Wald im Klimawandel – Risiken und...

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Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 42 Wald im Klimawandel – Risiken und Anpassungsstrategien Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg Henning-von Tesckow-Straße 2 – 8 14467 Potsdam Telefon: (03 31) 8 66-0 Fax: (03 31) 8 66-83 68 E-Mail: [email protected] Internet: www.mil.brandenburg.de Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) Alfred-Möller-Straße 1 16225 Eberswalde Telefon: (033 34) 65-205 Fax: (033 34) 65-206 E-Mail: [email protected] Internet: www.lfe.brandenburg.de Forst Wald im Klimawandel – Risiken und Anpassungsstrategien EFS – Band 42 55081 Risikomanagement US 30.11.2009 15:00 Uhr Seite 1

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Wald im Klimawandel – Risiken und AnpassungsstrategienEFS – Band 42

55081 Risikomanagement US 30.11.2009 15:00 Uhr Seite 1

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Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 42

Wald im Klimawandel – Risiken undAnpassungsstrategien

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Impressum

Herausgeber: Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) des Landes Brandenburg

Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE)

Redaktion: Prof. Dr. Peter Spathelf, FHEDr. habil. Ralf Kätzel, LFE

Herstellungsleitung: J. Engel, LFE

Gesamtherstellung: Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbHKarl-Liebknecht-Straße 24/2514476 Potsdam (OT Golm)

1. Auflage: 1.500 Exemplare

Fotos: Von den Autoren der Beiträge, wenn nicht anders vermerkt.

Eberswalde, im Dezember 2009

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft desLandes Brandenburg kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien nochvon Wahlwerbern während des Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt fürLandtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich sind insbesondere die Verteilung auf Wahlveran-staltungen, an Informationsständen von Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischerInformationen und Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung.Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist,darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme derLandesregierung Brandenburgs zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte.

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InhaltsverzeichnisSeite

00 VorwortHUBERTUS KRAUT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

01 Die Risiken des Klimawandels für die künftige Waldbewirtschaftung – eine EinführungPETER SPATHELF, RALF KÄTZEL, PIERRE L. IBISCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

02 Risikomanagement und KlimawandelMARC HANEWINKEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

03 Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-MischbeständePETRA LASCH, MARTIN GUTSCH, FELICITAS SUCKOW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

04 Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischen Risiken aus Sicht der ÖkophysiologieRALF KÄTZEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

05 Risiken durch Witterungsextreme für Kiefer und Eiche in Nordostdeutschland: Ansätze zur Schätzung des GefährdungspotenzialsJENS SCHRÖDER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

06 Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systematischen, nichtwissenbasierten NaturschutzesPIERRE L. IBISCH, BRITTA KUNZE UND STEFAN KREFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

07 Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs WäldernKATRIN MÖLLER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

08 Erfahrungen aus dem Sturm „Lothar“ – eine Inventurbasierte Analyse zur Abschätzung des Einzelbaum- und Bestandesrisikos durch StürmeMATTHIAS SCHMIDT, JÜRGEN BAYER, GERALD KÄNDLER, EDGAR KUBLIN, ULRICH KOHNLE . . . . . . . . . . . . . . 73

09 Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und ArealverschiebungenMARC HANEWINKEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

10 Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer OberbodeneigenschaftenWINFRIED RIEK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

11 Der klimaplastische Wald im Nordostdeuten Tiefland – forstliche Anapassungsstrategie an einen zu erwartenden KlimawandelMARTIN JENSSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

12 Integration natürlicher Störungen in den Waldbau – ein Schlüssel für die Schaffung resilienter Waldökosysteme?PETER SPATHELF, ANDREAS BOLTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

13 Risikomanagement in der Versicherungsbranche – Windwurfversicherungen in Schweden und Vorschläge für einen qualitativen RisikoindexLARS SCHMIDT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

14 Praktische Erfahrungen der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit mit Climate Proofing in der EntwicklungszusammenarbeitMICHAEL SCHOLZE, JAN PETER SCHEMMEL, ALEXANDER FRÖDE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

15 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

16 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

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Vorwort

Der Wald ist als größtes natürliches terrestrisches Ökosystem der nördlichen Hemisphäre zu-nehmend vom Klimawandel betroffen. Auf Grund der unmittelbaren Abhängigkeit der Wald-entwicklung von den Klimafaktoren und der langen Produktionszeiträume nimmt der Wald ei-ne Sonderstellung ein, die bisher in dem gesellschaftlichen Diskurs zu den Folgen des Klima-wandels nur eine untergeordnete Rolle spielt. Um so mehr ist die Forstwissenschaft aufgefor-dert, die für den Wald und seine Bewirtschaftung relevanten Risikofaktoren, ihre Wechselwir-kungen und Folgereaktionen zu identifizieren, Eintrittswahrscheinlichkeiten abzuschätzen undden potenziell zu erwartenden Schadensumfang zu prognostizieren. Darauf aufbauend müs-sen Grundlagen für ein wirksames Risikomanagement entwickelt werden, die auf die Risiko-prävention, die Risikobewältigung, die Begrenzung der Schadensauswirkungen sowie aufden Umgang mit Unsicherheiten ausgerichtet sind.

Die vorliegende Schrift reflektiert mit 14 Fachbeiträgen aus den unterschiedlichen Disziplinender Waldforschung den aktuellen Wissensstand zu waldbezogenen Risikofaktoren, den Ursa-che-Wirkungs-Beziehungen und ersten Ansätzen zum Risikomanagement. Die Beiträge sind– in den meisten Fällen – die schriftlichen Fassungen von Vorträgen eines gemeinsamen Kol-loquiums der Fachhochschule Eberswalde, des Johann Heinrich von Thünen-Instituts Ebers-walde und des Landeskompetenzzentrums Forst Eberswalde, welches im Wintersemester2008/09 an der Fachhochschule Eberswalde stattfand.

Um die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels zu beherrschen und langfristig desaströseSchäden in der Forst- und Holzwirtschaft zu vermeiden, ist eine umfassende Vorsorge unab-dingbar, die von Wissenschaftlern, forstlicher Praxis, Waldeigentümern, Politik und allen amWald interessierten Bürgern gemeinsam getragen werden muss. Möge die Schrift hierzu ei-nen Beitrag leisten.

Hubertus KrautLeiter des Landesbetriebes Forst Brandenburg

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Hoch mäßig Gering

• NO-deutsches Tiefland • W-deutsche Tieflandsbucht • NW-deutsches Tiefland

• SO-deutsches Becken- und Hügelland • Zentrale Mittelgebirge u. Harz

• Oberrheingraben • Erzgebirge, Thüringen u. Bayer. Wald

• Alpenvorland • Links- u. rechtsrheinische Mittelgebirge

• Alpen

• Alp u. N-bayerisches Hügelland

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2. In den zurück liegenden fast drei Jahrzehnten einer„schadstoffdominierten Waldschadensforschung“fanden die sich im Hintergrund bereits vollziehen-den Klimaänderungen kaum Beachtung.

3. Angesichts der globalen Raumdimension, der Lang-fristigkeit der Folgewirkungen und der Vielschichtig-keit der Wechselwirkungen sind die Risiken des Kli-mawandels nur begrenzt mit den Risiken der Luft-schadstoffe vergleichbar und beherrschbar.

Daher ist der Umgang mit den facettenreichen Risikendes Klimawandels zu einer existenziellen Frage derWaldbewirtschaftung geworden. Dies gilt insbesonde-re für jene Regionen, die nach den aktuellen Klima-prognosen am stärksten von den Auswirkungen desKlimawandels betroffen sein werden. Hierzu gehörtnach den Ableitungen von regionalisierten Klimamo-dellen das Nordostdeutsche Tiefland. Anhand der Dif-ferenz zum gegenwärtigen Klima leiten ZEBISCH et al.(2005) Risikogebiete in drei Risikostufen für Deutsch-land ab, die die Grundlage für diese Einschätzung bil-den (Tab. 1).

Selbst Szenarien, die von einer vergleichsweise gerin-gen Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in derAtmosphäre ausgehen (z. B. B1), lassen – regional dif-ferenziert – eine beschleunigte Veränderung von öko-logisch relevanten Klimafaktoren sowie die Zunahmevon extremwetterbedingten Stresswirkungen plausibelerscheinen (UBA 2008).

Dabei werden die Auswirkungen des Klimawandelsdas gesamte Spektrum der Waldfunktionen (Wirkun-gen des Waldes und Leistungen der Forstwirtschaftauf die Gesellschaft) betreffen. Diese Risiken für dieWälder sind vielfältig und reichen vom Vitalitätsverlustüber verringertes Baumwachstum, höhere Anfälligkeitgegenüber biotischen Schaderregern, Auftreten neuerSchaderreger, zunehmende Holzschäden, mangelnde

Die Risiken des Klimawandels für die künftige Waldbewirtschaftung –eine EinführungPETER SPATHELF, RALF KÄTZEL UND PIERRE L. IBISCH

„Rettet den Wald“ – unter diesem Titel brachte derPublizist Horst Stern gemeinsam mit Forstwissen-schaftlern im Jahre 1979 ein vielbeachtetes und fürdie Folgejahre programmatisches Buch heraus. DieAutoren widmeten sich vor nunmehr 30 Jahren denvon Menschenhand verursachten Risiken für denWald. In den darauf folgenden 1980er Jahren setzteein regional differenziertes, aber in seinen Ausmaßenbisher nicht beobachtetes, großflächiges Waldster-ben ein. Da sich die Schadsymptome von den bisherbekannten Baum- und Waldschäden unterschiedenund die Ursachen dieser „Komplexkrankheit“ zu-nächst nicht bekannt waren, bezeichnete man sie als„Neuartige Waldschäden“. Begleitet von weit übereinhundert Thesen zu den Ursache-Wirkung-Bezie-hungen begann eine bisher beispiellose interdiszipli-näre Waldforschung, in deren Ergebnis Luftschad-stoffe (SO2, NOx, NH3, O3) als die wesentlichen Ver-ursacher der Absterbeerscheinungen identifiziert wur-den. Auf dieser Grundlage wurden auf umwelt- undwirtschaftspolitischer Ebene Entscheidungsprozesse,wie Bundesimmissionschutzverordnung, abgasarmeTreibstoffe und Technologien, Rauchgasentschwefe-lung, Novellierung von Waldgesetzen u. a. initiiert, dieinsgesamt zu einer deutlichen Minderung der Schä-den führten. Heute sind z. B. in weiten Teilen Europasdie Konzentrationen des besonders schädlichenSchwefeldioxids um über 90 % abgesenkt worden.Ein Erbe aus dieser Zeit ist ein sehr gutes Umweltmo-nitoring, das in jährlichen Waldschadensberichten do-kumentiert wird.

Diese kurze Rückschau fordert zu mehreren Schluss-folgerungen heraus:

1. Wenn die Risiken von Umweltproblemen wissen-schaftlich erkannt und von der Gesellschaft akzep-tiert werden, kann ein erfolgreiches Risikomanage-ment gelingen.

Tab. 1: Einstufung von Klima-Risikogebieten (ZEBISCH et al. 2005)

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Holzqualität bis zum Arten- und Waldverlust (BOLTE

und IBISCH 2007).

Risiken können definiert werden als nicht direkt kon-trollierbare Ereignisse, welche das Management einesSystems auf mehr oder weniger vorhersagbare Weisebeeinflussen (SCHIERENBECK und LISTER 2002). Zu un-terscheiden sind u. a. externe Risiken, welche außer-halb des betrachteten bzw. gesteuerten Systems ge-neriert werden, und Systemrisiken, welche sich unge-wollt als emergente Eigenschaft im Rahmen des Funk-tionierens eines Systems einstellen (u. a. WILLKE 2002).Risiken können im Sinne eines zielorientierten System-managements positiv oder negativ wirken (Chancenund Gefahren1), wobei die entsprechende Wertungselbstverständlich subjektiv aus einer bestimmtenPerspektive erfolgt. So kann etwa ein für ein Unter-nehmen existierendes negatives Risiko bzgl. einer In-dustrieansiedlung (z. B. in Folge einer Finanzkrise)vom Naturschützer als Chance gesehen werden. Imallgemeinen Sprachgebrauch hat der Risikobegriffallerdings grundsätzlich eine negative Assoziation.Auch im Risikomanagement erfolgt gewöhnlich eineFokussierung auf negative, also potenziell schädigen-de Risiken (siehe unten).

Mathematisch kann Risiko als Funktion der Eintritts-wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes eines Ereignis-ses ermittelt werden. Je größer das Wirkungsausmaßund je höher die Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto be-deutsamer ist das resultierende Risiko (siehe Abb. 1).

Um die vielfältigen Funktionen des Waldes dauerhaftzu sichern, sind gemeinsame Anstrengungen von Wald-eigentümern, Staat, Politik und Gesellschaft zur Risi-kobewältigung und zur Begrenzung der Auswirkungendes Klimawandels notwendig (SPATHELF et al. 2008).Ein effizientes Klimawandel-Risikomanagement erfor-dert, die Anfälligkeit (Vulnerabilität) von Waldökosyste-men gegenüber Klimastressfaktoren zu bewerten, diesich aus der Stärke der Einwirkung, der Sensitivität/Stabilität/Elastizität des Systems (der Objekte/Bäume/Baumarten) und dessen Anpassungsfähigkeit ergibt.Da es sich zwingend um eine Systembewertung han-deln muss, wird deutlich, dass die alleinige (monokau-sale) Bewertung der Anfälligkeit der einzelnen Baum-arten gegenüber z. B. Temperaturextremen, Trocken-stress, Sturmgefährdung noch kein reales Abbild derGefährdung liefern kann. Weitere Faktoren wie z. B.die Baumartenzusammensetzung, Konkurrenz, Stand-ortgerechtigkeit, Massenvermehrungen pflanzenfres-sender Insekten sowie Wilddruck bestimmen die Rahmenbedingungen und damit die Resilienz desSystems.

Die Risiken des Klimawandels für die künftige Waldbewirtschaftung – eine Einführung8

Abb. 1: Einfache Risikomatrix, wobei die Höhe des Risikos aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Ausmaß einesEreignisses ermittelt wird (nach GASSMANN et al. 2001, verändert)

1 Vgl. opportunities/threats im Sinne der SWOT-Analyse.

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Risikomanagement im Bereich des Klimawandels be-fasst sich mit der Wahrscheinlichkeit und den Konse-quenzen von Klimavariabilität und Extremwetterereig-nissen und versucht die daraus gewonnenen Erkennt-nisse in den Planungs- und Entscheidungsprozesseinzubinden. Es soll zur nachhaltigen Entwicklung (ei-ner Region, eines Sektors, eines Projekts oder einerOrganisation) beitragen, indem die erarbeiteten Hand-lungsoptionen

• die mit Klimarisiken verbundene Vulnerabilität mi-nimieren,

• die Anpassungskapazität betroffener Systeme undAkteure stärken und

• die Minderungspotenziale (in Bezug auf die Freiset-zung von Treibhausgasemissionen) von laufendenund geplanten Aktivitäten bedenken und maximieren

(BURTON und VAN AALST 2004; IRI 2007).

Risikomanagement bedarf zunächst der Mehrung vonWissen um Risikofaktoren und -wirkungen – dennochist Risikobeschreibung nicht Risikomanagement(HUMMEL et al. 2009). Risikomanagement bietet eben-so keine Garantie dafür, dass Risiken nicht eintretenbzw. folgenlos bleiben. Die aktive und produktive Ein-beziehung von Nichtwissen ist in den existierendenRisiko-managementkonzepten noch nicht ausreichendgelöst. Vor allem muss der Existenz unbekannter Sys-temrisiken eine noch größere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Dies wird nicht durch immer detailliertere Ein-zelteilforschung bzw. -modellierung gelingen.

Die vorliegende Schrift widmet sich mit 14 Fachbeiträ-gen dem Themenkomplex der waldrelevanten Risiko-faktoren, der Risikowirkungen und dem Risikomanage-ment an Einzelbeispielen. Dabei galt es sowohl aktuelleAspekte des Klimawandel-Risikomanagements zu er-örtern als auch konkreten Handlungsbedarf und Wis-senslücken zum Thema aufzuzeigen.

Die Beiträge in der vorliegenden Schrift werden einge-leitet durch eine konzeptionelle und terminologischeEinführung in das Thema „Wald und Klimawandel“durch MARC HANEWINKEL von der Forstlichen Ver-suchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg(Freiburg). HANEWINKEL geht insbesondere auf dieKomponenten des Risikomanagement-Prozesses wieRisikoanalyse, Risikohandhabung und Kontrolle ein.

In ihrem Beitrag zu „Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände“ berichtetPETRA LASCH vom Potsdam-Institut für Klimafolgen-forschung von konkreten Simulationsergebnissen zumWachstum von Kiefern-Buchen-Mischbeständen inBrandenburg mit Hilfe des prozessorientierten Simula-tors FORSEE (4C). Im Mittelpunkt der Untersuchun-gen steht die Frage nach möglichen Veränderungenvon Produktivität, Kohlenstoffspeicherung und Wasser-haushalt bei verschiedenen Klima- und Behandlungs-szenarien.

Im darauf folgenden Beitrag erläutert RALF KÄTZEL (Lei-ter des Fachbereiches Waldentwicklung/Monitoring am

Die Risiken des Klimawandels für die künftige Waldbewirtschaftung – eine Einführung 9

Landeskompetenzzentrum Forst des LandesbetriebesForst Brandenburg in Eberswalde) die physiologisch-genetischen Potenziale und Grenzen der Angepasst-heit und Anpassungsfähigkeit von Bäumen und Baum-populationen unter der Wirkung von Klimaextremen.

Daran anknüpfend zeigt JENS SCHRÖDER (ebenfalls LFE)anhand dendroökologischer Untersuchungen, wie sichder Klimawandel bereits jetzt in Kiefern und Eichendokumentiert. Er stützt sich dabei auf Daten, die imRahmen des BMBF-geförderten Verbundprojekts „Oak-Chain“ erhoben wurden. Für die künftige Baumarten-wahl wurde der Frage nachgegangen, ob und inwie-weit die Baumarten Eiche und Kiefer „sensitiver“ aufveränderte Klimaparameter reagieren.

Die Autoren PIERRE L. IBISCH, STEFAN KREFT sowieBRITTA KUNZE von der Fachhochschule Eberswalde(FHE) beschreiben ein innovatives Konzept des prä-ventiven (Klimawandel-) Risikomanagements im Na-turschutz. Es wird insbesondere darauf eingegangen,wie Nichtwissen und unbekannte Systemrisiken in dieexistierenden Risikomanagement-Konzepte einbezo-gen werden können.

KATRIN MÖLLER, Leiterin der Hauptstelle für Waldschutzdes LFE, widmet sich den Waldschutzaspekten desKlimawandels in Brandenburg. Dabei behandelt sie u. a. die durch den Klimawandel zu befürchtende Zu-nahme von Schäden durch Wärme liebende Schador-ganismen sowie den künftigen Anforderungen an dieÜberwachung und Bekämpfung in einem modernenpest management.

In einem zweiten Beitrag erläutert MARC HANEWINKEL

die Modellierung von Sturmschadensereignissen so-wie klimabedingten Arealverschiebungen der Baumar-ten. Es wird jeweils zunächst auf die Vor- und Nachtei-le bisheriger Modellansätze eingegangen. Im An-schluss daran erläutert der Autor ein statistisches Mo-dell, das die Wahrscheinlichkeit von Einzelbäumen,durch einen starken Wintersturm geschädigt zu wer-den, abschätzt sowie ein Modell, welches die zukünfti-ge Verteilung der Fichte für zwei Klimaszenarien (B1und A2) modelliert und anschließend ökonomisch be-wertet.

MATTHIAS SCHMIDT von der Nordwestdeutschen Forst-lichen Versuchsanstalt in Göttingen stellt auf Grundla-ge der durch den Wintersturm „Lothar“ verursachtenSturmschäden ein statistisches Modell zur Prognosedes Sturmschadensrisikos auf Einzelbaumebene vor.Geprüft werden zum einen die baumartenspezifischeSturmgefährdung sowie Einflüsse wie h/d-Wert oderGeländeexponiertheit. Darüber hinaus stellt die vorge-legte Untersuchung einen wichtigen Beitrag zur Er-stellung von Risikopotenzialkarten und anderer Ent-scheidungshilfen zur Abschätzung der Sturmschadens-gefahr in der forstlichen Praxis dar.

Da der Klimawandel auch weiterhin von Stoffeinträgenbegleitet wird, behandelt WINFRIED RIEK (FachgebietBodenkunde, Waldernährung und Standortslehre, FHE

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sowie Fachteam Bodenkunde des LFE) die Belastungder Böden Brandenburgs durch erhöhte Nitratverlage-rung bzw. Stickstoffsättigung auf Grundlage des Da-tenmaterials der aktuellen Bodenzustandserhebung(BZE-2).

MARTIN JENSSEN vom Waldkunde-Institut in Eberswal-de beschreibt das Leitbild des klimaplastischen Wal-des der Zukunft in Nordostdeutschland. Dieses wirdmaßgeblich durch die Vielfalt der Baumarten, ihrer in-terspezifischen Konkurrenz und Strukturvielfalt inner-halb der natürlichen Waldentwicklungsphasen be-stimmt. Auf dieser Grundlage werden mögliche Wald-entwicklungsszenarien bis 2100 vorgestellt.

In einem waldbaulichen Beitrag gehen PETER SPATHELF

(FHE) und ANDREAS BOLTE (Johann Heinrich von Thü-nen-Institut, Institut für Waldökologie und Waldinventu-ren in Eberswalde) auf die Integration von natürlichenStörungsereignissen in den Waldbau ein. Es wird derFrage nachgegangen, ob so stabile und klimaplasti-sche Wälder für die Zukunft aufgebaut werden können.

LARS SCHMIDT vom Deutschen Institut für Entwicklungs-politik (Bonn) analysiert in seinem Beitrag das Risiko-management schwedischer Waldversicherer und erar-beitet einen qualitativen Risikoindex für Windwurf inSchweden.

Abschließend referieren MICHAEL SCHOLZE, JAN PETER

SCHEMMEL und ALEXANDER FRÖDE von der DeutschenGesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)über praktische Erfahrungen der GTZ mit Climate Proo-fing in der Entwicklungszusammenarbeit. Hierzu erör-tern sie die Frage, inwieweit Entwicklungsprojekteauch in Zeiten des Klimawandels zweckmäßig durch-geführt werden. Beispielhaft wird der gemeinsam mitdem PIK entwickelte „Climate Check“ vorgestellt.

Ein Glossar erläutert am Ende der Schrift eine Viel-zahl von Begriffen, die in der KlimawirkungsforschungEinzug gehalten haben.

Alle Beiträge zeigen, dass die Forschung im Bereichdes Klimawandel-Risikomanagements für die Waldbe-wirtschaftung noch weitgehend am Beginn steht. DieAutoren sind sich daher bewusst, dass das Risikoma-nagement und die Anpassung der Wälder an den Um-weltwandel mit Unsicherheiten verbunden sind. Ent-scheidungen müssen auch dann getroffen werden,wenn ihre Folgen nicht gänzlich absehbar sind. Letzt-lich sind alle Maßnahmen in Forschung, Monitoringund forstlicher Praxis darauf auszurichten, mit den un-vermeidbaren Folgen des Klimawandels zurechtzu-kommen und vor allem desaströse Schäden in derForst- und Holzwirtschaft zu vermeiden.

Die Risiken des Klimawandels für die künftige Waldbewirtschaftung – eine Einführung10

Literatur

BOLTE, A.; IBISCH, P. L. (2007): Neun Thesen zu Klima-wandel, Waldbau und Waldnaturschutz. AFZ-Der-Wald, 62: 572-576.

BURTON, I.; VAN AALST, M. (2004): Look before You Leap.A risk management approach for incorporating cli-mate change adaptation into World Bank opera-tions. International Bank for Reconstruction andDevelopment/ The Worldbank Group. Washington,DC.

GASSMANN, O.; KOBE, C.; VOIT, E. (2001): High-Risk-Projekte. Quantensprünge in der Entwicklung er-folgreich managen. Springer, Berlin Hedelberg.

HUMMEL, S.; DONOVAN, G. H.; SPIES, T. A.; HEMSTROM,M. A. (2009): Conserving biodiversity using riskmanagement: hoax or hope? Front. Ecol. Environ.,7: 103-109.

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Einleitung

Der zu erwartende Klimawandel zeigt bereits jetztAuswirkungen auf die Wälder in Deutschland, die einevöllige Neubewertung des Risikos, dem die Forstwirt-schaft ausgesetzt sein wird, nahe legen. Eine Bund-Länder-Expertenrunde der forstlichen Forschungsein-richtungen hat im Auftrag der Bund-Länder-Arbeitsge-meinschaft Forst zu gemeinsamen und abweichendenEinschätzungen der Bundesländer zur Anpassung derWälder an den Klimawandel auf der Basis eines abge-stimmten Fragebogens bei den Versuchsanstalten be-richtet (BOLTE et al. 2009). Die Ergebnisse dieser Um-frage zeigen, dass dem Klimawandel und der Anpas-sung der Wälder von der weit überwiegenden Mehr-heit der Befragten eine hohe bis sehr hohe Priorität ein-geräumt wird. Die Klimafolgen werden einheitlich all-gemein vorwiegend als negativ angesehen. Trocken-heit/Hitze und Sturm werden als die hauptsächlichenabiotischen Gefahren genannt. Sturmereignissen wirdeine höhere Priorität in den südlichen Gebirgsländerneingeräumt, während viele norddeutsche und ostdeut-sche Länder besonders Trockenheit und Hitzewellenfürchten. Zusätzlich erwartet man gefährliche Wirkun-gen u. a. der Faktorenkombinationen: Sturm – Trocken-heit sowie Winterfeuchte – Sturm. Nach den Ergebnis-sen der Befragung wird durch den Klimawandel über-wiegend eine Abnahme des Verjüngungserfolgs undder Produktivität von Wäldern erwartet, während sichAbsterberaten und die Fruktifikationsintensität erhöhensollen.

Hinsichtlich der Anfälligkeit von einzelnen Baumartenwird die Fichte als eine der klaren potenziellen „Verlie-rer“ des Klimawandels unter den Nadelbaumarten an-gesehen (KÖLLING 2007). Die Fichte hat sich an ihrerWärme- und Trockenheitsgrenze regional als äußerstrisikoreiche Wirtschaftsbaumart erwiesen und das An-baurisiko und damit der Anteil gefährdeter Anbaure-gionen wird nach Einschätzung der Fachleute in deneinzelnen Bundesländern für die Fichte selbst bei mo-deratem (< 2 °C) Temperaturanstieg deutlich zuneh-men. Davon werden zukünftig auch bislang ertragrei-che Anbaugebiete betroffen sein (Anhang 2 in BOLTE

et al. 2009).

Bei den Laubbaumarten werden Buche und Stieleicheals indifferent eingeschätzt, während andere Laub-baumarten wie Roteiche, Traubeneiche und Birke we-niger anfällig sein sollen.

Risikomanagement und Klimawandel 11

Diese Entwicklung zeigt, dass es notwendig ist, einensystematischen, auf den Klimawandel abgestimmtenRisikomanagementprozess in der Forstwirtschaft inDeutschland in Gang zu setzen, um die zu erwarten-den negativen Auswirkungen des sich veränderndenKlimas zumindest abzumildern.

Der Risikomanagementprozess

Der Risikomanagementprozess gliedert sich in dieSchritte Risikoanalyse (bestehend aus Risikoidentifi-zierung und Risikobewertung), Risikohandhabung undKontrolle des Risikomanagements (HOLTHAUSEN et al.2004). Diese Einteilung ist in der Betriebswirtschafts-und Versicherungslehre recht verbreitet, teilweise mitabweichenden Begriffen.

Risikoanalyse

Bei der Risikoidentifizierung geht es in erster Linie umeine vollständige Erfassung aller Risiken der betrach-teten Wirtschaftseinheit, soweit sie über einer zu defi-nierenden Fühlbarkeitsschwelle liegen. Weiter geht esfür die einzelnen Risiken darum, herauszufinden, wel-che Risikofaktoren das Risiko hervorrufen, aber auchvon welchen Einflussfaktoren diese abhängen und wiesich verschiedene Einflussfaktoren und Risikofaktorengegenseitig beeinflussen. Es sind sowohl die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu betrachten als auch die In-terdependenzen zwischen einzelnen Einflussfaktoren.

Ziel der Risikobewertung ist es, Größe und Bedeutungder einzelnen Risiken für den Betrieb zu bestimmen.Dazu ist es vor allem notwendig, die Risikofaktoren(besonders Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziel-les Schadensausmaß), deren Einflussfaktoren und dieInterdependenzen zu quantifizieren. So wird nicht nurdie aktuelle Situation berücksichtigt, sondern es wer-den auch mögliche zukünftige Entwicklungen erkannt.

Risikohandhabung

Maßnahmen der Risikohandhabung lassen sich in ur-sachen- und wirkungsbezogene Maßnahmen untertei-len. Bei den ursachenbezogenen Maßnahmen geht esdarum, das Auftreten eines Schadens vollständig zuverhindern, indem auf risikobehaftete Handlungen ver-

Risikomanagement und KlimawandelMARC HANEWINKEL

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zichtet wird (Risikomeidung) oder über präventive Maß-nahmen die Höhe des Risikos vor allem über eine Ver-minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit herabzuset-zen (Risikoprävention). Risikomeidung könnte in Be-zug auf Waldeigentum die Einstellung der wirtschaft-lichen Nutzung des Waldes bedeuten. Ein Beispiel fürRisikoprävention ist die Erhöhung der Stabilität desWaldes über die Baumartenwahl oder entsprechendewaldbauliche Maßnahmen. Die wirkungsbezogenenMaßnahmen zielen vor allem auf die Schadenshöheab. Es geht darum, die negativen betrieblichen Folgenderjenigen Auswirkungen eines Risikoereignisses zuverringern, die nicht vollständig verhindert werden kön-nen. Dies ist möglich über eine Risikoübertragung anDritte, wie z. B. über eine Versicherung. Bei großenNaturereignissen greift häufig der Staat ein und ge-währt den Geschädigten Unterstützung. Dies ist zurRisikoübertragung zu rechnen, auch wenn es eher ei-ne Risikoübernahme seitens des Staates ist als eineaktive Risikoübertragung. Weiter ist eine Risikoselb-stübernahme möglich, indem über die Bildung von be-triebsinternen Rücklagen ein potenzieller Schaden ab-gesichert wird.

Bei der Risikominderung geht es darum, die potenziel-le Schadenshöhe eines Risikoereignisses für den Be-trieb zu verringern (während die Eintrittswahrschein-lichkeit gleich bleibt). Dies ist beispielsweise der Fall,wenn ein Betrieb sein Produktsortiment diversifiziertund damit die Risiken der Produktion eines einzelnenGutes für den Gesamtbetrieb von geringerer Bedeu-tung sind. Zur Risikominderung kann auch die Bereit-schaft gezählt werden, Bewältigungskosten nach ei-nem Schadereignis soweit wie möglich zu senken,wenn die zukünftige Entwicklung dieser Investitionengroßen Unsicherheiten unterworfen ist. Dazu würde inder Forstwirtschaft auch die Bereitschaft gehören, ggf.das Sturmholz, das nicht kostendeckend geräumtwerden kann, liegen zu lassen und die Wiederbewal-dung der Natur zu überlassen. Schließlich ist die Ge-staltung der betrieblichen Flexibilität zu nennen. Ziel istes dabei, Schäden für den Betrieb dadurch abzuwen-den, dass Flexibilitätspotenziale erhalten bzw. erhöhtwerden, um nach Schadenseintritt flexibel auf dieneue Situation reagieren zu können. Dies bedeutet ei-ne Anpassung der riskanten Aktivität selbst oder eineentsprechende Gestaltung betrieblicher Einflussgrößen.So lassen sich vor allem indirekte Schäden verhindernoder zumindest mindern. Bei der Entscheidung überMaßnahmen zur Risikohandhabung sind zwei Pro-blemfelder zu berücksichtigen:

Mit der Risikohandhabung sind oft Maßnahmen ver-bunden, die auch die Chancen einer Aktivität verrin-gern. Wird z. B. aus Stabilitätsgründen auf die Be-gründung von Fichten-Reinbeständen zugunsten ko-stenintensiverer Mischbestände verzichtet, so fallendamit häufig auch die ohne Schadereignis zu erzielen-den maximalen Gewinne aus dem Wald geringer aus.Dies kann ein Grund dafür sein, bestimmte Maßnah-men nicht zu ergreifen. Einzelne Maßnahmen könnenanderen Maßnahmen gegenüber neutral, komplemen-tär, konkurrenzierend oder sogar antinomisch gegen-

überstehen. Wurde z. B. die Erfahrung gemacht, dassder Bund oder die Länder finanzielle Unterstützung beider Bewältigung eines Schadereignisses gewähren,mindert dies das Interesse der Waldeigentümer an ei-gener Vorsorge (konkurrenzierende Maßnahmen). DieEntscheidung, welche Maßnahmen bei begrenztenMitteln zu ergreifen sind, entweder Stabilität erhöhen-der Waldbau oder – wie im Falle von zu erwartendenFeuer- oder Sturmschäden – eine Versicherung,hängt von drei Aspekten ab, die je nach Entscheiderund Maßnahmen variieren: a) von der Art des Nutzens,der vom Wald erlangt werden soll, b) vom Verhältnisder eingesetzten Mittel zur absoluten Reduktion desRisikos und c) vom maximalen Nutzenverlust, den derEntscheider gerade noch akzeptiert.

Kontrolle

Den letzten Schritt stellt die Kontrolle dar. Zielabwei-chungen müssen möglichst früh identifiziert und analy-siert werden, um die Risikohandhabung entsprechendanzupassen. Besonders bedeutend ist dieser Schrittfür Risiken, die einer möglichen Änderung unterworfensind, z. B. solche, die mit der anthropogen bedingtenKlimaänderung zusammenhängen (DALE et al. 2001).

Risikomanagement und Klimawandel

Vor dem Hintergrund sich ändernder Umweltbedingun-gen zeigt sich die Begrenztheit klassischer Ansätzedes Risikomanagements: das forstliche Erfahrungs-wissen, das über Jahrhunderte die Basis der Risiko-handhabung war und in Expertensystemen (ROTTMANN

1985, 1986) zusammengefasst wurde, versagt ange-sichts von Entwicklungen, die in der jüngeren Vergan-genheit keine Entsprechungen finden. Vorhandenestatistische Modelle, die Prognosen für verschiedeneSchadfaktoren ermöglichen sollen, geben lediglich dieVerhältnisse in der Vergangenheit wieder, in denen diezugrunde liegenden Daten erhoben wurden und sindinsbesondere dann, wenn sie keine Extremereignisseabbilden und nur regional begrenzt erstellt wurden, un-ter den zu erwartenden Bedingungen kaum einsetzbar.Die derzeit eingesetzten mechanistischen Modelle (z. B. ForestGales (GARDINER et al. 2000) für Sturmschä-den) bedürfen neuer, aufwändiger Parametrisierungen.

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Risikomanagement und Klimawandel12

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Risikomanagement und Klimawandel 13

Page 15: Wald im Klimawandel – Risiken und Anpassungsstrategienwebdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/yo/EfS/42.pdfEberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 42 Wald im Klimawandel – Risiken und

Einleitung

Die Wälder Brandenburgs sind gegenwärtig noch vonKiefernreinbeständen dominiert. Sie erleben seit Jahr-zehnten den weltweit beobachteten Klimawandel undwerden diesem auch weiterhin ausgesetzt sein. Diedamit verbundenen Folgen und Risiken beeinflussenden Erfolg des angestrebten ökologischen Waldumbausund stehen im Fokus wissenschaftlicher und forst-praktischer Untersuchungen. Dabei gilt es insbesonde-re die Frage zu beantworten, wie die Wälder an zu er-wartende klimatische Entwicklungen mit vorhersehba-ren und nichtvorhersehbaren Risiken anzupassen sind(JENSSEN et al. 2007, WAGNER 2008). Im Folgendengreifen wir daher einen Aspekt dieser Frage auf unduntersuchen, welche Risiken für Mischbestände vonKiefern (Pinus sylvestris L.) und Traubeneichen (Quer-cus petraea [Matt.] Liebl.) unter projiziertem Klima-wandel in Brandenburg auftreten können. Zu diesemZweck haben wir drei Eichen-Kiefern-Mischbeständeausgewählt, die im Rahmen des BMBF-Projekts Oak-Chain intensiv untersucht wurden. Sie unterscheidensich in den vorherrschenden klimatischen Bedingungenund liegen in bzw. nahe Brandenburg (ELMER et al.2009). Mit Hilfe des Waldwachstumsmodells 4C solluntersucht werden, wie sich die Produktivität und derStoffhaushalt dieser Bestände unter sich änderndenKlimabedingungen entwickeln können.

Rezenter Klimawandel

Wie in den meisten Regionen der Erde, hat sich inDeutschland in den letzten Jahrzehnten die Durch-schnittstemperatur deutlich erhöht: seit 1901 um 0.9 K(DWD 2007). Diese Änderung ist stärker als der welt-weite Trend, der bei einem Anstieg von 0.7 K seit 1850liegt (IPCC 2007). Die Niederschlagsentwicklung istim Zeitraum 1951 – 2003 räumlich hingegen wesent-lich differenzierter, der Osten Deutschlands ist eherdurch einen leichten Niederschlagsrückgang gekenn-zeichnet, im Westen und Süden jedoch hat der Nieder-schlag deutlich zugenommen (GERSTENGARBE 2009).

Klimatische Einordnung Brandenburgs

Das Klima in Brandenburg ist im Vergleich zu den an-deren Bundesländern recht trocken sowie im Nord-westen ozeanisch und im Südosten kontinental ge-

prägt mit relativ großen Temperaturschwankungen zwi-schen den Jahreszeiten. Diese betragen im Südostenim langjährigen Mittel zwischen wärmstem und kältes-tem Monat bis zu 19.3 K (RIEK und STÄHR 2004). DieJahresdurchschnittstemperatur beträgt 8.7 °C mit ei-ner durchschnittlichen jährlichen Niederschlagssummevon 557 mm (DWD 2007). Den Niederschlägen ste-hen potenzielle Verdunstungsraten von durchschnittlich600 mm pro Jahr gegenüber (WATTENBACH et al. 2005).Subtrahiert man diese vom Niederschlag, erhält mandie klimatische Wasserbilanz (KWB). In den trockene-ren Gebieten im Zentrum und im Osten Brandenburgsist die klimatische Wasserbilanz negativ und kleinerals -60 mm, im feuchteren Norden und Süden positivund größer als 10 mm (RIEK und STÄHR 2004).

Beobachtete Trends für Temperatur undNiederschlag

In einer Studie zur klimatischen Entwicklung in Bran-denburg (GERSTENGARBE et al. 2003) wurde für denZeitraum 1951 – 2000 festgestellt, dass je nach Re-gion die Jahresmittel der Lufttemperatur zwischen 7.8und 9.5 °C schwanken. Das Jahresmittel der Lufttem-peratur hat in diesem Zeitraum zwischen 0.7 und 1.5 Kzugenommen, die größte Erwärmung trat im nördli-chen Brandenburg auf (WECHSUNG et al. 2009). DerJahresniederschlag variiert räumlich wenig und liegt infast ganz Brandenburg zwischen 500 und 600 mm. Esgibt Regionen in Brandenburg mit leichtem Rückgangund leichter Zunahme des Jahresniederschlags, dieseTrends sind aber nicht statistisch zu sichern. Betrach-tet man dagegen die Jahreszeiten, so ist festzustellen,dass im Sommer ein Rückgang des Niederschlags zuverzeichnen ist, im Winter dagegen eine Zunahme(WECHSUNG et al. 2009).

Zukünftiger Klimawandel in Brandenburg

Globale Einordnung

Aussagen über zukünftige Klimaänderungen werdenmit Hilfe von CO2-Emissionsszenarien (SRES-Sze-narien) und globalen Zirkulationsmodellen (GCM)abgeleitet und in den regelmäßigen Berichten desIPCC (Intergovernmental Panel for Climate Change)global dargestellt (IPCC 2007). Demnach ist weltweitje nach Annahme für die CO2-Emissionen mit einem

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände14

Klimawandel in Brandenburg – Risikenfür Eichen-Kiefern-MischbeständePETRA LASCH, MARTIN GUTSCH, FELICITAS SUCKOW

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Tw [°C] Ts [°C] T[°C] Nw [mm] Ns [mm] N [mm]

K1 B 0.8 17.1 8.8 122.4 170 535.7

SI 2.3 18.2 10.3 132.5 148.8 518.2

SII 2.8 18.2 10.3 128.8 149.6 538.5

SIII 2.7 18.2 10.3 131.5 154.3 554.9

K2 B 0.2 17.2 8.6 129.7 195 590.7

SI 1.9 18.4 10.3 122.6 150.7 509.9

SII 2.7 18.2 10.3 131.5 154.3 560.6

SIII 2.4 18.5 10.3 144.1 181 611.8

K3 B 0.5 18 9.3 112.9 170.7 523.1

SI 2.1 19.3 10.8 112.6 131.6 465.4

SII 2.5 19.3 10.8 129.6 144.3 511.1

SIII 2.5 19.3 10.8 122.7 143.4 507.8

Tw – Mittelwert für Dezember, Januar, FebruarTs – Mittelwert für Juni, Juli, AugustNw – Niederschlagssumme für Dezember, Januar, FebruarNs – Niederschlagssumme für Juni, Juli, August

Anstieg der globalen Oberflächentemperatur im Be-reich von 1.1-6.4 K für 2090-2099 im Vergleich zu1980 – 1999 zu rechnen (PACHAURI und REISINGER

2008).

Regionale Klimamodelle und Szenarien

Die auf globaler Ebene simulierten Ergebnisse derGCM können nicht für regionale Studien verwendetwerden, da sie nur Aussagen für größere Regionen (z. B. ganz Deutschland oder größere Teilregionen)zulassen. Es gibt eine Reihe dynamischer und statisti-scher Verfahren, um regionale Klimaszenarien zu ent-wickeln. Diese Klimaszenarien, auch Klimaprojektio-nen genannt, beschreiben mögliche Klimaänderungenrelativ kleinräumig in der Zukunft, sind jedoch keineVorhersagen. Im Folgenden wurde auf Klimaszena-rien des statistischen Modells STAR 2.0 (ORLOWSKY

et al. 2008) zurückgegriffen.

Klimaprojektionen für Brandenburg

In den oben erwähnten Studien zu Brandenburg undOstdeutschland wurden Klimaszenarien mittels STARerstellt und analysiert. Ausgangspunkt dafür waren Simulationen mit dem GCM ECHAM5/OM für dasSRES-Szenario A1B, wonach die CO2-Konzentrationder Atmosphäre bis 2055 auf ca. 542 ppm steigt. Dadie Temperaturänderung mit einer unsicheren Nieder-schlagsänderung verbunden ist, wurden je Fläche drei Realisierungen eines STAR-Szenarios ausgewählt.Diese entsprechen dem Temperaturtrend des GCM,unterscheiden sich aber in der Niederschlagsentwick-lung. Danach können die Jahresmitteltemperaturen in Brandenburg gegen Ende des Szenarienzeitraumsbis zu 2.4 K höher liegen als im Zeitraum 1951 – 2006.Die Niederschläge können gegen Ende des Szena-rienzeitraums leicht abnehmen, die Verschiebung derNiederschlagsmuster (Abnahme der Sommernieder-schläge und Zunahme der Winterniederschläge) wirdsich weiter fortsetzen (WECHSUNG et al. 2009). Die für

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände 15

unsere Untersuchungsflächen K1-K3 analysierten kli-matischen Daten für 1957 – 2006 und 2007 – 2056(Tab. 1) zeigen diese beschriebenen Trends. Der östlichste Standort K3 ist der wärmste und trockens-te unter heutigem Klima und auch die Realisierun-gen des Klimaszenarios zeigen diese Eigenschaft. K2 ist der Standort mit den höchsten Niederschlägenfür die Vergangenheit, und diese Eigenschaft bleibtunter den Klimaszenarien erhalten.

Risiken/ Wirkungen des Klimawandels in Branden-burg für Eichen-Kiefern-Mischbestände

Das Waldwachstumsmodell 4C

Zur Untersuchung der zu Beginn aufgeworfenen Fra-gen wird das Waldwachstumsmodell 4C (FORESEE-FORESt Ecosystems in a changing Environment) ein-gesetzt, das unter Szenarien der Klimaänderung undder Bewirtschaftung die Dynamik und das Wachstumvon Waldbeständen abbildet (LASCH et al. 2005). DerWald ist ein Ökosystem, das gegenüber seiner Um-welt offen ist in Bezug auf Stoff-, Energie- und Infor-mationsflüsse, und damit in ständigem Austausch mitder Umwelt steht. Klima und Boden sind wichtige Faktoren, die die Waldentwicklung beeinflussen. DieGrundprozesse der Energiespeicherung (Photosyn-these) und Energiefreisetzung (Atmung bzw. Respira-tion) werden durch Temperatur, Licht, Feuchtigkeitund Nährstoffversorgung gesteuert. Die Bindung vonKohlenstoff aus der Atmosphäre durch die Photosyn-these bestimmt die Zuwachsraten des Baumes, diedurch die Wasser- und Nährstoffversorgung über denBoden limitiert werden. Der Bodenwasservorrat wirddurch den Bestandesniederschlag, der nach Passie-ren der Vegetationsschicht den Boden erreicht, ge-speist. Mit dem Wasser nimmt der Baum auch Nähr-stoffe aus dem Boden auf. Durch die Zersetzung derStreu werden mit den abgestorbenen Nadeln oderBlättern, Zweigen und Ästen sowie den abgestorbe-

Tabelle 1: Klimadaten und Szenariorealisierungen: 50-jährige Temperaturjahresmittel (T) und Jahresniederschlags-summen (N) für den Zeitraum 1957 – 2006 (Basis) und 2007 – 2056 (SI, SII, SIII) für die Flächen K1, K2, K3

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nen Wurzeln wieder Nährstoffe dem Boden zugeführt.Dieser Kreislauf wird durch Einträge aus der Luft (De-position) angereichert.

Die Abbildung dieser Prozesse im Waldwachstums-modell 4C ermöglicht die Simulation der Entwicklungvon Waldbeständen, die unterschiedlichem Klima undverschiedenen Bewirtschaftungsstrategien ausgesetztsind. Dabei geht das Modell für jeden Bestand undden dazu gehörigen Boden von einem definierten An-fangszustand aus und simuliert das Wachstum unterBerücksichtigung der Konkurrenz der Bäume umLicht, Wasser und Nährstoffe (SUCKOW et al. 2001;LASCH und SUCKOW 2007). Die dazu benötigten meteo-rologischen Größen (Lufttemperatur, Niederschlag,Luftfeuchte, Strahlung, Luftdruck, Windgeschwindig-keit) werden in Tagesauflösung bzw. die CO2-Konzen-tration in jährlicher Auflösung in das Modell eingele-sen. Die Bewirtschaftung wird mit Hilfe einer jährlichaufgelösten Beschreibung der zu erfolgenden Maß-nahmen (Durchforstung, Ernte, Pflanzung) für das Mo-dell bereitgestellt.

Eichen-Kiefern-Mischbestände entlang eines Klimagradienten in Brandenburg

Zur Bearbeitung von vielfältigen Forschungsfragen imProjekt OakChain wurden im subkontinentalen Nord-ostdeutschen Tiefland unter anderem drei Eichen-Kie-fern-Mischbestände (K1-K3) entlang eines geographi-schen „Klimagradienten“ von Sachsen-Anhalt (naheder Grenze zu Brandenburg) bis Südbrandenburg aus-gewählt (Tab. 2).

Ziel dieser Auswahl war die Untersuchung des Wachs-tums von Kiefer und Eiche unter verschiedenen Klima-bedingungen. Mit der Darstellung der klimatischenWasserbilanz in Abb. 1 ist der „Klimagradient“ räumlichabgebildet. Dabei fällt auf, dass sich K1 und K2 in Be-zug auf die klimatische Wasserbilanz nicht sehr starkunterscheiden. Für einen deutlicheren „Klimagradien-ten“ hätte man einen Bestand noch weiter im Nord-westen Brandenburgs auswählen müssen, jedochkonnte dort kein geeigneter Eichen-Kiefern-Mischbe-stand gefunden werden.

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände16

Abb. 1: Klimatische Wasserbilanz Brandenburgs interpoliert auf Basis von 122 Klimastationen (blaue Punkte) für dasBasisszenario (Basis) 1961 – 1990 und drei Klimaszenariorealisierungen (SI, SII, SIII) 2031 – 2060

Fläche K1 K2 K3

Land Sachsen-Anhalt Brandenburg Brandenburg

Revier Kümmernitz Rochau Schernsdorf

Teilfläche 1672 a0 5149 b2 156 b3

Wuchsgebiet Westprignitz-Altmark Düben-Niederlausitzer Mittelbrandenburger Talsand-, Altmoränenland Altmoränenland Moränenland

Bodentyp podsolige Braunerde podsolige Pseudogley-Braunerde Pseudogley-Braunerde

Humusform Rohhumus bis rohhumusartiger Rohhumusartiger Moder Mullartiger Moder bis F-MullModer

Baumart/ Kiefer 140 Kiefer 177 Kiefer 121 Alter Eiche 54-220 Eiche 90-200 Eiche 125

Best.-grad 1,08 1,21 1,22

Tabelle 2: Übersicht über die Versuchsflächen (Angaben beziehen sich auf den 31.03.2006)

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Auf Grund der erwarteten höheren Temperaturen in derZukunft nimmt die potenzielle Verdunstung zu, diesführt auch bei sich nicht ändernden Jahresnieder-schlägen zu niedrigeren klimatischen Wasserbilanzen.Die drei Klimaszenariorealisierungen mit unterschied-lichen Niederschlagssummen verdeutlichen diese Ent-wicklung. Der trockenste Standort K3 ist bei allen dreiKlimaszenariorealisierungen durch eine negative kli-matische Wasserbilanz zwischen -200 und -150 mmcharakterisiert. Die Standorte K2 und K1 sind sich be-züglich der klimatischen Wasserbilanz sehr ähnlichund haben je nach Szenariorealisierung negative KWB-Werte zwischen -100 und -50 mm oder zwischen -150und -100 mm (Abb. 1).

Analyse der Wirkungen von projizierten Klima-änderungen auf Waldfunktionen – Risiken undPotenziale

Simulationskonzept

Für die ausgewählten drei Mischbestände lagen de-taillierte Bestandesinformationen und Bodenbeschrei-bungen von 2006 vor, so dass es möglich war, diesefür die Anwendung mit dem Modell 4C aufzubereiten.Um die Wirkungen projizierter Klimaänderungen zuanalysieren, wurden Modellsimulationen mit diesenBestandes- und Bodendaten als Initialisierungen so-wohl unter Klimaszenarien für 2007 – 2056 (SI-SIII)als auch unter Verwendung von gemessenen meteo-rologischen Daten für 1957 – 2006 (Basis) durchge-führt und verglichen. Dabei wurde für jede Fläche im-mer ein und dasselbe standortspezifische Bewirtschaf-tungsszenario angewendet. Da im Mittelpunkt der Ana-lysen die Auswirkungen der Klimaänderung auf Eichen-Kiefer-Mischbestände standen und nicht die Analyseder Bewirtschaftungsstrategien, wurden in allen dreiBeständen folgende Maßnahmen simuliert:

Am Anfang der Simulation wurden die Kiefern aufGrund des hohen Alters bis auf fünf im Bestand ver-bleibende Stämme entnommen (SCHRÖDER et al. 2009).Im Eichenoberbestand fand alle 10 Jahre eine Hoch-durchforstung statt, so dass am Ende der Simulationzwischen 40 und 75 Alteichen pro Hektar vorhandenwaren. Auf allen Flächen wurden Eichen mit 5000Pflanzen pro Hektar entsprechend den waldbaulichen

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände 17

Empfehlungen gepflanzt (MLUR 2004), wobei die Pflan-zung auf K1 und K2 im ersten Jahr und auf K3 im 21. Jahr nach Start der Simulation erfolgte. Die späterePflanzung auf K3 erfolgte, da die Kiefer dort nur 20 %des Anfangsbestandes ausmachte und ihre Entnahmenicht wie in den beiden anderen Beständen den nöti-gen Wuchsraum bereitstellte. Das Ziel der Maßnah-men war es, einen zweischichtigen Eichenbestand miteinzelnen Altkiefern zu erzeugen.

Das Modell 4C erlaubt es, waldwachstumskundlicheGrößen (z. B. laufender Zuwachs, geerntetes Holz,Blattflächenindex, Nettoprimärproduktion), Größen zurCharakterisierung des Kohlenstoffhaushalts (z. B. Koh-lenstoffspeicher im Boden und Bestand, jährliche Koh-lenstoffakkumulation im Boden) und des Wasserhaus-halts (z. B. jährliche Versickerung und Interzeption) zuanalysieren. Es wurden Simulationen für jeweils 50 Jah-re mit den oben genannten zugeordneten Klimaszena-riorealisierungen und Bewirtschaftungsszenarien fürK1-K3 durchgeführt und die ausgewählten Größen fürdiesen Zeitraum gemittelt bzw. für den Zustand nach50 Jahren zusammengestellt. Für das Basisszenariowurde mit einer konstanten CO2-Konzentration von350 ppm gerechnet, für die Szenariorealisierungenwurde mit einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration bis 2056 auf 542 ppm gerechnet.

Produktivität

Betrachtet man die Produktivität und das Wachstumder Mischbestände über den 50-jährigen Simulations-zeitraum, so zeigen sich deutliche Trends. Unter derKlimaszenariorealisierung SI, die für alle Standorte dietrockenste Szenariorealisierung ist (Tab. 1), sind diemittleren jährlichen Werte der NPP und der mittlerejährliche laufende Zuwachs des Gesamtbestandes im-mer geringer als für die beiden anderen Klimaszena-riorealisierungen (Tab. 3). Im Mittel der drei Klimasze-nariorealisierungen ist für K1-K3 sowohl die NPP alsauch der laufende jährliche Zuwachs des Gesamtbe-standes höher als unter dem Basisklima. Die relativenÄnderungen dieser Größen gegenüber den Wertendes Basiszeitraums zeigen, dass es nur für K2 und K3und die trockenste Szenariorealisierung SI Rück-gän-ge gibt (Tab. 3). Auf Grund der Unsicherheit derNiederschlagsentwicklung für die nächsten 50 Jahrekann man davon ausgehen, dass vor allem die zuneh-

Tabelle 3: Jahresmittel des laufenden Zuwachses (lZ) und der Nettoprimärproduktion (NPP) und die relativen Änderun-gen unter den Klimaszenariorealisierungen unter SI-SIII gegenüber dem Basisszenario (rÄ) für die Bestände K1-K3

K1 K2 K3

B SI SII SIII B SI SII SIII B SI SII SIII

NPP [t C/ha] 4.0 4.4 4.9 4.8 5.1 4.9 5.5 5.9 5.0 4.9 5.3 5.3

rÄ [%] 9.6 20.4 19.4 -3.4 7.1 14.9 -2.8 4.5 6.2

lZ Kiefer [m3/ha] 0.5 0.8 0.7 0.7 0.4 0.7 0.7 0.6 0.4 1.5 1.8 1.6

rÄ [%] 57.6 54.5 48.9 60.4 51.8 45.0 242.4 310.7 264.6

lZ Eiche [m3/ha] 5.0 5.1 5.9 6.0 7.7 6.8 7.8 8.7 6.1 5.3 5.8 6.2

rÄ [%] 3.5 18.9 21.4 -11.4 1.7 13.9 -13.5 -5.3 1.6

lZ gesamt [m3/ha] 5.5 5.9 6.7 6.8 8.1 7.5 8.5 9.4 6.6 6.8 7.6 7.8

rÄ [%] 8.3 22.0 23.9 -7.4 4.5 15.6 3.7 16.0 19.3

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mende CO2-Konzentration und die längeren Vegeta-tionsperioden, die hier nicht dargestellt wurden, einesteigende Produktivität verursachen können, wenn sienicht durch stärkere Niederschlagsrückgänge gedämpftwird.

Die Simulation der drei betrachteten Bestände weistdemzufolge keinen gravierenden Rückgang in der Pro-duktivität bis 2056 auf. Zu ähnlichen Aussagen kom-men zwei aktuelle Studien, die in diesen oder ver-gleichbaren Beständen stattfanden. Die dendrochrono-logischen Untersuchungen von SCHRÖDER et al. (2009)in diesen Beständen zeigten einen artspezifischen Zu-wachsverlauf, wobei in den letzten Jahren die Sensiti-vität der Kiefer gegenüber Witterungseinflüssen bis aufdas Niveau der Eiche zunahm. Es gab aber keine Hin-weise für ein erhöhtes Risiko starker Zuwachseinbu-ßen aufgrund sich ändernder klimatischer Bedingun-gen. In Bezug auf das Anpassungspotenzial der Kieferin Brandenburg anhand physiologischer Untersuchun-gen, weisen KÄTZEL und LÖFFLER (2007) auf großeUnterschiede hinsichtlich der standörtlichen und gene-tischen Rahmenbedingungen hin. Dabei wird die An-passungsfähigkeit der Kiefer insbesondere im süd-lichen Brandenburg als hoch eingeschätzt.

Die relative geringere Änderung der Produktivität fürdie trockenere Szenariorealisierung SI zeigt sich auchim Blattflächenindex (LAI). Insbesondere für K1 undK2 wird ein geringerer LAI nach 50 Jahren simuliertals unter dem Basisszenario. Für alle Flächen wird imMittel der drei Szenariorealisierungen SI-SIII ein leichtgeringerer LAI berechnet als unter dem Basisszenario(Abb. 2). Für die Fläche K3 sind die LAI-Werte am En-de der Simulationsperiode unter den drei Szenariorea-lisierungen sehr ähnlich, dies ist eine Folge der späte-ren Pflanzung der Eiche im Vergleich zu K1 und K2und der Auswirkung der Klimarealisierungen auf dieBewirtschaftung.

Werte nach 50 Jahren Simulationszeit unter Bewirt-schaftung dargestellt. Die geringsten Änderungen un-ter Klimaszenariorealisierungen (verglichen mit demBasisszenario für 1957 – 2006) zeigt der Bodenkoh-lenstoff. Für K1 und K2 liegen die Werte dafür unterden Klimaszenariorealisierungen etwas höher, d. h. die-se Klimaprojektionen begünstigen die Kohlenstoffakku-mulation im Boden auf Grund vor allem von höherenStreueinträgen durch Blattfall. Hinzu kommt eine Ver-schiebung der Kohlenstoffverteilung innerhalb des Bau-mes. Je trockener ein Standort desto mehr Kohlen-stoff wird für Aufbau und Erhaltung von Feinwurzelbio-masse verwendet (LYR und HOFFMANN 1992; GREGORY

2006). Dieser Effekt wird auch im Modell 4C simuliertund führt zu um 15 – 25 % höheren Wurzel-/Blatt-Ver-hältnissen je nach Klimaszenariorealisierung in allendrei Beständen. Deshalb ist denkbar, dass auch dasVerhältnis von oberirdischer zu unterirdischer Biomas-se abnimmt.

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände18

Abb. 2: Blattflächenindex (LAI, m2/m2) nach 50 Jahren fürK1-K3 unter dem Szenario B (Basis) und den Szenariore-alisierungen SI-SIII

Kohlenstoffspeicherung

Zur Beurteilung des Kohlenstoffhaushaltes der Misch-bestände unter den Klimaprojektionen wurden vierKomponenten des Kohlenstoffhaushaltes herangezo-gen: Boden, Totholz, oberirdische und unterirdischeBiomasse und geerntetes Holz. In Abb. 3 werden die

Abb. 3: Der gespeicherte Kohlenstoff im Boden, in derunter- und oberirdischen Biomasse, im geernteten Holzund im Totholz am Ende der 50-jährigen Simulationspe-riode unter dem Basisklima (B) und drei Szenarioreali-sierungen (SI-SIII) und Bewirtschaftung

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Die ober- und unterirdische Biomasse variiert stärkerzwischen dem Basisszenario und den drei Szenariore-alisierungen. Es ist deutlich zu sehen, dass die trocke-ne Szenariorealisierung zu Rückgängen in der gesam-ten Biomasse führt, unter den mittleren und feuchtenRealisierungen (SII, SIII) dagegen eher höhere Bio-massen simuliert werden. Für alle drei Bestände wirdunter der mittleren und feuchten Szenariorealisierungeine höhere Kohlenstoffspeicherung in der Summe al-ler Komponenten berechnet. Diese Ergebnisse ent-sprechen den Feststellungen über die Produktivität derBestände unter diesen Klimaszenariorealisierungen(siehe Darlegungen zum Abschnitt „Produktivität“ die-ser Schrift). Auch bezüglich der Kohlenstoffspeiche-rung gilt, dass die Änderungen im Rahmen dieser Sze-nariorealisierungen eher zu höheren Kohlenstoffvorrä-ten in den Komponenten führen, allerdings nicht, wennein Niederschlagsrückgang angenommen wird.

Wasserhaushalt

Als Indikatoren für den Wasserhaushalt der drei Misch-bestände werden die jährliche Versickerungsrate, diejährliche Interzeption (Niederschlag, der die Blätterbenetzt und wieder verdunstet) und die jährliche Tran-spiration (Verdunstung von Wasser durch die oberirdi-schen Pflanzenorgane) betrachtet (Abb. 4). Für alledrei Bestände zeigt sich, dass die Versickerung unterjeder Realisierung des Klimaszenarios gegenüber derVersickerung unter dem Basisszenario zurückgeht.Dies ist vor allem bedingt durch geringere Nieder-schläge (siehe Tab. 1), höheren Verdunstungsbedarfauf Grund höherer Temperaturen und leicht höhererInterzeption, verursacht durch den höheren LAI im Fallder Szenarios SII und SIII. Für die Fläche K3 mit dentrockensten Klimabedingungen ist die Versickerungbesonders niedrig und die Interzeption am höchsten,was sich auch durch die leicht abweichende Bewirt-schaftung (längerer Verbleib der alten Eichen im Be-stand und spätere Verjüngung der Eiche) im Vergleichzu K1 und K2 erklären lässt. Die Versickerung ist fürK2 immer am höchsten, dies ist auch die Fläche mitden höchsten Niederschlägen.

Zusammenfassung

Die Analysen mit dem klimasensitiven Waldwachstums-modell 4C erlauben es, die Auswirkungen von Klima-projektionen auf die Produktivität von Eichen-Kiefern-Mischbeständen zu untersuchen. Die Ergebnisse zei-gen, dass an den betrachteten Standorten die zukünfti-ge Produktivität dieser Bestände vor allem von derEntwicklung der Niederschlagsverhältnisse abhängt.Dies kann sich im ungünstigsten Fall eines Nieder-schlagsrückgangs vor allem im Sommer an dem tro-ckensten Standort negativ auswirken. Die Beständeauf den beiden niederschlagsreicheren Standorten K1und K2 können die projizierte Erwärmung mit einemNiederschlagsrückgang bis zu 77 % im (meteorologi-schen) Sommer zu ihrem Vorteil nutzen: Das Modellberechnet hier eine höhere NPP und höhere Zuwäch-se als unter dem Basisszenario. An allen Standorten

Klimawandel in Brandenburg – Risiken für Eichen-Kiefern-Mischbestände 19

nehmen in allen Klimaszenariorealisierungen im Som-mer die Niederschläge ab, dies führt aber im Rahmender betrachteten Szenarien bezüglich der Produktivitätund auch der Kohlenstoffspeicherung nicht zu gravie-renden Einbußen. Allerdings bezieht sich diese Aussa-ge nur auf den direkten Einfluss der Klimabedingungenauf das Baumwachstum. Weitere Risikofaktoren, wiedie Entwicklung von Krankheitserregern, Fraßinsektensowie Extremereignisse (z. B. Sturmereignisse, Spät-fröste) und deren Einfluss auf die Vitalität von Kieferund Eiche (KÄTZEL et al. 2006; MÖLLER et al. 2007)werden im Modell und dieser Untersuchung nicht be-rücksichtigt. Sie stellen aber wichtige Einflussfaktorendar, die in die Gesamtbewertung des Risikopotenzialsvon Kiefer und Eiche unter Klimawandel mit einbezo-gen werden müssen.

Stärker betroffen von den möglichen Klimaänderungenist der Wasserhaushalt, die Versickerung kann hier über

Abb. 4: Mittlere jährliche Versickerungsraten, Interzep-tion und Transpiration der Bestände, gemittelt über 50 Jahre für die Flächen K1-K3 unter Bewirtschaftungund Basisklimaszenario (B) und drei Szenariorealisie-rungen (SI-SIII)

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alle Standorte und Szenariorealisierungen betrachtetbis auf 30 % zurückgehen. Sie ist aber auch stark be-einflusst von der Bewirtschaftung, die die Dichte desBestandes und damit die Blattfläche, die Interzeptionund Transpiration bestimmt. Hier hat die ForstwirtschaftMöglichkeiten, negative Folgen des Klimawandels durchAnpassungsmaßnahmen zu kompensieren. Dazu ge-hören Bewirtschaftungsformen, die die Grundwasser-spende der Bestände erhöht. Dies kann über eine Be-einflussung der Bestandesdichte und -struktur und dieDurchforstungsstärke gesteuert werden.

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Leben mit Risiko

Die heutigen Lebensformen sind Ergebnis und zu-gleich Ausgangspunkt eines immerwährenden evolu-tionären Prozesses, in dem Anpassung und Selektioneine Schlüsselrolle einnehmen. „Scharfrichter“ in die-sem Prozess sind alle einwirkenden Umweltfaktoren –insbesondere, wenn sie einzeln bzw. in unzähligenKombinationen der Wechselwirkung außergewöhnli-che und damit extreme Intensitäten annehmen. Ob dieAnpassung an sich ändernden Klimabedingungen ge-lingen kann, hängt auf der „Faktorenseite“ von derRichtung, der Geschwindigkeit und der Intensität (Wit-terungsextreme) der Klimaänderungen ab. Auf der„Organismenseite“ ist Anpassung an extreme Umwelt-bedingungen nur innerhalb art- und individualspezifi-scher physiologischer Grenzen möglich.

Mit der Änderung der Intensitäten steigt für das betroffe-ne Individuum das Risiko des „Nichtangepasstseins“.Dieses Risiko bestand, besteht und wird weiterhin für je-des lebende Wesen der Erde bestehen. Leben ist folg-lich immer von Risiken begleitet. Andererseits ist geradedie über viele Millionen von Jahren währende Existenzunserer heutigen Gehölzgattungen ein herausragendesBeispiel für immer neue Anpassungskonzepte, mit de-nen es möglich wurde, auf den Ebenen der Populatio-nen, Arten, Gattungen usw. die jeweiligen Risiken zuüberstehen und mit häufig neuen Lebensstrategien zubeantworten. Dies war insbesondere für langlebige,ortsfeste Gehölze mit häufig langen Generationszeitenüberlebenswichtig, da sie sich ungünstigen Lebensbe-dingungen nicht durch Flucht entziehen konnten. Ande-rerseits soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach der Be-rechnung von Paläontologen 99,99 % aller bisher exi-stenten Arten und Gattungen zwischenzeitlich ausge-storben sind – mit steigender Tendenz (GEORGE 2000).

Diese Grundsätze der Biologie müssen wir voranstel-len, wenn die Überlebensfähigkeit – und damit die An-

passungsfähigkeit von Bäumen – an zu erwartendekünftige (Klima-)Risiken betrachtet werden soll. Die imFolgenden zu behandelnden Anpassungsreaktionen anUmweltänderungen haben meist physiologische Grund-lagen auf zellulärer Ebene. Dies gilt insbesondere fürdie häufig latenten Einflüsse von Trockenheit, Tempera-turzunahmen, Spätfrösten etc., für die einzelne Baum-arten, Herkünfte, Individuen unterschiedliche Toleran-zamplituden besitzen. Das häufige Zusammentreffenvon Wassermangel, Hitze und hoher Strahlungsinten-sität führt zu einem physiologisch relevanten „Som-merstress“. Andererseits dürften physiologische Reak-tionen bei Bränden, Orkanen, längerer Überflutungetc. kaum das Überleben sichern; wenn auch mit fort-schreitendem Wissen über genetische, epigenetischeund biochemische Reaktionsmuster eine Reihe vonSzenarien vorstellbar sind, so dass bei fast allen Um-weltfaktoren eine physiologische Gegenreaktion pro-gnostiziert werden kann. Eine Übersicht zu physiolo-gisch bzw. genetisch anpassungsrelevanten Witte-rungsfaktoren gibt Tab. 1.

Anpassung auf der Ebene der Populationen

Grundsätzlich zeigt sich, dass das physiologische An-passungspotenzial von Bäumen an Witterungsextre-me deutlich höher ist als bisher angenommen, ohnedass das vorliegende Schrifttum an dieser Stelle ge-würdigt werden kann. Entscheidend ist, dass die phy-siologische Vielfalt der Reaktionsmuster hoch ist, sodass immer ausreichend Baumindividuen vorhandensind, die den Stress tolerieren. Selbstverständlich las-sen sich auch immer Individuen finden, die der Bela-stung nicht standhalten. Ihr Verlust darf jedoch nichtdie Überlebenswahrscheinlichkeit der Population undfolglich die Existenz des Ökosystems Wald gefährden.Bereits innerhalb der gegenwärtig lebenden Popula-tionen können in Abhängigkeit von der physiologi-schen Potenz Individuen postuliert werden, die sich an

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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Möglichkeiten und Grenzen derAnpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischen Risiken aus Sicht der Ökophysiologie

RALF KÄTZEL

Tabelle 1: Beurteilung von ausgewählten Witterungsextremen hinsichtlich ihrer physiologischen Anpassungsrelevanzbei Waldbäumen

eher gering bedingt hoch

• Waldbrände • Anaerobie • warme Winter• Orkane • Stürme • Sommerhitze• Überflutung • Insektengradationen • Spätfröste • Starkregen • Ozonbildung • Trockenheit in der Vegetationsperiode

• Nassschnee

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veränderte Klimabedingungen anpassen können, wäh-rend nicht angepasste Individuen sterben. Die durchabsterbende Individuen frei werdenden Räume wer-den durch Individuen (Genotypen, Arten) mit neuenAnpassungspotenzialen besetzt. Damit kommt denbereits jetzt vorhandenen latent anpassungsfähigenGenotypen für kurzfristige Witterungsextreme eine nochgrößere Bedeutung zu als Neubildungen aus künfti-gen Mutationen und Neukombinationen (Abb. 1). Wiedie Abb. 1 zeigt, wirkt die veränderte Amplitude derUmweltfaktoren als Selektionsfaktor und führt letz-tendlich zu Populationen mit veränderten Toleranzbe-reichen. Durch die Prozesse der Evolution unterschei-den sich die heutigen Baumpopulationen geno- undphänotypisch ebenso von ihren Vorfahren, wie dies ih-re Nachkommen tun werden.

