Wasserbauhalle wird Werkstatt - Bauwelt
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Die Wasserbauhalle der Technischen Universität Darmstadt muss mit ihrem wellenförmigen Dach über der außergewöhn-lich eleganten Glasfassade schon bei ihrer Fertigstellung 1955 beeindruckt haben. Die Versuchshalle des Instituts für Wasser-bau und Wasserwirtschaft mit dem 70 mal 25 Meter großen, stützenfreien Innenraum war eines der ersten neuen Gebäude auf dem leergeräumten Areal der im Zweiten Weltkrieg zer-störten Darmstädter Altstadt. Auch wenn die im Laufe der Zeit hinzugekommenen Hochschulgebäude die ursprüngliche Wahrnehmung des Gebäudes beeinträchtigen, zählt die mitt-lerweile denkmalgeschützte Halle inzwischen zu den markan-testen Hochschulbauten der TU.
Im März 1954 erhielt der Architekt Ernst Neufert (1900–1986), seit 1946 Professor in Darmstadt und Autor der be-rühmt-berüchtigten „Bauentwurfslehre“, den Auftrag für den Bau einer „Versuchsanstalt für Wasserbau“ mit Versuchshalle, Wasserturm, Unterrichts-, Arbeits- und Verwaltungsräumen. Gemeinsam mit Alfred Mehmel, Professor für Massivbau an der Fakultät Bauingenieurwesen, entwickelte Neufert ein sie-benjochiges Tragwerk aus Kreiszylinderschalen auf schlan-ken Stahlbetonstützen. Die teilweise nur sieben Zentimeter starken Spannbetonschalen des Daches – erprobt bereits am Bau von Flugzeughangaren – und die filigrane Südfassade prä-
gen das Erscheinungsbild des Gebäudes, das als beispielhaft für die an der Moderne orientierte Architektur der 1950er Jahre gilt.
Die alle zehn Meter die Schalenkonstruktion tragenden Stahlbetonstützen sind in Brüstungshöhe nach innen abge-winkelt und von außen in der bis unters Dach geführten, schlanken Stahl-Glas-Fassade nicht sichtbar. Zwei oberhalb der Schalen angeordnete Überzüge sorgen für Lastverteilung und Aussteifung. Der stützenfreie, lichte Innenraum blieb bis auf zwei an den Längsseiten eingelassene Tiefrinnen frei von festen Einbauten und wirkt – auch durch die komplett frei ge-haltene Untersicht der Schalen – groß und weit. In den jeweils knapp drei Meter tiefen Strömungskanälen floss das Wasser für die Modellversuche mit Staudämmen und Wasserbauten.
Im Westen schließen der fast 15 Meter hohe Wasserturm sowie ein Gebäuderiegel mit Seminarräumen unmittelbar an die Halle an. Das im Norden angrenzende, um ein halbes Ge-schoss abgesenkte zweigeschossige Gebäude für Büros und Werkstätten weist die für die Versuche notwendigen, direkten Blick- und Wegeverbindungen zur Halle auf. Die Anbauten sind Stahlbeton-Skelettkonstruktionen. Die Ausfachungen wurden, wie auch die Außenwände der Halle, in jenem gelben Klinker ausgeführt, der für Institutsbauten dieser Zeit typisch ist.
Wasserbauhalle wird WerkstattErnst Neuferts feingliedriger Hallenbau für die TU Darmstadt hat seine ursprüngliche Bestimmung verloren. Für die neuen Nutzer beschränkte sich Ramona Buxbaum auf kaum sichtbare Eingriffe, die die Eleganz des freitragenden Daches nicht beeinträchtigen.
Kritik Katja Klenz, Christof Bodenbach Fotos Thomas Eicken
Die filigrane Betonarchitektur profitierte von Neuferts kontinuierlich gesammelten Erfahrungen im Industriebau
Historisches Foto: TU Darmstadt, Archiv
Die Architektur der Versuchshalle ist am besten von Süden zu sehen. Im Westen schließen Wasserturm und Seminartrakt an, im Norden Werkstätten und Büros.
