 16 zu Art. 2 ZGB). Eine Pflicht des Beklagten zur Aufklärung muss auf Grund der verbindlichen Feststellungen des Appellationsgerichts bejaht werden. Danach hat zwischen dem Beklagten und der Erblasserin ein Vertrauensverhältnis von rund vier Jahren - ab 1991 bis zum Tod der Erblasserin am 9. Juli 1995 - Dauer bestanden. Der Beklagte war in dieser Zeit beinahe die einzige Bezugsperson der Erblasserin. Aus der Sicht der Erblasserin ist es dabei nicht bloss um eine Arbeitsbeziehung zwischen ihr als Klientin und ihm als Anwalt gegangen. Sie hat dem Verhältnis eine weitergehende Bedeutung beigemessen und ihr Verständnis durch grosszügige Schenkungen an den Beklagten offenbart. Er selber hat ebenfalls Freundschaft behauptet, sich gemäss den verbindlichen Feststellungen des Appellationsgerichts aber bereichern wollen.

Unter diesen Umständen wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die Erblasserin über sein tatsächliches Verhältnis zu ihr aufzuklären. Er hat seine Pflicht verletzt, und zwar dauernd, zumal die Fehlvorstellung der Erblasserin über ihr Verhältnis zum Beklagten bis zum Tod bestanden hat. Dass sie die theoretische Möglichkeit gehabt hätte, auch anders zu verfügen, ist rechtlich belanglos. Entscheidend ist, dass durch unterlassene Aufklärung ihre falsche Vorstellung über das Verhalten des Beklagten ihr gegenüber bis zum Schluss aufrechterhalten geblieben ist, wie das im Übrigen durch ihr Schreiben vom 25. Februar 1995 belegt wird, in dem sie alle früheren Vollmachten und Verfügungen mit Ausnahme jener zu Gunsten des Beklagten widerrufen hat. 6.2 Arglist gemäss Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB kann im Ausnützen einer schon vorhandenen falschen Vorstellung beim Erblasser bestehen, soweit dieses Ausnützen auf Grund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls eine schwere Verfehlung gegen den Erblasser bedeutet (E. 3.3 hiervor). Gemäss den Feststellungen des Appellationsgerichts ist der Beklagte seiner Aufklärungspflicht auch dann nicht nachgekommen, als er im April 1994 von seiner testamentarischen Einsetzung als Alleinerbe Kenntnis erhalten hat. In Anbetracht des mehrjährigen Vertrauensverhältnisses, der Schenkungen - neben der Bezahlung des Anwaltshonorars - an den Beklagten von Seiten der Erblasserin und deren festgestellten Abhängigkeit von ihm erscheint die unterlassene Aufklärung verbunden mit Bereicherungsabsicht als schwere Verfehlung des Beklagten, welche als unerträglich erscheint und zu missbilligen ist. 6.3 Die Voraussetzung des Vorsatzes (E. 3.4 hiervor) ist erfüllt, zumal der Beklagte als Grundlage seiner Beziehung zur Erblasserin - übereinstimmend mit ihr - "Freundschaft" behauptet hat, sich in Wirklichkeit aber hat bereichern wollen. Es genügt das Bewusstsein, dass die Erblasserin ihr Testament vom 2. Dezember 1993 nicht widerrufen oder anders und neu verfügen würde, solange ihre Vorstellung über ihr Verhältnis zum Beklagten erhalten bleibt. 6.4 Vor dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen dem Beklagten und der Erblasserin ist nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen, die unterlassene Aufklärung sei kausal dafür gewesen, dass die Erblasserin ihr Testament vom 2. Dezember 1993 nicht widerrufen und nicht neu und anders verfügt hat (vgl. E. 3.5 hiervor).

6.5 Aus den dargelegten Gründen verletzt es kein Bundesrecht, dass das Appellationsgericht festgestellt hat, der Beklagte sei erbunwürdig. Bei diesem Ergebnis ist nicht bestritten, dass der Beklagte das Amt des Willensvollstreckers nicht ausüben kann, und auf weitere Vorbringen des Beklagten ist nicht mehr einzugehen. Die Berufung muss insgesamt abgewiesen

BGE 132 III 305 S. 314

BGE 132 III 305 S. 315

122

Page 124: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

werden, soweit darauf eingetreten werden kann. Entgegen der Annahme des Beklagten steht die Bejahung der Erbunwürdigkeit im vorliegenden Fall nicht ausserhalb jeglicher Rechtsordnung. Die Beispiele, die sich in Lehre und Praxis zum schweizerischen Recht finden lassen, mögen zwar spärlich sein. Auch in ausländischen Rechtsordnungen wird jedoch die rechtswidrige Beeinträchtigung des freien erblasserischen Willens als Erbunwürdigkeitsgrund erfasst (z.B. in § 2339 des deutschen BGB, in § 542 des österreichischen ABGB und in Art. 463 des italienischen CC, nicht hingegen in den Art. 727 ff. des französischen CC). In der Lehre wird der mit dem vorliegenden ähnliche Fall erörtert, wo gerichtlich auf Erbunwürdigkeit erkannt wurde, weil eine Ehefrau ihr fortdauerndes ehewidriges Verhältnis in Kenntnis der Tatsache verschwieg, dass ihr Ehemann im Vertrauen auf ihre eheliche Treue eine Verfügung von Todes wegen zu ihren Gunsten errichtet hat (vgl. LANGE/KUCHINKE, Lehrbuch des Erbrechts, 4. Aufl., München 1995, S. 145 Anm. 32, mit Hinweisen, zuletzt: HELMS, Münchener Kommentar, 2004, N. 25 zu § 2339 BGB; ähnlich für Österreich: KRALIK, Das Erbrecht, Wien 1983, S. 38 f.; für Italien: PALAZZO, Le successioni, I, Milano 1996, S. 217, und CIAN/TRABUCCHI, Commentario breve al Codice civile, Padova 2005, N. V/1 zu Art. 463 CC, je mit Hinweisen auch zum Fall der Erbschleicherei).

nach oben

123

Page 125: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

132 III 315 38. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. K. gegen B. (Berufung) 5C.120/2005 vom 1. März 2006

Am 9. Juli 1995 starb E. (im Folgenden: Erblasserin). In den letzten zwanzig bis dreissig Jahren ihres Lebens hatte die Erblasserin eine grosse Zahl von letztwilligen Verfügungen getroffen. Ihre gesetzlichen Erben - offenbar Nachkommen eines Bruders ihrer Mutter, eine Kusine bzw. deren Kinder - überging sie jeweilen vollständig. Gemäss einem Testament vom 31. August 1987 setzte die Erblasserin K. (fortan: Kläger) als Alleinerben ein. In einem Nachtrag zu diesem Testament bestätigte die Erblasserin am 10. März 1991 die Erbeinsetzung des Klägers. In einem eigenhändigen Testament vom 16. November 1992 oder 1993 setzte die Erblasserin B. (hiernach: Beklagter) als ihren Alleinerben und Willensvollstrecker ein mit der Anweisung, dem Kläger ein Vermächtnis auszurichten. Sie bestätigte mit Testament vom 2. Dezember 1993 die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben und Willensvollstrecker, hingegen nicht das Vermächtnis zu Gunsten des Klägers. Schliesslich widerrief die Erblasserin in einem Schreiben an den Beklagten vom 25. Februar 1995 alle früheren Vollmachten und Verfügungen mit Ausnahme jener zu Gunsten des Beklagten. Der Kläger focht die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben und Willensvollstrecker der Erblasserin an und erhob - unter anderem - Klage mit den Begehren, die auf den 2. Dezember 1993 datierte letztwillige Verfügung ungültig zu erklären, eventualiter festzustellen, dass der Beklagte erbunwürdig und damit auch unfähig sei, Willensvollstrecker zu sein. In zweiter Instanz verneinte das von beiden Parteien angerufene Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 2. Dezember 1993. Es hiess das Eventualklagebegehren gut und stellte fest, dass der

Beklagte gegenüber der Erblasserin erbunwürdig und unfähig sei, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben. Der Kläger hat gegen die Abweisung seiner Ungültigkeitsklage Berufung eingelegt (5C.120/2005). Er beantragt, das Testament der Erblasserin mit Datum vom 2. Dezember 1993 für ungültig zu erklären. Der Beklagte schliesst auf Abweisung. Das Appellationsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet unter Hinweis auf sein Urteil. Mit Urteilen vom 6. Februar 2006 hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts die Rechtsmittel des Beklagten gegen die Feststellung seiner Erbunwürdigkeit und seiner Unfähigkeit, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben, abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.161/2005 und BGE 132 III 305). Das Bundesgericht heisst die Berufung des Klägers gut, soweit es darauf eintritt, und stellt fest, dass das Testament der am 9. Juli 1995 verstorbenen E. mit Datum vom 2. Dezember 1993 nichtig ist.

Urteilskopf

Art. 540 f. ZGB; Auswirkungen der Erbunwürdigkeit auf den eingesetzten Erben und seine Erbeinsetzung. Der Erbunwürdige ist zu behandeln, wie wenn er vor dem Erblasser gestorben wäre. Verfügungen von Todes wegen zu seinen Gunsten sind nichtig. Ist der Erbunwürdige eingesetzter Erbe, treten an seine Stelle die gesetzlichen Erben des Erblassers, wenn keine frühere Verfügung von Todes wegen Geltung erlangt (E. 2).

Regeste

BGE 132 III 315 S. 316

Sachverhalt

BGE 132 III 315 S. 317

124

Page 126: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Aus den Erwägungen:

2. Mit der Abweisung seiner Berufung (BGE 132 III 305) steht rechtskräftig fest, dass der Beklagte im Nachlass der Erblasserin erbunwürdig gemäss Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ist. Es stellt sich die Frage, welches die Folgen der Erbunwürdigkeit sind und wie sich die Erbunwürdigkeit auf die Verfügung von Todes wegen auswirkt, mit der die Erblasserin den Beklagten als Alleinerben eingesetzt hat. 2.1 Wer den Erblasser - wie hier - durch Arglist daran verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder zu widerrufen (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB), ist unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben (Art. 540 Abs. 1 ZGB). Der Erbunwürdige wird weder gesetzlicher noch eingesetzter Erbe noch Vermächtnisnehmer (SCHWANDER, Basler Kommentar, 2003, N. 22 zu Art. 540 ZGB). Er ist überhaupt nicht Erbe, der Anfall an ihn hat nicht stattgefunden (ESCHER, Zürcher Kommentar, 1959, N. 2 zu Art. 540 ZGB). In Bezug auf den betreffenden Erblasser gilt der Erbunwürdige, als ob er gar nicht kraft Gesetzes berufen oder als ob ihm durch Verfügung von Todes wegen nichts zugewendet worden wäre. Es wird in Rücksicht auf den bestimmten Erbfall so gehalten, wie wenn er vorverstorben wäre. Er kann deshalb selbst aus Verfügungen von Todes wegen nichts erwerben, die zeitlich vor der zur Erbunwürdigkeit führenden

Handlung mängelfrei errichtet wurden (TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 25 und N. 31 zu Art. 540/541 ZGB; vgl. auch STEINAUER, Le droit des successions, Bern 2006, N. 943 f. S. 458, mit Hinweisen). Gemäss Art. 541 ZGB besteht die Erbunfähigkeit nur für den Erbunwürdigen selbst (Abs. 1), doch beerben seine Nachkommen den Erblasser, wie wenn er - der Erbunwürdige - vor dem Erblasser gestorben wäre (Abs. 2). Letzteres gilt freilich nur für die Nachkommen eines Erbunwürdigen, der gesetzlicher Erbe gewesen ist, da nur dessen Nachkommen das sog. Eintrittsrecht zusteht (vgl. Art. 457 Abs. 3 ZGB). Ist der Erbunwürdige hingegen - wie hier - eingesetzter Erbe, so gelangt sein Anteil an die nächsten gesetzlichen Erben des Erblassers, es sei denn, der Erblasser habe in seiner Verfügung von Todes wegen eine oder mehrere Personen bezeichnet, denen die Erbschaft für den Fall der Erbunwürdigkeit des eingesetzten Erben zufallen soll (SCHWANDER, a.a.O., N. 3 zu Art. 541 ZGB; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 33 zu Art. 540/541 ZGB und N. 2 zu Art. 542 ZGB). Eine solche Ersatzverfügung (Art. 487 ZGB) vorbehalten, treten - mit anderen Worten - an die Stelle des erbunwürdigen eingesetzten Erben die gesetzlichen Erben des Erblassers (ESCHER, a.a.O., N. 1 zu Art. 541 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 944 S. 458 und N. 302 S. 182). Die Wirkungen der Erbunwürdigkeit unterscheiden sich damit von den Folgen der Ungültigerklärung einer Verfügung von Todes wegen. Wird eine Verfügung von Todes wegen für ungültig erklärt, tritt nur dann die gesetzliche Erbfolge ein, wenn keine frühere gültige Verfügung von Todes wegen zur Geltung kommt (FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, 2003, N. 29 zu Art. 519/520 ZGB; ESCHER, Zürcher Kommentar, 1959, N. 6, und TUOR, Berner Kommentar, 1952, N. 14, je zu Art. 519 ZGB). Dass im Falle der Erbunwürdigkeit frühere Verfügungen von Todes wegen nicht wieder aufleben sollen, wird damit erklärt, dass die Erbunwürdigkeit nicht die Gültigkeit der Verfügung von Todes wegen trifft, sondern bloss die Fähigkeit, Erbe zu sein und aus Verfügungen von Todes wegen zu erwerben (Art. 539 Abs. 1 ZGB). Die Verfügung von Todes wegen, mit der ein Erbunwürdiger als Alleinerbe eingesetzt wurde, bleibt als solche bestehen, obwohl die Erbeinsetzung gegenstandslos geworden ist und nie zur Ausführung gelangen kann. Das hat zur Folge, dass diese letztwillige Verfügung, die kraft gesetzlicher Vermutung an die Stelle einer früheren Verfügung getreten ist (Art. 511 Abs. 1

ZGB), deren Wiederaufleben solange entgegensteht, als sie nicht auf dem Wege der Ungültigkeitsklage beseitigt worden ist. In Kraft bleibt gleichsam der in

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

BGE 132 III 315 S. 318

BGE 132 III 315 S. 319

125

Page 127: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck gelangte Widerrufswillen gegenüber früheren letztwilligen Verfügungen (vgl. TUOR, a.a.O., N. 7 und N. 24 zu Art. 509-511 ZGB; ESCHER, a.a.O., N. 5 a.E. zu Art. 509 ZGB; MEYER, Das Wiederaufleben aufgehobener letztwilliger Verfügungen, Diss. Zürich 1972, S. 86, mit Hinweisen). 2.2 Die Unterscheidung zwischen den Wirkungen der Erbunwürdigkeit und den Folgen der Ungültigerklärung einer Verfügung von Todes wegen leuchtet ein und erscheint rechtstechnisch in sich geschlossen und unanfechtbar, vermag aber nicht zu überzeugen, wo die Erbunwürdigkeit bezweckt, "den erblasserischen Willen und Willensausdruck gegen jeden Angriff von aussen zu sichern" (BGE 132 III 305 E. 3.3 S. 310). Wenn ein Dritter den Erblasser durch Arglist, Zwang oder Drohung im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB dazu bringt, ihn als Alleinerben einzusetzen, oder daran verhindert, seine Einsetzung als Alleinerben zu widerrufen, und wenn die Erbunwürdigkeit des Dritten als eingesetzten Alleinerben gerichtlich festgestellt wird, dann ist offenkundig nicht bloss die Erbfähigkeit des Dritten betroffen, sondern auch die errichtete bzw. nicht widerrufene Verfügung selbst, weil sie eben gerade nicht dem Willen des Erblassers entspricht. In der Variante des Erwirkens einer Verfügung von Todes wegen durch Arglist, Zwang oder Drohung hilft die Ungültigkeitsklage wegen Willensmangels (Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. Art. 469 ZGB). In der Variante des Verhinderns am Widerruf aber dürfte es sich oftmals oder gar regelmässig so verhalten, dass die Ungültigkeitsklage nicht erfolgreich sein kann, weil die nicht widerrufene Verfügung von Todes wegen seinerzeit mängelfrei zustande gekommen ist, wie dies hier auch das Appellationsgericht angenommen hat. In seinem Urteil über die Berufung des Beklagten (BGE 132 III 305) hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts den Erbunwürdigkeitsgrund gemäss Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB von der Enterbung (Art. 477 ZGB) einerseits und von der Ungültigkeitsklage wegen Willensmangels (Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. Art. 469 ZGB) andererseits abgegrenzt und dazu festgehalten, der wesentliche und entscheidende Hauptunterschied zwischen den Rechtsinstituten liege vorab darin, dass Erbunwürdigkeit von Gesetzes wegen eintrete und durch Behörden und Gerichte von Amtes wegen zu berücksichtigen

sei. An der Erbunwürdigkeit bestehe insoweit ein allgemeines Interesse. Es sei deshalb nicht der Begriff der Arglist im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB eng auszulegen. Arglist könne auch hier im Bewirken oder Ausnützen einer schon vorhandenen falschen Vorstellung beim Erblasser bestehen. Zusätzlich müsse dieses Bewirken oder Ausnützen auf Grund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls eine schwere Verfehlung gegen den Erblasser bedeuten, die nach dem Empfinden der Allgemeinheit als unerträglich erscheine und zu missbilligen sei (E. 3.3). Die derart eng umschriebenen Voraussetzungen für die Annahme von Erbunwürdigkeit - schwere Verfehlung nach dem Empfinden der Allgemeinheit und Berücksichtigung von Amtes wegen im allgemeinen Interesse - lehnen sich an den Begriff der Nichtigkeit an. Die Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung wird von Amtes wegen und in jedem Verfahren, namentlich auch im Zusammenhang mit einer Ungültigkeitsklage beachtet. Qualifizierte inhaltliche Rechtswidrigkeiten und dementsprechend eigentliche Extremfälle der im Gesetz als Ungültigkeitsgründe erfassten Tatbestände begründen die Nichtigkeit letztwilliger Verfügungen (FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 4 zu Art. 519/520 ZGB). Die Gegenüberstellung des Erbunwürdigkeitsgrundes im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB mit der Ungültigkeitsklage wegen Willensmangels gemäss Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. Art. 469 ZGB verdeutlicht, dass die Verfügung von Todes wegen zu Gunsten einer erbunwürdigen Person nichtig ist (RIEMER, Nichtige [unwirksame] Testamente und Erbverträge, Festschrift Keller, Zürich 1989, S. 245 ff., S. 252 lit. e; seither, z.B. WACHENDORF EICHENBERGER, Die Konversion ungültiger Verfügungen von Todes wegen, Diss. Basel 2002, S. 102). 2.3 Nach dem Gesagten erweist sich die testamentarische Einsetzung des Beklagten als Alleinerben und - die von seiner Erbwürdigkeit unstreitig abhängige (vgl. E. 6.5 des Urteils über die Berufung des Beklagten, BGE 132 III 305) Einsetzung - als Willensvollstrecker vom 2. Dezember 1993 als nichtig. Die Feststellung der Nichtigkeit hat hier dieselben Wirkungen wie die gerichtliche Ungültigerklärung. Das Testament vom 2. Dezember 1993 wird "ex tunc" unwirksam (RIEMER, a.a.O., S. 247), d.h. es wird so gehalten, wie wenn die Verfügung von Todes wegen gar nie bestanden hätte (STEINAUER, a.a.O., N.

