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Nie mehr auf den Klempner warten HANDWERK | Eigene Homepage, Organisation per Tablet, Daten in der Cloud? Schreiner, Maurer oder Metzger tun sich noch schwer mit der Digitalisierung. Clevere Pioniere zeigen, wie Kunden und Betriebe von Computertechnik und Internet profitieren. T ischlermeister Sebastian Bächer hat den Aralsee gefräst. Ein de- tailgetreues Holzmodell des einst viertgrößten, nun fast aus- getrockneten Binnensees der Er- de, sechs Meter im Durchmesser, samt In- seln und Halbinseln, Buchten und Land- zungen. Mit Aufträgen wie diesem hat sich die Tischlerei Bächer Bergmann aus Köln international einen Namen gemacht komplex gefertigte Designobjekte, die „so kein anderer fräsen kann“, sagt Bächer. Sein Modell steht jetzt im Kasachstan-Pavillon auf der Expo 2015 in Mailand, die im Mai beginnt. Hinter dem Erfolg steckt indes nicht nur handwerkliches Können, sondern auch ein Faible für digitale Technik: Das Modell des Sees hat er im Büro am Computer per Kon- struktionsprogramm entworfen, dann die Daten per Mausklick zu einem Lasercutter in der Werkstatt nebenan geschickt. Die rheinische Tischlerei hat ihre Produktions- schritte in den vergangenen Jahren kom- plett digital vernetzt – und gehört damit zur Avantgarde im deutschen Handwerk. 3-D-Drucker in der Schreinerwerkstatt, Tablet-PCs auf Baustelle, Kfz-Datenaus- tausch über das Internet oder auch nur ei- ne professionelle Homepage vom Metzger- meister an der Ecke sind aber eher Aus- nahme als die Regel. Die meisten Hand- werksbetriebe hierzulande tun sich mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse noch schwer. Nur gut die Hälfte aller Betriebe besitzt laut Zentralverband des Deutschen Hand- werks (ZDH) überhaupt eine aktuelle Web- Site. Gerade mal ein Drittel setzt Tablet- PCs zur Kundenberatung ein; mit Daten in der Cloud, dem dezentralen Datenspei- cher auf weit entfernten Servern, können sich bisher nur 16 Prozent anfreunden (sie- he Grafik Seite 44). Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Münchner Beratungsunternehmens ServiceBarome- ter hervor. Der Nachholbedarf im Hand- werk in puncto Digitalisierung sei gewaltig, so das Ergebnis. Bei der Frage, ob es dem Handwerk ge- lingt, sich digitale Prozesse und soziale Me- dien zunutze zu machen, geht es daher bei Online-Shops, digitalen Schnittstellen zu Industriekunden und professionellen Wa- renlager- und Kundenmanagementsyste- men eröffnen. Geht das Handwerk den Weg ins digitale Zeitalter nicht mit, hätte dies durchaus auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Handwerksbetriebe bilden Fachkräfte für die deutsche Wirtschaft aus, sind Zulieferer und Entwicklungspartner von Schlüsselin- dustrien wie Maschinenbau- und Automo- bilindustrie, bestimmen die Qualität der In- frastruktur. CNC-TECHNIK IN DER WERKSTATT Eine ganze Reihe von Betrieben, immer- hin, zeigt bereits heute, was alles möglich ist, wenn der Einsatz digitaler Techniken mit Verve vorangetrieben wird. Die Vorrei- ter setzen auf Smartphone-Apps und Face- book, nutzen professionelle Software und zeigen damit, welche Vorteile digitale Technologien nicht nur den Betrie- ben, sondern vor allem auch deren Kunden bieten. In Schreinermeister Bächers Kölner Werkstatt etwa stehen nicht von ungefähr zwei große Computerized-Numerical- Control-, kurz CNC-Maschinen, die dank moderner Steuerungstechnik komplexe Formen hochpräzise fräsen können. Technik wie diese gab es früher fast nur in der Industrie. Im Handwerk schafft sie heute neue Möglichkeiten für Produkte, die so individuell sind, wie der Kunde sie eben haben will – selbst Einzelstücke gibt es zu konkurrenzfähigen Preisen. „Ob ein Kunde einen Dachschrägenschrank mit drei oder mit vier Türen bekommt, kann ich mit wenigen Klicks ändern“, sagt Bä- FOTO: FRANK BEER FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE; ILLUSTRATION: ALBERTO VALZ GRIS 40 Nr. 16 13.4.2015 WirtschaftsWoche Unternehmen&Märkte »Ob drei oder vier Türen – mit weni- gen Klicks lässt sich alles ändern« Weitem nicht nur um schmückendes Bei- werk wie eine verspielte Homepage oder ei- nen von vielen vermeintlichen Trends, den man mitgemacht haben muss. Vielfach geht es ums Überleben. „Man- che Landmetzgerei wäre heute doch schon pleite, wenn sie nicht per Online-Shop ih- ren Kundenstamm auf die gesamte Bun- desrepublik und darüber hinaus erweitert hätte“, sagt Alexander Legowski, Sprecher des ZDH in Berlin. Der Zentralverband be- fürchtet schon heute, dass viele Betriebe nicht konkurrenzfähig bleiben und vom Markt verschwinden, wenn sie die Chancen nicht ergreifen, die sich ihnen in Gestalt von » © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Nie mehr auf denKlempner wartenHANDWERK | Eigene Homepage, Organisation per Tablet, Daten in der Cloud? Schreiner,Maurer oder Metzger tun sich noch schwer mit der Digitalisierung. Clevere Pionierezeigen, wie Kunden und Betriebe von Computertechnik und Internet profitieren.