Arbeitscharakter gewahrtNoch bis 2010 diente die Halle den Versuchen des Wasserbau-instituts. Dann zog dieses auf den „Campus Lichtwiese“ und komplettierte die in den 1970er Jahren begonnene Verlagerung des Fachbereichs Bauingenieurwesen. Zukünftig sollen die zen-tralen Werkstätten der Universität die Halle nutzen. Sie waren bisher im Keller des alten Hauptgebäudes untergebracht und mussten schon aus brandschutztechnischen Gründen eine neue Bleibe bekommen. Eine Wahl, die angemessen erscheint: Mit der neuen Nutzung bleibt der bisherige Arbeitscharakter des Gebäudes jedenfalls gewahrt.
Zunächst waren jedoch die Sicherung und die energeti-sche Verbesserung des Bestands erforderlich, der bis dato nur wenige Ausbesserungen erfahren hatte. Fassade und Tragwerk wiesen starke Witterungsschäden auf, die ungedämmte Dach-haut und die Einfachverglasung waren energetisch unzurei-chend. Die mit der Sanierung beauftragte Darmstädter Archi-tektin Ramona Buxbaum, vertraut mit den Bauten Neuferts und überzeugt von deren Qualitäten, hat ihren Bürositz in der von Neufert gebauten „Planstatt“. Sie war – noch in Zusam-menarbeit mit Peter Karle – bereits mit der Revitalisierung des Neufert’schen Ledigenwohnheims in Darmstadt (Bauwelt 5. 2003) sowie dessen Raststätte Pfungstadt befasst. Die Wasser-
bauhalle ist für Buxbaum das Ergebnis einer „idealen Zusam-menarbeit von Architekt und Ingenieur“. Die notwendigen Eingriffe sollten den Gebäudecharakter unterstützen und le-diglich dort, wo nötig, reparieren. Die nur oberflächlich korro-dierten Betonbauteile wurden behandelt, und die ursprünglich weiße Betonoberfläche wurde mit einem epoxydhaltigen Repa-raturmörtel ebenso aufgefrischt wie das Grau der abgesetzten Stützen und Binder. Dabei blieb die vorhandene raue Struktur der Schalbretter sichtbar. Der kostenintensivste Part der Beton-sanierung war allerdings die erforderliche, vollständige Einrüs-tung des Halleninneren. Die gewölbten Dachflächen und die geneigten Pultdächer des Nord- und des Westriegels erhielten eine sich zum Rand hin verjüngende Wärmedäm mung; die in die Stützen eingebetteten, korrodierten Fallrohre der Dachent-wässerung wurden durch Edelstahlrohre ersetzt.
Die größte Herausforderung stellte die großzügig ver-glaste Südfassade der Halle dar. Die filigrane, stark korrodierte Stahlkonstruktion war – aus statischer Sicht und mit Hinblick auf die Nachrüstung mit Isolierverglasung – nicht zu halten, die neue Konstruktion entspricht jedoch in Aufteilung und Profilbreite dem Original.
Ebenso sorgfältig gingen die Architekten mit den Details des Bestands um und griffen dabei auch auf das Knowhow der
Bauwelt 33 | 201224 Bauwelt 33 | 2012 25Thema Industriebauten, neu genutzt
Architekt 1955Ernst Neufert (1900–1986)
Architekten Umnutzung 2006–11P. Karle/R. Buxbaum, Darmstadt (Gutachten); Ramona Buxbaum (Planung und Realisierung)
MitarbeiterSvenja Krug, Jörn Nitschke, Lena Henschel, Jens Beck, Günter Möller, Joachim Britz, Rodolfo Tarulli
TragwerksplanungKlaus Keller, Darmstadt
Dynamische GebäudesimulationStahl + Weiß, Freiburg
BauherrTechnische Universität Darmstadt, vertreten durch Dezernat V – Bau und Immobilien
Die Neukonstruktion der Fassade folgt der ursprünglichen Erscheinung
Grundriss und Schnitte im Maßstab 1:750
TU Darmstadt zurück. So fertigte das Institut für Kunststoff-technik die geriffelten Türgriffe nahezu originalgetreu an; er-halten blieben zudem die beiden uhrförmigen Wasserstands-anzeiger an der westlichen Kopfseite der Halle.
