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Grafikquelle: zVg Fotoquelle: Bilderbox.de TEXT STEFANIE MEIER-GUBSER D ie Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung ge- hört zu den unübertragbaren und unentzieh- baren Aufgaben des Verwaltungsrats (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 3 OR). «Ausgestaltung» bedeutet dabei, dass der Verwaltungsrat die mit der finanziellen Führung zu- sammenhängenden Tätigkeiten zwar nicht selber aus- führen muss, aber dafür verantwortlich ist, dass die Aufgaben ordnungsgemäss wahrgenommen werden. Zwar muss nicht jedes Verwaltungsratsmitglied ein Fi- nanz- und Anlagestratege sein; um einige finanzielle Grundkenntnisse kommt jedoch kein Verwaltungsrat herum. Jedes Mitglied muss jederzeit die richtigen Fra- gen stellen und Informationen einholen können. So lässt sich nicht nur das Unternehmenskapital, sondern auch das Privatvermögen (Stichwort Verantwortlich- keitsklage) schützen. Ausgestaltung Rechnungswesen Der Verwaltungsrat muss das Rechnungswesen so aus- gestalten, dass er jederzeit über die nötigen Informa- tions- und Führungsinstrumente verfügen kann. Nur so kann er die finanzielle Situation des Unternehmens respektive die Veränderungen einschätzen und wenn nötig rechtzeitig handeln. Die Ausgestaltung des Rech- nungswesens hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Seit dem 1. Januar 2013 ist das neue, rechtsformun- abhängige Rechnungslegungsrecht in Kraft, dessen Vorschriften auf die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens abstellen. Die allgemeinen Vorschrif- ten entsprechen der Buchführung und Rechnungsle- gung eines gut geführten KMU. Für Unternehmen, die der ordentlichen Revision unterliegen (20-40-250), und für Konzerne gelten weitergehende Bestimmungen. Als anerkannte Standards zur Rechnungslegung gel- ten folgende fünf privaten Regelwerke: IFRS, IFRS für KMU, Swiss GAAP FER, US GAAP und IPSAS. Vorbehält- lich einer anderen statutarischen Regelung ist der Ver- waltungsrat für die Wahl des Standards zuständig (Art. 962 Abs. 4 OR). Allenfalls sind neben den Vorschrif- ten im OR weitere Bestimmungen wie beispielsweise Kotierungsreglemente oder das Bankengesetz zu be- achten. FINANZIELLE FÜHRUNG Ausgestaltung Finanzkontrolle Mit der Finanzkontrolle muss sich der Verwaltungsrat ein Instrument und Informationssystem schaffen, die ihm erlauben, Veränderungen der Finanzlage und Li- quidität frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Das Bundegericht verpflich- tet den Verwaltungsrat in seiner Recht- sprechung, über die Liquidität der Ge- sellschaft zu wachen und die finanziel- len Abläufe im Unternehmen kritisch zu verfolgen und nachzuprüfen. Dazu muss er auch Einsicht in Bücher und Akten nehmen. Der Verwaltungsrat tut gut daran, ein «Frühwarnsystem» zu in- stallieren, das Alarm schlägt, wenn Ge- fahr droht. Der Verwaltungsrat hat da- für zu sorgen, dass die Finanzkontrol- le zweckmässig ausgestaltet ist, das heisst, dass die Zahlen der Finanz- und Betriebsrechnung aussagekräftig sind. Zudem sollte er festlegen, welche Kennzahlen und Berichte ihm regel- mässig vorzulegen sind. Das Gesetz schreibt vor, dass bei Unternehmen, die der ordentlichen Revision unterlie- gen, die Revisionsstelle die Existenz eines internen Kontrollsystems überprüft (Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR). Ausgestaltung Finanzplanung Das Gesetz verlangt die Finanzplanung nur, «sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist». Lehre und Praxis verlangen jedoch praktisch von je- der Gesellschaft eine Finanzplanung, weil eine sinn- volle strategische und operative Planung ohne Planung der erforderlichen finanziellen Mittel nicht möglich ist. Mindestens eine Kalkulation von Aufwand und Er- trag ist selbst für ein kleines Unternehmen unabding- bar. Der Verwaltungsrat muss dafür sorgen, dass eine dem Unternehmen angepasste, effiziente und aussa- gekräftige Finanzplanung erfolgt. Operative und stra- tegische Finanzplanung müssen aufeinander abge- stimmt respektive zusammengeführt werden. VR und finanzielle Krise Es klingt zwar selbstverständlich, ist aber in der Pra- Die Pflicht zur Ausgestaltung der finanziellen Führung können Verwaltungs- räte nicht delegieren. Deshalb, und weil das Rechnungswesen der wohl häu- figste Anlass von Verantwortlichkeitsklagen ist, kommen sie – auch im eige- nen Interesse – um finanzielle Grundkenntnisse nicht herum. 26 www.vrpraxis.ch 1/2013 SIVG Schweizerisches Institut für Verwaltungsräte Das sivg unterstützt die professio- nelle Verwaltungsrats-Ausübung durch das Vermitteln von Wissen, Informationen und Erfahrungs- austausch. Es ist die Stimme der Schweizer Verwaltungsräte (Inte- ressenvertretung) und schweiz - weite branchenübergreifende In- stanz für Verwaltungsratsthemen. sivg Schweizerisches Institut für Verwaltungsräte Kapellenstrasse 14 Postfache 5236 3001 Bern +41 31 390 98 80 www.sivg.ch [email protected]