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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ten der Anpassung. Somit ist die Wahrscheinlichkeit(insbesondere extreme) vielfältige Umwelteinflüsse zuertragen, je höher und je vielfältiger das „Gegenange-bot“ der Natur ist, diesen Umweltfaktoren entgegen zuwirken. Solange physiologische und genetische Pro-zesse eine Anpassung an Umweltbedingungen ermög-lichen, ist das Risiko des „Nichtangepasstseins“ ge-ring. Für eine Bewertung zu erwartender Klimarisikenist daher die Feststellung von physiologischen Gren-zen für die jeweiligen Baumarten unverzichtbar. Es magüberraschen, dass für Bäume bisher kaum wissen-schaftlich abgesicherte Grenzbereiche z. B. für Hitzeund Trockenheit bekannt sind. Während die Toxikolo-gie klare Grenzwerte für eine Vielzahl chemischer Wirk-stoffe, z. B. für Wirbeltiere (z. B. Mittlere Lethale Do-sis; LD50: Konzentration eines Wirkstoffs, bei der 50 %der Versuchstiere sterben) wissenschaftlich belegt hat,fehlen analoge Grenzwerte/-bereiche für die ökophy-siologischen Reaktionen von Klimafaktoren auf Pflan-zen (insbesondere für Bäume). Ältere Literaturanga-ben (LYR et al. 1992) gehen bei Gehölzen von einerHitzeletalgrenze von ca. 46-55 C aus, wobei diese„Grenzwerte“ kaum zu verallgemeinern sind, da or-gan- und herkunftsspezifische Unterschiede beste-hen. Erste Versuche, die an Quercus ilex-Sämlingenvorgenommen wurden, zeigten ebenfalls, dass dieHitzetoleranz der Pflanzen keine feste Größe ist, son-dern neben der Provenienz u. a. von der Vorbehand-lung mit Kälte oder Trockenstress (Konditionierung)abhängt. Wurden die Pflanzen zuvor einem Trocken-stress ausgesetzt, wurde erst bei einer Temperaturzwischen 45 °C und 49 °C der Chlorophyllfluoreszenz-quotient Fv/Fm (Maß für die potentielle Fotosynthe-sekapazität des PSII) um 50 % reduziert (Kontrolle 42 °C-44 °C) (GIMENO et al. 2008).

An dieser Stelle muss auf die Zielrichtung der öko-physiologischen „Extremwertbetrachtung“ hingewiesenwerden. Unter physiologischen Gesichtspunkten gilteine Anpassungsstrategie als erfolgreich, wenn dasÜberleben des Individuums/der Population/der Art ge-sichert ist. Damit wird der Erhalt des ÖkosystemsWald möglich. Dies schließt aber nicht zwangsläufigeine Zunahme von Biomasse (Holz- und Wertzuwachs)ein. Unter dem Blickwinkel der Forstwirtschaft ist dage-gen eine Anpassungsstrategie dann erfolgreich, wennsie zugleich mit einem Wertzuwachs verbunden istbzw. alle Waldfunktionen erfüllt werden können. Diessind zwei unterschiedliche Zielrichtungen, da physio-logische Anpassungsprozesse, die das Überleben si-chern sollen, zumeist mit einem Verlust von Energie-reserven und Biomasse verbunden sind (sieheSCHRÖDER, Kap. 5 dieser Schrift).

Auf der Ebene der Individuen und Populationen erfor-dert die Anpassung an sich ändernde Umweltbedingun-gen eine Änderung der genetischen Reaktionsnormdurch Mutationen und genetische Neurekombinationbei sexueller Vermehrung. Ob die dabei neu entstehen-den Geno-/Phänotypen überlebensfähig sind, „entschei-den“ die selektionierenden Umweltfaktoren. Ändernsich diese, haben auch neue Geno-/Phänotypen eineÜberlebenschance (Übersicht u. a. MAYR 2005).

Abb. 1: Theoretische Betrachtung zur Veränderung vonPopulationen durch die Änderung der Amplitude einesUmweltfaktors in einer bestimmten Zeit (Erläuterung siehe Text)

Was ist Anpassung?

Aus dem Blickwinkel der Physiologie umfasst „Anpas-sung“ alle Prozesse, welche zur Erlangung und Erhal-tung von Angepasstheit bei veränderten äußeren Be-dingungen führen. Anpassungsprozesse müssen ent-sprechend ihrer zeitlichen und räumlichen Ebenen dif-ferenziert betrachtet werden. Während dem Besied-lungserfolg der Art bzw. Population evolutive (vererb-bare, langfristige) Anpassungsprozesse zu Grunde lie-gen, wird das Überleben des Einzelbaumes unter kon-kreten Standortbedingungen durch modifikative (nichtvererbbare, längerfristige) Anpassungsprozesse (z. B.Wurzel- und Nadelmorphologie) ermöglicht. Die kurz-fristige, reversible Anpassung (z. B. an Stressereig-nisse) wird dagegen als modulative Anpassung be-zeichnet (Übersicht bei SCHUBERT 1991).

Grundlage eines hohen Anpassungsvermögens ist ei-ne effiziente Kombination von morphologischen Merk-malen und einer breiten physiologischen (genetischen)Reaktionsnorm. Die so genannte genetische Reak-tionsnorm begrenzt individuell und artspezifisch denphysiologischen Toleranzbereich, in dem ein Überlebenvon Organismen unter den gegebenen Umweltfakto-ren gerade noch möglich ist. Je vielfältiger die geneti-schen Reaktionsnormen der Einzelindividuen einerPopulation sind, desto vielfältiger sind die Möglichkei-

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Leben zwischen Angepasstheit und Anpassungsfähigkeit

Der Prozess der Anpassung führt zur Angepasstheitan die jeweils aktuellen Umweltbedingungen (gegen-wartsorientiert!). Der Grad der Anpassung, der sich u. a. in der Vitalität von Bäumen widerspiegelt, lässtjedoch keine Prognose über eine längerfristige Anpas-sungsfähigkeit zu.

Die Anpassungsfähigkeit, bzw. das Anpassungspoten-zial von Baumpopulationen, beschreibt die Fähigkeit,auf der „Wirkungsseite“ in einer bestimmten Geschwin-digkeit und Komplexität auf (unbekannte) Umweltbe-dingungen reagieren zu können (zukunftsorientiert!).Diese physiologische Leistung ist ein wesentliches, u. a. genetisch determiniertes Kriterium für die Elasti-zität bzw. ökologische Stabilität von Wäldern und da-mit für die Fähigkeit, auch unter dem Einfluss von Stör-faktoren zu überleben.

Da diese biologischen Grundsätze für alle Wechsel-wirkungen von Organismen mit ihrer Umwelt gelten,sind sie auch für die Anpassung an Klimaveränderun-gen gültig. Eine Bewertung der Angepasstheit und An-passungsfähigkeit von Herkünften und Arten an künfti-ge Klimabedingungen muss daher auf dieser Grundla-ge vorgenommen werden. Folglich bedarf die Ent-scheidungsfindung über geeignete Baumarten/Prove-nienzen für zukunftsfähige Wälder einer artspezifischenBewertung der tatsächlichen physiologischen Ange-passtheit und künftigen Anpassungsfähigkeit. Dies istdeshalb zu betonen, da die gegenwärtige Diskussionum die „Baumarten der Zukunft“ fast ausschließlich aufder Grundlage der aktuellen Bewertung der Angepasst-heit der Bauarten geführt wird (z. B. THUILLER et al.2003; MALCOLM et al. 2006; KÖLLING und ZIMMERMANN

2007), während die (genetischen) Potenziale der Baum-arten zur Anpassungsfähigkeit unberücksichtigt bleiben.

Bei der Prognose künftig geeigneter Baumarten kannmethodisch zwischen statischen und dynamischen Be-trachtungsansätzen unterschieden werden. StatischeKonzepte gehen von dem derzeitigen Anpassungssta-tus der Gehölze an wesentliche Klimafaktoren (Tem-peratur, Niederschlag) aus und bilden das aktuelleoder potenzielle Vorkommen von Baumarten in zwei-bzw. dreidimensionalen Ökogrammen ab (z. B. JENS-SEN 2006; KÖLLING und ZIMMERMANN 2007).

Aus der Vielzahl der vorgelegten Ideen und Konzeptezur künftigen Baumartenwahl sollen an dieser Stelledrei besonders herausgestellt werden. Dies ist zum ei-nen das Konzept der klimaplastischen Wälder (JENS-SEN 2006), das im Kapitel 11 dieser Schrift detaillierterläutert wird. Ein weiteres Konzept ist die Bewertungder Baumarten auf der Grundlage der „Klimahüllen“(KÖLLING et al. 2007). Die als „Klimahüllen“ („bioclima-te-envelope“) bezeichneten Darstellungen stellen dieVorkommenshäufigkeit (in % der Gesamtfläche) jederBaumart unter den europäischen Klimabedingungenin der Kombination von Jahresmitteltemperatur und Jah-resniederschlagssumme dar. Danach wäre die Anfäl-

ligkeit einer Baumart gegenüber einer Änderung derbeiden betrachteten Faktoren (Niederschlag, Tempe-ratur) gering, wenn sich die Baumart am konkretenStandort möglichst weit von ihrem „ökologischen Rand“entfernt befindet und damit der „survival buffer“ mög-lichst groß ist. Die Autoren sehen auf dieser Grundla-ge beispielsweise keine Klimaanfälligkeit für Fagus syl-vatica, Fraxinus excelsior und die Eichenarten, aberim Gegensatz dazu ein großes Risiko für die vier Na-delbaumarten Picea abies, Pinus sylvestris, Abies al-ba und Larix decidua (gezeigt für Bayern, KÖLLING undZIMMERMANN 2007). Die zweidimensionalen Klimahül-len können jedoch nicht berücksichtigen, dass es sichbei ökologischen Nischen um komplexe n-dimensio-nale Räume handelt und die genetische Reaktionsnormder Gehölze evolutionären Veränderungen unterwor-fen ist (SKELLY et al. 2007). Wünschenswert wäre dar-über hinaus die Darstellung der Klimahüllen auf derGrundlage der jeweiligen saisonalen Extremwerte unddie Berücksichtigung der klimatischen Wasserbilanz imAustausch zum mittleren Jahresniederschlag. Dies wä-re auch für dynamische (evolutive) Konzepte interes-sant, da sie Rückschlüsse erlauben, wie stark sich diegenetischen Reaktionsnormen der Bäume ändernmüssten (möglicherweise auch schon vorhanden sind,siehe oben), um unter den neuen Umweltbedingun-gen überleben zu können. Evolutionsmodelle betrach-ten immer Extremwerte, z. B. critical thermal maxi-mum (CTM), als wirksame spezifische Selektionsfak-toren (SKELLY et al. 2007).

Von den beiden vorangestellten Konzepten unterschei-den sich die Bewertungskategorien von ROLOFF undGRUNDMANN (2008), da sie die Stresstoleranz (Tro-ckenheit und Frost) und Standortangepasstheit vonGehölzen nach dem gegenwärtigen Kenntnisstandeinbeziehen (KLimaArtenMatrix-KLAM). Unter diesenGesichtspunkten sind z. B. auf trockenen bis sehrtrockenen Standorten Acer campestre, A. platonoides,Betula pendula, Quercus petraea, Tilia cordata, Robi-nia pseudoacacia, Carpinus betulus, Pinus sylvestris,P. nigra, P. strobus sowie Sorbus aria, S. domesticaund S. torminalis auch künftig sehr anpassungsfähig.

Anpassungsfähigkeit als Kriterium derBaumartenwahl

Diese drei unterschiedlichen Ansätze zur Baumarten-bewertung für eine zukunftsorientierte Waldbewirtschaf-tung unten den Bedingungen des Klimawandels beru-hen auf der Einschätzung der aktuellen Angepasst-heit/Stresstoleranz als evolutives Ergebnis früherer undaktueller Umweltbedingungen. Einzubeziehen sind aberauch die baumartenspezifischen Möglichkeiten undStrategien für die Anpassung an künftige Klimaände-rungen (siehe Anpassungsfähigkeit). Denn Anpassungbedeutet Veränderung!

Dynamische (evolutive), noch weitgehend unkonkreteAnsätze berücksichtigen daher die Änderung der ge-netischen Reaktionsnorm der Individuen und Popula-tionen in Raum und Zeit. Neben der Berücksichtigung

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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von Mutationsraten müssen wesentliche Kriterien desgenetischen Systems (Tab. 2), die zur Neurekombina-tion, Verbreitung und erfolgreichen Verjüngung „neuer“Genotypen beitragen, berücksichtigt werden (KONNERT

2007).

Bei kurzfristigen Umweltveränderungen sind Typen imVorteil, die sich mit minimalem Aufwand und hoher In-dividuenzahl vermehren. Kriterien zur Beurteilung dergenetischen Anpassungsfähigkeit sind u. a. das Ver-breitungsareal, die Ausgangsindividuenzahl, die gene-tische Variabilität innerhalb und zwischen Populatio-nen, die Bestäubungs- und Befruchtungsmechanismen,Fruktifikationsalter und -häufigkeit sowie die Saatgut-menge pro Baum.

Für die Bewertung von Überlebens- und Selektions-strategien entwickelten MCARTHUR und WILSON (1967)(zitiert in SCHUBERT 1991, S. 224) das Konzept der r- und K-Selektion. Danach begünstigen evolutionäreProzesse bei erheblichen Umweltveränderungen Ge-notypen/Populationen, die ihre genetischen Reaktions-normen schnell variieren können und sich mit minima-lem Energieaufwand reproduzieren. Hohe Anpassungs-geschwindigkeiten verlangen nach kurzlebigen Gene-rationen, variabler (hoher) Fruchtbarkeit, früher Ge-schlechtsreife und wechselnd hohe Populationsdich-ten. Arten, die sich durch diese Prozesse schnell aufUmweltveränderungen einstellen können, werden alsr-Strategen bezeichnet. Demgegenüber stehen K-se-lektionierte Arten, die unter relativ konstanten Umwelt-

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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bedingungen konkurrenzstark mit langlebigen Gene-rationen, geringerer Fruchtbarkeit und hoher Territori-albindung überleben. Hohe, fast jährliche Samenpro-duktion, kurze Generationsphasen, weite Pollen- undSamenverbreitung, eine hohe genetische Vielfalt u. v.m. prädestinieren, z. B. Pionierbaumarten als „r-Stra-tegen“ im Selektionsprozess bei raschen und dras-tischen Umweltveränderungen. Andererseits habenBaumarten (z. B. Eiche, Buche) mit spätem Fruktifika-tionsalter und geringer Fruktifikation (Menge und Häu-figkeit) ein geringeres genetisches Anpassungspoten-zial (Tab. 3).

Bezug nehmend auf die Eingangsthese stellt sich dieFrage, was passiert, wenn die Amplitude künftigerWitterungsfaktoren (besonders Witterungsextreme) au-ßerhalb der gegenwärtigen physiologischen Reak-tionsnormen (aller) gegenwärtig standortgerechtenBaumarten liegen würde. Hierfür sind unterschiedlicheSzenarien denkbar, je nachdem, welche Ebene (Ein-zelbaum, Population, Art, Ökosystem, Landschaft, Bio-sphäre) betrachtet wird.

Angesichts der Geschwindigkeit der Klimaänderungenbefürchten SAVOLAINEN et al. (2007) u. a., dass die ge-netischen Anpassungsprozesse zu langsam sein könn-ten. Da es bislang an Daten über positiv wirkende Mu-tationen in anpassungsrelevanten Genen in Gehölzenfehlt, sind die Chancen des Anpassungserfolges nurgrob abschätzbar. Z. Z. wird in der Literatur von durch-schnittlichen natürlichen Mutationsraten von 10-5 pro

Tabelle 2: Kriterien für die Bewertung der Anpassungsfähigkeit von Baumarten

Statische Ansätze Dynamische Ansätze

• Verbreitungsareal über verschiedene Klimaregionen der Erde • Ausgangsindividuenzahl

• gegenwärtige Klimaansprüche der Baumarten (Klimahüllen) • Bestäubungs- und Befruchtungsmechanismen

• KLAM (siehe Text) • Fruktifikationsalter, Generationsdauer

• Fruktifikationshäufigkeit

• Saatgutmenge/Baum und Mast

• ökologische Generalisten

• sekundäre Gefährdungsursachen• Wanderungsgeschwindigkeiten

Tabelle 3: Charakteristik einiger Laubbaumarten hinsichtlich ihres Vermehrungspotenzials

Baumart Fruktifikationsalter Vollernten/Jahrzehnt SamenmengeJahre Anzahl ca. Anzahl

Robinie 10 – 15 5 71.000 – 141.000***

Flatter-Ulme 30 – 40 4 48.000 – 538.000**

Gem. Esche 20 – 25 3 450*

Winter-Linde 20 – 25 3 250*

Gem. Birke 10 – 15 3 49.000 – 90.000*

Schwarz-Erle 10 – 20 3 10.000.000****

Hainbuche 15 – 20 3 300.000***

Aspe 10 6 50.000*

Buche 40 – 50 1 360 – 520*

Eiche 40 – 50 1 150*

* Angabe nach ROHMEDER (1972) in Anzahl/m2

** Angabe nach KÜßNER (2002) in Anzahl pro Baum in Abhängigkeit vom BHD*** Angabe nach SCHÜTT et al. (1994) in Anzahl pro Baum **** Angabe nach SCHIRMER (2003) in Anzahl pro Baum

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Replikationsereignis pro Zelle ausgegangen. Mutatio-nen sind für evolutionäre Prozesse dann von Bedeu-tung, wenn sie die reproduktiven Organe (Keimbah-nen) bzw. die Gameten direkt betreffen. Allerdings auchnur dann, wenn sie auf einen merkmal-codierendenGenort bzw. auf regulatorische Sequenzen treffen. Diebisher bekannten Genomgrößen von Bäumen schwan-ken z. B. zwischen 4,8 x 108 (Amerikanische Balsam-pappel) und 3,5 x 1010 (Fichte) Basenpaaren (MÜLLER-STARCK et al. 2005, FLADUNG 2005). Ebenso zu berück-sichtigen ist, dass die Mutationsraten stark variierenund insbesondere Nadelbaumarten überdurchschnitt-lich hohe DNA-Gehalte im Kerngenom haben und da-mit auch hohe Anteile an nicht-codierenden DNA-Ab-schnitten enthalten sind. Neben den mehr als 30.000Genorten pro haploidem Genom ist ein hoher Anteilder DNA frei von Merkmalsinformationen und damitzunächst unbedeutend für die Anpassung. Dennochkönnen sich anpassungsrelevante Genstrukturen in z. Z. nichtkodierenden bzw. nicht translatierten DNA-Bereichen herausbilden (Pseudogene), die bei verän-derten Umweltbedingungen aktiv werden. Träfe eineMutation auf ein „klimaanpassungsrelevantes“ Gen,besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass es sich umeine neutrale bzw. negative (letale) Mutation handelt.Anderseits sorgen Mutationen und Rekombination fürein zahlenmäßig extrem großes Angebot an verschie-denen Multilocus-Typen (Gameten oder Genotypen/Samen). Bereits bei 18 Genorten mit durchschnittlich2,45 Allelen können theoretisch 99 x 109 Variantenauftreten (MÜLLER-STARCK schr. Mitteilung). Diese gigan-tische Variabilität, die durch die Rekombination wäh-rend der Befruchtung potenziert wird, ist der Motor desAnpassungsgeschehens auf Populationsebene.

Nur in dem Fall einer anpassungsfördernden Mutationwären Gameten unterwegs, die in einer mehr oderweniger großen Pollenwolke unter günstigen Zufalls-bedingungen zur Befruchtung gelangen bzw. könntenun eine Eizelle befruchtet werden. Sollte der so „an-passungsspezifisch positiv“ mutierte Samen auskei-men, einen Sämling bilden und den anderen letalenSelektionsfaktoren (Fraßfeinde, Parasiten, Durchfor-stung) in der folgenden Aufwuchsphase täglich trotzenund (meist) Jahrzehnte später selbst fruktifizieren kön-nen, würde das die Baumpopulation um einen konkur-renzstärkeren Baum bereichern, was zu neuen Re-kombinationsereignissen beitragen könnte. Denn erstdurch die Rekombination verschiedener Genotypenentsteht der eigentliche Variantenreichtum. Völlig neueVariantenkombinationen werden möglich, wenn sichder Genaustausch über die Artgrenzen hinweg voll-zieht (ARNOLD 2006) (z. B. Hybridbildung bei Eichen;Übersicht bei LEPAIS et al. 2009).

Die vielen notwendigen Zufallsereignisse lassen meh-rere Schlussfolgerungen zu:

1. die reale große genetische Vielfalt unserer Baumar-ten zeigt, dass diese Prozesse in der Natur „funktio-nieren“ und in ihrer Gesamtheit relativ häufig sind,

2. die natürliche Neuentstehung anpassungsrelevan-ter Merkmale unterliegt auf genetischer Ebene zahl-

reichen Zufallsprozessen, die nicht vorhersagbarsind,

3. bei Baumarten mit zeitiger, häufiger und hoherFruktifikationsrate steigt die Wahrscheinlichkeit dergenetischen Anpassung,

4. Anpassungsprozesse begründen sich nicht nur aufgenetische, sondern ebenso auf nachgeordnete epi-genetische, physiologische und zelluläre Prozesse,die die physiologische Variation über die ihr zuGrunde liegende genetische Variation hinaus deut-lich erhöhen können.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch HAM-RICK (2004), der herausstellt, dass Bäume und Baum-populationen im Unterschied zu allen anderen Pflan-zengruppen die höchste genetische Variabilität (Grund-lage: Isoenzymdaten) aufweisen, wobei für die Bewer-tung von Anpassungspotenzialen zwischen der gene-tischen Variation innerhalb und zwischen den Popula-tionen zu unterscheiden ist. Hierbei sind die Arealgrö-ße und die Verbreitungsdichte innerhalb des Areals zuberücksichtigen. Allerdings beruhen die meisten Unter-suchungen zur genetischen Variabilität auf neutralenGenmarkern, die selbst nicht anpassungsrelevant sind.Neue Untersuchungen zielen daher auf anpassungs-relevante Genmarker. Eine Reihe dieser „Kandidaten-genorte“ (Enzyme wie Gly-3, Adh, Hitzeschock-Genfa-milie, Drehydrine u. v. a.), z. B. für die Toleranz gegen-über Trocken- und Hitzestress, sind bereits bekanntund werden hinsichtlich ihrer Polymorphismen in Po-pulationen untersucht (Übersicht bei HOFFMANN undWILLI 2008).

Eigene Untersuchungen über die physiologischen„Ökotypen“ („Chemotypen“) der Kiefer belegen großeUnterschiede im physiologischen Leistungspotenzialeiner Art mit großem Verbreitungsgebiet (KÄTZEL undLÖFFLER 2007b). Am Beispiel der Douglasie zeigteCAMPBELL (1979), dass mindestens 20 % der Genoty-pen lokal angepasster Populationen auch unter ande-ren Umweltbedingungen leben können.

Beispiele für physiologische Anpassungs-reaktionen unterschiedlicher Baumarten bei Klimaextremen

Neben den vorangestellten theoretischen Betrachtun-gen liefern physiologische Experimente und Freiland-beobachtungen von physiologischen Reaktionsmusternbei Waldbäumen unter realen klimabedingten Stress-belastungen konkrete Hinweise zum Anpassungspo-tenzial der Bäume.

Beispiel 1: Temperaturbedingte physiologische Reaktionen bei Pinus sylvestrisSolange keine proteindenaturierenden Temperaturen(Hitzeschock) erreicht werden, wirken sich höhere Tem-peraturwerte generell beschleunigend auf biochemi-sche Stoffwechselreaktionen aus. Eine Reihe von lang-jährigen Untersuchungen in Klimakammern, bei de-nen unterschiedlich alte Kiefern erhöhten Temperatu-ren (z. B. 19 °C-> 23 °C) und/oder einem zweifach er-

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höhten Kohlendioxidgehalt der Luft ausgesetzt waren,zeigen einheitlich eine Stimulation des Dickenwachs-tums der Bäume. Neben zytologischen Veränderun-gen in den Nadeln (Anschwellen der Thylakoide, Zu-nahme der Plastoglobuli) bei erhöhter CO2-Gabe führ-te die Temperaturerhöhung zu einer verstärkten Stick-stoffallokation und zu einer erhöhten Terpenoidproduk-tion. Gleichfalls steigt die Zahl der Harzkanäle im Holz.Die zunehmenden Terpenoidgehalte könnten im Zu-sammenhang mit einer erhöhten Thermotoleranz derFotosynthese stehen (SALLAS et al. 2003). In der Folgewird das Durchmesserwachstum der Bäume verstärkt,die Frühholzbreiten steigen an und die Tracheiden-wände werden ebenso verstärkt wie das Lumen derTracheiden. Folglich ändern sich die Holzeigenschaf-ten im Xylembereich bei höherer Außentemperatur(KILPELÄINEN et al. 2007; PELTOLA 2002). Dagegen wur-den bisher keine Änderungen im Höhenwachstum derKiefern beobachtet (KILPELÄINEN et al. 2005).

Diese eindeutigen Ergebnisse lassen jedoch noch kei-ne Schlussfolgerungen auf die Reaktion von Bäumenzu, wenn der Temperaturanstieg in einen extremenHitzestressbereich erreicht. Das B1-Szenario desWETTREG-Modells geht z. B. von einer mittleren Zu-nahme von Sommertagen mit Temperaturmaxima von> 30 °C (meteorologisch „Heiße Tage“) am StandortBerlin-Dahlem von z. Z. durchschnittlich 7 Tagen/Jahr(Zeitraum 1961 – 1990) auf 18 Tage/Jahr (Zeitraum2071 – 2100) aus (UBA 2007).

Ein wesentliches Problem von Hitzewellen, die natürli-cherweise mit hohen Strahlungsintensitäten gekoppeltsind, liegt in der Bildung von Radikalen (Reaktive Sau-erstoffspezies = ROS), die während der Lichtreaktionder Fotosynthese bei geschlossenen Stomata gebildetwerden. Jährliche Untersuchungen zu Biomarkerreak-tionen (Übersicht bei KÄTZEL 2003) auf sieben Bran-denburger Level-II-Dauerbeobachtungsflächen der Kie-fer zeigen, dass bereits nach zwei aufeinanderfolgen-den Hitzetagen (hier Tagestemperaturmaxima >35 °C)

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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in den Nadeln große Mengen an Substanzen (Ascor-bat, Procyanidine) gebildet werden, die z. B. die Frei-setzung von ungebundenen Elektronen (freie Radika-le, ROS, „Reaktive Sauerstoffspezies“) verhindern sol-len (Abb. 2 a und b). Dies führt zur Stabilisierung vonZellstrukturen und ist eine aktive physiologische An-passung an Witterungsstress.

Beispiel 2: Reaktion auf WassermangelBei den vorgestellten Laborversuchen blieb der häufigin Verbindung mit erhöhten Temperaturen auftretendeWassermangel unberücksichtigt. Kiefern beantwortenTrockenstressereignisse mit einer Reduktion des Ra-dialwachstums im Folgejahr. Die Ursache hierfür isteher eine Verminderung der Zellzahl im Xylem als ei-ne Reduktion der Zellgröße (EILMANN et al. 2009).

Bevor es zu diesen modifikativen Veränderungen inden Holzeigenschaften der Kiefer kommt, findet insbe-sondere in den Nadeln eine abgestufte Kaskade vonStressreaktionen statt, die zunächst die Stressvermei-dung (stress avoidance) zum Ziel hat. Am Beginn die-ser Reaktionen steht die Schließung der Spaltöffnun-gen, wodurch sowohl ein weiterer Wasserverlust alsauch der Gasaustausch vermieden wird. Dabei führtinsbesondere die Anreicherung des Sauerstoffs und dieEntstehung von Radikalen Sauerstoffspezies (ROS),durch Übertragung von freien Elektronen aus der Fo-tosynthese auf den Sauerstoff, zu einer Anschaltungder antioxidativen Stressantwort. Je nach Dauer desWassermangels erhöht sich zunächst das osmotischePotenzial in den Zellen, die Kohlenhydratgehalte neh-men zu und später steigt der Gehalt der freien Amino-säure Prolin. Weitere Veränderungen betreffen u. a.den Phytohormonstoffwechsel und die Proteinsynthe-se (Übersicht bei KÄTZEL und LÖFFLER 2007a).

Die physiologischen Untersuchungen von 70 mittelal-ten Kiefern auf den intensiven Dauerbeobachtungsflä-chen der Länder Brandenburg und Berlin (Level II) inden extremen Sommertrockenperioden 1999, 2003 und

Abb. 2 a und b: Veränderungen anpassungsrelevanter Nadelinhaltsstoffe der Kiefer (2. Nadeljahrgang) nach maximalenTagestemperaturen >35 °C an ein und zwei aufeinander folgenden Tagen (Datengrundlage: Level-II-Dauerbeobach-tungsflächen; Untersuchungsjahre 1998 bis 2000; 1998 = 4 Flächen mit jeweils 10 Bäumen; 1999, 3 Flächen mit jeweils10 Bäumen und 2000 = 6 Flächen mit jeweils 10 Bäumen)

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2006 zeigten deutlich die einzelnen Phasen der Stres-santwort. Keiner dieser Bäume ist jedoch infolge die-ser Trockenperioden nachhaltig geschädigt wordenbeziehungsweise abgestorben. Aus diesen Ergebnis-sen ist zu schlussfolgern, dass die physiologischeStressreaktion erfolgreich war und die Toleranzgrenzeder Kiefer deutlich über diesen Intensitäten liegt.

Ähnliche Ergebnisse erbrachten Untersuchungen zurTrockenstresstoleranz mediterraner Eichenarten (Säm-linge). So führte Wassermangel über 14 Wochen beiQuercus ilex zu einer erhöhten Zellmembranstabilität,aber zu keiner erhöhten Mortalität (VILLAR-SALVADOR

et al. 2004). Zur Begrenzung des Wasserverlustes nah-men die Gesamtblattfläche der Pflanzen und die sto-male Leitfähigkeit ab, während der Feinwurzelanteilzunahm. Bei einem Vergleich zwischen verschiede-nen Eichenarten erwies sich Q. macrolepis als tro-ckenstresstoleranter als Q. ilex, Q. pubescens undQ. frainetto (FOTELLI et al. 2000).

Untersuchungen an Buchen-Sämlingen erbrachten kei-ne Zunahmen der Feinwurzelanteile bei Trockenheit,aber einen steigenden Feinwurzelumsatz (geringereLebensdauer der Einzelwurzel), wobei quantitativeUnterschiede zwischen den genetischen Herkünftenbestanden. Allerdings war der genetische Einfluss aufdie Morphologie der Blätter und Stämme weitaus grö-ßer als auf die phänotypische Plastizität der Wurzel(MEIER und LEUSCHNER 2008). Wie Freilanduntersu-chungen auf der iberischen Halbinsel zeigen, entschei-det über die Trockentoleranz von Buchen-Sämlingengleichfalls der Lichtgenuss. Buchen in Bestandeslücken waren toleranter als Buchen im Unterstand. Dies be-stätigte sich auch bei künstlicher Bewässerung, umdie Wasserkonkurrenz durch den Oberstand auszu-schalten. In jedem Fall ist die Stresstoleranz an dieGehalte von Kohlenhydraten und weiteren Energiere-serven gebunden, die nur durch eine möglichst opti-

male Fotosynthese bei entsprechendem Lichtangebotbereitgestellt werden können (ROBSON et al. 2009).

Klimafaktoren beeinflussen nicht nur die blatt- und holz-anatomischen Eigenschaften, sondern auch das Ab-wehrpotenzial gegenüber biotischen Schaderregern(siehe MÖLLER, Kapitel 7 dieser Schrift). Für die Fichtekonnte gezeigt werden, dass der klimabedingte Wachs-tumsschub der Bäume mit einer Abnahme der Phenol-gehalte in den Nadeln korrespondiert (SALLAS et al.2003). Dies steht in Übereinstimmung mit der „growth-or-defence“-Hypothese zur Verteilung der bei der Fo-tosynthese gebildeten Kohlenhydrate (C-Allokation)(HERMS und MATTSON 1992; KÄTZEL und LÖFFLER 2007a).

Beispiel 3: Klimabedingte phänologische ReaktionenDie bioklimatisch sichtbarste Wirkung des Klimawan-dels sind die immer früher einsetzenden Austriebs-und Blühperioden der Waldbäume (AHAS et al. 2002).Wie Untersuchungen an Birken über eine 38-jährigeZeitreihe zeigen, wird nicht nur die Winterdormanz frü-her abgebrochen, sondern auch die Pollenmengenstiegen über die Jahre deutlich an (FREI und GASSNER

2008). Dies ist einerseits für die genetische Anpas-sung (siehe oben) günstig, anderseits steigt die aller-gene Belastung und setzt 15 Tage früher ein.

Neben den Temperaturenextremen im Sommer dürf-ten insbesondere überdurchschnittlich warme Winter(z. B. 2006/2007) die Vitalität der Waldbäume beein-flussen. Um einen modellhaften Zusammenhang zwi-schen den Winter-Tagestemperaturen und dem Vege-tationsbeginn herzustellen, bedient sich die Agrar-meteorologie der sogenannten „Grünland-Temperatur-Summe“ (GTS). Diese berechnet sich aus der Summeder positiven Tagesmitteltemperaturen ab Jahresbe-ginn, wobei die Monate Januar und Februar mit ge-staffelten Korrekturfaktoren abgewertet werden. DerTag, an dem die so kumulierte GTS den Wert 200

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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Abb. 3: Änderung der „Grünland-Temperatur-Summe 200 grd“(GTS) von 1890 – 2007 (Säkular-station des DWD, KALLWEIT un-veröffentlicht)

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(„GTS 200“) erreicht, gilt als der „theoretische Vegeta-tionsbeginn“. Vergleicht man die einzelnen Jahre fürdie seit 1893 ununterbrochene Beobachtungsreihe dertäglichen Lufttemperaturen in Potsdam bezüglich die-ses „theoretischen Vegetationsbeginns“, so werden diegroßen Unterschiede, z. B. zwischen dem Jahr 1917(123. Tag = 30. April) und dem Jahr 2002 (68. Tag = 9. März), deutlich. Über einen Zeitraum von 115 Jah-ren betrachtet, zeigt sich seit Anfang der 1960er Jahreein Trend zu einer stetigen Verfrühung des „theoreti-schen Vegetationsbeginns“ (Abb. 3). Während von 1893bis 1989 die „GTS 200“ nie vor dem Tag 70 (11.03.)erreicht wurde, wurde dieser Termin seither schon sie-ben Mal unterboten.

Dass dies auch Auswirkungen auf Waldbäume hat,zeigen u. a. die phänologischen Untersuchungen zumAustriebsverhalten (MENZEL 1997; FABIAN und MENZEL

1998). In den letzten 100 Jahren hat sich der Aus-triebsbeginn je nach Baumart um 10 – 15 Tage vorver-lagert und die Vegetationsperiode damit verlängert.

Nach derzeitigem Kenntnisstand hat die Temperaturbei den meisten heimischen Gehölzarten (AusnahmeFrühblüher) vor allem eine „modifizierende“ Wirkung,da alle biochemischen Prozesse temperaturabhängigsind. Thermorezeptoren, die physiologische Reaktio-nen steuern (z. B. bei Tieren gut untersucht), sind fürPflanzen bisher nicht beschrieben worden. Für die„Anschaltung“ einer Vielzahl pflanzenphysiologischerProzesse ist die Lichtintensität in unterschiedlichenWellenlängen die entscheidende chronobiologischeSteuerungsgröße. Die Photoperiode von Lang- undKurztagspflanzen soll hier als prominentes Beispielangeführt werden. Entsprechende Lichtrezeptoren, dieStrahlungsintensitäten in molekulare Signale überset-zen, sind bereits gut untersucht. Dieses Wirkungsge-füge wird also maßgeblich vom Sonnenstand und nichtvon der Witterung beeinflusst. Dennoch könnten ausden „widersprüchlichen“ physiologischen Informationenzwischen winterlicher Strahlungsintensität einerseitsund den frühlingshaften Temperaturen, die den Stoff-wechsel aktivieren, anderseits für den Baum physiolo-gische Stresszustände entstehen, die bisher jedochnicht untersucht sind.

Bei den phänologischen Reaktionen der Waldbäumemuss gleichfalls berücksichtigt werden, dass die zeit-lichen Abfolgen der Prozesse maßgeblich genetischdeterminiert sind. Dies belegen phänologische Beob-achtungen an Eiche und Rot-Buche in Herkunftsver-suchen. So trieben zum Beispiel auf den vier Versuchs-flächen eines europäischen Buchen-Herkunftsversu-ches in Sachsen die bulgarische Herkunft sehr frühund die niederländische Herkunft sehr spät aus. Bezo-gen auf den Austriebstermin einer einzigen Herkunftunterschieden sich die vier Versuchsflächen mit unter-schiedlicher Höhenlage um mehr als 10 Tage, wassich nicht allein durch die Temperatursummen erklä-ren ließ (WOLF 2008).

Bleibt die Frage, welche weiteren baumphysiologischenProzesse von den hohen Wintertemperaturen beleg-

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bar nachteilig beeinflusst werden. Ein besonderes Ri-siko entsteht zweifellos bei einer frühzeitigen Aufhe-bung des Kälteschutzes. Bäume unserer Breiten stellensich am Ende der Vegetationsperiode durch die Einla-gerung von Alkohol-Zucker-Verbindungen auf Frost-temperaturen ein, so können die Wassermoleküle inden Zellen und Gefäßen nicht einfrieren. Mit zunehmen-der Temperaturerhöhung vermindert sich die Frostto-leranz wieder und das Spätfrostrisiko steigt. Je zeiti-ger der Frostschutz infolge hoher Temperaturen auf-gehoben wird, desto höher ist das Schadrisiko beispäter einsetzenden Frostperioden. Solange stärkereFrostereignisse im Frühjahr ausbleiben, droht auchkeine Gefahr.

Weitere Risiken liegen für Bäume in dem überpropor-tional hohen Verlust an gespeicherten Kohlenhydratenwährend der Vegetationsruhe. Da Bäume als lebendeOrganismen wie auch der Mensch im Winter atmenmüssen, um leben zu können, werden die Stärkere-serven in Wurzel und Stamm als Energiequelle ge-nutzt. Die Atmungsrate – und damit der Verlust anKohlenhydraten – steigt mit höheren Temperaturen.Dies dürfte z. B. für die zerstreut porigen Eichen be-sonders riskant sein, da aus dem winterlichen Kohlen-hydratspeicher nicht nur die neue Blattmasse, son-dern auch das Xylem mit den ersten Transportgefäßengebildet werden muss. Laubbäume, die auf Grundfehlender Blätter nicht auf die Fotosynthese umschal-ten können, sind eher gefährdet als Nadelbäume. Diegeringe winterliche Strahlungsintensität begrenzt aberauch die Fotosyntheseleistung der Nadelbäume.

Parallel zu den überdurchschnittlich hohen Wintertem-peraturen gehen häufig hohe Niederschlagsmengen alsRegen nieder. Erste Untersuchungen in Süddeutsch-land zeigen, dass die fehlende Transpiration zur Stau-nässe im Wurzelbereich führt. Der dadurch einsetzen-de Sauerstoffmangel (Anaerobie, Anoxie) begünstigtdas Absterben der Feinwurzeln (RENNENBERG, mdl. Mit-teilung). Diese Gefahr dürfte durch die höheren Ver-sickerungsraten bei Sandböden gemindert sein.

Beispiel 4: Herkunftsbedingte Unterschiede in derphysiologischen StressantwortAbschließend soll noch einmal auf die genetischen/herkunftsbedingten Unterschiede des Anpassungspo-tenzials der Baumarten hingewiesen werden. Her-kunftsversuche, die ursprünglich zumeist mit ertrags-kundlichen Zielstellungen angelegt wurden, bilden heu-te eine wichtige Grundlage, um ökophysiologische Fra-gestellungen zur Anpassungsfähigkeit unterschiedlicherHerkünfte des Verbreitungsgebiets einer Art zu unter-suchen. Dabei zeigt sich häufig, dass Zuwachs und phy-siologische Anpassung konkurrierende Prozesse sind.In einem 15-jährigen Buchenherkunftsversuch (Kiel) do-minierten zunächst die Herkünfte aus Brandenburgund Spanien. Nach der Trockenperiode 2003 fielendie Zuwächse der Herkünfte aus Brandenburg undTschechien in den Folgejahren stark ab, während nundie Herkünfte aus dem Harz und Rumänien die höchs-ten Kreisflächenzuwächse aufwiesen. VermindertesWachstum ist nach heutigem Kenntnisstand mit einer

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verminderten Konkurrenzkraft (Wachstum als Erobe-rung des Raumes in der Konkurrenz um Licht gegenü-ber den nächsten Nachbarn) verbunden. Allerdings istnoch unklar, wie sich künftig potenzielle Konkurrentenverhalten werden, da sich die intraspezifischen Kon-kurrenzbeziehungen künftig ebenfalls verändern. Dieschlechter wachsenden Herkünfte hatten sich prophyl-aktisch mit verminderter Spaltöffnungsweite, folglichmit eingeschränkter Transpiration und geringerer Pho-tosyntheserate, auf weitere Trockenstressereignisseeingestellt (KRIEBITZSCH et al. 2008). Diese „Überle-bensstrategie“ ist physiologisch bemerkenswert, dasie „Blattgenerationen“ betrifft, die den Trockensom-mer 2003 nie „erlebt“ hatten. Bisher ist man davonausgegangen, dass eine höhere Temperaturtoleranznur über eine höhere Wasserverfügbarkeit des Stand-ortes „erkauft“ werden kann, da die Transpirationsra-ten steigen würden. Mit zunehmendem Anstieg desCO2-Gehaltes der Luft wird die Stomataleitfähigkeitvon Bäumen (und damit der Wasserverlust) aber umbis zu 20 % abnehmen. Dadurch sinkt die Transpira-tionsrate stärker als die Fotosyntheserate (ROLOFF

und RUST 2008).

Anhand eines 13-jährigen Kiefernprovenienzversu-ches konnten REHFELDT et al. (2002) zeigen, wie ent-lang des Ost-West-Gradienten des russischen Ver-breitungsgebietes das Höhenwachstum mit der Wär-mesumme (>5 °C) des Ursprungsgebiets korreliert.Entsprechend der großen Plastizität der Baumart gin-gen die Wachstumshöhenkurven je nach Herkunft in-einander über. So kumulierte das Wachstum bei eini-gen Herkünften bereits bei 1500 grd, während andere2700 grd benötigten (Abb. 4).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen DAVIS et al. (2005)für Pinus contorta aus unterschiedlichen Herkünften

West-Kanadas und schlussfolgern, dass die Häufigkeiteiner heute wachstumsdominanten Herkunft durch be-nachbarte (künftige besser angepasste) Populationenreduziert wird, wenn der Genaustausch gesichert ist.

Eigene Untersuchungen in dem im Jahre 1908 vonSCHWAPPACH angelegten Kiefern-Herkunftsversuch„Chorin 85“ unterstreichen die unterschiedlichen An-passungs- und Wachstumsstrategien der Kiefern ausklimatisch unterschiedlichen Ursprungsgebieten. DerVersuch berücksichtigt acht Kiefernherkünfte, die vonSchottland im Nordosten, Frankreich im Südwestenund Russland im Osten reichen (Übersicht bei KÄTZEL

und LÖFFLER 2007a; SCHNECK 2007). Periodische Auf-nahmen ertragskundlicher Parameter zeigten, dass Kie-fern der Provenienz Masuren die größten Höhen undStammdurchmesser erreichten. Den geringsten Wachs-tumserfolg bei gleichzeitig schlechtester Schaftformerzielten die Kiefern der französischen Herkunft (LO-CKOW 2002). Neben den ertragskundlichen Ergebnis-sen lassen eine Reihe von Sekundärinformationen auferhebliche Unterschiede bezüglich Stresstoleranz undPrädispositionen gegenüber biotischen Schaderregernschließen. Noch im Kulturstadium waren z. B. die Her-künfte Schottland und Russland deutlich stärker vonAusfällen nach dem Trockenjahr 1911 sowie von derKiefernnadelschütte (Lophodermium seditiosum) be-troffen.

Physiologische Untersuchungen zur Trockenstressto-leranz im „Jahrhundertsommer“ 2003 zeigten u. a.,dass die größten Wasserverluste in den drei Nadel-jahrgängen in Kiefern der Herkünfte Lettland, Masu-ren und Russland auftraten, während von den Her-künften Frankreich und Brandenburg die nadelalter-spezifischen „Kritischen Werte“ nicht unterschrittenwurden. Noch deutlicher werden die Unterschiede,wenn die Gehalte der stressanzeigenden AminosäureProlin im 1. Nadeljahrgang betrachtet werden. Wäh-rend nur wenige Bäume der Herkünfte Frankreich undBrandenburg den „Kritischen Wert“ von 1 % des Ge-samtaminosäuregehaltes überschritten, lagen die Me-dianwerte der drei östlichen Herkünfte signifikant überden Schwellenwerten – ein Signal für stressinduzierteAnpassungsreaktionen.

Vor dem Hintergrund der Klimaänderungen stellt sichdie Frage, in welchen Regionen Europas bereits jetztHerkünfte der heimischen Waldbaumarten an Klima-bedingungen angepasst sind, die die Zukunftsszena-rien für (Nord-) Deutschland abbilden. Ob diese An-passungspotenziale genutzt werden können, wäre zwin-gend durch Herkunftsversuche zu überprüfen. Vor ei-ner pauschalen Verwendung von Vermehrungsgut ausdiesen Regionen muss gewarnt werden (LIESEBACH

et al. 2007). Wie bereits eingangs erwähnt, sind zurBewertung der Anpassungsfähigkeit und Anbaueig-nung eine Vielzahl von Ursache-Wirkungs-Mustern zuberücksichtigen und nicht nur die Toleranz gegenüberTemperaturerhöhung und Wassermangel. So ist z. B.in Zukunft die Frosttoleranz ein wichtiges Eignungskri-terium, da Frostereignisse auch weiterhin in unserenBreiten auftreten werden.

Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung an Klimaextreme – eine Betrachtung zu baumartenspezifischenRisiken aus Sicht der Ökophysiologie

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Abb. 4: Klinale Variation des Höhenwachstums von 13-jährigen Kiefern unterschiedlicher Herkünfte als response function in Abhängigkeit von den Temperatur-summen (> 5 °C) des Ursprungsgebietes (nach REHFELDT

et al. 2002)

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Schlussfolgerungen

Zweifellos sind Klimaänderungen und insbesondereWitterungsextreme einschneidende Selektionsfaktoren,die die Waldstruktur einschließlich der Baumartenzu-sammensetzung verändern werden. Selektion ver-schiebt natürlicherweise Konkurrenzbeziehungen undsie führt zu „Verlierern“, aber auch zu „Gewinnern“ aufallen ökosystemaren Ebenen (Individuum, Population,Ökosystem, Waldgesellschaft, Landschaft).

Alle Empfehlungen zur Baumarteneignung basierengegenwärtig auf einer gutachterlichen Bewertung(„qualitatives assesment“). Für dieses fehlt es noch anbelastbaren Forschungsergebnissen. Kombiniert mandie gegenwärtigen Konzepte und die ihnen zu Grundeliegenden Kriterien zur Angepasstheit und Anpas-sungsfähigkeit von Baumarten, so sind je nach Stand-ort die Überlebensprognosen für z. B. Birke, Hainbu-che, Schwarz-Erle, Feld-Ahorn und Robinie groß. Wiedendroökologische Untersuchungen (siehe SCHRÖDER,dieser Schrift) zeigen, reagiert die Wald-Kiefer zuneh-mend auf den Klimawandel, ohne bisher jedoch dietatsächlichen Grenzen ihren physiologischen Toleranz-bereiche für abiotische Stressfaktoren erreicht zu ha-ben. Einschränkungen in der physiologischen Ange-passtheit und der genetischen Anpassungsfähigkeitbestehen für die Stiel- und Trauben-Eiche sowie fürdie Rot-Buche. Gerade für diese vier wichtigen Wirt-schaftsbaumarten widersprechen sich die Prognosenaus den statischen und dynamischen Ansätzen (vgl.KÖLLING und ZIMMERMANN 2007). Einigkeit besteht da-gegen bezüglich der kritischen Entwicklungsprognosefür die Gemeine Fichte.

Die dargestellten Beispiele aus der Gehölzphysiologieunterstreichen, dass Bäume zu komplexen Stressre-aktionen befähigt sind, die ihnen helfen, das Überle-ben zu sichern. Die wenigen unter Freilandbedingun-gen durchgeführten Untersuchungen zur physiologi-schen Angepasstheit der Hauptbaumarten deuten aufeine relativ hohe Variabilität der Anpassungsreaktio-nen hin. Aus heutiger Sicht ist für den Zeitraum dervorgelegten Klimaszenarien (bis 2060) nicht davonauszugehen, dass sich im norddeutschen Raum dasÖkosystem Wald in eine „Waldsteppe“ wandeln wird.Allerdings ist ein Wandel der Baumartenzusammen-setzung und der Waldstruktur regional differenziertund in Abhängigkeit von der Ausgangssituation wahr-scheinlich, was sich auch auf den wirtschaftlichen Er-trag auswirken wird. Da der Erfolg der Anpassungsre-aktionen von einer Vielzahl von Begleitumständen,und nicht zuletzt von der individuellen genetischenKonstitution, abhängig ist, müssen für die Risikovor-sorge eine Reihe von Maßnahmen in das künftigeWaldmanagement einbezogen werden.

Noch bevor Hoffnungen auf ökophysiologisch unbe-kannte, fremdländische Baumarten entwickelt werden,ist zunächst die Anpassungsfähigkeit der vorhande-nen Wälder mit überwiegend heimischen Baumartenzu sichern. Notwendig hierfür sind individuenreichePopulationen mit einer hohen genetischen Vielfalt und

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einem hohen Verjüngungspotenzial. Diese Populatio-nen geeigneter Baumarten sind das Rückgrat klima-plastischer Wälder (siehe JENSSEN, Kap. 11 dieserSchrift). Die genetische Variabilität ist als forstgeneti-sche Ressource die entscheidende Sicherheitsreser-ve bei einer Selektion durch extreme Klimafaktoren(KÄTZEL 2007)! Für die forstliche Praxis bedeutet diesu. a. ein langfristiges Vorgehen bei der natürlichen Ver-jüngung von Beständen.

Auf der Grundlage von Erfahrungen aus zurückliegen-den Störungsereignissen oder ggf. anhand ökophysio-logischer/genetischer Inventuren ist im Zweifelsfall zuprüfen, ob reproduzierende Bestände als Saatgutquel-le für die natürliche Verjüngung und damit für die Zu-kunftsfähigkeit der Wälder geeignet sind. Möglicher-weise kommt künstlichen Verjüngungsmaßnahmen mitzertifizierten Forstpflanzen aus genetisch charakteri-sierten Erntebeständen zukünftig eine größere Bedeu-tung zu. Allerdings ist zunehmend mit Schwankungenin der Saatgutversorgung zu rechnen, da die Saatgut-produktion von Witterungsextremen negativ beein-flusst wird. Dies betrifft insbesondere die kritischePhase der Blütenbildung, Wassermangel in der Reife-phase sowie die zunehmende Gefahr von Insekten-schäden und Infektionen des Saatgutes. Bei einerkünstlichen Verjüngung müssen bereits bei der Saat-gutgewinnung alle Maßnahmen berücksichtigt wer-den, die eine hohe genetische Vielfalt gewährleisten.Gegebenfalls ist Saatgut eines Ausgangsbestandesaus verschiedenen Erntejahren bzw. Pflanzen aus An-zuchten aus verschiedenen Erntebeständen zu mi-schen. Um Störungen im genetischen System frühzei-tig zu erkennen, ist die Einführung eines genetischenMonitorings als Bestandteil einer umfassenden forst-lichen Umweltkontrolle eine notwendige Vorausset-zung. Hier kann auf entsprechende Erfahrungen ausPilotstudien u. a. der Rot-Buche, Trauben-Eiche undVogel-Kirsche zurückgegriffen werden (KÄTZEL et al.2005; MAURER und KÄTZEL 2007).

Die meisten Ergebnisse aus physiologischen Untersu-chungen lassen den Schluss zu, dass die Anpas-sungspotenziale der Waldbäume an jeweils einenStressfaktor meist höher sind als erwartet. Kritischwird es allerdings, wenn zu extremen Klimafaktorenweitere Stressfaktoren (Insektenfraß, Bodenversaue-rung, Immissionen, Bodenverdichtung, Grundwasser-absenkungen etc.) hinzukommen. Im Rahmen der Ri-sikovorsorge müssen deshalb zusätzliche Belastun-gen vermieden werden. So müssten gegebenenfallsPflanzenschutzmittel eher beziehungsweise häufigerappliziert werden als z. Z. üblich. Überhöhte Schalen-wildbestände stellen ebenfalls sekundäre Schadfakto-ren dar. Wenn sich im Zuge von Ausleseprozessenstresstolerantere Baumindividuen herausbilden, diesejedoch frühzeitig von Herbivoren gefressen oder durchWaldbrand vernichtet werden, sind die biologischenSelbstregulationsprozesse erfolglos.

Um forstwirtschaftliche Risiken und Schäden, die sichaus diesen Veränderungen ergeben könnten, recht-zeitig zu erkennen und ggf. zu mindern, ist ein moder-

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nes forstliches Monitoring mit starkem regionalen Be-zug für unsere Wälder unverzichtbar. Wie eingangsdargelegt, werden extreme Klimafaktoren zu einemverstärkten Absterben von einzelnen Bäumen inner-halb von Beständen führen. Für verschiedene Maß-nahmen (Holznutzung, Waldschutz, Gefahrenabwehrzur Verkehrssicherung etc.) sollten diese Bäume be-ziehungsweise Baumgruppen frühzeitig erkannt wer-den. Hierfür werden Fernerkundungsverfahren immerbedeutsamer. Gleichfalls sind im Zuge der periodi-schen, intensiven forstlichen Dauerbeobachtung Indi-katoren notwendig, die die Stressbelastung von Bäu-men durch Klimafaktoren frühzeitig erkennen und be-werten (Reaktionsindikatoren). Die Potenziale dieser„Anpassungsvielfalt“ in den Beständen müssen künftigbesser erkannt und genutzt werden (z. B. Saatgutge-winnung). Hierfür wurde im Land Brandenburg ein ent-sprechendes „Biomarker-Konzept“ entwickelt (KÄTZEL

2003).

Für langfristige Anpassungsstrategien sollte unver-züglich der Anbauerfolg von Herkünften aus dem Ver-breitungsgebiet heimischer Baumarten getestet wer-den, die aus Regionen stammen, in denen bereits jetztjene Klimabedingungen herrschen, die für Deutsch-land prognostiziert werden. Damit gewinnen Herkunfts-versuche für die Hauptbaumarten wieder zunehmendan Bedeutung (siehe oben). Andererseits können ei-gene, genetisch gut charakterisierte Herkünfte (z. B.Kiefer) für die Verwendung in anderen derzeit nochkühleren und feuchteren Regionen Europas in-teres-sant sein. Generell ist für die Herkunftsforschung zufordern, die genetischen und waldwachstumskundli-chen Auswertungen künftig stärker mit Untersuchun-gen zu anpassungsrelevanten Merkmalen zu verbin-den. All diese Maßnahmen sind bereits heute erforder-lich, um übermorgen die Folgewirkungen des Klima-wandels mindern zu können.

Zusammenfassung

Unterschiedliche forstliche Fachdisziplinen sind der-zeit bemüht, die Grenzen der Anpassungsfähigkeitvon Waldbaumarten vor dem Hintergrund der abge-leiteten Klimaszenarien zu bewerten. Die wenigenunter Freilandbedingungen durchgeführten Untersu-chungen zur physiologischen Angepasstheit derHauptbaumarten deuten auf eine relativ hohe Variabi-lität der Anpassungsreaktionen hin, die u. a. auf einehohe genetische Reaktionsnorm und auf eine hohegenetische Vielfalt auf Populationsebene zurück-zuführen sind. Bei Baumarten mit zeitiger, häufigerund hoher Fruktifikationsrate (r-Strategen) steigt dieWahrscheinlichkeit der genetischen Anpassung überneue Genotypen. Genotypen/Arten, die entsprechendihrer genetischen Reaktionsnorm entgegengesetz-ten Anpassungsstrategien (K-Strategen) unterwor-fen sind, werden in der Konkurrenz unterliegen.Physiologische Anpassungsreaktionen werden an-hand von Beispielen (Hitze im Sommer, warme Winter) und unterschiedlicher genetischer Herkünfte diskutiert.

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Einleitung

Hintergrund

Das nordostdeutsche Tiefland nimmt den größten Teildes Bundeslandes Brandenburg ein und gehört zuden Regionen, die vom anthropogenen Klimawandelam deutlichsten betroffen sind (GERSTENGARBE et al.2003). Die Folgen sind als Erhöhung der Durchschnitts-temperaturen bei etwa gleich bleibendem Niederschlagbereits für die vergangenen 50 Jahre nachweisbar; dieZukunftsszenarien weisen auf weiter steigende Tempe-raturen sowie die Verringerung und Verlagerung derNiederschläge hin (WECHSUNG et al. 2008, Abb. 1).Diese Veränderungen beeinflussen unmittelbar dieforstliche Landnutzung in Brandenburg, die sich im We-sentlichen auf die Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris L.)sowie in zunehmendem Maße auf die heimischen Ei-chenarten (Quercus spec.) stützt. Unter den gege-benen Standortsverhältnissen ist die Wasserversor-gung schon jetzt häufig der limitierende Faktor für dasWachstum dieser Baumarten (KOPP und SCHWANECKE

1994; LASCH et al. 1999), zunehmender Wasserstressgilt außerdem als eine der Ursachen für die seit Jahrenzu beobachtenden Vitalitätsprobleme z. B. der Trau-ben-Eiche (Quercus petraea [Matt.] L.) (THOMAS et al.2002; KÄTZEL et al. 2006). Zur Abschätzung der lang-fristigen Perspektiven der Forst- und Holzwirtschaft inBrandenburg bedarf es deshalb wissenschaftlich fun-dierter, aussagekräftiger Modelle zur Schätzung desRisikos, das mit der Orientierung auf Kiefer und Eichefür die Zukunft verbunden ist.

Forschungsansatz

Viele klimatische Extreme verursachen nicht nur un-mittelbare Zuwachs- und damit Ertragseinbußen, sieschwächen zusätzlich die Vitalität der Bäume, begren-zen also deren Fähigkeiten, widrigen Umweltbedingun-gen zu widerstehen, und erhöhen das Risiko des Ab-sterbens. Aus dem engen Zusammenhang zwischenWachstum bzw. Zuwachs und Vitalität wird deshalbder Ansatz abgeleitet, den Verlauf der Wuchsleistun-gen als Indikator für die Vitalitätsentwicklung zu analy-sieren (UFNALSKI und SIWECKI 2000; DOBBERTIN 2005).Besonders geeignet ist auf Grund seines engen Zu-sammenhangs mit dem Vitalitätszustand und der Mög-lichkeit, Bohrkerne für retrospektive Untersuchungen zunutzen, der Radialzuwachs auf Brusthöhe (KÄTZEL et al.2006). Mit den Analysen soll somit das Risiko geschätzt

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werden, dass Bäume als Folge von Witterungsschwan-kungen extreme Zuwachs- und damit Vitalitätseinbrü-che zeigen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Ab-sterben führen können.

Daten und Methoden

Datengrundlage

Die Untersuchungen stützen sich auf Daten, die imRahmen des BMBF-geförderten Verbundprojekts „Oak-Chain“ erhoben wurden (SCHRÖDER 2008; ELMER et al.2009). Grundlage sind zum einen umfangreiche Aus-wertungen von Bohrkernen aus Mischbeständen vonTrauben-Eiche und Kiefer in Nordostdeutschland undPolen (siehe unten). Ein Teil dieser Bestände ist alsWest-Ost-Sequenz mit zunehmender Kontinentalität

Risiken durch Witterungsextreme fürKiefer und Eiche in Nordostdeutschland:Ansätze zur Schätzung des Gefähr-dungspotenzialsJENS SCHRÖDER

Abb. 1: Vergleich der durchschnittlichen Jahresnieder-schläge in der Periode 2046-55 mit der Referenzperiode1951-2000 nach dem Szenario von GERSTENGARBE et al.(2003) für Brandenburg. Dargestellt sind die Differenzendes Szenarios zur Referenzperiode, die eine flächende-ckende Abnahme der Niederschläge um bis zu 200 mmpro Jahr bedeuten

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von Sachsen-Anhalt bis Ostpolen organisiert („K1“ bis„K5“, Tab. 1) und stockt auf edaphisch und hydrolo-gisch vergleichbaren Standorten mittlerer Nährkraft beidurchschnittlicher Wasserversorgung. Zusätzlich wur-den hier nicht gesondert dargestellte Versuchsflächenmit Mischbeständen anderer Alterszusammensetzungund teilweise nach oben („K-Standorte“) sowie nachunten („Z-Standorte“) abweichender Trophie einbezo-gen (KOPP und SCHWANECKE 1994).

Eine weitere Grundlage der Auswertungen bilden Zei-treihen in Tagesauflösung für die WitterungsparameterNiederschlag (Tagessumme) und Temperatur (Tages-mittel). Für K1 bis K3 lagen sie flächenspezifisch fürden Zeitraum 1951 – 2007 aus Messungen nahegele-gener Wetterstationen vor, für die polnischen Flächenwurden Werte aus Interpolationsmodellen des Pots-dam-Instituts für Klimafolgenforschung auf Basis pol-nischer Messwerte von 1958 bis 2002 verwendet (EL-MER et al. 2009).

Auswertung von Bohrkernproben

Für die Analysen der Beziehungen zwischen Witte-rung und Radialzuwachs wurden auf jeder Versuchs-fläche an 15-20 Trauben-Eichen und Kiefern aus derherrschenden Bestandesschicht auf 1,3 m Höhe jezwei Bohrkerne senkrecht versetzt zueinander ent-nommen. Die Vermessung der Jahrringbreiten an dengetrockneten, fixierten und geschliffenen Kernen er-folgte rechnergestützt auf einem LINTAB-V-Messtischder Firma Rinntech, Heidelberg. Die arithmetischenMittel der beiden Verläufe je Baum bildeten nach Ausschluss von Bäumen mit auffällig abweichendemWachstumsgang die Basis für flächen- und baumart-spezifische Jahrring-Chronologien (zur Methodik imDetail vgl. BECK 2007 und SCHRÖDER und BECK 2009),d. h. für mittlere Jahrringbreiten-Zeitreihen des herr-schenden Bestandes. Diese Zeitreihen wurden überentsprechende Transformationen (sog. Prewhiteningdurch Trendeliminierung und autoregressive Modellie-rung) in Zeitreihen des mittleren Jahrring-Index über-führt. Je nach Alter der Bäume reichen die Zeitreihenbis in das 19. Jahrhundert zurück, in die Klima-Zu-wachs-Analysen ging jedoch nur die Zeit ab 1950 ein,für die auch Witterungsdaten vorlagen.

Zeitreihenanalyse

Die Jahrring-Index-Zeitreihen haben den Mittelwert 1und sind trendlos, sie erfüllen damit die notwendigen

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Tabelle 1: Versuchsflächen zur Bohrkernentnahme für Analysen der Klima-Zuwachs-Beziehungen

Name Revier + Teilfläche RW HW H Alter TEI Dg TEI Alter GKI Dg GKI[m] [a] [cm] [a] [cm]

K1 Kümmernitz 1672 a 310370 5856889 50 140 40,0 140 45,1

K2 Rochau 5149 b2 399744 5738515 130 90-180 42,7 180 46,8

K3 Schernsdorf 156 b3 464458 5782597 70 125 34,7 120 40,6

K4 Sycow 97 b 705354 5674608 200 110 34,6 110 40,1

K5 Staszów 14 c 514735 5603058 230 120 36,7 120 38,2

Stand: 01.01.2006, Alter auf Brusthöhe gerundet, RW = Rechtswert, HW = Hochwert (UTM WGS84; K1-K4: 33U, K5: 34U), H = Höhe über Nor-malnull, TEI = Trauben-Eiche, GKI = Gemeine Kiefer, Dg = Durchmesser des Grundflächenmittelstamms

Bedingungen für die Anwendung von Methoden derZeitreihenanalyse. Zur Untersuchung der Reaktion vonBäumen auf Umwelteinflüsse werden aus diesen Me-thoden die Autokorrelation und die Sensitivität ausge-wählt. Die Autokorrelation bildet den Einfluss der vor-jährigen Jahrringbreite auf die aktuelle ab, ihr Maß istder Korrelationskoeffizient zwischen einer Zeitreiheund ihrem um ein Jahr in die Vergangenheit verscho-benen Duplikat. Die Sensitivität gibt Aufschluss überdie Reaktionsstärke, d. h. über den Jahr-zu-Jahr-Wech-sel der Jahrringbreite. Die jährliche Sensitivität St undder mittlere Wert S für eine Spanne von n Jahren be-rechnen sich wie folgt:

Formel 1: Jährliche und mittlere Sensitivität mit JRB =Jahrringbreite, t = aktuelles Jahr, t-1 = Vorjahr.

Der Informationsgehalt der beiden Parameter ist engmiteinander gekoppelt (BONN 1998): Während die Au-tokorrelation als Ausdruck des Puffervermögens ge-genüber externen Einflüssen und somit als Stabilitäts-maß aufgefasst werden kann, drückt die Sensitivitätaus, in welchem Maße äußere Faktoren das Reaktions-vermögen der Bäume beansprucht haben (vgl. BECK

2007). Sie ist komplementär zur Autokorrelation alsEmpfindlichkeitsmaß zu verstehen. Der Durchschnittüber den gesamten von den Bohrkernen abgedecktenZeitraum sagt relativ wenig aus, relevanter für die Ri-sikoabschätzung ist die Entwicklung der beiden Grö-ßen über die Zeit. Diese lässt sich anhand der Mittel-werte (Sensitivität) und der Korrelationskoeffizienten(Autokorrelation) für kürzere Fenster von 21 JahrenLänge untersuchen, die vom Beginn des Untersu-chungszeitraums an jeweils ein Jahr vorrücken, bisdie Gegenwart erreicht ist.

Rechnergestützte Analysen der Klima-Zuwachs-Beziehung

Zur Untersuchung und modellhaften Nachbildung derWitterungswirkung auf Jahrringbreiten sind vielfältigemethodische Ansätze entwickelt worden (FRITTS 1976;SCHWEINGRUBER 1996). Im Mittelpunkt dieser Verfahrensteht meist die Gegenüberstellung von Jahrringindex-Zeitreihen mit dem Verlauf von einzelnen oder kombi-nierten Witterungsvariablen. Die kontinuierlichen Ver-läufe sind häufig in Monatsabschnitte unterteilt, z. B.in Monatssummen der Niederschläge und Monatsmit-

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teltemperaturen. Zur Quantifizierung des Einflusseswerden Korrelationsanalysen, Regressionsverfahrenoder komplexe Analysen mit Hilfe von response func-tions benutzt, die z. T. in Rechnerprogramme zur stan-dardisierten Datenverarbeitung integriert sind. Aus die-ser Gruppe wurde die Software DENDROCLIM2002 zurAnwendung auf das zur Verfügung stehende Daten-material ausgewählt (BIONDI und WAIKUL 2004). Als Al-ternative zur häufig willkürlichen und den biologischenProzessen nicht adäquaten Setzung der Monatsgren-zen entwickelte BECK (2004 und 2007) das Analyse-werkzeug CLIMTREG, das eine objektivierte Auswahlder Witterungsvariablen mit Hilfe automatisierter Re-gressionsanalysen erlaubt. Eingangsgrößen sind diemittleren relativen Bilanzen (d. h. die mittlere, kumulati-ve, tägliche Abweichung vom Durchschnittswert 1951 –2000 in Prozent) von Temperatur und Niederschlag.Daraus werden die folgenden Witterungsvariablen fürdas Regressionsmodell hergeleitet:

(1) die mittlere relative Niederschlagsbilanz,(2) das Quadrat von (1) zur Abbildung nichtlinearer

Zusammenhänge,(3) die mittlere relative Temperaturbilanz sowie(4) das Produkt von (1) und (3) zur Berücksichtigung

von Interkorrelationen.

Der Einfluss dieser vier Variablen auf die Jahrringindex-Zeitreihe wird in gleitenden Zeitfenstern steigenderLänge für das Sommerhalbjahr (April bis Oktober) unddie vorangegangene Winterperiode (Dezember bisMärz) berechnet und bewertet. Die Länge der Zeitfen-ster beträgt maximal 184 Tage (für das gesamte Som-merhalbjahr) und minimal 21 Tage. Die am Ende auto-matisiert ausgewählten Variablen des Regressionsmo-dells bestehen aus Kombinationen der vier Witterungs-variablen mit Zeitfenstern bestimmter Lage und Länge.In mehreren Durchläufen werden auch die Zeitabschnit-te geprüft, die die jeweils bis dahin gefundene beste Lö-sung nicht erfasst hatte. Nach der Phase des „Mo-dellaufbaus“ folgt die Entfernung nicht signifikanter Vari-ablen, damit alle Ursachevariablen des danach verblei-benden Modells statistisch signifikant sind. Weitere Op-timalitätskriterien der regressionsanalytischen Anpas-sung sind das Gesamt-Bestimmtheitsmaß, eine der

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Jahrringindex-Messwertereihe entsprechende Sensiti-vität der Modellwerte-Zeitreihe sowie eine hohe Gleich-läufigkeit zwischen diesen beiden Kurven. Das Resultatdieses Verfahrens sind Regressionsgleichungen, die ei-ne sehr genaue Anpassung an die Jahrringindex-Zeit-reihe erzeugen und biologisch interpretierbar sind.

Möglichkeiten der Risikoabschätzung

Zuwachsverhalten in der Vergangenheit

Die langfristige Zuwachsdynamik weist keine wesent-lichen Unterschiede zwischen den Flächen auf undwird in Abb. 2 am Beispiel der fünf Flächen der Konti-nentalitäts-Sequenz dargestellt. Die typischen Wachs-tumsmuster beider Baumarten in der Einzelbaummi-schung sind von K1 bis K5 in ähnlichen Relationenfestzustellen. Während die Kiefer als Pionierbaumartnach hohen Zuwächsen in der Jugendphase fallendeTrends zeigt, steigt der Radialzuwachs der untersuch-ten Eichen nach (u. a. durch die Konkurrenzwirkungder schneller wüchsigen Kiefer) zurückhaltendem Be-ginn kontinuierlich und überschreitet meist ab dem Al-tersbereich 50-70 die Durchschnittswerte der Kiefern.Bemerkenswert sind die in der jüngeren Vergangen-heit wieder steigenden Zuwachstrends bei Kiefer, dieauch auf anderen Flächen festgestellt wurden. ZumTeil ist das Phänomen durch die Mittelbildung ausherrschenden Bäumen zu erklären, zusätzlich wirkensich aber positive klimatische Wachstumsbedingun-gen in dieser Periode aus. Die Stärke des Witterungs-einflusses in einzelnen Jahren lässt sich u. a. mit Hilfevon „Weiserjahren“ abschätzen, in denen ein auffällighoher Anteil der Bäume einer Art gleichläufige Zu-wachsschwankungen zeigte (SCHWEINGRUBER 1996;SCHRÖDER et al. 2009). Die vergleichende Betrachtungder Jahrringindex-Verläufe mehrerer Versuchsflächenkann ebenfalls Jahre bzw. Abschnitte mit auffällig ähn-lichen Richtungsänderungen identifizieren, die auf dieWirkung exogener Faktoren verweisen, die unabhän-gig von der einzelnen Fläche großflächig wirksam wa-ren. Abb. 3 zeigt die Jahrringindex-Kurven für Trauben-Eichen aus dreizehn Mischbeständen mit Kiefer, diezusätzlich zur Kontinentalitätssequenz untersucht wur-

Abb. 2: Jährlicher Radialzuwachs mit Rinde (iRa m. R.) herrschender Kiefern und Trauben-Eichen im Mittel der FlächenK1-K5 von 1900 bis 2007 mit der Standardabweichung als Fehlerindikator

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den. Deutlich erkennbar ist der stark gleichläufige Ver-lauf der Zeitreihen z. B. in den Jahren 1970 – 1980 so-wie 1987 – 1997.