BGE 132 III 315 S. 320

126

Page 128: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

776 S. 378). Mit der (deklaratorischen) Feststellung der Nichtigkeit wird dem Kläger weder weniger oder mehr noch anderes zuerkannt als mit der von ihm beantragten (rechtsgestaltenden)

Ungültigerklärung (vgl. BGE 81 II 22 Nr. 4). Es erübrigt sich damit, auf die von ihm geltend gemachten Ungültigkeitsgründe einzugehen. Die Berufung ist deshalb gutzuheissen, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben, soweit damit die Ungültigkeitsklage abgewiesen wird, und die entsprechende Feststellung zu treffen.

BGE 132 III 315 S. 321

nach oben

127

Page 129: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

132 III 677 81. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Establishment X. und Establishment Y. in Liquidation gegen Z. und Mitb. (Berufung) 5C.261/2005 / 5C.262/2005 vom 2. Mai 2006

U. verstarb am 19. Mai 2003 an seinem letzten Wohnsitz in K./ZH. Mit letztwilliger Verfügung vom 12. Mai 1999 bestimmte er die Stiftung S. mit Sitz in Zürich zu seiner Erbin. Seine Ehefrau T. und seine Tochter V. setzte er auf den Pflichtteil und legte die ihnen zukommenden Anteile mittels Teilungsvorschriften fest. Zudem richtete er mit letztwilliger Verfügung vom 22. April 2002 eine Reihe von Vermächtnissen aus. In seinem Testament vom 9. Mai 2003 ernannte er Rechtsanwalt Z. zu seinem Willensvollstrecker. Z. (nachfolgend: der Kläger) erwirkte beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Horgen am 15. Januar 2004 ein Verfügungsverbot über bestimmte Nachlasswerte, welche Massnahme mit einer Frist zur Einreichung einer ordentlichen Klage verbunden war, ansonsten diese ohne weiteres dahinfalle. Am 19. Februar 2004 machte der Kläger beim Bezirksgericht Horgen eine Erbschafts- und Auskunftsklage gegen die F. AG mit Sitz in E. (nachfolgend: Beklagte 1) sowie gegen die Establishment Y. in Liquidation (nachfolgend: Beklagte 2) und die Establishment X. (nachfolgend: Beklagte 3), beide mit Sitz in D./Fürstentum Liechtenstein, anhängig. In seiner Klagebegründung vom 11. August 2004 verlangte er von allen Beklagten die Herausgabe von 25 namentlich bezeichneten Kunstwerken (Rechtsbegehren A.1), soweit sie sich in ihrem Besitz befinden. Von der Beklagten 2 und 3 verlangte er zusätzlich die Herausgabe aller Vermögens- und Erbschaftssachen in ihrem Besitz und die Abtretung aller ihnen zustehenden Forderungen (Rechtsbegehren A.2). Von der Beklagten 1 verlangte er die Herausgabe aller weiteren nicht in Rechtsbegehren A.1 aufgeführten Vermögenswerte, welche im Auftrag oder für Rechnung der Beklagten 2 und 3 bei ihr oder bei von ihr beauftragten Dritten gelagert seien oder welche sich sonst auf Rechnung der Beklagten 2 und 3 in ihrem Besitz befinden (Rechtsbegehren A.3). Überdies seien die Beklagten zu verpflichten, über alle in den Rechtsbegehren A.1 und A.2 genannten Kunstwerke, Vermögenswerte, Erbschaftssachen und Forderungen, die sich nicht mehr in ihrem Besitz befinden bzw. über welche sie nicht mehr verfügen, Auskunft zu erteilen, wem sie übergeben bzw. an wen sie übertragen wurden und auf wessen Weisung dies geschehen war (Rechtsbegehren B). Die Beklagten erhoben im Rahmen des Schriftenwechsels die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und beantragten, auf die Begehren nicht einzutreten. Zudem schlossen sie jeweils auf Abweisung der Klage. Der Kläger schloss auf Abweisung der Unzuständigkeitseinreden

aller Beklagten betreffend die Erbschaftsklage (Rechtsbegehren A). T. stellte als Nebenintervenientin ebenfalls den Antrag, die Unzuständigkeitseinreden aller Beklagten betreffend die Erbschaftsklage

Urteilskopf

Erbschaftsklage, Art. 598 ff. ZGB; Auskunftsklage gegen Erbschaftsbesitzer. Im internationalen Verhältnis richtet sich die Zuständigkeit zur Beurteilung der Erbschaftsklage nach Art. 86 IPRG (E. 3.2 und 3.3). Voraussetzungen zur Erhebung der Erbschaftsklage (E. 3.4 und 3.5). Gegenüber Dritten als Erbschaftsbesitzer besteht ein erbrechtlicher Anspruch auf Auskunft (E. 4).

Regeste

BGE 132 III 677 S. 678

Sachverhalt

BGE 132 III 677 S. 679

128

Page 130: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

(Rechtsbegehren A) abzuweisen. Mit Beschluss vom 17. Mai 2005 wies das Bezirksgericht Horgen die Unzuständigkeitseinreden der Beklagten ab. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von den Beklagten dagegen erhobenen Rekurse am 5. September 2005 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss. Die Beklagten 2 und 3 sind mit Berufungen vom 11. bzw. 12. Oktober 2005 an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragen jeweils, den obergerichtlichen Beschluss aufzuheben und auf die klägerischen Begehren nicht einzutreten. Das Bundesgericht weist die Berufungen ab.

Aus den Erwägungen:

3. 3.1 Anlass der Berufung bildet die Frage, ob der Richter am letzten Wohnsitz des Erblassers in der Schweiz zuständig ist, die Erbschafts- und Auskunftsklage des Willensvollstreckers gegen zwei Anstalten in Liechtenstein zu behandeln. 3.2 Das Obergericht hat zu Recht das Vorliegen eines internationalen Verhältnisses im Sinne von Art. 1 Abs. 1 IPRG angenommen. Gemäss Art. 86 Abs. 1 IPRG sind für das Nachlassverfahren und die erbrechtlichen Streitigkeiten die schweizerischen Gerichte oder Behörden am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Vorliegend ist der Erblasser unstrittig Schweizer Bürger gewesen und an seinem schweizerischen Domizil (in K./ZH) verstorben. Strittig ist, ob der Richter für die Behandlung der Erbschafts- und Auskunftsklage zuständig ist, welche der Willensvollstrecker gegen zwei in Liechtenstein domizilierte Anstalten erhoben hat bzw. ob es sich bei dieser Klage um eine erbrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1 IPRG handelt. 3.3 Die Lehre stützt sich für die Auslegung des Anknüpfungsbegriffs "erbrechtliche Streitigkeiten" auf BGE 119 II 77 E. 3a S. 81 (mit Hinweis auf BGE 99 II 277 E. 3 S. 280; vgl. DUTOIT, Droit international privé suisse, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 4. Aufl. 2005, N. 2 zu Art. 86 IPRG; SCHNYDER, Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, N. 10 zu Art. 86 IPRG; HEINI, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 2 zu Art. 86

IPRG). Nach dieser Rechtsprechung ist eine Klage erbrechtlicher Natur, wenn sich die Parteien auf einen erbrechtlichen Titel berufen, um einen Teil ihrer Erbschaft zu fordern und die Existenz ihrer Rechte feststellen zu lassen. "Erbrechtliche Streitigkeiten" betreffen demnach Klagen, mit denen Bestand oder Höhe erbrechtlicher Ansprüche geltend gemacht oder bestritten werden (HEINI, a.a.O.). Dazu gehört auch die Erbschaftsklage gemäss Art. 598 ZGB, mit welcher die Herausgabe der Erbschaft oder einer Erbschaftssache verlangt wird (FORNI/PIATTI, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl. 2003, N. 13 zu Art. 598 ZGB; PATRICK SOMM, Die Erbschaftsklage des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Basel 1993, S. 113). Es ist zu Recht unstrittig, dass dem Kläger als Willensvollstrecker (FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 4 zu Art. 598 ZGB mit Hinweisen) nach dem Erbstatut - d.h. nach schweizerischem Recht, da der Erblasser Schweizer Bürger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz ist (Art. 90 IPRG) - die Erbschaftsklage gegen die Beklagten als Nichterben grundsätzlich zur Verfügung steht (BBl 1983 I 382, S. 390; SCHNYDER, a.a.O., N. 10 zu Art. 86 IPRG, N. 5 zu Art. 92 IPRG). 3.4 Zur Frage, ob die Erbschaftsklage zur Verfügung steht, gelten weiter die nachfolgenden Grundsätze. 3.4.1 Vorab ist festzuhalten, dass ein Erbe im Fall, dass ihm Erbschaftssachen vorenthalten werden und er sie sich verschaffen will, zunächst zu jener Klage greifen kann, die schon dem Erblasser zugestanden hätte. Der Erbe geht dann so vor, wie wenn es der Erblasser täte, wenn er

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

BGE 132 III 677 S. 680

129

Page 131: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

noch lebte; er hat den betreffenden Anspruch geerbt (TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 12. Aufl. 2002, S. 664 f., sog. "Sonder- oder Singularklage des Erben"). 3.4.2 Zur Erbschaftsklage ist nach Art. 598 Abs. 1 ZGB befugt, "wer auf eine Erbschaft oder auf Erbschaftssachen als gesetzlicher oder eingesetzter Erbe ein besseres Recht zu haben glaubt als der Besitzer". Diese Klage stützt sich auf die blosse Erbberufung des Klägers; darin stimmen sich Rechtsprechung (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331, "une pareille action est fondée sur la vocation successorale du demandeur"; 45 I 302 E. 2 S. 308) und Lehre überein (TUOR/ SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, a.a.O.; STEINAUER, Le droit des successions, Bern 2006, S. 527 Rz. 1114; FORNI/PIATTI, a.a.O., N. 1 zu Art. 598 ZGB).

3.4.3 Ruft hingegen der Kläger seine Eigenschaft als Erbe nur an, um darzutun, dass er Inhaber eines Rechtes sei, das dem Erblasser zustand, so erhebt er, selbst wenn er die Rückgabe der Erbschaftssache verlangt, nicht eine Erbschaftsklage; er führt diesfalls nur die Klage, die seinem Rechtsvorgänger zustand (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331; 45 I 302 E. 2 S. 308). Auch hier hat der Kläger seine Erbberufung darzutun, doch bildet sie diesfalls lediglich ein Mittel zur Rechtfertigung der Sachlegitimation und nicht - wie bei der Erbschaftsklage - den Klagegrund (TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 4 zu Art. 598 ZGB; ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 1 zu Art. 598 ZGB; SOMM, a.a.O., S. 11 f.). 3.4.4 Der Erbe als Kläger hat die Wahl, ob er diese Vermögenswerte mit der Erbschaftsklage oder mit einer Sonderklage herausverlangen will (STEINAUER, a.a.O., S. 528 Rz. 1115 a.E., mit Hinweisen auf die einhellige Lehre). Er geht mit Erbschaftsklage vor, wenn er - wie dargelegt - den Anspruch auf seine Erbberechtigung stützt. Er wählt die Sonderklage, wenn er sich auf sein Erbrecht nur beruft, um seine Sachlegitimation darzutun, und seinen Anspruch auf einen einem anderen Rechtsgebiet - z.B. Obligationenrecht - entnommenen Grund stützt; hierfür steht ihm die Erbschaftsklage nicht zur Verfügung, d.h. eine derartige, einem bestimmten Rechtsgebiet entnommene, mithin individuelle Charakterisierung des Anspruchs führt nicht zur Erbschaftsklage (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 4 zu Art. 598 ZGB, N. 9 zu Vorbem. zum fünften Abschnitt; SOMM, a.a.O., S. 11 f., mit Hinweisen). 3.4.5 Die Abgrenzung der Erbschaftsklage von einer Sonderklage hängt somit von der Rechtsgrundlage ab, auf welche sich der Kläger stützt. Ihr kommt allerdings insoweit eine begrenzte Bedeutung zu, als das Bundesgericht den Anwendungsbereich der Erbschaftsklage erweitert hat. Nach der Rechtsprechung ist die Erbschaftsklage auch zulässig, wenn die Eigenschaft des herausverlangten Vermögenswertes als Erbschaftssache nicht strittig ist, und der Beklagte einen Sondertitel - wie etwa eine Schenkung des Erblassers - geltend macht; in solchen Fällen ist die Gültigkeit des Sondertitels vorfrageweise zu prüfen (BGE 91 II 327 E. 6 S. 337 [Praxisänderung]; 119 II 114 E. 4a S. 116, nach Auseinandersetzung mit der uneinigen Lehre; STEINAUER, a.a.O., S. 531 Rz. 1128 und Fn. 18, welcher diese Auffassung mit weiteren Hinweisen auf die Lehre bestätigt). 3.5 Um die Natur der hier in Frage stehenden Klage zu ermitteln, sind der Inhalt der Rechtsbegehren und deren Begründung entscheidend

(BGE 130 III 547 E. 2.1 S. 549). Zu prüfen ist im Folgenden, ob der Kläger eine Erbschaftsklage erhoben hat bzw. ob ihm dieses Rechtsinstitut im vorliegenden Fall - in Anbetracht seiner Vorbringen und denjenigen der Beklagten - zur Verfügung steht. 3.5.1 Der Kläger verlangte in seiner Eingabe an das Bezirksgericht Horgen vom 11. August 2004 von den Beklagten 2 und 3 die Herausgabe von 25 einzeln bezeichneten Kunstwerken, von nicht näher umschriebenen Vermögenswerten und Erbschaftssachen in deren Besitz sowie die Abtretung von Forderungen, die ihnen zustehen (Rechtsbegehren A.1 und A.2). Dass er sein Begehren als "Erbschaftsklage" bezeichnet, ist im Hinblick auf die Frage, ob ein erbrechtlicher Streit vorliegt, unerheblich. Zur Begründung führt der Kläger aus, der Erblasser sei an den zwei beklagten liechtensteinischen Anstalten wirtschaftlich ausschliesslich berechtigt gewesen. Diese besässen

BGE 132 III 677 S. 681

BGE 132 III 677 S. 682

130

Page 132: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Vermögenswerte, insbesondere Bilder, die früher einmal dem Erblasser gehört hätten und vor seinem Tod an diese übertragen bzw. diesen gutgeschrieben worden waren, weshalb sie in den Nachlass gehörten. Der Kläger schildert im Einzelnen, wie sich diese verschiedenen Vorgänge abgespielt haben sollen. Er behauptet zudem, dass der Erblasser nie für Dritte aufgetreten sei, sondern immer ausschliesslich seine eigenen Interessen gewahrt habe. Zwischen diesem und den Beklagten 2 und 3 habe eine wirtschaftliche Identität bestanden. Infolgedessen gehörten deren Vermögenswerte in den Nachlass des Erblassers. 3.5.2 Das Herausgabebegehren zielt somit ausschliesslich darauf ab, den Nachlass des Erblassers um (bestimmte und unbestimmte) Gegenstände und Forderungen zu vervollständigen, die sich im Verfügungsbereich von zwei Nichterben befinden. Zwar beruft sich der Kläger auch auf (vertragliche) Rückgabeansprüche aus einem fiduziarischen Rechtsverhältnis. Dennoch stützt er sein Begehren in erster Linie auf die Erbberufung. Lediglich im Sinne einer Vorwegnahme eventueller Einwände der Beklagten wird ausgeführt, die Konstruktion mittels liechtensteinischer Anstalten habe es dem Erblasser erlaubt, frei über die Vermögenswerte zu verfügen, und er habe bis zu seinem Tode darüber auch frei verfügt, weshalb die Beklagten die Vermögenswerte auszuhändigen hätten. Nicht Gegenstand der Auseinandersetzung bilden hingegen typische erbrechtliche Fragen wie die Gültigkeit der letztwilligen Verfügungen, die Erbberechtigung der gesetzlichen und eingesetzten Erben, die Pflichtteile der gesetzlichen Erbinnen oder die Befugnisse des Willensvollstreckers.

Der Kläger strebt sein Ziel auf dem Wege einer Erbschaftsklage an. 3.5.3 Die Beklagte 3 betont mit Bezug auf ihre Geltendmachung eines besseren Rechts an den Erbschaftssachen, dass nur in dem Fall, der im Jahre 1965 zur Praxisänderung geführt hatte (vgl. E. 3.4.5), sowohl die Erbberechtigung des Klägers wie auch die Herausgabe von Vermögenswerten des Erblassers strittig war. Dies trifft zu; indessen kann sie daraus nichts für sich ableiten. Das Bundesgericht entschied bei dieser Konstellation, dass die beiden Begehren kumuliert werden können (BGE 91 II 327 E. 3 S. 331 f.). Hingegen lag dem Fall, welcher zur Bestätigung dieser Rechtsprechung führte (BGE 119 II 114), nur ein Herausgabebegehren gegen einen Dritten auf einen bestimmten Gegenstand zugrunde. Der Kläger war unbestrittenermassen eingesetzter Erbe (vgl. BGE 119 II 114 E. 4a S. 116). Entscheidend für die Zulässigkeit der Erbschaftsklage war indes in beiden Fällen die Argumentation von LEUCH (vgl. BGE 91 II 327 E. 6 S. 336), wonach das Begehren gegen einen Beklagten gerichtet sei, der das Erbrecht des Klägers verletze, indem er am Besitz der Erbschaftssache festhalte. Dies geschehe unter Hinweis auf ein erbrechtliches Motiv oder auf einen Sondertitel. Der Beklagte bzw. Besitzer verletze das Erbrecht ausdrücklich, wenn er selbst das Erbrecht beansprucht; er verletze es tatsächlich, wenn er überhaupt keinen Rechtsgrund für seinen Besitz anrufe oder wenn er einen besonderen - nicht erbrechtlichen - Rechtsgrund anrufe. Die Erbschaftsklage sei auf jeden Fall abzuweisen, wenn der Sondertitel (z.B. Schenkung, Kauf, oder Miete) sich als gültig erweise. Um einen solchen Einwand überhaupt prüfen zu können, müsse dem Richter die Gelegenheit gegeben werden, vorfrageweise zum Sondertitel Stellung zu nehmen. Diese Argumentation hat nach wie vor Gültigkeit. Soweit das Bundesgericht davon zwischenhinein - ohne Bezugnahme auf die massgebliche Rechtsprechung und in einer Sache, deren Streitpunkt ausserhalb des Erbrechts lag - abgewichen ist (BGE 98 II 88 E. 3 S. 95), kann daran nicht festgehalten werden. 3.5.4 Im vorliegenden Fall sind die beiden Beklagten unbestrittenermassen Nichterben. Die Beklagte 2 trug in ihrer Klageantwort vom 8. Dezember 2004 vor, dass der Erblasser weder Inhaber der Gründerrechte an ihr noch ein von ihr Begünstigter gewesen sei, sondern ausschliesslich ein Vollmachtträger. Damit gehörten ihre Aktiven nicht in den Nachlass. Überdies habe sie die verlangten Kunstgegenstände unentgeltlich an die Beklagte 3 zu Eigentum

übertragen. Die Beklagte 3 berief sich in ihrer Klageantwort vom 8. Dezember 2004 auf den Erwerb der herausverlangten Kunstwerke von der Beklagten 2. Zudem behauptete sie, dass der Erblasser zur Zeit des Todes keine Gründerrechte mehr an ihr hatte. Damit gehören ihrer Ansicht nach weder die strittigen Kunstwerke noch ihre Aktiven in den Nachlass. Aufgrund dieser

BGE 132 III 677 S. 683

BGE 132 III 677 S. 684

131

Page 133: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Einwände wird ein Sondertitel in Gestalt der Schenkung zu prüfen sein, welcher der Herausgabe entgegen stehen kann. Zudem wird die wirtschaftliche Berechtigung des Erblassers im weitesten Sinn an den beiden Beklagten auszuleuchten sein. Diese aktuelle Ausgangslage spricht gemäss den voranstehenden Überlegungen für die Behandlung des Herausgabebegehrens als Erbschaftsklage und infolgedessen für die Annahme einer erbrechtlichen Streitigkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1 IPRG. Damit ist die schweizerische Zuständigkeit gegeben.