Tischlermeister Sebastian Bächerhat den Aralsee gefräst. Ein de-tailgetreues Holzmodell deseinst viertgrößten, nun fast aus-getrockneten Binnensees der Er-

de, sechs Meter im Durchmesser, samt In-seln und Halbinseln, Buchten und Land-zungen.Mit Aufträgen wie diesem hat sichdie Tischlerei Bächer Bergmann aus Kölninternational einen Namen gemacht –komplex gefertigte Designobjekte, die „sokeinanderer fräsenkann“, sagtBächer. SeinModell steht jetzt im Kasachstan-Pavillonauf der Expo 2015 in Mailand, die im Maibeginnt.Hinter dem Erfolg steckt indes nicht nur

handwerklichesKönnen, sondernaucheinFaible für digitale Technik: DasModell desSees hat er imBüro amComputer per Kon-struktionsprogramm entworfen, dann dieDaten perMausklick zu einem Lasercutterin der Werkstatt nebenan geschickt. Dierheinische Tischlerei hat ihre Produktions-schritte in den vergangenen Jahren kom-plett digital vernetzt –undgehört damit zurAvantgarde imdeutschenHandwerk.3-D-Drucker in der Schreinerwerkstatt,

Tablet-PCs auf Baustelle, Kfz-Datenaus-tausch über das Internet oder auch nur ei-neprofessionelleHomepage vomMetzger-meister an der Ecke sind aber eher Aus-nahme als die Regel. Die meisten Hand-werksbetriebehierzulande tun sichmit derDigitalisierung ihrer Geschäftsprozessenoch schwer.Nur gut die Hälfte aller Betriebe besitzt

laut Zentralverband des Deutschen Hand-werks (ZDH)überhaupt eine aktuelleWeb-Site. Gerade mal ein Drittel setzt Tablet-PCs zur Kundenberatung ein; mit Daten in

der Cloud, dem dezentralen Datenspei-cher auf weit entfernten Servern, könnensichbisher nur 16Prozent anfreunden (sie-heGrafik Seite 44).Das geht aus einernochunveröffentlichten Studie des MünchnerBeratungsunternehmens ServiceBarome-ter hervor. Der Nachholbedarf im Hand-werk in puncto Digitalisierung sei gewaltig,so dasErgebnis.Bei der Frage, ob es dem Handwerk ge-

lingt, sich digitale Prozesse und sozialeMe-dien zunutze zumachen, geht es daher bei