Der zeitliche Verlauf von Autokorrelation und Sensi-tivität folgt auf den einzelnen Flächen ähnlichen Trends,zeigt aber größere Differenzen zwischen den Kollekti-ven als beim Radialzuwachs. In Perioden hoher Auto-korrelation ist die Sensitivität in der Regel gering undumgekehrt. Im Vergleich zwischen Eiche und Kiefer fälltdie in jüngerer Vergangenheit im Durchschnitt abneh-mende Autokorrelation bei gleichzeitig steigender Sen-sitivität der Kiefer auf. Die Pufferung externer Einflüsseist damit aktuell auf das Niveau der Eiche gesunken,während die Empfindlichkeit bzw. Reaktionsstärke überdie der Eiche hinausgeht (Abb. 4).

Korrelationsanalysen auf Monatsbasis

Das Programm DENDROCLIM2002 ermöglicht die Unter-suchung von Zusammenhängen zwischen Zuwachsund Witterung auf Monatsbasis anhand von Korrela-

tionskoeffizienten und response functions. Auf Grundder geringeren Anzahl von Ergebnissen bei response-function-Analysen und der Probleme, diese biologischzu interpretieren, konzentrieren sich die folgenden Dar-stellungen auf die Korrelationsanalysen zwischen mo-natlichen Witterungswerten und jährlichen Radialzu-wachsraten. Die Analysen des Gesamtzeitraums seit1950 zeigen im Durchschnitt etwas höhere Korrela-tionskoeffizienten der Zuwachsraten mit den Monats-niederschlägen als mit den Monatsmitteltemperaturenauf den Versuchsflächen. Betrachtet man die Zeit seit1975, dann werden die Beziehungen in der Regel nochetwas straffer. Die Zahl signifikanter Korrelationen istfür die Eichen größer als für die Kiefer (Abb. 5). Amstärksten gekoppelt sind positive Zuwachsraten anvergleichsweise hohe Niederschläge im Februar (vorallem Kiefer) und im Juni (vor allem Eiche). Hinsichtlichder Temperatur fördern milde Spätwinter das Wachs-tum der Kiefer (besonders im Fall der polnischen Flä-chen), die Eiche profitiert dagegen eher von kühlenSommern. Die deutlichsten Abhängigkeiten zeigen sichfür die Eichen auf der westlichsten Versuchsfläche K1.

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Abb. 3: Jahrringindex-Kurven für Trauben-Eichen des herrschenden Bestands auf dreizehn Zusatz-Versuchsflächendes OakChain-Projekts. Der durchschnittliche Verlauf sowie Jahre mit auffälligen Abweichungen sind hervorgehoben:Kreise markieren einheitlich positive, Dreiecke einheitlich negative Abweichungen vom Mittelwert 1

Abb. 4: Autokorrelation erster Ordnung (AR (1)) und Sensitivität (S) der Jahrringbreite bei herrschenden Eichen undKiefern im Mittel der Flächen K1-K5 mit der Standardabweichung als Fehlerindikator. Datenpunkte sind die Mittelwertegleitender 21-Jahres-Perioden, aufgetragen über dem Endjahr der Periode. Die waagerechte Linie im Diagramm linksist die Signifikanzschwelle für den Korrelationskoeffizienten erster Ordnung bei α = 0,05

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Neben der Untersuchung statischer Zeiträume bietetDENDROCLIM2002 auch die Möglichkeit, wanderndeZeitfenster variabler (d. h. wachsender oder abneh-mender) und fester Länge zu betrachten. Entsprechen-de Analysen bestätigen eine seit 1950 zunehmendeAbhängigkeit zwischen Zuwachsrate und Monatsnie-derschlägen. Auch hier gilt, dass bei Eiche im Mittelhöhere Korrelationskoeffizienten erreicht werden alsbei Kiefer. Für beide Baumarten war der Juni im unter-suchten Zeitraum am wichtigsten, wobei die Abhän-gigkeit bei Kiefer z. Z. wieder abgenommen hat. Auf-fällig ist die in letzter Zeit festzustellende Relevanzdes Februars (siehe auch Abb. 5) für das Wachstumder Kiefer: Niederschläge in dieser Zeit füllen den Bo-denwasserspeicher besonders effektiv, von dem dieBäume bei der Frühholzbildung zehren. Speziell fürEiche sind zunehmend die April- und Septembernie-derschläge von Bedeutung.

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Objektivierte Auswahl von Witterungsparametern mitCLIMTREG

Das Analysewerkzeug CLIMTREG führt im Vergleich mitmonatsbasierten Verfahren zu deutlich strafferen Be-ziehungen zwischen Witterungsgrößen und Zuwachs.Mit dem Programm können entweder die gesamteLänge der zur Verfügung stehenden Zeitreihen oderauch Ausschnitte daraus untersucht werden. In derRegel steigt die Übereinstimmung zwischen Messwer-te- und Modellzeitreihe, wenn zur regressionsanalyti-schen Anpassung kürzere Zeitabschnitte herangezo-gen werden. Ein Grund liegt darin, dass die Beziehun-gen zwischen externen Faktoren und Jahrringbreiten-bildung nicht konstant sind, sondern durch das zuneh-mende Alter der Bäume, durch Anpassungsprozesseund durch sich ändernde Umweltbedingungen einemstetigen Wandel unterworfen sind. Abb. 7 und Tab. 2

Abb. 5: Signifikante Korrelationskoeffizienten zwischen Zuwachsraten und Monatsniederschlägen (links) bzw. Monats-mitteltemperaturen (rechts) für Eiche und Kiefer auf den Versuchsflächen K1-K5 im Zeitraum 1975 – 2006. Im Bereichlinks der Ordinate sind jeweils die Beziehungen zum Monat im Vorjahr dargestellt (Juni – Dezember), rechts die zumMonat im laufenden Jahr (Januar – Oktober)

Abb. 6: Signifikante Korrelationskoeffizienten zwischen Monatsniederschlägen und Radialzuwachsraten bei Eiche undKiefer am Beispiel der Fläche K1. Dargestellt sind die Werte für gleitende Fenster von 18 Jahren Länge über dem End-jahr der Periode (1970: Korrelation der Werte 1953 – 1970 usw.)

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zeigen beispielhaft die Ergebnisse der Modellbildungmit CLIMTREG auf Basis verschiedener Bezugszeiträu-me für die Fläche K3 in Ostbrandenburg.

mit dem höchsten bzw. dem niedrigsten Wert für denIndex der Jahrringbreite im Bezugszeitraum. Das Jahr1957 zeichnete sich durch ein ausgeglichenes Früh-jahr und einen kühlen, feuchten Sommer aus, im Jahr1959 dagegen war das Frühjahr überdurchschnittlichwarm und bis in den Hochsommer hinein fielen weitweniger Niederschläge als üblich. Während des Ana-lyseablaufs stellt CLIMTREG u. a. den Beitrag jeder ein-zelnen Variablen an der Zuwachsänderung im ent-sprechenden Jahr dar (siehe Abb. 8). Auch auf dieserUntersuchungsebene wird die dominierende Bedeu-tung der Niederschlagsmengen sowohl im Spätsom-mer als auch zu Beginn der Vegetationsperiode deut-lich: Am Minderzuwachs im Jahr 1959 sind vor allemdie negativen Niederschlagsbilanzen beteiligt. DieJahrringbreite des Vorjahres wirkt in beiden Jahrenwie ein Puffer in die entgegen gesetzte Richtung.

Die Höhe der Säulen in Abb. 8 entsteht als Produktder Variablen-Koeffizienten in Formel 1 mit den Wer-ten der Variablen, d. h. mit der kumulativen Bilanz derjeweiligen Witterungsgröße im betreffenden Jahr. Derjährliche Mehr- oder Minderzuwachs entspricht dannder Summe der von den einzelnen Variablen verur-sachten Zuwachsänderungen. Der von dem Analyse-werkzeug vermittelte detaillierte Einblick in die Witte-rungs-Zuwachs-Beziehungen einer bestimmten Perio-de lässt die Frage entstehen, ob eine verlässliche Ab-schätzung der zukünftigen Entwicklung durch Übertra-gung der gefundenen Zusammenhänge auf andereZeiträume möglich ist. Auf Grund der erwähnten Dy-namik des zugrundeliegenden Wirkungsgefüges soll-ten solche Extrapolationen jedoch nur mit großer Zu-rückhaltung vorgenommen werden. Die Ursachen fürdie Jahrringbildung waren schon im Referenzzeitraum1951 – 2006 so veränderlich, dass ein Modell, das inder einen Hälfte dieser Periode optimal an die beob-achtete Jahrringindex-Zeitreihe angepasst war, in deranderen Hälfte eine wesentlich schlechtere Anpassung

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Abb. 7: Vergleich der Zeitreihen des Jahrring-Index für die Gesamt-Referenzperiode 1951 – 2006 und für die Periode1975 – 2006 für Trauben-Eiche und Kiefer, herrschender Bestand, Versuchsfläche K3

Tabelle 2: Bestimmtheitsmaße der Regressionsmodelleund Gleichläufigkeit (GLK) zwischen Modell- und Mess-wertezeitreihe für Eiche und Kiefer für die Anpassung anverschiedene Zeiträume, Fläche K3

Zeit Eiche: R2 Eiche: GLK Kiefer: R2 Kiefer: GLK

1951 – 2006 0,77 0,83 0,68 0,82

1975 – 2006 0,92 0,96 0,94 0,96

In der von Westen nach Osten reichenden Versuchs-flächen-Abfolge repräsentiert die Fläche K3 mittlereKontinentalitätsbedingungen. Die Jahresniederschlägein der Region betrugen 1961-1990 im Mittel 533 mmbei 8,9 °C Durchschnittstemperatur. Für die Vegeta-tionsperiode von Mai bis September ergaben sichMittelwerte von 291 mm bzw. 16,2 °C. Nach der Aus-wertung mit CLIMTREG entscheidet unter diesen Bedin-gungen der Niederschlag über das Maß der Jahrring-breitenbildung (Formel 1). Für die Eiche zum Beispielidentifiziert das Analysetool bei Betrachtung des Zei-traums 1951 – 2006 vier Perioden im Jahresverlauf,die signifikanten Einfluss auf den Jahrring-Index hat-ten (Tab. 3).

Formel 1: Modell für den Jahrring-Index JRIm, BeispielTrauben-Eiche (a0-a10 = Koeffizienten)

JRIm = a0 + a1. N1 + a2

. N21 + a3

. (N1. T1) + a4

. JRIt-1 + a5. N2

2 +a6

. T2 + a7. (N2

. T2) + a8. N2

3 + a9. N4 + a10

. N42

Einzelne Jahre mit auffälligen Jahrring-Indexwerten,d. h. mit deutlichen Abweichungen vom mittleren Ver-lauf, lassen sich mit Hilfe der im Programm hinterleg-ten Witterungsdaten genauer analysieren. Im Fall derEiche auf K3 sind das z. B. die Jahre 1957 und 1959

Tabelle 3: Zuwachswirksame Perioden und Einflussgrößen 1951 – 2006 nach CLIMTREG für Eiche auf K3

Zeitraum 31.08.-24.10. 09.04. – 31.07. 04.08. – 30.08. 10.03. – 30.03.

Einflussgrößen N1, N12, N1·T1 N2

2, T2, N2·T2 N32 N4, N4

2, JRI(t-1)

N = mittlere kumulative Niederschlagsbilanz, T = mittlere kumulative Temperaturbilanz, JRI(t-1) = Jahrring-Index des Vorjahres

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zeigte. Abb. 9 stellt dieses Problem anhand der Mittel-kurve der beprobten herrschenden Kiefern auf derFläche K5 in Ostpolen dar.

Im Modellierungszeitraum 1959 – 1980 liegt die Gleich-läufigkeit zwischen der Modellzeitreihe und der Index-zeitreihe der gemessenen Jahrringbreiten bei 95 %,das Bestimmtheitsmaß der Korrelation zwischen bei-den Zeitreihen beträgt R2 = 0,98. Die Extrapolationdes Regressionsmodells auf die Jahre 1981 – 2002führt zu einer Gleichläufigkeit von nur noch 60 % beieinem nicht mehr signifikanten Bestimmtheitsmaß.

Schlussfolgerungen

Für die Untersuchung der Beziehungen zwischen Wit-terung und Zuwachs liegen eine Reihe geeigneter Ver-fahren und Modelle vor, die je nach Skalenebene derAnalysen die Ableitung von Aussagen in unterschied-

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licher Detailtiefe erlauben. Die vergleichende Betrach-tung der Zuwachsentwicklung für die herrschendeBaumschicht auf verschiedenen Flächen gibt Auf-schluss darüber, in welchen Jahren regional wirksameWitterungsschwankungen mit hoher Wahrscheinlichkeitzu gleichgerichteten Zuwachsabweichungen auf vielenoder allen Flächen führten. Zur Prüfung der Dynamikmöglicher Veränderungen in der Reaktionsweise derBäume auf die externen Einflüsse eignen sich Unter-suchungen zur Entwicklung von Autokorrelation undSensitivität in Jahrring-Index-Zeitreihen. Welche Wit-terungsfaktoren in welcher Ausprägung für die Zu-wachsschwankungen verantwortlich waren, lässt sichnäherungsweise auf Grundlage der relativ leicht zu-gänglichen Monatswerte von Temperatur und Nieder-schlag feststellen. Obwohl signifikante Korrelationen dermonatlichen Witterungsgrößen mit den Jahrring-Index-Werten auf den untersuchten Beispielflächen nichtüberall und auch nur für wenige Monate vorliegen, er-gibt sich auf dieser Analyseebene doch bereits ein

Abb. 8: Anteil der Variablen imModell des Jahrring-Index nachFormel 1 und Tab. 3 für Trauben-Eiche auf der Versuchsfläche K3an den Zuwachsdifferenzen 1957und 1959

Abb. 9: Vergleich der Messwerte-Zeitreihe des Jahrring-Index mit der Modellierung durch CLIMTREG auf Basis des ge-samten durch Witterungsdaten abgedeckten Zeitraums (1959 – 2002) und auf Basis der Jahre 1959 – 1974. Mit darge-stellt ist die Zeitreihe, die sich aus der Übertragung des Modells 1959 – 1974 auf den Folgezeitraum 1975 – 2002 ergibt(„Extrapolation“)

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orientierendes Bild zur Bedeutung einzelner innerjähr-licher Phasen. Danach ergeben sich überdurchschnittli-che Zuwächse bei Kiefer aus hohen Niederschlägen imFebruar und milden Temperaturen im Spätwinter bzw.zeitigen Frühjahr. Die Eiche profitiert im Wachstum vorallem von starken Juniniederschlägen und kühlen Som-mern. Aus diesen Kombinationen wird die Problematikder starken gegenseitigen Bedingtheit (Interkorrelation)zwischen den Witterungsgrößen deutlich: Feuchte Som-mermonate sind oft relativ kühl, ein trockenes Frühjahrist meist überdurchschnittlich warm. Im Rahmen dervorgestellten Korrelationsanalysen auf Monatsbasis mitDENDROCLIM2002 ist eine Trennung der Interkorrelatio-nen nicht möglich. Die Berechnung von response func-tions soll durch eine Hauptkomponentenanalyse diesesProblem umgehen, die Anwendung auf die Versuchsflä-chendaten brachte jedoch wegen der Kürze der Zeitrei-hen keine befriedigenden Ergebnisse. Korrelationsana-lysen mit gleitenden Zeitfenstern zeigen häufig einenmit der Zeit steigenden Einfluss von Witterungsgrößen,ihre Ergebnisse schwanken jedoch oft beträchtlich inAbhängigkeit von der gewählten Intervall-Länge. Diestärkere Bedeutung des Niederschlags ist zum Teilauch durch die größeren Schwankungen der entspre-chenden Monatssummen im Vergleich zu den wegender Mittelbildung relativ geringen Unterschieden derMonatstemperaturen bedingt.

Die objektivierte Auswahl der zuwachswirksamen Wit-terungsvariablen in Tagesauflösung mit dem Analyse-werkzeug CLIMTREG erlaubt eine sehr genaue Nachbil-dung der Radialzuwachsraten durch kumulative Nie-derschlags- und Temperaturbilanzen. Für einen be-stimmten Zeitraum lassen sich Phasen im Jahresab-lauf identifizieren, in denen die Witterungsfaktoren dieZuwachsbildung entscheidend beeinflusst haben. Diesist für retrospektive dendroökologische Analysen undden Vergleich der gefundenen Zusammenhänge zwi-schen verschiedenen Flächen von hohem Wert. Dasrelativ komplexe Wirkungsgefüge, das aus einer sol-chen Modellierung hervorgeht, kann jedoch nur sehreingeschränkt auf andere Versuchsflächen übertragenwerden. Zu unterschiedlich sind im Detail die Wech-selwirkungen zwischen den Faktoren, die den Wuchsbeeinflussen, und dem Baumbestand. Auch die zeitli-che Extrapolation der Regressionsmodelle sollte nur zuSchätzzwecken vorgenommen werden und in dem Be-wusstsein erfolgen, dass dies die unveränderte Wirk-samkeit der Beziehungen zwischen der Jahrringbildungund den Witterungsfaktoren unterstellt. Die räumlicheund zeitliche Übertragbarkeit wird auch dadurch be-grenzt, dass für die untersuchten Bestände in der Regelkeine extremen Abhängigkeiten von einem Minimum-Umweltfaktor bestehen, wie sie nach FRITTS (1976) Vor-aussetzung für signifikante Ergebnisse dendrochrono-logischer Analysen sind. Die analysierten Baumartenstehen in der betrachteten Region nicht an ihrer physio-logischen Leistungsgrenze, deshalb liegen auch die Er-gebnisse der response-function- und Korrelationsanaly-sen auf dem gefundenen, nicht allzu hohen Niveau.

Die zunehmende Sensitivität der Kiefer, die durch dieJahrringanalysen deutlich wurde, ergänzt die Erkennt-

nisse zu den Weiserjahren in den untersuchten Misch-beständen: Die Trauben-Eiche zeigt mehr Jahre mitgleichgerichteten Zuwachsänderungen als die Kiefer,diese sind aber gleichmäßiger auf die vergangenen100 Jahre verteilt. Die wenigen Weiserjahre der Kieferkonzentrieren sich dagegen auf den Zeitraum der letz-ten 20 Jahre und deuten damit auf eine erhöhte Emp-findlichkeit gegenüber externen Faktoren hin, die nichtmehr in dem Maße abgepuffert werden können wie inder Vergangenheit. Dass es sich dabei nicht um einenaltersbedingten Trend handelt, zeigen ähnliche Ergeb-nisse u. a. von BECK (2004), der einen Zusammen-hang zwischen höherer Sensitivität und akzeleriertemWachstum durch Eutrophierung der Standorte her-stellt. Die in den letzten Jahrzehnten wieder steigen-den Radialzuwächse der Kiefer auf den Untersu-chungsflächen (Abb. 2) belegen in Verbindung mit derzunehmenden Sensitivität nach Abb. 4 diese Thesesehr deutlich. Da für ein „hypertrophes“ Wachstum mehrWasser benötigt wird, dessen Verfügbarkeit im nord-ostdeutschen Tiefland jedoch häufig der Wuchs limi-tierende Faktor ist, sind bei abnehmenden Nieder-schlägen und/oder bei Verlagerung in nicht wachs-tumsrelvante Perioden noch höhere Sensitivitäten mitentsprechenden Risiken für das Überleben der Bäu-me zu erwarten.

Die Interpretation der vorgestellten Ergebnisse mussneben der Dynamik in den Witterungs-Zuwachs-Be-ziehungen auch berücksichtigen, dass die modellier-ten Zusammenhänge durch wirklich extreme Ereig-nisse auf andere Niveaus verschoben werden können.Das Trockenjahr 1976 etwa hat in einer Reihe Bran-denburger Kiefernbestände zu regelrechten „Trend-brüchen“ in Form starker Zuwachsrückgänge geführt,von deren Folgen sich die Bäume zum Teil bis heutenicht erholt haben. Begleitende oder von anderen Ein-flüssen erst hervorgerufene Schädigungen der Bäu-me, z. B. durch Insekten oder Pilze, sind in den be-schriebenen witterungsbasierten Risikoschätzungennicht enthalten, werden aber eine absehbar großeRolle in der weiteren Entwicklung der Wälder, nichtnur in Nordostdeutschland, spielen.

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Einleitung

Moderner Naturschutz bedeutet sowohl die Bewah-rung der biologischen Vielfalt und die Erhaltung ei-nes leistungsfähigen Naturhaushaltes als auch dieökologisch nachhaltige Nutzung natürlicher Ressour-cen (vgl. z. B. IUPN 1950; CBD 1992; BNATSCHG2002; TNC 2008) – und dies unter sich zusehendsrascher verändernden Umweltbedingungen. Verschie-dene Faktoren, wie beispielsweise biophysikalischeParameter, naturwissenschaftliche Erkenntnisse oderdie dahinter liegenden politischen, juristischen, volks-wirtschaftlichen, sozialen oder technischen Trends,bedingen erfolgreiches Gelingen bzw. Versagen von Naturschutzbemühungen (WILLOWS und CONNELL

2003). Entsprechend arbeitet Naturschutz in einemSpannungsfeld von systemisch verbundenen Fakto-

ren, dessen Komplexität eine Vielzahl von mitunternur schwer einschätzbaren Gefahren für die Errei-chung seiner Zielstellungen hervorruft (siehe auchAbb. 2).

Die konventionellen Naturschutzansätze haben dieserimmensen Komplexität bisher nur unzulänglich Rech-nung getragen. Auch wenn ein Blick in die Entste-hungsgeschichte des Naturschutzes ausreicht, umdessen reaktive, „bewahrend-konservierende“ (HEI-LAND und KOWARIK 2008) und „konstruktivistisch-tech-nomorphe“ Vorgehensweise (IBISCH und KREFT 2009)zu verstehen, so ist ein Fortbestehen dieser her-kömmlichen Paradigmen in Zeiten eines nicht-linearund rasch voranschreitenden Umweltwandels un-zweckmäßig (IUCN 2003; HANNAH et al. 2005; IBISCH

2005; HANNAH et al. 2007). Nachdem zu Beginn des

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

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Biodiversitätserhaltung in Zeiten des(Klima-)Wandels: Risikomanagementals Grundlage eines systemischen,nichtwissenbasierten NaturschutzesPIERRE L. IBISCH, BRITTA KUNZE und STEFAN KREFT

Abb. 1: Generische systemische Analyse von Klimawandelwirkungen auf die Biodiversität (IBISCH und KREFT ange-nommen)

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modernen Naturschutzes überwiegend auf einfacherelokale Bedrohungen reagiert werden musste, tratenzusehends komplexere und atopische Wirkungen hin-zu (IBISCH und KREFT 2009). Die Vulnerabilität lokalerSysteme wird gegenwärtig vermehrt von Systemenhöherer Ordnung und räumlich sehr entfernten Wirkun-gen beeinflusst („nested and teleconnected vulnerabili-ties“; ADGER et al. 2009). Eine entscheidende Ursachehierfür ist die sich rasch differenzierende und komple-xer werdende Globalisierung der Teilsysteme dermenschlichen Gesellschaft, welche im Wesentlichenauf der Industrialisierung und einer anschwellendenRessourcen-Nutzungsrate beruht.

Vor allem der anthropogene Klimawandel, u. a. einher-gehend mit Veränderungen von Durchschnittstempera-turen, -niederschlagsmengen und Saisonalität sowieder vergrößerten Variabilität mit vermehrtem Auftretenvon Extremwetterereignissen, birgt – aus anthropozen-trischer Sicht – enorme Gefahren für die Stabilität vonsozialen, ökologischen und ökonomischen Sys-temen(MCCARTY 2001; MILLENNIUM ECOSYSTEM ASSESSMENT

2005; STERN 2006; IPCC 2007; SRU 2008). Wurde inder Vergangenheit bereits die Erreichung von Natur-schutzzielen durch divergierende gesellschaftlicheInteressen sowie ‚klassische‘ anthropogene Einflüsse(wie die Fragmentierung der Landschaft, die Übernut-zung der Ressourcen oder die Auswirkungen von Luft-und Bodenverunreinigung) erschwert bzw. konterka-riert, so stellt der prinzipiell nicht prognostizierbare Kli-mawandel eine neuartige Herausforderung für den Na-turschutz des 21. Jahrhunderts dar (siehe Abb. 1 sowieLOVEJOY und HANNAH 2005; EU KOMMISSION 2006; HAN-NAH et al. 2007; TAYLOR und FIGGIS 2007; IBISCH undKREFT 2009; SRU 2008).

Es ist davon auszugehen, dass der Klimawandel u. a.zur Folge hat, dass

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

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• sich die Arealgrenzen einzelner Populationen bzw.ganzer Arten immer rascher verschieben werden,was verstärkt Abundanzänderungen, lokales Aus-sterben, Zu- und Abwanderung oder gar globalesAussterben und damit die Veränderung von Le-bensgemeinschaften nach sich zieht,

• die Bereitstellung ökosystemarer Dienstleistungen(wie z. B. Trinkwasserneubildung, Regenerierungder Bodenfruchtbarkeit oder Kohlenstoffsequestrie-rung) regional vermindert oder irreversibel verhin-dert wird und

• eine generationsübergreifende Nutzung lokal undregional vorkommender natürlicher Ressourcen (wiebeispielsweise bestimmter Gewässer oder Wald-gebiete) nicht garantiert werden kann.

(Für detaillierte Übersichten siehe z. B. HUGHES 2003,PARMESAN 2005, PARMESAN 2006; SCHOLZE et al. 2006;IPCC 2007).

Der bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahr-hunderts thematisierte Klimawandel (vgl. ENQUETE

KOMMISSION 1988) hat in der bisherigen Naturschutz-planung und im Kontext von Naturschutzmaßnahmen,-leitlinien und -gesetzen kaum Beachtung gefunden(LEMIEUX und SCOTT 2005; LOVEJOY und HANNAH 2005;LOHNER 2007; LEMIEUX et al. 2008; IBISCH und KREFT

2009). Aus der zukünftigen Konzeption von Natur-schutzaktivitäten wird dieser nicht mehr wegzudenkensein (IUCN 2003). Nach einer lang andauernden Kon-zentration des gesellschaftlichen Diskurses auf dieHerausforderung des Klimaschutzes rückt zusehendsauch die Anpassung an die Folgen des Klimawan-dels ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hierbei werdenim Kontext des Naturschutzes u. a. auch möglicheSynergien von Natur- und Klimaschutz diskutiert (SECRETARIAT OF THE CONVENTION ON BIOLOGICAL DIVER-SITY 2006). Aufgrund der komplexen Wechselbezie-

Abb. 2: Veranschaulichung derWechselbeziehungen zwischenNaturschutz(-system) und Klima-system

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hungen von Klima- und Ökosystemen muss ein demKlimaschutz förderlicher Naturschutz sowohl die Vul-nerabilität der Ökosysteme gegenüber einem „gefähr-lichen Umweltwandel“ senken (siehe Abb. 2) als auchzu einer Minderung der Treibhausgasemissionen bei-tragen (SECRETARIAT OF THE CONVENTION ON BIOLOGICAL

DIVERSITY 2006; SRU 2008; IBISCH und KREFT 2008,2009).

Der Naturschutz besteht hier aus aufeinander aufbau-enden Elementen. Während die unteren drei „Etagen“die Rahmenbedingungen, also das Fundament, für denNaturschutz vorgeben, betreffen die oberen Stockwer-ke das eigentliche Naturschutzmanagement. Die ver-schiedenen Handlungsebenen können stabilisierendoder destabilisierend aufeinander wirken und werdenvon unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteursgrup-pen beeinflusst oder gar dominiert.

Wer eine Anpassung der verschiedenen Ebenen desNaturschutzes an den globalen Umweltwandel disku-tiert, sieht sich mit Fragen konfrontiert wie beispiels-weise:• Welches sind die „kritischen Schwellenwerte“ (criti-

cal thresholds), nach deren Überschreiten Popula-tionen oder Ökosysteme kollabieren?

• Welche nicht-linearen Rückkopplungseffekte (feed-back-loop effects) werden die Veränderungen derbiotischen Systeme im Klimasystem auslösen (SRU2008)?

• Welchen möglichen Wechsel gesellschaftlicherNorm- und Wertvorstellungen werden die sich be-reits abzeichnenden Veränderungen in der Verfüg-barkeit ökosystemarer Dienstleistungen (JONES

2001; MILLENNIUM ECOSYSTEM ASSESSMENT 2005;CLARKE 2007) sowie der klimawandelbedingteStress (vgl. WELZER 2008) einläuten?

• Wie sind die beschränkten, für Naturschutzmaßnah-men zur Verfügung stehenden Ressourcen ange-sichts der sich immer weiter öffnenden Handlungs-bedarfs-Machbarkeitsschere bei gleichzeitig unzu-reichender wissenschaftlicher Evidenz am effektivs-ten einzusetzen?

Die Erkenntnis, dass weder empirisches noch theore-tisches Wissen – sei es in der Form von Datenauf-zeichnungen, Experimenten oder von Szenarien – inder Lage ist, präzise Antworten zu geben, untermauertdie Forderung nach einem antizipierenden und dyna-mischen Naturschutzansatz, welcher die Unsicherhei-ten künftiger Entwicklung (IBISCH und NOWICKI 2004;DOYLE und RISTOW 2006; PRESSEY et al. 2007; MILLAR

et al. 2007; HANNAH et al. 2007; IUCN 2008a; IUCN2008b; HEILAND und KOWARIK 2008; IBISCH und KREFT

2009) und ein geradezu explodierendes Nichtwissen(WILLKE 2002) berücksichtigt.

Naturschutz bedarf eines breiten gesellschaftlichenZuspruchs, um erfolgreich bestehen zu können (FOX

et al. 2006; KNIGHT et al. 2006). Das bedeutet, dasssowohl das Ausmaß bereitgestellter Ressourcen (Zeit,Geld, Flächen etc.) als auch die Integration von Natur-schutzbelangen in sozioökonomische Prozesse von

der Kompetenz der Naturschützer abhängt, die aktuel-len Probleme, Risiken und deren Implikationen ver-ständlich an gesellschaftliche Entscheidungsträger zuvermitteln (DIERßEN und BORK 2007). Hierfür ist es not-wendig, dass sie sich, obgleich häufig als Wissen-schaftler sozialisiert, einer Sprache bedienen, die voneinem großen Teil der Gesellschaft verstanden wird(MAGUIRE 1991).

In der jüngeren Vergangenheit wurde der Ruf nachder Übertragung der Instrumentarien von Entschei-dungs- und Risikoanalyse sowie Risikomanagementauf die Naturschutzplanung und -kommunikation zu-sehends lauter. Diese Instrumente sollten auf transpa-rente, nachvollziehbare, systemische, quantitative undqualitative Weise einerseits der Komplexität von Pro-blemen und Systemen Rechnung tragen und anderer-seits die damit einhergehenden Unsicherheiten expli-zit in den Entscheidungsprozess integrieren (MAGUIRE

1991; HARWOOD 2000; SALAFSKY et al. 2001; HARWOOD

und STOKES 2003; SUTER II 2007; IBISCH und KREFT

2008).

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden Konzep-te des präventiven, strategischen Risikomanagements,wie sie in den Bereichen von Finanzwirtschaft, Entwick-lungszusammenarbeit oder Technologieentwicklung ge-bräuchlich sind, untersucht und bezüglich ihrer Anwend-barkeit im Naturschutz beurteilt. Die zugrunde liegen-den Forschungsfragen lauten demzufolge:

1) Welche Techniken, Konzepte und Instrumente des(Klima-) Risikomanagements existieren in Sekto-ren außerhalb des Naturschutzes?

2) Existieren bereits Versuche, Risikomanagement imZusammenhang mit Klimawandel in Naturschutz-ansätze zu integrieren?a. Wenn ja, welche? Wie sind sie hinsichtlich Ef-

fektivität und Umsetzbarkeit zu bewerten?b. Falls nein: Wie könnte ein Klimawandel-Risi-

komanagementkonzept für den Naturschutzaussehen?

3) Welcher Entwicklungsbedarf ergibt sich für Risiko-managementansätze angesichts von prinzipiell un-aufhebbarem Nichtwissen?

Methodik

Die Beantwortung der genannten Forschungsfragenerfolgte auf Grundlage einer umfangreichen Literatur-recherche einer Bandbreite von Managementdiszipli-nen sowie der Diskussion mit verschiedenen Akteurender Bereiche Naturschutz und Risikomanagement (vorallem Entwicklungszusammenarbeit, Versicherungswe-sen, Landwirtschaft).

Es galt zunächst, einen Überblick über die beobachte-ten und prognostizierten Auswirkungen des Klimawan-dels auf die bestehenden Naturschutzziele und -stra-tegien zu erlangen und bestehende Ansätze der Risi-koabschätzung und des Risikomanagements zu erfas-sen. Hernach erfolgte eine genauere Betrachtung der

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Methoden, die einen Bezug zum Klimawandel und zuden Klimawandelanpassungsmöglichkeiten nehmen.Hierbei galt den folgenden Konzepten, welche in dieEntwicklung des Klimawandel-Risikomanagementkon-zepts für den Naturschutz eingeflossen sind, beson-dere Aufmerksamkeit (mit absteigender Relevanz):

1) „Climate change risk-uncertainty-decision makingframework“ (WILLOWS und CONNELL 2003: Konzeptzur Entscheidungsfindung im Kontext Klimawan-delrisiken und Ungewißheit);

2) „climate change impacts and risk management framework“ (AUSTRALIAN GREENHOUSE OFFICE 2006:Konzept zu Klimawandelwirkungen und Risikoma-nagement);

3) die von USAID (2007) publizierte Richtlinie „Stepsto incorporate climate change into project planning"(„Schritte zur Integration von Klimawandel in dieProjektplanung“);

4) „Characterizing and managing risks in the agricul-tural sector“ (HAY 2007: Methodik zur Charakteri-sierung und zum Management von Risiken in derLandwirtschaft) sowie

5) „Environmental risk assessment and managementframework for climate change impact assessments“(JONES 2001: Konzept zur Abschätzung und zumManagement von Umweltrisiken für Wirkungsab-schätzungen des Klimawandels).

Ergebnisse und Diskussion

Risikomanagement: Konzepte, Techniken und Instrumente

Wirtschaftszweige, welche die Entwicklung von Risi-komanagementansätzen maßgeblich vorangetriebenund beeinflusst haben, sind das Versicherungs- undFinanzwesen, die Ingenieurswissenschaften, die Phar-ma- und Chemieindustrie, sowie Landwirtschaft undNahrungsmittelindustrie (BERNSTEIN 1996; VESPER

2006). In diesem Zusammenhang werden Risiken oftals strategische, operative und finanzielle Risikenoder „Risiken höherer Gewalt“ (z. B. Naturkatastro-phen) verstanden und beziehen sich auf Unterneh-mensziele und Menschen (IRM et al. 2002; KNAPPE

2003; BURGMAN 2005).

Allgemein wird unter Risikomanagement ein konzep-tionelles und strategisches Vorgehen verstanden, wel-ches Unternehmen und Organisationen darin unter-stützen soll, ihre Ziele langfristig zu erreichen, indem

• geplante Aktivitäten und laufende Projekte konti-nuierlich auf ihre (zukünftige) Durchführbarkeit hinuntersucht werden,

• alle Ziele bei vergleichender Betrachtung der Risi-ken und des Ressourcenaufwandes gegeneinan-der abgewogen werden und

• vorbeugend Maßnahmen (wie z. B. Frühwarnsys-teme, Aufklärung, Notfallplan) zur Minderung ihrerAnfälligkeit gegenüber den Risikowirkungen ge-troffen werden können.

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

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Erfolgreiches Risikomanagement kann dazu beitragen,Gewinne zu maximieren oder die Qualität von Dienst-leistungen, Programmen oder Projekten nachhaltig si-cherzustellen. Es konzentriert sich sowohl auf organi-sationsinterne (z. B. Mitarbeiter, Personalfluktuation,Liquidität, Forschung und Entwicklung, Entscheidun-gen des Managements, Wissenstransfer) als auch ex-terne (z. B. Lieferkette, Veränderung politischer Rah-menbedingungen, Finanzmärkte, Naturereignisse) Pro-zesse und Abläufe und bettet die daraus hervorgehen-den Risiken und Chancen in den Strategieentwicklungs-und Planungsvorgang des Unternehmens ein (IRM et al. 2002; KUSTER et al. 2006). In diesem Kontextumfasst Risikomanagement sowohl die systematischeErfassung und Beurteilung von Risiken (inkl. der Chan-cen) als auch die Benennung, Evaluierung und Imple-mentierung möglicher Handlungsoptionen, welche diezuvor erkannten Risiken vermindern, verhindern, ver-zögern oder transferieren. Eine weitere Möglichkeit be-steht darin, ein Risiko bewusst einzugehen und even-tuelle Misserfolge zu akzeptieren (PROJECT MANAGE-MENT INSTITUTE 2000). Alle Risikomanagement-Konzep-te folgen einem ähnlichen formalen Aufbau (sieheAbb. 3).

Auch wenn der Begriff „Management“ suggeriert, dassein Risiko handhabbar sei, gilt es darauf hinzuweisen,dass die allen Systemen immanente stochastische Un-sicherheit nicht zu umgehen ist (MANGEL et al. 1996;PAVYER 2004). Es bleibt ein Restrisiko, welches sichaus dem akzeptierten Risiko und dem unbekanntenRisiko (inkl. des Risikos aufgrund menschlichen Ver-sagens) zusammensetzt (MERZ und EMMERMANN 2006).Im Rahmen der Risikoanalyse ist es besonders wich-tig, eine spezielle Risikoart gebührend zu würdigen,welche in komplexen, vernetzten und nicht mehr ohneweiteres dekomponierbaren Systemen auftritt: nämlichdas Systemrisiko (WILLKE 2002). Systemrisiken könnenals emergente Eigenschaften von Systemen begriffenwerden, welche sich erst durch Interaktion der Sys-temelemente ergeben. Im Kontext des Klimawandelsergeben sich Systemrisiken für betroffene biologischeSysteme u. a. durch Synergieeffekte mit weiterenSchadwirkungen auf die Biodiversität – ein Beispiel ist

Abb. 3: Vereinfachter Regelkreislauf des Risikomanage-ments (verändert nach MÜNZEL und JENNY 2005)

Risikodialog

Dokumentation

Zielfestlegung

& RisikostrategieSystematische

Risikoidentifikation

Risikobewertung

und -priorisierung

RisikosteuerungErmittelung & Umsetzung

von Gegenmaßnahmen

Risikoanalyse

Kontrolle

& Anpassung

Lessons learned(Wissenstransfer)

12

3

4

5

6

Restrisiko

Neue Risiken

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die derzeitig in vielen Teilen Deutschlands auftretendeSchädigung von Eichen durch das komplexe Zusam-menwirken von Fraßfeinden, pathogenen Pilzen, Tro-ckenheit und immissionsbedingten Bodenveränderun-gen. Verständlicherweise treten Systemrisiken oftmalsunvermutet auf, was zum einen Grenzen der Risiko-identifikation aufzeigt, zum anderen aber auch ermu-tigt, unkonventionell und grundsätzlich präventiv-vor-sorgend zu denken (vgl. precautionary principle UN1992).

Ein wichtiges Element des Risikomanagements istdie sogenannte Risikowahrnehmung, die maßgeblichfür die subjektive Bewertung eines Risikos ist (MUR-RAY-WEBSTER und HILLSON 2008). Verschiedene Stu-dien weisen darauf hin, dass Risiken, die ein poten-ziell katastrophales (irreversibles) Schadensausmaßimplizieren (z. B. Wohnsitz neben einem Kernkraft-werk) oder als unkontrollierbar und kaum erfassbarempfunden werden, auf geringe gesellschaftliche Ak-zeptanz stoßen (SLOVIC 1987; MORGAN und HENRION

1990; RENN 1998). Die daraus abgeleitete Risikoein-stellung (risk attitude oder risk appetite) ist die sub-jektive Haltung, die ein Individuum, ein Unternehmenoder eine Gesellschaft einem Risiko gegenüber ein-nimmt (JAEGER et al. 2001). Systemrisiken sind be-sonders schwer zu vermitteln und werden deshalbgenerell unterschätzt.

Der fallweise zur Anwendung gebrachte Methodensatzaus dem verfügbaren Methodenbaukasten zur Risiko-abschätzung variiert je nach Zielsetzung. Es lassensich quantitative – auch analytisch oder fälschlicher-weise objektiv genannte – und (eher) qualitative, alsomehr oder weniger intuitive („subjektive“) Methodenun-terscheiden (siehe Abb. 4). Während traditionellesRisikomanagement auf betriebswirtschaftlich-mathe-matische Instrumente, wie Kosten-Nutzenanalyse, Ab-zinsung, Wahrscheinlichkeitsverteilungen oder BAYES-SCHE Statistik zurückgreift, werden derzeitig vermehrtqualitative Techniken, wie Rollenspiele oder Gesprächs-gruppen, eingeführt bzw. quantitative und qualitativeDaten in Form von Szenarien oder Fuzzylogik kombi-niert.

In den Umweltwissenschaften liegt das Augenmerk bis-lang auf den durch den Menschen verursachten physi-kalischen, chemischen und biologischen Risiken fürdie belebte und unbelebte Umwelt (BARNHOUSE undSUTER 1986 in SUTER II 2007). Die sogenannte „ökolo-gische Risikoanalyse“ wurde in Deutschland Ende der70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entwickeltund folgt dem Verursacher-Auswirkungs-Prinzip (AULIG

et al. 1977; BACHFISCHER 1978). Im Fokus stehen dieBeeinträchtigung der Qualität und Quantität natürlicherRessourcen, welche deren Nutzung durch den Men-schen erschweren oder unmöglich machen. Daraus

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

48

Abb. 4: Verschiedene Methodenzur Risikoabschätzung(verändert nach REGER 2001)

Suchraum Inhalt (oder „Suchbegriff“) Trefferzahl (Artikel)

alle Artikel – 4463

gesamte Publikationen „risk*“ 283

gesamte Publikationen „risk management“ 4

Titel „risk*“ 67

Abstracts von Publikationen mit „risk*“ im Titel Lebensfähigkeitsanalyse 221

Abstracts von Publikationen mit „risk*“ im Titel Klimawandel 51

Abstracts von Publikationen mit „risk*“ im Titel weder Lebensfähigkeitsanalyse noch Klimawandel 40

1 Lebensfähigkeitsanalyse und Klimawandel in 2 Publikationen gemeinsam behandelt

Tabelle 1: Bedeutung und Rolle des Risiko(-management)-Begriffs in Conservation Biology von 1987 bis heute

Szenarien (z. B. Modelle für

Sozioökonomische Prozesse,

CO2-Ausstoß)

5Zukunft

10 15 20

qualitativ

quantitativ

Delphi/Expertenbefragung

Kosten-Nutzen-Analyse

Entscheidungs-

analyse

Trendextrapolation

Computersimulation

Problem mapping

Brain-

storming

25

Meth

ode Finanzanalyse

RelevanzbaumLiteratur-

analysen

Flussdiagramm

Verflechtungs-

matrix

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hervorgegangen sind die Planungsmethoden der Um-weltverträglichkeitsprüfung (SCHOLLES 2006). Das inden 90er Jahren in den USA entwickelte „ecologicalrisk assessment“, beschäftigt sich mit der Dosis-Wir-kungs-Beziehung von Schadstoffen auf Ökosysteme(EPA 1992). Beide Ansätze basieren nicht auf einerganzheitlichen Betrachtungsweise, welche den kom-plexen Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemeneines sozial-ökologischen Systems gerecht würde.

In der naturschutzfachlichen Forschung spielt die Risi-kobewertung seit langem vor allem in Form von Lebens-fähigkeitsanalysen (population viability analysis) eineRolle. Sie beruhen gemeinhin auf der Betrachtung ak-tueller Stressfaktoren. Dabei wird ein Risiko (z. B. Aus-sterben, Überlebensfähigkeit, Anpassungsfähigkeit etc.)als prozentuale Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck ge-bracht (z. B. BAKKER und DOAK 2008). Eine quantitati-ve Auswertung des Forschungsinteresses am Beispieleiner der weltweit führenden naturschutzfachlichenFachzeitschriften Conservation Biology, untermauertdiese Beobachtung (Tab. 1, Stichtag 19.04.2009).

In gut 5 % aller in Conservation Biology erschienenenArtikel taucht der Begriff „risk“ auf (283 von 4463). Eslassen sich immerhin noch 67 Artikel finden, die Risikoim Titel erwähnen (ihm also wahrscheinlich besondereAufmerksamkeit widmen). Lebensfähigkeitsanalysenim engeren Sinne spielen tatsächlich eine vergleichs-weise überragende Rolle. Nur selten ist Risiko dage-gen bislang in Verbindung mit Klimawandel betrachtetworden. Sämtliche der betreffenden Artikel sind aller-dings jüngsten Datums (von 2007 oder später), einAnzeichen dafür, dass die Forschung sich diesemProblem in der Zukunft verstärkt widmen wird. Nachder Analyse der Lebensfähigkeit von Populationensind Betrachtungen zu invasiven Arten (vor allemWahrscheinlichkeit ihrer Einwanderung) der zweit-wichtigste Kontext für Risikoanalysen (zehn Artikel).Auffallend häufig wird Risiko auch im Zusammenhangmit der Erarbeitung und Nutzung Roter Listen alsMaßstab für Aussterberisiken diskutiert. Weitere be-treffende Kontexte sind z. B. Aussterberisiken für Ar-ten durch Veränderungen ihres Habitats (Größe, Qua-lität, Randeffekte) oder auch Detailanalysen von Risi-kofaktoren wie Hybridisierung oder Veränderungender Artenarealgröße. Während Risiko also durchaus

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

49

als in der naturschutzfachlichen Forschung etablierterBegriff gelten kann, wird auch offensichtlich, dass erganz vorwiegend auf den Bereich einer statischen Ri-sikoabschätzung, gemeinhin für das Aussterben vonArten, ohne Nutzung von Szenarien beschränkt bleibt.Die Implikationen von Risiken für das Managementwerden bis heute noch kaum wahrgenommen.

Ein jüngerer, inzwischen recht starker Zweig der Erfor-schung von Risiken für Biodiversität baut nunmehr je-doch auf die Erkenntnis der Notwendigkeit, auch zu-künftige Risiken in das Naturschutzmanagement zuintegrieren. Risiken, die der Klimawandel entstehenlässt, spielen hier gegenüber den Wirkungen andererAspekte des globalen Wandels, wie z. B. Landnutzungs-änderungen, eine hervorragende Rolle. Die Forschungverfügt über verschiedene methodische Herangehens-weisen (Tab. 2).

Eine wohl auch wegen der reizvollen EDV-Herausfor-derungen aktuell viel beachtete Methode verwendetModelle, in denen mit Hilfe statistischer Verfahren dieden Arten eigenen „bioklimatischen Hüllen“ (bioclima-tic envelopes) in ihrer aktuellen Verbreitung auf zu-künftige bioklimatische Bedingungen projiziert werden(z. B. THUILLER et al. 2005; HUNTLEY et al. 2007; NOR-MAND et al. 2007). Ein anderer Typ von Modellierungberechnet mögliche eintretende Veränderungen auf-grund von Kalkulationen zugrundeliegender (z. B. phy-siologischer) Prozesse; z. B. KÜHN et al. 2009). DieVerschiebung des Areals über eine große Distanzoder eine deutliche Veränderung des modelliertenAreals weist auf ein erhöhtes Risiko hin, welchem dasbiologische System ausgesetzt sein könnte. Eine„klassische“ und nach wie vor am häufigsten verwen-dete Methode von Risikoabschätzung ist das Biodiver-sitätsmonitoring. Es geht davon aus, dass die Fakto-ren, die den beobachteten Trends des Zustandes vonBiodiversität zugrunde liegen, fortschreibbar sind, sodass auch die Trends selbst extrapoliert werden kön-nen. Ergebnisse des Monitorings sind zudem alsGrundlage für die Modellierung von bioklimatischenHüllen unabdingbar. Ein dritter Weg, zukünftige Risi-ken für Biodiversität abzuschätzen, ist die Erstellungund Anwendung von Sensitivitätsindices. Hierzu wer-den die betrachteten biologischen Systeme in ihrerprinzipiellen Anfälligkeit gegenüber Änderungen von

Tabelle 2: Vergleich der Methoden zur Abschätzung der Risiken (Sensitivitätsanalysen) für biologische Systeme

(statistische/dynami- Monitoring expertenbasiert sche.) Modelle Index

Methodische Transparenz niedrig mäßig hoch

Anwendungseffizienz (Ertrag/Arbeitsaufwand) niedrig niedrig hoch

Bandbreite der betrachtbaren Faktoren niedrig (statistische) – hoch

hoch (dynamische)

Szenarienbasierung möglich ja Nein ja

Attraktivität als „vordere Forschungsfront“ hoch mäßig niedrig

Exaktheit der Darstellung von zukünftigen Zuständen hoch niedrig niedrig

Aussage über zukünftige geografische Verbreitung ja Nein nein

Aussage über Fitness der Populationen nein ja (?) ja

Potenzial für die Ableitung/Diskussion von Optionen ja Ja ja

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abiotischen und biotischen Lebensbedingungen abge-schätzt (z. B. GARTHE und HÜPPOP 2004). Dazu be-dient sich ein Index Bewertungen von für ihre Fitnessrelevanten Faktoren auf Punkteskalen, die anschlie-ßend durch einen Algorithmus verrechnet werden undin eine Indexzahl münden, die Aufschluss über dieSensitivität des Sys-tems gegenüber den betrachtetenÄnderungen gibt. Fachliteratur als Informationsquellezur Identifikation von Faktoren und zu ihrer Bewertungwird oft durch Expertisen ergänzt.

Eine vergleichende Betrachtung dieser drei Hilfsmittelzur Risikoabschätzung für Biodiversität durch Umwelt-änderungen (Tab. 2) zeigt, dass alle Methoden sowohlStärken als auch Schwächen aufweisen. Aus Model-lierungen bioklimatischer Hüllen können Karten gene-riert werden, die die hohe Suggestionskraft räumlicherExplizität besitzen. Diskussionen um ihr Anwendungs-potenzial zeigen jedoch, wie leicht in Vergessenheitgerät, dass diese Karten eben nicht zukünftige Areale,sondern die potenzielle zukünftige Habitateignung fürArten unter Berücksichtigung einer Auswahl aus derVielfalt möglicher wichtiger Faktoren abbilden. Das Po-tenzial dieses an sich durchaus nützlichen Ansatzeswird bislang noch häufig durch falsche Wortwahl undder damit aus ihr resultierenden Missverständlichkeitgefährdet (siehe hierzu auch BOLTE et al. 2008). Moni-toring wiederum weist den Vorzug auf, realen Zustän-den nahe kommen zu können und somit kaum ambi-valent zu sein. In dieser Stärke liegt gleichzeitig auchdessen vielleicht größte Schwäche begründet: Die Fol-gen möglicher künftiger Umweltänderungen (Szena-rien) sind im Rahmen des (stets vergangenheitsbezo-genen) Monitorings nicht abbildbar. Die Vorzüge derexperten- (und literatur-)basierten Indices bestehenzweifellos im relativ geringen Aufwand ihrer Erstellungund Anwendung, für die keine nennenswerten EDV-Kenntnisse nötig sind. Gleichzeitig können solche In-dices eine vergleichsweise große Bandbreite an fürdie Anfälligkeit der betrachteten Biodiversität relevan-ten Faktoren erfassen. Anstelle von Aussagen über geo-grafische Veränderungen geben Indices naturschutz-fachlich aufschlussreiche Information über möglicheÄnderungen der generellen Fitness von Populationen.Sensitivitätsindices sind auch offen für die Integrationvon Szenarien. Da die verschiedenen Ansätze sich inihren Stärken ergänzen, erscheint es letztlich sinn-voll, eine größtmögliche Bandbreite voneinander un-abhängiger methodischer Zugänge zu kombinieren.Übereinstimmungen von Ergebnissen über mehrereMethoden hinweg sind starke Anzeichen für die Soli-dität der Abschätzungen. Zu Tage tretende Abwei-chungen wiederum ermöglichen es, den Gründennachzugehen, Schwächen in den Methoden offen zulegen und so die Abschätzungen weiter verbessernzu können.

Risikoabschätzungen haben bislang nur selten Ein-gang in die Naturschutzplanung gefunden. Strategi-sche und adaptive Ansätze, welche sich vom Projekt-management ableiten, bilden eine Ausnahme (vgl. dasvom US-amerikanischen Naturschutzverband The Na-ture Conservancy erarbeitete „Conservation Action

Planning“, welches eine Risikomatrix beinhaltet). Diesystematische Integration von zukünftigen Bedrohun-gen und Chancen in die konkrete (räumliche) Natur-schutzplanung und -arbeit ist noch seltener (z. B.IBISCH et al. 2002; IBISCH und NOWICKI 2004).

Klimawandel und Risikomanagement

Nach Inkrafttreten der Klimarahmenkonvention der Ver-einten Nationen im Jahre 1994 wurde Ende der 90erJahre der Begriff „Klimawandelrisikomanagement“ inwissenschaftlichen Publikationen gebräuchlich (siehez. B. TRUSCOTT und EGAN 1999). Das Klimawandelrisi-komanagement hat sich offenkundig im Zuge der Kli-mawandelfolgenforschung entwickelt (JONES 2001). DerIPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)regte damals an, bestehende Risikomanagement-Me-thoden für den Zweck der sektorübergreifenden An-passung an den Klimawandel zu nutzen (IPCC 1998).Die Praxis der (Klimawandel-)Anpassungsplanung wirdheute methodisch von den Prinzipien der Risikoanaly-se bestimmt und vor allem in den Bereichen der Kat-astrophenvorsorge, der Entwicklungszusammenarbeitund des Klimaschutzes weiterentwickelt (vgl. UNDP2002; GTZ 2004; ADB 2005; OECD 2005; SPERLING

und SZEKELY 2005; WORLD BANK 2006; SCHUCHARDT

und SCHIRMER 2007; FRÖDE und SCHOLZE 2008).

Anpassung des Naturschutzes an den Klimawandelund Risikomanagement

Obgleich sich viele Naturschützer und Institutionen mitden Auswirkungen von Klimawandelrisiken auf die Bio-diversität und das sozial-ökologische „System Natur-schutz“ und mit der Ausarbeitung von Handlungs- undAnpassungsoptionen befassen (vgl. PARMESAN undYOHE 2003; KORN und EPPLE 2006; MENZEL et al. 2006;SCHOLZE et al. 2006; EU KOMMISSION 2007; BADECK et al.2007; TNC 2007; BARON et al. 2008; RSPB 2008; UBA2008; WILSON und HEBDA 2008; IBISCH und KREFT

2008; IBISCH und KREFT 2009; IBISCH und KREFT ange-nommen), deuten die Ergebnisse der Recherche dar-auf hin, dass die Prinzipien des modernen (Klima-) Ri-sikomanagements in der Naturschutzplanung bisherpraktisch keine Anwendung finden. Das von dem Se-kretariat der Biodiversitäts-Konvention (SECRETARIAT

OF THE CBD 2006) vorgestellte strategische, risikoba-sierte Konzept für die Erarbeitung von Klimawandel-anpassungen, welche den Schutz der Biodiversitätumfasst, zielt darauf ab, die Synergien von Natur-schutz- und Klimapolitik voranzutreiben. Für die Na-turschutzpraxis bedarf es jedoch eines Leitfadens, dereine systemische und vorbeugende Anpassung an(Klimawandel-)Risiken auf allen Handlungsebenendes Naturschutzes zu fördern vermag.

In Anlehnung an die Prinzipien der Katastrophenvor-sorge (BLANCHARD et al. 2007) sollten effektive, nach-haltige und klimawandelangepasste Naturschutzstra-tegien folgende Kriterien erfüllen, indem sie

1. umfassend alle Risiken, deren Auswirkungen, al-le Akteure, und alle klimawandelbezogenen Min-

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

50

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derungs- und Anpassungsaspekte mit einbezie-hen,

2. proaktiv zukünftigen Herausforderungen und Ge-fahren vorbeugen, indem sie antizipativ sowohl dieWiderstands- als auch die Umwandlungsfähigkeitvon Schutzzielen fördern und begleiten2,

3. risikobasierte Analysen, wie sie in dieser Arbeitvorgestellt werden, der Entwicklung von Schutz-zielen oder der Planung von Naturschutzmaßnah-men zu Grunde legen,

4. ganzheitliche, systemische Betrachtungsweisen zu-lassen,

5. einem gemeinschaftlichen Ansatz folgen, der dieVernetzung unterschiedlicher Naturschutzorgani-sationen und weiterer Interessensgruppen voran-treibt,

6. koordiniert Aufgaben und Verantwortlichkeiten ab-gestimmt haben und eine Kohärenz der Aktivitätenverschiedener Akteure zum Erreichen eines ge-meinsamen Zieles sicherstellen und

7. flexibel sein und bleiben, indem sie anpassungsfä-hige, innovative und kreative Lösungsansätze zurBewältigung aktueller und zukünftiger Bedrohungenaufweisen.

Das nachstehend vorgeschlagene Risikomanage-mentkonzept für den Naturschutzsektor (Abb. 5) wurdein Anlehnung an die in der Methodik erwähnten Klima-wandelrisikomanagement-Konzepte entwickelt (WIL-LOWS und CONNELL 2003; AUSTRALIAN GREENHOUSE OF-FICE 2006; USAID 2007; HAY 2007; JONES 2001). Dieeinzelnen Schritte werden ebenfalls erläutert.

2Zu diesem Zwecke erscheint die folgende Klassifika-

tion der Einstellungen gegenüber Unsicherheit undmöglichen Zukünften nützlich (nach GODET 1994, inDE JOUVENEL 2000): 1. Passiv (abwarten und Verände-rungen hinnehmen), 2. Reaktiv (Veränderungen ab-warten und dann handeln, u. a. um sie ggf. abzumil-dern), 3. Propektiv: a) Präaktiv (Veränderungen antizi-pieren, um besser gewappnet zu sein), b) Proaktiv(Veränderungen antizipieren und Handlungen präven-tiv einleiten, um Einfluss auf Veränderungen zu neh-men).

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

51

0. Akteursdialog und Dokumentation

Der hier vorgestellte Risikomanagementansatz lässtein teambasiertes und möglichst partizipatives Vorge-hen wünschenswert erscheinen (vgl. VAN AALST et al.2008). Es bietet sich demzufolge an, vor allem dieSchritte 1 bis 4 gemeinsam mit einer repräsentativenAuswahl von Interessenvertretern aller relevanten Be-reiche (siehe unten) in Form von Workshops oder Dis-kussionsrunden zu erarbeiten.

Allen Planungsschritten geht demzufolge eine vorheri-ge Identifikation und Vernetzung (anfänglich) relevanterscheinender Akteure voraus. Interessensgruppen,welche für Naturschutzmaßnahmen von Bedeutungsind, umfassen je nach Kontext Politiker, staatliche Be-hörden, Naturschutzverbände und natürlich die Land-und Naturressourcennutzer (Gemeinden, Zweckver-bände, Unternehmen, Industrie, Privatpersonen).

Für klimawandelangepasste Strategien sollten vor al-lem die lokale Bevölkerung und regionale Entschei-dungsträger in den Strategieentwicklungs- und Pla-nungsprozess mit eingebunden werden. Dieses Vor-gehen garantiert, dass lokale Besonderheiten Eingangin die Risikoanalyse finden, die entwickelten Hand-lungsoptionen endogene Potenziale einbinden undder ausgelöste Risikodialog dazu beisteuert, dassVorsorgemaßnahmen lokal verstanden und unter-stützt werden (MERZ und EMMERMANN 2006). Zudemkönnen Experten verschiedener wissenschaftlicherDisziplinen (naturschutzfachliche Forschung, Ökolo-gie, Klimatologie, Katastrophenvorsorge, Betriebswirt-schaftslehre etc.) eingeladen werden. Die Teilnahmevon Akteuren vieler Bereiche und Sektoren, auf staat-licher, privater und zivilgesellschaftlicher Ebene, kanndie Akzeptanz und den Erfolg der entwickelten Anpas-sungs- und Handlungsoptionen merklich erhöhen (JO-NES 2001; KERNS und AGER 2007). UnterschiedlicheBlickwinkel ermöglichen es, Voreingenommenheitenzu klären, einseitige Verzerrungen zu vermeiden undeine systemische Betrachtungsweise zu erlangen,welche der Komplexität der Um- bzw. Mitwelt Rech-nung trägt (VESTER 2007).

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„Grobe“ Risikoabschätzung

(a) Wie anfällig sind Ziele (konkretes Schutzobjekt/Erhaltungsziel, Projekt,

Aktivität) gegenüber beobachteten und projizierte Klimatrends?

• falls verfügbar: vergangener und Ist-Zustand des Schutzzieles• zusätzliche aktuelle und zukünftige Beeinträchtigungen und Gefährdungen

• Vulnerabilität (Anpassungsfähigkeit/Sensitivität/Resilienz analysieren)

(b) In welchem Ausmaß trägt (Schutz-)Ziel zu der (Klima-)Vulnerabilität

umliegender natürlicher oder menschlicher Systeme bei?

Risikoanalyse

Risikobewertung

• Eintrittswahrscheinlichkeit &

Wirkungsschwere beziffern

• Risikoprofile erstellen

• Risikoaggregate/-klassen

bilden

• Rangfolge/Prioritäten

Risikoidentifikation

• (wissenschaftl.) belegte Hinweise

sowie lokales Wissen

• Prognosen (worst & best case

Szenarien, Modelle)

• Erwartete Schwellenwerte

• Quellen für Unsicherheit

Risikobewertung

• Eintrittswahrscheinlichkeit &

Wirkungsschwere beziffern

• Risikoprofile erstellen

• Risikoaggregate/-klassen

bilden

• Rangfolge/Prioritäten

Risikoidentifikation

• (wissenschaftl.) belegte Hinweise

sowie lokales Wissen

• Prognosen (worst & best case

Szenarien, Modelle)

• Erwartete Schwellenwerte

• Quellen für Unsicherheit

Risikovorsorge

Maßnahmen bewerten

• finanzielle/politische/zeitliche

/technische Machbarkeit

• Vorteile vs. Restrisiken

• Antagonismen/Synergien

Maßnahmen benennen

•‚No regret‘ / ‚low regret‘ Optionen

• Flexible Optionen, die Raum für

Unsicherheit lassen

• Klimawandelanpassung/-minderung

Maßnahmen bewerten

• finanzielle/politische/zeitliche

/technische Machbarkeit

• Vorteile vs. Restrisiken

• Antagonismen/Synergien

Maßnahmen benennen

•‚No regret‘ / ‚low regret‘ Optionen

• Flexible Optionen, die Raum für

Unsicherheit lassen

• Klimawandelanpassung/-minderung

Entscheidungsfindung & Umsetzung einer MaßnahmeGibt es eine bevorzugte Handlungsoption? Werden Erfolgskriterien erfüllt

(wenn nicht, zurück zu Schritt ) Was sind die Folgen von „Nicht-Handeln“?

Probleme & Zielstellungen festlegen Wie ist meine Risikohaltung? Wer oder was ist warum wie stark bedroht? Was

ist ein akzeptables Risiko (Erfolgskriterien und Umfang festlegen)?

Kontrolle, Revision und Anpassung• Effektivität mit Hilfe der in festgelegten Erfolgsindikatoren messen

• Neue/zusätzliche Daten/Erkenntnisse sammeln und unter - einarbeiten

• Prozesse/Handlungen konstant an Erfahrungen anpassen/optimieren

Abbildung 5: Kreislauf eines strategischen Risikomanagementkonzepts für den Naturschutz-sektor, welcher Klimawandelrisiken und Klimawandelanpassung berücksichtigt.

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1. Grobe Risikoabschätzung

In einem kleinen, repräsentativen Teilnehmerkreis wer-den die (Schutz-) Ziele im Hinblick auf folgende mögli-che Probleme hinterfragt (vgl. BURTON und VAN AALST

2004):• die beobachteten und prognostizierten Klimarisi-

ken und sozioökonomischen Entwicklungstrendsfür ein Land oder eine Region,

• die spezifischen (Klima-) Risiken, denen eine (ausden Zielgerüsten abgeleitete) Naturschutzmaßnah-me ausgesetzt ist und

• die möglichen, negativen Auswirkungen (sekundä-ren Risiken), welche die Durchführung einer (ausden Zielgerüsten abgeleiteten) Naturschutzmaß-nahme für betroffene/umliegende natürliche undmenschliche Systeme zur Folge haben kann.

Als Techniken eignen sich z. B. die Betrachtung exis-tierender Szenarien und Modelle, die Einbindung loka-len Wissens (ggf. von ortskundigen Erfahrungsträgern,Überlieferungen), dokumentierte Beobachtungen (Lite-raturrecherchen) sowie strukturierte Hypothesen aufGrundlage von Brainstorming, Expertenbefragungen,Flussdiagrammen, Mindmaps und ähnlichen Instru-menten. Zum einen fördert die Risikoabschätzung dasRisikobewusstsein und eine Sensibilisierung für die inder Zukunft zu erwartende Schadensanfälligkeit vonNaturschutzzielen und -maßnahmen, zum anderenschafft sie eine Basis für veränderte Sicht- und Verhal-tensweisen (nach ROTH 2003)2.

Eine auf einzelne (vorgegebene) Ziele oder Projektebezogene Sichtweise soll zugunsten einer systemi-schen und holistischen Annäherung überwunden wer-den. So kann eine Maßnahme bei isolierter Betrach-tungsweise zwar einen positiven Beitrag zum lokalenNaturschutz leisten (z. B. die Pflege eines Sekundär-biotops), entpuppt sich jedoch in Bezug auf ein über-geordnetes Naturschutzziel (evtl. die Förderung vonfunktionalen, anpassungs- und transformationsfähigenÖkosystemen) oder auf die Anpassungs- und Entfal-tungsmöglichkeiten eines anderen Sektors als nach-teilig bzw. sogar hemmend. Grundsätzlich ist die Inte-gration von abschirmenden und gestaltenden, stati-schen und dynamischen (vgl. SCHERZINGER 1990; WE-GENER 1998) sowie integrativen und segregativen An-sätzen auf verschiedenen räumlichen Ebenen natür-lich möglich. Allerdings gilt es stets, die Allokation (imGrunde zu) knapper Ressourcen im Auge zu haben.Das dem Naturschutz immanente Dilemma, priorisie-ren und damit auch depriorisieren (opfern!) zu müs-sen, verschärft sich im Zuge des Klimawandels.

Die Ergebnisse der vorläufigen Risikoabschätzung er-möglichen es, klare Ziele zu formulieren und Prioritä-ten (hinsichtlich des Handlungsbedarfs) zu setzen. Fürdie dringlichsten Risiken gilt es, eine detaillierte Risi-koanalyse durchzuführen.

2. Probleme und Zielstellungen benennen

Zu diesem Zeitpunkt ist ein Risikobewusstsein ent-standen und es besteht Konsens über die grundlegen-den Ziele, Risiken und den vorrangigen Handlungsbe-darf. Die Bedenken und Risikohaltungen der verschie-denen Akteure sind schriftlich erfasst (WILLOWS undCONNELL 2003; AUSTRALIAN GREENHOUSE OFFICE 2006),so dass getroffene Entscheidungen von Außenstehen-den nachvollzogen bzw. nach außen hin gerechtfertigtwerden können. Es ist möglich, je nach Bedarf weitereAkteure (z. B. Experten, Unternehmen, spezielle Bevöl-kerungsgruppen) zur detaillierten Risikoanalyse hinzuzu ziehen.

Nach der Festlegung expliziter Ziele gilt es, diese inoperative, d. h. konkret beschriebene und messbareErfolgskriterien zu übersetzen, welche später helfen,die Effektivität verschiedener identifizierter Hand-lungsoptionen gegeneinander abzuwägen (HAY 2007).

Die Beantwortung folgender Fragen hilft, den Umfangder Risikoanalyse abzuschätzen:• Welches exposure unit wird betrachtet (z. B. eine

bestimmte Waldgesellschaft, ein politischer odersoziokultureller Prozess, ein Projekt, eine Werbe-kampagne, ein abgegrenzter Aufgabenbereich, ei-ne Art oder Population, die FFH-Richtlinie, der Fi-nanzhaushalt; idealer weise aber ein vollständi-ges, in sich abgeschlossenes System: ein Schutz-gebiet, eine definierte Region)?

• Welche Planungszeiträume werden betrachtet (z. B.Monate, Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte)?

• Welche finanziellen Mittel stehen zur Verfügung?• Was soll erreicht werden (z. B. 50 % Sicherheit,

dass Ereignis X nicht eintreffen wird oder die Ziel-stellung, dass der Klimawandel in 90 % der Schutz-gebietsmanagementpläne bedacht wird)?

3. Risikoanalyse

Auf Grundlage der verfügbaren Daten werden dieEintrittswahrscheinlichkeit (z. B. absolut sicher, sehrwahrscheinlich, möglich, unwahrscheinlich oder hoch,mittel, niedrig) und das Wirkungsausmaß (z. B. über-aus bedeutend, bedeutend, mäßig, geringfügig, un-bedeutend) der verschiedenen Risikoereignisse mitHilfe von lokalem Wissen, aktuellen Beobachtungenoder Szenarien ermittelt. In dieser Phase ist es wichtig,• die relative Anfälligkeit des von Klimarisiken und

nicht-klimabedingten Risiken betroffenen untersuch-ten Systems miteinander zu vergleichen,

• die autonome Klimawandel-Anpassungsfähigkeitdes untersuchten Systems und

• die Existenz kritischer (ökologischer, klimatischer,ökonomischer) Schwellenwerte abzuschätzen so-wie

• Unsicherheiten bzw. Nichtwissen (siehe auch wei-ter unten; z. B. Wissenslücken, fehlerhafte oderunzureichende Daten, Rückkopplungseffekte) – so-weit möglich – zu benennen

(JONES 2001; WILLOWS und CONNELL 2003).

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

52

2 Entscheidungen, welche eine andere Verhaltensweise verlangen,müssen emotional so vorbereitet werden, dass die Entscheidungs-träger und andere Betroffene spüren, dass die Neuerung für sie po-tenziell vorteilhaft ist.

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Die Konsequenzen eines Risikos müssen bezüglichder unter Schritt 2 festgelegten Zielstellungen und Er-folgskriterien beurteilt werden. Dabei sollten sowohldie Wirksamkeit von aktuellen Managementmaßnah-men als auch die eigenständige Anpassungsfähigkeitder Untersuchungseinheit bedacht werden (AUSTRALI-AN GREENHOUSE OFFICE 2006). Wenn möglich, könnenje nach Art der Bedrohungen, der Eintrittswahrschein-lichkeit und dem Wirkungsausmaß quantitative (z. B.Ausmaß der Kosten in Euro, Konfidenzintervall) odersemiquantitative (z. B. extremes, hohes, mittleres, niedriges Risiko) Risikoklassen gebildet werden. Dashilft, die Gefahren zu Gruppen zu bündeln und Rang-folgen zu erstellen. Risikoprofile geben Überblick überdie Palette an Risiken, denen eine Naturschutzmaß-nahme ausgesetzt ist.