4. 4.1 Weiter ist zu prüfen, ob das Auskunftsbegehren vom Anknüpfungsbegriff der "erbrechtliche Streitigkeiten" gemäss Art. 86 Abs. 1 IPRG erfasst ist. Entscheidend ist, ob dem Willensvollstrecker als Kläger nach dem Erbstatut - d.h. hier nach schweizerischem Recht - ein gesetzliches Informationsrecht gegen die Beklagten als Nichterben zur Verfügung steht (vgl. E. 3.3). 4.2 Der Kläger verlangt in seiner Eingabe an das Bezirksgericht Horgen vom 11. August 2004 von den Beklagten 2 und 3 nicht nur die Herausgabe von 25 einzeln bezeichneten Kunstwerken und aller Vermögenswerte und Erbschaftssachen im Besitz der Beklagten 2 und 3 bzw. die Abtretung aller Forderungen, über welche diese verfügen. Er verlangt von den Beklagten 2 und 3 zudem, dass sie bezüglich sämtlicher im Herausgabebegehren genannten Werte, soweit sie nicht mehr in deren Besitz seien bzw. sie darüber nicht mehr verfügen können, mitteilen, wem sie sie übergeben bzw. übertragen haben und auf welche Anweisung hin dies geschehen sei (Rechtsbegehren B). Entscheidend für die Qualifizierung dieses Begehrens als erbrechtlicher Streit ist auch hier nicht die Bezeichnung, sondern dessen Umschreibung und die Begründung, mit welcher die gewünschten Informationen verlangt werden (vgl. E. 3.5). Der Kläger rechtfertigt seinen Auskunftsanspruch mit Hinweisen auf die Lehre, wonach Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB auch gegenüber Dritten analog anzuwenden seien. Zudem stehe ihm dieses Recht als Korrelat zum Herausgabeanspruch, nämlich aus seinem Recht auf Besitz am Nachlass, zu. Er könne nur aufgrund der

geforderten Informationen seiner Aufgabe als Willensvollstrecker nachkommen. Überdies sei er von den beiden gesetzlichen Erbinnen beauftragt worden, die ihnen zustehenden Auskunftsansprüche ebenfalls geltend zu machen. Schliesslich schildert er die Vertragsbeziehungen zwischen dem Erblasser und den Beklagten, welche ihm ebenfalls einen Anspruch auf Auskunftserteilung verschaffen würden. 4.2.1 Nach Art. 610 Abs. 2 ZGB haben die Erben einander jede Auskunft zu erteilen, die für die korrekte Teilung des Nachlasses nach Gesetz oder letztwilliger Verfügung erforderlich ist. Gemeint sind damit alle Angaben, die bei einer objektiven Betrachtungsweise möglicherweise geeignet erscheinen, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen (BGE 127 III 396 E. 3 S. 402). Dem Willensvollstrecker steht der Auskunftsanspruch gegenüber den Erben im Hinblick auf die Durchführung der Erbteilung in gleicher Weise zu, wie er diese über die für ihre Erbansprüche wesentlichen Tatsachen zu unterrichten hat (BGE 90 II 365 E. 3b S. 373). Das Erbrecht statuiert neben der Auskunftspflicht unter Erben einzig die Pflicht eines jeden, den Behörden bei der Errichtung eines öffentlichen Inventars alle verlangten Aufschlüsse über die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu erteilen (Art. 581 Abs. 2 ZGB). Zwar kennt unser Privatrecht grundsätzlich keinen allgemeinen Informationsanspruch, was insbesondere im Vertragsrecht auf die Vorstellung von eigenverantwortlichen Parteien zurückgeht (vgl. MERZ, Berner Kommentar, N. 270 ff. zu Art. 2 ZGB). Gleichwohl wird die geltende Regelung der Auskunftspflicht von der Lehre gelegentlich als lückenhaft bezeichnet, was mit den Vorstellungen des historischen Privatrechtsgesetzgebers zusammenhängen soll, wonach Auskunftsrechte prozessualer Natur seien und damit vom kantonalen Recht zu regeln sind (ANDREAS SCHRÖDER, Informationspflichten im Erbrecht, Diss. Zürich 1999, S. 43, 126/127, mit Hinweisen). 4.2.2 Die Lehre unterscheidet beim erbrechtlichen Informationsanspruch des Erben, ob eine erbrechtliche Verpflichtung des Dritten ihm gegenüber

Erwägung 4

BGE 132 III 677 S. 685

132

Page 134: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

besteht oder nicht (vgl. SCHRÖDER, a.a.O., S. 146, 151). Ist dies nicht der Fall, so wird das Auskunftsrecht verschieden begründet. Gewisse Autoren weisen auf die Erbenstellung hin (DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, S. 174, § 13 Rz. 14; THOMAS LEIMGRUBER, Die Befugnisse des einzelnen Miterben beim Erbgang und bei der Nachlassverwaltung, Diss. Basel 1978, S. 39 f.). Nach anderer Auffassung wird eine analoge Anwendung von Art. 607

Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB verlangt (ADRIANO OSWALD, Die Auskunftspflicht im Erbgang, Diss. Zürich 1976, S. 75 ff., 82 ff.). Schliesslich wird sogar eine analoge Anwendung von Art. 170 Abs. 2 ZGB gefordert (SCHRÖDER, a.a.O., S. 149 f.). Besteht möglicherweise eine erbrechtliche Verpflichtung des Erben gegenüber Dritten, aber keine materiellrechtliche Sonderverbindung, so schlägt die Lehre überwiegend eine analoge Heranziehung von Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB vor (SCHRÖDER, a.a.O., S. 151 ff., 153 f.; BRÜCKNER/WEIBEL, Die erbrechtlichen Klagen, 2. Aufl. 2006, S. 21, Rz. 31 Anm. 46; im Ergebnis gl.M. DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, Zürich 1995, S. 336). Das Fehlen einer solchen Sonderverbindung wird etwa mit dem Beispiel relativiert, dass der Gesetzgeber selber den Pflichtteil bestimmter Erben schütze, weshalb sie ihr Recht gegenüber dem Schenkungsempfänger, der nicht Erbe sei, mit einer Herabsetzungsklage durchsetzen könnten. Dafür brauche der Erbe vom Dritten die gleichen Informationen wie von einem Miterben. Diese Überlegungen gälten im Übrigen auch gegenüber dem Erbschaftsbesitzer (SCHRÖDER, a.a.O., S. 154, mit Hinweisen). 4.2.3 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht sehr ergiebig. In einem Urteil aus dem Jahre 1963 wird festgehalten, dass sich die angesprochene Bank (also ein Dritter) gegenüber den Erben ihres Kunden nicht auf das Bankgeheimnis berufen könne, da jedem Erben das Recht auf Kenntnis über den Nachlass zustehe, um seine Rechte geltend zu machen (BGE 89 II 87 E. 6 S. 93). Alsdann verpflichtete das Bundesgericht einen Willensvollstrecker im Hinblick auf eine mögliche Herabsetzungsklage gegenüber den Erben zur Auskunftserteilung betreffend die Zuwendungen des Erblassers an eine Stiftung, deren Stiftungsorgan er war. Zwar nehme die Stiftung nicht selber am Erbgang teil und könne daher aufgrund erbrechtlicher Bestimmungen nicht zur Auskunft verpflichtet werden. Ein Willensvollstrecker sei gegenüber den Erben auskunftspflichtig, selbst wenn die Stellung als Stiftungsorgan eine Interessenkollision mit sich bringe. Gegenüber dem legitimen Interesse der Erben an Information über allfällige Geldleistungen an die Stiftung müsse das Geheimhaltungsinteresse der Stiftung zurücktreten (BGE 90 II 365 E. 3c und d S. 373 ff.). 4.2.4 Nicht entscheidend für die Beantwortung der Frage, gegenüber wem der Erbe auskunftsberechtigt ist, ist seine Informationsnot. Das geltende Privatrecht kennt, wie bereits angeführt, keinen

allgemeinen Informationsanspruch, der Platz greift, wo immer Informationen geeignet wären, Rechtsansprüche zu verwirklichen (E. 4.2.1). Daraus ergibt sich, dass jeder geltend gemachte Auskunftsanspruch, der sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sorgfältig auf seine Berechtigung geprüft werden muss. Tritt ein Erbe kraft Universalsukzession an die Stelle des Erblassers (Art. 560 ZGB), so besteht kein Bedarf, ihm über das aufgrund einer Vertragsbeziehung - beispielsweise mit der Bank - bestehende und nun durch Erbrecht erworbene Auskunftsrecht hinaus noch ein eigenes erbrechtliches Auskunftsrecht einzuräumen (SCHRÖDER, a.a.O., S. 148). Sind mehrere Erben vorhanden, treten sie gemeinsam an die Stelle des Erblassers, da unser Erbrecht keine Singularsukzession kennt (SCHWANDER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl. 2003, N. 2 zu Art. 560 ZGB). Damit stellt sich die Frage, ob dem einzelnen Erben gegenüber Dritten gleichwohl ein eigenes Auskunftsrecht zusteht, bzw. wie sich ein solches erbrechtlich rechtfertigen liesse. Die in der Literatur vertretene Lösung einer analogen Anwendung von Art. 170 ZGB (SCHRÖDER, a.a.O., S. 149 ff.) wäre erst dann zu prüfen, wenn sich weder ein ererbtes (STEINAUER, a.a.O., S. 580, Rz. 1246c) noch ein im Erbrecht originär verankertes Auskunftsrecht begründen liesse. Richtet sich der Informationsanspruch gegen einen Dritten, der dem Erben möglicherweise erbrechtlich verbunden ist, wie der Empfänger einer Schenkung im Hinblick auf eine allfällige Herabsetzungsklage, so postuliert die

BGE 132 III 677 S. 686

BGE 132 III 677 S. 687

133

Page 135: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

(bereits erwähnte) Lehre ein Auskunftsrecht analog der Regelung unter Miterben (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB). Ein solcher Anspruch wird im Wesentlichen mit der Gleichbehandlung von Miterben und Nichterben bei der Herabsetzung begründet. Die gleiche Interessenlage bestehe gegenüber dem Dritten als Erbschaftsbesitzer (SCHRÖDER, a.a.O., S. 153 f. mit Hinweisen). Dieser Vorschlag überzeugt, denn er erlaubt, eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Einschränkung der Informationsrechte auf die Miterben zu durchbrechen. 4.2.5 Im vorliegenden Fall richtet sich das Auskunftsbegehren gegen zwei Nichterben. Es wird vom Kläger als Korrelat zum Herausgabeanspruch geltend gemacht. In der Tat hängt das Schicksal des Auskunftsbegehrens vollumfänglich von der Beurteilung des Herausgabebegehrens ab. Sollte sich der Kläger mit Letzterem in allen Punkten durchsetzen, so wird Ersteres hinfällig. Im gegenteiligen Fall wird das Auskunftsbegehren ihm bei gegebenen Voraussetzungen ermöglichen, ein weiteres Herausgabebegehren gegen die nun

bekannten Besitzer bzw. Berechtigten zu prüfen. Daraus ergibt sich, dass das Auskunftsbegehren dem Herausgabebegehren folgend ebenfalls als von erbrechtlicher Natur im Sinne von Art. 86 Abs. 1 IPRG zu qualifizieren ist. Damit ist auch hierfür die schweizerische Zuständigkeit gegeben. 4.2.6 Ob die beiden pflichtteilsgeschützten Erbinnen ihren Auskunftsanspruch an den Willensvollstrecker abtreten können, wie er in der Klagebegründung vom 11. August 2004 geltend macht, braucht bei diesem Ergebnis nicht mehr geprüft zu werden.

BGE 132 III 677 S. 688

nach oben

134

Page 136: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

133 III 1 1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Gesellschafter Y. und Z. der X. Group gegen die Mitglieder R., S., T., U. und V. der Erbengemeinschaft W. (Berufung) 5C.126/2006 vom 23. August 2006

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 580 Abs. 1 ZGB ist jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen. Wird das Begehren von einem der Erben gestellt, so gilt es auch für die übrigen (Art. 580 Abs. 3 ZGB). Es ist nicht bestritten, dass die Erbin S. am 9. September 2002, mithin am letzten Tag der Monatsfrist, ein öffentliches Inventar beantragt hat, welches am 26. September 2002 mit Rechnungsruf bewilligt worden ist. Bei dieser Sachlage gilt das Inventar nach dieser Bestimmung auch für die übrigen Erben. Tatsächlich lief der Rechnungsruf im November 2002 ab, so dass die Erben die Erbschaft nach dieser Bestimmung unter öffentlichem Inventar annahmen.

3. Die Kläger machen geltend, die Beklagten, mit Ausnahme von S., hätten die Erbschaft mit der Entgegennahme der Erbenbescheinigung am 19. August 2002 und mit andern Handlungen bereits vorher vorbehaltlos angenommen, indem sie sich damit in die Erbschaft im Sinne von Art. 571 ZGB eingemischt hätten. 3.1 Gemäss Art. 571 Abs. 2 ZGB kann ein Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sich vor Ablauf der Ausschlagungsfrist in die Angelegenheiten der Erbschaft eingemischt oder Handlungen vorgenommen hat, die nicht durch die blosse Verwaltung der Erbschaft und durch den Fortgang der Geschäfte des Erblassers gefordert waren, oder wenn er die Erbschaftssachen sich angeeignet oder verheimlicht hat. Es würde gegen Treu und Glauben verstossen, wenn ein Erbe derartige Massnahmen treffen und gleichzeitig doch das Ausschlagungsrecht wahren könnte (BGE 54 II 416 E. 4 S. 422; SCHWANDER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl. 2003, N. 4 zu Art. 571 ZGB). 3.2 Es stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 580 Abs. 3 und Art. 571 Abs. 2 ZGB. Die Lehre ist sich darin einig, dass sich das Inventar auf die ganze noch ungeteilte Hinterlassenschaft erstreckt, woraus sie die Schlussfolgerung zieht, dass das von einem Erben gestellte Begehren notwendigerweise in dem Sinne alle angeht, dass sie die Inventarisierung gestatten und ihren Anteil an den Kosten tragen müssen. Nicht einig ist sich die Lehre über die rechtlichen Wirkungen des Inventars. Die herrschende Lehre nimmt an, nur dem Antragsteller stehe unter allen Umständen das Recht

Urteilskopf

Art. 571 ZGB; Verwirkung der Ausschlagungsbefugnis durch Einmischung in die Angelegenheiten der Erbschaft. Die Tatsache des Einholens einer Erbenbescheinigung bedeutet für sich allein keine Einmischung in die Erbschaftsangelegenheiten im Sinne von Art. 571 Abs. 2 ZGB (E. 2 und 3).

Regeste

BGE 133 III 1 S. 2

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

Erwägung 3

135

Page 137: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

zu, sich nach Abschluss des Inventars über den Erwerb der Erbschaft zu erklären (Art. 587 und 588 ZGB), während den weiteren Erben

dieses Recht nur dann zustehe, wenn sie sich über den Erwerb noch nicht abschliessend geäussert haben. Einzelne Autoren vertreten demgegenüber vorab unter Hinweis auf ein Votum von E. Huber im Nationalrat die Meinung, das Inventarbegehren komme auch dem zustatten, der bereits vorbehaltlos angenommen habe (zu dieser Diskussion TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 14 zu Art. 580 ZGB, und ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 14 zu Art. 580 ZGB, welche die herrschende Lehre vertreten, je mit Hinweisen). Der unwiderrufliche Charakter von Annahme und Ausschlagung (vgl. BGE 54 II 416 E. 6 S. 424), aber auch die Gefahr der Gläubigerschädigung und der Grundsatz von Treu und Glauben sprechen gemäss TUOR/PICENONI (a.a.O.) für die Unwiderruflichkeit dieses Gestaltungsrechts. Wie es sich damit letztlich verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, weil aus dem bisherigen Verhalten der Miterben nicht geschlossen werden kann, diese hätten die Erbschaft bereits vorbehaltlos angenommen. 3.3 Was die Erbenbescheinigung anbelangt, welche sich die Beklagten am 19. August 2002 ausstellen liessen, hat das Obergericht Folgendes festgestellt. R., die Witwe des Erblassers, sei gemäss letztwilliger Verfügung von W. sel. mit der Regelung des Nachlasses ihres verstorbenen Ehegatten beauftragt worden. Sie habe das Willensvollstreckermandat entsprechend dem Wunsch ihres verstorbenen Ehegatten mit Schreiben an die Gemeinde A. vom 14. August 2002 angenommen. Als Willensvollstreckerin habe sie sich am 19. August 2002 von der Teilungsbehörde A. eine Erbenbescheinigung zuhanden der Erben ausstellen lassen. Im vorliegenden Fall habe R. offensichtlich ausschliesslich als Willensvollstreckerin gehandelt. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz annehmen durfte, dass R. durch das Begehren der Erbenbescheinigung eine blosse Verwaltungshandlung vorgenommen habe. 3.3.1 In der älteren Lehre wird die Meinung vertreten, die Erwirkung einer Erbenbescheinigung sei eine Handlung, aus der zwingend auf den Annahmewillen, d.h. auf den Willen, die Erbschaft endgültig zu behalten, geschlossen werden müsse, weshalb sie zum Verlust der Ausschlagungsbefugnis führe (ESCHER, a.a.O., N. 9 zu Art. 571 ZGB; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 10 zu Art. 571 ZGB). Gestützt auf die kantonale Rechtsprechung, die zunächst zurückhaltend (ZR 85/1986 Nr. 87 S. 218) und später entschiedener (SJ 1988 S. 336; ZR 87/1988 Nr. 43 S. 105; Rep 1996 Nr. 46 S. 160) die Meinung vertrat, dass das Ersuchen um Ausstellung einer Erbenbescheinigung

allein kein schlüssiges Verhalten darstellt, vertritt die jüngere Lehre teilweise die Auffassung, dass das Einholen einer Erbenbescheinigung für sich allein keine Einmischung bedeutet (DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, § 15 Rz. 34 S. 220; KARRER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 2. Aufl. 2003, N. 50 zu Art. 559 ZGB; in diesem Sinn GUINAND/STETTLER/LEUBA, Droit des successions, 6. Aufl. 2005, Ziff. 466 Fn. 837 S. 226, mit Hinweis auf KARRER und ZR 87/1988 S. 105; ferner STEINAUER, Le droit des successions, Bern 2006, § 41 Rz. 978a S. 471, mit Betonung auf die kantonale Praxis; a.M. SCHWANDER, a.a.O., N. 5 zu Art. 571 ZGB, mit Hinweis auf TUOR/PICENONI). So kann sich der Gesuchsteller als juristischer Laie über die Tragweite des Begehrens um Ausstellung eines Erbenscheins nicht im Klaren sein (so ZR 85/1986 S. 219), oder dieser kann einzig den Zweck haben, die Erbeneigenschaft des Gesuchstellers zu klären (SJ 1988 S. 336). Ein solches Begehren kann aber auch gestellt werden, um sich für Verwaltungshandlungen bei Dritten zu legitimieren oder um die notwendigen Auskünfte zu erlangen, die erlauben, sich ein Bild über den vorhandenen Nachlass zu machen (ZR 87/1988 Nr. 43 S. 106) und z.B. Informationen von Banken zu erhalten (PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/2, S. 720; Rep 1996 Nr. 46 S. 161 f.). Das Bundesgericht hat sich mit der Frage, ob das Verlangen einer Erbenbescheinigung die Verwirkung der Ausschlagungsbefugnis zur Folge habe, noch nie befassen müssen. Es hat jedoch in BGE 54 II 416 E. 3 S. 420 erwogen, dass im Allgemeinen die Grenze, wo eine Handlung über blosses Verwalten der Erbschaft hinausgeht bzw. für den Fortgang der Geschäfte des Erblassers notwendig ist (Art. 571 Abs. 2