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Grafikquelle: zVgFotoquelle: Bilderbox.de

T E X T S T E FA N I E M E I E R - G U B S E R

Die Ausgestaltung des Rechnungswesens, derFinanzkontrolle sowie der Finanzplanung ge-hört zu den unübertragbaren und unentzieh-

baren Aufgaben des Verwaltungsrats (Art. 716a Abs. 1Ziff. 3 OR). «Ausgestaltung» bedeutet dabei, dass derVerwaltungsrat die mit der finanziellen Führung zu-sammenhängenden Tätigkeiten zwar nicht selber aus-führen muss, aber dafür verantwortlich ist, dass dieAufgaben ordnungsgemäss wahrgenommen werden.Zwar muss nicht jedes Verwaltungsratsmitglied ein Fi-nanz- und Anlagestratege sein; um einige finanzielleGrundkenntnisse kommt jedoch kein Verwaltungsratherum. Jedes Mitglied muss jederzeit die richtigen Fra-gen stellen und Informationen einholen können. Solässt sich nicht nur das Unternehmenskapital, sondernauch das Privatvermögen (Stichwort Verantwortlich-keitsklage) schützen.

Ausgestaltung RechnungswesenDer Verwaltungsrat muss das Rechnungswesen so aus-gestalten, dass er jederzeit über die nötigen Informa-tions- und Führungsinstrumente verfügen kann. Nurso kann er die finanzielle Situation des Unternehmensrespektive die Veränderungen einschätzen und wennnötig rechtzeitig handeln. Die Ausgestaltung des Rech-nungswesens hängt vom jeweiligen Unternehmen ab.Seit dem 1. Januar 2013 ist das neue, rechtsformun-abhängige Rechnungslegungsrecht in Kraft, dessenVorschriften auf die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens abstellen. Die allgemeinen Vorschrif-ten entsprechen der Buchführung und Rechnungsle-gung eines gut geführten KMU. Für Unternehmen, dieder ordentlichen Revision unterliegen (20-40-250), undfür Konzerne gelten weitergehende Bestimmungen.Als anerkannte Standards zur Rechnungslegung gel-ten folgende fünf privaten Regelwerke: IFRS, IFRS fürKMU, Swiss GAAP FER, US GAAP und IPSAS. Vorbehält-lich einer anderen statutarischen Regelung ist der Ver-waltungsrat für die Wahl des Standards zuständig (Art.962 Abs. 4 OR). Allenfalls sind neben den Vorschrif-ten im OR weitere Bestimmungen wie beispielsweiseKotierungsreglemente oder das Bankengesetz zu be-achten.

FINANZIELLE FÜHRUNG

Ausgestaltung FinanzkontrolleMit der Finanzkontrolle muss sich der Verwaltungsratein Instrument und Informationssystem schaffen, dieihm erlauben, Veränderungen der Finanzlage und Li-quidität frühzeitig zu erkennen und entsprechend zuhandeln. Das Bundegericht verpflich-tet den Verwaltungsrat in seiner Recht-sprechung, über die Liquidität der Ge-sellschaft zu wachen und die finanziel-len Abläufe im Unternehmen kritischzu verfolgen und nachzuprüfen. Dazumuss er auch Einsicht in Bücher undAkten nehmen. Der Verwaltungsrat tutgut daran, ein «Frühwarnsystem» zu in-stallieren, das Alarm schlägt, wenn Ge-fahr droht. Der Verwaltungsrat hat da-für zu sorgen, dass die Finanzkontrol-le zweckmässig ausgestaltet ist, dasheisst, dass die Zahlen der Finanz- undBetriebsrechnung aussagekräftig sind.Zudem sollte er festlegen, welcheKennzahlen und Berichte ihm regel-mässig vorzulegen sind. Das Gesetzschreibt vor, dass bei Unternehmen,die der ordentlichen Revision unterlie-gen, die Revisionsstelle die Existenz eines internenKontrollsystems überprüft (Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR).

Ausgestaltung FinanzplanungDas Gesetz verlangt die Finanzplanung nur, «soferndiese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist».Lehre und Praxis verlangen jedoch praktisch von je-der Gesellschaft eine Finanzplanung, weil eine sinn-volle strategische und operative Planung ohne Planungder erforderlichen finanziellen Mittel nicht möglichist. Mindestens eine Kalkulation von Aufwand und Er-trag ist selbst für ein kleines Unternehmen unabding-bar. Der Verwaltungsrat muss dafür sorgen, dass einedem Unternehmen angepasste, effiziente und aussa-gekräftige Finanzplanung erfolgt. Operative und stra-tegische Finanzplanung müssen aufeinander abge-stimmt respektive zusammengeführt werden.

