Was macht die Kunst, DJSpooky? · 2012-11-01 · dene Formate, eine Datei zu spei chern. Stellen...

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DJ Spooky, eine Praxis verfolgen Sie in all den verschiedenen Medien, mit denen Sie arbeiten: das Sampeln vorhandenen Materials. Diese Idee haben Sie sicher aus der elektronischen Musik entlehnt. Eigentlich habe ich als Autor und Ktinst- ler angefangen, Musik war immer nur ein Ausdruck dessen, was ich u nter interdis- ziplinarem Design verstehe. Am Ende geht es doch immer urn D esign. Den- ken Sie daran, mit welchen Benutzer- oberfiachen wir heute hantieren, seien es Handys, Klingeltone, Instagram - es ist immer die Kunst, die das alles zusammenhalt. Bei Ihnen in Deutsch- land gibt es den Begriff ,Gesamt- kunstwerk", der ursprtinglich von R i- chard Wagner stammt. Sie sehen also keine Graben zwischen Lite· ratu r, Film, Musik? Das geht alles ineinander tiber. Als Kind war Kunst immer urn mich he- rum, das war nicht abgespalten von der Alltagswelt. Spater ha be ich Phi- losophie und franzosische Literatur studiert , und es ging mir immer urn den Dialog mit Kreativen. Zu meiner Peergroup zahlten KUnstler wie Cars- ten Nicolai, Le ute, die stets den Zu- sammenhang zwischen Grafikdesign und Musik im Blick hatten. Kiirzlich haben Sie das ,Book of Ice" verof- fentlicht, das Sie als Grafikdesigner gestal- teten. Sie haben keine Scheu, lhre Kompe- tenzen zu iiberschreiten. Auf keinen Fall! Das 21. Jahrhundert wird interdisziplinar. Das 20. war das J ahrhundert der Spezialisierungen , was sich beim fordistischen Arbeitsmo- dell zeigte, wo ein Spezialist genau ein Teil ftir das Auto herstellt. Aber dein Ge- hirn ist kein Auto! Das menschliche Vor- stellungsvermogen ist immer interdiszipli- nar. In den Stammesgesellschaften gibt es so viele wunderbare Arten, Fahigkeiten zu teilen. Die Digitalisierung wird sicher dabei helfen, Wissen zu verbreiten. Das Internet ist ein globales Klassenzim- mer. Es ist heute so schwierig, tiberhaupt noch auszumachen, wo ein kreativer Pro- zess anfangt und wo er aufhort. INTERVIEW Welche Rolle spielt in diesem dig ita len lnforma- tionszeitalter noch das Museum? Ich mag das deutsche Wort ,Wunderkam- mer": Auf Reisen werden Dokumente und Artefakte gesammelt, die dann als Attraktion prasentiert werden. Dieses Geftihl von Neuigkeitswert mtissen wir uns bewahren . Die Menschen haben die Was macht die Kunst, DJSpooky? Der Musiker, Autor und Gra- fi kdesigner tritt im Oktober ein einjahriges Residency- Programm im New Yorker Metropolitan Museum an - und will das Haus ordentlich aufmischen Tendenz, neue Energien mit alten Meta- phern zu belegen, sprechen bei Autos im- mer noch von , Pferd estarken ". Und das Museum ist heute ein toter Raum mit to- ten Objekten, in dem man auf Geschichte als etwas Abgeschlossenes schaut. Aber deshalb kann man sich im Museum doch der Betrachtung von Dingen noch in Ruhe wid men. Klar , aber die Dinge andern sich doch auch: In sie sind RFID-Chips eingepfianzt, sie konnen mit deinem Handy interagie- ren, auf sie sind QR-Codes gedruckt. All das verwandelt den physischen Raum mehr und mehr in eine Abstraktion. Was mach en Sie also mit dem Met, wenn Sie dort das Residency-Programm antreten? Ich mochte die Idee von Unbestandigkeit ins Museum bringen, gegen die Vorstel- lung einer permanenten Samml ung, de- ren Objekte beladen sind mit Geschichte. Ich mochte die Geschichte als Spielplatz begreifen, wie die Dada-Bewegung es ge- tan hat. Sampling bedeutet , mit Ge- schichte zu spielen. Ich sehe das Mu- seum wie eine Plattensammlung, die will ich remixen. Denn wir leben im Zeitalter des unvollendeten Kunst- werks. Man offnet eine digitale Datei lind verandert sie dadurch, es gibt im- mer mehrere Versionen und verschie- dene Formate , eine Datei zu spei- chern . Stellen Sie sich vor, wie viele Kinder gerade in diesem Bewusstsein aufwachsen und was das ftir eine gute Grundlage ftir Kreativitat ist! Totale Transformation auf allen Leveln und in jedem neuen Moment! Aura bedeutet Ihnen nichts? Ach, die Aura ist nur das, was man als Betrachter mitbringt. Alles kann Kopie sein. Kunstbetrachtung findet doch ftir die meisten Menschen heute in digitaler Form statt. Lasst uns damit spielen. Klingt, als sei das Museum nutzlos geworden. Nein, denn jetzt geht es urn das So- ziale. Es ist ein Raum , in dem Men- schen zusammenkommen und Wert herstellen konnen, indem sie etwa sa- gen: , Dieses Gemalde bedeutet uns etwas." Da s Museum ist ein sozialer Verstarker. Dabei geht es gar nicht urn das konkrete Haus , sondern eher urn die Idee von Museum. Sie sehen die reale Institution Museum also un - ter dem Druck, sich weiter zu offnen? In Los An- geles steht MoCA·Direktor Jeffrey Deitch gerade sehr in der Kritik, weil er so viel Pop ins Haus bringt. Jeffrey Deitch hat da einen anderen An- satz , er sucht eher den Karneval. Je tzt vergleicht man uns miteinander, aber das ist ungerecht - obwohl ich auch nichts ge- gen Jeffreys Programm habe. Es ist mir sehr vertraut aus den Clubs, in denen ich aufiege. Int erview: Daniel Volzke Die nachste Ausgabe von Monopol erscheint am 18. Oktober 2012 138 Das Jahresabo nne ment (12 A usga ben fOr 90,00 Euro) kiinnen Sie ganz einfach bestellen unter : www.monopol - magazin .de