BGE 133 III 1 S. 3

BGE 133 III 1 S. 4

136

Page 138: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

ZGB), von Fall zu Fall festgestellt werden muss. Diese Überlegungen legen nahe, nach dem Zweck des Gesuchs und den Umständen von Fall zu Fall zu entscheiden, ob sich der Gesuchsteller mit dem Einholen der Erbenbescheinigung als Erbe betätigt oder allenfalls bloss eine Verwaltungshandlung vorgenommen hat (vgl. BGE 70 II 199 E. 4 S. 206; 54 II 416 E. 3 und 4 S. 420 ff.). Daraus folgt, dass die Tatsache des Einholens einer Erbenbescheinigung für sich allein keine Einmischung bedeutet. 3.3.2 Im vorliegenden Fall hat das Obergericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass sich die Witwe des Erblassers in ihrer Eigenschaft als Willensvollstreckerin die Erbenbescheinigung zuhanden der Erben habe ausstellen lassen und daher ausschliesslich als Willensvollstreckerin gehandelt habe. Als Willensvollstreckerin

hat sie die Verwaltung des Nachlasses zu besorgen, die laufenden Geschäfte zu betreuen und für die Erhaltung und vorsichtige Mehrung der Erbschaftswerte besorgt zu sein (vgl. Art. 517 und 518 ZGB). Willensvollstrecker benötigen zwar für ihre Tätigkeit nicht unbedingt eine Erbenbescheinigung, da sie ihre Kompetenzen aus eigenem Recht herleiten. Geht es allerdings darum, beim Grundbuch oder anderswo die Identität der Erben nachzuweisen, braucht der Willensvollstrecker eine Erbenbescheinigung (KARRER, a.a.O., N. 7 zu Art. 559 ZGB) oder kann bei Bedarf sogar verpflichtet sein, sich eine Erbenbescheinigung zu beschaffen (KARRER, a.a.O., N. 16 zu Art. 518 ZGB). Jedenfalls wird der Willensvollstrecker als berechtigt angesehen, die Ausstellung einer Erbenbescheinigung zu beantragen (HANSJÜRG BRACHER, Der Willensvollstrecker, Diss. Zürich 1966, S. 36 Fn. 17). Wenn R. als zur Verwaltung der Erbschaft bevollmächtigtes Organ des Nachlasses eine Erbenbescheinigung eingeholt hat, dann bedeutet dies für sich allein keine endgültige Annahme der Erbschaft und damit keine Einmischung im Sinne von Art. 571 Abs. 2 ZGB, sondern ist als Verwaltungshandlung zu betrachten (vgl. KARRER, a.a.O., N. 7 und 50 zu Art. 559 ZGB; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 12 zu Art. 571 ZGB), zumal nach den Tatsachenfeststellungen nichts darauf hindeutet, dass sie damit (noch) etwas anderes bezweckt hätte, als ihr als Willensvollstreckerin oblag. Sie hätte im Weiteren gar nicht die Befugnis gehabt, die Erbschaft für ihre Miterben anzunehmen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz kam die Witwe des Erblassers zudem normalerweise nicht mit dem Erbrecht in Berührung. Sie wusste daher nicht, dass in der Lehre teilweise die Auffassung besteht, das Begehren um eine Erbenbescheinigung werde als Annahme der Erbschaft ausgelegt. Die Grenze, wo die Verwaltungshandlung aufhört, notwendig zu sein, soll nach der Rechtsprechung nicht eng gezogen werden (BGE 54 II 416 E. 3 S. 420); sie ist vorliegend nicht überschritten. 3.4 Die Kläger führen weiter aus, sie hätten bereits in der Klageschrift vom 19. Januar 2004 vorgebracht, dass sich die Witwe des Erblassers am 27. September 2002 als Präsidentin des Verwaltungsrats der H. AG und der G. AG habe wählen lassen, welche Unternehmungen zur Unternehmensgruppe des verstorbenen W. gehörten. Zudem habe sich auch T. am 27. September 2002 als Mitglied des Verwaltungsrats der G. AG wählen lassen. Indem sich die beiden Beklagten als Verwaltungsratspräsidentin bzw. Verwaltungsrat hätten wählen lassen, hätten sie den definitiven Entscheid, die Erbschaft

anzunehmen, gefällt. Im angefochtenen Entscheid fehlen Ausführungen zu dieser Frage. Insbesondere fehlen dazu die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Das Bundesgericht ist im Berufungsverfahren grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 43 Abs. 3 und Art. 63 Abs. 2 OG) und neue Vorbringen sind vor Bundesgericht unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Bei dieser Sachlage ist auf diesen Gesichtspunkt nicht näher einzugehen. 3.5 Zusammenfassend ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass das Verhalten der Beklagten gestützt auf den für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt nicht als Einmischung in die Erbschaft im Sinne von Art. 571 Abs. 2 ZGB zu werten ist. Bei dieser Sachlage haben die Beklagten die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen (Art. 588 Abs. 1 ZGB).

BGE 133 III 1 S. 5

BGE 133 III 1 S. 6

137

Page 139: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Grössere Schrift

131 III 49 7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. und B. gegen Konkursmasse der Erbschaft von E. (Berufung) 5C.67/2004 vom 19. November 2004

Mit öffentlich beurkundeten Verträgen vom 14. März 1996 schenkte E. seinen Töchtern A. und B. je ein Grundstück. Die Töchter erklärten dankend Annahme der Schenkung und wurden von ihrem Vater "von der erbrechtlichen Ausgleichung eines allfälligen Mehrwertes für die hievor erworbenen Grundstücke gemäss Art. 629 ZGB ausdrücklich entbunden". E. starb zwei Jahre später. Die Erben - seine Ehefrau und die beiden Töchter - verlangten die Aufnahme eines öffentlichen Inventars. Das Inventar zeigte einen Überschuss der Passiven über die Aktiven. Alle Erben schlugen die Erbschaft aus. Über die Erbschaft von E. wurde der Konkurs eröffnet. Das Betreibungs- und Konkursamt beziffert den voraussichtlichen Verlust nach Abschluss des Liquidationsverfahrens auf rund 1.5 Millionen Franken. Handelnd für die Konkursmasse der Erbschaft von E. erhob das Betreibungs- und Konkursamt Klage gegen A. und B. Die Klägerin bezifferte ihre Forderung auf Fr. 96'250.- und Fr. 99'300.- aus ausgleichungspflichtigen Zuwendungen des Erblassers an die Beklagten. In zweiter kantonaler Instanz wurde die Klage im Betrag von Fr. 96'250.- und von Fr. 97'790.- gutgeheissen. Das Bundesgericht heisst die von den Beklagten dagegen eingelegte Berufung gut und weist die Klage ab, soweit sie sich auf die Ausgleichungspflicht der schenkungshalber zugewendeten Grundstücke stützt.

Aus den Erwägungen:

2. Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin vorab unter Hinweis auf den klaren Wortlaut von Art. 579 ZGB sowie auf die einschlägigen Gesetzesbestimmungen über das Konkursverfahren. Die Klägerin verweist auf die Begründung des Appellationshofs. 2.1 In BGE 67 III 177 Nr. 54 war über die Aktivlegitimation des Konkursamtes zu entscheiden, das gegen die Witwe des Erblassers

auf Herausgabe der Erbvorbezüge klagte. Das Bundesgericht bejahte die Aktivlegitimation. Es stehe der Konkursmasse zu, die Haftung nach Art. 579

Urteilskopf

Art. 579 ZGB; Haftung im Falle der Ausschlagung; Legitimation, Verjährung, Ausgleichung. Die Konkursmasse ist legitimiert, die Ansprüche gegen die ausschlagenden Erben einzuklagen (E. 2). Die Ansprüche können solange geltend gemacht werden, als die Forderungen der Erbschaftsgläubiger nicht verjährt sind (E. 3). Berechnung des Haftungsbetrags, wenn der Nachlass auch nach Hinzurechnung der lebzeitigen Zuwendungen überschuldet bleibt und der Erblasser von der Ausgleichung befreit hat, soweit die lebzeitigen Zuwendungen den Betrag eines Erbanteils übersteigen (E. 4).

Regeste

BGE 131 III 49 S. 50

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

BGE 131 III 49 S. 51

138

Page 140: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

ZGB in Anspruch zu nehmen. Mit den Worten "dessen (d.h. des Erblassers) Gläubigern" gebe Art. 579 ZGB nicht etwa nur der Klage einzelner Gläubiger Raum; vielmehr sei im Erbschaftskonkurs ein Klagerecht der durch das Konkursamt (die Konkursverwaltung) vertretenen Konkursmasse anzuerkennen (E. 4 S. 185). Eine einlässliche Begründung fehlt, wie die Beklagten hervorheben. Die Aktivlegitimation der Konkursmasse, Ansprüche gemäss Art. 579 ZGB geltend zu machen, war in der damaligen Lehre aber offenbar derart selbstverständlich, dass sie regelmässig nicht einmal erwähnt wurde (vgl. immerhin das Beispiel bei RENNEFAHRT, Das Erbrecht des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Zürich 1913, N. 1 zu Art. 579 ZGB; MERZ, Urteilsbesprechung, in: ZBJV 79/1943 S. 26 f.). In BGE 116 II 253 Nr. 46 war über die Aktivlegitimation einer Gläubigerin zu entscheiden, die eine Forderung im Konkurs der ausgeschlagenen Erbschaft anmeldete, dann aber während des Konkursverfahrens gegen die Tochter der Erblasserin auf Zahlung des im Konkurs eingegebenen Betrags klagte. Das Bundesgericht bejahte die Aktivlegitimation der Gläubigerin des Erblassers unter Hinweis auf die Grundlagen der Haftungsklage nach Art. 579 ZGB. Ob der Anspruch auch von der Konkursverwaltung geltend gemacht werden könnte bzw. hätte geltend gemacht werden können, brauchte nicht erörtert zu werden (E. 4 und 5 S. 257 ff.). Dem Urteil ist Kritik erwachsen, und zwar aus der Sicht des Prozessrechts (vgl. POUDRET, Urteilsanmerkung, in: JdT 1993 I S. 332), des Konkursrechts (vgl. GILLIÉRON, Urteilsanmerkung, in: JdT 1995 II S. 27) und des materiellen Rechts (vgl. PIOTET, La responsabilité du répudiant ou renonçant envers les créanciers successoraux comparée aux solutions des art. 193 CC et 285 ss LP, ZBGR 74/1993 S. 73 ff., S. 79 ff.). Die Lehre schliesst aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Erbschaftsgläubiger neben der Konkursmasse dazu legitimiert sind, Ansprüche gemäss Art. 579 ZGB geltend zu machen (vgl. etwa DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl., Bern 2002, § 13 N. 83 S. 191). 2.2 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes (Art. 560 Abs. 1 ZGB). Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum,

die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Die Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen (Art. 566 Abs. 1 ZGB). Schlägt ein Erbe aus, so erhält er zwar keine Aktiven der Erbschaft, wird aber auch nicht für deren Passiven haftbar und darf behalten, was er als Vorempfang zu Lebzeiten des Erblassers aus dessen Vermögen erhalten hat. Derartige Zuwendungen will Art. 579 ZGB den Erbschaftsgläubigern sichern und damit vermeiden, dass deren Rechte in unbilliger Weise verkürzt werden. Erben, die eine insolvente Erbschaft ausschlagen, sollen wenigstens mit den Vermögenswerten haften, die sie innerhalb der letzten fünf Jahre vom Erblasser empfangen haben und die sie auch in der Erbteilung nicht behalten könnten, sondern zur Ausgleichung bringen müssten. Der ausschlagende Erbe wird dabei ipso iure haftbar, ohne dass es einer eigentlichen Anfechtungsklage bedürfte oder zuerst die Ausschlagung oder die Zuwendung des Erblassers für unwirksam erklärt werden müsste. Es handelt sich zudem um eine subsidiäre Haftung. Der ausschlagende Erbe muss mit dem Wert des Vorempfanges nur dafür einstehen, was von den andern Erben nicht erhältlich ist oder was bei der Verwertung des Nachlasses ungedeckt bleibt (TUOR/ Picenoni, Berner Kommentar, 1964, N. 2, 4, 7 und N. 20, und ESCHER/ ESCHER, Zürcher Kommentar, 1960, N. 1 und N. 10 f., je zu Art. 579 ZGB). 2.3 Von der soeben geschilderten Rechtsnatur her betrachtet, hat die Haftung der ausschlagenden Erben gemäss Art. 579 ZGB gewisse Ähnlichkeiten mit den paulianischen Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG), unterscheidet sich davon aber insofern entscheidend, als nach dem Gesagten weder die Zuwendung durch den Erblasser oder die Ausschlagung durch den Erben in Frage gestellt werden soll, um entäusserte Vermögenswerte wiederzubeschaffen, noch auf Seiten der Beteiligten eine Absicht bestanden haben müsste, Gläubiger zu benachteiligen. Näher liegt deshalb der Vergleich mit der Haftung bei Erbverzicht (Art. 497 ZGB) und insbesondere mit dem - ebenfalls schon 1907/12 geschaffenen - eherechtlichen Haftungstatbestand gemäss Art. 188 aZGB (heute: Art. 193 ZGB).

BGE 131 III 49 S. 52

139

Page 141: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Nach der eherechtlichen Gläubigerschutzvorschrift kann durch güterrechtliche Vermögensverschiebungen - d.h. durch Wechsel des Güterstandes bzw. Begründung oder Änderung des Güterstandes

oder durch güterrechtliche Auseinandersetzungen - ein Vermögen, aus dem bis anhin die Gläubiger eines Ehegatten oder der Gemeinschaft Befriedigung verlangen konnten, dieser Haftung nicht entzogen werden (Art. 188 Abs. 1 aZGB bzw. Art. 193 Abs. 1 ZGB). Der Haftungstatbestand hat die gleiche Rechtsnatur wie der in Art. 579 ZGB vorgesehene: Er gestattet es dem Gläubiger, kraft Gesetzes das Vermögen eines Dritten zur Erfüllung seiner Forderung gegen den Schuldner heranzuziehen. Im Vollstreckungsverfahren gegen den schuldnerischen Ehegatten können die Gläubiger somit das weiterhaftende Vermögen des andern Ehegatten pfänden bzw. zur Konkursmasse ziehen lassen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N. 38 f. zu Art. 193 ZGB, mit Hinweisen; vgl. zu Art. 188 aZGB: BGE 99 III 12 E. 2 S. 16; 106 II 141 E. 2 S. 143; 111 III 43 E. 1 S. 47). Werden diese Grundsätze auf die Haftung gemäss Art. 579 ZGB übertragen, ist zu unterscheiden: Treten einzelne Erben die Erbschaft an, sind sie von Gesetzes wegen für die Schulden des Erblassers persönlich und solidarisch haftbar (Art. 560 Abs. 2 und Art. 603 Abs. 1 ZGB). Im Vollstreckungsverfahren gegen sie kann die Haftung der ausschlagenden Erben geltend gemacht werden. Schlagen hingegen alle Erben aus, gelangt die Erbschaft zur Liquidation durch das Konkursamt (Art. 573 Abs. 1 ZGB und Art. 193 SchKG). Auf Grund der Konkurseröffnung richten sich die Forderungen der Gläubiger gegen die Konkursmasse der Erbschaft (vgl. BRUNNER, Basler Kommentar, 1998, N. 10 zu Art. 193 SchKG, mit Hinweisen). Es gehört dann auch grundsätzlich zur Aufgabe des Konkursamtes bzw. der Konkursverwaltung, das den Gläubigern haftende Vermögen der ausschlagenden Erben zur Konkursmasse zu ziehen, wie das im Fall von Art. 193 ZGB geschieht (HANDSCHIN/HUNKELER, Basler Kommentar, 1998, N. 78 und N. 82 zu Art. 197 SchKG, mit weiteren Beispielen). (...)

3. Zur Einrede der Verjährung haben die kantonalen Gerichte ausgeführt, eine Befristung des Anspruchs gemäss Art. 579 ZGB sei im Gesetz nicht vorgesehen. Er könne deshalb innert der obligationenrechtlichen Verjährungsfrist der Gläubigerforderung unbeschränkt geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist der im Konkurs eingegebenen Forderungen betrage fünf und mehr Jahre, so dass die Verjährungseinrede abzuweisen sei. Während die Klägerin diese Auffassung teilt, wird sie von den Beklagten bestritten.

Deren Einrede könnte freilich nur Erfolg haben, falls eine einjährige Verjährungsfrist massgebend sein sollte. Denn nach den Feststellungen des Appellationshofs wäre selbst eine nur zwei Jahre dauernde Verjährungsfrist gewahrt. 3.1 Entgegen der Annahme der Beklagten ist die Haftung gemäss Art. 579 ZGB weniger mit den paulianischen Anfechtungsklagen verwandt. Sie muss auf Grund ihrer Rechtsnatur eher mit der Gläubigerschutzbestimmung in Art. 193 ZGB verglichen werden (E. 2.3 hiervor). Dieser Haftungsanspruch geht nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur mit der Verjährung der Hauptschuld als klagbarer Anspruch unter, sondern unterliegt auch einer selbstständigen Verjährung, deren Frist nach allgemeinen obligationenrechtlichen Grundsätzen zehn Jahre beträgt (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 29 und N. 56 zu Art. 193 ZGB; BGE 127 III 1 E. 3 S. 7 ff.). Damit stimmen die Kommentatoren der Haftung gemäss Art. 579 ZGB überein. Der ausschlagende Erbe kann solange in Anspruch genommen werden, als die Forderungen der Erbschaftsgläubiger nicht verjährt sind (ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 15, und SCHWANDER, Basler Kommentar, 2003, N. 4, je zu Art. 579 ZGB). (...)