VR und finanzielle KriseEs klingt zwar selbstverständlich, ist aber in der Pra-

Die Pflicht zur Ausgestaltung der finanziellen Führung können Verwaltungs-räte nicht delegieren. Deshalb, und weil das Rechnungswesen der wohl häu-figste Anlass von Verantwortlichkeitsklagen ist, kommen sie – auch im eige-nen Interesse – um finanzielle Grundkenntnisse nicht herum.

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SIVGSchweizerisches Institut für Verwaltungsräte

Das sivg unterstützt die professio-nelle Verwaltungsrats-Ausübungdurch das Vermitteln von Wissen,Informationen und Erfahrungs-austausch. Es ist die Stimme derSchweizer Verwaltungsräte (Inte-ressenvertretung) und schweiz -weite branchenübergreifende In-stanz für Verwaltungsratsthemen.

sivg Schweizerisches Institut fürVerwaltungsräteKapellenstrasse 14Postfache 52363001 Bern+41 31 390 98 [email protected]

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nem) Verwaltungsrat und Revisionsstelle nur seltenstatt. (Zum Teil wurde mittels opting out auch ganzauf die Revisionsstelle verzichtet.) In dieser Zusam-menarbeit, die in der Praxis oft zu wenig oder zu spätgenutzt wird, liegt aber gerade für einen Verwaltungs-rat, der kein Finanz- und Buchführungsexperte ist,eine Chance, sich bei der Erfüllung seiner Aufgabenunterstützen zu lassen. Auch ohne Krise kann es sichdaher empfehlen, von Zeit zu Zeit die Revisionsstellemit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung beizuzie-hen und die Zusammenarbeit nicht allein der Ge-schäftsführung zu überlassen. •

xis oft nicht ganz so banal: Der Verwaltungsrat hat diePflicht, eine finanzielle Krise so früh als möglich zuerkennen. Krisen, die zu Kapitalverlust und Über-schuldung führen, zeichnen sich in der Regel ab. Häu-fig entstehen sie aufgrund strategischer oder operati-ver Führungsschwäche und werden wegen fehlenderKontrollmechanismen oft nicht oder zu spät erkannt.Kommt es zu Kapitalverlust und Überschuldung, auf-erlegt das Gesetz dem Verwaltungsrat gewisse (nichtdelegierbare) Anzeigepflichten (s. Grafik). Diese ge-setzlichen Massnahmen greifen erst relativ spät unddienen dem Aktionärs- und Gläubigerschutz. Bereitsvorher muss der Verwaltungsrat allerdings aufgrundseiner allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflicht (Art.717 OR) tätig werden und geeignete Massnahmen zurBewältigung der Krise treffen.

Zusammenarbeit mit Revisionsstelle nutzenIn KMU findet eine Zusammenarbeit zwischen (exter-

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Management

AUTORIN

Stefanie Meier-Gubser, lic.iur., Rechtsanwältin, ist Geschäfts-führerin des Schweizerischen Instituts für Verwaltungsrätesivg. Das sivg unterstützt und fördert die professionelle Aus-übung des Verwaltungsratsmandats.

Aktiven Passiven

UnterbilanzVermögen Fremdkapital

Gesetzliche Reserven

Aktien-/Partizipationskapital

Bilanzverlust

KapitalverlustVermögen Fremdkapital

Gesetzliche Reserven

Bilanzverlust Aktien-/Partizipationskapital

ÜberschuldungVermögen Fremdkapital

Bilanzverlust

Gesetzliche Reserven

Aktien-/Partizipationskapital

KASKADENARTIGE KAPITALSCHUTZMASSNAHMEN

1. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn die Aktiven der GesellschaftAktien- / Partizipationskapital und gesetzliche Reserven nichtmehr ganz decken. Das Gesetz sieht keine Massnahmen vor.

2. Ein Kapitalverlust liegt vor, wenn die Aktiven der Gesell-schaft die Hälfte des Aktien- / Partizipationskapitals und dergesetzlichen Reserven nicht mehr decken. Der Verwaltungs-rat muss unverzüglich eine (in der Regel ausserordentliche)Generalversammlung einberufen und ihr Sanierungsmassnah-men beantragen. (Art. 725 Abs. 1 OR).

3. Begründete Besorgnis einer Überschuldung: Besteht aufgrundder finanziellen Situation der Gesellschaft oder anderer Signa-le begründete Besorgnis einer Überschuldung, muss der Ver-waltungsrat eine Zwischenbilanz erstellen lassen und einem zu-gelassenen Revisor zur Prüfung vorlegen (Art. 725 Abs. 2 OR).

4. Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Aktiven der Gesell-schaft sowohl das Aktien- / Partizipationskapital und die ge-setzlichen Reserven als auch einen Teil des Fremdkapitals we-der zu Fortführungs- noch zu Liquidationswerten decken. DerVerwaltungsrat muss in diesem Fall – vorbehältlich eines Rang -rücktritts den Richter benachrichtigen, die «Bilanz deponie-ren» (Art. 725 Abs. 2 i.V.m. Art. 716a Abs. 1 Ziff. 7 OR).

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