Online-Shops, digitalen Schnittstellen zuIndustriekunden und professionellen Wa-renlager- und Kundenmanagementsyste-meneröffnen.Geht das Handwerk denWeg ins digitale

Zeitalter nicht mit, hätte dies durchausauch eine volkswirtschaftliche Dimension.Handwerksbetriebe bilden Fachkräfte fürdie deutscheWirtschaft aus, sind Zuliefererund Entwicklungspartner von Schlüsselin-dustrien wieMaschinenbau- und Automo-bilindustrie, bestimmendieQualität der In-frastruktur.

CNC-TECHNIK IN DER WERKSTATTEine ganze Reihe von Betrieben, immer-hin, zeigt bereits heute, was alles möglichist, wenn der Einsatz digitaler Technikenmit Verve vorangetrieben wird. Die Vorrei-ter setzen auf Smartphone-Apps und Face-book, nutzen professionelle Software und

zeigen damit, welche Vorteile digitaleTechnologien nicht nur den Betrie-ben, sondern vor allem auch derenKundenbieten.

In Schreinermeister Bächers KölnerWerkstatt etwa stehen nicht von ungefährzwei große Computerized-Numerical-Control-, kurz CNC-Maschinen, die dankmoderner Steuerungstechnik komplexeFormenhochpräzise fräsen können.Technik wie diese gab es früher fast nur

in der Industrie. Im Handwerk schafft sieheute neue Möglichkeiten für Produkte,die so individuell sind, wie der Kunde sieeben haben will – selbst Einzelstücke gibtes zu konkurrenzfähigen Preisen. „Ob einKunde einen Dachschrägenschrank mitdrei oder mit vier Türen bekommt, kannichmit wenigen Klicks ändern“, sagt Bä- FO

TO:FRAN

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AFTSWOCH

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40 Nr. 16 13.4.2015 WirtschaftsWoche

Unternehmen&Märkte

»Ob drei oder vierTüren – mit weni-gen Klicks lässtsich alles ändern«

Weitem nicht nur um schmückendes Bei-werkwie eine verspielteHomepageoder ei-nen von vielen vermeintlichen Trends, denmanmitgemacht habenmuss.Vielfach geht es ums Überleben. „Man-

che Landmetzgerei wäre heute doch schonpleite, wenn sie nicht per Online-Shop ih-ren Kundenstamm auf die gesamte Bun-desrepublik und darüber hinaus erweiterthätte“, sagt Alexander Legowski, Sprecherdes ZDH in Berlin. Der Zentralverband be-fürchtet schon heute, dass viele Betriebenicht konkurrenzfähig bleiben und vomMarkt verschwinden,wennsiedieChancennicht ergreifen, die sich ihnen inGestalt von »

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WirtschaftsWoche 13.4.2015 Nr. 16 41

Maximal digitalTischlermeister Bächer (links) undKompagnon Georg Bergmann bringen3-D-Druck und Handwerk zusammen

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Handwerker sollen lernen, mitdem sogenannten Building In-formation Modeling (BIM) – zuDeutsch: Gebäudedatenmodel-lierung – denBauundAusbau ei-nes Hauses anzupacken.Meistersollen amRechner planen, doku-mentieren und prüfen können,wer wann was auf der Baustelletreibt oder auch später im fertigen Gebäu-de dieses reinigt und instand hält. „EinGroßteil der britischenOlympia-Bauwerkefür die Sommerspiele in London 2012wur-de dank BIM nicht nur pünktlich, sonderndeutlich günstiger als geplant fertigge-stellt“, sagt Projektkoordinator Bille. Ir-gendwann, hofft er, soll dasBIM-Modul flä-chendeckend auf dem Lehrplan der Meis-terausbildung in denBauberufen stehen.Frank Dornach, Leiter der ServiceBaro-