BGE 131 III 49 S. 53

Erwägung 3

BGE 131 III 49 S. 54

Erwägung 4140

Page 142: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

4. Die Haftung nach Art. 579 ZGB setzt voraus, dass die ausschlagenden Erben vom Erblasser Vermögenswerte erhalten haben, "die bei der Erbteilung der Ausgleichung unterworfen sein würden" (Abs. 1). Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Schenkung des Erblassers an seine beiden Töchter der Ausgleichungspflicht unterliegt. Sodann ist die Bedeutung der Klausel in den Schenkungsverträgen zu prüfen, wonach die Beklagten "von der erbrechtlichen Ausgleichung eines allfälligen Mehrwertes für die hievor erworbenen Grundstücke gemäss Art. 629 ZGB ausdrücklich entbunden" sein sollten. 4.1 Gemäss Art. 626 ZGB sind die gesetzlichen Erben gegenseitig verpflichtet, alles zur Ausgleichung zu bringen, was ihnen der Erblasser bei Lebzeiten auf Anrechnung an ihren Erbanteil zugewendet hat (Abs. 1). Was der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass u.dgl. zugewendet hat, steht, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt, unter der Ausgleichungspflicht (Abs. 2). Die Beklagten bestreiten, dass eine ausgleichungspflichtige Zuwendung im Sinne von Art. 626 ZGB vorliege.

4.1.1 In öffentlich beurkundeten Verträgen hat der Erblasser seinem Willen Ausdruck gegeben, den Beklagten je bestimmte Grundstücke zu schenken, die später überbaut werden sollten, und die Beklagten haben daraufhin erklärt, die Schenkung dankend anzunehmen. Durch Vorlage dieser Verträge hat die Klägerin eine Schenkung bewiesen, die aus rechtlicher Sicht als Zuwendung im Sinne von Art. 626 ZGB zu betrachten ist (vgl. etwa DRUEY, a.a.O., § 7 N. 29 ff. S. 86 f.; vgl. BGE 128 II 231 E. 2.3 S. 235 mit Hinweisen). Die Beklagten haben im kantonalen Verfahren dagegen eingewendet, es handle sich nicht um eine "Schenkung", sondern um die Abgeltung all der Leistungen, die sie stunden- und jahrelang im Familienbetrieb ihrer Eltern erbracht hätten. Der Appellationshof hat den Beweis dafür als nicht geleistet angesehen. Entgegen der heutigen Darstellung der Beklagten hat der Appellationshof ihnen damit nicht die Beweislast für die ausgleichungspflichtige Zuwendung auferlegt, sondern für die von ihnen erhobene Einrede, dass die Vertragsparteien mit der vereinbarten Schenkung die in Wirklichkeit beabsichtigte Entschädigung für Arbeitsleistungen hätten verdecken wollen. Eine derartige Simulation hat zu beweisen, wer sie behauptet, hier also die Beklagten (BGE 112 II 337 E. 4a S. 342 f.). Eine Verletzung der bundesrechtlichen Beweislastregel (Art. 8 ZGB) liegt nicht vor. 4.1.2 Die Schenkung der Grundstücke ist gemäss Art. 626 ZGB ausgleichungspflichtig, wenn sie vom Erblasser auf Anrechnung an den Erbanteil zugewendet worden ist (Abs. 1) oder wenn sie sog. "Ausstattungscharakter" hat (Abs. 2), d.h. zum "Zweck der Existenzbegründung, -sicherung, oder -verbesserung für den Empfänger" erfolgt (BGE 76 II 188 E. 6 S. 196 und die seitherige Rechtsprechung). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die im Falle einer Zuwendung von Grundstücken mit - wie hier - erheblichem Wert grundsätzlich zu bejahen ist (vgl. BGE 116 II 667 E. 3b S. 674 ff. mit Hinweisen). 4.1.3 Die Ausgleichungspflicht ergibt sich schliesslich auch daraus, dass der Erblasser die Beklagten unter Hinweis auf Art. 629 ZGB ausdrücklich "nur" von der Ausgleichung eines Mehrwertes befreit hat. Gemeint ist damit die Befreiung davon, den Überschuss der Zuwendungen über den Betrag des Erbanteils ausgleichen zu müssen. Aus dieser klaren und unzweideutigen Klausel kann umgekehrt gefolgert werden, dass der Erblasser die Ausgleichung der geschenkten Grundstücke wenigstens bis zur Höhe des Erbanteils

gewollt hat. Die Beklagten wenden gegen diese Auslegung des Appellationshofs nichts Stichhaltiges ein. Es ist deshalb von einer im Umfang der Erbanteile ausgleichungspflichtigen Zuwendung auszugehen. 4.2 Die Regeln über die Ausgleichung sind dispositiver Natur. Der Erblasser kann - unter Vorbehalt der gesetzlichen Pflichtteilsrechte - von der Ausgleichungspflicht ganz oder teilweise dispensieren (BGE 118 II 282 E. 3 S. 285 ff.; 124 III 102 E. 5a S. 106; 126 III 171 E. 2 S. 172). Die in den Schenkungsverträgen enthaltene Klausel ist insoweit zulässig, dass sich die

BGE 131 III 49 S. 55

BGE 131 III 49 S. 56

141

Page 143: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Beklagten die erhaltene Zuwendung an den Erbanteil anrechnen lassen müssen, einen Überschuss über den Betrag des Erbanteils hingegen nicht auszugleichen haben (vgl. den Hinweis auf Art. 629 ZGB). Ob ein Ausgleichungsdispens von Seiten des Erblassers bei der Haftung nach Art. 579 ZGB beachtlich ist, wird in der Lehre kontrovers diskutiert. Nach Auffassung der Kommentatoren soll es nur auf die Natur der Zuwendung ankommen und nicht auf den erblasserischen Willen. Die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen sind danach in einem rein objektiven Sinne aufzufassen, d.h. als solche, die an sich ein fähiges Objekt der Ausgleichung bilden (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 15, und ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 7, je zu Art. 579 ZGB; gl.M. WALDER, Gläubigerschutz im schweizerischen Erbrecht, Festschrift Soliva, Zürich 1994, S. 338 ff., S. 341; GÜBELI, Gläubigerschutz im Erbrecht, Diss. Zürich 1998, S. 83). Gegen diese Auslegung spricht - wie auch eingeräumt wird - der Gesetzeswortlaut, wonach die Haftung gemäss Art. 579 ZGB nur Vorempfänge erfasst, "die bei der Erbteilung der Ausgleichung unterworfen sein würden". Was auch in der Erbteilung nicht ausgeglichen werden müsste, sei es kraft Gesetzes oder sei es auf Grund erblasserischer Vorschrift, haftet den Gläubigern nicht. Durch entsprechenden Dispens hätte es der Erblasser somit in der Hand, die Zuwendung von der Ausgleichung und von der Haftung gemäss Art. 579 ZGB auszunehmen. Die Vertreter dieser Lehrmeinung nehmen das in Kauf unter Hinweis darauf, dass den Gläubigern in einem solchen Fall immer noch die paulianischen Anfechtungsklagen gemäss Art. 285 ff. SchKG zur Verfügung stünden. Für die Haftung nach Art. 579 ZGB sei die Ausschlagung ursächlich und nicht das Verhalten des Erblassers (PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht IV/2, Basel 1981, § 83/I/B S. 638 f., und in: ZBGR 74/1993 S. 74-76; vgl. WEGMANN, Die Beschränkungen der

subjektiven Rechte des Erben durch Gläubiger, Miterben und Ehegatten nach dem Rechte des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Zürich 1937, S. 79/80). In seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 18. Mai 1981 (C.43/ 1981) hat sich das Bundesgericht der zweiten Lehrmeinung angeschlossen mit der Begründung, allein schon mit dem Wortlaut von Art. 579 ZGB sei es unvereinbar, die Haftung der Erben derart auszuweiten, dass unabhängig vom Willen des Erblassers jede Zuwendung als ausgleichungspflichtig aufzufassen wäre, die ihrer Natur nach als Objekt der Ausgleichung in Frage käme (E. 2d, zit. bei SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, Basel 1997, N. 165 zu Art. 285 SchKG). Daran ist nicht nur mit Blick auf den Gesetzestext, sondern auch unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik festzuhalten. Art. 579 ZGB betrifft einzig die Ausschlagung der Erben und nicht die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers. Dessen Gläubiger sollen wirtschaftlich so gestellt werden, als ob die Ausschlagung nie stattgefunden hätte (E. 2.2 hiervor). Gegen die Zuwendungen des Erblassers stehen dessen Gläubigern die paulianischen Anfechtungsklagen gemäss Art. 285 ff. SchKG zur Verfügung. Die Anfechtungsobjekte sind insoweit verschieden. Die paulianischen Anfechtungsklagen und der Anspruch aus Art. 579 ZGB bestehen deshalb auch nebeneinander und schliessen sich nicht aus (vgl. PIOTET, in: ZBGR 74/1993 S. 77 f.; SCHÜPBACH, a.a.O.; A. STAEHELIN, Basler Kommentar, 1998, N. 23 zu Art. 285 SchKG). 4.3 Aus den dargelegten Gründen ist der erblasserische Ausgleichungsdispens bei der Bestimmung der Haftung gemäss Art. 579 ZGB zu beachten. In den Schenkungsverträgen hat der Erblasser die Beklagten von der Ausgleichungspflicht im Umfang des ihren Erbanteil überschiessenden Betrags befreit. Zu ermitteln ist, ob im konkreten Fall überhaupt ein ausgleichungsbefreiter Mehrwert bzw. Überschuss vorliegt. 4.3.1 Der Appellationshof hat festgehalten, der Nachlass sei überschuldet, weshalb es ohne die im Umfang der Erbanteile ausgleichungspflichtigen Vorempfänge kein teilbares Vermögen gäbe. Er ist davon ausgegangen, der Wert der Vorempfänge betrage Fr. 96'250.- für die Beklagte 1 sowie Fr. 99'330.- für die Beklagte 2. Gestützt auf diese unbestrittenen Ausgangszahlen hat der Appellationshof die ausgleichungspflichtigen Erbanteile - im Grundsatz - nach der Methode der Kommentatoren berechnet (TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 17, und ESCHER/ESCHER, a.a.O., N. 12, je zu Art. 629 ZGB).

BGE 131 III 49 S. 57

BGE 131 III 49 S. 58 142

Page 144: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

In einem ersten Schritt hat der Appellationshof die überschuldete "Erbschaft" (Fr. 0.-), den Vorempfang der Beklagten 1 (Fr. 96'250.-) und den Vorempfang der Beklagten 2 (Fr. 99'330.-) zusammengerechnet (= Fr. 195'580.-), durch die Anzahl Erben (: 2) geteilt und so den Erbanteil eines Erben erhalten (= Fr. 97'790.-). In einem zweiten Schritt hat der Appellationshof die Ausgleichung festgelegt: Da der Vorempfang der Beklagten 1 (Fr. 96'250.-) kleiner als ihr Erbanteil (Fr. 97'790.-) ist, gibt es keinen Überschuss und greift der erblasserische Ausgleichungsdispens für den Mehrwert bei ihr nicht. Sie hat den ganzen Vorempfang von Fr. 96'250.- zur Ausgleichung zu bringen. Demgegenüber übersteigt der Vorempfang der Beklagten 2 (Fr. 99'330.-) ihren Erbanteil (Fr. 97'790.-) und muss deshalb im Mehrwert (= Fr. 1'540.-) nicht ausgeglichen werden. Die Beklagte 2 hat ihren Vorempfang nur im Umfang des Erbanteils von Fr. 97'790.- zur Ausgleichung zu bringen. 4.3.2 Die Beklagten wenden gegen die Berechnungsmethode ein, Ausgangspunkt der Ausgleichung bilde der Netto-Nachlass, der hier - angesichts der hohen Überschuldung von rund 1.5 Millionen Franken - negativ sei und negativ bleibe, selbst wenn die Vorempfänge von rund Fr. 200'000.- angerechnet würden. Es gebe keinen zu teilenden Sondernachlass aus den erhaltenen Vorempfängen. Viele Fragen der Ausgleichung sind streitig und wenig geklärt. Ausgangspunkt der Ausgleichung bildet der (reine) Nachlass, d.h. das beim Tod des Erblassers noch vorhandene Vermögen abzüglich der Passiven. Durch Hinzurechnung der ausgleichungspflichtigen Zuwendungen entsteht die Teilungsmasse, aus der die Erbanteile errechnet werden können. Übersteigen die lebzeitigen Zuwendungen den Erbanteil, wird der Erbe - falls er nicht ausschlägt (E. 2.2 hiervor) - gegenüber den Miterben leistungspflichtig (vgl. zum Begrifflichen: EITEL, Berner Kommentar, 2004, N. 15 der Vorbem. vor Art. 626 ff. und N. 8 ff. zu Art. 628 ZGB; PIOTET, Erbrecht, Schweizerisches Privatrecht IV/1, Basel 1978, § 53/III S. 380 f. und § 62 S. 439 ff.; aus der Rechtsprechung zuletzt: BGE 127 III 396 E. 1b/cc und E. 2a S. 398 f.). In Anbetracht der Überschuldung des Nachlasses hafteten die Beklagten bei voller Ausgleichungspflicht mit dem ganzen Wert der erhaltenen lebzeitigen Zuwendungen. Zu berücksichtigen ist hier indessen der erblasserische Ausgleichungsdispens, wonach die Zuwendungen

in ihrem den Erbanteil überschiessenden Betrag nicht auszugleichen sind (E. 4.2 soeben). Dieser teilweise Ausgleichungsdispens im Umfang des Mehrwertes bzw. Überschusses nähert sich den Wirkungen eines vollen Ausgleichungsdispenses an, je geringfügiger der Erbanteil ausfällt. Fehlt es - wie hier - an einem Erbanteil überhaupt, weil auch nach Hinzurechnung der lebzeitigen Zuwendungen teilbare Aktiven nicht vorhanden sind, entspricht der ausgleichungsbefreite Mehrwert bzw. Überschuss der lebzeitigen Zuwendung in ihrem vollen Betrag. Dieses Ergebnis ist - ungeachtet der Berechnungsart - durch den Zweck des Ausgleichungsdispenses gerechtfertigt: Der Erlass der Ausgleichungspflicht für den Überschuss verhindert, dass der Erbe, der die Erbschaft annimmt und deshalb den Vorempfang ausgleichen muss, schlechter gestellt wird als der Erbe, der die Erbschaft ausschlägt und sich dadurch der Pflicht zur Ausgleichung des Vorempfangs entziehen kann (vgl. PIOTET, a.a.O., IV/1, § 47/VII/B S. 334; FORNI/ PIATTI, Basler Kommentar, 2003, N. 3 zu Art. 629 ZGB, mit weiteren Hinweisen). 4.3.3 Der Appellationshof ist zu einem abweichenden Ergebnis gelangt auf Grund seiner Annahme, der überschuldete Nachlass müsse mit "null" Franken bei der Berechnung der Erbanteile eingesetzt werden. Diese Auffassung wurde von den Kommentatoren zwar in ihren Erstauflagen noch geteilt, wird heute aber ebenso einhellig abgelehnt. Erbvorbezüge werden auch dann zum Nachlass hinzugerechnet, wenn dieser überschuldet ist. Der negative Saldo wird also durch den Wert der Erbvorbezüge verringert, eventuell sogar in einen positiven Saldo verwandelt (ESCHER/ESCHER, Zürcher Kommentar, 1959, N. 9 zu Art. 475 ZGB, und die Berner Kommentatoren: TUOR, 1952, N. 30 ff., und WEIMAR, 2000, N. 37, je zu Art. 474 ZGB). 4.3.4 Der Appellationshof hat sein Ergebnis zusätzlich auf den Gedanken gestützt, es müssten Manipulationen des Erblassers, die Haftung nach Art. 579 ZGB zu umgehen, vermieden werden. Soll indessen ein erblasserischer Ausgleichungsdispens im Rahmen von Art. 579 ZGB beachtlich sein, wie das der Appellationshof zu Recht anerkannt hat (E. 4.2 soeben), kann die Haftung des ausschlagenden Erben ausgeschlossen werden, indem der Erblasser ihn

BGE 131 III 49 S. 59

143

Page 145: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

vollständig von der Ausgleichungspflicht befreit. Die erblasserische Befreiung von der Ausgleichungspflicht wird dadurch nicht per se rechtsmissbräuchlich. Es muss vielmehr ein Verhalten des

Erblassers hinzutreten, das als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, weil es auf eine bewusste Benachteiligung der Gläubiger abzielt. Ist dies aber der Fall, liegt nicht mehr der Tatbestand von Art. 579 ZGB vor, der an die Ausschlagung der Erben anknüpft, sondern allenfalls ein Tatbestand der paulianischen Anfechtungsklagen, die an ein bestimmtes Verhalten des Schuldners anknüpfen (E. 4.2 soeben). 4.3.5 Aus den dargelegten Gründen muss die Berufung gutgeheissen und die Klage abgewiesen werden, soweit sie sich auf die Haftung der Erben gemäss Art. 579 ZGB stützt. Eine Überprüfung der eingeklagten Ansprüche unter dem Blickwinkel der paulianischen Anfechtungsklagen fällt ausser Betracht. Die Klägerin hat deren Voraussetzungen im kantonalen Verfahren weder behauptet noch bewiesen und ihre Ansprüche stets - so auch heute - aus der Haftung gemäss Art. 579 ZGB abgeleitet. Es fehlt damit an Tatsachenfeststellungen, die es gestatteten, die eingeklagte Forderung unter dem anderen Rechtstitel zu beurteilen (BGE 116 II 695 E. 4 S. 699; 130 III 28 E. 4.4 S. 34).

BGE 131 III 49 S. 60

nach oben

144

Page 146: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

125 III 219

Seite 219 (BGE_125_III_219)

Regeste

Sachverhalt

Seite 220 (BGE_125_III_219)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. April 1999 i.S. A. und Mitkl. gegen Y. (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1

Seiten 219 220 221 222

Erbrecht; Ausübung von Gestaltungsrechten durch die Erbengemeinschaft (Art. 602 ZGB). Ein Erbe ist Pächter eines Nachlassobjekts: Können sämtliche Miterben den Pachtvertrag ohne weiteres gegen seinen Willen kündigen oder muss um die Bestellung eines Erbenvertreters nachgesucht werden?