Grundsätzlich bietet es sich an, dass im Rahmen derRisikoanalyse systemische Beziehungen verschiede-ner Faktoren in einem konzeptionellen Modell illustriertwerden (z. B. analog Abb. 1), wie es im Rahmen vonstrategischer Naturschutzplanung grundsätzlich emp-fehlenswert ist (SALAFSKY und MARGOLUIS 1999). Dabeigilt es vor allem auch, mögliche Systemrisiken zu er-ahnen und zu beschreiben.

4. Risikovorsorge

In diesem Stadium werden Gegenmaßnahmen/Hand-lungsoptionen erarbeitet und auf ihre zu erwarten-de Wirksamkeit hin beurteilt. Maßnahmen, die unterbeobachteten und projizierten Klimaveränderungengleichermaßen nutzbringend sind oder die sich eben-so hinsichtlich nicht-klimabedingter Risiken positivauswirken können, auch „no regret“- oder „low regret“-Optionen genannt (KLEIN und MACIVER 1999). Diesesollten, insofern sie rasch und kostengünstig umzuset-zen sind, auf jeden Fall durchgeführt werden. Als Bei-spiel für eine „no-regret“-Handlungsoption, die sowohlindirekt klimabedingte (z. B. gesellschaftlicher Werte-wandel, verstärkter Fokus auf erneuerbare Energien)als auch nicht-klimabedingte Risiken (z. B. grundsätz-liche Zweifel an Naturschutzbemühungen in Teilen derGesellschaft) positiv beeinflussen dürfte, sei eine ver-besserte Öffentlichkeitsarbeit und Naturschutzkom-munikation genannt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Planung flexibler Hand-lungsoptionen, die beispielsweise stufenweise über ei-nen längeren Zeitraum an Intensität zunehmen. DieseArt der Maßnahmen schafft Raum für adaptives Ma-nagement und erlaubt es, „unterwegs“ neu gewonneneErkenntnisse einzuarbeiten. Auch muss versucht wer-den, sich einem „point of no return“ sehr bewusst undvorsichtig anzunähern (MALIK 2008). Flexible Optionensind auch im Sinne einer „mehrdeutigen Zielwahl“(MALIK 2008) zu interpretieren. Es geht dabei um dieAuswahl von Maßnahmen, die potenziell in die Lageversetzen (bis auf weiteres oder in letzter Konsequenz),mehrere Ziele anzusteuern.

Gemäß der Ziele der Klimarahmenkonvention der Ver-einten Nationen sind Handlungsoptionen zu bevor-

Biodiversitätserhaltung in Zeiten des (Klima-)Wandels: Risikomanagement als Grundlage eines systemischen, nichtwissenbasierten Naturschutzes

53

zugen, welche sowohl Minderung des Klimawandelsals auch Anpassung an den Klimawandel beinhalten.Darunter fällt beispielsweise die Ausdehnung des in-ternationalen Biotopverbundes oder die Erhaltung vonÖkosystemen mit hoher Kohlenstoffspeicherkapazität(ODPM et. 2007). Denkbare Synergien zwischen kli-mawandelbedingten, nicht-klimawandelbedingten Risi-ken und dem verbleibenden Restrisiko sollten berück-sichtigt werden. Zum Beispiel können es heimischeoder allochthone Arten sein, die eine landwirtschaftlichgenutzte Fläche nach Nutzungsaufgabe besiedeln. Jenach übergeordnetem Naturschutzziel kann die Kolo-nisation durch allochthone Arten als negativ, neutraloder gar positiv bewertet werden (SECRETARIAT OF THE

CONVENTION ON BIOLOGICAL DIVERSITY 2006). Um dieLeistungsfähigkeit einer Palette von Handlungsoptio-nen miteinander vergleichen zu können, schlagenWILLOWS und CONNELL (2003) die folgende Vorgehens-weise vor:

1. Systematische, qualitative Analyse, welche den Um-fang, die Gültigkeit und die relative Bedeutung derbetrachteten Risiken sowie die Kosten und den Nut-zen jeder einzelnen Handlungsoption zusammen-fasst.

2. Ranking der Handlungsoptionen nach Kosten-Nut-zen hilft, eine lange Liste vermeintlich unverzicht-barer Handlungsoptionen zu kürzen.

3. Quantitative Analyse der verbleibenden Optio-nen hinsichtlich ihrer (technischen, finanziellen,politischen, wirtschaftlichen, zeitlichen, räum-lichen) Machbarkeit, ihrer Akzeptanz durch Ent-scheidungsträger oder ihrer Klimawandelanfäl-ligkeit.

4. Überprüfung der Optionen hinsichtlich der in Pla-nungsschritt 2 festgelegten Erfolgskriterien.

Wenn keine der erarbeiteten Handlungsmaßnahmenangemessen erscheint, die Erfolgskriterien zufrieden-stellend zu erfüllen, ist es angebracht, die Problemde-finition und die Zielstellungen zu überarbeiten. Gege-benenfalls erweist sich die Umsetzung eines Ziels alsausgesprochen teuer, oder es kristallisiert sich her-aus, dass die Zielstellung einer von der Gesellschaftgewünschten (nachhaltigen) Entwicklung im Wegesteht. Vielleicht müssen jedoch auch die Erfolgskrite-rien verfeinert oder überarbeitet werden, da diese dieKlimaanpassungskapazität anderer Sektoren behin-dern oder verzögern.

5. Entscheidungsfindung und Umsetzung der Maßnahme(n)

Nachdem• Informationen zu Auswirkungen, Eintrittswahrschein-

lichkeit und Schadensausmaß gesammelt und aus-gewertet wurden (Schritt 1-3),

• die vorgeschlagenen Risikoanpassungsmaßnah-men auf ihre Effektivität und ihr mögliches Gelingenhin untersucht wurden (Schritt 4) und

• mögliche ökonomische, ökologische und sozialeFolgen verschiedener Handlungsoptionen beurteiltwurden (Schritt 4 und 5),

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können die am Risikomanagement beteiligten Akteuresich entweder (a) (idealerweise) auf eine (oder mehre-re) bevorzugte Maßnahme(n) einigen, (b) beschlie-ßen, das Risiko zu akzeptieren, oder (c) sich daraufverständigen, vorerst abzuwarten, bis mehr oder de-tailliertere Informationen zur Verfügung stehen (WIL-LOWS und CONNELL 2003).

Insofern Maßnahmen realisiert werden sollen, ist einPlan zu erstellen, der das weitere Vorgehen schriftlichfesthält, indem er• Verantwortlichkeiten und Pflichten einzelner Akteu-

re/Akteursgruppen klärt,• langfristige Wunschziele sowie Erfolgsindikatoren

festlegt (welche nicht präskriptiv auf einen spezifi-schen Zustand fixiert sein sollten),

• einen klaren Zeitplan, welcher Termine und Fristenfür Erfolgskontrollen und für eine Aktualisierungder Information aufstellt sowie

• die benötigten (finanziellen, räumlichen, personel-len) Ressourcen kalkuliert

(USAID 2007).

Die Inhalte dieses „Managementplanes“ sollten vonallen Beteiligten getragen werden. Bei der Umset-zung von technisch komplizierten Maßnahmen oderHandlungsoptionen, welche eine komplette Umstruk-turierung des Naturschutzes per se (oder aber auchanderer Sektoren sowie der politischen Rahmen-bedingungen) beinhalten, kann mit wesentlichen Sekundärrisiken gerechnet werden (HM Treasury2001).

6. Kontrolle, Revision, Anpassung

Die Ergebnisse des anfänglichen Risikomanage-mentprozesses müssen regelmäßig überarbeitet undhinsichtlich neuer Informationen, Sachverhalte oderEntwicklungen angepasst werden. Erfolgskontrollenhelfen dabei, Fortschritte oder Missstände zu doku-mentieren und das weitere Vorgehen entsprechendder gesammelten Erfahrungen und Schlussfolgerun-gen („lessons learned“) zu verbessern. Insofern istRisikomanagement immer auch adaptives Manage-ment.

Die Ergebnisse des Risikomanagements sollten „kons-truktiv“ (WILLOWS und CONNELL 2003) nach innen (Mit-arbeiter der betroffenen Organisationen/Unternehmen)und außen (Öffentlichkeitsarbeit) kommuniziert werden.Eine transparente Dokumentation, welche Unsicherhei-ten, bedenkliche und wissenschaftlich umstrittene Hy-pothesen oder Fehler umfasst, die während des Ent-scheidungsfindungsprozesses von Bedeutung waren,ermöglicht sowohl die Nachvollziehbarkeit der getrof-fenen Entscheidungen als auch eine Übertragbarkeitauf andere Situationen und Herausforderungen. Nur sokann, wie von SALAFSKY und MARGOLUIS (1999) oderSALAFSKY et al. (2001) gefordert, ein kontinuierlicherund adaptiver Lernprozess in Gang gesetzt werden, beiwelchem Fehler nicht unverzeihliche Missgeschicke,sondern unerschöpfliche Quelle des Erkenntnisfort-schritts darstellen.

Ausblick: Systemischer nichtwissenbasierter Naturschutz

Die Übertragung der Konzepte und der Instrumente desRisikomanagements auf den Naturschutz ist schein-bar eine einfache technische Angelegenheit. In Wahr-heit geht es um eine tragische Erschütterung derGrundfesten des Naturschutzes – tragisch insofern,als wissensbasiertes naturschutzfachliches Handelnsich noch kaum hat verfestigen können. Immer nochmuss ja festgestellt werden, dass Managementent-scheidungen oftmals nicht auf der Grundlage von do-kumentiertem Wissen getroffen werden – diese Tatsa-che bewog Andrew PULLIN und Kollegen zur Konzep-tion des evidenzbasierten Naturschutzes (z. B. PULLIN

und KNIGHT 2001, 2003; PULLIN et al. 2004). Währendgegen die bestmögliche Ausnutzung vorhandenen Wis-sens wahrhaftig nichts einzuwenden ist, besteht dochauch das Problem, dass die Betonung von wissen-schaftlicher Evidenz zu sehr davon ablenken kann,dass effektiver, proaktiver Naturschutz prinzipiell nicht(allein) auf gesicherten Befunden zu begründen ist.

Ohne auf den globalen Umweltwandel und natur-schutzrelevante Fragestellungen abzuheben, siehtWILLKE (2002) angesichts des Eintritts in die globali-sierte Wissensgesellschaft die zukünftige Geschichteals „Folge eines Selektionsprozesses, in dem diegegenwärtig erkennbaren Optionen einer verzweigtenZukunft in Entscheidungen gepresst werden“. Die zen-trale Herausforderung der Wissensgesellschaft sei es,Expertise im Umgang mit Nichtwissen zu generierenund verfügbar zu machen. Nichtwissen ist u. a. Wis-sen, von dem wir dank des Erkenntnisfortschritts wis-sen, dass wir es (noch) nicht haben. Im Falle des Fun-des einer zuvor unbekannten Art wissen wir beispiels-weise zunächst nur, dass sie existiert – das durch sei-ne Entdeckung erzeugte Nichtwissen erstreckt sich u.a. auf ihre Lebensweise und die systematische Zuge-hörigkeit; es besteht aber die Hoffnung, dass sich dieoffenen Fragen im Zuge weiterer Forschung aufklären.

Zu Recht macht WILLKE deutlich, dass in Zeiten eineswachsenden Wissens um mögliche Zukünfte und ent-sprechender zukunftsorientierter Entscheidungen Nicht-wissen vor allem auch eine prinzipiell nicht aufhebbareUngewissheit möglicher Ereignisse bezeichnet. Dasunvermeidbar mit dem Wissen „miterzeugte Nichtwis-sen verschärft die Problematik der Steuerung von Sys-temen, da Steuerung auf zukünftige Konstellationenund Systemzustände zielt, also mit Hypothesen, Pro-jektionen, Simulationen und Unterstellungen arbeitenmuss, die dem implizierten Nichtwissen eine überwäl-tigende Bedeutung verleihen“ (WILLKE 2002). Entspre-chend werde ein neues Instrumentarium für den kom-petenten Umgang mit Nichtwissen benötigt. Im zuvorskizzierten Falle der neu entdeckten Art bleibt selbstbei sehr guter Erforschung ihrer aktuellen Ökologie z. B. das Nichtwissen bezüglich ihrer Antwort auf denzukünftigen Umweltwandel.

Unsere Gesellschaft ist dank des explosionsartigenWissenszuwachses in den letzten Jahrhunderten von

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der Hoffnung geprägt, dass zukünftige intensivereForschung das Nichtwissen zurückdrängt. Dieser Op-timismus geht Hand in Hand mit einer Fortschrittsgläu-bigkeit, die darauf vertraut, dass die Menschheit be-stehende Grenzen überwindet. Folgerichtig reagiereneinem eher technomorph-konstruktivistischen Weltbildverhaftete, kausalanalytisch geschulte Naturwissen-schaftler auf die sich nunmehr rasch verbreitende Erkenntnis des globalen Umweltwandels mit demWunsch, mehr spezialisiertes Wissen zu generieren.Sie folgen dem über Jahrhunderte gewachsenen undverfestigten Prinzip, dass alle Dinge verstanden wer-den können, und zwar nur dann, wenn sie in immerkleinere Teile geteilt werden und die kleinsten Teile inallen Einzelheiten verstanden werden – ein Prinzip,welchem sich komplexe Systeme in „kritischen Zu-ständen“3 entziehen (SORNETTE 2004). Mit immer spe-zialisierterem Wissen sollen z. B. mögliche Reaktionender Biodiversität besser verstanden bzw. ggf. model-liert werden. Auf dem Felde emergenter Systemrisikenhaben jedoch nicht nur viele modellierende Wissen-schaftler einen „blinden Fleck“, dessen Existenz sienoch nicht einmal erahnen (IBISCH und KREFT 2009;vgl. WILLKE 2002).

Eine gängige Argumentation von gelernten „evidenzba-sierten Naturschutz-Biologen“ ist auch, dass man aufdie derzeitige Krise mit intensivierter taxonomischer For-schung und biologischem Monitoring reagieren müsse(„Man kann nur schützen, was man kennt und ver-steht“). Dabei wird allerdings verkannt, dass die die Bio-diversität bedrohenden Prozesse eine derartige Dyna-mik und Geschwindigkeit aufnehmen, dass Erkenntnisund Evidenz (allein) immer seltener in Managementop-tionen umgesetzt werden können. Abgesehen davon istuns das auf die globale Artenvielfalt bezogene Nichtwis-sen insofern hinlänglich bekannt geworden, als wir wis-sen, dass vermutlich so viele Arten existieren, dass siebei Beibehaltung des Tempos taxonomischer Forschungnur zu einem Bruchteil beschrieben werden können,ehe die globale Biodiversitätskrise einen entsprechen-den Fortschritt abrupt zum Stillstand bringen wird.

Längst ist beklagt worden, dass sich der Erkenntnis-fortschritt der Naturschutzbiologie nicht in effektivemNaturschutz niedergeschlagen hat: WHITTEN et al.(2001) interpretieren naturschutzfachliche Forschungals Übersprungverhalten ohnmächtiger Wissenschaft-ler („But if conservation biology is ineffective in hel-ping to stop something as globally significant as thedevastation of Indonesian forests, then what, please,is the point of it?“). Auch nach dem Aufkommen dermodernen Klimawandelforschung haben sich die Emis-sionen von Treibhausgasen und der Klimawandel im-merzu nur verstärkt. In beiden Fällen ist die Wissen-schaft nicht für die Existenz der Probleme anzuklagen,welche sie beschreibt – jedoch stünde vielen Wissen-schaftlern eine gewisse Demut angesichts der effekti-ven Wirkungslosigkeit des unzweifelhaften Wissens-

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zuwachses gut an. Vor allem dann, wenn sie litaneiar-tig – aber ohne Belege und unkritisch – ihre zweifels-frei wissenschaftlich relevanten Forschungsprogram-me mit deren so gut wie garantierten Beiträgen zur Er-rettung der Welt begründen.

In den von mystischer Natursicht geprägten Zeitenwurde mit Nichtwissen anders umgegangen – zur Er-klärung von Nichtgewusstem verlegte man sich aufReligion und Glauben. Im Grunde existierte Nichtwis-sen gar nicht, da Glaube mit Wissen auf derselbenStufe stand. Glaube sorgte so für ein Maß an Orien-tiertheit und Sicherheit, wie wir es uns angesichts derExplosion unseres Nichtwissens, dessen wir uns im-mer bewusster werden, gar nicht mehr vorstellen kön-nen. Zwar führten „religiöse Unaufgeklärtheit“ und ent-sprechende Tabus durchaus regelmäßig auch zu – imSinne des nachhaltigen Naturressourcenmanagements– angemessenen Verhaltensweisen, doch ist eine Rück-kehr zu einem mystischen Naturschutzansatz offen-kundig keine Option für die moderne Gesellschaft, diedurch die Entdeckung des Nichtwissens mithin ihreUnschuld verloren hat. Inzwischen scheinen also we-der Wissensfortschrittsgläubigkeit noch religiöser Um-gang mit Nichtwissen angemessene Ansätze für denproaktiven Naturschutz darzustellen.

Wir stehen am Beginn eines nichtwissenbasierten Na-turschutzes, der die Grundsätze des Risikomanage-ments sowie der Analyse komplexer Systeme und ei-nes entsprechenden Systemmanagements beherzigt.Nach MALIK (2008) kann die Lenkung eines komplexenSystems mit einem Spiel verglichen werden, das durch-aus Spielregeln folgt, welche aber zu Beginn nicht fest-stehen, sondern vielmehr durch eine wechselnde Zahlvon Mitspielern mitbestimmt werden (wobei einer derMitspieler Zufall heißt). Ein wichtiger Grundsatz des vonMALIK für die Steuerung von Unternehmen vorgeschla-genen Systemmanagements bezieht sich auf die meta-systemische Lagebeurteilung: man müsse sich immerdie Frage stellen, auf welcher Systemebene die Lage-beurteilung vorgenommen werden solle; „nur zu leichtunterläuft einem nämlich der Fehler, von der metasys-temischen in die objektsystemische Ebene abzugleitenund dann in einer Fülle von Details den Überblick überdas Ganze zu verlieren“. Im Unternehmensmanage-ment gehe es wesentlich darum, sich in seine „Gegner“oder „Mitspieler“ hineinzuversetzen, um wesentlichestrategische Zugmöglichkeiten zu verstehen. Eine ana-loge Vorgehensweise erscheint auch im Naturschutzerfolgversprechend, wobei die „Mitspieler“ eben nichtmehr nur soziale Systeme sind, in die man sich empa-thisch hineinzuversetzen hat, sondern auch komplexeatopische „Gegner“ wie der Klimawandel.

Die Herausforderungen für die Naturschutzwissenschaftsind enorm. Es geht um die Anforderung, dass sichdie analytischen und auf Einzelteilstudium speziali-sierten Naturwissenschaftler, die den Naturschutz do-minieren, der Arbeit mit nicht-quantitativen und nichtgemessenen, also aus ihrer Sicht „unwissenschaftli-chen“ Daten und Methoden abgeben. Außerdem müs-sen sie grundsätzlich die Grenzen des möglichen Wis-

3 An sogenannten „kritischen Punkten“, wenn bestimmte, normaler-weise gut definierte Größen in einem System zur Unendlichkeittendieren, wechseln, mathematisch gesehen, komplexe Systemein einen Zustand kritischer Instabilität (Sornette 2004).

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senserwerbs bzw. das rasante Wachstum des Nicht-wissens anerkennen. In dieser sich fortwährend ver-schärfenden Situation mag Nichtwissen, oder der be-wusste und konstruktive Umgang mit ihm, zu einer„Tugend“ oder jedenfalls zu einer zunehmend vorteil-haften Option werden („the virtues of ignorance“; VI-TEK et al. 2008). So ist es denkbar, dass es die Effekti-vität des Naturschutzes befördern könnte, wenn aufkleinteilige und scharfe Analysen bzw. Zielfestlegun-gen verzichtet würde. Es kann (nicht mehr) um die Er-haltung möglichst vieler einzelner und gut verstande-ner Arten gehen; es muss nunmehr um die Erhaltungmöglichst vieler funktionaler und vergleichsweise stö-rungsarmer Ökosysteme gehen, in denen sowohl be-kannte als auch unbekannte Arten überhaupt noch ei-ne Chance haben, langfristig zu existieren. Die Vertei-digung dieser Ökosysteme gegen Entwicklungsvorha-ben und Ressourcenhunger bedarf einer guten (stra-tegischen) Einschätzung der entsprechenden „Gegen-spieler“ und der mit ihrem wahrscheinlichen zukünfti-gen Verhalten verbundenen Risiken, aber im Grundebedarf sie nicht einer sehr guten Kenntnis der zu schüt-zenden biologischen Vielfalt, … von der wir längst inausreichendem Maße wissen, warum wir sie erhaltensollten. Diesen Herausforderungen muss der Natur-schutz nicht mit leeren Händen begegnen: Der Ökosys-temansatz, angefangen bei der von der Konventionüber die Biologische Vielfalt eingeführten Manage-mentstrategie, versetzt in die Lage, über den Umgangmit Komplexität und Unsicherheit zu einer sozial undökologisch nachhaltigen Ressourcennutzung zu ge-langen (WALTNER-TOEWS et al. 2008). Darüber hinausverdient die metasystemische Steuerung im Malik-schen Sinne (MALIK 2008) eine Erprobung im Natur-schutz – dabei stehen nicht die direkten Inhalte einesProblemlösungsprozesses im Vordergrund, sonderndie Eigenschaften dieses Ablaufs: „MetasystemischeVariablen sind beispielsweise die Bedeutung, die dasProblem aus der umfassenden Perspektive des Meta-Systems hat, die angestrebte Lösungsqualität, die vor-handenen Ressourcen an Zeit, materiellen und perso-nellen Mitteln, die möglichen Informationsquellen (…),der Stress, dem das Problemlösungssystem ausge-setzt werden soll oder darf, die Einhaltung gewisserethischer Grundsätze oder Regeln (…)“.

Im Interesse der Kommunikation und der endlich zuerreichenden Wirksamkeit des Naturschutzes müssenNaturschützer einsehen, dass es letztlich weniger umden Umgang mit den unzähligen Risiken für Abertau-sende und Millionen von Arten geht als um ganz we-nige, jedoch mächtige, bedrohliche Risiken für diemenschlichen Gesellschaften. Die Integration eineskomplexen und systemischen Risikomanagements inden Instrumentenmix des modernen Naturschutzeswird auch dessen Konzeption nachhaltig verändern.

Zusammenfassung

Nachdem der moderne Naturschutz zu Beginn über-wiegend auf einfachere lokale Bedrohungen reagierenmusste, traten zusehends komplexere und atopische

Wirkungen hinzu. Reaktive und rein wissens- bzw. evi-denzbasierte Ansätze, wie bislang im Naturschutz eta-bliert, stoßen angesichts des raschen globalen Um-weltwandels an die Grenzen der Effektivität. Konzeptedes präventiven, strategischen (Klimawandel-) Risiko-managements, wie sie in den Bereichen von Finanz-wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit oder Techno-logieentwicklung gebräuchlich sind, können gewinn-bringend zur Gestaltung eines proaktiven Naturschut-zes übertragen werden. Ein hier vorgeschlagenes systemisch-zyklisches Klimawandel-Risikomanagementumfasst die Elemente Akteursdialog und Dokumenta-tion, grobe Risikoabschätzung, Problem- und Zielfest-legung, Risikoanalyse, Risikovorsorge, Entscheidungs-findung und Umsetzung der Maßnahme(n) sowieKontrolle, Revision und Anpassung. Dem angesichtsder notwendigen Zukunftsorientierung explodierendenNichtwissen kommt für eine proaktive Entscheidungs-findung und Aktion eine zentrale Rolle zu. Die Einbe-ziehung des Nichtwissens ist in den existierenden Ri-sikomanagementkonzepten noch nicht ausreichendgelöst. Vor allem muss der Existenz unbekannter Sys-temrisiken eine noch größere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Dies wird nicht durch immerzu detailliertereEinzelteilforschung bzw. -modellierung gelingen. An-stelle einer einzelobjektsystemischen Lagebeurteilungmuss eine metasystemische treten. Wir stehen amBeginn eines nichtwissenbasierten Naturschutzes, derdie Grundsätze des komplexen Systemmanagementsbeherzigt und analytisch-reduktionistisch geschultenNaturwissenschaftlern einiges Umdenken zumutet. Ei-nige Schlüsselbegriffe aus dem Naturschutz- und Risi-ko-Management sind im Glossar dargestellt.

Danksagung

Der vorliegende Beitrag ist im Rahmen des vomBundesamt für Naturschutz finanzierten Forschungs-und Entwicklungsvorhabens „Schutzgebiete Deutsch-lands im Klimawandel“ entstanden. Das Vorhaben wirdvom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)koordiniert (Prof. Dr. Wolfgang Cramer, Dr. Katrin Voh-land). Die hier vorgestellte Arbeit beruht größtenteilsauf den Ergebnissen der Bachelorarbeit von BrittaKunze (KUNZE 2008; Studiengang International ForestEcosystem Management, FH Eberswalde). Wir dan-ken der Mainzer Akademie der Wissenschaften undder Literatur für die großzügige Unterstützung unsererBeschäftigung mit adaptivem Naturschutzmanagementim globalen Umweltwandel (Vorhaben Biodiversität imWandel: Prof. Dr. Wilhelm Barthlott). Eric Fee über-nahm dankenswerterweise die englische Übersetzungder Zusammenfassung.

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Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern 63

Einleitung

In Brandenburg steht die Kiefer im Mittelpunkt desWaldschutzgeschehens. Daneben spielen zunehmendSchäden in Laubholzbeständen eine Rolle, hervorge-rufen durch z. B. Eichenprozessionsspinner, pilzlichePathogene oder Komplexkrankheiten.

Die ausgedehnten, oft gering strukturierten Kiefernwäl-der des nordostdeutschen Tieflandes weisen sowohlim geschichtlichen Rückblick als auch in der Gegen-wart eine hohe Disposition gegenüber dem Massen-auftreten nadelfressender Kiefernschadinsekten auf(Abb. 1). Einschichtige Kiefernreinbestände bieten ei-nerseits ein üppiges Nahrungsangebot für die Schad-insekten, andererseits ungünstige Bedingungen fürSchädlingsantagonisten. Das Potential an Nebenwir-ten, Arten, in denen sich Parasitoide wie Schlupfwes-pen oder Erzwespen in der Latenz der Schädlinge ent-wickeln können, ist gering. Das erklärt u. a. die Emp-findlichkeit von Kiefernreinbeständen gegenüber Stö-rungen wie Insektenattacken, die HUNTER (2001) als„low killing power“ bezeichnet.

Unter den Bedingungen überwiegend nährstoffschwa-cher und gering wasserversorgter Standorte und zu-nehmend kontinentaler Witterungseinflüsse kommt esin den Kiefernwäldern Brandenburgs in mehr oder we-niger regelmäßigen Zyklen zu Gradationen, insbeson-dere von Kiefernspinner (Dendrolimus pini), Forleule(Panolis flammea), Nonne (Lymantria monacha), Kie-fernspanner (Bupalus piniaria) und Kiefernbuschhorn-blattwespen (Diprion spec., Gilpinia spec.). Die nach2001 abgelaufenen großflächigen Massenvermehrun-gen von Nonne und Kiefernspinner unterstreichen dieAktualität der Gefährdung (MÖLLER 2007a). Die Gra-dation der Nonne erreichte 2003 mit einer Insektizid-behandlungsfläche von 20.513 ha und Fraßschädenauf ca. 45.000 ha ihren Höhepunkt.

Zusätzlich kann in Abhängigkeit von Witterungsbedin-gungen und Vorschädigung der Befall durch holz- undrindenbrütende Insekten, wie Blaue Kiefernprachtkä-fer (Phaenops spec.), zu einer teilweise deutlichen Auf-lichtung der Bestände führen. VitalitätsgeschwächteBäume erleichtern in der Folge auch pilzlichen Schad-erregern die erfolgreiche Besiedlung.

Um Waldschutzprobleme, insbesondere den Beginneiner Massenvermehrung, rechtzeitig erkennen und ir-

reversible Bestandesschäden verhindern zu können,ist eine regelmäßige und flächendeckende Kontrolleder Populationsdichte der betreffenden Insektenartenzur Prognose von Populationstrends unerlässlich.

Der Waldschutz-Meldedienst

Die Grundlage für eine regelmäßige Überwachung derauftretenden Schaderreger und die Dokumentation ein-getretener Schäden bildet der Waldschutzmeldedienst,ein langjährig bewährtes Verfahren der routinemäßi-gen Berichterstattung zum Vorkommen von Schädlin-gen und zum Umfang von Schäden (BAIER et al. 2006).Mit der Einführung IT-gestützter Programme wurde abMitte der 1990er Jahre in den neuen Bundesländerndas Verfahren modernisiert (BAIER und STÜRZ 2000;APEL 2003). Das in Brandenburg seit 2004 im Intranetder Forstverwaltung etablierte und weiterentwickelteProgramm für den Waldschutzmeldedienst bietet über-sichtliche Dateneingabemasken und ein umfangreichesAngebot zur Ergebnisdarstellung auf allen Ebenen derLandesforstverwaltung. Die landesweit einheitlicheund kontinuierliche Dokumentation der Waldschutzsi-tuation ist Ausgangspunkt für weitergehende quantita-tive Erhebungen auf Flächen mit erhöhten Schaderre-gerdichten.

Auch die an Hand der Meldungen aus den Forstrevie-ren, der stufigen Überwachungsverfahren für die Groß-schädlinge sowie Erhebungen der Hauptstelle für Wald-schutz erstellten – in der Regel monatlichen Wald-

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in BrandenburgsWäldernKATRIN MÖLLER

Abb. 1: Durch Kiefernspinnerraupen kahl gefressenerbzw. angrenzender mit Pflanzenschutzmitteln behandel-ter Bestand

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schutzinformationen – mit Prognosen und weiterenEmpfehlungen zu Überwachung und Gegenmaßnah-men sowie detaillierten Anleitungen sind über dasIntranet der Forstverwaltung für jeden Nutzer zugäng-lich. Seit 2004 bietet die Hauptstelle für Waldschutzdes LFE diesen Service für alle Waldbesitzer und an-dere Interessierte auch im Internet unterwww.lfe.brandenburg.de an (Abb. 2).

Stufige Überwachung der Kieferngroßschädlinge

Die winterliche Suche nach Überwinterungsstadien derSchmetterlingsarten Kiefernspinner, Forleule, Kiefern-spanner sowie der Kiefernbuschhornblattwespen inder Bodenstreu (Winterbodensuche) wird in unter-schiedlicher Form bereits seit mehr als 120 Jahren

praktiziert. Innerhalb des im Waldschutz angewandtenPrinzips stufiger Überwachungskonzepte gilt die Win-terbodensuche zur Überwachung der Befallsentwick-lung als standardisiertes Verfahren zur Prognose vonPopulationstrends der o. g. Insektenarten in gefährde-ten Kieferngebieten Norddeutschlands (MELF 1997;HÄUßLER 1996). Mitte der 1990er Jahre wurden Ge-nauigkeit und Aufwand des Verfahrens erneut intensivbewertet und die gegenwärtig im gesamten nordost-deutschen Tiefland angewendete Verteilung und Grö-ße der Suchflächen als effektivste herausgestellt (BÖH-ME und HAFFELDER 1999). Seit 2005/2006 wird die Win-terbodensuche in Brandenburg grundsätzlich nach ei-nem Rasterverfahren auf Standard-Suchflächen (ca.2.000) und bei entsprechendem Gradationsgesche-hen nach Maßgabe der Hauptstelle für Waldschutz er-gänzend auf Zusatz-Suchflächen durchgeführt (Abb. 3)(APEL et al. 2006; MÖLLER et al. 2007b).

Bei Vergleich der ermittelten Puppen- bzw. Raupen-dichten mit so genannten kritischen Zahlen ist einePrognose der zu erwartenden Nadelverluste durch denRaupenfraß möglich. Mit Hauptaugenmerk auf die Be-fallsschwerpunkte werden in Brandenburg stichpro-benweise die sehr aufwendigen Untersuchungen desWinterbodensuchmaterials hinsichtlich Vitalität, Ge-schlechterverhältnis sowie der Schlupfbereitschaft beiden Kiefernbuschhornblattwespen, die „Gesundheit-untersuchungen“, realisiert (Abb. 4 a und b). Die Er-gebnisse sind Grundlage für eine differenzierte Be-wertung der Vitalität der lokalen Schaderregerpopula-tionen und damit eine exakte, das Gegenspielerpoten-zial berücksichtigende Prognose.

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern64

Abb. 2: Titelblatt einerder ca. monatlich imInternet erscheinen-den aktuellen Wald-schutzinformationen

Abb. 3: Rasternetz der Winterbo-densuchflächen im Land Bran-denburg, regelmäßige Suche aufStandard-, bei angezeigter Ge-fährdung ergänzend auf Zusatz-suchflächen

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Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern 65

den Winterbodensuchen, notwendig sind. Im Rahmender Vorbereitung von Pflanzenschutzmitteleinsätzenwerden alle aktuellen Überwachungsdaten mit Hilfevon GIS-Projekten dokumentiert und potenzielle Be-handlungsflächen durch einen Abgleich mit den unterBerücksichtigung der Fraßschäden des Vorjahresangepassten kritischen Werten eingegrenzt (Abb. 6).Bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer Kiefernna-delfresser werden die kritischen Zahlen entspre-chend gewichtet zusammengefasst, beispielsweiseals Frühlingsfraßgemeinschaft bei Vorkommen vonKiefernspinner, Forleule und Kiefernbuschhornblatt-wespen.

Alle Ergebnisse weiterführender Überwachungsmaß-nahmen finden Verwendung für die Aktualisierung vonBefallskarten und führen zu einer präzisierten Flächen-abgrenzung und damit in den meisten Fällen zur Re-duzierung des Umfangs von Pflanzenschutzmittelmaß-nahmen. Die GIS-Karten, die während der Vorberei-tung einer aviotechnischen Pflanzenschutzmittel-Ap-plikation entstehen, werden neben der Datendoku-mentation zur Prüfung durch den Pflanzenschutzdienstund andere zu beteiligende Behörden sowie für die Erstellung der Flugkarten verwendet. Sie sind gleich-zeitig Nachweis der Bestandesgefährdung bei einemPflanzenschutzmitteleinsatz in zertifizierten Bestän-den (u. a. PEFC, FSC).

Bedeutung weiterführender Überwachungs-methoden – Einfluss von Witterung undGegenspielern auf die aktuelle Gefährdung

Entsprechend der in Brandenburg geltenden Wald-bau-Richtlinie finden „flächige Bekämpfungsmaßnah-men unter Anwendung von Pflanzenschutzmitteln …nur als letztes Mittel, bei existenzieller Gefährdungdes Bestandes und ausschließlich auf Grundlagefachkundiger Begutachtung statt“ (MLUV 2004). In Ab-hängigkeit von der Biologie der zu überwachendenForstschadinsekten kann mit Leimringuntersuchun-gen, Eisuchen, Schlupfpyramiden und durch mit Pro-befällungen kombinierte Kotfallkontrollen die Schäd-lingsdichte flächenbezogen aktualisiert sowie die Indi-

Auch das Monitoring der Populationsdichte der Nonneerfolgt landesweit mit einem stufigen Überwachungs-verfahren, das in der Latenz Pheromonfallenfänge undbei Populationsanstieg eine Erhöhung der Fallenzahlsowie die Einrichtung von Zählstammgruppen, d. h.die regelmäßige Erfassung der am Stamm sitzendenFalter, vorsieht (Abb. 5) (MELF 1993). StichprobeweiseEisuchen tragen bei Überschreiten der kritischen Zahlzur Untersetzung der kleinräumigen Gefährdungs-prognose bei. Die Auswertung der während der von2002 bis 2006 stattgefundenen Gradation der Nonnegesammelten Daten hat deutlich gezeigt, dass die Er-fassung der weiblichen Falter an den Zählstammgrup-pen von grundlegender Bedeutung für die Prognoseder Fraßschäden in den Beständen und die Abgren-

Abb. 5: Weibchen der Nonne am Kiefernstamm (Foto: A. REICHLING)

Abb. 4 a: Untersuchung des Winterbodensuchmaterials:Körperflüssigkeit einer vitalen Kiefernspannerpuppe

Abb. 4 b: Untersuchung des Winterbodensuchmaterials:Parasitierte Kiefernspannerpuppe (Larve einer Schlupf-wespe)

zung der Befallsherde ist (MÖLLER et al. 2007b). AufGrund des hohen zeitlichen Aufwandes muss die Über-wachung der Nonne in Zukunft effektiver gestaltet wer-den. Eine Auswertung der umfangreichen Datensamm-lung während der letzten Nonnengradation bietet sichfür eine Anpassung des Verfahrens an.

Datenverarbeitung unter Einsatz GeographischerInformationssysteme (GIS)

Digitale Karten dienen seit 2002 landesweit alsGrundlage für die Auswahl der Flächen, wo zusätzli-che Überwachungsmaßnahmen, beispielsweise nach

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vidualentwicklung beobachtet werden (Abb. 7). Unab-dingbare Voraussetzung für Durchführung und Ver-gleichbarkeit der Ergebnisse sind einheitliche Metho-den einschließlich art- sowie methodenspezifischerkritischer Zahlen und natürlich eine ausreichende ZahlForstpraktiker vor Ort.

Insbesondere während der Vorbereitung großflächigerInsektizidapplikationen spielt die Beratung der Forst-praxis eine große Rolle. Intensivere Untersuchungensind vor allem notwendig, wenn die Folgeüberwachungdeutliche Abweichungen zur ursprünglich erstelltenPrognose aufzeigt. Häufig ist dann eine komplexe Be-trachtung des Schadgeschehens unter besondererBeachtung von Witterungsgeschehen und natürlichenGegenspielern erforderlich. Das große Potenzial anParasitoiden, wie Schlupfwespen, Raupenfliegen undErzwespen sowie räuberischen Insekten, erfordert beider Bewertung der Situation eine gute Artenkenntnisund langjährige Erfahrung.

Beispielsweise waren 2005 nach intensivem Kiefern-spinnerfraß im Frühsommer in den betroffenen Bestän-den Herbstbehandlungen gegen die neue Raupenge-neration geplant. Bei Probefällungen zur Abgrenzung

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern66

Abb. 6: Dokumentation der an-hand der Daten der Winterboden-suchen 2007/2008 erstellten Prognose für die Frühjahrsfraß-gemeinschaft 2008 (GIS: LFE/Hielscher)

Abb. 7: Dokumentation der aktuellen Gefährdung durchForleule und Kiefernspinner 2008, Daten der Winterbo-densuchen und der Folgeüberwachung in einem ausge-wählten Befallsgebiet (GIS: LFE/Hielscher)

Abb. 8: Kiefernspinner-Eier parasitierende Zwerg-wespen, gut sichtbar sind deren Ausschlupflöcher (Foto: A. REICHLING)

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der Flächen wurden dann trotz vorangegangenem in-tensivem Falterflug nur wenige Raupen gefunden. AlsUrsache konnten hohe Parasitierungsraten der Eierdurch die Zwergwespe Telenomus laeviusculus(Hym., Scelionidae) nachgewiesen und in der Folgeauf ca. 2.000 ha Waldfläche auf Insektizidapplikatio-nen verzichtet werden (MÖLLER 2005).

Wie sich Witterungsextreme negativ auf die Popula-tionsentwicklung von Schadinsekten auswirken kön-nen, lässt sich ebenfalls anhand aktueller Beispiele zei-gen. Die flächige Überwachung der Kiefernbeständein den Wäldern Brandenburgs hatte im Winter 2006/2007 für Kiefernspinner, Forleule und KiefernspannerDichten angezeigt, die Kahlfraß und damit Bestandes-schäden befürchten ließen. Es folgte im Frühjahr 2007in den als gefährdet ausgewiesenen Waldgebieten ei-ne genaue Überprüfung der Schädlingsdichten. Dabeizeigte sich, dass nur noch auf relativ kleiner Fläche,auf 517 ha, und nur noch gegen die Raupen des Kie-fernspinners mit Pflanzenschutzmitteln vorgegangenwerden musste.

Die beginnende Massenvermehrung der Forleule wur-de 2007 – wie auch schon im Jahr 2000 (MAJUNKE et al.2000) – durch weit über dem langjährigen Mittel lie-gende Temperaturen während der Hauptflugzeit derFalter im März und April gedämpft (Abb. 9). Die Le-bensdauer der Falter wird bei hohen Temperaturendeutlich verkürzt. Die Forleule benötigt aber einen re-lativ langen Zeitraum von 14 bis 20 Tagen für die Abla-ge der Eier, wobei die Eiablage erst einige Tage nachdem Schlupf beginnt (ESCHERICH 1931). 2008 störtenintensive Niederschläge während der Hauptflugzeitder Forleule deren Kopulation und Eiablage. Erneutblieb die Gefährdung entsprechend weit unter den Er-wartungen der Winterbodensuchdaten.

Für den Kiefernspanner werden die überdurchschnitt-lichen, ausgiebigen Niederschläge im Juni und Juli2007 als Ursache für unter kritische Werte sinkendePopulationsdichten angesehen. Zu diesem Zeitpunktwaren die Eiräupchen sehr ungünstigen Entwicklungs-

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern 67

bedingungen ausgesetzt, die hohe Mortalitätsratenzur Folge hatten. Für einige Befallsgebiete wiesen dieWinterbodensuchen auch 2007/2008 kritische Wertefür den Kiefernspanner aus. Um die Situation ganz ak-tuell bewerten zu können, wurde in den als gefährdetausgewiesenen Revieren wiederum die Eiablage kon-trolliert. Ende Juni konnte auf Grund hoher Anteile pa-rasitierter Eier, die durch eine dunkle Färbung von dengesunden grünen Eiern gut zu unterscheiden sind, Ent-warnung gegeben werden. Schlupfkontrollen im Laborzeigten, dass die im Freiland ermittelten Parasitierungs-werte noch überschritten wurden. Die Parasitierungder Eier wird erst allmählich, im Verlauf der Entwick-lung der Parasitoidenlarven und der damit verbunde-nen Verfärbung durch den Kot, sichtbar (Abb. 10).

Abb. 9: Sommerliches Wetter im zeitigen Frühjahr 2007 –ungünstig für Flug und Eiablage der Forleule, aber günstig für die Entwicklung der Raupen des Eichenpro-zessionsspinners

Abb. 10: Mikroskopaufnahme eines Eigeleges des Kie-fernspanners (hell: von Kiefernspannerräupchen verlas-sene Eier; dunkel: von Erzwespen verlassene Eier)

Die geschlüpften, winzigen Erzwespen, nur ca. 0,5 mmgroß, wurden als Trichogramma evanescens (Hym.,Trichogrammatidae) bestimmt. Diese Art ist als effekti-ver Gegenspieler des Kiefernspanners bekannt, para-sitiert aber auch Eier der Forleule sowie zahlreicheranderer Insektenarten. Aus einem Ei schlüpfen bis zu8 Erzwespen, wobei die Ausschlupföffnung der erstenWespe genutzt wird. Durch die kurze Entwicklungszeitkann in einem Sommer eine Vielzahl von Generatio-nen aufeinander folgen (ESCHERICH 1931).

In der Gesamtbetrachtung des Massenwechselgesche-hens des Kiefernspanners hat sich die überdurch-schnittlich hohe Niederschlagsmenge im Sommer 2007als ungünstig für diesen Nadelfresser erwiesen. Durchdie Dämpfung des Anstiegs der Populationsdichte desKiefernspanners 2007 konnten die Gegenspieler inder Folge 2008 ausreichend wirksam werden, bevores in Brandenburg zu ernsthaften Bestandesschädenkam. Wesentlich höhere Populationsdichten des Kie-fernspanners machten in Mecklenburg-Vorpommerntrotz hoher Parasitierungsraten noch kleinflächig In-sektizidapplikationen notwendig (ZACHARIAS 2008). Für2008 wurde auch eine Zunahme der Raupen- undPuppenparasitierung durch Schlupfwespen und Rau-penfliegen erwartet. Entsprechend den Ergebnissen derGesundheitsuntersuchungen des Winterbodensuchma-terials 2007/2008 und einer Diplomarbeit an der FHEberswalde standen auch diese Nützlinge schon inden „Startlöchern“ (BRANDT 2007). Die Winterboden-

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suchen 2008/2009 haben gezeigt, dass die Massen-vermehrung des Kiefernspanners durch die Wirkungder Parasitoiden im gesamten Befallsgebiet zum Erlie-gen gekommen ist.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

Entscheidungen zum Einsatz von Insektiziden gegenBestandesschädlinge erfolgen auf Grundlage einesumfassenden Monitorings im gesamten Waldgebietdes Landes Brandenburg. Liegt die Prognose einer ir-reversiblen Bestandesschädigung vor, wird demWaldbesitzer unter Beachtung wirtschaftlicher Ziele,waldbaulicher Möglichkeiten und ökologischer Ge-sichtspunkte, z. B. Schutzzielen in Sondergebieten,sowie Niederschlagsbilanzen und der aktuellen Situa-tion bei den holz- und rindenbrütenden Insekten eineHandlungsempfehlung gegeben. Abb. 11 und 12 zei-gen die Reduzierung der Insektizid-Behandlungsflä-chen entsprechend der durch die Überwachungsmaß-nahmen der Forstpraktiker aktualisierten Gefährdungs-einschätzung in den Jahren 2007 und 2008.

Eingesetzt werden aktuell zugelassene Pflanzenschutz-mittel, die somit in einem umfangreichen Zulassungs-verfahren intensiv untersucht und bewertet wurden.Umfangreiche Freilanduntersuchungen in den letzten15 Jahren haben gezeigt, dass in Kiefernwäldern so-wohl weder akute noch nachhaltige Veränderungen inder Arthropodengemeinschaft nachweisbar waren, dieeindeutig auf das applizierte Insektizid zurückgeführtwerden konnten (WANNER 2006; MÖLLER 2007). Dage-gen beeinflussen Verlichtung und Erwärmung nachstarkem Fraß und der damit verbundene Kotfall die Bio-zönose entsprechend den Versuchsergebnissen nach-weisbar und intensiver als ein flächiger Insektizid-einsatz mit aktuell zugelassenen Wirkstoffen (MÖLLER

2002).

Die Einschätzung einer Bestandesgefährdung bei Auf-treten forstschädlicher Mäuse und damit der Einsatzvon Rodentiziden wird seit 2008 mit einer IT-basiertenEntscheidungshilfe im Intranet der Landesforstverwal-tung unterstützt (WENK und HIELSCHER 2008).

Im Januar 2009 hat das Europäische Parlament einenEntschluss über eine neue Verordnung für die Zulas-

sung von Pflanzenschutzmitteln gefasst. Ziel ist, Wirk-stoffe von der Anwendung in Europa auszuschließen,für die höhere Risiken für Mensch und Umwelt beste-hen (Cut-off-Kriterien). Die am 13.01.2009 beschlos-sene Liste betrifft keine aktuellen Forst-Zulassungen(www.bvl.bund.de). In Zukunft muss aber mit weiterenEinschränkungen gerechnet werden. Das würde ei-nerseits die Möglichkeiten eines Wirkstoffwechselsentsprechend den Grundsätzen einer „Guten fach-lichen Praxis“ deutlich begrenzen, andererseits dieAnforderungen an Überwachung und Prognose undauch die Beratung durch Fachinstitute erhöhen.

Risikomanagement unter den Vorzeichen von Klimaveränderungen und Globalisierung

Eine genaue Vorhersage der Entwicklung der Wald-schutzprobleme ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mög-lich. Das hängt sowohl mit der zum Teil unsicherenPrognose der zu erwartenden Klimaänderungen alsauch mit der notwendigen komplexen Betrachtungmöglicher Folgen zusammen. Schwierig zu bewertensind auch die Auswirkungen der schnell zunehmen-den Zahl eingeschleppter Arten als Folge der Globali-sierung von Verkehr und Handel auf die einheimischeFauna. Die Gefährdung der Wälder durch Quarantä-neschädlinge, für die bei Einschleppung ökonomischeund ökologische Schäden angenommen werden, wiebeispielsweise den Asiatischen Laubholzbockkäfer(Anoplophora glabripennis) oder den GefährlichenKiefernholznematoden (Bursaphelenchus xylophilus)(SCHÖNFELD 2007) ist hoch (Abb. 13). Der Aufwand fürdie Überwachung von Quarantäneschädlingen ist be-reits groß und wird mit neuen Schadorganismen stän-dig steigen. Der Aufwand für eine Bekämpfung istschwer einzuschätzen.

Die Bedeutung von Klima und Witterung für die Ent-stehung von Massenvermehrungen von Insekten istschon lange bekannt (u. a. SCHWENKE 1978). Bei Be-trachtung von Häufigkeit und Ausmaß des Auftretensder Wärme liebenden Schmetterlingsarten wird dieWirkung insbesondere überdurchschnittlich warmerund trockener Sommer offensichtlich.

Für den Kiefernspinner ist bekannt, dass Anfänge ei-ner Massenvermehrung immer in Jahre mit trockenen,

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern68

Abb. 11 und 12: Reduzierung mit Insektiziden behandelter Flächen entsprechend der aktualisierten Gefährdungs-einschätzung in den Jahren 2007 und 2008

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warmen Vegetationszeiten fallen (MAJUNKE 2000). Nach-dem im Nordostdeutschen Tiefland bereits die 1990erJahre von einer großflächigen und lang anhaltendenMassenvermehrung des Kiefernspinners geprägt wa-ren, erreichten die Populationsdichten bereits 2005 wie-der kritische Werte. Die Gradation hielt lokal bis 2008an. Die sehr milden Winter 2006/07 und 2007/08, mitbis zu 6 K über dem langjährigen Mittel liegendenTemperaturen, haben allerdings eine erhöhte Morta-lität der im Boden überwinternden Raupen verursacht(MÖLLER et al. 2008).

Gerechnet werden muss mit der ArealausweitungWärme liebender Insekten entsprechend des Trendsder Zunahme der Jahresmitteltemperaturen. Ein Bei-spiel ist der Wärme liebende Eichenprozessionsspin-ner (Thaumetopoea processionea) der in den letztenJahren, vor allem in Südwestdeutschland, enorm anBedeutung gewonnen hat. Auch in Brandenburg istseit 2003 eine deutliche Zunahme von Fläche undAusmaß zu verzeichnen. Das massive Auftreten 2007war unter anderem auch auf die für die Entwicklungder ersten Larvenstadien sehr günstigen Witterungs-verhältnisse im April, mit überdurchschnittlich hohenTemperaturen (Abb. 9) und geringen Niederschlägen,zurückzuführen. Abb. 14 zeigt die Entwicklung der Be-fallsflächen In Brandenburg. Bei mehrjährigem Fraßmuss mit negativen Auswirkungen auf die Vitalität derEichen bis hin zu Bestandesschäden gerechnet wer-den. Daneben beeinträchtigt das sehr hohe Potenzialder Haare dieser Schmetterlingsraupe, beim Men-schen allergische Reaktionen der Haut und der Atem-wegsorgane auszulösen, die Bewirtschaftung der be-troffenen Bestände, den Tourismus und das öffentli-che Leben.

Die durch das Potsdam Institut für Klimafolgenfor-schung e. V. für Brandenburg prognostizierte Zunah-me von Witterungsextremen wird vielfältige Folgen fürden Wald haben (GERSTENGARBE et al. 2003). Dabeisind die komplexen Wirkungen auf Schädling, Wirts-pflanze und natürliche Gegenspieler schwer einzu-schätzen. Unter Umständen lässt eine witterungsbe-dingt rasant ablaufende Progradation der Schädlingeden Wirtspflanzen keine Chance für Abwehr-Reaktio-nen und/oder die Regeneration der Fraßschäden. DieWirkung der natürlichen Gegenspieler bleibt begrenzt.Anderseits kann davon ausgegangen werden, dass,wie an aktuellen Beispielen belegt, bei einer witte-rungsbedingten Verzögerung des Kulminationspunk-tes einer Massenvermehrung die Wirkung der natür-lichen Gegenspieler begünstigt wird. Unter Umstän-den bleiben dann bestandesgefährdende Dichten derSchadinsekten aus.

Die Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Witterungs-extremen, insbesondere die Verringerung von Som-merniederschlägen, beeinflusst in hohem Maße auchdie Prognose der Bestandesgefährdung bei absehba-ren Fraßschäden durch die Kieferngroßschädlinge unddamit Entscheidungen zum Einsatz von Insektiziden.Einbezogen in die Bewertung der Bestandesgefähr-dung werden Untersuchungsergebnisse zum Regene-

Aktuelle Waldschutzprobleme und Risikomanagement in Brandenburgs Wäldern 69

rationsvermögen der Kiefer nach Kahlfraß bzw. star-kem Fraß (APEL et al. 2005; WENK und APEL 2007).Der Dürresommer 2006 hat gezeigt, dass unter sol-chen extremen Witterungsbedingungen mit einerdeutlich verringerten Regenerationsfähigkeit fraßge-schädigter Kiefern zu rechnen ist. Für 2005 von Kie-fernspinnerraupen kahl gefressene Kiefernbeständewurden im Folgejahr lokal Totalverluste registriert(MÖLLER und ENGELMANN 2008). Folgeschädlinge wa-ren dort nicht ursächlich am Absterbeprozess beteiligt.Bekannt ist auch, dass Kiefern in Gebieten der Klima-stufe Tm (Tiefland, mäßig trocken) nach Fraßschädendie Nadelmasse schneller regenerieren als in der Kli-mastufe Tt (Tiefland, trocken) (WENK und APEL 2007).

Für die Populationsentwicklung der Borkenkäfer, wieBuchdrucker und Kupferstecher, spielen allgemein ne-ben einem, z. B. durch Sturmereignisse erhöhten An-gebot bruttauglichen Materials auch die Witterungs-verhältnisse eine wichtige Rolle. Auch Prachtkäfer,wie Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) und BlaueKiefernprachtkäfer, (Phaenops spec.) profitieren vonwarmen und trockenen Sommern. Laubverluste undStress durch Wassermangel schwächen einerseits dieWirtsbäume und schaffen andererseits günstige Be-dingungen für die Entwicklung der Wärme liebendenPrachtkäfer.

Auch die Ausprägung pathogener Eigenschaften vonPilzen ist u. a. von der Vitalität der Wirtsbäume abhän-gig. Vitalitätsbeeinträchtigungen, wie z. B. Wasserman-gel, begünstigen die pathogene Wirkung. Die Häufungungewöhnlich warmer und trockener Sommer seit1990 hat beispielsweise dazu geführt, dass das Diplo-dia-Triebsterben an Kiefern, hervorgerufen durch denPilz Sphaeropsis sapinea, stärker in Erscheinung tritt(HEYDECK 2007). Ebenso wird das erst seit wenigenJahren beobachtete Eschentriebsterben mit veränder-ten klimatischen Bedingungen sowie einem bishernicht als Schaderreger bekannten Pilz, Chalara fraxi-nea, in Verbindung gebracht (SCHUMACHER et al 2008).

Abb. 13: Symptome des Befalls durch den GefährlichenKiefernholznematoden an Pinus pinaster in Portugal.Ähnliche Welke- und Absterbeerscheinungen sind imAnfangsstadium einer Einschleppung zu erwarten (Foto: H. BRAASCH)

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Zusammenfassung

Die Anforderungen an das Risikomanagement desWaldschutzes werden in Zukunft steigen. So erfordertbeispielsweise die Zunahme von Befallsintensität, -flä-che und -frequenz beim Eichenprozessionsspinner ei-ne neue Bewertung dieses Schadinsekts und damit ei-ne angepasste, verbesserte Überwachung und Prognose, die umfangreiche Untersuchungen voraus-setzt. Genannt wurde die mit erwartungsgemäß stei-gender Artzahl aufwendiger werdende Überwachungder Quarantäneschädlinge. Eine sich veränderndePathogenität von Pilzen und neue Komplexkrankhei-ten vergrößern die Vielfalt der Waldschutzproblemeund offenbaren auch einen steigenden Bedarf an Spe-zialisten. Unter den Voraussetzungen einer Zunahmevon Witterungsextremen und der eingeschränktenMöglichkeit, diese vorherzusagen, wird die Einschät-zung einer Bestandesgefährdung bei großflächigemBefall schwieriger. Unter keinen Umständen solltedeshalb in Zukunft eine Einschränkung des Wald-schutz-Monitorings aus kurzfristig bewerteten ökono-mischen Gründen erfolgen. Damit würde einer fun-

dierten Prognose, die heute sowohl ökonomischen alsauch ökologischen Ansprüchen gerecht werden muss,jegliche Basis entzogen.

In jedem Fall gewinnt die Notwendigkeit umfangreicherstabilisierender Waldumbau-Maßnahmen in gefährde-ten Wäldern stetig an Bedeutung. Aktuelle Einschät-zungen, dass sich eine Häufung von „Dürresommern“,wie für große Teile Ostdeutschlands prognostiziert,negativ auf die Biodiversität in Wäldern und damit de-ren Stabilität auswirken wird (ARCHAUX und WOLTERS

2006), unterstreichen das.

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Abb. 14: Eichenprozessionsspinner – Zunahme der Befallsflächen in Brandenburg (GIS: LFE/SCHULZ)

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Einleitung

Am 26.12.1999 verursachte der Orkan „Lothar“ in denWäldern Baden-Württembergs Schäden in bis dahinnicht bekanntem Ausmaß. Im Rahmen der zweitenBundeswaldinventur, die in relativ enger zeitlicher Nä-he zu diesem Ereignis in den Jahren 2001 bis 2002stattfand, wurden diese Sturmschäden als landesspe-zifische Aufnahme erfasst, indem für alle auf den Stich-proben der Bundeswaldinventur ausgeschiedenenBäume geprüft wurde, ob sie Opfer des Sturms von1999 geworden waren. Nachdem im Staatswald un-mittelbar vor dem Sturm im Jahr 1999 eine spezielleHolzvorratserhebung auf dem Netz der Bundeswaldin-ventur erfolgt war, bestand zudem eine hervorragendeMöglichkeit, diese Aufnahme anhand einer Unterstich-probe zu kontrollieren und abzusichern. In der Unter-stichprobe konnte für alle als Sturmopfer identifiziertenProbebäume geprüft werden, ob sie tatsächlich vordem Sturmereignis noch vorhanden waren. Die Sturm-schadensaufnahme sollte zunächst dazu dienen, daswahre Ausmaß der Schäden besser abzuschätzen.Darüber hinaus lieferte sie ein wertvolles Datenmateri-al über sturmgeworfene und -gebrochene Bäume, wel-ches neben dendrometrischen Größen großräumig re-präsentativ eine große Standortsbandbreite und un-terschiedliche Sturmintensitäten abdeckt.

Sturmschäden und die oft folgenden Borkenkäferkala-mitäten sind seit jeher die bedeutendsten Risikofakto-ren für die Forstwirtschaft und verursachen durch Holz-entwertung, erhöhte Erntekosten und Hiebsunreife-verluste sowie die bei hohen Kalamitätsnutzungenentstehenden Holzmarktstörungen mit Preiseinbrü-chen und somit erheblichen wirtschaftlichen Schäden.Im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung wird teil-weise mit einem weiter steigenden Sturmrisiko undinsbesondere einer erhöhten Frequenz schwerer Win-terstürme in West- und Mitteleuropa gerechnet. Selbstbei Annahme einer gleich bleibenden Intensität be-steht seitens der Praxis eine steigende Nachfrage nachEntscheidungshilfen, um das Risikopotenzial durchWinterstürme als weiteren Aspekt standortgerechtenWaldbaus besser berücksichtigen zu können.

Ziel der hier dargestellten Modellentwicklung ist es,zum einen Hypothesen wie die baumartenspezifischeSturmgefährdung, den Einfluss des h/d-Wertes oderder Geländeexponiertheit zu prüfen und zum anderenGrundlagen für die Erstellung von Risikopotenzialkar-

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ten oder anderer Entscheidungshilfen für die forstlichePraxis bereit zu stellen. Darüber hinaus kann das ent-wickelte Sturmrisikomodell bei der Simulation einerlangfristigen Waldentwicklung genutzt werden. DieDefinition des Sturmrisikos im engeren Sinne beinhal-tet die ökonomische Bewertung der Sturmschäden.Hier wird der Begriff des Risikos vereinfachend mit derSchadwahrscheinlichkeit gleichgesetzt.

Stand der Forschung

Die bisherigen Untersuchungen zur Analyse des Ursa-che-Wirkungs-Gefüges von Sturmschäden im Waldlassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten klas-sifizieren. Zu unterscheiden sind zum einen die räum-liche und zeitliche Auflösung von Datenbasis und Mo-dell (Einzelbäume – Bestände, Jahre – Jahrzehnte).Zum anderen kann nach den Methoden differenziertwerden, die für die Identifikation und Beschreibung desUrsache-Wirkungs-Zusammenhangs angewandt wer-den. Sie reichen von rein deskriptiven, über statisti-sche bis zu mechanistischen Modellen. Die Wahl derModelle wird wesentlich von den verfügbaren Datenbestimmt, die oft Informationsdefizite aufweisen unddamit die Methodenwahl beschränken. Zur Beschrei-bung der verfügbaren Informationen werden bishervor allem deskriptive und/oder induktive statistischeModelle, seltener neuronale Netze angewandt (HANE-WINKEL et al. 2004), da für mechanistische Modelle oftdie Voraussetzungen fehlen. Im Gegensatz zu statisti-schen Modellen erfassen mechanistische Modelle diekausalen Zusammenhänge zwischen Ursachen undSchäden, wobei häufig die beiden Komponenten Ge-fährdungspotenzial und Vulnerabilität unterschiedenwerden. Wichtigste Eingangsgrößen mechanistischerModelle zur Prognose des Gefährdungspotenzialssind Windgeschwindigkeitsprofile und das Strömungs-verhalten. Aber auch bei mechanistischen Erklärungs-ansätzen lassen sich nicht alle Teilmodelle empirischparametrisieren, vielmehr wird eine Reihe theoretischbegründeter Annahmen, z. B. über die statischen Ei-genschaften von Baumschäften, und Expertenwissenzu einem Modellsystem verknüpft (z. B. PELTOLA et al.1999). Wegen der erforderlichen Detailinformationen,die in den in der forstlichen Praxis verfügbaren Datennicht enthalten sind, können mechanistische Modelleim Allgemeinen nicht auf einer breiten Datengrundlageentwickelt werden. Statistische Schadrisikomodellenutzen als Prädiktoren fast ausschließlich Einzelbaum-,

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MATTHIAS SCHMIDT, JÜRGEN BAYER, GERALD KÄNDLER, EDGAR KUBLIN, ULRICH KOHNLE

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Bestandes- und Standortsvariablen, nicht aber Grö-ßen wie die Windgeschwindigkeit, welche das Gefähr-dungspotenzial beschreiben. KELLOMÄKI und PELTOLA

(1998) verwenden beispielsweise ein logistisches Re-gressionsmodell mit binärer Zielvariablen zur Progno-se von Schnee- und Sturmschäden an Fichte, Kieferund Birke in Finnland auf Einzelbaumebene in Abhän-gigkeit von Baum-, Bestandes- und Standortsmerkma-len, ohne dass die eigentlichen Schadereignisse in-nerhalb des 10-jährigen Inventurzeitraums exakt be-kannt sind. Eine ähnliche Vorgehensweise findet sichbei einer Reihe weiterer Untersuchungen zur Model-lierung des Sturmrisikos, wie etwa bei RICHTER (2003),HANEWINKEL et al. (2004), VALINGER et al. (1993) oderMÜLLER (2002). Auch wenn eine Zuordnung zu konkre-ten Sturmereignissen möglich ist, wie bei SCHMID-HAAS

und BACHOFEN (1991) oder SCHMOECKEL et al. (2003),werden die Eigenschaften der Sturmereignisse im All-gemeinen nicht für eine Quantifizierung des Gefähr-dungspotenzials verwendet. Durch die fehlende Be-rücksichtigung der meteorologischen Randbedingun-gen und damit des Gefährdungspotenzials ist die Ver-allgemeinerung der Modelle, also ihre Übertragung aufabweichende Bedingungen, problematisch. Zusätzlichbesteht die Gefahr verzerrter Schätzungen, wenn mög-liche Einflussgrößen nicht in das Modell integriert wer-den. Auf Grund dieser Schwierigkeiten und um die Ur-sache-Wirkungs-Zusammenhänge abzubilden, ist manin neuerer Zeit zu mechanistischen Modellansätzenübergegangen. Wegen der komplexen Zusammenhän-ge werden mitunter einzelne Prozesse getrennt mo-delliert, wobei fließende Übergänge auftreten. Teilpro-zesse umfassen die Prognose der eigentlichen Strö-mungsparameter mit (TAKLE et al. 2003; AGSTER undRUCK 2003) und ohne (z. B. BENES et al. 2003) Berück-sichtigung der Vegetation, die Auswirkungen von Windauf die Vegetation (z. B. GALINSKI 1989; KELLOMÄKI undPELTOLA 1998; GARDINER et al. 1997) sowie die Stabi-lität von Einzelbäumen (z. B. GAFFREY et al. 2001;MATTHECK et al. 2003). Mit Hilfe Geographischer Infor-mationssysteme lassen sich die prognostizierten Ein-flüsse auf die Vegetation regionalisieren (BLENNOW et al.2003: GARDINER et al. 2003), was allerdings auch dieRegionalisierung der Strömungsverhältnisse voraus-setzt (RUEL et al. 1997).

Um Teilprozesse der Modellsysteme anhand empiri-scher Daten zu parametrisieren, sind teilweise auf-wendige Experimente notwendig, wie beispielsweiseZugversuche an einzelnen Bäumen. Anhand dieserVersuche lässt sich das Biegeverhalten der Bäume alsFunktion der ansetzenden Kräfte bestimmen (GARDI-NER et al. 1997). Aus den abgeleiteten Zusammenhän-gen lassen sich Grenzwerte in Abhängigkeit vonBaum- und Bodenparametern schätzen, ab denen mitWindbruch oder -wurf zu rechnen ist. Andere Gesetz-mäßigkeiten dienen dazu, Windgeschwindigkeiten zuberechnen, bei denen derartige Kräfte auftreten. Zu-sätzlich werden Messungen der Windgeschwindigkeitim Feldversuch und im Windtunnel verwendet, um das kleinräumige Strömungsverhalten in Abhängigkeit von der Vegetationsstruktur zu beschreiben (GARDINER

et al. 1997).

PELTOLA et al. (1999D) entwickelten ein komplexesmechanistisches Modell, das zwischen wind- und gra-vitationsbedingten Kräften sowie dem Einfluss zusätz-licher Schneelasten als Ursachen für Schäden unter-scheidet. Das Modell basiert auf einer Reihe von aufunterschiedlichen Integrationsebenen parametrisiertenTeilprozessen und bezieht auch die Erkenntnisse vonGARDINER et al. (1997) über Böigkeitsfaktoren ein. PEL-TOLA et al. (1999) können nachweisen, dass Progno-sen auf Basis ihres Modellsystems eine gute Überein-stimmung mit unabhängig durchgeführten Zugversu-chen aufweisen. Allgemein werden zur Validierung me-chanistischer Modellsysteme überwiegend Ergebnisseaus Experimenten sowie Expertenwissen verwendet.Probleme, die aus einer zu geringen räumlichen undzeitlichen Auflösung der Datengrundlage resultieren,treten nicht auf. Vielmehr besteht das Problem der me-chanistischen Modelle in ihrer geringen Datenbasis,wenn man als Maßstab die Zahl der untersuchten Ein-zelbäume verwendet. Dabei wird davon ausgegan-gen, dass eine Übertragung auf nicht durch Daten ab-gedeckte Bereiche durch das detaillierte Verständnisdes Ursache-Wirkungs-Gefüges ermöglicht wird. Dieerwünschte hohe Sensitivität, Unterschiede bei derFormulierung von Annahmen und Gesetzmäßigkeitensowie abweichende Randbedingungen können jedochdazu führen, dass unterschiedliche, sogar diametralentgegen gesetzte Ergebnisse, erzielt werden (vgl. bei-spielsweise Aussagen zu Windwurfwahrscheinlichkei-ten in Abhängigkeit vom Wuchsraum bei GARDINER etal. (1997) versus PELTOLA und KELLOMÄKI (1993)).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sichmechanistische Modelle gut dazu eignen, Kausalzu-sammenhänge zu erfassen und qualitativ konsistentePrognosen für unterschiedliche Randbedingungen undVerhältnisse zu liefern. Die quantitativ exakte Repro-duktion von großräumigen Schadmustern mit mecha-nistischen Modellen erscheint kritischer, da eine exak-te Vorgabe aller Randbedingungen für größere Flä-cheneinheiten nicht möglich ist. Dagegen sind die bis-her entwickelten statistischen Modellansätze gut dazugeeignet, beobachtete großräumige Schadmuster zureproduzieren. Es werden im Allgemeinen jedoch kaumkausale Zusammenhänge integriert, da Informationenüber die eigentlichen Schadursachen bzw. das Gefähr-dungspotenzial fehlen. Somit ist die Extrapolation aufandere Verhältnisse und Regionen nicht oder nur un-ter starken Einschränkungen möglich.

Datenbasis

Die Datenbasis der hier vorgestellten Modellentwick-lung sind dendrometrische Größen und kategorischeAttribute von Einzelbäumen der Bundeswaldinventur,ihre geographische Position sowie ein Index zur Be-schreibung der Geländeexponiertheit unter Berücksich-tigung der Exposition (modifizierter Topex-to-Distance-Index). Zur Parametrisierung wurden nur Bäume ver-wendet, die bereits bei der Bundeswaldinventur 1 er-fasst worden sind und die in der BWI 2 entweder alsSturmopfer (n=6639) angesprochen wurden oder in

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die Gruppe der wiederholt aufgenommenen Bäume(n=56813) fallen (Tab. 1).