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DJ Spooky, eine Praxis verfolgen Sie in all den verschiedenen Medien, mit denen Sie arbeiten: das Sampeln vorhandenen Materials. Diese Idee haben Sie sicher aus der elektronischen Musik entlehnt. Eigentlich habe ich als Autor und Ktinst­ler angefangen, Musik war immer nur ein Ausdruck dessen, was ich unter interdis­ziplinarem Design verstehe. Am Ende geht es doch immer urn D esign. Den­ken Sie daran, mit welchen Benutzer­oberfiachen wir heute hantieren, seien es Handys, Klingeltone, Instagram -es ist immer die Kunst, die das alles zusammenhalt. Bei Ihnen in Deutsch­land gibt es den Begriff ,Gesamt­kunstwerk", der ursprtinglich von Ri­chard Wagner stammt.

Sie sehen also keine Graben zwischen Lite· ratur, Film, Musik? Das geht alles ineinander tiber. Als Kind war Kunst immer urn mich he­rum, das war nicht abgespalten von der Alltagswelt. Spater habe ich Phi­losophie und franzosische Literatur studiert, und es ging mir immer urn den Dialog mit Kreativen. Zu meiner Peergroup zahlten KUnstler wie Cars­ten Nicolai, Leute, die stets den Zu­sammenhang zwischen Grafikdesign und Musik im Blick hatten.

Kiirzlich haben Sie das ,Book of Ice" verof­fentlicht, das Sie als Grafikdesigner gestal­teten. Sie haben keine Scheu, lhre Kompe­tenzen zu iiberschreiten. Auf keinen Fall! Das 21. Jahrhundert wird interdisziplinar. Das 20. war das J ahrhundert der Spezialisierungen, was sich beim fordistischen Arbeitsmo­dell zeigte, wo ein Spezialist genau ein Teil ftir das Auto herstellt. Aber dein Ge­hirn ist kein Auto! Das menschliche Vor­stellungsvermogen ist immer interdiszipli­nar. In den Stammesgesellschaften gibt es so viele wunderbare Arten, Fahigkeiten zu teilen.