Am 5. Oktober 1989 verpachtete X. seinen Landwirtschaftsbetrieb an seinen Sohn Y. (Beklagter). Der Vertrag sah eine Dauer von neun Jahren vor und sollte unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr frühestens auf den 30. April 1998 kündbar sein; andernfalls sollte sich die Pacht um 6 Jahre verlängern. Am 17. Juli 1995 verstarb X. und hinterliess eine Ehefrau sowie elf Kinder, darunter den Beklagten. Dessen Mutter und Geschwister (Kläger) kündigten den Pachtvertrag mit Schreiben vom 14. März 1997 auf den 30. April 1998. Der Beklagte erachtete die Kündigung als ungültig. Ein diesbezügliches Gesuch der Kläger um Bestellung eines Erbenvertreters wurde vom Einzelrichter des Bezirks Uster am 28. April 1997 abgewiesen. Darauf verlangten die Kläger vor Mietgericht Uster, die Gültigkeit der Kündigung festzustellen. Die Klage wurde am 7. August

1998 abgewiesen. Gleich entschied das Obergericht des Kantons Zürich am 16. Dezember 1998. Das Bundesgericht weist die von den Klägern dagegen erhobene eidgenössische Berufung ab,

aus folgenden Erwägungen:

145

Page 147: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 221 (BGE_125_III_219)

1.- Nach Auffassung der Vorinstanz hätte die Kündigung des Pachtvertrags nur gültig ausgesprochen werden können, wenn ihr alle Erben zugestimmt hätten. Sie vertritt die Ansicht, vom Einstimmigkeitsprinzip könne unter den gegebenen Umständen nicht abgewichen werden; allenfalls hätte um die Bestellung eines Erbenvertreters nachgesucht werden müssen. Die Kläger halten diese Betrachtungsweise für bundesrechtswidrig. Zur Begründung führen sie an, die Vorinstanz hätte nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht auf dem Einstimmigkeitserfordernis beharren dürfen, da alle Erben in die Kündigung einbezogen gewesen seien: die einen elf hätten gekündigt, dem einzelnen anderen sei gekündigt worden. Abgesehen davon sei ein Gesuch um Bestellung eines Erbenvertreters gestellt, vom Einzelrichter des Bezirks Meilen jedoch abgewiesen worden. a) Nach Art. 602 Abs. 1 ZGB verfügen mehrere, eine Erbengemeinschaft bildende Erben als Gesamteigentümer des Nachlasses unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam. Deshalb können einzelne Erben für den Nachlass grundsätzlich nicht handeln. Dies ist in der Regel nur allen gemeinsam oder an deren Stelle einem Erbenvertreter (Art. 602 Abs. 3 ZGB), Willensvollstrecker (Art. 518 ZGB) oder Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB) möglich. Nach der Rechtsprechung kann davon bloss in dringlichen Fällen eine Ausnahme gemacht werden. Ausserdem wird vorausgesetzt, dass Erben, die sich nicht auf die Zustimmung ihrer Miterben stützen können, im Namen aller bzw. der Erbengemeinschaft handeln (BGE 93 II 11 E. 2b S. 14; 73 II 162 E. 5 S. 170; 58 II 195 E. 2 S. 199 f.). b) Wenn die Wahrung von rechtlich geschützten Interessen nicht gegenüber einem Dritten, sondern gegenüber einem einzelnen Erben in Frage steht, hat die Rechtsprechung indes das Einstimmigkeits-prinzip gelockert. Bereits in BGE 54 II 243 führte das Bundesgericht aus: «Wenn von der aus drei Erben bestehenden Erbengemeinschaft zwei gegen den dritten Miterben einen Feststellungs- oder Leistungsanspruch

geltend machen, besteht nicht der geringste Grund dafür, dass sie nicht sollten von sich aus vorgehen dürfen. Die Dazwischenkunft eines Erbenvertreters ist in einem solchen Falle unnötig und daher nicht gerechtfertigt, da ja alle Erben Partei sind und als solche sich über ihre gegenseitigen Rechtsansprüche auseinander setzen können». Später wurde diese Betrachtungsweise bestätigt und insoweit verdeutlicht, als ein Bezug zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Miterben verlangt wurde. So befand das Bundesgericht in BGE 74 II 215 (E. 2 S. 217), dass die (gerichtliche) Anfechtung eines zwischen Miterben abgeschlossenen Vertrages nicht wie eine gewöhnliche Verfügung über Erbschaftsgegenstände vom Prinzip der Einstimmigkeit beherrscht sei. In den Prozess müssten indes sämtliche am Vertrage Beteiligten einbezogen werden, sei es auf Seiten der Kläger oder der Beklagten (vgl. auch BGE 109 II 400 E. 2 S. 403). c) Werden dagegen Rechtsgeschäfte zwischen der Erbengemeinschaft und einem einzelnen Erben abgeschlossen, erscheint eine Abweichung vom Einstimmigkeitsprinzip nicht gerechtfertigt. Der einzelne Erbe, der ein zum Nachlass gehöriges Objekt mietet oder kauft, beteiligt sich daran einerseits als Mitglied der Erbengemeinschaft, anderseits als Einzelperson (vgl. BGE 101 II 36). Der Erbe, der ein Nachlassgrundstück kauft, figuriert als Käufer wie auch als Gesamtverkäufer (PAUL PIOTET, Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/2, S. 659). Versagt ein Erbe die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft über ein Nachlassobjekt, ist gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB ein Erbenvertreter zu bestellen, der eine sachentsprechende Entscheidung zu treffen hat (TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 38 zu Art. 602 OR). d) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die der Erbengemeinschaft zustehenden Rechte aus dem vom Erblasser mit einem Erben abgeschlossenen Pachtverhältnis nur entweder durch alle Erben gemeinsam oder einen Erbenvertreter, Willensvollstrecker bzw. Erbschaftsverwalter ausgeübt werden können. Dies gilt namentlich für die Kündigung. Dabei ist zu beachten, dass diese den Interessen des Pächters bzw. Miterben diametral zuwiderlaufen kann. Darauf ist von einem neutralen Erbenvertreter Rücksicht zu nehmen. Er wird dem Pächter das vor dem Erbgang genutzte Pachtobjekt nicht ohne weiteres entziehen können (vgl. TUOR, Berner Kommentar, Bern 1952, N. 13 zu Art. 518 ZGB), soweit mit dessen Nutzung nicht eine Gefährdung von Interessen des Nachlasses, beispielsweise in der

146

Page 148: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 222 (BGE_125_III_219)

Form einer Entwertung verbunden ist. Anderseits steht ausser Zweifel, dass der Erbenvertreter zur Geltendmachung von Ansprüchen der Erbschaft gegenüber einem Miterben, gegebenenfalls auch zur Kündigung des Pachtverhältnisses nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet sein kann (WALTER SCHICKER, Die Rechtsstellung des nach Art. 602/III ZGB für eine Erbengemeinschaft ernannten Vertreters, Diss. Zürich 1951, S. 60 ff.). Dieser Interessenberücksich-tigung durch den Erbenvertreter ginge der ein Nachlassobjekt pachtende Miterbe verlustig, wenn ihm die Übrigen ohne weiteres kündigen könnten. Die Rüge der Kläger erweist sich vor diesem Hintergrund als unbegründet und die Vorinstanz hat zu Recht auf dem Einstimmigkeitserfordernis bestanden. Ebenso wenig verfängt der Einwand, im angefochtenen Urteil sei übersehen worden, dass ein Gesuch um Bestellung eines Erbenvertreters gestellt, jedoch abgewiesen worden sei. Nachdem die Kläger das Gesuch im Hinblick auf die durch den Erbenvertreter spätestens bis Ende April 1997 zu erklärende Kündigung erst am 17. April 1997 gestellt hatten und demzufolge auch bei erfolgreicher Anfechtung des negativen Entscheides des Einzelrichters des Bezirks Meilen vom 28. April 1997 nicht mehr rechtzeitig hätten kündigen können, bleibt für diesen Vorwurf ohnehin kein Raum. Angesichts dessen braucht auf die übrigen Vorbringen der Kläger nicht weiter eingegangen zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1

Seiten 219 220 221 222

147

Page 149: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

130 III 550

Seite 550 (BGE_130_III_550)

Regeste

Sachverhalt

Seite 551 (BGE_130_III_550)

71. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile dans la cause dame X. contredame Y. (recours en réforme) 5C.38/2004 du 24 juin 2004

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2

Seiten 550 551 552 553 554

Art. 604 ZGB; Art. 55 Abs. 1 OG; Anfechtung des Teilungsurteils, notwendige Streitgenossenschaft. Jeder Erbe ist berechtigt, das Urteil über die Erbteilung unabhängig von seinen Miterben anzufechten; jedoch muss er auf Grund des materiellen Zivilrechts alle vor der oberen Gerichtsbehörde - hier vor dem Bundesgericht- belangen, ansonsten das Rechtsmittel abgewiesen wird.

X.- , citoyen suisse né le 13 novembre 1948 et domicilié en Suisse lors de son décès, est décédé ab intestat en France le 5 octobre 1989. Il laisse pour héritiers légaux son épouse, dame X., et leur fils commun B., né le 14 décembre 1984, ainsi que sa fille dame Y., née le 10 février 1974 et issue d'un premier mariage. En 1987, les époux X. ont acquis en main commune une maison en France, pour le prix de 200'000 fr., qu'ils ont financée à raison de 100'000 fr. par des biens propres de l'époux et à raison de 100'000 fr. par deux emprunts de 50'000 fr. chacun que le prénommé a contractés auprès de la Banque cantonalede Genève (BCGe), ces crédits étant garantis respectivement par un dossier de titres, et par un cautionnement solidaire et une police d'assurance. Le solde desdits emprunts s'élève à 91'158 francs. Le 13 mars 2001, dame Y. a introduit une action en partage contre dame X. et B. devant le Tribunal de première instance de Genève. Statuant le 12 décembre 2003, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a, notamment, ordonné le partage des valeurs de la succession sises en Suisse, en a attribué la moitié à

l'épouse et le quart à chaque enfant, et a condamné l'épouse, dans les rapports entre héritiers, à payer l'intégralité des dettes contractées par le défunt auprès de la BCGe. L'autorité cantonale a considéré que les juridictions suisses n'étaient pas compétentes pour procéder au partage de l'immeuble, la France revendiquant une compétence exclusive à ce sujet. Elle a toutefois procédé àla liquidation du régime matrimonial et, à ce titre, à la répartition des

148

Page 150: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

Erwägung 2

Seite 552 (BGE_130_III_550)

dettes chirographaires souscrites par le défunt pour acheter la maison; elle les a mises à la charge de la femme, car cette dernière n'a pas payé, au moment de l'acquisition, sa part de l'immeuble en indivision (i.e. 1/2), ni rapporté la preuve d'une libéralité correspondante de son mari. Une procédure tendant au partage des biens du défunt sis en France est actuellement pendante devant la juridiction française. Agissant par la voie du recours en réforme au Tribunal fédéral, qu'elle dirige exclusivement à l'encontre de dame Y., dame X. conteste la mise à sacharge des dettes bancaires précitées. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.

Extrait des considérants:

1. 1.2 La recourante a qualité pour recourir, dès lors qu'elle était partie à la procédure cantonale et qu'elle est lésée - tant formellement que matériellement - par la décision attaquée (sur cette exigence: ATF 120 II 5 consid. 2a p. 7/8 et les références citées; VOGEL/ SPÜHLER, Grundriss desZivilprozessrechts, 7e éd., § 13 n. 58 ss). La question de savoir si l'héritier doit non seulement ouvrir action en partage contre tous ses cohéritiers, mais aussi les attraire tous devant l'autorité de recours - ici le Tribunal fédéral - lorsqu'il veut contester le jugement de partage ne ressortit pas à la qualité pour recourir - dont la sanction serait alors l'irrecevabilité (cf., par exemple, pour l'absence de procuration: ATF 119 Ib 56 consid. 1a p. 57/58) -, mais à la qualité pour défendre (arrêt 5C.20/1995 du 22 juin 1995, consid. 3).

2. Dans le cadre d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral applique ledroit d'office. Il examine donc d'office et librement la qualité pour agir et la qualité pour défendre (ATF 114 II 345 consid. 3d p. 348; 108 II 216 consid. 1 p. 217), mais dans les limites des faits

allégués et établis lorsque le litige est soumis à la maxime des débats (ATF 118 Ia 129 consid. 1 p. 130 et la jurisprudence citée). 2.1 2.1.1 L'action en partage (art. 604 CC) tend à ce que le juge ordonne le partage de la succession, auquel les défendeurs s'opposent, et/ou attribue sa part au demandeur (cf. ATF 101 II 41 consid. 4b p. 45; 69 II 357 consid. 7 p. 369 et consid. 10 p. 371); dans la mesure où elle vise à la distraction de la part du demandeur de la masse successorale et à la sortie de celui-ci de la communauté héréditaire, l'action revêt une nature formatrice (BRÜCKNER, Die erbrechtlichen Klagen, Zurich 1999, n. 134; ESCHER, ZürcherKommentar, n. 5a ad art. 604 CC; PIOTET, Droit successoral, in Traité de droit privé suisse, vol. IV, § 107 III, p. 778; SCHAUFELBERGER, Basler Kommentar, 2e éd., n. 2 ad art. 604 CC). Elle doit être intentée contre tous les cohéritiers (ATF 100 II 440 consid. 1 p. 441; 90 II 1 consid. 1 p. 4), dès lors qu'elle aboutit à un jugement qui sortit ses effets à l'égard de tous les héritiers (FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3e éd., n. 13 et 17 ad § 39 ZPO/ZH; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3e éd., p. 299 ss, spéc. 300 note 22) et que, en outre, elle touche au sort de biens dont les cohéritiers sont titulaires en commun avec le demandeur (art. 602 al. 2 CC; PIOTET, loc. cit.). Le juge devra, notamment, déterminer la masse à partager, fixer la part du demandeur et, le cas échéant, celles des défendeurs, et arrêter les modalités du partage (BRÜCKNER, op. cit., n. 145 ss); son jugement

149

Page 151: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 553 (BGE_130_III_550)

Seite 554 (BGE_130_III_550)

(formateur) remplacera le contrat de partage que les héritiers concluent normalement (art. 607 al. 2 et 634 al. 1 CC; BRÜCKNER, op. cit., n. 134; SCHAUFELBERGER, loc. cit.). 2.1.2 Ces principes sont valables en procédure de recours (GULDENER, op. cit., p. 493; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zurich 1992, n. 39 p. 59 in fine; par exemple: ATF 116 Ib 447 consid. 2 p. 449 ss [recours de droit administratif]), en particulier dans la procédure de recours en réforme au Tribunal fédéral (cf. arrêt 5C.20/1995, précité, consid. 2a). Tout héritier a la faculté de recourir, indépendamment de ses cohéritiers, pour défendre ses intérêts, car il a un droit propre au partage (cf. art. 604 al. 1 CC). En vertu du droit matériel, il doit cependant mettre en cause tous ses cohéritiers comme intimés, même si l'un ou plusieurs d'entre eux avaient procédé à ses côtés en instance cantonale; comme on l'a vu (cf. consid. 2.1.1), l'arrêt attaqué doit

produire ses effets à l'égard de tous et concerne les biens qui appartiennent en commun à tous les héritiers. Partant, le recourant est tenu, sous peine de rejet du recours (cf. arrêt 5C.20/1995, précité, consid. 2, 3 et 5a), d'assigner tous ses cohéritiers devant le Tribunal fédéral, de manière à leur conférer la qualité de partie à l'instance de recours. Ce n'est qu'à titre exceptionnel, dans des causes relatives à l'état des personnes ("Statusklagen"), qui sont soumises à la maxime d'office, que lajurisprudence a admis qu'une partie puisse recourir contre un seul consort,mais que le jugement produise néanmoins ses effets à l'égard de tous les consorts nécessaires (cf. ATF 95 II 291 consid. 1 p. 294 et les arrêts cités). 2.1.3 Conformément à l'art. 55 al. 1 in principio OJ, l'acte de recours doit désigner la partie intimée. Le fait de ne pas mentionner un héritier comme intimé au recours n'est pas une simple désignation inexacte de la partie adverse, qui pourrait être rectifiée d'office (cf. POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, n. 2.4 in fine ad art. 53 et n. 1.2.3 ad art. 55 OJ). La juridiction de réforme ne peut pas davantage intimer d'office un héritier qui n'a pas été mis en causepar le recourant; en effet, dans les litiges soumis - comme l'action en partage - à la maxime de disposition, l'arrêt cantonal entre en force à l'égard du ou des héritiers non intimés (art. 54 al. 2, 2e phrase, OJ; cf. POUDRET, op. cit., n. 2.2 ad art. 54 OJ). Pour le même motif, la cour de céans ne saurait, par application analogique de l'art. 24 al. 2 let. a PCF, appeler en cause l'intimé contre lequel le recours n'est pas dirigé (pour la consorité nécessaire en général, cf. MESSMER/IMBODEN, op. cit., n. 39 p.59/60 et les références). Un éventuel recours joint de la partie intimée ne permettrait pas non plus de contraindre un héritier laissé hors de cause à participer à la procédure de recours, dès lors que la réforme ne peut être demandée par l'intimé qu'au détriment du recourant (art. 59 al. 2 OJ). 2.2 Alors que, en instance cantonale, l'épouse et le fils avaient formé un appel commun - le second ayant pris des conclusions propres -, seule lapremière a interjeté recours au Tribunal fédéral. Il ressort du préambule deson mémoire qu'elle ne dirige son recours que contre la fille du défunt. Contrairement à ce qu'exige l'art. 55 al. 1 OJ, elle n'a pas indiqué son propre fils dans le préambule, ni comme recourant, ni comme intimé; elle nel'a pas non plus mentionné en l'une ou l'autre de ces qualités ni dans les conclusions, ni dans les motifs du recours, en sorte que la correction d'uneinadvertance

manifeste ne saurait entrer en ligne de compte. La recourante n'ayant pas assigné son fils comme intimé devant le Tribunal fédéral, l'arrêt cantonal est entré en force à son égard. La formulation toute générale des conclusions du recours, à teneur desquelles les dettes litigieuses "doivent être considérées comme des dettes du de cujus uniquement et, par conséquent,doivent être supportées par l'ensemble des héritiers", ne permet pas à la

150

Page 152: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

cour de céans de compléter le nombre des personnes intimées au recours, à savoir de pallier une erreur de droit matériel - concernant la qualité pour défendre - de la recourante. Il s'ensuit que le recours doit être rejeté d'emblée de ce chef.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2

Seiten 550 551 552 553 554

151

Page 153: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

127 III 396

Seite 396 (BGE_127_III_396)

Regeste

Sachverhalt

Seite 397 (BGE_127_III_396)

67. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom21. Juni 2001 i.S. Roland Fontana und Ursula Müller-Fontana gegen Margrit Fontana-Schmid undMitbeteiligte (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2 Erwägung 3 Erwägung 4

Seiten 396 397 398 399 400 401 402

Auskunftsanspruch der gemeinsamen Nachkommen gegen denüberlebenden Ehegatten bezüglich lebzeitiger Zuwendungen desErblassers, die aus dessen Errungenschaft stammen (Art. 610 Abs. 2 ZGB). Streitwerterfordernis (Art. 46 OG) bei umstrittenem Auskunftsbegehren (E. 1b/cc). Unterbleibt eine güterrechtliche Hinzurechnung (Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB), sind Zuwendungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat, im Rahmen der erbrechtlichen Hinzurechnung in vollem Umfang zu berücksichtigen (E. 2). Art. 610 Abs. 2 ZGB verpflichtet die Erben, sich gegenseitig alles mitzuteilen, was bei einer objektiven Betrachtung möglicherweise geeignet erscheint, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Dazu gehören ungeachtet der güterrechtlichen Verhältnisse auch lebzeitig vorgenommeneZuwendungen des Erblassers (E. 3 und 4a).