Bei der BWI 2 als Einwuchs gekennzeichnete Bäumedürfen nicht verwendet werden. Als Einwuchs im wei-teren Sinne werden Bäume bezeichnet, die aufgrundihres Durchmesserwachstums in der Inventurperiodedie Kluppschwelle überschritten haben oder aufgrundihrer (dickenwachstumsbedingten) erhöhten Auswahl-wahrscheinlichkeit erfasst wurden. Das abzuleitendeSchadmuster und -niveau kann jedoch nur dann ver-zerrungsfrei beschrieben werden, wenn das Verhältnisder „Sturmopfer“ zu den „Überlebenden“ in der Daten-grundlage erwartungstreu ist. Da der Einwuchs erst-mals bei der BWI 2 erfasst wird, ist nicht bekannt, wel-cher Anteil dieser Gruppe nach dem Einwachsen be-reits wieder durch den Wintersturm beschädigt wurde.Die Verwendung dieser Gruppe würde damit zu einerunzulässigen Verschiebung der Relation von Lothar-opfern zu überlebenden Bäumen führen. Zusätzlichmuss bezüglich der nicht direkt „Lothar-bedingten“ Nut-zungen die Annahme getroffen werden, dass dieseausnahmslos vor dem Sturmereignis erfolgt sind, daihre zeitliche Einordnung in der periodischen InventurBWI nicht möglich ist. Aufgrund der Lage des Sturm-datums im Inventurintervall zwischen dem 01.10.1987und dem 01.10.2002 ist jedoch anzunehmen, dass derGroßteil der nicht direkt „Lothar-bedingten“ Nutzungenwirklich vor dem 26.12.1999 erfolgt ist. Weiterhin kann

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eine stark reduzierte Einschlagstätigkeit für die nichtzufälligen Nutzungen nach dem Sturmereignis unter-stellt werden. Trotz dieser günstigen Begleitumständewird die Annahme bezüglich der zeitlichen Einordnungder Nutzungen zu einer Erhöhung bei der Schätzungdes Schadniveaus führen, da ein unbekannter (gerin-ger) Anteil überlebender Bäume fehlt, der erst nachdem Sturm genutzt wurde. In diesem Zusammenhangwird weiterhin unterstellt, dass das Nutzungsmusternach Dimensionen und Baumarten vor und nach demSturm ähnlich ist, so dass zwar das Schadniveau ge-ringfügig überschätzt, das bedingte Schadmusternach Einflussfaktoren jedoch unverzerrt abgebildet wird.

Da anzunehmen ist, dass die Vulnerabilität von Ein-zelbäumen am besten durch zum Sturmzeitpunkt aktuelle biometrische Kennwerte bestimmt wird, wares notwendig diese vom Stichtag der BWI 1 auf den26.12.2006 fortzuschreiben. Zur Initialisierung der Fort-schreibung wurden dabei die Daten der BWI 1 undnicht der BWI 2 verwendet, da nur 1987 alle Einzel-baumhöhen gemessen worden sind, die bedingte Hö-henstreuung aber bei der Modellbildung von Bedeu-tung sein könnte.

Zur Erfassung der Geländemorphologie wird ein Ex-poniertheitsparameter verwendet, der auf der Grund-lage eines digitalen Geländemodells unter Berücksich-tigung der geographischen Lage der Stichprobenecken

Tabelle 1: Deskriptive Statistiken der Parametrisierungsgrundlage

Baumartengruppe beschädigt nicht beschädigt[n] [%] [n] [%]

übrige Laubholzarten 209 4 4540 96

Buchea / Eichenb 741 5 15040 95

Fichtec 4260 15 24545 85

Kieferd / Lärchene 499 7 6114 93

Tannef / Douglasieg 930 12 6574 88

Interquartil-Minimum Mittelwert Maximum bereich

BHD [cm]

übrige Laubholzarten 9.2 34.0 143.1 18.5

Buchea / Eichenb 9.5 40.7 143.1 22.3

Fichtec 9.4 37.4 122.4 18.1

Kieferd / Lärchene 9.8 39.1 93.5 15.7

Tannef / Douglasieg 10.1 46.4 148.1 23.2

Baumhöhe [m]

übrige Laubholzarten 2.6 24.4 49.5 9.4

Buchea / Eichenb 4.0 27.0 49.5 8.8

Fichtec 4.6 27.8 51.5 9.2

Kieferd / Lärchene 5.8 25.6 44.5 8.1

Tannef / Douglasieg 4.0 29.3 51.1 8.0

h/d-Wert [m/m]

übrige Laubholzarten 15.7 78.5 168.4 30.2

Buchea / Eichenb 22.3 73.9 193.2 29.1

Fichtec 35.6 78.9 162.4 21.5

Kieferd / Lärchene 25.8 68.2 179.8 19.1

Tannef / Douglasieg 28.3 68.0 186.6 21.4

Überwiegend a Fagus sylvatica, b Quercus spp. (Q. petraea, Q robur), c Picea abies, d Pinus silvestris, e Larix spp. (L. decidua, L. kaempferi), f Ab-ies alba, g Pseudotsuga menziesii

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berechnet wird (Topex-to-Distance-Index, SCOTT undMITCHELL 2005). Beim distanz-begrenzten Topex han-delt es sich um die Summe der Winkel zwischen derEbene und dem Horizont auf den 8 Kardinalhimmels-richtungen, wobei der Horizont nicht weiter als einebestimmte Grenzdistanz vom Bezugspunkt entferntsein darf. Anderenfalls wird der Winkel zur Grenzdis-tanz verwendet. Die Zusammenfassung der Winkelauf den 8 Kardinalhimmelsrichtungen zu einer Winkel-summe bedeutet implizit, dass der Exponiertheit in al-len Himmelsrichtungen die gleiche Bedeutung bezüg-lich des Sturmschadensrisikos zugemessen wird. Die-se Vorgehensweise scheint aber nur dann sinnvoll,wenn man Daten aus einem Gebiet mit wechselndenWindrichtungen und eines längeren Beobachtungszei-traumes verwendet. Im vorliegenden Fall liegen jedochdie Schaddaten eines einzelnen Wintersturmes vor, dereindeutig eine mehr oder weniger westliche Haupt-windrichtung aufwies. Daher wurden zusätzlich die Ein-zelwinkel getrennt nach der Himmelsrichtung als Prä-diktoren in der Modellselektion auf ihren Einfluss hinüberprüft. Um den Einfluss der Himmelsrichtung de-taillierter zu untersuchen, wurden dabei Winkel auf 36 Himmelsrichtungen mit jeweils 10 Altgrad Abstandberechnet. Die Berechnung der verschiedenen Topex-Indizes erfolgte in einer Auflösung von 25 x 25 m „Ka-cheln“ für ganz Baden-Württemberg, wobei allen Bäu-men einer Stichprobenecke der Wert der Kachel zuge-ordnet wird, in der der Stichprobenmittelpunkt liegt.

Vergleicht man die Datengrundlage der Sturmscha-densansprache in der BWI 2 in Baden-Württembergmit den eingangs dargestellten Daten, die üblicher-weise für Sturmschadensmodellierungen zur Verfü-gung stehen, so kann hier von außergewöhnlich gün-stigen Bedingungen für die Modellbildung ausgegan-gen werden. Sowohl die räumliche (Einzelbaum) undzeitliche (Schadereignis „Lothar“) Auflösung ist hoch,wobei gleichzeitig eine hohe Repräsentativität auf Ba-sis des verdichteten (2 x 2 km) Stichprobennetzes derBWI in Baden-Württemberg gewährleistet ist. Dabeiwiesen die verschiedenen geographischen Bereichein Baden-Württemberg während des Sturms eine gro-ße Bandbreite an meteorologischen Randbedingun-gen auf.

Methodik

In den bisherigen Überlegungen ist davon ausgegan-gen worden, dass die Zuordnung zu einem konkretenSchadereignis die alleinige Voraussetzung für die Ver-knüpfung von Schaddaten mit den eigentlichen Schad-ursachen ist. Für eine Berücksichtigung in Modellenmüssten aber letztlich Informationen, wie die mittlereund maximale Windgeschwindigkeit, die Böigkeit etc.,auf der Ebene des Stichprobenpunktes vorliegen. Ob-wohl diese Informationen nicht zur Verfügung stehen,ermöglicht der Einsatz spezieller statistischer Metho-den zumindest die Trennung des Einflusses meteoro-logischer Variablen vom Einfluss weiterer assoziierterGrößen, wie der Baumhöhe oder des h/d-Wertes. Da-bei wird davon ausgegangen, dass der räumliche Trend

in den Daten, der nicht über signifikante Prädiktorenbeschrieben werden kann, auf unterschiedliche mete-orologische Randbedingungen während des Winter-sturmes „Lothar“ zurückzuführen ist. Die Schätzung derModellkomponenten zur Berücksichtigung des räum-lichen Trends muss dabei gleichzeitig mit der Schät-zung der Effekte weiterer Einflussgrößen erfolgen.Theoretisch kann der räumliche Trend weiter nachgroßräumigen Korrelationsmustern auf Landesebeneund kleinräumigen Korrelationsmustern auf Stichpro-bentrakt-Ebene unterschieden werden. Im vorliegen-den Fall wird der großräumige Trend dabei als Resul-tat der fehlenden Informationen über großräumige Strö-mungseigenschaften interpretiert und ein bivariaterglättender Term zur Modellierung verwendet. Für einestatistische Trennung des räumlichen Trends von denweiteren Modelleffekten wird dabei unterstellt, dasskeine oder eine nur geringe Kollinearität zwischen po-tenziellen Prädiktoren und der räumlichen Position dererfassten Bäume auftritt. Die darüber hinaus auftre-tenden Abweichungen im Schadniveau einzelnerStichprobenpunkte können dementsprechend als dieAuswirkungen kleinräumiger Strömungseigenschafteninterpretiert werden, die hier allerdings nicht weiterquantifiziert werden.

Da es sich bei der Antwortvariable um eine kategori-sche Variable mit binärer Ausprägung handelt, kannder hier verwendete Modelltyp als VerallgemeinertesAdditives Regressionsmodell (GAM) bezeichnet wer-den (Formel 1):

g(πijk) = Xijk β + ƒ (RWij; HWij) (1)

wobei πijk = E(yijk) ~ binomial (l, πijk) und E(yijk)die erwartete Wahrscheinlichkeit für einen Sturm-schaden von Baumijk ist, der sich an der geo-graphischen Position RWij und HWij in Trakt-eckeij zugehörig zu Trakti befindet;

g(.) : eine Linkfunktion (logistisch);Xijk : ein Vektor von unabhängigen Prädiktorvaria-

blen;β : ein zugehöriger Parametervektor;ƒ : ein glättender Term zur Beschreibung des

räumlichen Trends, der als bivariater ,Thin-Pla-te-Basis Penalized Regressionsspline‘ spezifi-ziert wird;

RWij : Rechtswert des Mittelpunktes von Trakteckeij

(Gauß-Krüger-Koordinate);

HWij : Hochwert des Mittelpunktes von Trakteckeij

(Gauß-Krüger-Koordinate);

Standardsoftware zur Parametrisierung exakt diesesModelltyps steht bisher nur in Form der R-Programm-bibliothek (R DEVELOPMENT CORE TEAM 2005) mgcv zurVerfügung (WOOD 2006; WOOD 2000). Eine Besonder-heit der Funktionen der R-Programmbibliothek mgcv,die sie von anderen Methoden zur Anpassung von Ver-allgemeinerten Additiven Regressionsmodellen unter-scheidet, ist die Verwendung von sogenannten „Pena-

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lized Regressionssplines“ als additive Modellkompo-nenten, d. h. als Möglichkeit zur Identifikation und Er-fassung nicht-linearer Einflüsse auf die Antwortvaria-ble. Dieser Splinetyp kann als eine Mischung aus ei-nem „Standard Regressionsspline“ und einem „Stan-dard Glättenden Spline“ betrachtet werden. Zwar sindGlättende Splines aus statistischer Sicht ideale Glät-tungsfunktionen, bei denen die problematische Wahlder Basisdimension und Knotenlage entfällt. Es tretenaber numerische Probleme auf, wenn mehrdimensio-nale Modelle parametrisiert werden sollen. Die Proble-me entstehen durch die meist unnötig hohe Knotenan-zahl, die aus der Anzahl der bezüglich der unabhängi-gen Variablen unterschiedlichen Datenpunkte resul-tiert. Bei Standard Regressionssplines ist die Dimen-sion der Basis reduziert, allerdings tritt hier das Pro-blem der subjektiven und damit problematischen Aus-wahl der Knotenanzahl und -lage auf. Dagegen kom-biniert der Penalized Regressionsspline die Vorteilebeider Splinetypen. Wie bei einem Standard Regres-sionsspline ist es zwar notwendig, die Dimension derverwendeten Basis bzw. die Knotenanzahl sowie -lagezu bestimmen. Allerdings wird der Grad der Glättungwie bei einem Glättenden Spline über einen „Straf-term“ mit Hilfe eines Glättungsparameters λ gesteuert.Eine ausreichende Flexibilität, d. h. eine ausreichendeKnotenanzahl und eine einigermaßen gleichmäßigeVerteilung der Knoten vorausgesetzt, wird der Gradder Glättung fast ausschließlich über den Glättungs-parameter λ bestimmt.

Für die Parametrisierung multivariater Glättungstermesind kubische Basisfunktionen auch bei Verwendungvon Penalized Regressionssplines ungeeignet. Stattdessen werden in diesem Fall „Thin-Plate-Basis Re-gressionssplines“ verwendet (WOOD 2006). Die Thin-Plate-Basis erfordert keine Vorgabe der Knotenlage,lediglich ihre Dimension muss gewählt werden, wobeidie Modellanpassung erneut fast ausschließlich überden Glättungsparameter λ gesteuert wird, so dass dieKnotenanzahl lediglich eine ausreichende Flexibilitätgewährleisten muss (WOOD 2006). Eine Einschränkungbei der Verwendung von multivariaten Thin-Plate-Ba-sis Regressionssplines resultiert daraus, dass Isotro-pie unterstellt wird. Isotropie bedeutet eine identischeGlättung in den verschiedenen Dimensionen multivari-ater additiver Modellterme und wird von WOOD (2006)für die Modellierung von räumlichen Datentrends alsStandard empfohlen.

Modellbildung

Zusätzlich zur räumlichen Trendfunktion wurden imRahmen der Variablenselektion Haupteffekte für dieBaumarten, baumartenspezifische Effekte des BHDund der Baumhöhe sowie Effekte für vier modifizierteTopex-to-Distance-Indizes in ein verallgemeinertes Re-gressionsmodell integriert (Formel 2). Dabei wurdenverschiedene Baumarten zu Gruppen zusammenge-fasst soweit sie ähnliche Effekte bezüglich ihres Schad-musters zeigen und – wie die Douglasie oder die Lär-chen – nur relativ wenige Beobachtungen umfassen.

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Ein weiterer Grund für die Zusammenfassung in Baum-artengruppen war eine unausgeglichene räumlicheVerteilung in Baden-Württemberg wie sie z. B. für dieTanne vorliegt.

Die Distanz zum nächsten westlich exponierten Wald-rand wurde auf Basis des topographischen-kartogra-phischen Informationssystems (ATKIS) (JÄGER 2003)berechnet und auf ihren Effekt hin überprüft. Die Inte-gration führte allerdings zu keiner signifikanten Modell-verbesserung. Dieses Ergebnis steht im Widerspruchzu bisherigen Erkenntnissen, die vor allem aus me-chanistischen Modellen abgeleitet wurden (PELTOLA

et al. 1999; GARDINER und STACEY 1995). Eine möglicheErklärung könnte sein, dass die Distanz zum Wald-rand nur bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Wald-randstruktur einen Beitrag zur Einschätzung der Schad-wahrscheinlichkeit leistet. Baumartenspezifische Effek-te für den BHD und die Höhe resultieren in deutlichenVerbesserungen gegenüber einem Modell ohne Wech-selwirkungen zwischen Baumart und Baumdimension.Die Logarithmierung von BHD und Höhe erlaubt es,den beobachteten degressiv ansteigenden Effekt fürdie Baumhöhe und den degressiv abfallenden Effektfür den BHD zu beschreiben und gleichzeitig monoto-ne Effektverläufe zu garantieren.

Die Auswahl der Topex-Indizes, die getrennt für 36 Him-melsrichtungen berechnet wurden, erfolgte halbauto-matisiert in einer Programmschleife, da die Funktionender verwendeten R-Programmbibliothek mgcv (WOOD

2006) bisher noch keine schrittweise Variablenauswahlunterstützen. Gleichzeitig wurde der Topex für dreiunterschiedliche Grenzdistanzen (1000, 2000, 3000 m)berechnet und im Parametrisierungsprozess geprüft.In der überwiegenden Zahl der Fälle erwies sich dieGrenzdistanz von 1000 m als geringfügig überlegen,so dass in der weiteren Modellselektion nur Topex-Indi-zes auf Basis dieser Grenzdistanz verwendet wurden.Als Topex-Werte mit der höchsten Streuungsreduktionwurden diejenigen auf den Himmelsrichtungen 250 und260 Grad (Abb. 1) identifiziert. Dieses Ergebnis kanndahingehend interpretiert werden, dass die „mittlere“Hauptwindrichtung des Wintersturmes „Lothar“ in Ba-den-Württemberg im Bereich von 255 Grad, d. h. etwabei „West zu Süd“ lag. Weiterhin fiel bei der Parametri-sierung der 36 Modellvarianten auf, dass diejenigenTopex-Himmelsrichtung-Kombinationen ähnliche Koef-fizienten (Betrag und Vorzeichen) aufweisen, die diegleiche Abweichung zu dieser angenommenen Haupt-windrichtung haben. Dieses Ergebnis erscheint plausi-bel, da es aus physikalischer Sicht für das Schadrisikounerheblich sein muss, ob die Exponiertheit einesHanges in einer Himmelsrichtung auftritt, die einen be-stimmten Betrag im oder gegen den Uhrzeigersinn vonder Hauptwindrichtung abweicht. Dieser Sachverhaltwurde bei der Modellkonzeption berücksichtigt, indemimmer zwei Topex-Indizes summiert wurden, die diegleiche Abweichung von der unterstellten Hauptwind-richtung aufweisen. Diese Summenwerte (im Weiterenals modifizierter Topex bezeichnet) gehen als Prädikto-ren in das Modell ein, womit gewährleistet ist, dass eineinheitlicher Effekt für beide Topex-Himmelsrichtung-

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Kombinationen geschätzt wird. Die auf 36 Himmels-richtungen berechneten Topex-Indizes bzw. die aus ih-nen abgeleiteten 18 modifizierten Topex-Werte weiseneine starke Kollinearität auf, die umso stärker ausge-prägt ist, je enger die zugehörigen Himmelsrichtungenbei einander liegen. In einer schrittweisen Regres-sionsanalyse werden daher nur einige von ihnen aus-gewählt. Die auftretende Kollinearität führt auch dazu,dass anstelle der Topex-Himmelsrichtung-Kombinationauf 260 und 250 Grad der modifizierte Topex der Him-melsrichtungen auf 270 und 240 Grad in das Modelleingeht. Weitere modifizierte Topex-Werte, die als Prä-diktoren ausgewählt werden, sind die Himmelsrich-tungskombinationen 60 und 90 Grad, 190 und 320 Gradsowie 10 und 140 Grad (in der Reihenfolge ihrer Aus-wahl, Abb. 1).

Damit lässt sich das spezifizierte Modell wie folgt be-schreiben:

g(πijk) = BHDijkBA T

ijk δ (2)BA T

ijk α + log ( )

hijk -BA Tijk

γ

+ β1 Top_to_Dist_1ij + β2 Top_to_Dist_2ij

+ β3 Top_to_Dist_3ij + β4 Top_to_Dist_4ij

+ ƒ (RWij; HWij)

BAijk : Vektor zur Kodierung der Baumar-tengruppe von Baumijk [Fichte, Tan-ne / Douglasie, Kiefer / Lärchen, Bu-che / Eichen, übrige Laubholzarten];

BHDijk : Brusthöhendurchmesser von Baumijk 1999 [cm];

hijk : Baumhöhe von Baumijk 1999 [m];Top_to_Dist_1ij : Modifizierter Topex-to-Distance-In-

dex auf den Expositionen 270 und

240 für Trakteckeij (Abb. 1) [Grad *10];

Top_to_Dist_2ij : Modifizierter Topex-to-Distance-In-dex auf den Expositionen 90 und60 für Trakteckeij [Grad * 10];

Top_to_Dist_3ij : Modifizierter Topex-to-Distance-In-dex auf den Expositionen 320 und190 für Trakteckeij [Grad * 10];

Top_to_Dist_4ij : Modifizierter Topex-to-Distance-In-dex auf den Expositionen 140 und10 für Trakteckeij [Grad * 10];

RWij : Rechtswert des Mittelpunktes vonTrakteckeij (Gauß-Krüger-Koordi-nate)

HWij : Hochwert des Mittelpunktes vonTrakteckeij (Gauß-Krüger-Koordi-nate)

: Vektoren von Regressionskoeffi-.. .. .zienten;

.1234 : Regressionskoeffizienten;ƒ : 2-dimensionale Glättungsfunktion.

Modellverhalten und Diskussion

Im folgenden sollen Vorhersagen mit Hilfe des ent-wickelten Regressionsmodells (Formel 2) unter ceterisparibus Bedingungen durchgeführt werden, d. h. dassimmer nur einige der Prädiktoren variiert und die übri-gen konstant gesetzt werden, um den jeweiligen Ef-fekt auf die Schadwahrscheinlichkeit zu verdeutlichen.Anstelle der Erwartungswerte werden die zugehörigenPrognoseintervalle der Schadwahrscheinlichkeit dar-gestellt, um zusätzlich die statistische Unsicherheit derPrognosen zu quantifizieren.

Wie erläutert, basieren Teile der hier vorgestellten Mo-dellkonzeption auf der Annahme, dass der räumlicheTrend im Schadmuster, der nicht über Variablen, wiedie Einzelbaumhöhe beschrieben werden kann, durchdie räumlich unterschiedlichen meteorologischen Ei-genschaften des Wintersturms „Lothar“ verursacht wird.Die geographische Lage ist in diesem Fall als Stellver-treter der meteorologischen Randbedingungen währenddes Wintersturmes zu verstehen. Es kann aber keines-falls geschlussfolgert werden, dass eine bestimmtegeographische Lage generell ein bestimmtes Schadri-siko aufweist. Abb. 2 zeigt das Muster der resultieren-den Schadwahrscheinlichkeit, wenn ganz Baden-Würt-temberg mit einem Modellbaum mit spezifischen Ei-genschaften (vgl. Unterschrift Abb. 2) bestockt wäre unddas Gelände eine einheitliche „mittlere“ Exponiertheitaufweisen würde. Dabei kommt es in diesem Fall we-niger auf das konkrete Schadniveau als viel mehr aufdas räumliche Muster an. Die sich abzeichnendenSchwerpunkte erhöhten Risikos im Nordschwarzwald,im Rheintal, im Raum Stuttgart und im Bereich derOstalb liegen in den Bereichen mit den beobachtetenhöchsten Schäden. Das Muster lässt sich dahingehendinterpretieren, dass Unterschiede im Schadniveau nurzum Teil auf unterschiedliche Baum- und Geländeei-genschaften zurückzuführen sind. Unter Berücksichti-gung der Modellannahme müssen diese Regionen un-

Erfahrungen aus dem Sturm „Lothar“ – eine inventurbasierte Analyse zur Abschätzung des Einzelbaum- und Bestandesrisikos durch Stürme

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Abb. 1: Windrose der Himmelsrichtungen, für die sepa-rate Topex-Werte berechnet wurden. Pfeile markierenHimmelsrichtungen, deren Topex-Werte im Parametrisie-rungsprozess als Prädiktoren ausgewählt wurden. DieStärke der Pfeile ist proportional zum Betrag der Regres-sionskoeffizienten, so dass beispielsweise deutlich wird,dass die Exponiertheit in westlicher Richtung einen ca.3-fach stärkeren Einfluss auf das Schadrisiko hat, alsdie Exponiertheit in östlicher Richtung. Gleichartige Linientypen kennzeichnen Himmelsrichtungspaare, dieaufsummiert den Wert des modifizierten Topex ergeben,der als Prädiktor in die Regressionsanalyse eingeht.

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günstigere meteorologische Randbedingungen (höhe-re Windgeschwindigkeiten) während des Wintersturmsaufgewiesen haben. Die Modellierung des räumlichenTrends erlaubt dabei eine Quantifizierung dieses Sturm-einflusses, ohne dass Informationen über die eigent-lichen Sturmeigenschaften vorliegen.

Die Baumhöhe ist einer der wichtigsten Prädiktoren,für die im Rahmen der Modellselektion ein signifikan-ter Einfluss auf die Sturmschadenswahrscheinlichkeitfestgestellt wurde (Abb. 3). Andere statistische (KELLO-MÄKI und PELTOLA 1998) und mechanistische Modelle(CUCCHI et al. 2005; PELTOLA et al.1999) prognostizie-ren ebenfalls ansteigende Schadwahrscheinlichkeitenmit steigender Baumhöhe. Im Gegensatz zu unsererUntersuchung ist der Effekt aber häufig weniger deut-

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lich. Als Ursache kann vermutet werden, dass in vie-len Untersuchungen nicht auf eine vergleichbar breiteDatenbasis zurückgegriffen werden konnte (Tab. 1).Im Gegensatz dazu spielt in vielen mechanistischenModellen die Stammform für die Einschätzung der

Tabelle 2: Koeffizientenschätzungen und statistische Kennwerte des Modells zur Prognose der Schadwahrscheinlich-keit auf Einzelbaumebene durch Winterstürme (Formel 2).

Regressionskoeffizienten

Schätzung Standardfehler t-Wert Pr(>|t|)

übrige Laubholzarten -8.78 0.68 -12.88 < 2e-16 ***

Buchea / Eichenb -13.04 0.51 -25.66 < 2e-16 ***

Fichtec -12.27 0.24 -50.89 < 2e-16 ***

Kieferd / Lärchene -8.59 0.60 -14.32 < 2e-16 ***

Tannef / Douglasieg -8.46 0.47 -18.06 < 2e-16 ***

übrige Laubholzarten: log(BHD) -0.287 0.187 -1.530 0.126

Buchea / Eichenb: log(BHD) -0.998 0.101 -9.902 < 2e-16 ***

Fichtec: log(BHD) -1.775 0.078 -22.629 < 2e-16 ***

Kieferd / Lärchene: log(BHD) -1.625 0.183 -8.865 < 2e-16 ***

Tannef / Douglasieg: log(BHD) -0.505 0.124 -4.068 < 2e-16 ***

übrige Laubholzarten: log(h) -1.770 0.307 -5.759 8.5e-09 ***

Buchea / Eichenb: log(h) -3.994 0.201 -19.917 < 2e-16 ***

Fichtec: log(h) -5.128 0.129 -39.916 < 2e-16 ***

Kieferd / Lärchene: log(h) -3.525 0.269 -13.130 < 2e-16 ***

Tannef / Douglasieg: log(h) -2.449 0.221 -11.087 < 2e-16 ***

Top_to_Dist_1 -0.00622 0.000178 -35.025 < 2e-16 ***

Top_to_Dist_2 -0.00149 0.000172 -8.649 < 2e-16 ***

Top_to_Dist_3 0.00440 0.000298 14.779 < 2e-16 ***

Top_to_Dist_4 -0.00280 0.000303 -9.216 < 2e-16 ***

Glättender Term:

edf F-Wert p-value

ƒ (Hochwert, Rechtswert) 164 31.79 < 2e-16 ***

R2 (adjusted) = 0.212 deviance explained = 23.8 %

n = 63452

Signifikanzkode: '***' 0.001 '**' 0.01 '*' 0.05

Überwiegend a Fagus sylvatica, b Quercus spp. (Q. petraea, Q robur), c Picea abies, d Pinus silvestris, e Larix spp. (L. decidua, L. kaempferi), f Ab-ies alba, g Pseudotsuga menziesii

Abb. 2: Prognose räumlich bedingter Unterschiede imSturmschadensniveau mit Hilfe einer Modellschätzungunter ceteris paribus Bedingungen, wobei die übrigenim Modell (Formel 2) integrierten Prädiktoren auf Kon-stanten bzw. eine spezifische Kategorie fixiert werden:Baumartengruppe Fichte, Median der Baumhöhe unddes BHD der Fichte in der Datenbasis: 28,3 m bzw.36,5 cm, Median der Exponiertheit (modifizierter Topex-to-Distance-Index)). Je dunkler die Färbung, desto höherist die prognostizierte Schadwahrscheinlichkeit.

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Vulnerabilität bzw. die Prognose eines Sturmscha-dens eine größere Rolle (KELLOMÄKI und PELTOLA

1998; PELTOLA et al. 1999; GARDINER et al. 1997).Grundsätzlich sind die Vergleiche mit anderen Ansät-zen auch dadurch eingeschränkt, dass mechanistischeModelle kritische Windgeschwindigkeiten prognosti-zieren, die nicht direkt mit Schadenswahrscheinlichkei-ten verglichen werden können.

Die Verläufe in Abb. 3 stellen Modellschätzungen (For-mel 2) für variierende Höhen dar, während anderePrädiktoren mit Ausnahme des BHD und der geogra-phischen Position konstant gehalten werden (dieexakte Spezifikation ist in der Unterschrift zu Abb. 3angegeben); der BHD wurde mit variierender Höhe soverändert, dass ein konstanter h/d-Wert resultiert.Weiterhin muss beachtet werden, dass die Datenba-sis nur wenige Höhen von mehr als 42 m umfasst. AlsKonsequenz sollten Prognosen, außerhalb dieses Hö-henbereichs vorsichtig interpretiert werden, auchwenn die zugehörigen Konfidenzintervalle noch relativeng sind.

In Abb. 3 werden zusätzlich zur Baumhöhe auch diegeographische Lage bzw. die meteorologischen Rand-bedingungen variiert. Dabei erfolgen Schätzungen anden ausgewählten Koordinaten auf der Diagonale vomNordschwarzwald ins Allgäu (Abb. 3, Karte), die in dengestaffelten Risikoverläufen resultieren. Die Staffelunglässt deutlich einen abnehmenden Trend vom Nord-schwarzwald in Richtung Allgäu erkennen.

Bezüglich des Effektes des BHD bzw. des h/d-Werteszu einer fixierten Höhe lassen sich folgende Aussagenmachen (Abb. 4): a) der zusätzliche Effekt des BHD

beeinflusst die Schadwahrscheinlichkeit in einem deut-lich geringeren Ausmaß als der Baumhöheneffekt selbstund b) unter Rahmenbedingungen, die bereits in einerhohen Schadwahrscheinlichkeit resultieren, lässt derzusätzliche Einfluss des BHD bzw. des h/d-Wertes aufdie Schadwahrscheinlichkeit nach. Der Effekt einer stei-genden Schadwahrscheinlichkeit mit zunehmender Voll-holzigkeit bzw. zunehmenden h/d-Werten wird in vie-len Untersuchungen beschrieben (z. B. PELTOLA et al.1999; GARDINER et al. 1997). Im Gegensatz dazu be-schreiben SCHÜTZ et al. (2006) einen vernachlässigba-ren Einfluss des h/d-Wertes. Allerdings beschreibenPELTOLA et al. (1999); KELLOMÄKI und PELTOLA (1998);PELTOLA und KELLOMÄKI (1993) verglichen mit unserenErgebnissen eine deutlich schnellere Abnahme derkritischen Windgeschwindigkeit (Zunahme der Schad-wahrscheinlichkeit) mit zunehmender Vollholzigkeit.Dabei kann die Differenzierung des h/d-Wert-Effektesin eine Windbruch- und eine Windwurfwahrscheinlich-keit mit unserem Ansatz nicht vorgenommen werden.Allerdings wird der Effekt des h/d-Wertes auf die Rela-tion zwischen Windbruch und -wurf auch von mecha-nistischen Modellen unterschiedlich eingeschätzt(PELTOLA et al. 1999; GARDINER et al. 1997; PELTOLA

und KELLOMÄKI 1993; GALINSKI 1989).

Werden die Rahmenbedingungen der geographi-schen Lage 1 unterstellt (Abb. 3), für die angenom-men wird, dass sie einen Bereich sehr hoher Windge-schwindigkeiten repräsentiert, so resultiert ein deut-licher Anstieg des BHD von 37,5 auf 50,0 cm für eine30 m hohe Fichte (zugehörige Abnahme des h/d-Wer-tes von 80 auf 60) in einer Reduktion der Schadwahr-scheinlichkeit von 9,4 % (Abb. 4, links). Eine Abnahmedes BHD von 37,5 auf 30 cm (zugehöriger Anstieg des

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Abb. 3: Durch die geographische Lage (meteorologische Randbedingungen) und die Einzelbaumhöhe bedingte Unter-schiede der prognostizierten Schadwahrscheinlichkeit, die durch ihr 95 % Prognoseintervall beschrieben wird. In derAbbildung und der Karte übereinstimmende Ziffern kennzeichnen die Zugehörigkeit der Wahrscheinlichkeitsverläufezur jeweiligen geographischen Lage. Der BHD wird mit variierender Höhe so verändert, dass ein konstanter h/d-Wertvon 80 [cm/cm] resultiert. Die übrigen Prädiktoren wurden konstant gehalten (Baumartengruppe Fichte, Median der Exponiertheit (modifizierter Topex-to-Distance-Index)).

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h/d-Wertes von 80 auf 100) führt unter diesen Bedin-gungen zu einem Anstieg der Schadwahrscheinlich-keit von 5,6 %. Werden Rahmenbedingungen unter-stellt, die in einer geringeren Schadprädisposition re-sultieren, so nimmt der zusätzliche Einfluss des BHDbzw. des h/d-Wertes zu. Dieser Trend wird deutlich,wenn das Szenario für die geographische Lage 1 soverändert wird, dass die Prognose für eine Fichte mitnur 25 m Höhe erfolgt oder wenn geringere Windge-schwindigkeiten unterstellt werden, wie sie z. B. durchdie geographische Lage 2 repräsentiert werden (Abb. 4,rechts).

Neben verschiedenen dendrometrischen Variablen wur-den auch 4 Indizes zur Beschreibung der Topographieunter Berücksichtigung der Exposition (modifizierter Topex-to-Distanz-Index) als signifikant identifiziert (For-mel 2). Hier soll exemplarisch der Einfluss desTop_to_Dist_1 Index dargestellt werden. Die deutlicheModellverbesserung gegenüber einer Schätzung aufBasis des Original-Topex (SCOTT und MITCHELL 2005)kann unter anderem mit der Zuordnung der Schaddatenzum Einzelereignis Wintersturm „Lothar“ mit seiner ein-deutigen Hauptwindrichtung erklärt werden. Der Wertdes Top_to_Dist_1 Index beschreibt dabei das Geländein Richtung der unterstellten Hauptwindrichtung (Abb. 1).Dieser Wert hat innerhalb der 4 Geländeparameter denstärksten Einfluss, was an den Regressionskoeffizientendeutlich wird (Tab. 2). Aufgrund des negativen Vorzei-chens des zugehörigen Koeffizienten weisen nach„West zu Süd“ exponierte Standorte ein deutlich erhöh-tes Risiko auf, so dass der Effekt qualitativ als meteoro-logisch plausibel beurteilt werden kann. In Abb. 5 wird

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die Wirkungsrichtung dadurch deutlich, dass das Risikomit abnehmenden Topex-Werten bzw. zunehmenderExposition an-steigt. Die Koeffizienten der IndizesTop_to_Dist_2 und Top_to_Dist_4 (Abb. 1) sind eben-falls negativ, so dass beispielsweise Hangkanten an inNord-Süd-Richtung verlaufenden Bergkämmen in Pro-gnosen ein sehr hohes Risiko aufweisen würden. DerTop_to_Dist_3 Index weist als einziger einen Koeffizien-ten mit positivem Vorzeichen auf. Eine geringe Expo-niertheit (große Horizontüberhöhung) in den bei der Be-rechnung verwendeten Expositionen (190 und 320 inAbb. 1) führt in diesem Fall somit zu einer Erhöhung desRisikos. Dieser Effekt führt dazu, dass in Tälern oderPasssituationen, die in Richtung der Hauptwindrichtungausgerichtet sind, eine hohe Schadwahrscheinlichkeitprognostiziert wird.

Modellvergleiche sind hier nur begrenzt möglich, daes keine anderen Modelle gibt, die die gesamte Baum-artenliste abdecken, die in unserem Modell integriertist. Allerdings beschreiben PELTOLA et al. (1999) eineähnliche Rangfolge für einen Teil der Baumarten. Un-ter konstanten Rahmenbedingungen prognostiziert ihrModell eine abnehmende Schadwahrscheinlichkeitvon Fichte zu Kiefer und Birke im laubfreien Zustand.Die gleiche Rangfolge wird durch ein logistisches Mo-dell von JALKANEN und MATTILA (2000) prognostiziert. Inunserem Modell ist Birke in der Gruppe der übrigenLaubholzarten enthalten, die die niedrigste Schad-wahrscheinlichkeit zeigt. SCHÜTZ et al. (2006) und HANEWINKEL et al. (2004) präsentieren ebenfalls Ergeb-nisse, die mit unseren Prognosen übereinstimmen. Sozeigen fichtendominierte Bestände in ihren Untersu-

Abb. 4: Effekte von Baumhöhe und BHD auf die prognostizierte Schadwahrscheinlichkeit, die durch ihr 95 % Prognose-intervall beschrieben wird. Der BHD wird mit variierender Baumhöhe so verändert, dass konstante h/d-Werte von 60,80 und 100 [cm/cm] resultieren. Die linke Abbildung zeigt Prognosen für die geographische Lage mit den Gauß-Krüger-Koordinaten Rechtswert 3440000/Hochwert 5400000 (Lage Nr. 1 in Abb. 3) und die rechte Abbildung für die geographi-sche Lage mit den Gauß-Krüger-Koordinaten Rechtswert 3460000/Hochwert 5380000 (Lage Nr. 2 in Abb. 3). Die übrigenPrädiktoren wurden konstant gehalten (Baumartengruppe Fichte, Median der Exponiertheit (modifizierter Topex-to-Distance-Index)).

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chungen eine höhere Schadwahrscheinlichkeit als Be-stände, die von Buche oder anderen Laubholzartendominiert werden.

Die sehr umfangreiche Datenbasis ermöglichte in un-serem Fall vertiefende Analysen, die die Wechselwir-kung zwischen Baumart und -dimension betreffen.Diese Wechselwirkungen haben je nach den sonsti-gen Rahmenbedingungen teilweise Rangfolgenwech-sel der Baumarten mit sich ändernder Baumhöhe zurFolge (Abb. 6). Zur Verdeutlichung wird in dem hierdargestellten Szenario erneut ein konstanter h/d-Wertmit sich ändernder Baumhöhe unterstellt. Die Wech-sel in der Rangfolge sind letztlich Ausdruck „dynami-scherer“ Verläufe der Schadwahrscheinlichkeit der Fich-ten- und der Buchen-/Eichen-Gruppe. Als ein Ergebnisder Wechselwirkungen zeigt die Tannen-/Douglasien-Gruppe unter den Bedingungen des dargestelltenSzenarios im Bereich niedrigerer Baumhöhen sogarhöhere Schadwahrscheinlichkeiten als die Fichten-gruppe; das gleiche gilt für die Kiefern-/Lärchen-Grup-pe (Abb. 6). Allerdings dreht sich die Rangfolge, bezo-gen auf die Fichtengruppe, bei 18,2 m für die Tannen-/Douglasien-Gruppe und bei 12,8 m für Kiefern-/Lär-

chen-Gruppe um. Auf Grund der Modellformulierungwird der Punkt des Rangfolgenwechsels für eine be-stimmte Baumhöhen-BHD-Kombination nicht von denübrigen Prädiktoren beeinflusst (vgl. Abb. 6 links undrechts). Der Punkt des Rangfolgenwechsels ändertsich dagegen, wenn andere Baumhöhen-BHD-Kombi-nationen unterstellt werden.

Zusammenfassung

Auf der Grundlage der in der Bundeswaldinventur inBaden-Württemberg erfassten Sturmschäden des Win-tersturms „Lothar“ wurde an der Forstlichen Versuchs-und Forschungsanstalt Baden-Württemberg ein stati-stisches Modell zur Prognose des Sturmschadensrisi-kos auf Einzelbaumebene entwickelt. Die verwendeteDatenbasis zeichnet sich neben ihrer hohen Reprä-sentativität durch die Verknüpfung der Schaddaten miteinem einzelnen Schadereignis (Wintersturm „Lothar“)aus. Auch wenn die meteorologischen Eigenschaftendieses Schadereignisses nicht detailliert erfasst wur-den und somit nicht als Prädiktoren verwendet werdenkönnen, lässt sich der Sturmeffekt vom Effekt anderer

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Abb. 5: Effekte der Exponiertheit und dendrometrischerVariablen auf die Schadwahrscheinlichkeit, die durch ihr95 % Prognoseintervall beschrieben wird. Dargestellt istdie Modellprognose für variierende Werte des modifi-zierten Topex-to-Distance-Index auf den Himmelsrich-tungen 240 / 270° (entspricht dem Top_to_Dist_1 in For-mel. 2). Die Prognosen erfolgen, in dem die 2.5 %, 10 %,50 %, 90 % und 97.5 % Quantile der Datengrundlage fürden Index berechnet und als Prädiktoren verwendet wer-den. Der BHD wird mit den sich ändernden Höhenwertenso variiert, dass ein konstanter h/d-Wert von 80 [cm/cm]resultiert. Die übrigen Prädiktoren werden konstant ge-halten (Baumartengruppe Fichte, Median der übrigennicht variierten Topex-to-Distance Indizes, Gauß-Krüger-Koordinaten Rechtswert 3440000/Hochwert 5400000).Eine weitere zentrale Fragestellung ist die Überprüfungder unterschiedlichen Gefährdung der Baumarten. Diemöglichst genaue Quantifizierung von Baumartenunter-

schieden bezüglich der Sturmschadensgefährdung istvon entscheidender Bedeutung für die forstliche Praxis(Abb. 6). Was die qualitativen Unterschiede der Baumar-tengruppen betrifft, liefert das Modell weitgehend eineBestätigung forstlichen Expertenwissens und der Er-kenntnisse aus Fallstudien in Südwestdeutschland undder Schweiz, wobei dieses Wissen schwerpunktmäßigdie Baumarten Fichte und Tanne betrifft (GERWIG 1868;BAZZIGHER und SCHMID 1969; KOHNLE et al. 2003). Die Fich-te weist in Vergleichen mit Tanne und Buche die höchsteSchadwahrscheinlichkeit auf. Ein großer Vorteil der mo-dellhaften Erfassung des Baumarteneffektes besteht je-doch darin, dass sich für unterschiedlichste Kombina-tionen von Einflussfaktoren ermitteln lässt, wie die großdie quantitativen Unterschiede zwischen den Baumartensind. Diese Informationen können für ökonomische Be-wertungen unterschiedlicher Produktionsmodelle (Be-triebszieltypen) verwendet werden und langfristige wald-bauliche Planungen im Bereich der Baumartenwahl un-terstützen. Die Baumartengruppe wird sowohl über ihrenHaupteffekt als auch in Wechselwirkung mit den dendro-metrischen Variablen im Modell integriert (Formel 2), sodass unterschiedliche Rangfolgen der Baumarten beisich ändernden Dimensionen und h/d-Werten abgebildetwerden können. Die Szenarien zeigen, dass die Baumar-tengruppe Fichte insgesamt betrachtet die höchsteSchadwahrscheinlichkeit aufweist, gefolgt von den Baum-artengruppen Tanne/Douglasie und Kiefer/Lärche. DieLaubholzarten weisen deutlich geringere Schadwahr-scheinlichkeiten auf, wobei für die BaumartengruppeBuche/Eichen eine höhere Wahrscheinlichkeit als für dieGruppe der übrigen Laubholzarten prognostiziert wird.Aufgrund der sehr heterogenen Baumartenzusammen-setzung, unterschiedlicher Datenbereiche der dendro-metrischen Variablen aber auch der unterschiedlichenregionalen Verteilung sollten die Ergebnisse für dieseBaumartengruppe jedoch mit Vorsicht interpretiert undfür Entscheidungen genutzt werden.

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Einflussgrößen mit Hilfe eines Verallgemeinerten Ad-ditiven Regressionsmodells (GAM) statistisch trennen.Die Zuordnung zu einem einzelnen Schadereignis inKombination mit der geographischen Einmessung derEinzelbäume ermöglicht es zudem, nicht nur die Ge-ländeexponiertheit bei der Modellbildung zu berück-sichtigen, sondern auch eine Wechselwirkung zwischender Exponiertheit und der Exposition zu erfassen. Alsentscheidend kann in diesem Zusammenhang ange-sehen werden, dass während eines einzelnen Winter-sturmes bezüglich einer „mittleren“ Hauptwindrichtungsehr viel homogenere Verhältnisse herrschen als bei-spielsweise innerhalb einer 10-jährigen Inventurperio-de. Die statistische Quantifizierung des Sturmeffektesdurch die Modellierung eines räumlichen Trends so-wie die Berücksichtigung einer Wechselwirkung zwi-schen Exposition und Exponiertheit bieten weitreichen-de Möglichkeiten zur Regionalisierung sowie Übertra-gung auf abweichende meteorologische Randbedin-gungen. Die Regionalisierung wird möglich, da das Mo-dell sensitiv gegenüber der Geländeexponiertheit ist.Eine Übertragung auf abweichende großräumige Wind-richtungen wird dadurch gewährleistet, dass eine Wech-selwirkung zwischen Exponiertheit und Exposition imModell integriert ist. Beispielsweise weisen westlichexponierte Berghänge ein deutlich höheres Risiko aufals nördlich exponierte. Das aus der Exposition resul-tierende Schadniveaumuster kann dahin interpretiertwerden, dass der Wintersturm „Lothar“ die Hauptwind-richtung „West zu Süd“ aufwies. Der Effekt der Exposi-tion kann daher aufgrund der Abweichung von dieserHauptwindrichtung interpretiert werden. Die Wirkungeiner abweichenden Hauptwindrichtung könnte in Sze-narien simuliert werden, indem die Gewichtung der Ex-positionen (Regressionskoeffizienten) in Relation zu

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dieser abweichenden Hauptwindrichtung erfolgt. DerEinfluss unterschiedlicher Windgeschwindigkeiten wirdim Modell stellvertretend über die Modellierung einesräumlichen Trends berücksichtigt. Der Einfluss einerbestimmten geographischen Lage wird dabei als Ein-fluss der (unbekannten) Windgeschwindigkeit, Strö-mungsturbulenz etc. während des Wintersturms angenau diesem Ort interpretiert. Unter dieser Annahmekönnen die meteorologischen Bedingungen, die an ei-nem bestimmten Ort in Baden Württemberg währenddes Wintersturms geherrscht haben, auf andere Ge-biete übertragen werden, indem stellvertretend die Ko-ordinaten dieses Ortes als Prädiktoren verwendet wer-den. Das entwickelte Modell quantifiziert zusätzlich denEinfluss der Baumart, der Baumhöhe und des BHD(h/d-Wertes) auf das Sturmrisiko auf Grundlage einerumfangreichen Datenbasis, wobei unscharfes wald-bauliches Expertenwissen bestätigt wird. Der beson-dere Vorteil des Modells besteht jedoch darin, dassdiese Unterschiede bzw. Einflüsse quantifiziert wer-den. Das Modell bildet damit die Grundlage für dieEntwicklung forstlicher Entscheidungsstützungssyste-me wie Risikopotenzialkarten. Darüber hinaus ist esdie Voraussetzung für die Berücksichtigung des Risi-kos durch Winterstürme in Szenariosimulationen etwazur mittelfristigen Prognose des Holzaufkommens.

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Abb. 6: Effekte der Baumartengruppe und dendrometrischer Variablen of die Sturmschadenswahrscheinlichkeit, diedurch ihr 95 % Prognoseintervall beschrieben wird. Der BHD wird mit sich ändernder Baumhöhe so variiert, dass einkonstanter h/d-Wert von 80 [cm/cm] resultiert. Die linke Abbildung zeigt Prognosen für die geographische Lage mit denGauß-Krüger-Koordinaten Rechtswert 3440000/Hochwert 5400000 (Lage Nr. 1 in Abb. 3) und die rechte Abbildung fürdie geographische Lage mit den Gauß-Krüger-Koordinaten Rechtswert 3460000/Hochwert 5380000 (Lage Nr. 2 in Abb. 3).Die übrigen Prädiktoren wurden konstant gehalten (Median der Exponiertheit (modifizierter Topex-to-Distance-Index)).

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Einleitung

Ziel dieses Beitrages ist es, zwei wesentliche Aspektedes sich unter dem zu erwartenden Klima geändertenRisikos für die Forstwirtschaft näher zu beleuchten: ei-ne Erhöhung des Sturmschadensrisikos sowie eineArealverschiebung der Haupt-Wirtschaftsbaumart Fich-te in Richtung Laubbäume. Hierfür wird zunächst ein fürSüdwestdeutschland auf der Basis von Großraumin-venturdaten entwickeltes statistisches Sturmschadens-modell und dessen Anwendung vorgestellt. Im zweitenTeil des Beitrags wird, nach einer kurzen Diskussionverschiedener Ansätze des „Biome-shift-modelling“, dasProblem der Arealverschiebung von Fichte in RichtungBuche ebenfalls auf der Basis von Bundeswaldinven-turdaten für Baden-Württemberg modelliert und mit ei-nem klassischen ökonomischen Ansatz bewertet. DerBeitrag endet mit der Vorstellung eines allgemeinenModellrahmens für die Risikoerfassung sowie Hinweisefür ein zukünftiges Risikomanagement.

Erhöhte Sturmschadensgefährdung – ein Sturmschadensmodell

Auf der Basis von Einzelbaumdaten, die Schäden durchden Sturm „Lothar“ (Winter 1999) in Baden-Württem-berg abbilden, wurde ein statistisches Modell entwickelt,das die Wahrscheinlichkeit von Einzelbäumen, durcheinen starken Wintersturm geschädigt zu werden, ab-schätzt (SCHMIDT et al. 2009). Die Daten wurden aufder Basis der zweiten Bundeswaldinventur (BWI II) er-hoben und beinhalten 6613 durch den Sturm geschä-digte Bäume sowie 56813 „Überlebende“ von „Lo-thar“. Im Prinzip versucht das entwickelte Modell dieAus-wirkung baumspezifischer Variablen (Baumart,Höhe, BHD), von der Auswirkung der topographischenSituation (Abstand zum vor gelagerten Waldrand, Ge-ländeexposition und -ausrichtung), der Standortsbe-dingungen (Bodenwasserhaushalts) und Auswirkun-gen, die dem Windfeld zuzurechnen sind auf dieSturmschadenswahrscheinlichkeit, zu trennen. Im Mo-dell wurde die Geländesituation durch einen modifi-zierten Topex-Wert (nach SCOTT und MITCHELL 2005)charakterisiert, der den Zusammenhang zwischen Ge-ländeexposition und -ausrichtung integriert, die Mo-dellprognose deutlich verbessert und das Modell sen-sitiv für die Windrichtung macht. Das zentrale Problemfehlender Information über das Windfeld wurde durchdie Anwendung eines Generalisierten Additiven Mo-

dells (GAM) gelöst, das es ermöglicht, simultan eineräumliche Trendfunktion sowie baum- und gelände-spezifische Effekte anzupassen (siehe dazu Beitragvon SCHMIDT et al. in der vorliegenden Schrift).

Sturmschadensanalyse

Aus der Sturmschadensmodellierung für ein zukünfti-ges Risikomanagement ergibt sich die Notwendigkeiteiner detaillierten Risikoanalyse, insbesondere auchnach Groß-Sturmereignissen, die in Zukunft, auch wenneine generelle Zunahme von Windgeschwindigkeitenderzeit wissenschaftlich nicht nachweisbar ist (ALBRECHT

et al. 2009), weiterhin auftreten werden. Diese Analy-se muss auf einer möglichst breiten Datenbasis mitHilfe regionalisierter Modelle erfolgen, die die Topogra-phie des Geländes und zumindest als Ersatz für Infor-mationen über das Windfeld die geographische Lagebeinhalten müssen. Lokale Fallstudien sind hierfür nurbegrenzt tauglich. Aus den ersten Prognoseläufen mitdem hier vorgestellten Modell (SCHMIDT et al. 2009) er-gibt sich die zentrale Rolle der Oberhöhe als die Scha-denswahrscheinlichkeit bestimmender Faktor. Für dieBewirtschaftung bedeutet dies, dass angestrebte Ziel-durchmesser insbesondere bei den Nadelbaumartenbei möglichst niedrigen Höhen erreicht werden sollten,was zu niedrigeren h/d-Werten führt, ebenfalls ein sta-bilisierender Faktor. Zentrale Bedeutung im Risikoma-nagement in Bezug auf Sturmschäden kommt derBaumartenwahl zu. In manchen, besonders gefährde-ten Regionen, verbietet sich hierdurch der Fichtenan-bau. Zu einem umfassenden Risikomanagement gehörtebenso die Berücksichtigung von Sturmfolgen wie In-sektenschäden, die regelmäßig nach Sturmereignis-sen gehäuft auftreten (HANEWINKEL et al. 2008). DieMaßnahmen zu Bewältigung von großen Sturmschä-den sollten auf der Basis von Erfahrungen bei Großer-eignissen wie „Lothar“ durchgeführt werden. Hierzu gibtes umfangreiche Informationen, die in einem Hand-buch zusammengefasst und über die Internetplattformwww.waldwissen.net verfügbar sind.

Modellierung von Arealverschiebungen

Methodische Ansätze und deren Bewertung

GUISAN und ZIMMERMANN (2000) geben einen Über-blick über Methoden und Hintergrund der sog. prädik-

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen86

Risikomanagement am Beispiel vonSturmschäden und ArealverschiebungenMARC HANEWINKEL

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tiven Habitatmodellierung, die die methodische Ba-sis der Modellierung von Arealverschiebungen derHauptbaumarten vor dem Hintergrund des Klimawan-dels in diesem Beitrag bildet. KÖLLING (2007) hat ein-fache Klimahüllen für 27 Baumarten in Deutschlandveröffentlicht und eine Diskussion über die Eignungdieser Methode angestoßen (BOLTE et al. 2008). Ob-wohl einfache, geometrische Klimahüllen eine Reihevon Vorteilen haben (u. a. sind sie für Praktiker relativleicht verständlich), sollten sie nur angewendet wer-den, wenn die Nutzer des Modelloutputs ein grundle-gendes Verständnis von den Grenzen und Vereinfa-chungen dieser Modelle (BOLTE et al. 2008) haben.Als ein erster Ansatz mögen solche einfachen biokli-matischen Modelle sinnvoll sein, die Verwendung vonstark vereinfachenden Tabellen in Form einer Klima-artenmatrix (KLAM – ROLOFF und GRUNDMANN 2008)erscheint jedoch der komplexen Fragestellung nichtangemessen. Eine wesentliche Herausforderung beider Entwicklung neuer Modelle der Arealverschie-bung wird in der Integration und expliziten Darstel-lung von Unsicherheit bestehen. Arealverschiebungenvon Baumarten werden in der Regel auf der Basisvon Präsenz-Absenzdaten mit Hilfe von nationalenWaldinventuren und mit Klimaparametern wie (Mit-tel-)Temperatur, Jahresniederschlag, Strahlung und –sofern vorhanden – Bodenparametern modelliert(ZIMMERMANN et al. 2006; THUILLER et al. 2008). DieKlimaparameter stammen in der Regel von down-skalierten regionalen Klimamodellen (RCM), basie-rend auf Ergebnissen von globalen Zirkulationsmo-dellen (GCM), die für verschiedene Klimaszenarien indie Zukunft fortgeschrieben werden (BÖHNER 2005).Einen ähnlichen Modellansatz für die Darstellung der Arealverschiebung von Hauptbaumarten in derSchweiz diskutieren (ZIMMERMANN und BUGMANN

2008).

Statistische Ansätze, wie generalisierte lineare Modelle(GLMs), wie sie im vorliegenden Beitrag verwendetwerden (vgl. hierzu auch HANEWINKEL et al. 2009), kön-nen eine Vielzahl von Variablen verarbeiten und lieferneindeutige Lösungen, während einfache geometri-sche Klimahüllen mit mehreren erklärenden Variablenschwierig zu entwickeln sind. Darüber hinaus bietenstatistische Modelle die Möglichkeit, quantitative Krite-rien (AIC oder BIC oder Devianz) zu verwenden, die esermöglichen, die Qualität der Parameterselektion so-wie die Modellgüte zu beurteilen.

Modellierung der Arealverschiebung von Buche zuFichte in Südwestdeutschland

Um die Arealverschiebung von Baumarten in Folgedes Klimawandels abzuschätzen, muss die zukünftigeBaumartenverteilung unter verschiedenen SRES-Kli-maszenarien vorhergesagt werden. In dem folgendenBeitrag wird auf der Basis einer logistischen Regres-sion (ein generalisiertes lineares Modell mit binärerAntwortvariablen) die zukünftige Verteilung der Fichtefür zwei Klimaszenarien (B1 und A2) modelliert (For-mel 1) und anschließend ökonomisch bewertet (HANE-WINKEL et al. 2009):

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen 87

p

log (Prob (yi = 1) / (1 – Prob (yi = 1))) = Σ βmxim,(Formel 1)m=1

cov (E [Yi] – Yi, E [Yj] – Yj) = 0 ∀ i ≠ j,

wobei yi die i-te Beobachtung und βi den Parameterfür die i-te Beobachtung der j-ten erklärenden Varia-blen, xij bezeichnet.

Die abhängige (Response-) Variable bestand aus Be-obachtungen der Präsenz/Absenz der Baumart Fich-te, abgeleitet für jede der 13.031 Stichproben der zwei-ten Bundeswaldinventur (BWI) auf einer Gesamtflächevon 1.323.119 ha in Baden-Württemberg. Die indivi-duellen Beobachtungen der Baumart sind (bedingt) bi-nomial verteilt: yi | xi ∼ Binomial(l, πi), was, da es sichum binäre Daten handelt, (n=1), eine Bernoulli Ver-teilung darstellt. Die Menge der potenziell erklären-den Variablen umfasste Hangneigung (slp25), Him-melsrichtung (asp25) und Höhe ü. NN (hoe25), ab-geleitet aus einem 25x25-Meter digitalen Höhenmo-dell als topographische Variablen (Bodenparameterwurden nicht in das Modell integriert) sowie elf lang-fristig (1971 – 2000) ermittelte bioklimatische Varia-blen. Diese Variablen wurden mittels Downscaling ei-nes Globalen Zirkulationsmodells mit Hilfe des regio-nalen „Weather Research and Forecasting Model“(WFM) und anschließender geostatistischer Interpo-lation mit Hilfe lokaler Klimamessdaten des Deut-schen Wetterdienstes (DWD) als Kovariablen abge-leitet (BÖHNER 2005: 55). Die verwendeten Klimavari-ablen waren: Mitteltemperatur des kältesten (tmcm)und wärmsten (tmwm) Monats, jährlicher Trocken-heitsindex (adi), Jahressummen sowie Summenüber die Vegetationszeit (Mai bis Oktober) von Tem-peratur (tsa und tsg), Niederschlag (psa und psg),potenzielle Strahlung (prsa and prsg) und Wasser-haushalt (wfa und wfg).

In dem Beitrag wird zwischen fünf Arten von Arealver-schiebungen unterschieden:

1. Präsenz: Die Art ist sowohl in den derzeitigen BWI-Daten als auch in der Modellvorhersage für einemögliche zukünftige Baumartenverbreitung für dasentsprechende Szenario vorhanden.

2. Absenz: Die Art ist weder in den derzeitigen BWI-Daten noch in der Modellvorhersage für eine mög-liche zukünftige Baumartenverbreitung für das ent-sprechende Szenario vorhanden.

3. Expansion: Die Art ist in den derzeitigen BWI nichtvorhanden, jedoch in der Modellvorhersage für ei-ne mögliche zukünftige Baumartenverbreitung fürdas entsprechende Szenario.

4. Reduktion: Die Art ist in den derzeitigen BWI vor-handen, nicht jedoch in der Modellvorhersage füreine mögliche zukünftige Baumartenverbreitung fürdas entsprechende Szenario.

5. Extrapolation: Es wurde keine Modellvorhersagegerechnet für Orte, an denen mindestens eine derzukünftig vorhergesagten Klimavariablen im jewei-ligen Szenario außerhalb ihres derzeitigen Werte-bereiches lag.

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Die Summe der Kategorien 1 und 3 wurde als – unterbioklimatischen Aspekten – potenziell zukünftig geeig-netes Verbreitungsgebiet der Baumart für die verschie-denen Klimaszenarien interpretiert. Die im Jahr 2000als geeignet eingestufte Fichtenfläche wurde mit derfür die beiden Szenarien B1 und A2 ermittelten, alsgeeignet eingestuften Fläche verglichen und die Diffe-renz ökonomisch bewertet. Es wurde dabei angenom-men, dass auf der zukünftig nicht mehr für die Fichtegeeigneten Fläche immer noch Holzproduktion mit derBaumart Buche möglich ist. Abb. 1 zeigt die Entwick-lung der potenziell möglichen Fichtenfläche über derZeit für die zwei Klimaszenarien B1 und A2.

Tab. 1 zeigt die Ergebnisse der Modellklassifikation fürdie oben genannten Kategorien für die beiden Klimas-zenarien.

Das Modell sagt die Absenz der Fichte für einen Anteilvon zwischen 9 und 22 % der gesamten WaldflächeBaden-Württembergs sowie eine Reduktion zwischen20 und 38 % voraus. Bis zum Jahr 2030 sind keinegroßen Unterschiede zwischen den Szenarien B1 und

A2 zu erkennen, was sich mit den Projektionen desIPCC deckt, die keine nennenswerten Unterschiedezwischen den einzelnen Szenarien für die nächstenbeiden Dekaden voraussagen. Dennoch ist es be-merkenswert, dass die Fichte bereits in den nächs-ten zwanzig Jahren mehr als 20 % ihres potenziel-len Verbreitungsgebietes in Südwestdeutschland aus-schließlich aufgrund steigender Temperaturen verlie-ren wird.

Der Extrapolationsbereich des Modells wird in großemUmfang für das Szenario A2 im Jahr 2100 erreicht, indem auf rund 50 % der Waldfläche klimatische Bedin-gungen vorhergesagt werden, die nicht durch heutigebioklimatische Verhältnisse in Südwestdeutschland ab-gedeckt sind. Diese Fläche wurde für die ökonomi-sche Analyse nicht als potenzielles Verbreitungsgebietder Fichte angesehen. Expansion wird nach den Vor-aussagen dieses Modells keine größere Rolle spielen.Nur im Jahr 2030 wäre eine Ausweitung der Fichten-fläche auf Wälder, die heute von anderen Baumartendominiert sind, in merklichem Umfang (ca. 10 % derFläche) theoretisch möglich. Addiert man die poten-

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen88

Abb. 1: Ergebnisse der Modellierung der Arealverschiebung der Fichte für Südwestdeutschland. Jedes Pixel stellt einenStichprobenpunkt der Bundeswaldinventur dar.grün = Fläche (unter bioklimatischen Aspekten) für Fichte möglichrot = Fläche für Fichte nicht möglichweiß = keine Stichprobe oder Extrapolationsbereich des Modellsobere Reihe: Szenario B1 – Jahr 2030 (links), 2065 (Mitte), 2100 (rechts)untere Reihe: Szenario A2 – Jahre wie B1, speziell für das Szenario A2 erkennt man, dass die Fichte auf die höchstenErhebungen in Baden-Württemberg im Südwesten (Schwarzwald) und im Osten (Schwäbische Alb) zurückgedrängtwird. Beim Szenario A2 wird die Fichte im Jahr 2100 nur noch in Höhenlagen deutlich über 1000 m ü. NN vorkommen.

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ziellen Flächen für Expansion und Präsenz zur Flä-che, die hier als potenzielles Verbreitungsgebiet derFichte interpretiert wird, dazu, so erkennt man einedrastische Abnahme dieser Fläche für beide Szena-rien. Die Anteilfläche, die nach dem Modell in Zukunftnoch in Südwestdeutschland für die Fichte geeignetist, sinkt von 55 % im Jahr 2030 (Szenario A2 und B1),über 40 % (B1) bzw. 32 % (A2) im Jahr 2065 auf 28 %im Jahr 2100 für das Szenario B1. Für das SzenarioA2 sind im Jahr 2100 in Baden-Württemberg lediglichnoch 5 % der gesamten Waldfläche für den Anbau derFichte geeignet.

Ökonomische Bewertung der Arealverschiebung vonFichte nach Buche (FAUSTMANN-Ansatz)

Im vorliegenden Beitrag wird ein klassischer forstöko-nomischer Ansatz, der Bodenertragswert (BEW) nachFAUSTMANN (1849) als eine Nährung für die Zahlungs-bereitschaft für Waldflächen, die entweder mit Fichteoder mit Buche bewirtschaftet werden, verwendet. NachKLEMPERER (1996) wird der Bodenertragswert ausge-drückt als eine Serie von diskontierten Zahlungsströ-men, die aus der Waldbewirtschaftung resultieren. DieFormulierung des Bodenertragswertes, die hier ver-wendet wird, entspricht weitgehend derjenigen vonDIETER (2001) mit:

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen 89

t–1

At + Σ Dƒa. (1 + i)t–a – c . (1 + i )t

a=1BEW =

(1 + i )t – 1

Wobei BEW = Bodenertragswert, At = erntekosten-freier Abtriebswert am Ende der Umtriebszeit t, Dfa =erntekostenfreier Erlös der Durchforstung (Jungbe-standspflege) zum Zeitpunkt a, (1+i) = Diskontierungs-faktor mit dem Zinsfuß i und c, Kulturkosten (Kostender Naturverjüngung). Der hier verwendete klassischeFAUSTMANN-Ansatz berücksichtigt nicht den aktuellenWert des Waldes und ist damit konsistent mit dem Mo-dell der Arealverschiebung, das ebenfalls nicht dentatsächlichen derzeitigen Zustand des Waldes, son-dern potenzielle Arealflächen darstellt.

Die Tab. 2 zeigt die Ergebnisse des Bodenertragswer-tes für die Baumarten Buche und Fichte. Die zugrundeliegenden Zahlungsströme wurden durch eine Simula-tion eines jeweils 30-jährigen Modellbestandes mitdem Wuchsmodell Silva 2.1 (PRETZSCH 2003) über 22Perioden à 5 Jahre hergeleitet. Für beide Modellbe-stände wurden identische Standortsvoraussetzungen(ho-Fichte = 35,7 m und für Buche = 31,3 m im Al-ter 100) und aktuelle waldbauliche Behandlungen für

Tabelle 1: Klassen für die Verteilung der Fichte für zwei Klimaszenarien in % (Erklärung siehe Text ) Exp. + Präs. = potenzielle Verteilung der Fichte (in % der Gesamtwaldfläche)

Szenario Absenz Expansion Präsenz Exp.+Präs. Reduktion Extrapolation

B1 – 2030 0,22799 0,09209 0,46044 0,55253 0,20758 0,01190

B1 – 2065 0,21526 0,05886 0,34970 0,40856 0,30727 0,06891

B1 – 2100 0,19131 0,03545 0,25294 0,28839 0,36981 0,15049

A2 – 2030 0,22677 0,09378 0,46574 0,55952 0,20229 0,01142

A2 – 2065 0,19699 0,04382 0,28586 0,32968 0,34694 0,12639

A2 – 2100 0,09186 0,00177 0,04835 0,05012 0,38754 0,47048

Tabelle 2: Ergebnisse des Bodenertragswertes für die Baumarten Buche und Fichte

Buche Fichte

Zeit Kosten Abtr.wert Durchf. BEW Kosten Abtr.wert Durchf. BEW(Jahre) (€/ha) (€/ha) (€/ha) (€/ha) (€/ha) (€/ha) (€/ha) (€/ha)

0 1.500 0,0 0,0 2.746 0,0 0,0

10 550 0,0 0,0 -21.196 550 0,0 0,0 -34.414

20 0 0,0 0,0 -7.775 776 -300,0 0,0 -15.735

30 0 -360,0 0,0 -5.679 0 1.531,6 0,0 -7.394

40 0 -71,0 0,0 -4.068 0 5.242,6 -154,6 -2.553

50 0 472,8 50,0 -3.024 0 11.103,9 1.090,9 1.872

60 0 1.446,7 101,8 -2.195 0 15.627,5 1.808,6 3.642

70 0 2.927,0 254,3 -1.471 0 20.760,2 2.361,8 4.891

80 0 5.205,0 434,3 -771 0 23.838,2 3.710,2 5.234

90 0 8.823,9 773,1 10 0 26.752,0 2.895,1 5.107

100 0 14.357,1 151,3 684 0 30.178,6 2.559,2 4.928

110 0 18.768,5 840,4 964 0 33.026,9 4.089,2 4.821

120 0 24.869,4 1.377,5 1.325 0 36.268,1 1.896,2 4.461

130 0 30.028,2 2.871,0 1.535 0 38.765,7 5.162,4 4.345

140 0 33.613,7 2.174,4 1.450 0 41.082,4 3.357,4 4.066

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Südwestdeutschland (MLR 1999) unterstellt. Der öko-nomischen Bewertung liegen Preise und Kosten (oh-ne Verwaltungskosten) des Jahres 2004 für Baden-Württemberg (FOFIS 2005) zugrunde. Aus der Tabelleist weiterhin ersichtlich, dass die Buche das Maximumdes Bodenertragswertes mit rund 1.535 Euro je ha imAlter von 130 Jahren erreicht, während der maximaleBEW bei der Fichte im Alter von 80 Jahren 5.234 Euroje ha beträgt. Die Kurve des BEW für die Fichte ist zwi-schen Alter 70 und 110 Jahren relativ flach. Für die Bu-che wird der BEW ab dem Alter 90 positiv und steigtnach dem Alter 100 Jahre nochmals deutlich an. DieUnterschiede in den Zahlungsströmen und den dar-aus resultierenden BEWs erklärt sich vor allem durchden deutlich höheren Volumenzuwachs (13,4 m3/ha/JahrGesamtwuchsleistung über 100 Jahre für Fichte, ver-glichen mit 8,15 m3/ha/Jahr für Buche) und den Unter-schied im produzierten Stammholz.

Veränderung des Bodenertragswertes unterunterschiedlichen Klimaszenarien

Tab. 3 zeigt die Veränderungen der potenziellen Fich-tenfläche (siehe Tab. 1) sowie die resultierenden Ver-änderungen des Bodenertragswertes durch die bei-den Klimaszenarien. Für das Jahr 2000 sagt das Mo-dell voraus, dass rund 70 % der gesamten WaldflächeBaden-Württembergs von rund 1,3 Millionen ha poten-ziell für den Anbau von Fichte geeignet ist, was einerGesamtfläche von rund 927.000 ha entspricht. Unterden beiden Klimaszenarien reduziert sich diese Flächeauf zwischen 740.000 ha (B1/A2 – 2030) und 66.000 ha(A2 – 2100). Der daraus resultierende Verlust an Fich-tenfläche beläuft sich auf mindestens 190.000 ha(B1/A2 – 2030) und maximal 860.000 ha (A2 – 2100).Unterstellt man den Bodenertragswert der optimalenUmtriebszeit für die Fichte (80 Jahre) von 5.234 Euroje ha, so repräsentiert die potenzielle Fichtenfläche imJahr 2000 einen gesamten Bodenertragswert von rund4,8 Milliarden Euro. Nach den Voraussagen des Mo-dells wird dieser Wert auf zwischen 3,8 Milliarden(A2/B1 – 2030) und rund 350 Millionen Euro (A2 – 2100)sinken. Unterstellt man, dass auf der nicht mehr fürFichte geeigneten Fläche immer noch Buche mit ei-nem BEW von 1.535 Euro je ha (optimale Umtriebs-zeit: 130 Jahre) bewirtschaftet werden kann, so addiertsich der Gesamtverlust an Bodenertragswert auf Wer-te zwischen 700 Millionen Euro (B1/A2 – 2030) und3,2 Milliarden Euro (A2 – 2100) (zwischen 600 und

2.800 Euro je ha Waldfläche). Dieses stellt gleichzeitigden reduzierten Betrag dar, den Investoren bereit wä-ren, unter einem sich ändernden Klima mit den hierangenommenen Szenarien für Waldflächen in Süd-westdeutschland aufzubringen. Die Ergebnisse dieserKalkulation sind sensitiv in Bezug auf die Annahmedes Zinsfußes, veränderte Umtriebszeiten und den Ein-fluss von Risiken. Details hierzu sind bei (HANEWINKEL

et al. 2009) zu finden.