meter-Studie, rät Handwerkern, sich we-sentlich häufiger zusammenzutun. Stattnur Einzelleistungen anzubieten, solltensie Komplettlösungen koordinieren unddenAuftraggebern so viel Organisationsar-beit abnehmen wie möglich. Beim Bade-zimmerumbaubietet der Sanitär- undHei-zungsfachbetrieb im Idealfall eben nichtnur an, den Einbau der Armaturen zu be-sorgen, sondern auch Fliesenleger, MalerundTischler für die neuen Schränke zu ko-ordinieren. „Bei so komplexen ProjektenhelfendigitaleDatenplattformenzurReali-sierung des gemeinsamen Ergebnisses na-türlich ungemein“, beobachtetDornach.Ein knappes Drittel der von ihm Befrag-

ten bietet bereits Leistungen „alles aus ei-nerHand“an.Bei denerfolgreichsten zehnProzent der Betriebe sind es schon über 40Prozent. „Das kommt bei den Kunden alsosehr gut an“, sagtDornach.

GRILLFLEISCH ONLINEWas entstehen kann, wenn IT-Kenntnisseundmeisterliches Handwerk aufeinander-treffen, zeigt Daniel Lindner, Junior-Chefeiner Landmetzgerei aus dem nordbayri-schen Zochenreuth, einem 150-Einwoh-

Unternehmen&Märkte

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cher. Andigitaler Fertigungstechnik füh-re deshalb im Tischlerhandwerk kein Wegmehr vorbei, sagt der 33-Jährige. Anderen-falls werde seine Zunft von der Industrie,die mittlerweile ebenfalls Kleinserien pro-fitabel fertigen könne, überrollt.Trotzdem arbeitet schätzungsweise

höchstens einDrittel derTischlermitCNC-Maschinen.AmMarkt zeige sichdas schondeutlich, sagtBächer: „AlleTischler, bei de-nen es gut läuft, besitzen eine.“

STRUKTUR AUF DEM BAUVon den Handwerkskammern beauftragteBerater sagen, den meisten Handwerks-meistern fehlt es an Zeit, Mut und Know-how, um digitale Lösungen voranzutrei-ben. Die von ServiceBarometer befragten4200Meister undMeisterschüler sagen, siewüssten viel weniger über technische oderOrganisationssoftware als über den Um-gangmitMaterial undWerkzeugen.Vor diesem Hintergrund entstand das

vomBundesbildungsministeriumgeförder-te Projekt „eWorkBau“, das der Desorgani-sationauf deutschenBaustellendendigita-len Kampf ansagt. Bauherren wissen es:Gerade am Bau ist bisher zu oft eine Mi-schung aus Trödel- und Chaostrupp amWerk. Egal, ob beim milliardenverschlin-genden Berliner Großflughafen oder demschlichten Eigenheim im Grünen – ohneVerzögerungen und Kostensteigerungengeht es selten:Mal könnendieDachdeckernicht anfangen,weil dasGerüst nochnichtsteht, mal gehen dem Elektriker die Kabelaus, oder der Klempner hat gerade nichtdie richtige Steckmuffe zurHand – und derKundemusswiederwarten.Mit besserer Koordination in und zwi-

schendenbeteiligtenGewerken ließen sichdie gröbsten Schnitzer vermeiden – unddieNerven der Bauherren schonen. Jens Billeentwickelt imRahmenvon „eWorkBau“ amHeinz-Piest-Institut für Handwerkstechnikan der Uni Hannover (HPI) ein Schulungs-konzept für eine Methode, die in Großbri-tannien längst Standard ist:

ner-Ort an der Fränkischen Bier-straße. Der 24-Jährige hatte eineAusbildung in der IT-Brancheabsolviert, bevor er als Querein-steiger im elterlichen Betrieb an-fing. DieMetzgerei ist für Spezia-litäten wie Dry Aged Beef vomSimmentaler Rind oder japani-sches Wagyu-Fleisch längst be-

kannt. Doch wie viel Edelfleisch lässt sichinZochenreuth schon verkaufen?„Mir war klar, dass wir einenWeg finden

müssen, um mehr Gourmetkunden zu er-reichen“, sagt Lindner. Die Lösung lag, an-gesichts seiner IT-Vorkenntnisse, auf derHand: ein Fleischversand übers Internet.Lindner erarbeitete ein Konzept und eröff-nete die SeiteClickandgrill.Dort lassen sichGrillwürste, Fleischoder

Marinaden vergleichbar simpel bestellenwie Bücher bei Amazon. Montags wird inderMetzgerei Lindner geschlachtet, diens-tags das Fleisch zerlegt, amDonnerstag istes – verpackt in einer Styroporboxmit Ein-weg-Kühlakku – bei Kunden in Deutsch-landoderÖsterreich.

BEI GOOGLE GANZ OBENWährend sich die großen Lebensmittel-händler noch immer schwertunmit der di-gitalen Vermarktung, hat LokalmatadorLindner mit seinem Shop eineMarktlückeerobert: Wer das Wort „Grillfleisch“ goo-gelt, landet denerstenTreffer aufClickand-grill. Und wann immer Promi-Koch TimMälzer sich im Fernsehen an einem FlankSteak austobt oder Feinschmecker-Maga-zine Wagyu-Rind in den Gourmethimmelloben, läuft auf dem Online-Shop der Be-stelleingang heiß. Sobald dasWetter schönwerde, „ist so viel los, dass ich kaum nochvom Computer wegkomme“, sagt Jungun-ternehmer Lindner.Das allerdings können bisher die we-

nigsten Handwerker von sich behaupten.Noch klafft zwischen fachlichem und digi-talem Know-how eine riesige Lücke. „In-formationstechnologien sind nicht unbe-

Am liebstenFriseurin oderKfz-Mechatroniker

* Veränderung gegenüber 2013;Quelle: ZDH, Statistisches Bundesamt, Creditreform

Das Handwerk 2014in Zahlen

Handwerksumsatz(+2,4 %)*

533 Mrd. €Handwerksbetriebe

(–0,2 %)*

1007016Erwerbstätige

(–0,1 %)*

5379000Insolvenzen(–9,7 %)*

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In unserenApp-Ausgaben

zeigen wirSuperlative undWeltrekorde ausdem Handwerk

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WirtschaftsWoche 13.4.2015 Nr. 16 43

dingt die Kernkompetenz der Handwer-ker“, bestätigt Wolfram Kroker aus Lübeck.Er ist einer von deutschlandweit 38 soge-nannten E-Business-Lotsen, die Hand-werksbetrieben helfen sollen, Berührungs-ängste gegenüber neuen Technologien ab-zubauen.Bitter nötig ist das vor allem, wenn

Handwerker als Auftragnehmer und Zulie-ferer der Industrie im Geschäft bleibenwollen. „Wir beobachten, dass Partner ausder Industrie das Thema vorantreiben undhelfen, digitale Lösungen einzuführen“,formuliert esDornachvonServiceBarome-ter diplomatisch. Wer als Zulieferer arbei-tet, wird imbesten Fallmitgezogenund ge-fordert.