A.- Gemäss dem Ehevertrag der Eheleute Josef Peter Fontana und Margrit Fontana-Schmid vom 21. Mai 1988erhält der überlebende

Ehegatte die Gesamtsumme beider Vorschläge. Er bestimmt zudem, dass sich das eingebrachte Eigengut des Ehemannes auf Fr. 22'000.- beläuft. Am 1. April 1997 verstarb der Ehemann und hinterliess neben seiner Ehefrau sechs gemeinsame Kinder. B.- Die Witwe reichte beim Bezirksgericht Weinfelden Klage gegen ihre sechs Kinder ein und beantragte, es sei festzustellen, dass der für die Erbteilung massgebende Nachlass des am 1. April 1997 verstorbenen Ehemannes am Todestag aus einer Ersatzforderung seines Eigengutes gegen seine Errungenschaft

152

Page 154: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 398 (BGE_127_III_396)

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

in Höhe von Fr. 22'000.- bestehe; des Weiteren sei festzustellen, dass die Erbgangsschulden Fr. 19'264.25 betrügen, so dass der effektiv unter den Erben zu verteilende Nachlass sich auf Fr. 2'735.75 belaufe, wovon der Klägerin die Hälfte und den Nachkommen je ein Zwölftel (Fr. 228.-) zustehe; sämtliche übrigen Aktiven und Passiven des Verstorbenen, namentlich sieben Nachlassgrundstücke sowie ein Guthaben des Verstorbenen bei der Thurgauer Kantonalbank, seien ihr zu alleinigem Recht zu übertragen. Während vier Kinder die Begehren der Klägerin anerkannten und sich deshalb am Verfahren nicht aktiv beteiligten, beantragten Roland Fontana (Beklagter 1) und Ursula Müller-Fontana (Beklagte 5), der Nachlass ihres Vaters sei gerichtlich festzustellen und zu teilen; hierzu sei die Klägerin zu verpflichten, über den Umfang der Errungenschaft umfassend Auskunft zu erteilen. Mit Urteil vom 18. Dezember 1998 entschied das Bezirksgericht Weinfelden im Sinne der Klage und wies dabei insbesondere den beklagtischen Antrag betreffend Auskunftserteilung ab. Die von den Beklagten 1 und 5 hiergegen erhobene kantonale Berufung wies das Obergericht des Kantons Thurgau am 10. Juni 1999 ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid. C.- Die Beklagten 1 und 5 legen eidgenössische Berufung ein mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach Durchführung des Beweisverfahrens den Nachlass des Verstorbenen feststelle und gerichtlich teile; dazu sei die Streitsache mit der Weisung an die Vorinstanz zurückzuweisen, gestützt auf Art. 610 Abs. 2 ZGB das Beweisverfahren zur Bestimmung des Nachlassvermögens durchzuführen. Die Klägerin und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, soweit darauf einzutreten ist.

Aus den Erwägungen:

1.- b) cc) Beim Erbteilungsstreit handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Nach der Rechtsprechung bildet das gesamte Teilungsvermögen den Streitwert, wenn der Teilungsanspruch an sich streitig ist (BGE 86 II 451 E. 2 S. 455). Betrifft die Streitfrage dagegen nur den Anteil eines am Gesamtnachlass Berechtigten, stellt lediglich dessen im Streit stehendes Betreffnis den Streitwert dar (BGE 65 II 89 S. 90; 78 II 181 S. 182, 286 S. 287). Streitig ist im vorliegenden Fall nicht der Teilungsanspruch an sich, sondern letztlich die Frage, wie gross der Nachlassanteil bzw. Pflichtteil der Beklagten 1 und 5 zu bemessen ist, wenn die durch ihr Auskunftsbegehren erhofften Erkenntnisse über Stand und Entwicklung des erblasserischen Vermögens berücksichtigt werden. Die Festsetzung ihres Pflichtteiles setzt demgemäss voraus, vorfrageweise ihr Auskunftsgesuch zu prüfen, das möglicherweise Zuwendungen zutage fördern wird, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat und die der Ausgleichung oder Herabsetzung unterliegen (Art. 626 und Art. 527 ZGB). Da sowohl ausgleichungspflichtige

153

Page 155: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 2

Seite 399 (BGE_127_III_396)

wie auch herabsetzbare Zuwendungen zum Nachlassvermögen hinzuzurechnen sind (BGE 45 II 7 E. 2 S. 13; 76 II 188 E. 2 S. 192; Art. 475 ZGB), ist nicht auszuschliessen, dass der Pflichtteil der Beklagten 1 und 5 letzten Endes bedeutend höher als im jetzigen Zeitpunkt ausfallen wird. Daran vermag auch die ehevertraglich stipulierte Zuweisung der gesamten Errungenschaft an die Klägerin nichts zu ändern (vgl. E. 2b). Würde von den Berufungsklägern verlangt, bereits bei der Klageanhebung zu wissen, wie hoch der effektive Streitwert zu beziffern ist, könnte je nach Umständen auf eine mit einem Auskunftsbegehren verbundene Teilungsklage nicht eingetreten werden, obschon ihre tatsächlichen Grundlagen mit dem Auskunftsgesucherst ermittelt werden sollen. So genügt es etwa auch zur Geltendmachung einer Herabsetzungsklage, dass der Erbe die grundsätzliche Tatsache der Pflichtteilsverletzung kennt; nicht vorausgesetzt ist dagegen die Kenntnis vom genauen Ausmass (BGE 121 III 249 E. 2b S. 250 f. mit Hinweisen). Das Streitwerterfordernis gemäss Art. 46 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 OG steht folglich dem Eintreten auf die Berufung nicht entgegen.

2.- Mit ihrem Auskunftsbegehren verlangen die Beklagten 1 und 5, dass die Klägerin ungeachtet der güterrechtlichen Verhältnisse

über das gesamte vom Erblasser empfangene Vermögen Aufschluss erteile, um hierdurch gegebenenfalls Kenntnis von ausgleichungspflichtigen oder herabsetzbaren Zuwendungen zu erlangen. Die Vorinstanzen haben dieses Auskunftsgesuch abgewiesen, weil sich nach ihrer Auffassung der Auskunftsanspruch gemäss Art. 610 Abs. 2 ZGB nur auf den Nachlass und damit das erblasserische Vermögen nach Vollzug der güterrechtlichen Auseinandersetzung bezieht. Das Obergericht hat ausserdem erwogen, der Klägerin stehe gemäss dem Ehevertrag die gesamte Errungenschaft zu, die wiederum aus dem gesamten während der Ehe erwirtschafteten Vermögen gebildet werde. Die Beklagten 1 und 5 seien aber in keiner Weise an der Errungenschaft berechtigt, weshalb ihnen ein rechtsgenügendes Interesse abgehe, hierüber Auskünfte zu erhalten. Der überlebende Ehegatte sei gegenüber den gemeinsamen Kindern nach Art. 216 ZGB insoweit privilegiert, als die ihn begünstigende Vorschlagszuweisung sich über deren Pflichtteilsansprüche hinwegsetzen könne. Dem halten die Beklagten 1 und 5 dagegen, es müsse nach Massgabe von Art. 610 Abs. 2 ZGB ergründet werden, was dem Nachlass hinzuzurechnen sei. Auch die Klägerin sei als Ehegattin Erbin ihres verstorbenen Mannes und in dieser Eigenschaft auskunftspflichtig. Es sei unerheblich, dass die Grösse des Eigengutes feststehe; dies besage nichts über mögliche ausgleichungspflichtige oder herabsetzbare Zuwendungen, die der Informationspflicht unterstünden. a) Die Durchführung der Nachlassteilung schliesst gedanklich an die Feststellung der Teilungsmasse an. Diese setzt sich zusammen aus dem Saldo der güterrechtlichen Auseinandersetzung,der im vorliegenden Fall dem Eigengut entspricht. Zur Ermittlung der Pflichtteile sind dem Nachlass die vom Erblasser zu dessen Lebzeiten getätigten Zuwendungen hinzuzurechnen, soweit sie der Herabsetzung unterliegen (Art. 475 und Art. 527 ZGB); darüber hinaus sind auch die der Ausgleichung (Art. 626 ZGB) unterliegenden Zuwendungen hinzuzuaddieren. Haben wie hier die Ehegatten eine vollständige Zuweisung der Errungenschaft an den überlebenden Gatten vereinbart, können lebzeitige Zuwendungen des Erblassers aus Sicht der gemeinsamen Kinder für die erbrechtliche Teilung

154

Page 156: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 400 (BGE_127_III_396)

Seite 401 (BGE_127_III_396)

dennoch von Belang sein. Wiewohl die Nachkommen im vorliegenden Fall aus der Errungenschaft nichts zu beanspruchen haben, ist es möglich, dass sich die erbrechtliche Berechnungsmasse kraft Hinzurechnung herabsetzbarer bzw. ausgleichungspflichtiger Zuwendungen vergrössert und damit letztlich von grösseren Pflicht- bzw. Erbteilen der Beklagten 1 und 5 auszugehen sein wird.

b) Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB bestimmt, dass unentgeltliche Zuwendungen mit Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke, die ein Ehegatte während der letzten fünf Jahre vor Auflösung des Güterstandes ohne Zustimmung des anderen Ehegatten gemacht hat, zur Errungenschaft hinzugerechnet werden. Hat der überlebende Ehegatte solchen Zuwendungen an Dritte oder an Nachkommen zugestimmt, unterbleibt nach dem Wortlaut dieser Bestimmung eine güterrechtliche Hinzurechnung. Dies bedeutet indessen nicht, dass auch von einer erbrechtlichen abzusehen ist. aa) Das Bundesgericht hat in BGE 107 II 119 E. 2d S. 128 entschieden, dass eine Zuwendung ungeachtet ihrer güterrechtlichenQualifikation in vollem Umfang zum Nachlassvermögen hinzugerechnet werden muss, sofern sie der Ausgleichung oder Herabsetzung unterliegt, weil andernfalls die Höhe der Pflichtteile und damit die verfügbare Quote zur Disposition des Erblassers stünden, was nicht mit Art. 475 ZGB zu vereinbaren ist. Ausserdem gelte es, eine unzulässige Vermengung von Güter- und Erbrecht zu verhindern (BGE 107 II 119 E. 2d S. 126). Obwohl dieser Entscheid noch unter Geltung des Güterrechtes von 1907 ergangen ist, das noch keine mit Art. 208 ZGB vergleichbare Bestimmung enthielt (vgl. dazu LEMP, Berner Kommentar, N. 40 zu Art. 214 aZGB), können seine Ausführungenhinsichtlich der güter- und erbrechtlichen Bedeutung einer Zuwendung unter dem neuen, am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Güterrecht weiterhin Geltung beanspruchen. Stehen wie im vorliegenden Fall mutmassliche Zuwendungen an Dritte oder Nachkommen in Frage, die möglicherweise mit dem Einverständnis des Gatten des Zuwendenden getätigt worden sind, so ist am Grundsatz der vollen erbrechtlichen Hinzurechnung festzuhalten. Anders entscheiden hiesse, die güter- und erbrechtliche Relevanz solcher Zuwendungen miteinander zu vermengen. Abgesehen vom Sonderfall des Art. 216 Abs. 2 ZGB, der eine die Pflichtteile der gemeinsamen Kinder beeinträchtigende ehevertragliche Vorschlagszuweisung gestattet, besteht der erbrechtliche Pflichtteilsschutz als selbständiges Institut neben und unabhängig von den güterrechtlichen Verhältnissen des Erblassers. Die Pflichtteile stellen unbeschadet der güterrechtlichen Ausgestaltung eine feste Grösse dar, die unter den Voraussetzungen des Art. 527 ZGB durch Zuwendungen unter Lebenden nicht geschmälert werden können. Eine mit Zustimmung des überlebenden Ehegatten vorgenommene Zuwendungan Dritte oder Nachkommen ist daher in ihrem vollem Umfang erbrechtlich hinzuzurechnen, sofern sie der Herabsetzung

unterliegt oder auszugleichen ist (im gleichen Sinne WEIMAR, Berner Kommentar, N. 58 f. zu Art. 475 ZGB; bezüglich der Ausgleichung: HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 68 zu Art. 220 ZGB; JURIJ TBENN, Rechtsgeschäftliche Gestaltung der erbrechtlichen Ausgleichung, Diss. Zürich 2000, S. 114). Aufgrund der Aktenlage kann beim gegenwärtigen Verfahrensstand nicht ausgeschlossen

155

Page 157: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 3

Seite 402 (BGE_127_III_396)

werden, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten mit Zustimmung seiner Gattin einem Dritten oder einem Nachkommen eine solche Zuwendung zukommen lassen hat. bb) BGE 107 II 119 E. 2d S. 128 ist im Schrifttum Kritik erwachsen; mehrfach ist postuliert worden, eine herabsetzbare Zuwendung dürfe erbrechtlich nur im Umfang dessen hinzugerechnet werden, was unter Berücksichtigung der güterrechtlichen Auseinandersetzung tatsächlich in den Nachlass gefallen wäre (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 58 f. zu Art. 208 ZGB, N. 67 zu Art. 220 ZGB; PIOTET, Deux questions nouvelles relatives à la réduction successorale, in: SJZ 78/1982 S. 211; DANIEL STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 475 ZGB; GUINAND, Libéralités entre vifs et conjoint survivant, in: Mélanges Piotet, Bern 1990, S. 65; NÄF-HOFMANN, Schweizerisches Ehe- und Erbrecht, Zürich 1998, N. 1692 ff.; REGINA E. AEBI-MÜLLER, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, Diss. Bern 2000, N. 08.45 f.; CHRISTOPH WILDISEN, Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten, Diss. Freiburg 1997, S. 98 ff.). Dabei wird insbesondere mit dem Fall argumentiert, da der überlebende Ehegatte selbst Zuwendungsempfängereines aus der Errungenschaft des anderen stammenden Vermögenswertes ist. Der lebzeitig bedachte Gatte stehe am Ende schlechter da, als wenn keine Zuwendung erfolgt wäre, weil aufgrund der vollen erbrechtlichen Hinzurechnung die Miterben in vollem Umfang am zugewendeten Vermögenswert partizipierten. Demgegenüber hätte der überlebende Ehegatte ohne lebzeitige Zuwendung kraft der unter Ausschluss der Miterben ihm gesetzlich zukommenden Vorschlagshälfte letztlich mehr erhalten. Im vorliegenden Fall kommt diese Kritik jedoch insofern nicht zum Tragen, als sich die Beklagten 1 und 5 nicht auf eine Ehegattenschenkung berufen und daher uneingeschränkt auf den Wortlaut von Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB abgestellt werden kann.

3.- Werden gegebenenfalls infolge ausgleichungspflichtiger bzw. herabsetzbarer Zuwendungen die Erb- bzw. Pflichtteile der Beklagten 1 und 5 rechnerisch neu zu bestimmen sein, sofolgt hieraus, dass die Klägerin nicht berechtigt ist, sich unter Hinweis auf

die güterrechtlichen Verhältnisse ihrer Auskunftspflicht zu entschlagen. Gemäss Art. 610 Abs. 2 ZGB haben die Erben einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigungfällt. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Informationsinteresse der an einem Erbgang beteiligten Erben in einem umfassenden Sinne zu schützen; mitzuteilen ist mithin alles, was bei einer objektiven Betrachtung möglicherweise geeignet erscheint, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen, wozu ungeachtet der konkreten güterrechtlichen Verhältnisse insbesondere auch zu Lebzeiten des Erblassers getätigte Zuwendungen zu rechnen sind (BGE 59 II 128 E. 2 S. 129; 90 II 365 E. 3a und 3c S. 372 und 374; 99 III 41 E. 3 S. 45). Dem steht der Grundsatz nicht entgegen, wonach vor der eigentlichen Erbteilung die güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen ist (BGE 107 II 119 E. 2d S. 127 oben), weil dies nichts anderes bedeutet, als dass der Gesamtnachlass mit einem Passivum zugunsten der Errungenschaft des Erblassers belastet ist (vgl. WEIMAR, a.a.O., N. 30 zu Art. 474 ZGB). Im Entscheid vom 20. April 1994 i.S. H., E. 2c (auszugsweise wiedergegeben bei: BREITSCHMID, Die

156

Page 158: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erwägung 4

Stellung des Willensvollstreckers in der Erbteilung, in: Druey/Breitschmid [Hrsg.], Praktische Probleme der Erbteilung, Bern 1997, S. 164 ff.), hat das Bundesgericht erklärt, die um Auskunftserteilung angegangene Witwe könne sich weder mit Berufung auf die güterrechtlichen Verhältnisse noch mit Bestreitung der teilungsrechtlichen Relevanz der erhaltenen Zuwendung ihrer Informationspflicht entziehen. Angesichts dieser umfassenden Auskunftspflicht gegenüber den Miterben ist der klägerische Standpunkt nicht nachvollziehbar, die Beklagten 1 und 5 hätten sich mit ihrem Auskunftsgesuch an die Banken wenden sollen, die regelmässig Auskunft erteilten.

4.- a) Damit ergibt sich, dass die Beklagten 1 und 5 ein rechtlich geschütztes Interesse geltend machen können, von der Klägerin zu erfahren, ob und zu wessen Gunsten der Erblasser Zuwendungen vor mehr bzw. innerhalb der letzten fünf Jahre vor seinem Tode vorgenommen hat, denen die Klägerin zugestimmt hat (Art. 208 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Sie wird gegebenenfalls über die näheren Modalitäten solcher Zuwendungenzu informieren haben, um den Beklagten 1 und 5 zu ermöglichen, unter Berücksichtigung der dergestalt gewonnenen Erkenntnisse ihre Erb- bzw. Pflichtteile rechnerisch neu zu bestimmen.

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

Sachverhalt

ErwägungenErwägung 1 Erwägung 2 Erwägung 3 Erwägung 4

Seiten 396 397 398 399 400 401 402

157

Page 159: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Urteilskopf

119 II 323

Seite 323 (BGE_119_II_323)

Regeste

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 5

Seite 324 (BGE_119_II_323)

63. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Juli 1993 i.S. B.-S. gegen. B.-F. und Geschwister (Berufung)

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

ErwägungenErwägung 5

Seiten 323 324 325

Zuweisung der ehelichen Wohnung bzw. des Hauses an den überlebenden Ehegatten (Art. 612a ZGB). Art. 612a ZGB, der dem überlebenden Ehegatten das Recht einräumt, das Eigentum an der ehelichen Wohnung bzw. am ehelichen Haus auf Anrechnung zu verlangen, ist dispositiver Natur. Ein Ehegatte kann daher dem andern durch letztwillige Verfügung anstelle des Eigentums ein Wohnrecht bzw. die Nutzniessung einräumen (E. 5).