Allgemeiner Modellrahmen zur Risikoanalyse

Integration von Unsicherheit in die Modelle

MBOGGA und HAMANN (2008) analysieren Quellen derUnsicherheit in Modellen für bioklimatische Hüllen undkommen zu der Erkenntnis, dass allein die Wahl desglobalen Zirkulationsmodells (GCM) bereits einen gro-ßen Teil der Unsicherheit in solchen Modellen ausma-chen kann. In der vorliegenden Studie wurden die zu-künftigen Klimadaten auf der Basis eines einzelnenGCMs ermittelt. Für weiterführende Studien stellt sichdie Frage, ob man nicht generell auf dem Modellout-put mehrerer Modelle aufsetzen und diesen in Formeiner Ensemble-Projektion verarbeiten sollte. Ebensowurden in der vorliegenden Untersuchung zwei relativeconservative IPCC-Szenarien verwendet, nach MBOG-GA und HAMANN (2008) ebenfalls eine weitere Quelleder Unsicherheit und möglicherweise eine zu optimisti-sche Annahme. ANDERSON und BOWS (2008) verwei-sen darauf, dass jede Projektion in Bezug auf das Kli-ma, die von weniger als 650 ppm CO2 ausgeht, als zu-nehmend unrealistisch angesehen werden muss. EinSzenario wie A1FI hätte noch wesentlich drastischereKonsequenzen für die Baumartenverbreitung zur Fol-ge.

Genereller Modellierungsansatz

Um die Datenbasis für die Analyse von Risiken, die mitsich ändernden klimatischen Bedingungen verbundensind, zu verbessern, benötigen wir eine Vorstellungüber den methodischen Ansatz, der damit verbundenist. Als genereller Modellierungsansatz ist ein dreistufi-ges Vorgehen für die Modellierung von Risiko notwen-dig: 1. Zunächst muss die Wahrscheinlichkeit einesSchadfaktors ermittelt werden. 2. Anschließend solltedie Schadenshöhe erfasst werden. 3. Schließlich müs-

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen90

Tabelle 3: Veränderungen der potenziellen Fläche der Fichte und des Bodenertragswertes (BEW) in Baden-Württemberg,bei einem unterstellten Wechsel von Fichte nach Buche bei zwei verschiedenen Klimaszenarien. Gesamtwaldfläche =1.323.119 ha

Szenario – Jahr Pot. Fichte Diff. 2000 ha Fichte Diff. -2000 (ha) BEW (Fichte) (€) Diff. -2000 (BEW) (€)

2000 0,7005602 – 926.925 – 4.851.522.892 –

B1 – 2030 0,55253 0,1480302 731.063 195.862 3.826.383.434 724.491.948

B1 – 2065 0,40856 0,2920002 540.573 386.351 2.829.361.692 1.429.112.396

B1 – 2100 0,28839 0,4121702 381.574 545.350 1.997.159.826 2.017.250.474

A2 – 2030 0,55952 0,1410402 740.312 186.613 3.874.790.615 690.281.370

A2 – 2065 0,32968 0,3708802 436.206 490.719 2.283.101.534 1.815.168.247

A2 – 2100 0,6504402 0,6504402 66.315 860.610 347.091.267 3.183.395.602

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sen autoregressive Techniken (HANEWINKEL et al. 2008)verwendet werden, um Abhängigkeiten des Schadensin Raum und Zeit darstellen zu können. Dieser Ansatzist eine Variante des Erwartungswert-Ansatzes, der inder Risikomodellierung sehr weit verbreitet ist (HAIMES

2004) und häufig auch zur Risikoerfassung in der Forst-planung verwendet wird (GADOW 2000). Mittlerweile isteine große Bandbreite statistischer Techniken für dieverschiedenen Schritte verfügbar (vgl. z. B. HANEWIN-KEL et al. 2009; SCHMIDT et al. 2009). Idealerweise soll-ten die Modelle auf langfristigen Datenreihen beruhenund großräumig, z. B. in Form von nationalen Waldin-venturen oder Level I-/Level II-Monitoring-Daten, aufeuropäischer Ebene erhoben worden sein.

Ausblick zur Risikoanalyse – Anpassungsstrategien

Werden ökonomische Aspekte mit einbezogen, ist es notwendig, Überlebenswahrscheinlichkeiten für diewichtigsten Baumarten hinsichtlich biotischer sowieabiotischer Risiken herzuleiten. Das Risiko schwan-kender Holzpreise ist ebenfalls ein Aspekt, der z. B. inForm von Monte Carlo Simulationstechniken (DIETER

2001; KNOKE und WURM 2006; KURZ et al. 2008) miteinbezogen werden sollte. Aufgrund der sehr subjekti-ven Risikowahrnehmung des handelnden Individuums(KAPLAN und GARRICK 1980; HAIMES 2004), ist die Ein-stellung zum Risiko (Risikoneigung, Risikoaversion(PLATTNER 2006)) bei der Entscheidungsfindung eben-falls zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der eingangs zitierten Befragung(BOLTE et al. 2009) wird der Klimawandel in den Wald-bauplanungen der Länder bereits berücksichtigt. InBayern, Baden-Württemberg und Sachsen werdenWaldumbauten als aktive Anpassungsmaßnahme ge-plant oder bereits durchgeführt. Andere Länder verfol-gen eher Strategien einer Risikominderung durch for-cierte Mischwaldbegründung und naturnahe Waldwirt-schaft. Aktive Anpassungsstrategien werden deutlichpositiver eingeschätzt als passive Anpassung, z. B.durch Sukzession. Allerdings ergibt sich eine Unter-scheidung zwischen Ländern mit klarer Umbaupräfe-renz gegenüber Ländern mit einer Kombination vonWaldumbau und/oder Fortführung bestehender Wald-bausysteme und Risikominderungsstrategien (Misch-waldoption). Letztere streben derzeit keinen gezieltenUmbau von möglicherweise durch Klimawandel gefähr-deten Beständen an. Allerdings wird auch der Wald-umbau zur Begründung von Mischbeständen einge-setzt.

Die vorliegende Untersuchung zeigt allerdings, dassAnpassungsstrategien wie der aktive Waldumbau sogestaltet werden müssen, dass die ökonomischen Ver-luste dabei nur noch ein Minimum aufweisen. Dies be-deutete, dass klare Prioritäten in Bezug auf den Wald-umbau zu setzen sind, damit die Bestände mit derhöchsten Vulnerabilität bevorzugt behandelt werden.

Risikomanagement am Beispiel von Sturmschäden und Arealverschiebungen 91

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Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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Einleitung

Neben den möglichen Auswirkungen des globalen Kli-mawandels sind unsere Wälder weiteren Risikofakto-ren ausgesetzt. Dazu gehören insbesondere die Ver-sauerung und Nährstoffverarmung der Böden sowiedie Belastung mit Stickstoffverbindungen aus Land-wirtschaft, Verkehr und Industrie.

Der seit Jahrzehnten andauernde atmosphärische N-Eintrag in die Waldökosysteme hat zur Folge, dasssich deren Aufnahmefähigkeit für Stickstoff zuneh-mend reduziert. In der Waldschadensforschung wurdein diesem Zusammenhang der Begriff der „Stickstoff-sättigung“ geprägt. Hinweise auf „Stickstoffsättigung“bestehen demnach, wenn die eingetragenen Stickstoff-mengen und die Netto-N-Mineralisation weder in Mehr-zuwachs noch im Humus gespeichert werden könnenund verstärkt Nitratauswaschung erfolgt. Aus der Be-lastung des Sicker- und Grundwassers mit Nitrat kön-nen Probleme bei der Trinkwasserversorgung in dererforderlichen Qualität resultieren. Zudem kann der mitder Nitratverlagerung einhergehende irreversible Ba-senverlust auf Standorten mit geringen Silikatverwitte-rungsraten, wie sie in Brandenburg unter Wald über-wiegend zu finden sind, eine zunehmend wachstums-limitierende Bedeutung erlangen.

Direkte Messungen der Nitratausträge aus Waldöko-systemen sind zeit- und kostenintensiv und lassensich allenfalls auf Intensivmessflächen des forstlichenUmweltmonitorings realisieren. Vor diesem Hinter-grund ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung, dasRisiko für erhöhte Nitratauswaschung anhand von ein-fach erfassbaren bodenchemischen Kenngrößen, diebei Flächeninventuren standardmäßig aufgenommenwerden, abzuschätzen. Die Datengrundlage bildet diebrandenburgische Stichprobe der zweiten bundeswei-ten Bodenzustandserhebung im Wald (BZE-2), die imZeitraum 2006 – 2007 durchgeführt wurde.

Datengrundlage

Bereits bei der ersten bundesweiten Bodenzustands-erhebung im Wald (BZE-1), die ca. 15 Jahre vor derBZE-2 erfolgte, konnte die Stickstoffproblematik an-hand der gewonnenen Inventurdaten verdeutlicht wer-den. So ließ sich das ungewöhnliche Auftreten vonstarker Oberbodenversauerung bei gleichzeitig engen

C/N-Verhältnissen auf den betroffenen Standorten als Indiz für die Überlagerung der bodenökologischenTransformationsprozesse durch atmogene Einträgesowohl von Säure als auch von Stickstoff interpretie-ren (WOLFF und RIEK 1997). Bei zahlreichen BZE-Punk-ten wurde eine Stickstoffüberernährung der Beständekonstatiert, welche teilweise mit Mangelsituationen an-derer Nährelemente einherging.

Grundsätzlich ist es schwierig, im Rahmen einer Mo-mentaufnahme, wie sie die Bodenzustandserhebungdarstellt, Aussagen zum „Stickstoffsättigungszustand“der Ökosysteme zu treffen, da der N-Austrag zeitlichstark schwankt und es zur kurzzeitigen Stickstoffverla-gerung mit dem Sickerwasser auch unter natürlichenBedingungen immer wieder durch interne Umsetzungs-prozesse beispielsweise bei Wiederbefeuchtung desBodens nach einer längeren Trockenphase kommenkann.

Bei der BZE-2 wurde die Nitratkonzentration im wäss-rigen 1 : 2-Bodenextrakt (GAFA 2005) einer unterhalbdes Wurzelraumes entnommenen Bodenprobe alsobligatorischer Kennwert eingeführt, um gegenüberder BZE-1 verlässlichere Aussagen zur Nitratverlage-rungsgefahr zu gewinnen. Wird die ermittelte Nitrat-konzentration in Anlehnung an MELLERT (2003) aufden Wassergehalt des Bodens bezogen, ergibt sichdaraus unter Einbeziehung eines Wasserhaushalts-modells zur Ermittlung der Sickerwassermenge einegute Grundlage für die näherungsweise Abschätzungder mittleren Nitratausträge.

In der vorliegenden Untersuchung erfolgte die Berech-nung der Nitratauswaschung mit dem Sickerwasserunter Verwendung des Mittelwertes der Bodenwasser-gehalte bei Wassersättigung (Gesamtporenvolumen)sowie Feldkapazität (Wassergehalt bei pF 1,8). Die-sem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass zumZeitpunkt der Sickerung insbesondere unter branden-burgischen Standortsverhältnissen – bedingt durch Ma-kroporenfluss und bevorzugte Wasserleitbahnen – einerheblicher Teil des Grobporenvolumens mit Wassergefüllt ist.

Die Ermittlung des substratspezifischen Wassergehal-tes bei Feldkapazität erfolgte nach AG Boden (2005).Das Gesamtporenvolumen wurde anhand der Bo-dendichte und Festsubstanzdichte laboranalytisch be-stimmt.

Quantifizierung des Risikos fürNitrataustrag aus brandenburgischenWaldökosystemen auf der Grundlagechemischer OberbodeneigenschaftenWINFRIED RIEK

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Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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Für die grobe Schätzung der langjährigen mittleren,standorts- und bestandesspezifischen Sickerwasser-menge wurde der auf einem Wasserhaushaltsspeich-ermodell beruhende Regressionsansatz von RENGER

und WESSOLEK (DVWK 1996) verwendet. Als Prädikto-ren für die Sickerungsrate dienen bei diesem Ansatzdie Bestockung (Nadel- /Laubwald), die mittleren Nie-derschläge im Sommer- bzw. Winterhalbjahr, die poten-tielle Evapotranspiration sowie das pflanzenverfügba-re Bodenwasser, welches nach AG Boden (2005) füreinen effektiven Wurzelraum von 1 m Tiefe ermitteltwurde. Grundwasserbeeinflusste Standorte fanden beidieser Untersuchung keine Berücksichtigung.

Die benötigten Klimadaten liegen als Ergebnis einerInterpolation von insgesamt 105 meteorologischenStationsdaten des Deutschen Wetterdienstes für alleBZE-Punkte vor (RIEK und KALLWEIT 2007). Die Daten-aggregierung erfolgte für den Zeitraum 1970 bis 2000.

Verfahren der Risikoanalyse

Stochastische Beziehungen zur Schätzung der N-Austräge anhand des C/N-Verhältnisses wurden zumBeispiel von MATZNER und GROßHOLZ (1997) sowie AU-GUSTIN und WOLFF (2003) abgeleitet. In den zugrunde-liegenden Stichproben erklärt das C/N-Verhältnis inder Humusauflage zusammen mit jeweils noch ande-ren Kovariaten die Höhe der Nitratauswaschung mit ei-nem Bestimmtheitsmaß von R2=0,74 bzw. R2=0,82.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht jedochnicht wie in den genannten Arbeiten die regressions-analytische Schätzung des Nitrataustrags; vielmehrgeht es um die Frage, ob eine Belastung bei bestimm-ten standörtlichen Rahmenbedingungen vorliegt bzw.wie hoch die Wahrscheinlichkeit (das Risiko) für dasAuftreten dieser Belastung ist und wie sich das Risikomethodisch quantifizieren lässt. Statistische Verfahren,die bei derartigen Fragestellungen häufig eingesetztwerden, sind Logit-Modelle, loglineare Modelle und dielogistische Regression als Spezialfälle der sogenann-ten generalisierten linearen Modelle (GLM), mit derenHilfe die Eintrittswahrscheinlichkeit einer kategorialen,meist binären Responsevariablen in Abhängigkeit mög-licher Einflussfaktoren (Prädiktoren) und Kovariablenmodelliert wird (TOUTENBURG 1991; BACKHAUS et al.2008; FRENZEN und KRAFFT 2008).

Eine weitere effiziente multivariat-statistische Metho-de der Risikoanalyse ist das Verfahren der Diskrimi-nanzanalyse. Hierbei wird ein Klassifikationsalgorith-mus auf der Grundlage einer Diskriminanzfunktion ab-geleitet, anhand derer ein Objekt unter Beachtung sei-ner Eigenschaften einer von mehreren Grundgesamt-heiten zugeordnet wird. Nachdem für eine gegebeneMenge von Elementen die Zusammenhänge zwischender Gruppenzugehörigkeit und den Merkmalen dieserElemente analysiert wurde, d. h. die wesentlichen fürdie Segmentierung maßgeblichen Faktoren und derenAusprägungen innerhalb der Gruppen identifiziert wor-den sind, lässt sich darauf aufbauend eine Prognose

der Gruppenzugehörigkeit von neuen Elementen vor-nehmen. Dieses Anwendungsgebiet der Diskriminanz-analyse ist von unmittelbarer praktischer Relevanz; ty-pische Einsatzbeispiele finden sich bei der Kreditwür-digkeitsprüfung (Einstufung von Kreditkunden einerBank in Risikoklassen). Die Ermittlung der Zuordnungs-wahrscheinlichkeiten basiert auf dem Wahrscheinlich-keitstheorem von BAYES, das ausführlich bei BACKHAU

et al. (2008) erläutert wird.

Die generalisierten linearen Modelle gelten gegenüberder Diskriminanzanalyse als robuster, da sie an weni-ger strenge Prämissen (z. B. Unabhängigkeit der Prä-diktoren) geknüpft sind. Für die hier vorliegende Fra-gestellung erscheint die Diskriminanzanalyse dennochgut geeignet, weil sie auf dem BAYES-Theorem begrün-det einen bequemen Weg darstellt, Klassifizierungs-wahrscheinlichkeiten für beliebige Standortsmerkmal-kombinationen zu ermitteln, welche als prozentualeRisikowerte für das Vorliegen von erhöhten Nitrataus-trägen interpretiert werden können.

Für den Einsatz der genannten statistischen Verfah-ren der Risikoanalyse ist es zunächst erforderlich, dasseine kategoriale Zielvariable definiert wird, welche denDatensatz in mindestens zwei Gruppen teilt. Bei dervorliegenden Fragestellung sind das zum einen dieStandorte mit gegebener Gefahr der Verlagerung er-höhter Nitratmengen als Hinweis auf „Stickstoffsätti-gung“ und zum anderen alle Standorte, auf denen die-se Gefahr nicht besteht. Die Notwendigkeit der Sepa-rierung des Gesamtkollektivs führt zum Problem derSchwellenwertdefinition. Anzeichen für „N-Sättigung“von Waldökosystemen werden in der Literatur bei Ni-tratkonzentrationen im Unterboden gesehen, die über2,5 bis 10 mg l-1 liegen sowie bei N-Austrägen vonmehr als 5 kg ha-1a-1 (MELLERT et al. 2005; RIEK undWOLFF 2007). Im Rahmen des critical load-Ansatzes

Abb. 1: Streudiagramm von Nitratkonzentration im Unter-grund und modelliertem Stickstoffaustrag der branden-burgischen Stichprobe der BZE-2 (ohne grundwasser-beeinflusste Böden)

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Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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geht man in Abhängigkeit von Bestandestyp und mitt-lerer Jahrestemperatur von natürlichen N-Austrägenunter Wald für das Gebiet der EU in der Größenord-nung von 0,5 bis 4 kg ha-1 a-1 aus (NAGEL und GREGOR

1999; UN ECE/CCE 1993).

Auf Grund der spezifischen Klimabedingungen in Bran-denburg (geringe Niederschläge, hohe potenzielle Eva-potranspiration) treten deutlich mehr Standorte mit kri-tischen Nitratkonzentrationen als mit erhöhten Stick-stoffausträgen auf (Abb. 1). So sind auf Standortenmit einer Nitratkonzentration von mehr als 10 mg l-1 imExtremfall Stickstoffausträge von weniger als 0,5 kg a-1

a-1 zu verzeichnen. In der vorliegenden Untersuchungwurde die Risikogruppe deshalb definiert anhand desAuftretens von Stickstoffausträgen > 4 kg ha-1 a-1, einKriterium, welches das Auftreten von Nitratkonzentra-tionen > 10 mg l-1 mit einschließt (Abb. 1).

Deskriptive Auswertung der Daten

Erste vergleichende Auswertungen von Daten derBZE-1 und BZE-2 haben für Brandenburg gezeigt,dass sich die Humusqualität der untersuchten Stand-orte im Zeitraum zwischen den beiden Erhebungensignifikant verändert hat (RIEK 2009). Bemerkenswertist die zu beobachtende Erweiterung der C/N-Ver-hältnisse in der Humusauflage und im oberen Mine-ralboden. Diese ist auf eine Zunahme der Kohlen-stoffvorräte zurückzuführen. Die mittleren Stickstoff-vorräte blieben indes konstant, wie durch die Ge-genüberstellung der C- und N-Mengen beider Erhe-bungen gezeigt werden kann (Abb. 2). Die Ursa-chen werden in der erhöhten Humusakkumulation beigleichzeitig reduzierten Mineralisierungsraten bedingtdurch zunehmende Bodentrockenheit und -versaue-rung gesehen.

Die Nitratkonzentrationen unterhalb des Wurzelrau-mes lassen sich in die auf ökologischen Richtwertenund gängigen Standards der Boden- und Wasserrein-haltung beruhenden Klassen nach MELLERT et al.(2005), wie in Abb. 3 dargestellt, einteilen. Bei der be-trachteten Stichprobe handelt es sich um alle Inven-turpunkte der BZE sowie um Intensivmessflächen desLevel II-Programms. Insgesamt zeigt sich im Vergleichmit entsprechenden Werten, die im Rahmen der sog.Nitratstudie für Bayern erhoben wurden (MELLERT 2003;MELLERT et al. 2005), dass die Belastung der branden-burgischen Sickerwässer vergleichbar ist mit der vonbayerischen Waldstandorten. Bei lediglich 14 % der In-venturpunkte in Brandenburg liegen die Werte in ei-nem für natürliche Waldstandorte der vorliegendenKlimazone zu erwartenden Bereich von 0-2,5 mg l-1

(Bayern: ca. 30 %). Der Schwerpunkt der Nitratkon-zentration befindet sich mit einem Flächenanteil von56 % im Bereich von 2,5-10 mg l-1. Bei 11 % der Inven-turbestände Brandenburgs liegt eine Überschreitungdes ehemaligen EU-Richtwertes für Trinkwasser (25mg l-1) vor (Bayern 15 %); bei 4 % wird sogar derGrenzwert der Trinkwasserverordnung (50 mg l-1)überschritten (Bayern 8 %). Somit treten in Branden-burg gegenüber Bayern etwas weniger sehr stark be-lastete, vor allem aber auch deutlich weniger unbelas-tete Flächen auf.

In Tab.1 sind die mittleren Nitratkonzentrationen undStickstoffausträge nach Bodentypen stratifiziert darge-stellt. Während sich die Mittelwerte der Braunerden,Lessivés und Podsole kaum unterscheiden, zeigt sichdeutlich, dass die bei weitem höchsten Werte auf denGrundwasserstandorten und anthropogenen Substra-ten bei gleichzeitig hohen Streuungen innerhalb die-ser Gruppen auftreten. Die sehr hohe Stickstoffbela-stung ergibt sich bei den Gleyen und Moorstandortendurch Mineralisierung von organischer Substanz ins-

Abb. 2: Vergleich der C/N-Verhältnisse der BZE-1- und BZE-2-Stichprobe differenziert nach Haupthumusform (MU=Mull,MO=Moder, RO=Rohhumus) sowie der in Humusauflage und Mineralboden (0-90 cm Tiefe) gespeicherten N-Mengen(vgl. RIEK 2009)

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besondere Vererdungsprozesse von Torfen nachGrundwasserabsenkung. Bei den anthropogenenSubstraten mit deutlich erhöhter Nitratkonzentrationsind die Ursachen im Einzelfall zu klären. In der weite-ren Auswertung werden diese Extremstandorte und ge-nerell alle grundwasserbeeinflussten Inventurpunktenicht berücksichtigt, um die Stichprobe für die Modell-entwicklung möglichst homogen zu halten. Für dieFrage der Grundwasserkontamination spielen zwar ge-rade diese Standorte eine große Rolle; eine Risikoa-nalyse kann hier jedoch nur durch die lokale Gefähr-dungseinschätzung erfolgen, allgemeine statistischeModelle, wie sie im Fokus dieses Beitrags stehen, er-scheinen dafür ungeeignet. Grundsätzlich ist dieseEinschränkung des Gültigkeitsspektrums der im Fol-genden dargestellten Risikoanalyse unbedingt zu be-achten. Bei den bodenbiologisch wenig aktiven sau-ren Braunerden und Podsolen sind die mittleren Ni-tratkonzentrationen im Sickerwasser auf Grund gerin-ger Mineralisationsraten und dem Stickstoffbedürfnisder Pflanzen niedrig. In glei-cher Größenordungen lie-gen die Durchschnittswerte bei den Lessivés, wo derStickstoff offensichtlich ebenfalls noch ausreichend indie organische Masse eingebunden werden kann. Ins-

besondere die Austräge sind hier minimal, was durchdie geringeren Sickerwasserraten infolge höhererWasserspeicherkapazitäten der lehmigen Substratebegründet ist. Insgesamt entsprechen die Durch-schnittswerte dieser Bodentypen den Erwartungen fürnatürliche Waldökosysteme. Bei der Risikoabschät-zung von Nitratverlagerung infolge atmogener Stick-stoffbelastung sind jedoch nicht die Standorte mitDurchschnittswerten, sondern diejenigen mit Extrem-werten innerhalb der einzelnen Straten von Interesse;sie gilt es mit Hilfe der angestrebten Risikoanalyse hin-sichtlich ihres quantitativen bodenchemischen Merk-malsspektrums zu identifizieren.

Entwicklung des Diskriminanzmodells

Bei der Entwicklung eines geeigneten Diskriminanzmo-dells wurde aus der Vielzahl der möglichen Einfluss-größen iterativ die beste Prädiktorenkombination mitHilfe des im Statistikprogrammpaket SPSS implemen-tierten stepwise-Ansatzes ermittelt. Eingangsgrößenfür das Modell waren folgende Parameter:• pH-Wert, C- und N-Gehalt in Auflage, 0-5 cm,

0-10 cm, 10-30 cm und 30-80 cm Tiefe• effektive Kationenaustauschkapazität und Ba-

sensättigung in 0-5 cm, 0-10 cm, 10-30 cm und 30-80 cm Tiefe

• C- und N-Vorrat in Auflage, 0-30 cm und 0-80 cmTiefe

• C/N-Verhältnis in Auflage sowie in 0-30 cm und 0-80 cm Tiefe (berechnet anhand der entspre-chenden C- und N-Vorräte)

• Korngrößenverteilung (mittlerer Anteil Grobsand +Mittelsand sowie Schluff + Ton) in den Tiefen 0-50 cm und 50-100 cm.

Da die BZE-Beprobung in Brandenburg horizontweisedurchgeführt wurde, konnten die bodenchemischenHorizontmerkmale für 1 cm mächtige Schichten be-rechnet und anschließend für beliebige Tiefenstufenaggregiert werden.

Eine gute Diskriminanzfunktion zeichnet sich dadurchaus, dass sich die Mittelwerte der Funktion in denGruppen deutlich unterscheiden. Als Gütekriterium fürdie Unterschiedlichkeit der Gruppen und damit für dieTrennkraft der ermittelten Diskriminanzfunktion wurde

Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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Abb. 3: Häufigkeiten von Nitratkonzentrationsklassen inder Bodenlösung unterhalb des Hauptwurzelraumes (al-le BZE-Punkte und Level II-Flächen; n=165)

Tabelle 1: Mittlere Nitratkonzentrationen im Untergrund stratifiziert nach Haupt-Bodentypen

Bodentyp n NO3-konzentration Standard N-Austrag Standard-[mg l -1] abweichung [kg ha-1 a-1] abweichung

anthropogene Substrate (Aufschüttungen, u. ä.) 6 31,9 41,8 5,4 6,7

Gleye und (An-) Moore 10 20,9 20,5 2,5 1,9

Lessivés 20 7,3 8,1 0,7 0,9

schwach podsolige Braunerden 53 12,7 14,2 1,9 1,9

mäßig podsolige Braunerden 40 8,5 8,9 1,6 1,7

stark podsolige Braunerden 12 8,6 6,5 1,7 1,4

Podsol-Braunerden und Braunerde-Posole 14 6,2 4,2 1,2 0,9

Podsole 10 7,4 5,3 1,4 1,0

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der statistische Wert WILK´s Lambda verwendet, dersich als Quotient der Streuung innerhalb der Gruppenund der Gesamtstreuung errechnet. Dieses Maß vari-iert zwischen 0 und 1, wobei kleinere Werte eine hö-here Trennkraft anzeigen. Die Bedeutung von WILK´S

Lambda besteht darin, dass er sich in eine Variabletransformieren lässt, die eine annähernde Chi2-Vertei-lung besitzt, was die Durchführung einer statistischenSignifikanzprüfung ermöglicht.

Mit Hilfe der schrittweisen Diskriminanzanalyse lässtsich – basierend auf WILK´S Lambda – eine Trennfunk-tion ermitteln, die in 89,9 % der Fälle zur richtigenGruppenzuordnung führt. Demgegenüber beträgt die„zufällige Trefferquote“ bei zwei Gruppen 50 %. WILK´S

Lambda liegt für die ermittelte Funktion bei 0,71; derentsprechende Chi2-Wert 49,68 ist hoch signifikant.

Die dieser Funktion zugrunde liegenden Parameter sinddas C/N-Verhältnis in der Auflage sowie in 0-30 cm Tiefeund der pH-Wert in 0-5 cm Tiefe. Die entsprechendestandardisierte kanonische Diskriminanzfunktion lautet:

D = 0,615 C/N (Auflage) + 0,424 C/N (0-30 cm) –0,593 pH-Wert (0-5 cm)

Aus den Beträgen der standardisierten Diskriminanz-koeffizienten lässt sich die Bedeutung der einzelnenPrädiktoren für die Gruppenzuordnung erkennen. Die-se ist beim C/N-Verhältnis in der Auflage am höchstenund bei dem in 0-30 cm Tiefe am geringsten. Insge-samt unterscheiden sich die drei Parameter jedochhinsichtlich ihrer Diskriminanzstärke nur geringfügig,

Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

97

d. h. ihre jeweilige Indikationseignung für das Nitratbe-lastungsrisiko ist für das Gesamtmodell gleicherma-ßen bedeutsam. Voraussetzung für diese Interpretationder Prädiktoren ist, dass sie nicht nennenswert inter-korreliert sind. Dies erscheint für die Parameter weit-gehend erfüllt, wie aus der Korrelationsmatrix in Tab. 2hervorgeht.

In Abb. 4 sind die Ausprägungen der drei Prädiktoren imUntersuchungskollektiv als Histogramm mit angepasster

Tabelle 2: Korrelationsmatrix der Prädiktoren des Diskriminanzmodells

C/N Auflage C/N 0-30 cm pH 0-5 cm

C/N Auflage Korrelation nach Pearson 1 ,264 -,098

Signifikanz (2-seitig) . ,001 ,234

N 149 149 149

C/N 0-30 cm Korrelation nach Pearson ,264 1 -,199

Signifikanz (2-seitig) ,001 . ,015

N 149 149 149

pH 0-5 cm Korrelation nach Pearson -,098 -,199 1

Signifikanz (2-seitig) ,234 ,015 .

N 149 149 149

Abb. 4: Histogramme und Normalverteilungskurven derPrädiktoren in den ermittelten Diskriminanzmodellen

Abb. 5: Histogramm der Risikowerte für erhöhte Nitratverlagerung als Indikator für „Stickstoffsättigung“

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Normalverteilungskurve dargestellt. Die Anwendbarkeitder Diskriminanzfunktion ist auf dieses Ausprägungs-spektrum der betrachteten Kennwerte begrenzt.

Quantifizierung des Risikos für Nitratverlagerung

Auf der Grundlage der ermittelten Diskriminanzfunktionund des Satzes von Bayes lässt sich das Risiko erhöh-ter Nitratauswaschung (und damit definitionsgemäß dasVorliegen eines „stickstoffgesättigten“ Waldökosystems)als Wahrscheinlichkeit für die Zuordnung in die entspre-chende Risikogruppe ausdrücken. Die Häufigkeitsvertei-lung dieser Risikowerte ist in Abb. 5 dargestellt. Zu be-achten ist, dass die echten „hot-spots“ der Nitratauswa-schung, wie grundwasserabgesenkte Waldstandorte,welche erhöhten Mineralisierungsprozessen unterliegenund auf denen Nitratkonzentrationen von über 50 mg/lbeobachtet werden (vgl. Abb. 3 und Tab. 1) von dieserAuswertung ausgeschlossen wurden.

Die Streudiagramme in Abb. 6 zeigen die sich aus dermultivariaten Diskriminanzfunktion rechnerisch ergeben-den univariaten Abhängigkeiten des Risikowertes vonden verwendeten Prädiktoren. Es ist erkennbar, dassbei weiten und sehr weiten C/N-Verhältnissen (C/N >25) „Stickstoffsättigung“ nahezu ausgeschlossen wer-den kann. Auch auf sehr sauren Standorten mit pH-Wer-ten im Oberboden im Aluminium-Eisenpufferbereich (pH< 3,8) besteht nach diesen Ergebnissen nur ein sehr ge-ringes Risiko für erhöhte Nitratauswaschung. Dagegenkorrespondieren die für brandenburgische Waldstandor-te sehr untypischen Oberboden-pH-Werte > 5 mit einemstark erhöhten Belas-tungsrisiko. Im Bereich von C/N-Verhältnissen < 25 und pH-Werten > 3,8 kommt es aufdie jeweilige Merkmalskombination an, die rechnerischzu einer mehr oder weniger starken Risikoausprägungzwischen annähernd 0 und 100 % führen kann.

Das für die BZE-Punkte berechnete Nitratverlagerungs-risiko spiegelt sich auch in der Vegetationszusammen-

Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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Abb. 6: Berechnetes Risiko für erhöhten Nitrataustrag in Abhängigkeit von den Prädiktoren C/N-Verhältnissen in derAuflage und in 0-30 cm Tiefe sowie pH-Wert in 0-5 cm Tiefe

Abb. 7: Streudiagramm von N-Zahl nach ELLENBERG et al.(1992) und berechnetem Risiko für erhöhten Nitrataus-trag auf den BZE-Punkten

Abb. 8: Histogramm der Risikowerte für erhöhte Nitrat-verlagerung als Indikator für „Stickstoffsättigung“; be-rechnet für die Stichprobe der BZE-1

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setzung der Flächen wider. Zwischen den Risikower-ten und der aus der Bodenvegetation auf den BZE-Flächen abgeleiteten mittleren Stickstoffzahl nach EL-LENBERG et al. (1992) besteht eine signifikante Bezie-hung (R2=0,24). Abb. 7 zeigt, dass für N-Zahlen < 3stets ein geringes Risiko zu erwarten ist; ab N-Zahlen> 4,5 treten neben niedrigen auch deutlich erhöhte Ri-sikowerte auf. Insgesamt sind die Risikowerte überden Bereichen der N-Zahl relativ uneinheitlich und einePrognose des Ausmaßes der N-Belastung nur anhandder Vegetationszusammensetzung erscheint kaummöglich.

Anwendung des Modells

Als Anwendungsbeispiel des vorgestellten Verfahrenssoll das Risiko für erhöhte Nitratverlagerung für einenDatensatz berechnet werden, für den keine Angabenzur Nitratkonzentration im Unterboden vorliegen, dieAusprägungen der Prädiktoren des Diskriminanzmo-dells jedoch bekannt sind. Von besonderem Interesseerscheint es, für diese Anwendung den Datensatz derBZE-1 zu verwenden, da damit eine qualitative Aussa-ge zur Veränderung des Nitratverlagerungsrisikos zwi-schen den beiden Erhebungen BZE-1 und BZE-2, d. h.innerhalb der vergangenen ca. 15 Jahre, möglich wird.Die Prädiktoren C/N-Verhältnis in Auflage und 0-30 cmTiefe sowie pH-Wert in 0-5 cm Tiefe wurden für denBZE-1-Datensatz mit vergleichbaren Labormethodenerhoben.

Im Ergebnis dieser statistischen Analyse zeigt sichsehr deutlich, dass das Nitratverlagerungsrisiko abge-nommen hat, die ausgewählten BZE-Punkte (grund-wasserferne Standorte) mithin zu Zeiten der BZE-1noch stärker stickstoffbelastet waren als aktuell. InAbb. 8 ist das Histogramm der für die BZE-1-Datenberechneten Risikowerte dargestellt und kann mit dementsprechenden Diagramm der BZE-2 Werte in Abb. 5verglichen werden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die im Rahmen der zweiten bundesweiten Bodenzu-standserhebung (BZE-2) ermittelten Nitratkonzentra-tionen sind Beleg für eine Stickstoffbelastung der bran-denburgischen Waldökosysteme von regional unter-schiedlichem Ausmaß. Nitratgehalte unterhalb des Wur-zelraumes von weniger als 2,5 mg l-1, wie sie typischwären für unbeeinflusste, natürliche Waldstandorte, tre-ten nur auf einer Minderheit der Standorte auf (14 %der BZE-Stichprobe). Auf Grund der klimabedingt rela-tiv geringen Sickerwassermengen spiegeln die unterZuhilfenahme eines Wasserhaushaltsmodells berech-neten Stickstoffauswaschungsraten diese Belastung nurin abgeschwächter Form wider. Die Beziehung zwi-schen Nitratkonzentration und -auswaschung verdeut-licht, dass unter den brandenburgischen Klimaverhält-nissen ein Überangebot an Stickstoff bereits bei nied-rigeren N-Austrägen vorliegen dürfte, als dies z. B. aufMittelgebirgsstandorten mit weitaus höheren Sicker-

Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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wasserraten der Fall ist. Im vorliegenden Beitrag wur-de der Zustand einer Stickstoffbelastung an Nitratkon-zentrationen im Unterboden > 10 mg l-1 sowie an Stick-stoffausträgen > 4 kg ha-1a-1 festgemacht. Ein erhöhtesRisiko für Stickstoffbelastung (Eintrittswahrscheinlich-keit > 50 %) ergibt sich dann anhand der dargestelltenRisikoanalyse für ca. 25 % der grundwasserfernenBZE-Standorte; ein besonders hohes Risiko (Wahr-scheinlichkeit > 80 %) besteht bei ca. 6 % dieser Stich-probe.

Ein wesentliches Ergebnis der vorliegenden Auswer-tung besteht darin, dass das Risiko für erhöhte Nitrat-verlagerung bzw. „Stickstoffsättigung“ seit Durchfüh-rung der BZE-1 (1991/1992) offensichtlich stark abge-nommen hat. So konnte auf der Grundlage des BZE-1-Datensatzes mit Hilfe des hier vorgestellten Verfah-rens ein besonders hohes Risiko für ca. 58 % derStandorte berechnet werden. Dieser Befund deckt sichdamit, dass die Stickstoffeinträge seit den 1990er Jah-ren zurückgegangenen sind (EINERT und BART 2001),darf aber nicht die gegenwärtige Stickstoffsituation inunseren Waldökosystemen verharmlosen. Die unver-ändert hohen durchschnittlichen Stickstoffvorräte imBoden (RIEK 2009) sowie größtenteils hohe und sehrhohe N-Nadelspiegelwerte der Kiefer machen deutlich,dass immer noch vielerorts die Gefahr von Ernährungs-disharmonien sowie negative Wirkungen des Stickstoff-überangebots auf die Vielfalt der Vegetation bestehen.Vielmehr verdeutlicht und unterstreicht das vorgestell-te Ergebnis die Einschätzung von Publikationen zurStickstoffsituation in den 1980er Jahren, wonach diedamalige Belastung durch den „Schadfaktor Stickstoff“eine extrem destabilisierende und in letzter Konsequenzbis zum Absterben von Beständen gehende Wirkungin den Brandenburgischen Kiefernforsten zeigte (vgl.HEINSDORF 2007).

Von großer Bedeutung für die Beobachtung und Über-wachung der zukünftigen Stickstoffdynamik ist der fort-gesetzte, regelmäßige und zeitnahe Einsatz von Stoff-haushaltsmodellen zur Berechnung von Stickstoffbilan-zen auf der Datengrundlage der Level II-Standorte desForstlichen Umweltmonitorings (RIEK et al. 2006).

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Quantifizierung des Risikos für Nitrataustrag aus brandenburgischen Waldökosystemen auf der Grundlage chemischer Oberbodeneigenschaften

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Der klimaplastische Wald im Nordost-deutschen Tiefland – forstliche Anpas-sungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel MARTIN JENSSEN

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel1

101

Einleitung

Der Wald wächst und reproduziert sich auf Zeitskalenvon Jahrzehnten und Jahrhunderten. Die für forstlichePlanungen in diesen Zeiträumen relevanten Rahmen-bedingungen sind jedoch weitgehend unbekannt. DasProblem von Unvorhersagbarkeit und mangelndemWissen betrifft in ökologischer Hinsicht vor allem diewahrscheinliche Entwicklung des Klimas (IPCC 2007).Dabei werden sich nicht nur physikalische, sondernauch chemische Klimaparameter, wie Ozon- und CO2-Konzentrationen oder der Eintrag von N-Verbindun-gen in die Wälder, verändern.

Eine deutliche Senkung des Risikos angesichts einerschwer vorhersagbaren und wechselhaften Zukunft er-reicht man durch Diversifikation der Entwicklungsop-tionen. Im klimaplastischen Wald wird die kleinräumi-ge Vielfalt der standörtlichen Bedingungen genutzt, umBaumarten unterschiedlicher waldgeografischer und da-mit klimatischer Herkunft miteinander in eine Wechsel-wirkung zu bringen, die das ökologische Gesamtrisikoauf der Ebene des Bestandes, des Betriebes und derRegion erheblich senkt.

Das Ziel sind Wälder, die sich einem ausbildenden Kli-matrend weitgehend in Selbstorganisation oder zumin-dest mit einem geringen Aufwand an forstlicher Beglei-tung anpassen können. Diese besondere Eigenschaftvon Ökosystemen, sich ohne längere Sukzessionenund bei gleichzeitigem Erhalt ihrer Lebensfunktionen(C-Speicherung, Produktivität, Mikroklima etc.) unterveränderlichen Umweltbedingungen strukturell selbstzu organisieren, bezeichnen wir als ökologische Pla-stizität (JENSSEN et al. 2007). Plastizität beschreibt da-bei eine dauerhafte „Verformung“, eine dauerhafte An-passung der Strukturen an sich verändernde Umwelt-bedingungen, nicht hingegen die Rückkehr in den Aus-gangszustand nach einer temporären Störung (Elasti-zität).

Plastizität ist eine Eigenschaft auf verschiedenen Ebe-nen biologisch-ökologischer Systeme. Die Plastizitäteines einzelnen Baumes ist im Rahmen seiner physio-logischen Anpassungsfähigkeit gegeben und daher re-lativ begrenzt. Auf der Ebene der Population von Wald-

bäumen wächst die Plastizität mit ihrer genetischen Di-versität (KÄTZEL 2008). Die Strukturanpassung voll-zieht sich in Selektionsprozessen vor allem währendder Verjüngung und in den anschließenden frühen Ent-wick-lungsstadien. Auf der Ebene der Waldgesell-schaft erfolgt die Strukturanpassung zusätzlich überdie interspezifische Konkurrenz. Die ökologische Pla-stizität ist besonders hoch, wenn die vergesellschafte-ten Baumarten und deren Populationen jeweils breiteökologische Amplituden abdecken. Diese Amplitudenüberschneiden sich im Bereich der aktuellen ökologi-schen Bedingungen, sollten in ihrer Summe abermöglichst weite Bereiche künftig wahrscheinlicherUmweltszenarien abdecken.

Natürliche Vorbilder klimaplastischer Wälder

Die ökologische Plastizität der Wälder kann deutlicherhöht werden, wenn sich Waldentwicklungsplanun-gen an den natürlichen Vegetationspotenzialen solcherRegionen orientieren, die durch eine erhöhte Klimava-riabilität gekennzeichnet und Kreuzweg von Baumar-ten unterschiedlicher waldgeografisch-klimatischer Her-kunft sind. Dieser Umstand war ein Grund zur Aus-wahl der Modellregion des BMBF-VerbundprojektesNEWAL-NET (Nachhaltige Entwicklung von Waldland-schaften im Nordostdeutschen Tiefland), die einenAusschnitt von Nordost-Brandenburg und Südost-Mecklenburg-Vorpommern im Übergangsgebiet zwi-schen atlantischer und kontinentaler Klimaausprä-gung umfasst (ENDE 2009).

Das Makroklima wird durch das Wechselspiel von Ein-flüssen des Meeres über Westwetterlagen und denendes Kontinents über Ostwetterlagen bestimmt, wobeivor allem Höhe und jahreszeitliche Verteilung desNiederschlags zu einer deutlichen Vegetationsdiffe-renzierung führen (Abb. 1). Im nordwestlichen Teil derModellregion und auf den Höhen erlauben die atlanti-schen Klimaeinflüsse die natürliche Ausbildung vonWäldern, in denen die obere Baumschicht auf grund-wasserfernen Standorten von der Rot-Buche absolutdominiert wird (HOFMANN und POMMER 2005). Das kon-tinental getönte Trockenklima in Odernähe und Teilender Schorfheide führt auf mittleren bis nährstoffschwa-chen Sanden zur Ausbildung von Kiefern-/Eichenwäl-dern, auf nährkräftigen und nährstoffreichen Sand-Leh-men und Lehmen zur Ausbildung von Linden-Hainbu-chenwäldern. In einem Übergangsbereich zwischen die-

1 Das der Veröffentlichung zugrunde liegende Vorhaben wurde mitMitteln des BMBF unter dem Förderkennzeichen 0330562H geför-dert. Die Verantwortung liegt beim Autor.

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sen Klimaregionen, der die Uckermark im Osten undden südlichen Teil der Modellregion im Norden von Ber-lin umfasst, kommt es zur Ausbildung von Eichen-Bu-chenwäldern und Winterlinden-Hainbuchen-Buchenwäl-dern, in denen die klimatischen Verhältnisse die natür-liche Fähigkeit der Rot-Buche zum alleinigen Wald-bildner deutlich einschränken. Dieser Gebietsteil derModellregion ist Teil eines Gürtels, der sich am Süd-rand des baltischen Buchenwaldareals entlang er-streckt. Natürliche Buchen-Mischwaldvorkommen wur-den auch in Nordwest-Polen, am Rande des Thürin-ger Keuperbeckens, an den Bördenrändern Sachsensund Sachsen-Anhalts sowie in Nordost-Bayern nach-gewiesen (LIBBERT 1932; WEINITSCHKE 1963; HOFMANN

1974; REICHHOFF 2000; BOHN und NEUHÄUSL 2000; 2003;SCHMIDT et al. 2002). Die hier gegenüber den stärkerozeanisch, aber auch gegenüber den stärker konti-nental geprägten Regionen erhöhte Klimavariabilitätführt zu einem „hot spot“ der Baumartenvielfalt, die aufnährstoffreichen Standorten besonders stark ausge-prägt ist (Abb. 2).

Während sich auf mittleren bis nährstoffschwachenSanden gleichwüchsige Mischungen aus Rot-Buche,Stiel- und Trauben-Eiche unter Beteiligung der Kieferausbilden, finden sich auf den nährstoffkräftigen Sand-Lehmen teilweise enge Mischungen der Rot-Buche,vor allem mit Hainbuche und Winter-Linde, wobei auchdie Flatterulme hinzutritt, die außerhalb dieses Gürtelseher in grundwassernahen Standortsbereichen zu fin-den ist. Auf nährstoffreichen und kalkhaltigen Lehmenschließlich vermögen weitere Baumarten wie Esche,Vogel-Kirsche, Sommer-Linde, Berg-, Spitz- und Feld-Ahorn und teilweise sogar die Elsbeere, in das obere

Kronendach vorzudringen. Bemerkenswert ist, dassdie Anzahl der in der oberen Baumschicht vertretenenArten unter den Bedingungen des Übergangsklimasgrößer ist als die Summe der Waldbildner unter sub-ozeanischen und subkontinentalen Klimabedingungen.Ursache hierfür ist vor allem die unter den Bedingungendes Übergangsklimas bereits deutlich eingeschränkteKonkurrenzkraft der Rot-Buche, so dass sich im Rin-gen um Wuchsraum eine Reihe von Baumarten unter-schiedlicher geografischer Herkunft und ökologischerAmplitude erfolgreich durchsetzen können.

Pollenanalysen belegen, dass solche Buchen-Misch-wälder, wie wir sie heute in fragmentarischen Restenin schmalen Gürteln an den Rändern des baltischenund auch des herzynischen Buchenwaldareals vorfin-den, während des Subboreals, also im Übergang vonder Eichen-Mischwaldzeit zur Buchenzeit, vor etwa 5 bis2 Tausend Jahren, für weite Teile des norddeutschenTieflands charakteristisch waren (MÜLLER 1969; LANGE

1976; KLOSS 1980). Mit dem sich abzeichnenden Kli-mawandel könnten solche Wälder als natürliches Vor-bild für klimaplastische Wirtschaftswälder der Zukunftin weiten Teilen des nordmitteleuropäischen Tief- undHügellandes wieder eine große Bedeutung gewinnen(Abb. 3).

Angesichts erwarteter Klimaänderungen darf die heu-tige geographische Verteilung der potenziellen natür-lichen Waldgesellschaften, die in weiten Teilen desnordwestlichen Mitteleuropa durch eine starke Vor-herrschaft der Rot-Buche geprägt ist, auf der Waldflä-che nicht schablonenhaft umgesetzt werden. Vielmehrgeht es darum, natürliche Vegetationspotenziale zu

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

102

Abb. 1: Klimatisch bedingteHauptgruppen der heutigen potenziellen natürlichen Wald-gesellschaften auf grundwas-serfernen Standorten in der17.545 km2 umfassenden Modell-region Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpom-mern, abgeleitet auf der Grundla-ge der aktuellen PNV-Kartierun-gen für Brandenburg (HOFMANN

und POMMER 2005) und Mecklen-burg-Vorpommern (KIPUTH undWEINAUGE 2005)

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nutzen, um durch gezieltes forstliches Handeln klima-plastische und multifunktionale Wirtschaftswälder zuentwickeln. Mit Blick auf die Geschwindigkeit, Intensitätund Unbestimmtheit künftiger Klimaänderungen ist da-bei eine Abweichung von der heutigen Waldnatur aufweiten Teilen der Waldfläche unvermeidlich.

Die heute von Natur aus auf einen schmalen Gürtelbeschränkten natürlichen Eichen-Buchenwälder undLinden-Hainbuchen-Buchenwälder können sich ver-änderlichen Umweltbedingungen in erster Linie durchVeränderung der relativen Mengenanteile der Baum-arten anpassen. Sie dienen als Lernmenge für dieKonstruktion klimaplastischer Waldentwicklungstypenfür weite Teile der nordmitteleuropäischen Waldfläche,auf denen unter heutigen Klimaverhältnissen von Na-

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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tur aus Buchenwälder vorherrschen würden. Mit dergezielten Nutzung natürlicher Konkurrenz- und Rege-nerationsprozesse und des evolutiven Potentials desnatürlichen Genpools kann das bionische Prinzip imWaldbau verstärkt umgesetzt werden.

Mechanismen der Klimaplastizität auf der Ebeneder Waldgesellschaft

Die Klimaplastizität von gruppenweisen, truppweisenund einzelbaumweisen Mischungen aus Buche, Hain-buche, Winter-Linde und Spitz-Ahorn wurde durch den-droökologische Untersuchungen im klimatischen Über-gangsgebiet bestätigt. Die nahegelegene Wetterstationdes DWD in Angermünde weist langjährige Jahresnie-

Abb. 2: Natürliche Potentiale derVergesellschaftung einheimischerBaumarten in Abhängigkeit vonKlimaausbildung und Boden-nährkraft auf grundwasserfernenStandorten im ostdeutschen Tief-land. Die Dicke der Balken sym-bolisiert die relativen Mengen-anteile der Baumarten in denWaldgesellschaften (JENSSEN

et al. 2007)

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derschläge um 540 mm aus, die Differenz der monat-lichen Mitteltemperaturen zwischen Januar und Juli be-trägt 18,7 K. Unter diesen Bedingungen ist die Konkur-renzkraft der Rot-Buche und damit ihre Fähigkeit zumalleinigen Waldbildner deutlich eingeschränkt. Die Wäl-der liegen im Jungmoränengebiet im Übergangsgebietzwischen Grund- und Endmoräne des PommerschenStadiums der Weichselkaltzeit, sie stocken auf nähr-stoffkräftigen Braunerden (Standortsformengruppe K2).Unter diesen guten edaphischen Verhältnissen könnensich Winter-Linde und Hainbuche als natürliche Konkur-renten der Rot-Buche etablieren.

Der Bestand Weberslinden in der Oberförsterei Cho-rin, Revier Senftenthal, Abteilung 129a, ist zur Saat-gutgewinnung Winter-Linde anerkannt und wird forst-lich bewirtschaftet (Abb. 4). Der Oberbestand bestehtaus einer ca. 110 Jahre alten trupp- bis gruppenweisenMischung aus Rot-Buche und Winter-Linde. DieMittelhöhe beträgt 35,0 m, der Mitteldurchmesser derRot-Buche beträgt 46,2 cm, der Mitteldurchmesser derWinter-Linde beträgt 51,8 cm. Die Stammzahl beträgt 264 ha-1, davon entfallen 80 % auf Linde und 20 % aufBuche. Der Kronenschlussgrad beträgt 0,85. Davonentfallen 60 % auf Linde und 40 % auf Buche.

Vergleicht man den Verlauf des sekundären Dicken-wachstums zwischen den Populationen von Rot-Bucheund Winter-Linde während der vergangenen 60 Jahre,so wird ein bemerkenswertes Wechselspiel von so-wohl gleichlaufenden als auch entgegengesetztenWachstumsreaktionen deutlich (Abb. 5). Von beson-derem In-teresse sind das extreme Trockenjahr 1976und die durch dieses Extremereignis ausgelöste fol-gende Periode, die über die niederschlagsarmen acht-ziger Jahre bis 1992 fortdauert. Beide Teilpopulationenzeichnen deutlich in 1976, dann jedoch gewinnt dieLindenpopulation einen deutlichen Konkurrenzvorteilgegenüber den Buchen. Man beobachtet einen in derTendenz spiegelsymmetrischen Verlauf der mittlerenJahrringkurven, gekennzeichnet durch gegensinnigeReaktionen im sekundären Dickenwachstum der bei-den Populationen. Dieser Verlauf ist auf die interspezi-fische Konkurrenz zwischen den Baumarten zurückzu-führen. Mit dem Einsetzen starker Niederschläge inder Vegetationsperiode 1993 beginnt eine verhältnis-mäßig niederschlagsreiche Periode, in der die Buchenganz offensichtlich wieder eine stärkere Konkurren-zwirkung gegenüber den Linden entfalten. Dies äußert

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Abb. 3: Forstlich bewirtschafteter Buchen-Mischwald mitWinter-Linde und Rot-Buche auf einem nährkräftigenStandort in Nordost-Brandenburg als Beispiel eines kli-maplastischen Wirtschaftswaldes (Foto: G. HOFMANN)

Abb. 4: Versuchsfläche Weberslinden in der Oberförste-rei Chorin, Revier Senftenthal, Abteilung 129a, auf nähr-kräftigem Standort (Standortsgruppe K2). Der Oberbe-stand besteht aus einer ca. 110 Jahre alten trupp- bisgruppenweisen Mischung aus Rot-Buche und Winter-Linde (Foto: M. JENSSEN)

Abb. 5: Verlauf des sekundärenDickenwachstums der Teilpopu-lationen aus Rot-Buchen (blau)und Winter-Linden (grün) auf derVersuchsfläche Weberslinden(Abb.4)

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sich darin, dass die mittleren Jahrringkurven der bei-den Populationen bei fortgesetzt gegensinnigen Reak-tionen ihre Rangfolge signifikant „vertauschen“ unddie Buche nun gegenüber der Linde ein deutlich stär-keres sekundäres Dickenwachstum aufweist.

Mit der Versuchsfläche Redernswalde in der StiftungSchorfheide-Chorin, Oberförsterei Chorin, Revier Grum-sin, Abteilung 710a, wurde ein deutlich jüngerer undstammzahlreicherer Mischbestand aus Rot-Buche, Win-ter-Linde und Hainbuche in das Versuchsprogrammaufgenommen. Wahrscheinlich hat sich dieser Bestandum 1945 nach starken Holzentnahmen in einem vonEichen dominerten Forst selbst organisiert und ist auchin seiner weiteren Entwicklung nicht bewirtschaftetworden. Der Untersuchungsplot besteht aus einer ca.60 Jahre alten gruppenweisen Mischung aus Winter-Linde und Rot-Buche (Abb. 6). Die Mittelhöhe beträgt23,9 m, der Mitteldurchmesser der Rot-Buche beträgt17,9 cm, der Mitteldurchmesser der Winter-Linde be-trägt 20,7 cm. Die Stammzahl beträgt 1684 ha-1, da-von entfallen 90 % auf Linde und 10 % auf Buche. DasKronendach des Bestandes ist nahezu geschlossen.

Der Bestand befindet sich im Stadium des angehen-den Baumholzes, d. h. in einer noch sehr stammzahl-reichen Entwicklungsphase. Die Kronenentfaltung istimmer noch relativ gering, in der Konkurrenz unterle-gene Bäume wurden in der bisherigen Bestandesge-schichte relativ schnell überwachsen und sind heuteausgeschieden. Aus diesem Grunde zeigt der heutenoch vorhandene Teil des Bestandes im Vergleich zudem älteren Bestand in Weberslinden (Abb. 5) auchkeine längeren Phasen der Konkurrenzüberlegenheitder einen oder der anderen Baumart, sondern ein immehrjährigen Mittel ausgeglichenes sekundäres Di-ckenwachstum beider Arten, das in der physiognomi-schen Homogenität des Bestandes eine Entspre-chung findet (Abb. 6). Betrachtet man jedoch einzel-ne Jahre oder kürzere Perioden, so beobachtet manauch hier wieder die ausgeprägten gegenläufigenWachstumsreaktionen. So ist ein deutlicher Anstiegder mittleren Jahrringzuwächse der Buchen z. B. zwi-schen 1970 und 1972 mit einem entsprechenden Ab-

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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fall der mittleren Jahrringzuwächse der Linden ver-bunden, die umgekehrte Reaktion kann man z. B.zwischen 1986 und 1988 beobachten. Die Konkur-renzwechselwirkung zwischen den Baumarten führtdazu, dass dieselben Umweltfaktoren zu gegensinni-gen Reaktionen in beiden Populationen führen. Eineweitere interessante Beobachtung ist auch, dass dieFluktuationen im sekundären Dickenwachstum derBuchen unter den gegebenen ökologischen Bedin-gungen stärker ausgeprägt sind als bei den Linden,die Buchenpopulation also in diesem frühen Entwick-lungsstadium sensitiver auf variable Umweltbedin-gungen zu reagieren scheint.

Qualitativ ähnliche Befunde wurden auch in trupp- undgruppweisen Mischungen aus Rot-Buche und Hainbu-che im selben Standortsbereich nachgewiesen. Sehrinteressant sind auch die Ergebnisse der dendroöko-logischen Analyse einzelner Exemplare des Spitz-Ahorns, die in Redernswalde auf einer nährkräftigenbis nährstoffreichen Lehmkuppe einzelbaumweise inden Grundbestand aus Rot-Buche und Winter-Lindeeingemischt sind. Die Alter der analysierten Bäumeliegen zwischen 47 und 57 Jahren, im Mittel bei 50 Jah-

Abb. 7: Verlauf des sekundärenDickenwachstums der Teilpopu-lationen aus Rot-Buchen (blau)und Winter-Linden (grün) aufdem UntersuchungsplotRedernswalde (Abb. 6)

Abb. 6: Versuchsfläche Redernswalde in der StiftungSchorfheide-Chorin, Abteilung 710a auf nährkräftigemStandort (Standortsgruppe K2). Der Oberbestand bestehtaus einer ca. 60 Jahre alten gruppenweisen Mischungaus Rot-Buche und Winter-Linde (Foto: M. Jenssen)

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ren, die Mittelhöhe beträgt 26,6 m, der Mitteldurchmes-ser in Brusthöhe beträgt 28,4 cm.

Das für den Spitz-Ahorn typische starke Jugendwachs-tum äußert sich auch im sekundären Dickenwachstumder Spitz-Ahorn-Population, das um 1970 mit mittlerenJahrringbreiten um 5 mm kulminiert (Abb. 8). Der Spitz-Ahorn zeigt die am stärksten ausgeprägte Gegensin-nigkeit zu den witterungsbedingten Reaktionen der Bu-chenpopulation, was mit hoher Sicherheit auch auf dieeinzelbaumweise Einmischung in den Grundbestandzurückzuführen ist. Jedes Exemplar der Population istfast ausschließlich von Buchen oder Linden umgeben.Die Ahorne sind mit einem Zeitversatz (im Mittel) von10 Jahren gegenüber dem Grundbestand vermutlich inkleineren Lücken aufgewachsen und dürften zwischen1970 und 1975 das Kronendach erreicht haben, womitsie in unmittelbare Konkurrenzwechselwirkung mit demumgebenden Bestand getreten sind. Diese Wechsel-wirkung zeigt sich z. B. im extremen Trockenjahr1976, wo erstaunlicherweise sogar ein Anstieg des se-kundären Dickenwachstums zu beobachten ist, dermit hoher Wahrscheinlichkeit auf die stark verminderteVitalität der benachbarten Buchen zurückzuführen ist.Sehr ausgeprägt stellt sich auch die temporäre relati-ve Dominanz der Ahorne gegenüber den Buchen inder darauffolgenden Periode niederschlagsarmer Jah-re dar, bis sich dann ab den frühen neunziger Jahrendes vergangenen Jahrhunderts das Bild zu Gunstender Buchen wandelt.

Die dendroökologischen Untersuchungen der analy-sierten gruppenweisen, truppweisen und einzelbaum-weisen Mischungen aus Buche, Hainbuche, Winter-Lin-de und Spitz-Ahorn bestätigen somit die aus der Kon-struktion der heutigen PNV abgeleiteten Erkenntnissezur Klimaplastizität von Winterlinden-Hainbuchen-Bu-chenwäldern auf nährstoffkräftigen Standorten im kli-matischen Übergangsgebiet. Starke Witterungsfluktua-tionen, wie Trockenjahre und Trockenperioden,niederschlagsreiche Jahre und Perioden sowie Tem-peraturextreme führen zu teilweise ausgeprägt gegen-läufigen Reaktionen des sekundären Dickenwachs-tums zwischen Populationen der Buche (subozeani-

scher Verbreitungsschwerpunkt) einerseits und derBaumarten Hainbuche, Winter-Linde und Spitz-Ahorn(subkontinentaler Verbreitungsschwerpunkt) anderer-seits. Damit konnte der durch interspezifische Konkur-renz vermittelte Mechanismus der Klimaplastizität aufder Ebene der Waldgesellschaft unter den ökologi-schen Bedingungen der Modellregion nachgewiesenwerden. Die aufgezeigten Fallbeispiele demonstrierenden Unterschied zwischen unmittelbarer und über dieWaldgesellschaft vermittelter Wirkung von variablenUmweltfaktoren. In Reinbeständen der verschiedenenBaumarten sind die Wachstumsreaktionen auf Witte-rungsfluktuationen gleichsinnig, aber zwischen denArten quantitativ unterschiedlich ausgeprägt. Die Kon-kurrenzwechselwirkung zwischen den Populationenverschiedener Baumarten führt jedoch zu gegensinni-gen Reaktionen, die bei lang anhaltenden Witterungs-trends oder einem gerichteten Klimawandel zu einerVeränderung der Mengenanteile der verschiedenenBaumarten führen kann. Diese Reaktionsmuster bil-den die Grundlage der Klimaplastizität.

Aus den hier beschriebenen Untersuchungen verschie-dener stadialer Entwicklungsphasen und unterschied-licher räumlicher Mischungsformen können wichtige Er-kenntnisse für die Begründung und Pflege klimaplasti-scher Waldbestände in der forstlichen Praxis abgeleitetwerden (folgender Abschnitt). In den zuletzt aufgezeig-ten einzelbaumweisen Beimischungen von Baumartenmit subkontinentalem Verbreitungsschwerpunkt ist dieim Vergleich zur Rot-Buche am stärksten ausgeprägteGegensinnigkeit in den Wachstumsreaktionen auf dieNiederschlagsverhältnisse in der Vegetationsperiode zubeobachten, abgemildert sind diese Reaktionen bereitsin truppweisen (Weberslinden) oder gar in gruppen-weisen Mischungen (Redernswalde). In letzteren be-schränken sich die Konkurrenzwirkungen auf die Rand-bereiche der Gruppen. Um eine frühzeitige Entmi-schung der Bestände bzw. unverantwortlich hohe Pfle-geaufwände und Qualitätsverluste zu vermeiden, bietetsich unter den derzeitigen klimatischen Bedingungeneine Begründung in horstweiser oder gruppenweiserMischung an, die unter dem sich wandelnden Klima ingruppenweise oder truppweise Strukturen überführt

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Abb. 8: Verlauf des sekundärenDickenwachstums der Teilpopu-lationen aus Rot-Buchen (blau)und Spitz-Ahornen (rot) auf derVersuchsfläche Redernswalde

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werden. Zur Vermeidung vorzeitiger Entmischungen istes weiterhin erforderlich, unterschiedliche Wuchsrhyth-men der Baumarten zu berücksichtigen und ggf. einenzeitlichen Versatz bei dem Einbringen unterschiedlicherBaumarten zu organisieren.

Zur Entwicklung klimaplastischer Laubmisch-wälder in der Modellregion unter der Annahme regionalisierter IPCC-Klimaszenarien

Klimamodelle liefern keine Vorhersagen sondern Sze-narien oder Projektionen, die mögliche Klimatrends be-schreiben (GIORGI 2005; KROP-KOLB und FORMAYER

2005). Diese Projektionen beruhen auf bestimmten An-nahmen über die künftige Entwicklung von das Klimabeeinflussenden Faktoren und auf dem heutigen wis-senschaftlichen Kenntnisstand. Andere Annahmen oderneue Erkenntnisse können zu anderen Projektionenführen.

Die Baumartenzusammensetzung klimaplastischerWälder wird nicht aus diesen Projektionen abgeleitet,sondern orientiert sich an den natürlichen Vorbildernder Eichen-Buchenwälder und Linden-Hainbuchen-Bu-chenwälder im klimatischen Übergangsgebiet zwischenozeanischen und kontinentalen Klimaeinflüssen in derModellregion. Diese Wälder enthalten Baumarten mitsehr unterschiedlichen waldgeografischen Verbrei-tungsschwerpunkten und damit auch sehr unterschied-lichen klimatischen Amplituden. Sie sind daher unspe-zifisch im Hinblick auf spezielle Klimatrends.

In diesem Abschnitt wird der Versuch unternommen,eine ökoklimatische Diagnose der natürlichen Buchen-mischwälder vor dem Hintergrund vorliegender regio-naler Klimaszenarien, also der nach heutigem Wissen-stand als wahrscheinlich geltenden Klimaentwicklung,zu stellen. Die hier verwandten WETTREG-Simulatio-nen (SPEKAT et al. 2007) nutzen ein statistisches Ver-fahren, um aus dem globalen Klimamodell ECHAM 5des MPI Hamburg Klimaprojektionen für das Netz derDWD-Wetterstationen abzuleiten. Diesem Regionali-sierungsverfahren liegt die Annahme zugrunde, dass

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die in der Vergangenheit beobachteten stabilen Bezie-hungen zwischen großräumigen atmosphärischen Zir-kulationsmustern (Wetterlagen) und den lokalen Aus-wirkungen auf meteorologische Größen erhalten blei-ben. Die unterschiedlichen IPCC-Szenarien bewirkenjeweils spezifische Verschiebungen in der Häufigkeitvon Wetterlagen.

Diese grundsätzliche „Modellphilosophie“ wird hier auchfür die Ableitung von regionalen Projektionen selbstor-ganisierter Waldvegetationsentwicklung übernommen.Es wird angenommen, dass diejenigen Kombinationenökoklimatischer Parameter und Indizes, die heute dieVerbreitungsgrenzen der Waldgesellschaften bestim-men, auch unter den Bedingungen eines gewandeltenKlimas ihre Bedeutung beibehalten werden. Die jewei-ligen IPCC-Szenarien bewirken entsprechend dieserAnnahme lediglich Verschiebungen in der Verbreitungder heute bekannten Waldgesellschaften. Tatsächlichjedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass neu-artige Konstellationen von Umweltbedingungen auchzu neuen Vergesellschaftungen von Baumarten führenwerden. Die folgenden Auswertungen tragen daher ei-nen sehr hypothetischen Charakter und dienen vor al-lem der Veranschaulichung der Frage, welche Dimen-sion ein möglicher klimabedingter Wandel der Waldve-getation haben könnte und in welchen Grenzen dasKonzept klimaplastischer Wälder als Anpassungsstra-tegie an einen Klimawandel geeignet erscheint.

Aus der potenziellen natürlichen Verbreitung der euro-päischen Buchen- und Buchenmischwälder unter heu-tigen Klimabedingungen (Abb. 9) und den Daten euro-päischer Klimastationen wurden Spannweiten biokli-matischer Indizes berechnet (Abb. 10). Diese Spann-weiten bezeichnen die ökologische Amplitude, inner-halb derer sich die Rot-Buche (Fagus sylvatica) in denHauptstadien selbst organisierter Waldgesellschaftenin der oberen Baumschicht behaupten kann. Demnachhaben europäische Buchenmischwälder ihren Verbrei-tungsschwerpunkt im subozeanischen und gemäßigtsubkontinentalen, kühlen bis mäßig warmen Klima, un-ter humiden und subhumiden Bedingungen. Sie mei-den weitgehend sommertrockene Lagen.

Abb. 9: Potenzielle natürlicheVerbreitung von Buchen- und Bu-chenmischwäldern, in denen dieBuche als dominante Art in derBaumschicht auftritt, unter denheutigen Klimabedingungen(BOHN und NEUHÄUSL 2000, 2003)

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Zu beachten ist dabei, dass innerhalb der ausgewie-senen Amplituden nicht alle beliebigen Kombinationenvon Indizes möglich sind. So dringen Buchenmisch-wälder in subkontinentale Klimate (Jahrestemperatur-schwankungen zwischen 18 und 22 K) nur vor, wenngleichzeitig hinreichend humide Verhältnisse gegebensind. In diesen Fällen wird ihre Verbreitung vor allemdurch die Wintertemperaturen (Frosthärte der Buche)begrenzt. Dies ist z. B. der Fall bei den montanen Bu-chenmischwäldern Südosteuropas oder auch an dernordöstlichen und nördlichen Verbreitungsgrenze derbaltischen Buchenwälder.

Die sich durch Brandenburg ziehende südöstliche Ver-breitungsgrenze der baltischen Buchenwälder und derLinden-Hainbuchen-Buchenwälder bzw. der Eichen-

Buchenwälder wird hingegen nicht durch die Winter-temperaturen, sondern durch den Wasserhaushalt wäh-rend der Vegetationsperiode bestimmt (Abb. 10). Un-ter diesen subhumiden Bedingungen erweist sich dieJahrestemperaturschwankung im Bereich des Über-gangs zwischen subozeanischem und subkontinenta-lem Klima als der am schärfsten zwischen den Wald-klima-Regionen diskriminierende Index (siehe Abb. 1und Tab. 1).