Für Carolin und Florian Bertges, Ge-schäftsführer eines Unternehmens fürWerkzeugbau und Stanzerei, ist es daherkeine Frage mehr, ob sie Prozesse im Un-ternehmen digitalisieren, sondern: wel-chen als Nächstes? Der Handwerksbetriebaus derNähe vonCoburg fertigtmit seinen

30Mitarbeiternunter anderemTeile fürdieHöhenverstellung von Autositzen, in Seri-en von bis zu sechs Millionen Stück proJahr. Die in anderen Branchen nochweniggenutzte computergesteuerte Produktionist hier längst Standard. Nun geht der Be-

trieb den nächsten Schritt: Per elektro-nischem Datenaustausch sollenkünftig Kundenbestellungen, diebisher über E-Mail, Fax oder Da-

tenserver eintrafen, direkt in die Firmen-EDV des Handwerksbetriebs eingespieltwerden.In einem Pilotprojekt erprobe man zur-

zeit ein System für den digital gestütztenDatenaustausch mit einem Werk einesKunden, sagt Florian Bertges. Ziel sei es,

Kfz-Mechatroniker (beliebtesterAusbildungsberuf bei Männern)

5675720793Friseurinnen (beliebtester

Ausbildungsberuf bei Frauen)Auszubildende370995

unbesetzte Lehrstellen20000

aller Auszubildenden sindim Handwerk tätig

27 Prozent

Laptop und SchweinebauchMetzger Lindner verkauft

Grillfleisch imeigenen Online-Shop

»In der Grillsaisonkomme ich kaumnoch vom Com-puter weg«

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Unternehmen&Märkte

44 Nr. 16 13.4.2015 WirtschaftsWoche

von der Bestellung bis zur Auslieferungalle Prozesse digital abzubilden – eine Rie-senaufgabe für einen Mittelständler ohneeigene IT-Abteilung. „In der Industrie isteine solche Spezialabteilung natürlich üb-lich, bei Unternehmen unserer Größenicht“, sagt Bertges.Läuft alles wie geplant, spart der Betrieb

künftig jedeMenge Zeit und Kosten: Kapa-zitäten und Materialbedarf stehen aufKnopfdruck parat, während sich der Ferti-gungsleiter bisher die Daten aus verschie-denen Excel-Listen zusammensuchenmuss. „Die Zeit kann er für anderes nut-zen“, so Bertges. „Und wir können wach-sen, ohne zusätzliches Personal einzustel-len.“ Er sieht dieDigitalisierung als „Schrittzur Professionalisierung und Industriali-sierung“ des ursprünglich aus dem Hand-werk stammendenUnternehmens, „wir er-reichendamit industrielle Standards“.

EFFIZIENZ IM HANDWERKSBÜRO„VielenBetrieben ist gar nicht bewusst, wieviel effizienter sie mit digitalen Lösungenarbeiten können“, sagtMichael Heil. Er lei-tet das Projekt eMasterCraft – eBusinessam Institut für kybernetisches Planen undBauen in Kaiserslautern. Es soll die Durch-laufzeit von Aufträgen imBüro und auf derBaustelle reduzieren. Im ersten der beidenTestbetriebe, in denen er seitmehr als zweiJahren Prozesse optimiert hat, hat sich derGewinn vervielfacht.Die Verbesserungen beginnen bei ver-

meintlich simplenAufgabenwie etwa demAnlegen eines Anrufformulars. Die Num-mer des Kunden ist im Rechner hinterlegt,die Bürokraft bekommt, sobald sie denHö-rer abnimmt, die Kundendatei auf denBildschirm. Soll zum Beispiel der Meisterdringend zurückrufen, erhält dieser überdie IT-Anlage einePush-Nachrichtmit denDatendesKunden aufsHandy.Oder: Bauleiter fahren mit der digitalen