Aus den Erwägungen:

5.- Die Beklagte hält dafür, Art. 612a ZGB stelle eine zwingende Norm dar, die der Erblasser nicht ohne ihre Zustimmung habe umgehen können. Von der Lehre wird mehrheitlich der dispositive

Charakter der vorgenannten Gesetzesbestimmung bejaht und angenommen, das Vorrecht des überlebenden Ehegatten auf die Zuweisung des Eigentums an der ehelichen Wohnung oder am Haus werde namentlich ausgeschlossen, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung ein Wohnrecht oder die Nutzniessung zuwende (vgl. etwa KAUFMANN, Das Erbrecht sowie die ehe- und erbrechtliche Übergangsordnung in: Berner Tage für juristische Praxis 1987, Bern 1988, S. 131; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 16 zu Art. 219 ZGB mit zahlreichen Hinweisen; GUINAND, Le droit successoral in: Le nouveau droit du mariage, 2. Aufl. Lausanne 1987, S. 83; SCHWANDER, Die 1984 revidierten erbrechtlichen Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs in: Das neue Eherecht, St. Gallen 1987, S. 303; DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987, S. 548; RICHARD SCHLEISS, Hausrat und Wohnung in der Güterstandsauseinandersetzung und Erbteilung, Diss. BE 1989, S. 192; anderer Meinung: DRUEY, Das neue Erbrecht und seine Übergangsordnung, in: HAUSHEER, Vom alten zum neuen Eherecht, Bern 1986, S. 172; HAUSHEER, Art. 612a ZGB - wirklich

158

Page 160: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Seite 325 (BGE_119_II_323)

nur dispositiv?, AJP 2/93, S. 126 ff.). Der mehrheitlich vertretenen Auffassung ist zuzustimmen: Art. 612a ZGB befindet sich im zweiten Abschnitt des siebzehnten Titels des ZGB, der von der Teilungsart handelt und dem Erblasser in Art. 608 Abs. 1 ZGB das Recht einräumt, seinen Erben durch Verfügung von Todes wegen Vorschriften über die Teilung zu machen. Systematisch handelt es sich demnach bei Art. 612a ZGB um eine Teilungsvorschrift (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 16 zu Art. 219 ZGB), aus deren Wortlaut sich nicht ergibt, dass die dem Erblasser durch Art. 608 Abs. 1 ZGB zugestandene Freiheit eingeschränkt wird. Sodann fällt auf, dass die im bäuerlichen Erbrecht eingeordnete Bestimmung des Art. 621bis ZGB die Verfügungsfreiheit des Erblassers hinsichtlich der Teilung im Gegensatz zu Art. 612a ZGB ausdrücklich einschränkt. Die Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) vom 11. Juli 1979 (BBl 1979 II S. 1354 zweitletzter Absatz), aber auch die verschiedenen Voten der parlamentarischen Beratung (Amtl.Bull. SR 1981, S. 161: Voten von Ständerat Dillier und Bundespräsident Furgler; Amtl.Bull. SR 1984, S. 140: Voten von Ständerat Hänsenberger und Bundesrat Friedrich; Amtl.Bull. NR 1984, S. 1046: Votum von Nationalrat Weber-Arbon) haben denn auch in unmissverständlicher Weise die dispositive Natur von Art. 612a ZGB

hervorgehoben; wird überdies beachtet, dass diese Auffassung angesichts der im gleichen Zuge eingefügten güterrechtlichen Bestimmungen des Art. 219 und 244 ZGB sowie in Kenntnis des zwingenden Art. 621bis ZGB vertreten worden ist, so lässt sich darin ohne Zweifel der Wille des Gesetzgebers erkennen (BGE 118 II 309 E. a; 117 II 447; 115 II 99 E. b mit Hinweisen), Art. 612a ZGB als dispositive Norm auszugestalten. Dass diese Regelung die Einheit mit den güterrechtlichen Bestimmungen der Art. 219 und 244 ZGB, welche nur durch die Ehegatten gemeinsam abänderbar sind, vermissen lässt (DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 3. Aufl. Bern 1992, § 16 N. 49), hat der Gesetzgeber demnach bewusst in Kauf genommen (vgl. Amtl.Bull. NR 1984, S. 1046: Votum von Nationalrat Weber-Arbon).

Inhaltsverzeichnis

Regeste - Deutsch - Français - Italiano

ErwägungenErwägung 5

Seiten 323 324 325

159

Page 161: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 123 123

drücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Schwierig-keiten vor allem darin lägen, die Ausgaben von B. in einem ver-tretbaren Verhältnis zu ihren Einkünften zu halten, und er mit Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 23. Oktober 1998 we-gen Zulassen eines übermässigen Vermögensverzehrs zu einer ver-antwortungsvollen Vermögensverwaltung angehalten wurde. Der Beschwerdeführer nahm folglich in Kauf, dass das Vermögen zu-folge seiner Untätigkeit in kurzer Zeit aufgebraucht und für bevor-stehende Alterslasten kein Kapital mehr vorhanden sein würde; in-sofern hat er seine Amtspflichten geradezu eventualvorsätzlich vernachlässigt. Jedenfalls aber hat er durch sein tatenloses Zusehen die elementarsten bzw. ureigensten sich aus dem Amt der kombi-nierten Beiratschaft ergebenen Schutz- und Fürsorgepflichten in grobfahrlässiger Weise nicht wahrgenommen. Das Verschulden wiegt insgesamt schwer.

II. ERBRECHT

DROIT DES SUCCESSIONS

DIRITTO SUCCESSORIO

18. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause Association X. contre A. (recours en matière civile)

5A_795/2009 du 10 mars 2010

Art. 598 ss CC; action en constatation de droit assortie d'une action en péti-tion d'hérédité; légitimation passive.

L'action ouverte par une association, tendant à la constatation de sa qualité d'héritière instituée de la défunte et à son inscription au registre foncier en qualité de propriétaire de plusieurs parcelles, doit être qualifiée d'action en constatation de droit assortie d'une action en pétition d'hérédité (con-sid. 4.3). Cette action doit être dirigée contre les deux héritières légales de la défunte, en qualité de consorts matériels nécessaires. Toutefois, si l'une déclare formellement se soumettre par avance à l'issue du procès, ou re-connaît d'emblée formellement la demande, sa participation au procès n'est pas nécessaire (consid. 4.4).

Art. 598 ff. ZGB; Feststellungsklage verbunden mit einer Erbschaftsklage; Passivlegitimation.

Die von einem Verein erhobene Klage, seine Einsetzung als Erbe der Erb-lasserin festzustellen und ihn als Eigentümer mehrerer Parzellen im Grund-

160

Page 162: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

124 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

buch einzutragen, ist als Feststellungsklage verbunden mit einer Erb-schaftsklage zu qualifizieren (E. 4.3). Diese Klage muss sich gegen die zwei gesetzlichen Erbinnen der Erblasserin als notwendige materielle Streitgenossinnen richten. Sollte allerdings eine förmlich erklären, sich im Voraus dem Ergebnis des Prozesses zu unterwerfen, oder die Klage ohne weiteres förmlich anerkennen, ist ihre Teilnahme am Prozess nicht erforderlich (E. 4.4).

Art. 598 segg. CC; azione di accertamento combinata con un'azione di peti-zione d'eredità; legittimazione passiva.

L'azione incoata da un'associazione, tendente all'accertamento della sua qua-lità di erede istituita della defunta e alla sua iscrizione nel registro fondia-rio quale proprietaria di diversi fondi, dev'essere qualificata quale azio-ne di accertamento combinata con una petizione d'eredità (consid. 4.3). Questa azione dev'essere diretta contro le due eredi legali della defunta quali litisconsorti sostanziali necessari. Tuttavia, se una di esse dichiara formalmente di sottomettersi in anticipo all'esito del processo o rico-nosce subito formalmente la domanda, una sua partecipazione al processo non è necessaria (consid. 4.4).

A. A.a B., née le 20 novembre 1918, est décédée le 12 février 2006. Elle avait deux soeurs, A. et C., ainsi qu'un cousin, D.B. était propriétaire de plusieurs biens-fonds dans la commune de Y., dont la valeur vénale totale a été estimée en 2006 à 5'136'400 fr., à savoir les parcelles nos 5 sise en zone bois et forêts, 41 et 123 sises en zone agricole, 58 et 174 sises en zone 4B protégée, 177 sise prin-cipalement en zone 4B protégée et 178 sise à raison de 8/9 en zone 4B protégée et 1/9 en zone agricole. Elle était en outre propriétaire de biens mobiliers d'une valeur totale de 616'925 fr.A.b B. a rédigé un testament olographe le 10 août 1990, dont la te-neur est la suivante:

"Je lègueà Madame C. de Y.et Madame A. de Y.La maison de famille et terrains agricoles

Monsieur D. aura la jouissance d'un appartement et terrains agricoles ceci jusqu'à sa mort.Je lègue également

Hôpital de E. deux cent mille francs 200'000.-Communauté de F. cent mille francs 100'000.-

161

Page 163: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 123 125

Paroisse de G. cent mille francs 100'000.-Paroisse de H. cinquante mille francs 50'000.-Paroisse de I. cinquante mille francs 50'000.-Le reste de mes biens au foyer X.Le présent testament annule l'ancien déjà déposé".

Un litige est né entre l'Association X. et A. au sujet de l'interpréta-tion de ce testament, chacune d'elles soutenant avoir été instituée héritière de la défunte.A.c Par acte du 22 mai 2007, l'Association X. a assigné A. devant le Tribunal de première instance de Genève, concluant à la consta-tation qu'elle est instituée unique héritière des biens de la succes-sion de B. et à son inscription au Registre foncier en qualité de pro-priétaire des parcelles nos 41, 58, 174, 177 et 178 de la commune de Y. A. a conclu au déboutement de l'Association de toutes ses conclu-sions; pour le cas où il serait admis que celle-ci est héritière insti-tuée, elle a conclu à la constatation de sa qualité de co-légataire avec C. des parcelles nos 5, 41, 58, 123, 174, 177 et 178 de la commune de Y., ainsi que de la totalité du matériel d'exploitation agricole dé-pendant de la succession de ce domaine.B. B.a Par jugement du 29 janvier 2009, le Tribunal de première ins-tance de Genève a débouté l'Association X. de ses conclusions, après avoir procédé à l'interprétation du testament de la défunte.B.b Statuant sur appel de la demanderesse, la Cour de justice du can-ton de Genève a confirmé cette décision par arrêt du 16 octobre 2009, pour défaut de légitimation passive, opérant ainsi une substi-tution de motifs.C. L'Association X. interjette le 23 novembre 2009 un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à son annulation et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour qu'elle statue sur le fond. Elle fait grief aux juges précédents d'avoir consi-déré que A. n'avait pas la légitimation passive, dans la mesure où sa soeur C. avait la qualité de consort nécessaire, et se plaint également d'une violation de son droit d'être entendue.L'intimée n'a pas été invitée à se déterminer.Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.

162

Page 164: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

126 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

Extrait des considérants:4. 4.3 Il convient de qualifier l'action de la recourante afin de déter-miner qui a la légitimation passive. 4.3.1 Selon la jurisprudence, l'objet du litige est déterminé par les conclusions de la demande et par les faits invoqués à l'appui de cel-le-ci, à savoir par le complexe de faits sur lequel les conclusions se fondent (ATF 116 II 738 consid. 2 p. 743; 105 II 268 consid. 2 p. 270; 97 II 390 consid. 4 p. 396). En l'espèce, la demanderesse a conclu à la constatation de sa qualité d'héritière instituée unique de la dé-funte – le testament n'attribuant, selon elle, aux soeurs de celle-ci que les parcelles sises en zone agricole ainsi que le bâtiment sis sur la parcelle n° 177 – et requis son inscription au registre foncier en qua-lité de propriétaire des parcelles nos 41, 58, 174, 177 et 178, à savoir celles sises en zone protégée. Elle invoque la teneur du testament, soutenant que, puisqu'elle se voit attribuer le reste des biens de la dé-funte, elle serait héritière instituée, alors que les soeurs ne seraient que légataires. Pour sa part, la défenderesse conteste que la deman-deresse soit héritière instituée aux termes du testament et invoque que sa soeur et elle-même sont les héritières instituées de la défunte, la demanderesse n'étant que légataire; à titre subsidiaire, pour le cas où la demanderesse serait reconnue héritière, elle conclut à sa qualité de co-légataire avec sa soeur des parcelles nos 5, 41, 58, 123, 174, 177 et 178 de la commune de Y.Dans ces circonstances, sur la base des conclusions de la demande-resse, l'action doit être qualifiée d'action en constatation de droit assortie d'une action en pétition d'hérédité. Tout d'abord, son action tend à la constatation de sa qualité d'héritière unique aux termes mêmes du testament, tel qu'il est rédigé et doit être, selon elle, com-pris et interprété. Ainsi, elle n'a pas pour objet l'annulation d'une disposition pour cause de mort au sens de l'art. 519 CC, laquelle n'a pas à être introduite contre tous les héritiers en qualité de consorts nécessaires, ni à l'inefficacité d'une telle disposition. Ensuite, l'action tend à ce que, pour une partie des biens, à savoir les parcelles non agricoles, elle soit inscrite comme propriétaire au registre foncier.4.3.2 L'action en constatation de droit est recevable, puisque la constatation de la qualité d'héritière unique a une portée propre (ATF 131 III 319 consid. 3.5 p. 324 s.; 123 III 414 consid. 7b p. 429;

163

Page 165: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 123 127

120 II 20 consid. 3a p. 22; 110 II 352 consid. 2 p. 357). En effet, au- delà de l'inscription au registre foncier en tant que propriétaire des immeubles, la recourante a un intérêt à ce que soit constatée sa qua-lité d'héritière en relation avec le solde des biens meubles, dont elle ne demande pas la mise en possession dans le cadre de la présente procédure.Quant à l'inscription en qualité de propriétaire des immeubles en cause, c'est à tort que la recourante soutient qu'il ne s'agit pas d'une action en pétition d'hérédité. En effet, dans la mesure où elle se pré-tend seule héritière instituée, son action n'est pas ouverte contre un ou des co-héritiers comme elle le prétend; elle n'agit pas non plus en partage, mais elle veut obtenir que soit jugée une prétention qui ex-clut l'intimée et sa soeur de la succession (ATF 91 II 264 consid. 2 p. 268). Or, les héritiers légaux étant possesseurs provisoires des biens de la succession (STEINAUER, Le droit des successions, 2006, n° 885 p. 434), la recourante doit nécessairement agir contre eux pour ob-tenir son inscription au registre foncier comme propriétaire.4.4 Il y a donc lieu d'examiner si la recourante a valablement ouvert son action en constatation de droit et en pétition d'hérédité en la di-rigeant contre l'intimée seule ou si elle devait agir contre les deux soeurs de la défunte, en qualité de consorts nécessaires.4.4.1 Il y a consorité matérielle nécessaire en vertu du droit fédéral lorsque plusieurs personnes sont ensemble le titulaire (consorité ac-tive) ou le sujet passif (consorité passive) d'un seul droit, de sorte que chaque co-titulaire ne peut pas l'exercer seul ou être actionné seul en justice (ATF 118 II 168 consid. 2b p. 169/170). Il y a également conso-rité matérielle nécessaire lorsque l'action est formatrice et tend à la suppression d'un rapport de droit qui touche plusieurs personnes; ainsi, l'action en partage contre un héritier doit être en principe ou-verte par tous les autres héritiers, comme consorts nécessaires (ATF 86 II 451 consid. 3 p. 455; 100 II 440 consid. 1 p. 441). Fait excep-tion l'action (formatrice) en nullité du testament des art. 519 ss CC; la jurisprudence admet que le jugement rendu dans une telle procé-dure n'a d'effets qu'entre les parties au procès, car elle ne met en jeu aucun intérêt public pouvant exiger que le jugement qui la déclare fondée produise ses effets envers chacun. Il est, en effet, loisible aux intéressés de décider si et, le cas échéant, dans quelle mesure, ils entendent admettre la validité d'une disposition de dernière volonté (ATF 81 II 33 consid. 3 p. 36 et les autres arrêts cités).

164

Page 166: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

128 BGE – Schweizerisches Bundesgericht

Les consorts matériels nécessaires doivent donc agir ensemble ou être mis en cause ensemble. Toutefois, selon la jurisprudence, si un membre de la communauté déclare autoriser les autres à agir ou dé-clare formellement se soumettre par avance à l'issue du procès, ou encore reconnaît d'emblée formellement la demande, sa participation au procès n'est pas nécessaire (ATF 116 Ib 447 consid. 2a p. 449; 86 II 451 consid. 3 p. 455).4.4.2 En l'espèce, la recourante a allégué que, puisque la soeur de l'intimée n'avait pas contesté son interprétation du testament, elle ne dirigeait son action que contre l'intimée. Or, la disposition testamen-taire par laquelle la défunte a attribué à ses deux soeurs la maison de famille et les terrains agricoles – dont l'interprétation est litigieuse – est indivisible entre elles. Elles sont co-titulaires (propriété com-mune) des droits de propriété sur ces biens; la clause ne peut pas valoir pour l'une et pas pour l'autre. La recourante ne le conteste d'ailleurs pas; elle prétend seulement qu'elle n'avait pas à ouvrir ac-tion contre la soeur de l'intimée car celle-ci n'aurait pas contesté son interprétation du testament. Ce n'est toutefois que si le co-titulaire du droit déclare formellement se soumettre par avance à l'issue du procès ou reconnaît d'emblée la demande que sa participation au procès n'est pas nécessaire. Or, ces conditions ne sont pas remplies dans le cas d'espèce, comme l'a constaté la cour cantonale. La recou-rante ne démontre pas l'arbitraire de cette constatation; elle se borne à affirmer que la soeur de l'intimée "se désintéressait du sort de ce litige et s'en remettait à un accord des intéressés ou à une décision de justice", mais ne prétend pas avoir prouvé ceci devant les ins-tances cantonales. Quant à l'argument tiré du fait que l'intimée n'au-rait pas contesté que sa soeur était d'accord avec l'interprétation du testament, il est sans pertinence. En effet, l'admission de ce fait ne saurait pallier à l'absence de déclaration formelle de la soeur de l'intimée.4.4.3 Enfin, la pièce nouvelle produite par la recourante, à savoir une déclaration légalisée de la soeur de l'intimée, datée du 7 novembre 2009, aux termes de laquelle celle-ci déclare se soumettre par avance au jugement définitif qui sera rendu dans l'affaire opposant les par-ties au sujet de l'interprétation du testament de la défunte, est irre-cevable.Selon l'art. 99 al. 1 LTF, aucun fait nouveau ni preuve nouvelle ne peut, en effet, être présenté devant le Tribunal fédéral, à moins de

165

Page 167: Vorlesung FrSe 11 - unifr.ch · Inhalt Seite Allgemeine Informationen 2 Vorlesungsplan 3 Aufbau der Vorlesung 4 Literaturangaben 8 Arbeitsblätter und Kurzfälle 18

Erbrecht – 136 III 123 129

résulter de la décision de l'autorité précédente. Sont visés par cette exception les faits qui sont rendus pertinents pour la première fois par la décision attaquée. C'est ainsi que les critiques relatives à la ré-gularité de la procédure devant l'instance précédente (par exemple une violation du droit d'être entendu lors de mesures probatoires) doivent pouvoir être soutenues par des faits qui n'ont pas été invo-qués devant cette instance. De même, lorsque la décision de l'ins-tance précédente a été fondée sur un nouvel argument juridique au-quel les parties n'avaient pas été confrontées précédemment, les recourants peuvent avancer devant le Tribunal fédéral les faits nou-veaux qui démontrent que l'argumentation de l'instance précédente est contraire au droit. S'y ajoutent encore les faits qui ne pouvaient pas être invoqués devant l'autorité précédente, à savoir, par exemple, le respect du délai pour recourir au Tribunal fédéral (Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judi-ciaire fédérale, FF 2001 4000 ss, 4137).En revanche, ne peuvent être allégués devant le Tribunal fédéral les faits que le recourant a négligé de présenter devant les autorités cantonales et qui, par conséquent, n'ont pas pu être examinés par les instances inférieures. Le recourant ne peut ainsi démontrer, par de nouvelles allégations de faits qu'il aurait pu invoquer auparavant, que les faits retenus par l'autorité inférieure sont manifestement er-ronés ou procèdent d'une appréciation arbitraire des preuves (arrêt 4A_36/2008 du 18 février 2008 consid. 4.1 et les références citées). Il en va ainsi, en l'espèce, de la nouvelle pièce produite par la recou-rante, laquelle ne peut réparer de cette façon la négligence qu'elle a commise en omettant d'alléguer et de prouver la déclaration de la soeur de l'intimée, consort nécessaire, de se soumettre au jugement à intervenir.

9 AS 136 III - 2010

166