Als nächstes wurde die Frage herausgearbeitet, in-wieweit sich die heutige Verbreitungsgrenze der Bu-chen- und Buchenmischwälder unter verschiedenenKlima-szenarien verändern könnte. Die Untersuchungumfasste das „niedrigere“ Emissionsszenario B1, wel-ches von einem Anstieg der CO2-Emissionen bis Mitte

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Abb. 10: Ökoklimatische Diagnose der europäischen Laubwälder, in denen die Rot-Buche (Fagus sylvatica) dauerhafterBestandteil der herrschenden Baumschicht ist (Abb. 9). Die Spannweiten der Indizes sind als grüne Balken eingezeich-net. Die gelben Markierungen kennzeichnen die klimatische Amplitude in der Modellregion Nordost-Brandenburg/Süd-ost-Mecklenburg-Vorpommern (Abb. 1) nach dem Kontrollauf 1961 – 1990 des statistischen RegionalisierungsmodellsWETTREG

Tabelle 1: Zuordnung der Klimastationen des DWD zu den klimatisch bedingten Hauptgruppen natürlicher Waldgesell-schaften in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aufgrund der mittleren Kontrollläufe 1961 – 1990 des Klima-Regionalisierungsmodells WETTREG

Klimatisch bedingte Hauptgruppen Jahrestemperaturschwankung DWD-Klimastationennatürlicher Waldgesellschaften (Kontinentalitätsindex) in K

Ic = Tmax - Tmin

Buchenwälder Ic < 18 Arkona, Putbus, Barth, Rostock-Warnemünde, Greifswald, Boltenhagen, Teterow, Ückermünde, Schwerin, Goldberg, Waren, Boizenburg, Marnitz, Neuglobsow, Neuruppin

Eichen-Buchenwälder 18 ≤ Ic ≤18,5 Angermünde, Zehdenick, PotsdamWinterlinden-Hainbuchen-Buchenwälder

Eichenwälder Ic > 18,5 Manschnow, Müncheberg, Lindenberg, CottbusWinterlinden-Hainbuchenwälder

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des 21. Jahrhunderts und einer deutlichen Abnahmebis 2100 (CO2-Gehalt in der Atmosphäre 540 ppm imJahr 2100 im Vergleich zu 380 ppm heute durch Re-duktion der Emissionen bis auf Stand vor 1990) aus-geht, und das „höhere“ Emissionsszenario A1B, daszwischen der Mitte des 21. Jahrhunderts und 2100 nureinen leichten Rückgang unterstellt (CO2-Gehalt in derAtmosphäre 710 ppm im Jahr 2100 im Vergleich zu380 ppm heute).

Beide Szenarien weisen für die Region einen Klima-trend aus, der anhand von mittlerem jährlichem Nie-derschlags- und Temperaturverlauf beispielhaft für dieunseren Versuchsflächen nächstgelegene Klimasta-tion Angermünde (Abb. 11) und in den Spannweitenökoklimatischer Indizes für die gesamte Modellregion(Abb. 12, 13) dargestellt werden kann. Dieser Klima-trend ist durch zwei Hauptelemente gekennzeichnet.Zum einen wird die ozeanische gegenüber der konti-nentalen Klimaprägung verstärkt, was sich in einer deut-lich abnehmenden Jahrestemperaturschwankung äu-ßert. Der zunehmende Einfluss des atlantischen Oze-ans über verstärkt auftretende West- und Südwest-wetterlagen ist nach den Szenarien in den Winter- undFrühjahrsmonaten zu beobachten. Für die abnehmen-de Jahrestemperaturschwankung ist eine zunehmen-de Wintermilde verantwortlich, die mit einer früher ein-setzenden und insgesamt verlängerten Vegetations-periode einhergeht. Zum anderen werden gleichzeitigeine deutlich erhöhte Winterfeuchte und auch eine er-höhte Feuchte zu Beginn der Vegetationsperiode imzeitigen Frühjahr erwartet. Dieser Klimatrend ist grund-sätzlich laubwaldfreundlich und insbesondere auch bu-chenwaldfreundlich.

Gleicher Maßen jedoch deuten die Szenarien auf einezunehmende submediterrane Tönung des Klimas hin,die sich in einer Nivellierung des jährlichen Nieder-

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schlagsverlaufs und einer sich verstärkt ausprägendenSommertrockenheit äußert. Zahlreiche ökophysiologi-sche Befunde belegen, dass Populationen der Rot-Bu-che im Vergleich zu den heimischen Eichen, Lindenoder der Hainbuche gegenüber sommerlichem Trocken-stress häufig sensitiver reagieren (LEUSCHNER 1998;BACKES und LEUSCHNER 2000; RENNENBERG et al. 2004;MANTHEY und BOX 2007; MANTHEY et al. 2007). Physio-logische Anpassungsmechanismen sind u. a. deutlicheWachstumsreduktionen (BOLTE 2005; JOCHHEIM et al.2007; ROLOFF und GRUNDMANN 2008), die zu einem Ver-lust an Konkurrenzkraft gegenüber den Mischbaumar-ten des klimaplastischen Waldes führen können. Dieswird auch durch die im vorhergehenden Abschnitt vor-gestellten dendroökologischen Untersuchungen belegt.Die zunehmende Sommertrockenheit würde in selbstorganisierter Waldentwicklung in weiten Teilen der Mo-dellregion die heute im potenziellen natürlichen Wald-bild noch absolut dominierende Baumart Rot-Buchewahrscheinlich zugunsten der Mischbaumarten des kli-maplastischen Waldes, wie insbesondere der Trauben-Eiche, der Linden, der Hainbuche oder des Spitz-Ahorns, zurückdrängen. Baumarten, wie der Feld-Ahorn, die Elsbeere oder die Vogel-Kirsche, würden indiesen Wäldern zunehmend Nischen finden.

Gerade aufgrund dieser im Hinblick auf die Konkur-renzkraft der Buche widersprüchlichen Elemente desprojizierten Klimatrends würde sich eine lagegenaueProjektion der Verbreitungsgrenzen, insbesondere zwi-schen reinen Buchenwäldern und Eichen-Buchenwäl-dern bzw. Winterlinden-Hainbuchen-Buchenwäldern, fürdie nächsten 50 bis 100 Jahre als sehr spekulativ er-weisen. Da die genetische Variation der Buche inner-halb der Bestände in Mitteleuropa sehr hoch ist (KON-NERT et al. 2000), kann eine hohe Klimaplastizität derBuche auf der Ebene der Waldbaum-Population unddamit ein hohes Potenzial zur selektiven Anpassung

Abb. 11: Wahrscheinliche Entwicklung ausgewählter Klimaparameter für den Zeitraum 2071 bis 2100 im Vergleich zu1961 bis 1990 nach dem IPCC-Klimaszenario A1B im heutigen subozeanisch-subkontinentalen Übergangsklima desnordostdeutschen Tieflands

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Abb. 12: Spannweiten ökoklimatischer Indizes in der Modellregion Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpom-mern nach den IPCC-Klimaszenarien B1 und A1B für den Zeitraum 2021 – 2050 nach dem WETTREG. Modell (gelb mar-kiert) im Vergleich zur ökoklimatischen Amplitude der europäischen Laubwälder, in denen die Rot-Buche (Fagus sylva-tica) dauerhafter Bestandteil der herrschenden Baumschicht ist (grün markiert)

Abb. 13: Spannweiten ökoklimatischer Indizes in der Modellregion Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpom-mern nach dem IPCC-Klimaszenario A1B für den Zeitraum 2071 – 2100 nach dem WETTREG. Modell (gelb markiert) imVergleich zur ökoklimatischen Amplitude der europäischen Laubwälder, in denen die Rot-Buche (Fagus sylvatica) dau-erhafter Bestandteil der herrschenden Baumschicht ist (grün markiert)

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an Trockenstress durchaus unterstellt werden. Ausder waldgeografisch-ökoklimatischen Analyse der na-türlichen Vegetation Europas ergibt sich, dass die süd-westliche Verbreitungsgrenze der Buchenmischwälder(Südwest-Frankreich, Nordost-Spanien) durch den som-merlichen Wasserhaushalt bestimmt wird. Ein ombro-thermischer Index Io von wenigstens 4,0 und ein om-brothermischer Index der zwei wärmsten Sommermo-nate Ios2 von wenigstens 2,4 sind erforderlich, damitdie Rot-Buche zumindest auf Böden mit hinreichenderWasserhaltefähigkeit dauerhafter Bestandteil der herr-schenden Baumschicht bleibt (Abb. 10, 12, 13). Unterder Annahme, dass diese aus der südwestlichen Ver-breitungsgrenze der Buchenwälder ermittelten Grenz-werte durch selektive Anpassung der Buchenpopula-tion im Modellgebiet auch realisiert werden können,kann somit zumindest die Verbreitungsgrenze zwischenBuchenmischwäldern auf der einen Seite und Eichen-bzw. Linden-Hainbuchen-Wäldern auf der anderen Sei-te projiziert werden. Die genannten Grenzwerte wer-den in beiden Klimaszenarien B1 und A1B innerhalbdes Modellgebietes bis zum Jahr 2050 lediglich für dieStation Manschnow unterschritten, die für das Tro-ckenwaldgebiet an der Oder repräsentativ ist (Abb. 1).Damit kann es als durchaus wahrscheinlich gelten,dass der Großteil des heutigen potenziellen Buchen-und Buchenmischwaldgebietes der Modellregion zurMitte des 21. Jahrhunderts als Buchenmischwaldge-biet anzusprechen ist. In Abhängigkeit von den Emis-sionsszenarien wird sich die Grenze der Buchenmi-schwälder zu den Eichenwäldern und Linden-Hainbu-chen-Wäldern bis zum Ende des 21. Jahrhunderts je-doch wahrscheinlich in westliche Richtung verschieben.Für das „höhere“ Emissionsszenario A1B, das von ei-ner nur leichten Reduzierung der globalen CO2-Emis-sionen zwischen der Mitte und dem Ende des 21. Jahr-hunderts und einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration von derzeit 380 ppm auf 710 ppm aus-geht, würde die Buchenmischwaldgrenze um 2100 inNord-Süd-Richtung, etwa auf dem 12. Längengradzwischen Rostock und Goldberg, d. h. bereits westlichunserer Modellregion, verlaufen (Tab. 2).

Die vorstehende Analyse belegt ungeachtet aller be-stehenden Unsicherheiten, dass die Eichen-Buchen-wälder und Linden-Hainbuchen-Buchenwälder des kli-matischen Übergangsgebietes der Modellregion als

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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natürliche Vorbilder für klimaplastische Wirtschaftswäl-der geeignet sind. Der nach heutigem Kenntnisstandals wahrscheinlich angenommene Klimatrend für dasnorddeutsche Tiefland würde nicht in ein kontinentalgetöntes Waldsteppenklima, sondern in ein subozea-nisches Laubmischwald-Klima mit submediterraner Tö-nung führen. Sollten die hier angenommenen Klimas-zenarien eintreffen, würde die Rot-Buche auf Grundder erwarteten Sommertrockenheit im norddeutschenTiefland mit zunehmender geografischer Länge (öst-licher Lage) wahrscheinlich stärker an Konkurrenzkraftverlieren und die Bedeutung der Mischbaumarten derklimaplastischen Buchenmischwälder in gleichem Ma-ße zunehmen. Während also insbesondere am nörd-lichen und nordöstlichen Rand des baltischen Buchen-waldareals (Süd-Schweden, Baltikum) bei hinreichen-der Humidität auf Grund zunehmender Wintertempe-raturen ein deutlicher Arealgewinn des Buchenwaldeszu erwarten wäre (vgl. auch BOX und MANTHEY 2006),ist an der durch das nordostdeutsche Tiefland verlau-fenden südöstlichen Grenze der baltischen Buchen-wälder auf Grund zunehmender Sommertrockenheitein eher geringfügiger Arealverlust, aber eine deutlicheVerbreiterung des Gürtels von Eichen-Buchenwäldernund Linden-Hainbuchen-Buchenwäldern nach Westenwahrscheinlich.

Waldentwicklungsszenario nach dem Leitbild klimaplastischer Wälder für den Zeitraum bis 2100

Die erarbeiteten ökologischen Grundlagen des klima-plastischen Waldes wurden genutzt, um für die grund-wasserfernen Standortsbereiche der Waldfläche derModellregion Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklen-burg-Vorpommern ein vereinfachendes Bewirtschaf-tungsmodell zu entwickeln, das dem Leitbild klima-plastischer Wälder entspricht. Das Bewirtschaftungs-modell umfasst insgesamt 42 unterschiedliche wald-bauliche Zielstrukturen, die nach den heutigen Wald-klima-Regionen und den forstlichen Standortsklassenfür Bodennährkraft und Bodenfeuchte gegliedert sind(JENSSEN 2009a). Für jede Zielstruktur wurden wald-bauliche Behandlungsvorschriften definiert, die ihre Ent-wicklung aus den gegenwärtig vorhandenen Waldstruk-turen beschreiben. Zielstrukturen und Behandlungsvor-schriften bilden gemeinsam ein bewusst vereinfachen-

Tabelle 2: Zuordnung der Klimastationen des DWD zu den klimatisch bedingten Hauptgruppen natürlicher Waldgesell-schaften in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf Grund des „höheren“ Emissionsszenarios A1B für denZeitraum 2071 – 2100 des Klima-Regionalisierungsmodells WETTREG

Klimatisch bedingte Haupt- Ombrothermischer Index Io Ombrothermischer Index der DWD-Klimastationengruppen natürlicher Wald- (mm/K) zwei wärmsten Sommermonate gesellschaften Ios2 (mm/K)

Buchenwälder, Eichen-Buchen- Io ≥ ,0 Ios2 ≥ 2,4 Rostock-Warnemünde, Boltenwälder und Linden-Hainbuchen- hagen, Schwerin, Goldberg, Buchenwälder Boizenburg, Marnitz

Eichenwälder und Linden-Hain- Io < 4,0 ODER Ios2 < 2,4 Arkona, Putbus, Barth, Greifswald, buchenwälder Teterow, Ückermünde, Waren,

Neuglobsow, Angermünde, Zehdenick, Neuruppin Manschnow, Müncheberg, Potsdam, Lindenberg, Cottbus

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des und schematisierendes Bewirtschaftungsmodell,das im Rahmen eines Computermodells implementiertwurde.

Daraus ist für 400.000 ha eingerichteter Holzbodenflä-che im grundwasserfreien Standortsbereich des Mo-dellgebietes Nordost-Brandenburg / Südost-Mecklen-burg-Vorpommern ein mögliches klimaplastisch opti-miertes Waldentwicklungsszenario für den Zeitraum2006 bis 2100 abgeleitet2 worden. Die räumliche Auf-lösung ist die Ebene der Forstabteilung. Dabei erfolgtedie Übertragung der in jeder Forstabteilung flächenmä-ßig vorherrschenden Bestandesgruppierung auf die ge-samte Abteilungsfläche (Aggregation). Dieses Szena-rio diente als Grundlage für Modellberechnungen an-derer Projektpartner, welche die wahrscheinliche Wir-kung der Umsetzung des Leitbildes z. B. auf den Landschaftswasserhaushalt, die Kohlenstoffbindung,die Emission klimarelevanter Spurengase, das Roh-holzaufkommen oder die faunistische Artendiversitätabschätzen (ENDE 2009). Als Kontrastszenario wurdeein Szenario „business as usual“ abgeleitet, das diebis 2006 in den Waldstrukturen angelegte Baumarten-verteilung zukünftig fortschreibt, ohne neue Waldum-baumaßnahmen einleiten zu müssen. Das Kontrast-szenario „business as usual“ dient dazu, den Einflussder veränderten Bewirtschaftung von anderen Faktoren(wie z. B. Klimawandel oder Konsequenzen der in denheutigen Waldstrukturen festgelegten Altersklassen-verteilung) abgrenzen zu können. Der mögliche Ein-fluss von Risikofaktoren wie Sturm, Schädlingskala-mitäten, Witterungsextremen oder Schadstoffeinträ-

gen konnte im Rahmen der Szenarienberechnung je-doch nicht berücksichtigt werden.

Derzeit dominieren auf zwei Dritteln der Waldfläche derModellregion Reinbestände und nur auf einem Drittelsind Bestände mit wenigstens zwei Baumarten an derWaldzusammensetzung beteiligt (Abb. 14). In dem nachdem Leitbild klimaplastischer Wälder optimierten Wald-entwicklungsszenario würde sich der Anteil der Rein-bestände bis zum Jahr 2040 auf 17 % und bis zumJahr 2100 auf weniger als 6 % reduzieren (Abb. 15).Im Jahr 2100 wären dann auf knapp der Hälfte derWaldfläche Bestände mit drei oder vier Baumarten aus-gebildet. Die Baumartendiversität würde auf den nähr-kräftigen und nährstoffreichen Standorten ihre höchs-ten Werte erreichen.

Dabei würde sich die Zahl der Baumarten, die einenFlächenanteil von mehr als einem Prozent an der Wald-fläche der Modellregion besitzen, bereits innerhalb we-niger Jahrzehnte verdoppeln (Tab. 3). Die Baumart Kie-fer würde auch in Zukunft den größten Flächenanteilin der Modellregion einnehmen, jedoch auf arme bismäßig nährstoffversorgte Standorte zurück gedrängtwerden. Die Fichte würde vollständig aus dem Gebietverschwinden, während das Spektrum der Nadelbaum-arten auf mäßig nährstoffversorgten und nährkräftigenStandorten vor allem um die Douglasie ergänzt wer-den könnte. Der Anteil der Buche würde sich von 2006bis 2100 verdoppeln, der Anteil der heimischen Eichen-arten sich knapp verdreifachen. Von den gebietsheimi-schen Baumarten, die derzeit einen Flächenanteil un-ter 1 % besitzen, würden vor allem die Hainbuche, aberauch die Linden (vorwiegend Winter-Linde), die Ahor-ne (Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, vereinzelt Feld-Ahorn)und die Wildobstarten (Vogel-Kirsche, Elsbeere, Wild-Birne, Wild-Apfel, Eberesche) deutlich zunehmen.

In dem nach dem Leitbild klimaplastischer Wälder opti-mierten Waldentwicklungsszenario würde bzw. würden• sich der Anteil der mit erheblichen ökologischen

Risiken und nachteiligen ökologischen Wirkungeneinhergehenden Nadelbaumreinbestände in derModellregion drastisch von derzeit 62 % auf nurnoch 1 % im Jahre 2100 verringern, während sichder Anteil der Laubbaumbestände von derzeit 15 %auf 43 % erhöhen würde (Abb. 16, 17).

• Nadelbäume eine wichtige ökonomische Säule derForstwirtschaft in der Region bleiben, die ökologi-sche Sicherheit des Nadelbaumanbaus jedochdurch gruppen- und horstweise Durchmischung vonNadel- und Laubbäumen erhöht werden. Dies wür-de sich in einer Zunahme der Nadelbaum-Laub-baum-Bestände von derzeit 23 % auf 56 % im Jahr2100 äußern.

• der Anteil der Lichtwälder (2006: 69 %; 2100: 15 %)in dem nach dem Leitbild klimaplastischer Wälderoptimierten Waldnutzungsszenario deutlich zuguns-ten von Halbschatt- und Schattwäldern (2006: 10 %;2100: 33 %) verringern. Gefördert würden vor allemMischungen aus Lichtbaumarten und Schattbaum-arten (2006: 21 %; 2100: 50 %), die einen beson-ders hohen waldbaulich-ökonomischen, aber auch

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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2 Erstellt unter Verwendung von Projektauszügen des DSW2 desLandesbetriebes Forst Brandenburg

Abb. 14: Aktuelle Baumartenvielfalt (Zahl der Baumartenpro Bestand) auf der Waldfläche der Modellregion Nord-ost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpommern(400.000 ha grundwasserferne Standortsbereiche dereingerichteten Holzbodenfläche). Räumliche Auflösung:Forstabteilung, jeweils vorherrschender Bestand der Abteilung.Quelle: Datenspeicher Wald Forstverwaltungen Bran-denburg und Mecklenburg-Vorpommern, Stichjahr 2006Legende: siehe S. 113 Abb. 15

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ökologischen Wert besitzen. Solche Mischungenerlauben eine optimale Ausnutzung der vorhande-nen Ressourcen, gewährleisten häufig eine ver-besserte Bodenpflege und können gezielt zur Wert-holzproduktion genutzt werden.

Die Ergebnisse der Szenarienrechnung belegen, dassdie durch die naturräumliche Ausstattung der Modell-region gegebenen Potenziale der Baumartendiversitätderzeit nur ungenügend genutzt werden. Die natürli-chen Diversitätspotenziale ermöglichen den Aufbau kli-maplastischer Waldbestände, die bei vergleichsweisegeringen ökologischen Risiken und vertretbaren Be-wirtschaftungsaufwänden auch in Zukunft forstlicheWertschöpfung durch nachhaltige Ressourcennutzunggewährleisten.

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Waldbauliche Maßnahmen zur Umsetzung desLeitbildes klimaplastischer Wälder

Die Entwicklung klimaplastischer Wirtschaftswäldernach natürlichen Konstruktionsprinzipien erfolgt, woimmer dies möglich erscheint, unter Nutzung und ge-zielter Förderung selbst organisierter Abläufe. Dabeisollte der Wirtschafter im Sinne des Konzeptes desklimaplastischen Waldes vor allem auf die Förderungflächenhafter Mischungsstrukturen (Trupps, Gruppen,Horste) orientieren. Solche Horizontalstrukturen sindspannungsarm, da interspezifische Konkurrenzeffek-te auf die Gruppenränder beschränkt werden, was ei-ner vorzeitigen Entmischung der Bestände vorge-beugt und Pflegeaufwände und Qualitätsverluste inGrenzen hält.

Abb. 15: Baumartenvielfalt (Zahl der Baumarten pro Bestand) im Jahr 2100 beiFortschreibung der heutigen Waldstrukturen („business as usual“, links) und ent-sprechend des nach dem Leitbild klimaplastischer Wälder optimierten Waldnut-zungsszenarios (rechts) auf der Waldfläche der NEWAL-NET-Modellregion Nord-ost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpommern 400.000 ha grundwasserfer-ne Standortsbereiche der eingerichteten Holzbodenfläche). Räumliche Auflösung:Forstabteilung, jeweils vorherrschender Bestand der Abteilung

Tabelle 3: Entwicklung der prozentualen Baumartenzusammensetzung auf den grundwasserfreien Waldstandorten derModellregion Nordost-Brandenburg / Südost-Mecklenburg-Vorpommern nach dem klimaplastisch optimierten Waldent-wicklungsszenario

Baumart 2006 2020 2040 2060 2080 2100

Kiefer 71,6 57,8 48,2 41,6 35,7 28,0

Fichte 3,3 2,6 2,1 1,1 0,2 0,0

Douglasie 0,5 2,1 3,0 3,6 4,4 5,8

Küsten-Tanne 0,0 0,2 0,3 0,5 0,8 1,0

Trauben-Eiche 2,1 3,5 5,9 8,4 9,9 8,9

Stiel-Eiche 2,1 2,3 2,7 2,9 2,8 2,5

Trauben-/Stiel-Eiche 0,8 1,5 1,8 1,8 1,7 1,7

Sand-Birke 1,6 2,1 2,1 1,8 1,6 1,2

Rot-Buche 13,0 17,8 20,0 21,3 22,9 26,2

Hainbuche 0,7 4,9 7,3 9,5 12,1 16,7

Linden 0,2 0,9 1,4 1,6 2,0 2,7

Ahorne 0,4 0,8 1,3 1,7 1,9 2,1

Wildobst 0,0 0,3 0,7 1,1 1,3 1,2

Sonstige < 1 % 3,6 3,3 3,2 3,0 2,6 2,1

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In Kiefernforsten auf ziemlich armen und armen bismäßig nährstoffversorgten Standorten, auf denen dieKiefer Hauptbaumart bleibt, können stabilitätsfördern-de Beimischungen von Laubbäumen wie Eiche, Birkeoder Eberesche häufig durch gezielte Förderung na-türlicher Sukzessionen erzielt werden. Eine besondersvielfältige Horizontalstruktur, nämlich eine in Truppsund Gruppen in Erscheinung tretende ungleichmäßigeVerteilung von Bäumen verschiedener Baumarten undverschiedenen Alters wird durch konsequente Anwen-dung der Gruppendurchforstung, vor allem in den jün-geren und mittelalten Beständen der Kiefer, erreicht.Die Gruppendurchforstung geht von der Beobachtungaus, dass Bäume mit guten oder schlechten Stamm-formen nicht gleichmäßig auf der Fläche verteilt sind,sondern häufig „geklumpt“ vorkommen. Werden Grup-pen vitaler Bestandesglieder nicht aufgelöst, sondernMattwüchsige in der Umgebung dieser Gruppen ent-fernt, so kann der homogene Reinbestand ohne Quali-tätsverluste in relativ kurzer Zeit in einen horst-, grup-pen- und truppweise ungleichaltrigen und gemischtenWald überführt werden (GREGER 1995). Dies würde jedoch eine Abkehr von heute weitgehend üblichenschematischen Durchforstungsstrategien bedeuten. So

führt eine übertrieben und großflächig angewandteAuslesedurchforstung durch die Entnahme der je-weils stärksten Bedränger der Auslesebäume zu ei-ner Monotonie gleichmäßig verteilter Z-Stämme, de-ren Schirmstellungen den Übergang zu einer vielfälti-gen Mosaikstruktur erschweren oder gar verhindern(GREGER 1995).

Die Strategie der Förderung flächenhafter Baumarten-mischungen sollte auch bei der Läuterung von Naturver-jüngungen konsequent angewandt werden. So berichte-ten uns Förster, dass sie in der Naturverjüngung von Bu-chenwäldern zunehmend auftretende gut veranlagteHainbuchen gruppen- und horstweise herausarbeiten(Abb. 18). Bei hohen Wilddichten muss dem selektivenVerbiss von Baumarten, wie der Hainbuche oder Winter-Linde durch Zäunungen vorgebeugt werden.

In Nadelbaumforsten mit hoher Naturferne, etwa aufden Moränenstandorten Nordbrandenburgs und Meck-lenburg-Vorpommerns mit mindestens mittlerer bis kräf-tiger Nährstoffversorgung, aber auch in ausgedehntenKiefernforstgebieten mit niedrigem natürlichen Rege-nerationspotenzial, werden Verfahren der künstlichen

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Abb. 16: Ökologische Bestandesstrukturtypen auf derWaldfläche der Modellregion Nordost-Brandenburg/Süd-ost-Mecklenburg-Vorpommern (400.000 ha grundwasser-ferne Standortsbereiche der eingerichteten Holzboden-fläche). Räumliche Auflösung: Forstabteilung, jeweilsvorherrschender Bestand der Abteilung.Quelle: Datenspeicher Wald Forstverwaltungen Branden-burg und Mecklenburg-Vorpommern, Stichjahr 2006

Abb. 17: Ökologische Bestandesstrukturtypen im Jahr 2100 bei Fortschreibung der heutigen Waldstrukturen (links)und entsprechend des klimaplastisch optimierten Waldnutzungsszenarios (rechts) auf der Holzbodenfläche derModellregion. Räumliche Auflösung: Forstabteilung, jeweils vorherrschender Bestand der Abteilung

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Verjüngung klimaplastischer Wälder unumgänglich sein.Flächenhafte Mischungen der Zielbaumarten könnendurch gezieltes Auspflanzen von Windwurflücken oderdurch mosaikartiges Einbringen der Zielbaumarten be-gründet werden. Dabei sollte die horizontale Verteilungder verschiedenen Baumarten keinesfalls schematischerfolgen, sondern auf der Grundlage einer hochauf-lösenden Standortserkundung (JENSSEN 2009b). Eine solche kleinräumige Standortserkundung kann häufigdurch den erfahrenen Forstmann über eine Ansprachevon Vegetation, Mikro- und Mesorelief und Boden selbstdurchgeführt werden. Aus der häufig sehr beträchtlichenkleinstandörtlichen Differenzierung werden die räumli-chen Muster der Baumartenzusammensetzung abgelei-tet. Auf diese Weise kann es gelingen, die verschiede-nen Baumarten entsprechend ihrer unterschiedlichenStandortsansprüche in kleinflächenweise getrenntenMischbeständen in Wechselwirkung zu bringen.

Von großer Bedeutung ist bei der künstlichen Verjün-gung klimaplastischer Wälder die bessere Nutzung dergenetischen Potenziale der Baumarten. Hierzu geeig-nete Maßnahmen wären verbesserte Verfahren derHerkunftssicherung, die Erhöhung der Anzahl der zu-gelassenen Saatgutbestände und die Einschränkungder Beerntung derselben Saatgutbestände in Folge-jahren (KONNERT und HOSIUS 2006).

Zusammenfassung

Unter Klimaplastizität verstehen wir die Fähigkeit ei-nes biologisch-ökologischen Systems zu einer dauer-haften Anpassung seiner Strukturen an einen Klima-wandel. Klimaplastizität auf der Ebene der Waldgesell-schaft wird vor allem durch interspezifische Konkur-renz zwischen den Baumarten erzeugt. Ein Waldbe-stand kann sich durch Veränderung der Mengenantei-le der Baumarten an das sich wandelnde Klima an-passen. Die Klimaplastizität eines Waldbestandes istdann besonders groß, wenn sich die ökologischenAmplituden der Baumarten unter dem aktuellen Klimaund den gegebenen kleinstandörtlichen Bedingungenüberlappen und eine Vergesellschaftung ermöglichen,jede für sich aber möglichst unterschiedliche Bereichemöglicher Klimaszenarien abdecken.

Der Aufbau klimaplastischer Wirtschaftswälder orien-tiert sich an natürlichen Konstruktionsprinzipien. Na-türliche Vorbilder sind vor allem Linden-Hainbuchen-Buchenwälder und Eichen-Buchenwälder, die sich heu-te in Fragmenten in einem Übergangsbereich zwischenatlantisch und kontinental getönten Klimaeinflüssen amSüdrand des baltischen Buchenwaldareals nachweisenlassen. Dieser Bereich erstreckt sich als Gürtel zwi-schen der Weichselmündung und dem Thüringer Be-cken und zieht sich quer durch Brandenburg. Die indiesem Bereich erhöhte Klimavariabilität führt zu ei-nem „hot spot“ natürlicher Baumartenvielfalt, die mitder Bodennährkraft zunimmt.

Die Klimaplastizität von gruppenweisen, truppweisenund einzelbaumweisen Mischungen aus Buche, Hain-

Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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buche, Winter-Linde und Spitz-Ahorn wurde durch den-droökologische Untersuchungen im klimatischen Über-gangsgebiet bestätigt. Starke Witterungsfluktuationenwie Trockenjahre und Trockenperioden, niederschlags-reiche Jahre und Perioden sowie Temperaturextremeführen zu teilweise ausgeprägt gegenläufigen Reaktio-nen des sekundären Dickenwachstums zwischen Po-pulationen der Rot-Buche (subozeanischer Verbrei-tungsschwerpunkt) einerseits und der Baumarten Hain-buche, Winter-Linde und Spitz-Ahorn (subkontinentalerVerbreitungsschwerpunkt) andererseits. Dieser Befundwird folgendermaßen interpretiert: Die physiologischenWachstumsreaktionen auf Witterungsfluktuationen sindfür nicht miteinander konkurrierende Baumarten gleich-sinnig, aber quantitativ unterschiedlich ausgeprägt. Dieinterspezifische Konkurrenz zwischen den Populatio-nen verschiedener Baumarten führt jedoch zu gegen-sinnigen Reaktionen (Unterschied zwischen unmittelba-rer und über die Waldgesellschaft vermittelter Wirkung),die bei lang anhaltenden Witterungstrends (Klimawan-del) zu einer Veränderung der Mengenanteile der ver-schiedenen Baumarten führen kann. Diese Reaktions-muster bilden die Grundlage der Klimaplastizität.

Die für das Modellgebiet Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklenburg-Vorpommern regionalisierten IPCC-Kli-maszenarien weisen für den Zeitraum bis 2100 einenmöglichen Klimatrend aus, der insbesondere subozea-nische und submediterrane Klimaelemente (zunehmen-de Wintermilde, zunehmende Winter- und Frühjahrs-feuchtigkeit, verlängerte Vegetationsperiode, Anspan-nung des sommerlichen Wasserhaushalts) stärken wür-de. Die zunehmende Sommertrockenheit würde unterdieser Annahme in selbst organisierter Waldentwicklungin weiten Teilen der Modellregion die heute im potenziel-len natürlichen Waldbild noch absolut dominierendeBaumart Rot-Buche zugunsten anderer Laubbaumar-ten, wie insbesondere der Trauben-Eiche, der Linden,der Hainbuche oder den Spitz-Ahornen, zurückdrängen.

Die erarbeiteten ökologischen Grundlagen des klima-plastischen Waldes wurden genutzt, um für die grund-wasserfernen Standortsbereiche der Waldfläche der

Abb. 18: Forstlich bewirtschafteter Hainbuchen-Buchen-Mischwald auf nährkräftigem Standort mit natürlicherVerjüngung im April (Revier Grumsin). Durch den zeiti-geren Blattaustrieb treten die Hainbuchen in der Verjün-gung deutlich gegenüber den Rot-Buchen hervor (Foto:M. JENSSEN)

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Modellregion Nordost-Brandenburg/Südost-Mecklen-burg-Vorpommern ein vereinfachendes Bewirtschaf-tungsmodell zu entwickeln, das dem Leitbild klima-plastischer Wälder entspricht. Es wurde für 400.000 haeingerichteter Holzbodenfläche im grundwasserfreienStandortsbereich des Modellgebietes ein möglichesklimaplastisch optimiertes Waldnutzungsszenario fürden Zeitraum 2006 bis 2100 abgeleitet. Die Ergeb-nisse der Szenarienrechnung belegen, dass die durchdie naturräumliche Ausstattung der Modellregion ge-gebenen Potenziale der Baumartendiversität derzeit nurungenügend genutzt werden. Die natürlichen Diversi-tätspotenziale erlauben den Aufbau klimaplastischerWaldbestände, die bei vergleichsweise geringen öko-logischen Risiken und vertretbaren Bewirtschaftungs-aufwänden auch in Zukunft forstliche Wertschöpfungdurch nachhaltige Ressourcennutzung erlauben.

Wichtige waldbauliche Maßnahmen zur Umsetzungdes Leitbildes klimaplastischer Wälder sind u. a. dieverstärkte Anwendung der Gruppendurchforstung, dieFörderung von gut veranlagten Gruppen und Horstender Zielbaumarten bei der Läuterung von Naturverjün-gungen, das gezielte Auspflanzen von Windwurflückenund die Begründung mosaikartiger Vor- und Unterbau-ten in großflächigen Kiefernbeständen. Durch Ausnut-zung der kleinräumigen Vielfalt der Standortsbedingun-gen können unterschiedliche Baumarten miteinanderin eine Wechselwirkung gebracht werden, die das öko-logische Gesamtrisiko auf der Ebene des Bestandes,des Betriebes und der Region erheblich senkt.

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Der klimaplastische Wald im Nordostdeutschen Tiefland – forstliche Anpassungsstrategie an einen zu erwartenden Klimawandel

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Einleitung

Die Integration natürlicher Störungsereignisse in wald-bauliche Steuerung und Planung ist ein neuer Ansatz imWaldökosystemmanagement und wird als ein Schlüs-sel gesehen, Wälder als elastische Ökosysteme zubewirtschaften.

Das im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch so be-zeichnete „Natural Disturbance-Based Management“(NDBM; DREVER et al. 2006) beruht auf dem Grund-prinzip, dass das in einer Waldlandschaft dominieren-de Störungsregime der Aufrechterhaltung der biologi-schen Vielfalt und der essentiellen Waldfunktionendient.

Die Kiefer (Pinus sylvestris) ist mit einem Flächenan-teil von ca. 80 % die wichtigste Baumart des LandesBrandenburg, wobei 80 % der Kiefern Reinbeständebilden (MÜLLER 2007). Die oft gering strukturiertenKiefernwälder in der nordostdeutschen Tiefebeneweisen eine hohe Disposition gegenüber dem Mas-senauftreten nadelfressender Kiefernschadinsektenauf (MÖLLER et al. 2007). Einschichtige Kiefernrein-bestände bieten einerseits ein üppiges Nahrungs-angebot für die Schadinsekten, andererseits ungün-stige Bedingungen für Schädlingsantagonisten. Ausdiesem Grund sind Kiefernreinbestände besondersempfindlich gegenüber biotischen Störungen, wie In-sektenattacken, die HUNTER (2001) als „low killing po-wer“ bezeichnet. Die Folge können großflächige Be-standesverluste sein.

Auf der anderen Seite sind die nordostdeutschen Kie-fernwälder vergleichsweise robust gegenüber abioti-schen Störungsereignissen, wie Sturm oder Trocken-heit. Schneeschäden haben eine untergeordnete Be-deutung. Allerdings wird hier die Anfälligkeit der Kiefergegenüber den möglichen Klimaszenarien kontroversbeurteilt (KÖLLING und ZIMMERMANN 2007).

Im vorliegenden Beitrag wird zunächst auf Begriffe undzentrale Inhalte des „Natural Disturbance-Based Ma-nagement“ (NDBM), also den Waldbau unter Berück-sichtigung von Störungsereignissen, eingegangen. AmBeispiel der vorherrschenden Störungsmuster der kie-ferndominierten Wälder in den Tieflagen Nordost-deutschlands werden Möglichkeiten aufgezeigt, diesein einen naturnahen, an ökologischen Prozessen orien-tierten Waldbau zu integrieren.

Begriffe

Natürliches Störungsereignis und Störungsregime

Unter einem natürlichen Störungsereignis („natural disturbance“) versteht man jegliches Ereignis wie z. B.Feuer, Wind, Krankheiten, Insekten, Eisanhang, Über-schwemmung oder Erdrutsche, welches die Vegeta-tionsstruktur ganz oder teilweise zerstört. Es wird zwi-schen bestandesersetzenden (stand-replacing distur-bances) und bestandeserhaltenden (stand-maintainingdisturbances) Störungen unterschieden (DREVER et al.2006). Bei ersteren wird die ursprüngliche Vegetationdurch z. B. Feuer oder Erdrutsch zerstört und danndurch eine andere/neue Vegetation ersetzt. Bei letzte-rer wird lediglich der Unterstand durch z. B. Feuer zer-stört; dadurch wird verhindert, dass diese Bäume die-jenigen im Oberstand verdrängen. Natürliche Störun-gen können je nach Störungstyp, Frequenz, Intensität,räumlichem Muster und je nach ihrer „Hinterlassen-schaft“ (legacy) sehr stark variieren. Ein (natürliches)Störungsregime kann durch folgende Parameter cha-rakterisiert werden:

1) Wiederkehr-Intervall oder Frequenz (d. h. die durch-schnittliche Zeit zwischen zwei Ereignissen),

2) Intensität (diese wird quantifiziert durch die Vege-tationsmenge, die vernichtet wurde),

3) Räumliches Muster der Störung und4) Dauer (d. h. die Zeitspanne, innerhalb derer ein Er-

eignis vorkommt).

Elastizität / Resilienz von Waldökosystemen

Ökologische Elastizität ist „…die Kapazität eines Öko-systems, die Folgen von Störungsereignissen zu kom-pensieren und sich dabei zu verändern, ohne essentiel-le Funktionen, Strukturen, seine Identität sowie Wech-selbeziehungen zu verlieren.“ (WALKER et al. 2004).Oder anders formuliert: Ökologische Resilienz ist dieWahrscheinlichkeit, dass ein gegebener Ökosystem-zustand über eine bestimmte Zeitspanne bestehenbleibt. Ökologische Resilienz kann als synonym mitdem Begriff der „adaptive capacity“ gesehen werden,also der Fähigkeit eines Ökosystems, sich zu rekonfi-gurieren, ohne kritische Verluste an Produktivität oderArtenvielfalt zu erfahren. Innerhalb bestimmter Grenzeneines Gleichgewichtszustandes können Ökosystem-Attribute selbstverständlich fluktuieren. Dies bedeutetjedoch auch, dass diese Ökosysteme irgendwann in

Integration natürlicher Störungen in den Waldbau – ein Schlüssel für die Schaffung resilienter Waldökosysteme?

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Integration natürlicher Störungen inden Waldbau – ein Schlüssel für dieSchaffung resilienter Waldökosysteme?PETER SPATHELF UND ANDREAS BOLTE

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einen anderen Gleichgewichtszustand gelangen kön-nen. So stellt sich z. B. die Frage, wann baumbe-stimmte Vegetationsformen auf Grund starker undhäufiger Störungen (z. B. Feuer) in Grassland überge-hen, also einen anderen Zustand annehmen.

Es ist inzwischen vielfach dokumentiert (z. B. jüngst inKNOKE et al. 2008), dass heterogene Systeme, wiestrukturierte Mischwälder, stabiler und leistungsfähigersein können als uniforme Systeme, z. B. aus einzelnen,annuellen landwirtschaftlichen Pflanzen. Dies hängt vorallem damit zusammen, dass die Leistung (z. B. gemes-sen in Produktivität) eines Ökosystems sehr stark korre-liert mit dem Vorhandensein von Arten der verschiede-nen funktionellen Gruppen (Primärproduzenten, Pollen-spender und Destruenten). Die Beständigkeit von ökolo-gischen Funktionen wiederum hängt sehr stark von derDiversität der Reaktion („response“) verschiedener Ar-ten auf veränderte Umweltbedingungen ab.

Am Beispiel des waldwachstumskundlichen VersuchesSchongau 814 (PRETZSCH 2003) wird deutlich, wieBaumarten mit unterschiedlichen Reaktionsmustern aufStressoren oder Störungsfaktoren reagieren. In Misch-beständen aus Buche und Fichte können Wachstums-rückgänge bei einer Baumart (hier Fichte nach demTrockenjahr 1976) durch „normales“ Wachstum bei Bu-che ausgeglichen werden. Auch bei starken Dichte-Reduktionen sind die Einbußen bei Mischbeständengeringer als in den Reinbeständen aus den jeweiligenBaumarten.

Variabilität von Störungsregimen – Veränderungim Zeitalter von Climate Change

Das vorherrschende Störungsregime in einer Waldre-gion ändert sich je nach Biom. So ist beispielsweise derboreale Nadelwald durch meist großflächige Störungs-ereignisse, hervorgerufen durch Sturm, Schneebruch,Insektenkalamitäten und Waldbrand gekennzeichnet(vgl. Beispiel in Box 1). Das wichtigste Störungsereig-nis ist Feuer, mit Wiederkehrzeiten von 50 bis 150Jahren je nach Region.

Integration natürlicher Störungen in den Waldbau – ein Schlüssel für die Schaffung resilienter Waldökosysteme?

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In Abb. 1 sind die Störungsregime, die für den kanadi-schen Bundesstaat British Columbia identifiziert wur-den, dargestellt. Der Parameter zur Differenzierung zwi-schen verschiedenen Störungsmustern ist die Wieder-kehr von Störungsereignissen.

Der Klimawandel führt schon heute sichtbar zu einerVeränderung des Störungsregimes in verschiedenen

Abb. 1: Großflächig absterbende Kiefernwälder in British Columbia aufgrund von Dendroctonus pondero-sae (Foto: L. MACLAUCHLAN, BC Ministry of Forests)

Abb. 2: Störungsmuster im kana-dischen Bundesstaat British Columbia (NDT = Natural distur-bance; 1-5 aufsteigende Frequenzvon Bestandeserneuerungs-Ereignissen)

Box 1: Großräumige Störungsregime in (borealen) WäldernNordamerikas

Das Insekt Dendroctonus ponderosae hat im kanadischen Bun-desstaat British Columbia seit 2003 auf über 4 Millionen ha zu einerhohen Mortalitätsrate in Kiefernwäldern geführt. Gründe dafür sind

• höhere Wintertemperaturen in mehreren aufeinander folgen-den Jahren (dadurch wurde die Mortalität der überwinterndenInsekten verringert) sowie

• eine deutliche Erhöhung der Fläche reifer Kiefernwälder unddamit der ökologischen Nische für die Vermehrung der Käferals einer Folge der Unterdrückung der Feuer.

Als Folge dieses Störungsregimes könnte ein „resetting“ der ge-samten Landschaft mit einer Kollaps-Phase stehen, da die Wahr-scheinlichkeit von großen zerstörerischen Feuern aufgrund derstarken Zunahme von Totholz sehr wahrscheinlich wird.

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Waldgebieten der Erde. So hat der beobachtete Trendhin zu deutlich wärmeren und trockeneren Standorts-bedingungen bereits zu einer beträchtlichen Zunahmevon Störungsereignissen in den Wäldern Europas ge-führt (EEA 2004; IPCC 2007). Erste ernsthafte Anzei-chen dafür sind die zunehmenden intensiven Trocken-phasen z. B. in 1992 und 1995 oder die extreme Tro-ckenheit und Hitze in 2003, die zu einer deutlichen Vi-talitätsschwächung (z. B. ausgedrückt durch starke Ein-brüche in der Jahrringbreite, siehe Abb. 3) und zu er-heblichen Produktivitätsverlusten in den Wäldern Zen-traleuropas geführt haben (CIAIS et al. 2005).

Die Häufung von Sturmereignissen in den vergangenenJahren verursachten zudem hohe Verluste an Holz-vorräten, siehe Abb. 4 (DOBBERTIN und DE VRIES 2008).Die meist großflächigen Störungsereignisse (wie z. B.die Orkane „Lothar“ 1999 und „Kyrill“ 2007) ließen al-lein in Deutschland Hunderttausende von Hektar Kahl-flächen entstehen (Abb. 5).

Die bereits zu beobachtende Erwärmung der Erdat-mosphäre hat schließlich erhebliche Auswirkungen aufdas Vorkommen von biotischen Schadorganismen, wiez. B. dem Buchdrucker, vor allem auch in Regionenmit größeren Sturmschäden. Diese vermehrt auftre-tenden Störungsereignisse stellen ein erhebliches Ri-

siko für die zukünftige Waldbewirtschaftung und Forst-planung dar.

Nachahmung von natürlichen Störungsereig-nissen – ein waldbaulicher Paradigmenwechsel?

Bevor auf waldbauliche Möglichkeiten zur Integrationvon natürlichen Störungsereignissen eingegangen wird,soll zunächst das Konzept des „adaptive cycle“ vorge-stellt werden (vgl. Abb. 6).

Das bestimmende Konzept bei der Entwicklung vonPflanzengemeinschaften, die Sukzession, beschreibtden Übergang von Freiflächenbesiedelung („exploita-tion“) zur Akkumulation und Speicherung von Biomas-se („conservation“). Im Kreislauf der Naturwalddyna-mik werden zwei weitere Phasen beschrieben, die Be-standesauflösung („release“)‘ und die Bestandeserneu-erung („renewal“). Letztere Phasen beschreiben denProzess der Reorganisation und Selbsterneuerung vonPflanzengemeinschaften. Im „adaptive cycle“ (DREVER

et al. 2006) wechseln sich also längere Phasen derAggregation mit kürzeren der Erneuerung ab (sieheauch Abb. 7 a, b).

SMITH (1962) definierte Waldbau als Nachahmungvon Natur / natürlichen Prozessen („…imitation of na-

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Abb. 3: Verlauf des mittleren Ra-dialzuwachses bei der BaumartBuche auf Level-II Flächen inSchleswig-Holstein. Deutlichsind so genannte negative Wei-serjahre in den Jahren 1976 so-wie zunehmend in der Zeit nach1990 festzustellen (1992, 1996,2004). Aus: BOLTE und IBISCH

(2008)

Abb. 4: Schadholzvolumen auf Grund von Sturmwürfenin Europa seit 1850 (nach DOBBERTIN und DE VRIES 2008)

Abb. 5: Kahlflächen nach Orkan „Lothar im Bereich Gen-genbach (Schwarzwald) (Foto: P. SPATHELF)

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ture, i.e. the improvement upon and limitation of natu-ral processes of forest growth“). NDBM (siehe oben)verwendet Planungsansätze und Waldbautechniken,die folgende natürliche Störungsereignisse nachah-men:

• großflächige Sukzessionsdynamik nach bestan-desersetzenden Störungen, z. B. infolge schwererStürme;

• Kohortendynamik nach partiellen Störungen (z. B.durch Mortalität nach Befall durch Sekundärschäd-linge) und

• kleinflächige Lückendynamik (gap dynamics), dieauf kleinräumige Störungsereignisse, z. B. Schnee-bruch, einzelne durch Trockenheit abgängige Bäu-me usw., folgen.

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NDBM heißt demnach, die Vielfalt der waldbaulichenVerjüngungsformen zu nutzen. BestandesersetzendeStörungen können durch Kleinkahlschlag oder Saum-schlag nachgeahmt werden, eine Kohortendynamikdurch Femel- bzw. Schirmschlag (oder kombinierteVerfahren). Eine kleinflächige Lückendynamik kannam ehesten durch eine femelschlagartige oder ein-zelbaumweise Nutzung herbeigeführt werden (vgl.Box 2).

Bei der Implementierung von NDBM ist zu beachten,dass zwischen Landschafts- und Bestandesebene un-terschieden wird. Es ist unbedingt zu vermeiden, dassauf großer Fläche ein und dasselbe Waldbausystemangewandt wird, da dies zu einer starken Homogeni-sierung der Waldstrukturen führt. Die deutsche Wald-

Abb. 6: „adaptive cycle“ mit vierverschiedenen Phasen (DREVER

et al. 2006): growth/exploitation(r) = Wachstum; conservation (K) = Akkumulation/Speicherung;release (omega) = Zusammen-bruch/Freistellung; reorganiza-tion/renewal (alpha) = Reorgani-sation

Abb. 7 a, b: K Phase (li) und Ω Phase (re,) im Modell des „adaptive cycle“ am Beispiel von Buchenbeständen inSüdosteuropa (Foto links: P. SPATHELF, Foto rechts: P. MANN)

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Box 3: Störungsfaktoren in Kiefernbeständen Norddeutsch-lands

WaldbrandVergraste Bestände sowie große Mengen von brennbarem Mate-rial führen dazu, dass in trockenen Jahren, insbesondere in jun-gen dicht bestockten Kiefernbeständen, eine sehr große Wald-brandgefahr herrscht. Mit einem Anteil von 30 % an den gesam-ten Waldbränden in Deutschland ist Brandenburg das Gebiet mitdem höchsten Risiko. Brandauslöser sind in > 90 % der Fälle je-doch Menschen. Zwischen 1992 und 2005 wurden in Branden-burg jährlich 514 Brände registriert mit Brandflächen von 267 ha.Neben der Bildung von Kahlflächen unterschiedlicher Größe mitentsprechenden Freiflächen-Mikroklimata führen die Brände zuerhöhter Mineralisierung der organischen Substanz und zu Humus-verlusten.

Abb. 9: Wiederbesiedlung einer Brandfläche in derOberförsterei Hammer (Brandenburg) (Foto: T. NESS)

WindwurfVon so genannten Jahrhundertstürmen abgesehen, haben Stur-mereignisse in Kiefernbeständen eine strukturierende Wirkung imBereich der Kleinflächen- und Lückendynamik. Insgesamt bestehtin Kiefernbeständen auf Grund der besseren Verankerung derKie-fernwurzel im Boden (Ausbildung eines charakteristischen pfahlarti-gen Grobwurzelsystems) jedoch ein geringeres Sturmwurfrisikoals in Fichtenbeständen.

Biotische StörungenGrosse Teile der Kiefernbestände in Norddeutschland sind starkgefährdet durch eine Reihe von Kiefern-Großschädlingen (insbe-sondere nadelfressende Schmetterlingsarten). Darüber hinaus

baugeschichte ist reich an Beispielen, wo einzelneSysteme aus unterschiedlicher Motivation auf derEbene von ganzen Ländern verbindlich vorgeschrie-ben wurden (z. B. Blendersaumschlag in Württem-berg oder Keilschirmschlag in Baden in der 1. Hälftedes 20. Jh.). Entscheidender Faktor auf Bestandes-ebene ist die Förderung / Erhaltung von (Baum)arten,die einen positiven Nachbarschaftseffekt ausüben,wie z. B. Beschattung, Samenfall, Stockausschlag.Daneben gilt es, so genannte „key structural lega-cies“ zu erhalten, also Requisiten, wie Totholz, Sa-menbäume, Jungwuchs. Diese sind zur Aufrechter-haltung von langfristig stabilen Ökosystemzuständenvon großer Bedeutung.

Die Hinwendung zu Programmen des naturnahenWaldbaus in vielen Regionen Mitteleuropas hat dies-bezüglich jedoch zu einer Verengung des Spektrumsder waldbaulichen Verjüngungsformen geführt. Sowurden kleinflächige, eher einzelbaumweise Erneuer-ungsstrategien, und die Bildung spätsukzessionalerWälder deutlich zu Lasten der frühsukzessionalenBaumarten und der damit verbundenen flächenhaftenVerjüngungsformen präferiert (LÜPKE 2004). Die stär-kere Einbindung von Baumarten der Pionier- und Zwi-schenwaldgesellschaften durch Nutzung von kurzfris-tigeren Verjüngungsverfahren stellt zwar kein Paradig-menwechsel, jedoch eine gewisse Kurskorrektur imnaturnahen Waldbau dar.

Natürliche Störungsereignisse in Kiefernbestän-den Norddeutschland und ihre Integration in waldbauliche Maßnahmen

Natürliche Entwicklungsdynamik

Ausgangspunkt bei der natürlichen Dynamik von Kie-fernwäldern Norddeutschlands ist das Vorherrschenvon überdicht ankommender Verjüngung, meist „auseinem Guss“. Dies bedeutet, dass i. d. R. keine verti-kalen und horizontalen Strukturansätze in diesen Kie-fernbeständen gegeben sind, es sei denn, in kleinerenLöchern oder Störungslücken bilden sich stärker zeit-lich gestreckte Teilverjüngungen (OTTO 2002). Die wich-tigsten Störungsfaktoren in den Kiefernwäldern Nord-deutschlands bilden • Waldbrand,• Windwurf und • Biotische Störungen(vgl. Box 3).

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Box 2: Kleinräumige Störungsregime in Wäldern der gemä-ßigten Zone Mitteleuropas

Kleinflächige Bestandesöffnungen, hervorgerufen durch Schnee-bruch, Sekundärschädlinge, wie rindenbrütende Borkenkäfer,oder das Absterben einzelner Bäume, wie z. B. durch Blitzschlag,bilden das Grundmuster des Störungsregimes in den WäldernDeutschlands. Je nach Größe der Bestandesöffnung ermöglichtdies die Walderneuerung mit Baumarten unterschiedlicher Schat-tentoleranz bzw. sukzessionaler Stellung.

Die am besten geeignete waldbauliche Verjüngungsform zur Imi-tation dieses Störungsregimes (gap dynamics) ist der Femel- bzw.Lochhieb.

Abb. 8: Femellücke (gap dynamics) im Buchenwaldim Solling (Foto: A. BOLTE)

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In der Streckungsphase von Kiefernjungbeständen ge-hen anfänglich vorhandene Höhenunterschiede wie-der verloren, soziale Differenzierungsprozesse werdenausnivelliert. Im Laufe der Bestandesentwicklung alsFolge des Dichtschlusses bilden sich homogene struk-turarme Bestände heraus (OTTO 2002).

Neben den kleinen Gebieten mit natürlichen Kiefern-vorkommen (vor allem im subkontinentalen SüdostenBrandenburgs, auf nährstoffarmen, trocken-warmenStandorten), stellen Kiefernwälder in Norddeutschlandauf dem Weg zu Klimaxgesellschaften, die von Schatt-baumarten geprägt sind, sukzessionale Zwischenstel-lungen dar (so genannte Kiefern-Forstgesellschaften).

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Die wichtigsten Baumarten, die in diese Pioniergesell-schaften einwandern, sind die Buche und andere stand-ortsheimische Laubbaumarten, wie Eichen, Linden undEberesche. Auf Grund der großen Konkurrenzkraft derLaubbäume kommt es zu einem Verdrängungsprozess,wobei die Kiefern meist überwachsen werden und derKiefernbestand sich auflöst bzw. untergeht. Nur in we-nigen natürlichen Waldformationen mit Beteiligung vonLaubbäumen gelingt es der Kiefer, sich im Herrschen-den zu halten, so z. B. in Eichen-Trockenwäldern mitgeringer Wuchsleistung oder – noch seltener – in matt-wüchsigen Buchenwäldern auf nährstoffarmen bzw.verhagerten Standorten (HOFMANN 2007).

Nachahmung von Störungsereignissen

Ein wichtiger Bereich dazu ist die Strukturförderung. Sokönnen im Wege der Mischwuchsregulierung lichtbedürf-tige Baumarten durch flächenhafte Mischung in einemGrundbestand aus konkurrenzkräftigen Schattbaumar-ten gesichert werden (horizontale Strukturierung).

Die Auswahl von Z-Bäumen und deren konsequenteFörderung auch bei unregelmäßigen Abständen führtzu einer Durchmesser-Differenzierung im Bestand(schnell dick werdende Z-Bäume, Füllbestand mit ge-ringerem d-Wachstum) und bei Zieldurchmessererntezu einer vorzeitigen Ernte von durchmesserstarken In-dividuen. Die dabei entstehenden Lücken können füreine Bestandesverjüngung genutzt werden. Entspre-chende Lücken entstehen auch, wenn Bäume als Über-hälter belassen werden und stehend absterben.

Generell führen langfristige Verjüngungsverfahren zueiner Strukturierung des Nachfolgebestandes, vor al-lem hinsichtlich des Alters und des Durchmessers. Be-

sind pilzliche Erreger, wie Heterobasidion annosum (Wurzel-schwamm) verantwortlich für wirtschaftliche relevante Schädenan Kiefern. Die Folgen dieser biotischen Schädlinge sind meistlücken- bis kleinflächige Störungsmuster. Je stärker die Laubholz-beteiligung und je fragmentierter die Kiefernwaldkomplexe, umsokleinflächiger sind die Störungen der Bestandesstruktur.

Abb. 11 a, b: Strukturierte Kiefernnaturverjüngung in der Oberförsterei Zehdenick, Brandenburg (Fotos: P. SPATHELF)

Abb. 10: Kahlfraß durch Kiefernspinner (Foto: C. MAJUNKE)

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sonders gut geeignet für zahlreiche Baumarten ist dasFemelschlagverfahren. Zu beachten ist dabei, dass zurEtablierung von lichtbedürftigen Baumarten ggf. grö-ßere Bestandesöffnungen vorgenommen werdenmüssten (Abb. 11 a, b).

Grundsätzliche Möglichkeiten der Imitation von natür-lichen Störungsereignissen durch waldbauliche Verjün-gungsverfahren in Kiefernbeständen sind in Abb. 12dargestellt. In Kiefernbeständen spielen insbesondereKleinkahlschlag und Schirmschlag eine Rolle, bei de-nen mittlere Störungsereignisse nachgeahmt werden.Versuche, Kiefernwälder kleinflächig zu bewirtschaften,gab es durchaus in der Vergangenheit, so z. B. im We-ge von Kulissenschlägen und Lochhieben. Es sei je-doch darauf hingewiesen, dass sich eine großflächigeDauerwaldwirtschaft in den Kiefernrevieren nicht durch-gesetzt hatte (vgl. MILNIK 2007). Dennoch zeigen einigeBeispiele (Graf von Bernstorff'scher Betrieb in Gartow,Niedersachsen), wie durch kontinuierliche Qualitäts-auslese und langfristige Naturverjüngung zumindestzweischichtige strukturierte Kiefernmischbestände mitökonomischem Erfolg bewirtschaftet werden können.

Ausblick

Es ist offenkundig, dass angesichts des Klimawandelsin Zukunft vermehrt mit Störungsereignissen in derWaldwirtschaft gerechnet werden muss (BOLTE et al.2009). Der Waldbau kann dazu beitragen, die Optionenzur Schaffung resilienter Bestände in größerem Um-fang zu nutzen, indem die unterschiedlichen Störungs-muster bewusst imitiert werden. Störungen sind somitweniger als „Katastrophe“, sondern als integraler Be-standteil für die Waldentwicklung und damit als Chancezu sehen. Bei einer genauen Betrachtung der Program-me der naturnahen Waldwirtschaft deutet sich zudeman, dass eine Verengung des Begriffs auf die einzel-baumweise Bewirtschaftung von durch Klimaxbaumar-ten dominierten Beständen (möglichst im Dauerwald)nicht zwingend zu klimastabileren Wäldern führt.

Daher sollte für eine Optionenvielfalt bei den Bewirt-schaftungsformen plädiert werden. Es gilt, die Kom-plexität des Ökosystems Wald zu fördern bzw. auf-recht zu erhalten (Abb. 13, vgl. PÜTTMANN et al. 2008„managing for complexity…“).

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Abb. 12: Imitation des natürlichen Störungsregimes anhand waldbaulicher Verjüngungsverfahren mit Beispielen ausKiefernbeständen Norddeutschlands (Foto: P. SPATHELF)

Abb. 13: „Managing for complexi-ty“ (nach PUETTMANN

et al. 2008, verändert)

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Eine so verstandene naturnahe Waldwirtschaft decktsomit eine größere Breite im Spannungsfeld der Para-meter Bewirtschaftungsintensität und Heterogenität abals beispielsweise eine Plenterwald-Bewirtschaftung.

Literatur

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Einleitung

Waldversicherungen, die Sturmrisiken decken, sindzumindest in Europa vergleichsweise (z. B. zu Bran-drisikoversicherungen) neu. Dies ist teilweise auf dierecht hohen Anteile an Staatswald, vor allem jedoch aufstaatliche Hilfen für Privatwaldbesitzer bei großenSturmereignissen zurückzuführen. Während ersteresdie potenziell zu versichernde Fläche deutlich redu-ziert (in Europa um ca. 90 %, in Deutschland um ca.30 %; FAO 2005), verhindert letzteres oft eine privatwirt-schaftliche Lösung. Zunehmende Privatisierung undGewinnorientierung in der Forstwirtschaft sowie derReduktion staatlicher Hilfen lassen die Nachfrage nachSturmversicherungen jedoch steigen. Auch die star-ken Sturmereignisse der letzten 10 Jahre dürften zueiner erhöhten Nachfrage bei Sturmversicherungenbeigetragen haben. Obwohl dies aus der Sicht derErst- und Rückversicherer grundsätzlich begrüßt wird,stehen beide vor dem Problem der Risikoanalyse und-bewertung. Für sie stellt sich die Frage: Sind Wald-schäden durch Sturm kalkulierbar und wie groß werdendie Waldschäden durch Sturmereignisse künftig sein?

Die größten Waldschäden in Europa werden durch dieWinterstürme und Orkane verursacht. Auch wenn de-ren Wiederkehrperiode mit Hilfe statistischer Modellegeschätzt werden kann, variiert die Schad-Intensitätzwischen einzelnen Stürmen sehr stark. Des Weiterensind Vorhersagen zu dem Ausmaß von Winterstür-men sowie deren Zugbahn und Windfeld äußerstschwierig. Zu diesem physikalischen Faktorenkomplexkommt ein zweiter Faktorenkomplex, das zu versi-chernde Waldökosystem, hinzu. Waldökosysteme un-terscheiden sich in zahlreichen Faktoren wie z. B.Standort, Artenzusammensetzung, Alter und Struktur.Die räumliche Verteilung von Waldschäden durchSturm ist deshalb nicht nur vom lokalen Verlauf undder Variabilität des Sturmes abhängig, sondern gleich-ermaßen von der räumlichen Verteilung unterschied-lichster Waldstrukturen und -eigenschaften sowie de-ren Interaktionen mit Sturmeigenschaften. Dies machtdie Einschätzung von Windwurfrisiken oder gar dieEinschätzung von Schadenssummen zu einer Her-ausforderung für die Versicherungsbranche.

Analyse schwedischer Waldversicherer hinsicht-lich Risikomanagement und Erarbeitung einesqualitativen Risikoindex für Windwurf in Schweden

Rückversicherer, wie die Münchener Rück, die auchWaldversicherungsportfolios schwedischer Erstversi-cherer rückversichern, betreiben eine professionelle Ri-sikoanalyse Ihrer Portfolios. Dies dient nicht nur dem ei-genen Risikomanagement sondern stellt auch einenService für die Klienten (Erstversicherer) dar. Auf Grundder hohen (Wald)Schäden durch Sturm „Gudrun“ imJahr 2005 wurde im Rahmen einer Studie (SCHMIDT, un-veröffentlicht) eine Analyse schwedischer Waldversiche-rer und ihrer Policen sowie eine qualitativ-räumlicheAnalyse des Windwurfrisikos in Schweden durchgeführt.

Methodik

Die Analyse der schwedischen Waldversicherer basiertauf einer Untersuchung der Versicherungspolicen so-wie auf Interviews mit einer Reihe schwedischer Wald-versicherer.

Die qualitativ-räumliche Analyse des Windwurfrisikosgreift auf die Methodik des Expertenmodells nachROTTMANN (1986) zurück. Die Erstellung eines empiri-schen oder mechanistischen Modells wurde aus zeit-lichen Gründen nicht in Betracht gezogen. Auf der Ba-sis einer umfassenden Literaturrecherche wurde zu-nächst eine Liste der Faktoren/Variablen erstellt, diemaßgeblich das Windwurf/-bruch Risiko beeinflussen.Auf Grundlage der Recherche wurde eine Liste derVariablen erstellt und hinsichtlich ihrer Relevanz undVerfügbarkeit gutachterlich bewertet und überprüft.Zur Integration der Variablen in eine GIS-gestützte Ri-sikoklassifikation wurden die Variablen parametrisiert.Dabei wurden die Variablen in verschiedene (Risiko-)Klassen eingeteilt, die ähnlich ROTTMANN gutachtlicherfolgte. Es findet jedoch keine Gewichtung statt. DasGesamtrisiko wurde durch Addition der parametrisier-ten Variablen errechnet. Durch die Integration in einGIS bekommt die Klassifizierung einen räumlichen Be-zug. Das Ergebnis ist ein qualitativer, räumlich darge-stellter Sturmrisiko-Index, der als erster Indikator fürdie Einschätzung des Windwurfrisikos verwendet wer-den kann und Anstöße für eine genauere und umfas-sendere Risikoklassifizierung geben soll.

Risikomanagement in der Versiche-rungsbranche – Windwurfversiche-rungen in Schweden und Vorschlägefür einen qualitativen RisikoindexLARS SCHMIDT

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Resultate

Die Situation und das Risikomanagement schwedischerErstversicherern hinsichtlich Waldschäden durch Wind-wurf/-bruch

Viele schwedische Erstversicherer bieten beispiels-weise Landwirten Waldversicherungen (sowohl Brand-als auch Windwurf/-bruch) nur im Rahmen eines Ge-samtversicherungspakets an, welches zusätzlichVersicherungen für landwirtschaftliche Ernteausfälleund Gebäudeversicherungen, beinhaltet. Nach eige-nen Angaben betrachten viele schwedische Erstversi-cherer die Waldversicherungssparte als Service für ih-re Kunden, insbesondere viele kleine und mittelgroßeLandwirte, die im Besitz kleinerer Waldgebiete sind,an. Dementsprechend ist die Waldversicherung keinebesonders lukrative Sparte, sondern ein add-on zuden lukrativeren Landwirtschafts- und Grundstücks-versicherungen. Waldversicherungen für große Privat-waldbesitzer und große Forstbetriebe gibt es ebenfalls(zu anderen Konditionen), sie bilden jedoch eine Aus-nahme.

Waldschäden durch Sturm haben in Schweden in denletzten Jahren zugenommen und die Rentabilität desWaldversicherungsgeschäftes bei schwedischen Erst-versicherern ist in Frage gestellt. Auslöser dafür warenin erster Linie der Wintersturm „Gudrun“ (Januar 2005)und Wintersturm „Peer“ (Januar 2007), die je 75 und12 Millionen m3 Holz durch Sturmwurf und -bruch ver-ursachten. Bei diversen schwedischen Erstversiche-rern führte insbesondere Sturm „Gudrun“ zu ungewöhn-lich hohen „loss ratios“, d. h. die Versicherungsleistun-gen im Jahr 2005 im Bereich Windwurf/-bruch über-stiegen die Einnahmen (in 2005) in dieser Sparte umdas bis zu 16-fache. Dies führte nach Sturm „Gudrun“zu einer Überarbeitung der Windwurf/-bruch Policen.So wurden vor allem die Haftungslimite pro ha begrenzt,um die Schäden bei großen Schadensereignissen wie„Gudrun“ im Rahmen zu halten und die Prämien wur-den teilweise mehr als verdoppelt.

Aus Kapazitätsgründen leisten sich nicht alle schwedi-schen Erstversicherer eine Risikoanalyse ihrer Wald-versicherungssparte. Oft werden Prämien nur grob nachgeographischer Lage differenziert, welche als indirek-ter Indikator für die historische Häufigkeit und Intensitätvon Sturmereignissen dient. Eine systematische Be-rechnung der Prämie auf Grund von z. B. Bestandes-und Standortsfaktoren erfolgt in den meisten Fällennicht.

Die großen Waldschäden, verursacht durch Sturm„Gudrun“, sind für die Schadensstatistik der schwedi-schen Erstversicherer ein „Ausreißer“. Betrachtet manden Zeitraum 1995 bis 2007 und ignoriert die versi-cherten Waldschäden durch Sturm „Gudrun“, so ergibtsich z. B. für einen großen schwedischen Waldversi-cherer für diesen Zeitraum ein durchschnittlicher„loss-ratio“ von 53 %, d. h., die Waldversicherungsspar-te wäre ohne die durch Sturm „Gudrun“ verursachtenSchäden profitabel geblieben.

Eine zentrale Frage, welche die schwedische Forst-und Versicherungswirtschaft hinsichtlich Sturmschä-den beschäftigt, ist die wahrscheinliche Rückkehrpe-riode für ein Sturmereignis von den Ausmaßen „Gu-druns“. Eine von schwedischen Erstversicherern in Auf-trag gegebene Studie, basierend u. a. auf der Analysehistorischer Schadereignisse und Windgeschwindigkei-ten, kommt zu dem Ergebnis, dass ein Schadenereig-nis vergleichbar mit Sturm „Gudrun“ mit einer Wieder-kehrperiode von 93 Jahren als „Jahrhundertereignis“eingestuft werden kann. Nach SCHMIDT (unveröffent-licht) ist diese Einschätzung jedoch kritisch zu hinter-fragen. So wurde z. B. der potentiellen Klimaverände-rung nicht Rechnung getragen. Mehrere Studien kom-men zu dem Schluss, dass die Intensität der Winter-stürme über Europa, bedingt durch erhöhte Treibhaus-gaskonzentrationen, zunehmen könnte (CARNELL undCARNELL 1998; SINCLAIR und WATTERSON 1999; KNIP-PERTZ et al. 2000; PINTO et al. 2007). Auch waren diehohen Windwurfschäden durch „Gudrun“ nicht mono-kausal (nur durch Windgeschwindigkeit), sondern wur-den erheblich durch reduzierten Bodenfrost (milde Win-tertemperaturen) und stark vernässte Böden (durchlang anhaltende Regenfälle vor dem Sturm) mit beein-flusst (SOLBERG 2006; SKOGSSTYRELSEN 2007). Die ho-hen Waldschäden wurden demnach durch einen kli-matischen Faktorenkomplex verursacht (Sturm, Nie-derschlag, Temperatur). Diese Faktoren wurden beider Kalkulation der Wiederkehrperiode nicht berück-sichtigt. Durch die globale Erwärmung ist in Schwedenim Laufe des 21. Jahrhunderts mit einer Temperatur-erhöhung von bis zu 5 °C, in den Wintermona-ten stärker als in den Sommermonaten, zu rechnen(SONESSON 2004). Des Weiteren rechnet man mit häu-figeren und stärkeren Niederschlägen (bis zu +40 %)in den Herbst-, Winter- und Frühlingsmonaten. Auchdie Sturmintensität nimmt nach einigen Modellberech-nungen zu (SONESSON 2004). Zwar sind diese Faktenschwer zu quantifizieren, jedoch kann unterstellt wer-den, dass die Berechnung einer Wiederkehrperiodevon 93 Jahren auf Grund historischer Sturmschädennicht realistisch ist, da sie künftigen klimatischen Ver-änderungen, welche sich signifikant auf das Windwurf-risiko auswirken können, nicht Rechnung trägt.

Erarbeitung eines qualitativen Risikoindexes fürWindwurf in Schweden

Faktoren(gruppen) mit hoher Relevanz für Windwurf/-bruch

Die Literaturrecherche ergab, dass Windwurf/-bruchvon einer Vielzahl von Variablen abhängig ist. Zur bes-seren Übersicht erfolgte eine Zuordnung von 5 thema-tischen Überbegriffen:

• Meteorologische Rahmenbedingungen und Fakto-ren,

• Topographie/Relief,• Standort,• Bestandesfaktoren und• Bewirtschaftungsmaßnahmen.