Akte auf dem Tablet-PC zur Baustelle, er-fassen vor Ort Sprach- und Bildnotizenüber den Stand der Arbeiten und haken di-gitale Checklisten ab. Zeitpläne sind im In-ternet hinterlegt, der Bauleiter vergleichtSoll- und Ist-Zustand. Heil sieht noch riesi-ges Potenzial in der Digitalisierung. „Wernicht mitmacht, hat das Nachsehen oderist irgendwannweg“, sagt er.Wer dagegen mit der richtigen Idee auf-

wartet, kann sein lokales Geschäft globali-sieren. Orthopädie-SchuhmachermeisterMarkus Schott im nordhessischen Hom-berg zeigt, wie das geht. Er fertigt Zehen-sandalennachMaß.NachVorgabedesper-

sönlichen Fußabdrucks wird das Fußbettgescannt und am PC modelliert. Der RestbleibtHandarbeit. Jede Sandale ist einUni-kat, bestellt viaOnline-Shop.Die Idee kam Schott am Strand von Syd-

ney, wo lässige Sandalen zur Grundaus-stattung gehören. Dank Internet hat seineMarke MyVale Fans rund um den Globusgefunden. Sogar Hollywood-Star RussellCrowe zählt zu denKunden.Das Gros der deutschen Handwerker

tut sichmit der Vermarktung eigener Pro-

dukte und Dienstleistungen im Netz un-gleich schwerer. Selbst bei zentralen The-men wie der Online- und Suchmaschi-nenoptimierung attestieren sich die Be-triebe laut ServiceBarometer-Studie nurschwache Fähigkeiten.Dabei „kann auf Dauer nicht überleben,

wer im Internet nicht sichtbar ist“, sagtMat-thias Schultze, Leiter des Betriebs MalerHeyse in Hannover. Er setzt alles dran, da-mit er bei der Google-Suche nach „MalerHannover“ auf einemder erstenPlätze auf-taucht. Drei bis vier Stunden amTag füttertder 41-Jährige dafür die Homepage, denBlog und soziale Medien von Facebooküber Twitter bis Pinterest mit kleinen Ge-schichten. Während Schultze tippt oderFotos hochlädt, rattern die Algorithmender Suchmaschinen, die neue Inhalte undrege Aktivität in sozialenMedien bewerten– die Basis für einen Spitzenplatz imGoog-le-Ranking.Mal verrät er Tricks fürs Treppenhaus-

streichen, mal können Follower über denFarbton für eine Fassade abstimmen. Kun-den bittet Schultze gezielt, den Betrieb aufdemPortal „KennstDuEinen“ zubewerten.Durch Storytelling auf vielen Kanälen

will der Malermeister wirklich jeden Inte-ressenten im Internet erwischen. Schonheute finden neun von zehn NeukundenihrenHandwerker über dasNetz.Schultze weiß, dass viele Kollegen das

Internet oder gar soziale Medien immernochals Spielerei abtun. EinFehler, sagt er:„Die heute 20-Jährigen sind die Entschei-der von morgen. Die schauen nicht in dieGelben Seiten, wenn sie einen Maler-meister brauchen. Die fragen ihrSmartphone.“ n

[email protected], sandra rauch

Global auf großem FußOrthopädie-Schuster Schott(links) und sein Team fertigenjährlich 7000 Sandalen

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Noch viel zu tunEinsatz digitaler Lösungen in Handwerks-betrieben (in Prozent)

Quelle: Studie Manufactum 2015 Business Excellenceim Handwerk, ServiceBarometer AG

Trifft voll zuTrifft eher nicht zu Trifft gar nicht zu

Trifft weitgehend zu

Wir stellen unser Leistungsangebot ausführlich im Internetvor.

Zur Veranschaulichung der Leistung gegenüber denKunden setzen wir spezielle Software ein (z.B. CAD-Visu-alisierungen, 3-D-Ansichten).

Wir verwalten unsere Kundendaten systematisch über einespezielle Software (CRM-System), die es uns ermöglicht,die Kunden gezielt anzusprechen.

Um unseren Kunden Arbeitsbeispiele zeigen zu können,setzen wir Tablet-PCs in der Beratung ein.

Wir setzen eine Planungssoftware zur Steuerung derHandwerksprozesse ein.

Wir entwickeln unser Leistungsangebot ständig weiter, umauf veränderte Nachfragen beim Kunden reagieren zukönnen.

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