Die Digitalisierung wird sicher dabei helfen, Wissen zu verbreiten. Das Internet ist ein globales Klassenzim­mer. Es ist heute so schwierig, tiberhaupt noch auszumachen, wo ein kreativer Pro­zess anfangt und wo er aufhort.

INTERVIEW

Welche Rolle spielt in diesem dig ita len lnforma­tionszeitalter noch das Museum? Ich mag das deutsche Wort ,Wunderkam­mer": Auf Reisen werden Dokumente und Artefakte gesammelt, die dann als Attraktion prasentiert werden. Dieses Geftihl von Neuigkeitswert mtissen wir uns bewahren. Die Menschen haben die

Was macht die Kunst, DJSpooky?

Der Musiker, Autor und Gra­fikdesigner tritt im Oktober ein einjahriges Residency­Programm im New Yorker Metropolitan Museum an -und will das Haus ordentlich aufmischen

Tendenz, neue Energien mit alten Meta­phern zu belegen, sprechen bei Autos im­mer noch von , Pferdestarken". Und das Museum ist heute ein toter Raum mit to­ten Objekten, in dem man auf Geschichte als etwas Abgeschlossenes schaut.

Aber deshalb kann man sich im Museum doch der Betrachtung von Dingen noch in Ruhe wid men. Klar, aber die Dinge andern sich doch auch: In sie sind RFID-Chips eingepfianzt, sie konnen mit deinem Handy interagie­ren, auf sie sind QR-Codes gedruckt. All das verwandelt den physischen Raum mehr und mehr in eine Abstraktion.

Was mach en Sie also mit dem Met, wenn Sie dort das Residency-Programm antreten? Ich mochte die Idee von Unbestandigkeit ins Museum bringen, gegen die Vorstel­lung einer permanenten Sammlung, de­ren Objekte beladen sind mit Geschichte. Ich mochte die Geschichte als Spielplatz begreifen, wie die Dada-Bewegung es ge-

tan hat. Sampling bedeutet, mit Ge­schichte zu spielen. Ich sehe das Mu­seum wie eine Plattensammlung, die will ich remixen. Denn wir leben im Zeitalter des unvollendeten Kunst­werks. Man offnet eine digitale Datei lind verandert sie dadurch, es gibt im­mer mehrere Versionen und verschie­dene Formate , eine Datei zu spei­chern. Stellen Sie sich vor, wie viele Kinder gerade in diesem Bewusstsein aufwachsen und was das ftir eine gute Grundlage ftir Kreativitat ist! Totale Transformation auf allen Leveln und in jedem neuen Moment!

Aura bedeutet Ihnen nichts? Ach, die Aura ist nur das, was man als Betrachter mitbringt. Alles kann Kopie sein. Kunstbetrachtung findet doch ftir die meisten Menschen heute in digitaler Form statt. Lasst uns damit spielen.

Klingt, als sei das Museum nutzlos geworden. Nein, denn jetzt geht es urn das So­ziale. Es ist ein Raum, in dem Men­schen zusammenkommen und Wert herstellen konnen, indem sie etwa sa­gen: , Dieses Gemalde bedeutet uns etwas." Das Museum ist ein sozialer Verstarker. Dabei geht es gar nicht urn

das konkrete Haus, sondern eher urn die Idee von Museum.

Sie sehen die reale Institution Museum also un­ter dem Druck, sich weiter zu offnen? In Los An­geles steht MoCA·Direktor Jeffrey Deitch gerade sehr in der Kritik, weil er so viel Pop ins Haus bringt. Jeffrey Deitch hat da einen anderen An­satz, er sucht eher den Karneval. Jetzt vergleicht man uns miteinander, aber das ist ungerecht - obwohl ich auch nichts ge­gen Jeffreys Programm habe. Es ist mir sehr vertraut aus den Clubs, in denen ich aufiege. Interview: Daniel Volzke

Die nachste Ausgabe von Monopol erscheint am 18. Oktober 2012 138 Das Jahresabonnement (12 Ausgaben fOr 90,00 Euro) kiinnen Sie ganz einfach bestellen unter: www.monopol -magazin.de