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Es zeigt sich, dass bei den meteorologischen Rahmen-bedingungen/Faktoren insbesondere die max. Wind-stärke sowie Starkniederschläge eine große Rolle fürdas Windwurf/-bruch Risiko spielen (vgl. z. B. ANCELIN

et al. 2004; ALTENKIRCH et al 2002).

Im Bereich „Topographie/Relief“ erwiesen sich Exposi-tion und Hangneigung als Faktoren mit bedeutendemEinfluss auf das Windwurfrisiko (vgl. ALTENKIRCH et al.2002; SCHÜTZ et al. 2006). NILSSON et al. (2004) stelltein einer Analyse sämtlicher nennenswerter schwedi-scher Sturmereignisse fest, dass die größten Sturm-schäden während Winden aus Richtung NNW bis SWund NNO zu verzeichnen waren. Bei einer detailliertenStudie zu Sturm „Anatol“ (NILSSON et al. 2007) wurdendie größten Schäden auf SW-Exponierten Hängen fest-gestellt. In der Kategorie Standort erwiesen sich Aus-gangssubstrat und Gründigkeit als besonders relevan-te Faktoren. Die Verbindungskräfte zwischen Wurzel-und Bodenteilchen (Adhäsion) sowie die Scherkräftezwischen den Bodenteilchen spielen für das Windwur-frisiko eine erhebliche Rolle. Sie sind von der Boden-art und dem Wassergehalt abhängig (RÖHRIG et al.2006). Eine Reihe von Studien belegt, dass die Veran-kerungsstärke mit zunehmender Feuchtigkeit insbe-sondere bei tonigen, schluffigen und lehmigen Böden

abnimmt und dass auf staunassen, sowohl natürlichals auch physiologisch flachgründigen Böden, ein ho-hes Wurfrisiko besteht (ALTENKIRCH et al. 2002; REDDE

und LÜPKE 2004; RÖHRIG et al. 2006; ILISSON et al.2005; DVORÁK et al. 2001; KUHN 1995).

Bei Bestandesfaktoren erwiesen sich Bestandeshöheund Bestandeszusammensetzung als besonders rele-vant für Windwurf. Eine Vielzahl an Studien kommt zudem Ergebnis, dass der Anteil geschädigter Beständemit zunehmender Bestandeshöhe steigt (vgl. u. a. FOSTER 1988; KÖNIG 1995; DOBBERTIN et al. 2002; MAYER et al. 2005). Untersuchungen zum Einfluss derBestandeszusammensetzung auf das Windwurfrisikoergaben, dass Windwurf mit zunehmendem Nadel-baumanteil zunimmt bzw. dass die Beimischung vonLaubholz und „windfesten“ Nadelbaumarten, wie Dou-glasie, die Sturmschäden in Fichtenreinbeständen starkreduziert wurden (ALTENKIRCH et al. 2002; MAYER et al.2005; SCHÜTZ et al. 2006). Untersuchungen zu Sturm„Gudrun“ in Schweden ergaben, dass 82 % desSchadholzvolumens auf die Baumart Fichte entfielen(SKOGSSTYRELSEN 2007). Eine Untersuchung von Wind-wurfflächen in Südschweden bestätigt dies. Hier wa-ren 97 % der geworfenen/gebrochenen Bäume Fich-ten (bei einem Fichtenanteil von 61 % (DOMEIJ 2002).

Tabelle 1: Faktoren für das Expertenmodell

Variable Verwendung Begründung

Schneefall Nein Hohe zeitliche und räumliche Variabilität, kein geeignetes Karten-material, wenig Quellen.

Niederschlag Nein Indirekte Verwendung über Bodenfeuchte

Windstärke und Sturmhäufigkeit Ja Lt. Literatur hohe Relevanz, exzellente Datenverfügbarkeit; Nutzung von Sturmhäufigkeit und max. Windgeschwindigkeit als Parameter

Exposition Ja Lt. Literatur relevant, sehr gute Datenverfügbarkeit

Hangneigung Ja Lt. Literatur relevant, gute Datenverfügbarkeit

Höhe ü. NN Nein Lt. Literatur relevant, aber schwer parametrisierbar. Eng Verknüpft mit Relief und Windstärke. Da letztere Berücksichtigung finden, wird auf den Faktor Höhe ü. NN verzichtet

Relief/Exponiertheit Nein Lt. Literatur relevant, Berechnung an dieser Stelle jedoch nicht möglich.

Bodenart (Feuchtigkeitsgehalt) Ja Lt. Literatur relevant, gute Datenverfügbarkeit

Ausgangssubstrat Nein Lt. Literatur relevant, gute Datenverfügbarkeit. Indirekte Verwendung über Bodenfeuchte und -art.

Bodenversauerung und Stickstoff- Nein Lt. Literatur relevant, aber wenig Quellen und veraltetes Kartenmaterial (von 1987)Belastung

Bodentiefe Ja Lt. Literatur relevant, gute Datenverfügbarkeit.

Bodenfrostverringerung durch Nein Wenig Quellen, wird aber vor dem Hintergrund des Klimawandels als relevantKlimaerwärmung betrachtet.

Bestandeszusammensetzung Ja Lt. Literatur sehr relevant, Daten verfügbar

Bestandesalter Ja Lt. Literatur relevant, indirekter Indikator für Durchforstungsstärke und Bestandes-höhe. Nur aggregierte Daten verfügbar.

Bestandeshöhe Nein Lt. Literatur sehr relevant, aber Daten nicht verfügbar

Bestandesdichte Nein Lt. Literatur relevant, aber Daten nicht verfügbar

Bestandesstruktur Nein Lt. Literatur relevant, aber Daten nicht verfügbar

Homogenität des Kronendaches Nein Lt. Literatur relevant, aber Daten nicht verfügbar

Waldrandlagen Nein Lt. Literatur sehr relevant, aber Daten nicht verfügbar

Bestandesschutz Nein Lt. Literatur sehr relevant, aber Daten nicht verfügbar

h/d Verhältnis Nein Lt. Literatur relevant, aber Daten nicht verfügbar

BHD Nein Relevanz lt. Literatur umstritten, gekoppelt mit Bestandeshöhe. Daten nicht verfügbar.

Zeit seit letztem Eingriff Nein Lt. Literatur sehr relevant, aber Daten nicht verfügbar. Indirekt über Bestandesalter.

Durchforstungsstärke Nein Lt. Literatur sehr relevant, aber Daten nicht verfügbar

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Die besondere Gefährdung der Fichte bzw. die über-durchschnittliche Betroffenheit von Fichten(rein)bestän-den bei Sturmereignissen wird von einer Reihe ande-rer Studien aus der Schweiz, Schweden, Finnland undDeutschland bestätigt (DVORÁK et al. 2001; vgl. WÅHLIN

2006; RÖHRIG et al. 2006; DOBBERTIN et al. 2002;SCHMIDT et al. 2006; OLOFSSON 2006). Bei Bewirtschaf-tungsmaßnahmen wird die Relevanz der Faktoren „Zeitseit dem letzten Eingriff“ sowie „Durchforstungsstärkeund -zeitpunkt“ durch eine große Anzahl an Studienunterstrichen. So wiesen Bestände die 3 – 5 Jahre voreinem Sturmereignis durchforstet waren, deutlich stär-kere Schäden auf (RICHTER 1975; LOHMANDER und HEL-LES 1987; KÖNIG 1995; DE LONG et al. 2001; DOBBERTIN

et al. 2002; HOLGÉN und HÅNEL 2006). Auch eine groß-flächige Analyse von Sturmschäden in Südschwedenzeigt, dass innerhalb der letzten 5 Jahre auf 60 % derWindwurfflächen Durchforstungen stattgefunden hat-ten (DOMEIJ 2002). Eine umfangreiche Studie von WAL-LENTIN (2007) zur Durchforstung bei Fichte hat zum Er-gebnis, dass das Risiko von Sturm- und Schneeschä-den an Fichte linear mit der Durchforstungsstärke steigt.

Auswahl der Parameter für das Expertenmodell undParametrisierung

Auf Basis der Literaturrecherche und unter Berück-sichtigung von Datenverfügbarkeit wurden folgendeFaktoren für das Expertenmodell ausgesucht:

Parametrisierung der Variablen

Auf Grundlage der Literaturrecherche wurden die Variablen Exposition, Hangneigung, Windstärke undSturmhäufigkeit, Bestandeszusammensetzung, Bestan-

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desalter, Bodentiefe, Bodenfeuchte parametrisiert. Diegutachtliche Einstufung der unterschiedlichen Variablenin die „Risikoklassen“ 0 bis maximal 5 ist nachstehen-der Tabelle zu entnehmen:

Qualitativer Risikoindex

Die Abb. 1 zeigt das qualitative Windwurfrisiko auf Ba-sis der ausgesuchten Faktoren für ganz Schweden miteiner Auflösung von ca. 200 x 200 Metern. Zur Verein-fachung wurde die Punkte-Skala des Expertenmodellsin relative Risikoklassen eingeteilt (1-4 wenig, 5-8 mo-derate, 9-12 medium, 13-16 hoch, 17-20 sehr hoch).Die Abbildung verdeutlicht, dass es grundsätzlich mög-lich ist das Windwurfrisiko räumlich differenziert darzu-stellen und dementsprechend auch Sinn machenkönnte, die Versicherungsprämien stärker als bisher(3 Klassen) regional oder gar lokal anzupassen. Sosind z. B. auch in Nordschweden teilweise kleinere Re-gionen mit sehr hohen Risiken auszumachen.

Diskussion

Die Schwächen von Expertenmodellen liegen in ersterLinie in ihrem nicht quantifizierbarem Output und derfehlenden Möglichkeit, Multikollinearität gezielt zu ver-meiden (KÖNIG 1995). Auch die gutachtliche Parame-trisierung ist ein Schwachpunkt. Quantifizierbare Er-gebnisse sind für die Versicherungsbranche wichtig,um das wissenschaftlich ermittelte Risiko mit statisti-schen Methoden in eine adäquate Prämienberechnungumzusetzen. Für diesen Bereich sind Expertenmodel-le jedoch auf Grund ihres qualitativen Charakters nichtgeeignet. Es kann allenfalls eine erfahrungsgemäße

Tabelle 2: Einstufung der Variablen in Risikoklassen

Variable Risiko Variable Risiko

Sturmhäufigkeit (Anzahl Stürme ≥ 89 km/h im Zeit- Bestandeszusammensetzungraum 1957 – 2007)

0 – 10 0 Laubwald > 50 % 0

11 – 20 1 Laubwald > 20 % 1

21 – 30 2 Fichte + Kiefer > 80 % 2

31 – 40 3 Fichte + Kiefer > 90 % 3

41 – 50 4 Nadelwald mit > 50 % Fichte oder > 80 % Kiefer 4

Max. Windstärke (km/h) 1957 – 2007 Nadelwald mit > 80 % Fichte 5

70 – 90 0 Bestandesalter 31 – 60 Jahre

91 – 120 1 0 – 20 % 0

121 – 140 2 21 – 30 % 1

> 140 3 31 – 40 % 2

Exposition Bodentiefe

Nord-NordnordostOst-SüdNord-Nordnordwest 0 tief 0

Nordnordost-Ost 1 ziemlich flach 1

Nordnordwest-West 2 flach 2

Süd-West 3 Bodenart (Feuchtigkeitsgehalt)

Hangneigung trocken und frisch 0

> 50 0 mäßig feucht 1

20 – 50 1 feucht 2

< 20 2

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oder spekulative Zuordnung der Prämie zu den ver-schiedenen Risikoklassen erfolgen und im Nachhineinangepasst werden. Auch die Vermeidung von Multikol-linearität ist nur spekulativ oder durch zusätzliche sta-tistische Auswertung möglich. Deshalb kommt es beiExpertenmodellen zwangsläufig zu Überbewertungen.Dies ist zu einem gewissen Grad auch bei dem imRahmen dieser Arbeit abgeleiteten Expertenmodel derFall. Die Parametrisierung ist insofern ein Schwach-punkt, da sie gutachtlich erfolgt. Sie ist jedoch für dieUmsetzung der Ergebnisse der Literaturrecherche not-wendig und nicht anders zu bewerkstelligen. AusTransparenzgründen ist eine Begründung, wie hiergeschehen, unabdingbare Voraussetzung jeder weite-ren Bewertung. Um den gutachtlichen Aspekt und diedamit verbundene Ungenauigkeit nicht zu verstärken,wurde bei diesem Expertenmodell auf eine Gewich-tung, wie sie bei ROTTMANN (1986) Anwendung findet,verzichtet.

Die Stärken des Expertenmodells liegen hingegen inder umfassenden Berücksichtigung wissenschaftlicherStudien zum jeweiligen Thema und dem vergleichs-weise geringen Zeit- und Kostenaufwand. Dies er-möglicht u. U. das Herausarbeiten von Schadensmus-

tern, die länderübergreifend Gültigkeit haben bzw.großflächig anwendbar sind, wie in diesem Fall ge-schehen (ganz Schweden). Dies ist zugleich dasgrößte Manko empirischer Modelle. Die Datenerhe-bung für ein empirisches Sturmschadenmodell ist zeit-und kostenintensiv, was eine lokale, allenfalls regiona-le Beschränkung nach sich zieht. Folglich ist die räum-liche Übertragbarkeit empirischer Modelle zumeiststark eingeschränkt (vgl. z. B. SCHMIDT et al. 2006).

Der hier vorgestellte qualitative Windwurf-Risikoindexerhebt nicht den Anspruch, das Windwurfrisiko mög-lichst genau darzustellen. Es handelt sich vielmehr umeine Aufarbeitung der umfangreichen wissenschaftli-chen Literatur zum Windwurf und die praktikable Ver-arbeitung dieser Ergebnisse in einen einfachen Risi-koindex, der in Abwesenheit besserer Risikomodelleals ein Indikator für das Windwurfrisiko dienen kann.

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Abb. 1: Qualitatives Windwurf-risiko

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Risikomanagement in der Versicherungsbranche – Windwurfversicherungen in Schweden und Vorschlägefür einen qualitativen Risikoindex

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Praktische Erfahrungen der GTZ mit Climate Proofing in der Entwicklungszusammenarbeit 133

Die Notwendigkeit zur Anpassung an den Klimawandel

Der Klimawandel findet statt. Weitreichende Maßnah-men sind notwendig, um seine negativen Folgen aufMenschen in Entwicklungs- und Industrieländern zureduzieren. Der 2007 veröffentlichte Vierte Sach-standsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel onClimate Change) hat gezeigt, wie umfassend die Aus-wirkungen eines uneingeschränkten Klimawandelssein werden. Die Liste der in vielen Ländern neu auf-tretenden oder sich verschärfenden physikalischenund sozio-ökonomischen Auswirkungen des Klima-wandels ist lang: Wasserknappheit, häufigere Extrem-wetterereignisse, Verluste an Biodiversität, Migrationund Konflikte, Überschwemmungen, Hitzewellen, Ge-sundheitsrisiken etc. Entwicklungsländer werden amstärksten vom Klimawandel betroffen sein, nicht nuraufgrund ihrer ökologischen Gegebenheiten, sondernauch wegen ihrer relativ geringen Fähigkeit zur An-passung.

Die Intensität der Auswirkungen des Klimawandelshängt von der weltweiten Reduktion der Emissionenvon Treibhausgasen (THG) ab, die über die nächstenJahrzehnte erreicht werden kann. Die Herausforde-rung, die Treibhausgasemissionen entsprechend zureduzieren, ist gewaltig und erfordert ein globales Vor-gehen.

Obwohl die Entscheidungsträger von heute die Inten-sität des Klimawandels zum größten Teil immer nochbeeinflussen können, sind sogar bei einem +2 °C-Szenario weitreichende negative Auswirkungen zu er-warten. Aus diesem Grund besteht die Herausforde-rung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) darin,Partnerländer heute bei der Anpassung an die negati-ven Auswirkungen des Klimawandels von morgen zuunterstützen.

Ansätze der deutschen Entwicklungszusammen-arbeit

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklungund Zusammenarbeit (BMZ) stellt sich dieser Heraus-forderung: Im Jahr 2007 wurden 450 Millionen Eurofür Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels inder Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben (Anpas-sung an den Klimawandel sowie Minderung von THG-

Emissionen). Im Jahr 2008 werden sich allein die Aus-gaben des BMZ auf 900 Millionen Euro verdoppelt ha-ben. Zusätzlich finanziert die Bundesregierung durchdas Bundesumweltministerium (BMU) weitere Maßnah-men zur Bekämpfung des Klimawandels in Entwick-lungsländern, indem ein Teil der Einnahmen aus demVerkauf von Emissionszertifikaten verwendet wird. ImJahr 2008 werden sich diese zusätzlichen Mittel auf120 Millionen Euro belaufen.

Entwicklungszusammenarbeit an den Klimawandel anpassen

Zahlreiche neue Programme zur Anpassung an denKlimawandel wurden begonnen oder befinden sichderzeit in der Entwicklung. Es werden jedoch nicht nurneue eigenständige Anpassungsprogramme gebraucht,die Risiken des Klimawandels müssen auch in beste-hende Programme integriert werden, d. h., diese müs-sen einem „Climate Proofing“-Prozess unterzogenwerden. Die Nachhaltigkeit vieler Programme wirddurch Risiken des Klimawandels bedroht. Positiv for-muliert: Gut geplant können viele Programme diePartnerländer in umfangreicherem Maße bei der Erhö-hung der Anpassungsfähigkeit an den Klimawandelunterstützen. Einige aktuelle Studien verdeutlichendiese Risiken des Klimawandels in der Entwicklungs-zusammenarbeit:

• Die Weltbank (2006: 120) schätzte, dass 25 % ih-rer Projekte ernsten Klimarisiken ausgesetzt sind.

• Bei einer Untersuchung in sechs Ländern stelltedie OECD (2005: 16) fest, dass die globale Erwär-mung zwischen 12 % (Tansania) und 65 % (Nepal)der gesamten offiziellen Entwicklungshilfe (ODA)in einem Partnerland negativ beeinflussen könnte.

Der politische Hintergrund

Politische Entscheidungsträger haben diese Heraus-forderung bereits zur Kenntnis genommen. Im April2006 nahmen die Umwelt- und Entwicklungsministerder OECD-Mitgliedsstaaten die „Erklärung zur Integra-tion von Anpassung an den Klimawandel“ an. Die EUsieht die enge Verknüpfung von Anpassung an denKlimawandel und Entwicklungszusammenarbeit in ih-rem „Aktionsplan zu Klimaänderungen und Entwik-klungszusammenarbeit“ vor.

Praktische Erfahrungen der GTZ mit Climate Proofing in derEntwicklungszusammenarbeitMICHAEL SCHOLZE, JAN PETER SCHEMMEL, ALEXANDER FRÖDE

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Praktische Erfahrungen der GTZ mit Climate Proofing in der Entwicklungszusammenarbeit134

Prüfung auf Klimaverträglichkeit – Ansätze anderer Institutionen

Einige Geberorganisationen haben damit begonnen,Methoden und Instrumente zur Überprüfung der Kli-maverträglichkeit ihrer Vorhaben zu entwickeln. Dieniederländische DGIS z. B. hat so genannte „QuickScans“ ihrer Projekte getestet, bei denen die Klima-wandelrisiken während eines kurzen Projektbesuchsvon Experten beurteilt werden.

Der Fokus des DFID-Ansatzes liegt eher auf ganzenLänderportfolios als auf einzelnen Projekten. Ihr In-strument „ORCHID“ enthält differenzierte Prüfungen,die Kosten-Nutzen-Analysen verschiedener Anpas-sungsoptionen enthalten. Es existieren auch compu-terbasierte Instrumente wie z. B. CRISTAL, das ge-meinsam von Intercooperation, IISD, SEI und IUCNentwickelt wurde. Dieses Programm liefert eine Struk-tur für die Beurteilung von Auswirkungen des Klima-wandels auf ländliche Gebiete in Entwicklungslän-dern. Das ADAPT-Instrument der Weltbank bietet eineWeb-basierte Risikobewertung, die auf detailliertenEingaben des Nutzers beruht.

Der deutsche Ansatz

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministeriumfür wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeitdie GTZ beauftragt, Vorschläge zur Integration desKlimawandels in die Entwicklungszusammenarbeit zuentwerfen. Der Auftrag besteht darin, praktische In-strumente zur Überprüfung der Entwicklungsbestre-bungen auf ihre Klimawandelbeständigkeit zu schaf-fen.

„Climate Check“ – Ein Überblick

Die GTZ hat zusammen mit dem Potsdam-Institut fürKlimafolgenforschung (PIK) den „Climate Check“ ent-wickelt. Da dieser das umfassenden Ziel verfolgt, dieIntegration von Klimaaspekten in der Arbeit der GTZinsgesamt zu unterstützen, besteht er nicht nur ausdem Climate Proofing-Instrument, sondern umfasstauch das „Emission Saving“.

Box 1: Tools des Climate Check

1. Climate ProofingDas Climate Proofing-Instrument konzentriert sich auf die Anpas-sung an den Klimawandel. Heutige und zukünftige Klimarisikenwerden für Programme identifiziert und Möglichkeiten zur Erhöhungder Anpassungsfähigkeit der Interessensgruppen oder zur Ver-minderung der Risiken durch konkrete Anpassungsmaßnahmenaufgezeigt (Ziel: Klimarisiken von Projekten minimieren).

2. Emission SavingDas Tool befasst sich mit möglichen Optionen zur Reduktion vonTreibhausgasemissionen. Das Potential der Programme zur Min-derung wird identifiziert. Anpassungen des Ansatzes und der Aus-richtung von Beratungsdienstleistungen leisten einen Beitrag zurEmissionsreduktion (Ziel: Minderungspotentiale maximieren).

Das Climate-Proofing-Instrument

Das Climate-Proofing-Instrument besteht aus vier auf-einanderfolgenden Schritten. Das Instrument bietet ei-ne Struktur, um Risiken des Klimawandels analysierenzu können und Potentiale zur Erhöhung der Anpas-sungsfähigkeit zu erkennen. Dabei ist es nicht sta-tisch, sondern flexibel und kann in vielen verschiede-nen Zusammenhängen sowie mit einem unterschied-lichen Maß an Beteiligung und Intensität angewendetund in Abhängigkeit von Umständen, Ressourcen undZeit während eines eintägigen Workshops oder inner-halb eines zweiwöchigen Prozesses durchgeführt wer-den. Die Beteiligung von Klimawandelexperten ist sehrhilfreich, aber nicht zwingend erforderlich.

1. Screening vor der ProgrammbegutachtungDas Screening erlaubt eine erste grobe Beurteilungdarüber, ob ein Programm überhaupt nennenswertenKlimarisiken unterliegt. Ein Projekt zur Unterstützungvon Rechtsreformen in Zentralasien wird wahrschein-lich weder durch den Klimawandel bedroht sein, nochkann es die Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung er-höhen. Es ist anzunehmen, dass etliche Entwick-lungsprogramme nicht oder nur von geringen Klimari-siken betroffen sein werden. Durch eine Vorauswahlwird der komplette Prozess des Climate Proofings, al-so nur in Projekten angestoßen, in denen sowohl Be-darf als auch Potential grundsätzlich vorhanden sind.Eine Liste der gefährdeten Sektoren, Regionen undAkteure ist die Grundlage für die Entscheidung überdie Wahrscheinlichkeit, mit der ein Programm niedri-gen, mittleren, hohen oder unbekannten Risiken aus-gesetzt ist. Abhängig vom Ergebnis muss der nächsteSchritt durchgeführt werden.

2. Detaillierte KlimarisikoanalyseWenn die Klimarisiken als wahrscheinlich hoch, mitteloder unbekannt eingestuft werden, wird eine detaillier-te Klimarisikoanalyse durchgeführt. Der Ablauf gestal-tet sich wie folgt (... wie in Tabelle 1 dargestellt):

3. Entwicklung und Priorisierung der Anpassungs-optionen

Anpassungsoptionen werden für Gebiete entwickelt,die unter Schritt 2 priorisiert wurden. Wenn es mehre-re Möglichkeiten gibt, wird eine erneute Priorisierungnotwendig. Wichtige Auswahlkriterien sind z. B. dieDringlichkeit der Bedürfnisse der Zielgruppen, Kosten-Nutzen-Analysen, no- oder low-regret Maßnahmen,politische und ökonomische Machbarkeit, etc.

4. Integration ins Programmkonzept, Monitoring undEvaluation

Der letzte Schritt führt von der Analyse zur Umset-zung. Eine wichtige Bedingung ist die Integration derAnpassungsmaßnahmen in das Programmkonzept. Imdeutschen Kontext sollten sie idealer Weise in denSchlüsseldokumenten (Prüfbericht und Programmpla-nungsdokument) aufgenommen und die Analyse invielen Fällen vor dem jeweiligen Programmbeginn nocheiner tieferen Überprüfung unterzogen werden, wenndas Konzept konkreter und die Datenverfügbarkeit ver-

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Praktische Erfahrungen der GTZ mit Climate Proofing in der Entwicklungszusammenarbeit 135

bessert ist. Die Überprüfung der Klimarisiken und dergeplanten Anpassungsmaßnahmen müssen Teil desregulären Monitorings und der Evaluationen werden.Die Anpassung an den Klimawandel ist ein fortlaufen-der, iterativer Prozess, der unter Einbeziehung neuerErgebnisse regelmäßig fortzuschreiben ist.

Konzeptionelle Überlegungen zur formalen Integration des Climate Proofings

Da das Climate Proofing Teil einer umfassenden Inte-gration von Klimaaspekten in die Entwicklungszusam-menarbeit sein soll, kann es von anderen Mainstrea-mingprozessen lernen. Es gibt bereits eine Reihe vonsolchen Themen in der internationalen Entwicklungs-zusammenarbeit wie z. B. Gender, HIV-Aids, Umweltetc. Viele Praktiker klagen über eine übermäßige Lastvon Themen, die im Rahmen eines Mainstreamingsangegangen werden sollen1. Aufgrund dieser „Main-streamingmüdigkeit“ wurde vorgeschlagen, das Cli-mate Proofing formal in bereits bestehende Kateg-orien und Prozesse zu integrieren. Im deutschen Kon-text muss jedes Programm im Rahmen einer strategi-schen Umweltprüfung (SUP) auf potentielle Risiken,die Durchführung und Ergebnisse gefährden könnten,analysiert werden. Hier sollte auch das Climate Proo-fing ansetzen. Weiterhin sollte es in Prüfmissionen in-tegriert werden, die in jedem Falle durchgeführt wer-den, anstatt als separat stehendes Element absolviertzu werden. Um diese neue Aufgabe zu erfüllen, müs-sen die entsprechenden Experten ausgebildet und mitAnleitung und Handbuch zur effizienten Überprüfungunterstützt werden. Da das Instrument die Programmemit niedrigen Klimawandelrisiken im ersten Schritt

herausfiltert und in unterschiedlichen Intensitäten an-gewendet werden kann, bleibt der Arbeitsaufwand imhandhabbaren Bereich. Ein kleiner interner Anpas-sungsfond der deutschen Entwicklungszusammenar-beit könnte für die Bereitstellung der Zusatzmittel inErwägung gezogen werden, die für Climate Proofingund Anpassungsmaßnahmen in den Programmen so-wie für die Zusammenstellung und systematische Aus-wertung der Erfahrungen notwendig werden.

Erfahrungen aus den ersten Pilotanwendungendes Instruments

Das Instrument Climate Proofing wurde bisher in Ma-rokko, Indien, Vietnam und Brasilien getestet. WeitereTestanwendungen sind geplant.

MarokkoDas Instrument wurde in einem GTZ Desertifikations-und Naturschutzprogramm angewendet. Mehrere vonKlimarisiken betroffene Exposure Units mit Relevanzfür das GTZ-Programm in Marokko konnten identifi-ziert werden, darunter Tourismus, Wassermanagement,Landwirtschaft. Priorisierte Anpassungsoptionen wa-ren z. B. ein verbessertes Wassereinzugsgebietsma-nagement und Maßnahmen zum Bodenschutz. Mitden geplanten analytischen Schritten half das Instru-ment dem Programm bei einer stärkeren Orientierungauf Anpassung an den Klimawandel.

IndienDas Climate Proofing- Instrument wurde in drei GTZProgrammen zum Management natürlicher Ressour-cen (NRM) angewendet, davon in einem Programm,das zusammen mit der KfW durchgeführt wird. DerNRM-Sektor ist in Indien in verschiedener Hinsicht vonden Auswirkungen des Klimawandels betroffen. VieleProgrammmaßnahmen müssen sich bereits mit demKlimawandel auseinandersetzen. Einer der wichtigs-ten Engpässe des Sektors ist die Wasserverfügbar-keit. Die GTZ hat eine lange und erfolgreiche Traditionin der Beteiligung an Programmen zum Management

1 Aufgrund der ständig wachsenden Zahl der Mainstreamingthemensollte überlegt werden, wie zu einem besser handhabbaren Gradder Komplexität zurückgekehrt werden kann. Eine Möglichkeitkönnte sein, nicht jedes Thema in jedem Programm oder Prozessobligatorisch zu berücksichtigen. Lieber sollten die Mainstreaming-prioritäten für jeden Fall neu entschieden werden. Dies würde esermöglichen, die wichtigen Mainstreamingthemen gründlicher auf-zugreifen. Sprichwörtlich ist „weniger manchmal mehr“.

Tabelle 1: Elemente einer detaillierten Klimarisikoanalyse

Schritte Beispiele

Bewertung der Klimastimuli • Temperaturanstieg• Verringerung der Wasserverfügbarkeit• Häufigkeitsanstieg von Extremwetterereignissen

Bewertung der „Exposure Units“ • Landwirtschaft(gefährdete Systeme/Sektoren) • Forstwirtschaft

• Infrastruktur

Direkte Auswirkungen (bio-physikalisch) • Zerstörung der Infrastruktur• Verschiebung von Ökosystemen• Küstenerosion

Indirekte Auswirkungen (sozioökonomisch) • Einkommensverluste• Migration• Soziale Spannungen und Konflikte

Verknüpfung mit dem Entwicklungsprogramm • Ziele, Auswirkungen, Ergebnisse, die betroffen sein können

Anpassungskapazität (Partner/ Ressourcen) • Schwache Institutionen• Niedriges Einkommensniveau

Priorisierung des Anpassungsbedarfs auf • Welche positiven sozioökonomischen Entwicklungsprozesse und Programmergebnisse Grundlage einer Risikobewertung sind am meisten gefährdet und wo eröffnet der Klimawandel neue Möglichkeiten?

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von Wassereinzugsgebieten. Diese können bereits alsSchritte zur Anpassung an die abnehmende Wasser-verfügbarkeit gesehen werden, die in vielen RegionenIndiens u. a. durch den Klimawandel, hervorgerufenwird. Das Climate Proofing machte deutlich, dass dieProjektionen zur zukünftigen Entwicklung des Klimasim Design der Programme noch nicht hinreichend be-rücksichtigt wurden. Geschähe dies, könnten die Er-gebnisse dieser Programme sowie die Anpassungsfä-higkeit ihrer Zielgruppen verbessert und Fehlanpas-sungen verhindert werden. Gleiches gilt für ein GTZ-Programm in Kooperation mit der National Bank forAgriculture and Rural Development. Im Waldprogrammim östlichen Bundesland Tripura wurde die Verschie-bung von Ökosystemen als hohes Risiko identifiziert.

BrasilienIn Brasilien ist das Climate Proofing-Instrument in dreiProgrammen zu Tropenwaldschutz, Energie und städ-tisch-industriellem Umweltschutz und armutsorientier-ter Entwicklung im Nordosten des Landes angewen-det worden. Im Zusammenhang mit dem Tropenwald-schutzprogramm wurde festgestellt, dass sich die ak-tuellen Schutzstrategien auf Grund veränderter Re-produktions- und Migrationsmuster von Arten zukünf-tig als unzureichend herausstellen und die Methodenzur nachhaltigen Landnutzung und Fischerei, die ak-tuell vom Programm gefördert werden, in Zukunft wirt-schaftlich unrentabel werden könnten. Die daraufhinvorgeschlagenen Anpassungsmaßnahmen waren z. B.die Integration des Klimawandels in regionale und lo-kale Entwicklungsplanung sowie in die Strategien zumBiodiversitätsschutz, die Förderung von Waldregene-ration im Ostamazonas, um Niederschlagssysteme inZentral- und Westamazonien zu schützen, und der ver-stärkte Fokus auf Diversifizierung von kleinmaßstäbi-gen Agrarsystemen. Außerdem wurde der Bedarf iden-tifiziert, das Wissen um die Auswirkungen des Klima-wandels auszubauen und systematisches CapacityBuilding zur Nutzung dieses Wissens voranzubringen.Letzteres war auch in dem Programm zur integriertenRegionalentwicklung der Fall, in dem eine optimierteAusrichtung auf Katastrophenmanagement gefördertwerden sollte. Eine der Schlüsselbedrohungen für dasEnergieprogramm sind längere und häufigere Dürren,da 74 % der nationalen Elektrizität durch Wasserkraftgeneriert wird. Es gibt bereits einige Forschungsinitia-tiven, die die Vorhersage der Wasserverfügbarkeit inden relevanten Wassereinzugsgebieten verbessern unddie Auswirkungen des Klimawandels auf die Energie-versorgung feststellen sollen. Das Programm sollte dieMöglichkeit erwägen, sich an den Forschungsprojek-ten zu beteiligen.

VietnamWährend einer Klimacheck-Pilotanwendung in Viet-nam wurden ein Abwasserentsorgungs- und Abfall-wirtschaftsprogramm, ein Waldprogramm und ein Ar-mutsminderungsprogramm genauer betrachtet. Letz-teres soll hier genauer vorgestellt werden. Die Haupt-klimastimuli, die die identifizierten Exposure Units desProgramms (Wasserressourcen inkl. Bewässerungs-systeme, Landwirtschaft, ländliche Infrastruktur und

Siedlungen) gefährden, beziehen sich vor allem aufWasser (Anstieg des Meeresspiegels, Verstärkung vonTaifunen und Niederschlagsvariabilität sowie Verände-rung von Flusspegeln). Direkte und indirekte Auswir-kungen, die die Nachhaltigkeit der Programmergeb-nisse (Test und Upscaling eines Tools zur Gemeinde-planung, nachhaltiger Beitrag landwirtschaftlicher Märk-te zum Wohlstand) gefährden, sind in erster Linie Meer-wassereinbruch und Überschwemmungen, die eineReduktion landwirtschaftlicher Produktion, Schädenan ländlicher Infrastruktur und Siedlungen einschließ-lich Gesundheitsprobleme zur Folge haben können.Diese Risiken sind gravierender in Gebieten, die in di-rekter Nachbarschaft zum Mekongdelta liegen. Den-noch könnten zusätzliche indirekte Auswirkungen aufdie Programmregion (z. B. durch Migration aus stärkerbetroffenen Gegenden oder Veränderungen im hydro-logischen System) führen. Die Anpassungskapazitätist recht hoch im Bezug auf Trockenperioden, da dieBewässerungssysteme in der Pilotregion über das ge-samte Jahr für ausreichend Wasser sorgen. Auch beiÜberschwemmungen sind die Entwässerungssystemein der Pilotregion derzeit ausreichend, um Niederschlä-ge und Oberflächenwässer in normalen Jahren bewäl-tigen zu können. Die Anpassungskapazität in der Re-gion ist hinsichtlich der begrenzten Flexibilität des ge-samten landwirtschaftlichen Systems niedrig, da dasBewässerungssystem komplex ist, regional gesteuertwerden muss und keine politischen Anreize zur Diver-sifizierung bestehen. Durch die Armutssituation sinddie finanziellen Möglichkeiten und die Flexibilität Ein-zelner in Bezug auf Vorbereitung und Reaktion auf ne-gative Auswirkungen des Klimawandels begrenzt. DieGefährdung des Projekterfolgs wird in Bezug auf denBeitrag landwirtschaftlicher Märkte zum Wohlstand alshoch eingeschätzt. Auch das Upscalingpotential desPlanungsinstruments, das in der Pilotregion getestetwird, hängt davon ab, ob erhöhte Risiken und Auswir-kungen des Klimawandels in benachbarten küsten-und flussnahen Gegenden im Planungsmodell syste-matisch beurteilt werden können. Priorisierte, realisti-sche kurzfristige programmintegrierte Anpassungsmög-lichkeiten sind z. B. die Einführung eines Risiko-Eva-luierungs-Instruments in der Lokalplanung oder dieBerücksichtigung des Klimawandels in Marktanalysen (z. B. landwirtschaftliche Märkte) und die entsprechen-de Unterstützung der Vermarktung landwirtschaftlicherGüter. Mittelfristig könnten die Anpassung der ländli-chen Infrastruktur, die Diversifizierung der Einkommens-quellen oder die Einführung eines Versicherungssys-tems weitere Möglichkeiten zu einer verbesserten An-passung an den Klimawandel darstellen.

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Glossar 137

Glossar

Abschirmender Naturschutzansatz: Schutzobjektewerden dem Regime direkter menschlicher Eingrif-fe (nach Möglichkeit) entzogen (vgl. SCHERZINGER

1990; IBISCH und KREFT 2008). Gegenteil: ge-staltender Naturschutzansatz

Adaptiver Naturschutzansatz: Es werden Zielzustän-de von Schutzobjekten bestimmt, die in definier-ten Zeiträumen angesteuert werden sollen. NachAblauf eines Zeitraumes wird der Grad der Zieler-reichung überprüft. Bei Bedarf können sowohl dieMaßnahmen als auch die Schutzobjekte und dieZiele (z. B. Erhaltung eines Schutzobjekts an ei-nem bestimmten Ort) neu definiert werden (IBISCH

und KREFT 2008)

ADAPT-Instrument: Instrument der Weltbank für An-passung an den Klimawandel

AIC – Akaike's Information Criterion: Ein Informa-tionskriterium ist ein Kriterium zur Auswahl einesModells in der angewandten Statistik bzw. derÖkonometrie. Dabei gehen die Anpassungsgütedes geschätzten Modells an die vorliegenden em-pirischen Daten (Stichprobe) und Komplexitätdes Modells, gemessen an der Anzahl der Para-meter, in die Beurteilung ein. Die Anzahl der Pa-rameter wird dabei „strafend“ berücksichtigt, dasonst umfassende Modelle mit vielen Parameternbevorzugt würden. Das historisch älteste Krite-rium ist hierbei AKAIKES Informationskriterium(AKAIKE 1973)

Antizipierender Naturschutz: Naturschutzmaßnah-men werden möglichst vorausschauend gestaltet,etwa durch Berücksichtigung von verschiedenenmöglichen Zukunftsszenarien

Arealverschiebung (engl. biome shift): Tatsächlicheoder angenommene Veränderung des Verbrei-tungsgebietes einer Baumart ausgelöst durch denerwarteten Klimawandel und die damit verbunde-ne Veränderung der für das Vorkommen vonBaumarten wesentlichen Klimaparameter wieTemperatur und Niederschlag

Atopisch: Ortlos. Komplexe, atopische Probleme wiez. B. der Klimawandel verlangen nach transnatio-nalen Steuerungssystemen, um den einhergehen-den Herausforderungen und Problemen gerechtzu werden (vgl. WILLKE 2001)

Bayessche Statistik: Ein Zweig der modernen Statis-tik, der mit bedingten Wahrscheinlichkeiten bei un-vollständigem Wissen über ein Ereignis arbeitet.Der Entscheidungsträger orientiert sich hierbei anErwartungswerten

Best case: Begriff aus dem Bereich der Planung – derbeste oder günstigste annehmbare Fall für die Ent-wicklung eines Projektes, Produktes, Sachverhal-tes oder Umstands. Gegenteil: worst case

BIC – Bayessches Informationskriterium: Der Nach-teil des AIC ist, dass der Strafterm von der Stich-probengröße unabhängig ist. Bei großen Stichpro-ben sind Verbesserungen der Log-Likelihood bzw.der Residualvarianz „leichter“ möglich, weshalb dasKriterium bei großen Stichproben tendenziell Mo-delle mit verhältnismäßig vielen Parametern vor-teilhaft erscheinen lässt. Deshalb empfiehlt sich dieVerwendung des durch SCHWARZ (1978) vorgeschla-genen Bayesschen Informationskriteriums (engl.Bayesian Information Criterion [BIC]), bei dem derFaktor des Strafterms logarithmisch mit der Anzahlder Beobachtungen wächst

Brainstorming: Technik der Ideensammlung für Ein-zelpersonen oder Gruppen, bei der innerhalb einesfestgelegten Zeitraums der freie Gedanken- bzw.Assoziationsfluss durch keinerlei Bewertungen, Ein-schätzungen oder Einwände beeinflusst werdendarf. Die Ideen werden visualisiert und können in ei-nem nächsten Schritt sortiert und gruppiert werden

Chlorophylfluoreszenzquotient (Fv/Fm): Verhältnisvon variabler Fluoreszenz (Fv) zu maximaler Fluo-reszenz (Fm) der Fotosynthese dient als Kriteriumfür die Funktionstüchtigkeit des Photosyntheseap-parates (GENTY et al. 1989). Der Mittelwert vonFv/Fm beträgt bei gesunden Pflanzen nach Vorver-dunklung unter Laborbedingungen 0,832 bei einerStandardabweichung von 0,04 (BJÖRKMAN und DEM-MIG, 1987). Unter Freilandbedingungen (ohne Vor-verdunklung) erreicht ein intaktes Photosystem ei-nen Quotient von 0,76. (LÖFFLER, unveröffentlicht)

Delphibefragung: Expertenbasierte, mehrstufige Er-hebungsmethode. Die Teilnehmer werden sukzes-sive mit anonymisierten und (semi-)quantifiziertenErgebnissen der jeweils vorangegangenen Run-den konfrontiert

DFID: Department for International Development(UK)

Devianz-“Abweichung“: Maßzahl zur Beurteilung derAnpassungsgüte eines statistischen Modells

Diskriminanzanalyse: Ein auf dem generalisieren-den linearen Modell (GLM) beruhendes Verfahrender explorativen Datenanalyse, dessen Ziel die op-timale Trennung von Objekten vorgegebener Grup-pen durch eine Linearkombination mehrerer unab-hängiger Variablen darstellt

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Drehydrine: Klasse von Stressproteinen, die in Folgevon Wassermangel und Frost in Zellen syntheti-siert bzw. aktiviert werden. Sie haben wahrschein-lich eine Schutzfunktion für Membrane

Dynamischer Naturschutzansatz: Naturschutzziele( Schutzziele) sind entweder ergebnisoffen oderkönnen, ebenso wie die Schutzobjekte, immerwieder angepasst werden (vgl. SCHERZINGER 1990;IBISCH und KREFT 2008)

Ecological risk assessment: Bewertet die potentiel-len schädlichen Auswirkungen, welche menschlicheAktivitäten auf Ökosysteme haben (EPA 1992)

Emergente Eigenschaften: E. E. bilden sich in nichtvoraussagbarer Weise durch das Zusammenwir-ken mehrerer Faktoren

Emmissionszertifikate: Die Berechtigung zur Em-mission einer bestimmten Menge CO2

Evidenzbasierter Naturschutz: PULLIN und KNIGHT

(2001) plädieren für einen Naturschutz, der auf ge-sicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen (Evi-denz) beruht

Exposure unit: Umschreibt das (auf Risiken) zuuntersuchende System. Die exposure unit wirdherkömmlich in Form von geografischem Ausmaßoder Ort bzw. Verteilung einer Population ausge-drückt

Exposure Units: Regionen, Gruppen oder Aktivitäten,die in besonderer Weise dem Klimawandel ausge-setzt sind

Flussdiagramm: Graphische Darstellung logischer/kausaler Ablaufzusammenhänge in Systemen

Fuzzylogik: Theorie, die vor allem für die Modellie-rung von Unsicherheiten und Unschärfen vonumgangssprachlichen Beschreibungen entwickeltwurde. Sie ist eine Verallgemeinerung der zwei-wertigen Booleschen Logik und kann damit Anga-ben wie „ein bisschen“, „ziemlich“ oder „stark“ ma-thematisch in Modellen erfassen

Generalisiertes lineares Modell: In einem generali-sierten linearen Model (GLM) wird davon ausge-gangen, dass sich die empirischen Werten einerabhängigen Variablen Y durch die gewichtete Li-nearkombinationen von Werten unabhängigerVariablen x1,…xn darstellen lassen. Im Unter-schied zum klassischen linearen Modell muss dieabhängige Variable keine Normalverteilung besit-zen

Genetisches System: umfasst alle Organe/Kompo-nenten/Vektoren, die die Erzeugung, Modifikation,Bewahrung und Weitergabe der genetischen Infor-mation (z. B. über Pollen und Samen) an die nächs-te Generation gewährleisten

Gestaltender Naturschutzansatz: Die Erreichung vonNaturschutzzielen ( Schutzziele) wird durchmenschliche Manipulation des Zustandes von Schutzobjekten angestrebt (z. B. Landschafts-pflege, Eingriffe in Wasserhaushalt; vgl. SCHERZIN-GER 1990; IBISCH und KREFT 2008). Gegenteil: abschirmender Naturschutzansatz

Grünland-Temperatur-Summe (GTS): berechnet sichaus der Summe der positiven Tagesmitteltempera-turen ab Jahresbeginn, wobei die Monate Januarund Februar mit gestaffelten Korrekturfaktoren (Ja-nuar 0,5; Februar 0,75) abgewertet werden. DerTag, an dem die so kumulierte GTS den Wert 200(„GTS 200“) erreicht, gilt als der „theoretische Ve-getationsbeginn“

Holistisch: Davon ausgehend, dass sich das Verhal-ten von Elementen eines Systems nur durch Be-trachtung des gesamten Systems verstehen lässt.Gegenteil: reduktionistisch

Integrativer Naturschutzansatz: Naturschutz- und an-dere (Landnutzungs-)Ziele werden gemeinsam undgleichzeitig auf derselben Fläche verfolgt (inte-griert) (SCHERZINGER 1990)

IISD: International Institute for Sustainable Development

interspezifische Konkurrenz: Wettbewerb um Res-sourcen/Konkurrenz zwischen Populationen oderIndividuen verschiedenere Arten; Grenze zwischenintra- und interspezifsiche Konkurrenz ist schwerauszumachen, da die ökonomischen Zusammen-hänge dicht verworben sind

IUCN: The World Conservation Union

Klimaplastizität: Fähigkeit der Veränderbarkeit – hierbezogen auf das Klima

Klimawandelrisikomanagement: Befasst sich mit derWahrscheinlichkeit und den Konsequenzen vonKlimavariabilität und Extremwetterereignissen undversucht die daraus gewonnenen Erkenntnisse inden Planungs- und Entscheidungsprozess vonHandlungsoptionen mit einzubinden (BURTON undVAN AALST 2004)

Konstruktivistisch-technomorph: Nach dem k.-t. Ba-sisparadigma ( Paradigma) ähneln Systeme Ma-schinen, die nach vorgefasster Zwecksetzung undPlan konstruiert sind. Ihre Funktion, Zuverlässigkeitund Effizienz ist abhängig von Funktion und Eigen-schaften der Einzelteile. Gegenteil: das systemisch-evolutionäre Basisparadigma, nach dem sich einesich selbst generierende Ordnung ohne vorherigeZwecksetzung spontan einstellt (MALIK 2008)

Konzeptionelles Modell (conceptual model): Technik,um Ideen und Gedanken bezüglich einer Frage-/Problemstellung schriftlich zusammenzutragen odervisuell darzustellen. Es wird versucht, komplexe Wir-

Glossar138

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Glossar 139

kungsgefüge zu erfassen, indem Datensätze (inForm von Wörtern, Zahlenreihen oder Grafiken) in ei-nen Sinnzusammenhang bzw. ein systemischesVerhältnis zueinander gestellt werden und somit ab-laufende Prozesse und Wissenslücken deutlich wer-den

Kritischer Schwellenwert (critical threshold): Der (teil-weise messbare oder erwartete) Wert, ab dem ein(beispielsweise biologisches, physikalisches, kli-matisches, soziales) System negativ beeinflusstund reversibel oder irreversibel geschädigt wird.Beispiel: Ab dem kritischen Schwellenwert von ca.42° versagt der menschliche Kreislauf und ab ca.42,6° denaturieren die Eiweiße im Blut so stark,dass der Mensch stirbt. An so genannten kritischenPunkten, wenn bestimmte, normalerweise gut defi-nierte Größen in einem System zur Unendlichkeittendieren, wechseln, mathematisch gesehen, kom-plexe Systeme in einen Zustand kritischer Instabi-lität (SORNETTE 2004)

Lebensfähigkeitsanalyse (population viability analy-sis): Berechnet oder schätzt die Wahrscheinlich-keit ab, dass eine Population im Betrachtungszei-traum ausstirbt (vgl. BAKKER und DOAK 2008)

Logit-Modell: Mathematisches Modell zur Beschrei-bung des gerichteten Zusammenhangs einer kate-gorialen abhängigen Variablen in Abhängigkeit vonein oder mehrerer unabhängiger Variablen (Son-derfall eines log-linearen Modells)

Log-Lineares Modell: Auf dem generalisierten linea-ren Modell (GLM) beruhendes multivariat statisti-sches Verfahren zur Analyse kategorialer Variablen

Low-regret option: Günstige Handlungsoptionen, beidenen davon auszugehen ist, dass sie eine sehrpositive Wirkung auf den zukünftigen Verlauf einesVorhabens bzw. Projektes haben (vgl. WILLOWS

und CONNELL 2003)

Mesorelief: Mittelformen – Formen mit einer Grundriss-breite (Erstreckung) von 100 bis 10.000 m, einerGrundfläche zwischen 10.000 und 100.000.000 m2

sowie Höhen zwischen 10 und 1000 m

Metasystemische Ebene: Betrachtungsebene jenseitsder Systeminhalte. Als Variablen der m. E. nenntMALIK (2008) u. a. die verfügbaren Ressourcen anZeit, Material und Personal zur Lenkung des Sys-tems, betreffende verfügbare Informationsquellenoder die Einhaltung von Regeln und Grundsätzenetwa der guten fachlichen Praxis oder der Ethik

Mind map: Eine Gedankenkarte ist eine grafischeDarstellung, die Beziehungen zwischen verschie-denen Begriffen aufzeigt

NEWAL-NET-Modellregion: Nachhaltige Entwicklungvon Waldlandschaft klimaplastische Laubbaum-mischwälder für die Zukunft

Nichtwissen: Umfasst sämtliches Wissen, über daswir (theoretisch) verfügen könnten, über das wiraber nicht oder noch nicht verfügen, sowie dasWissen, über das wir definitiv niemals verfügenkönnen. N. umfasst damit mögliches Wissen, des-sen Existenz wir annehmen, Wissen, dessen Exi-stenz wir (noch) nicht ahnen, und unaufhebbaresNichtwissen (BÖSCHEN et al. 2006; WEINSTEIN undWEINSTEIN 1978).

No-regret option: Handlungsoptionen, die unter allenplausiblen (Zukunfts-) Szenarien gerechtfertigtund sinnvoll erscheinen (WILLOWS und CONNELL

2003), wie beispielsweise der Erhalt/Ausbau von(artenreichen) Kohlenstoffsenken

Objektsystemische Ebene: Ebene der Betrachtungeines Systems, nämlich der Ebene seiner Einzel-elemente und der detaillierten Prozesse, in die sieinvolviert sind Metasystemische Ebene

ombrothermischer Index I0: Faktor zur Bewertungvon thermischen Unterschieden bodennaher Luft-schichten

ORCHID: Risk Management Tool von DFID – UK De-partement for International Development

Paradigma: Ein vorherrschendes Denkmuster in ei-nem bestimmten Zeitraum

Physiognomische Homogenität Sinn, Gefühl und in-neres Maß für Homogenität und Harmonie, Physio-gnomik zur Beförderung z. B. der Menschenkennt-nisse...

PNV-Kartierungen – PNV: potenzielle natürliche Ve-getation

Point of no return (Punkt ohne Wiederkehr): derZeitpunkt innerhalb eines Vorgangs oder Ablaufs,von dem an eine Rückkehr zum Ausgangspunktnicht mehr möglich ist

Precautionary principle (Vorsorgeprinzip): Risikensollen im Voraus (trotz unvollständiger Wissensba-sis) vermieden oder weitestgehend verringert wer-den

Proaktiv: Denkbare mögliche bzw. wahrscheinlicheVeränderungen antizipieren und die entsprechen-de Information in gegenwärtige Handlungen prä-ventiv integrieren, um Einfluss auf Veränderungenzu nehmen (nach GODET 1994)

Problem mapping: Methode um die Verbindung ver-schiedener Parameter bzw. Teilaspekte eines Pro-blems zu visualisieren und erfassen (WILLOWS undCONNELL 2003)

Quantitative Methoden (der Risikoabschätzung):Tendenziell mathematisch-statistische Verfahren(wie z. B. Kosten-Nutzen-Analyse, Trendextrapo-

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lation, Fuzzylogik), die zwar Objektivität undGenauigkeit suggerieren, diese jedoch in Bezugauf Zukunftsszenarien nicht sicherstellen können(REGER 2001)

Qualitative Methoden (der Risikoabschätzung):Kognitiv-appellative Verfahren, die versuchen, dasimplizite Wissen von Einzelpersonen oder Gruppennutzbar zu machen (z. B. Brainstorming, Mei-nungsumfrage, Delphibefragung) (REGER 2001)

Reaktiv: Veränderungen abwarten und nach der Kennt-nisnahme bzw. ihrer Beobachtung handeln, u. a.um sie ggf. abzumildern oder zu bekämpfen.

Reaktive Sauerstoffspezies (ROS): stark reaktive undzumeist schädliche Formen des Sauerstoffs in An-ionen, Radikalen und Substanzen, die bei oxidati-vem Stress durch die Übertragung von freienElektronen gebildet werden. Antioxidatien und anti-oxidative Enzymreaktionen wirken den ROS ent-gegen

Reduktionistisch: Ein System zum Verständnis inseine Einzelteile zerlegend und der Versuch, dasGanze aus den Eigenschaften der Einzelteilen zuerklären. Gegenteil: holistisch

regionalisierte IPCC-Klimaszenarien: ... liefern dieGrundlage zur Abschätzung möglicher klimatischerÄnderungen/Einschnitte in der Natur der jeweili-gen Region

Relevanzbaum: Verfahren, bei dem eine sich ver-zweigende Systematik für ein Problem aufgebautwird, welche von übergeordneten zu untergeord-neten Gesichtspunkten fortschreitend immer mehrins Detail geht. Ein Problembereich kann so in sei-ne Einzelelemente aufgefächert werden und eineBewertung der Handlungsoptionen hinsichtlichökonomischer Relevanz, Dringlichkeit, Realisier-barkeit o. ä. erfolgen (PETERS und HELBIG 2005)

Restrisiko: Auch nach der Umsetzung von Schutz-maßnahmen vor den Folgen von (negativen) Ri-siken, bleibt ein Restrisiko, welches sich aus demakzeptierten Risiko, dem unbekannten Risiko unddem Risiko aufgrund von menschlichem Versagenzusammensetzt (MERZ und EMMERMANN 2006)

Risiko: Nicht direkt kontrollierbare Ereignisse, welchedas Management eines Systems auf mehr oderweniger vorhersagbare Weise beeinflussen. Zuunterscheiden sind u. a. externe Risiken, welcheaußerhalb des betrachteten bzw. gesteuerten Sys-tems generiert werden, und Systemrisiken, welchesich ungewollt als emergente Eigenschaft im Rah-men des Funktionierens eines Systems einstellen.Risiken können im Sinne eines zielorientierten Sys-temmanagements positiv oder negativ wirken (Chan-cen und Gefahren). Im allgemeinen Sprachgebrauchhat der Risikobegriff allerdings eine negative Kon-notation. Mathematisch ist ein Risiko eine Funktion

der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Ausmaßeseines Ereignisses.

Risikoeinstellung: Umfasst risk appetite und risk atti-tude. Die Einstellung, die ein Entscheidungsträgergegenüber einem Risiko hat und die sein Ver-halten dementsprechend beeinflusst (z. B. risiko-freudig vs. risikoscheu)

Risikomanagement: „Systematische Anwendung vonManagementgrundsätzen, -verfahren und -prakti-ken zwecks Ermittlung des Kontextes sowie Identi-fikation, Analyse, Bewertung, Steuerung/Bewälti-gung, Überwachung und Kommunikation von Risi-ken“ (BS IEC 2001

Risikowahrnehmung: Mit Risikowahrnehmung be-zeichnen WIEDEMANN et al. (2000) die Einschät-zung einer Risikosituation auf Grund intuitiver Be-urteilung, persönlicher Erfahrung und aufgenom-mener Informationen (z. B. durch Medien). Sie be-dingt die Risikoeinstellung

Schutzobjekt (auch Schutzgut; conservation target):der Gegenstand einer Naturschutzzielsetzung, z. B.eine Art, eine Lebensgemeinschaft, ein Ökosystemoder auch ein ökologischer Prozess

Schutzziel (auch Schutzzweck; conservation goal):In der Zukunft liegender, angestrebter Zustand vonSchutzobjekten

Segregativer Naturschutzansatz: Naturschutz- undandere (Landnutzungs-)Ziele werden räumlich und/oder zeitlich getrennt (segregriert) (vgl. SCHERZIN-GER 1996). Naturschutzziele werden dann prioritärauf eigens reservierten Flächen (oft in Schutzge-bieten) verfolgt

SEI: Stockholm Environment Institute

Sekundäres Risiko: Liegt vor, wenn ein Risiko alsdirektes Ergebnis bzw. als Folge einer ergriffenenMaßnahme zur Bewältigung des (primären) Risi-kos auftritt (ALBY 2009)

Sozial-ökologisches System: Die Gesamtheit von mit-einander interagierenden menschlichen (Teil-)Ge-sellschaften und ihrer Umwelt (RESILIENCE ALLIANCE

2008)

SRES-Szenarien: Die Grundlage der aktuellen wis-senschaftlichen Diskussion um den weiteren Ver-lauf des Klimawandels bilden die so genanntenSRES-Szenarien, die sich auf zukünftige Emissio-nen der Treibhausgase beziehen. Insgesamt wur-den 40 so genannte SR ES-Szenarien entwickelt,die in vier Szenarienfamilien gruppiert wurdenDen Szenarienfamilien liegt eine Koppelung un-terschiedlicher sozioökonomischer Ausgangsan-nahmen zugrunde Jedem dieser Szenarien liegteine andere Vorstellung einer zukünftigen Weltzugrunde

Glossar140

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Glossar 141

Statischer Naturschutzansatz: Naturschutzziele( Schutzziele) und Schutzobjekte werdenunbefristet festgelegt, Entwicklungsziele beziehensich auf zeitliche (z. B. historische Kulturland-schaften) oder theoretische (z. B. potenzielle na-türliche Vegetation) Referenzzustände (vgl. SCHER-ZINGER 1990; IBISCH und KREFT 2008)

Strategie: (Meist langfristig) geplante Verhaltensweisezur Erreichung von Zielen unter Berücksichtungsowohl der momentanen und der sich zukünftigeinstellenden internen Situation als auch der äu-ßeren Bedingungen

SWOT-Analyse: Die SWOT-Analyse (engl. Akronymfür Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen),Opportunities (Chancen) und Threats (Bedrohun-gen)) stellt ein unternehmerisches Instrument zurstrukturierten Erarbeitung von Handlungsoptionenbei Konfrontation mit externen Bedrohungen undzur Nutzung von Chancen dar (WIEDEMANN et al.2000)

Systemrisiko: ( Emergentes) Risiko, das erstdurch das Zusammenspiel von Systemelementenentsteht und sich nicht aus den Eigenschaften derbetreffenden einzelnen Systemelemente erklärenlässt

Szenario: Entwurf der Abfolge von möglichen Ereig-nissen in der Zukunft (mögliche Zukünfte oder Zu-kunftspfade). Die Entwicklung alternativer Szena-rien, u. a. der Worst case- und Best case-Szenarien, ist ein fundamentales Hilfsmittel, umdie Spannbreite denkbarer Risiken zu erfassen

Vulnerabilität: Verletzbarkeit bzw. Anfälligkeit (z. B.gegenüber dem Klimawandel). V. besteht aus denKomponenten Sensitivität (Empfindlichkeit), Expo-sitionsänderung (die zum Impakt verrechnet wer-den) und der Anpassungskapazität (Anpassungs-fähigkeit)

WETTREG-Simulationen: Simulationen für Tempera-turentwicklungen im 30-JahreZeitraum

Worst case: Bezeichnet den schlechtesten oder denungünstigsten (anzunehmenden) Fall und wird imBereich der Planung und Prognose verwendet. Der„schlimmste denkbare“ Fall dient dazu, auch auf dieungünstigste Entwicklung bei der Verwirklichung ei-nes Vorhabens/Plans/Projekts vorbereitet zu sein

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Autorenverzeichnis142

AutorenverzeichnisProf. Dr. Peter Spathelf Fachhochschule Eberswalde, Fachbereich für Wald und Umwelt, Fachgebiet Ange-

wandter Waldbau

Dr. habil. Ralf Kätzel Landesbetrieb Forst Brandenburg Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde, Lei-ter Fachbereich Waldentwicklung/Monitoring

Prof. Dr. Pierre L. Ibisch Fachhochschule Eberswalde, Fachbereich für Wald und Umwelt, Fachgebiet Naturschutz

Prof. Dr. Marc Hanewinkel Forstliche Versuchsanstalt Baden-Württemberg, Biometrie und Informatik, Arbeitsbe-reich Klimafolgenforschung

Dipl. Math. Petra Lasch Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e. V., Forschungsbereich II, Klimawirkungund Vulnerabilität

Martin Gutsch Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e. V., Forschungsbereich II, Klimawirkungund Vulnerabilität

Dr. Felicitas Suckow Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e. V., Forschungsbereich II, Klimawirkungund Vulnerabilität

Dr. Jens Schröder Landesbetrieb Forst Brandenburg, Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde,Fachbereich Waldentwicklung/Monitoring

Britta Kunze Fachhochschule Eberswalde, Studiengang International Forest Ecosystem Management

Dipl. Biologe Stefan Kreft Fachhochschule Eberswalde, Fachbereich Forstwirtschaft, Fachgebiet Naturschutz

Dr. Katrin Möller Landesbetrieb Forst Brandenburg, Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde,Fachbereich Waldentwicklung/Monitoring, Leiterin Hauptstelle Waldschutz

Dr. Matthias Schmidt NW FVA, Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt

Jürgen Bayer Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

Dr. Gerald Kändler Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Abteilung Biometrieund Informatik

Dr. Edgar Kublin Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Abteilung Biometrieund Informatik

PD. Dr. Ulrich Kohnle Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Abteilung Wald-wachstum

Prof. Dr. Winfried Riek Landesbetrieb Forst Brandenburg, Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde,Fachbereich Waldentwicklung/Monitoring

Dr. Martin Jenssen Waldkunde-Institut Eberswalde GmbH

Prof. Dr. Andreas Bolte VTI, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Waldökologie und Waldinventuren,Institutsleiter

Lars Schmidt DIE, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Abteilung IV: Umweltpolitik und Res-sourcenmanagement, Mitarbeiter/Wissenschaftlicher Stab

Michael Scholze Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ mbH

Jan Peter Schemmel Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ mbH

Alexander Fröde Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ mbH

Page 145: Wald im Klimawandel – Risiken und Anpassungsstrategienwebdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/yo/EfS/42.pdfEberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 42 Wald im Klimawandel – Risiken und

In der Eberswalder Forstlichen Schriftenreihe sind bereits erschienen:

Band 1 Paul-Martin Schulz: „Biographie Walter Pfalzgraf, des ersten Leiters des Zentralforstamtes in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 – 1948“, ISBN 3-933352-02-9

Band 2 Horst Mildner/Ekkehard Schwartz: „Waldumbau in der Schorfheide, zum Andenken an Oberlandforst-meister Dr. phil. Erhard Hausendorff“, ISBN 3-933352-06-1

Band 3 Dieter Heinsdorf u. a.: „Forstliche Forschung im Nordostdeutschen Tiefland (1992 – 1997)“,ISBN 3-933352-07-X

Band 4 Hans Hollender u. a.: „Planung der Waldentwicklung im Land Brandenburg, Vorträge zur Fachtagungam 4. November 1998 in Eberswalde“, ISBN 3-933352-10-X

Band 5 Ralf Kätzel u. a.: „Forstsaatgutprüfung in Eberswalde 1899-1999, Grundlage für eine nachhaltigeForstwirtschaft“, ISBN 3-933352-12-6

Band 6 Dieter Heinsdorf: „Das Revier Sauen – Beispiel für erfolgreichen Waldumbau“, ISBN 3-933352-22-3

Band 7 Klaus Höppner u. a.: „Ökologische und ökonomische Gesichtspunkte der Waldbewirtschaftung imsüdlichen Brandenburg“, ISBN 3-933352-24-X

Band 8 Hubertus Kraut/Reinhard Möckel: „Forstwirtschaft im Lebensraum des Auerhuhns, ein Leitfaden fürdie Waldbewirtschaftung in den Einstandsgebieten im Lausitzer Flachland“, ISBN 3-933352-23-1

Band 9 Ralf Kätzel u. a.: „Die Birke im Nordostdeutschen Tiefland; Eberswalder Forschungsergebnisse zumBaum des Jahres 2000“, ISBN 3-933352-30-4

Band 10 Sonderband; Abteilung Forstwirtschaft des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz undRaumordnung des Landes Brandenburg: „Landeswaldbericht 1997 und 1998, mit einem Sonderkapitel zurNaturalplanung in Brandenburg“, ISBN 3-933352-31-2

Band 11 Hans-Friedrich Joachim: „Die Schwarzpappel (Populus nigra L.) in Brandenburg“, ISBN 3-933352-32-0

Band 12 Christian Brueck u. a.: „Zertifizierung von Forstbetrieben. Beiträge zur Tagung vom 5. November1999 in Fürstenwalde/Spree (Brandenburg)“, ISBN 3-933352-34-7

Band 13 Dieter Heinsdorf, Joachim-Hans Bergmann: „Sauen 1994 – ein gelungener Waldumbau ...“,ISBN 3-933352-35-5

Band 14 Sonderband; Abteilung Forstwirtschaft des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz undRaumordnung des Landes Brandenburg: „Landeswaldbericht 1999 mit einem Sonderkapitel ,RegionalerWaldbericht für die Zertifizierung der Waldbewirtschaftung in Brandenburg‘“, ISBN 3-933352-37-1

Band 15 Winfried Riek u. a.: „Funktionen des Waldes und Aufgaben der Forstwirtschaft in Verbindung mitdem Landschaftswasserhaushalt“, ISBN 3-933352-47-9

Band 16 Jörg Müller u. a.: „Privatwald in Brandenburg – Entwicklung, Rahmenbedingungen und aktuelle Situation“, ISBN 3-933352-48-7

Band 17 Autorenkollektiv: „Die Schwarz-Erle (Alnus glutinosa [L.] GAERTN.) im nordostdeutschen Tiefland“,ISBN 3-933352-52-5

Band 18 Autorenkollektiv: „Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung in Brandenburg“, ISBN 3-933352-53-3

Band 19 Winfried Riek, Falk Stähr u. a.: „Eigenschaften typischer Waldböden im Nordostdeutschen Tieflandunter besonderer Berücksichtigung des Landes Brandenburg – Hinweise für die Waldbewirtschaftung“,ISBN 3-933352-56-8

Band 20 Autorenkollektiv: „Kommunalwald in Brandenburg – Entwicklung, Rahmenbedingungen und aktuelleSituation“, ISBN 3-933352-57-6

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Page 146: Wald im Klimawandel – Risiken und Anpassungsstrategienwebdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/yo/EfS/42.pdfEberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 42 Wald im Klimawandel – Risiken und

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Band 21 Autorenkollektiv: „Naturverjüngung der Kiefer – Erfahrungen, Probleme, Perspektiven“,ISBN 3-933352-58-4

Band 22 Jörg Müller u. a.: „Die zweite Bundeswaldinventur (BWI2) – Ergebnisse für Brandenburg und Berlin“,ISBN 3-933352-59-2

Band 25 Autorenkollektiv: „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft: Ökologischer Waldumbau im nordostdeutschenTiefland“

Band 24 Gerhard Hofmann/Ulf Pommer: Potentielle Natürliche Vegetation von Brandenburg und Berlin mitKarte im Maßstab 1 : 200 000, ISBN 3-933352-62-2

Band 25 Autorenkollektiv: Aktuelle Ergebnisse und Fragen zur Situation der Eiche und ihrer Bewirtschaftungin Brandenburg, ISBN 3-933352-63-0

Band 26 Wissenstransfer in die Praxis, Tagungsband zum 1. Eberswalder Winterkolloquium am 2. März 2006,ISBN 3-933352-64-9

Band 27 Die Schwarz-Pappel, Fachtagung zum Baum des Jahres 2006, ISBN 3-933352-63-0

Band 28 Naturschutz in den Wäldern Brandenburgs Beiträge der Naturschutztagung vom 2. November 2006in Eberswalde, ISBN 3-933352-97-8

Band 29 Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum zweiten Winterkolloquium am 1. März 2007 in Eberswalde

Band 30 Autorenkollektiv: Waldwachstumskundliche Grundlagen für eine effektive WaldbewirtschaftungZum 100. Geburtstag von Professor Dr. habil. Werner Erteld

Band 31 Autorenkollektiv: 100 Jahre Naturschutzgebiet Plagefenn. Ein Beispiel für erfolgreiches Zusammen-wirken von Forstwirtschaft und Naturschutz. Tagungsband zur Tagungs- und Exkursionsveranstaltung vom 11. – 12. Mai 2007 in Chorin.

Band 32 Autorenkollektiv: Die Kiefer im Nordostdeutschen Tiefland. Ökologie und Bewirtschaftung.

Band 33 Wald, Forstwirtschaft, Förster und Gesellschaft – Wälder schaffen Wachstum und sichern Lebens-grundlagen. Tagungsbericht der gemeinsamen Forstpolitischen Jahrestagung vom 14. Juni 2007 in Paaren/Glien.

Band 34 Joachim Groß: Waldfunktionen im Land Brandenburg

Band 35 Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum dritten Winterkolloquium am 28. Februar 2008 in Ebers-walde.

Band 36 Biodiversität-Lebensversicherung des Waldes-Tagungsband zur gemeinsamen Jahrestagung desMinisteriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz und des Brandenburgischen Forst-vereins e. V. am 24.04.2008 .

Band 37 Hohenlübbichow: Naturgemäße Waldwirtschaft zwischen Verklärung und Realität- Natur- und Land-schaftsschutz im Gebiet um Bellinchen/Bielinek und Hohenlübbichow/Lubiechów Górny.

Band 38 Heinsdorf, D.; Krauß, H.-H.: Herleitung von Trockenmassen und Nährstoffspeicherungen in Buchen-beständen.

Band 39 Hofmann, G. et al. Wildökologische Lebensraumbewertung für die Bewirtschaftung des wiederkäu-enden Schalenwildes im nordostdeutschen Tiefland.

Band 40 Wissenstransfer in die Praxis-Beiträge zum vierten Winterkolloquium am 26. Februar 2009 in Ebers-walde.

Band 41 Lockow, K.-W. Die Hainbuche im nordostdeutschen Tiefland-Wuchsverhalten und Bewirtschaftungs-hinweise.