Der Reiz der frei tragenden SchaleDerzeit wird der Bereich zwischen den Kanälen für die zentra-len Werkstätten unterkellert; die Tiefrinnen werden zukünf-tig sämtliche Leitungen aufnehmen. Eingestellte Raumboxen sollen den offenen Charakter der Halle erhalten, und ange-lehnt an die ursprüngliche Nutzung wird der größte Teil der Hallenfläche als Montageplatz mit Maschinen und Werkbän-ken bestückt werden. Die ehemaligen Institutsräume dienen dann als Büro-, Besprechungs- und Nebenräume. Sämtliche Außenfenster sind bereits durch Nachbildungen ersetzt wor-den. Bei den Um- und Ausbauten sind, bis auf wenige Verände-rungen der Raumzuschnitte und eine neue, gedämmte Boden-platte, keine konstruktiven Eingriffe nötig, ganz im Sinne des respektvollen Ansatzes, dessen Ziel es war, die lichte Atmo-sphäre und den für Neufert wichtigen „Reiz der freien tragen-den Schale“ für die neuen Nutzer zu bewahren. ▪
-0,05
Dreh-Kipp-Flügel Dreh-Kipp-Flügel Dreh-Kipp-Flügel Dreh-Kipp-Flügel
-0,04
Zugang HalleRWA Zuluft (mind.1,69 qm)
LamellenfensterRWA Abluft (ca.0,08 qm)
10,00 10,00
25 9,75 25 9,71 30
G H J
833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833
4 793 4 793 4 793 4 788 5 788 4 793 4 793 4 788 5 788 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 788 5 788 4 793 4 788 5 788 4 793 4 788 5 788 4 793 4 793 3 6
A A C A.1 B A A A B A.1 C A A A A B.1 A A B A A B.1 A A
11 2 2
+1,375
3 3
+ 6,375
Tropfkante ist auszubilden
95
40 40
20
30
Anschluss anSichtmauerwerk
Befestigung PfostenRiegel nach Statischer Erfordernis
Profil D
Langlochanschluss nach Angaben Fassadenstatiker40
Befestigung Stahlpfosten wenn möglich an vorh. Stahleinbauteile bzw. nach Angaben Fassadenstatiker
Dicke Wärmedämmung und WLG nach definition Wärmeschutz
Profil D
Profilübersicht 1:5
A B C D E F G H J
1
2
3
4
5
6
7
8
9
ÜBERSICHT DETAILS
40 25
60
wie Profil A
95
50
50
Anschluss anSichtmauerwerk
ca. 5
Vertikalschnitt 1-1 1:5
Horizontalschnitt 2-2 1:5Südseite
40
25
608
25
60
40
8
4-fach gekanteter Stahl zur Befestigung Leuchte (siehe Detail)10
0
45
75
40
8
95
50
50
8
50
958
55
100
4-fach gekanteter Stahl zur Befestigung Leuchte (siehe Detail)
+ 3,055
+0,00
355
2,06
4
20 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 4 755 3 955 695 4 695 41
4 695 4 695 5 95 3 755 4 755 4
2,05
41,
653
2
456789
2,50 3,125 3,125 3,125 3,125 3,125
54 9,802 365 4,02 365
191,
786
42
365 1
3
32
395 14 61 4 61 10 15 61 4 61 14
953
32
3
1
365
132,
705
1112
2 1
-0,05
AA AA AA AA AA A A A A
3,84
22 1,60
21
1,82
957
3,05
5
1,86
5
5,27
44
55
66
3 3
Zugang HalleRWA Zuluft (mind.1,69 qm)
Tor, 2-flügligRWA Abluft (aerodynamische Fläche mind. 2,52 qm)
LamellenfensterRWA Abluft (ca.0,08 qm)
24 135 45 2,333 45 2,455 45 2,455 45 2,333 45 20
4 55 55 2555
135 9,80 20
135 2,275 225 2,275 225 2,275 225 2,275 25
99
1,75
512
5
2,269
GHJ
+1,375
+0,00
+ 3,075
10,00 10,00
Wendefenster Wendefenster
41,
644
2
42,
024
1,70
1,37
5
65
6 4 783 4 793 4 788 5 788 4 793 4 788 5 788 4 793 4 788 5 788 4 793 4 753 4 833 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4 793 4
833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833 833
+ 6,375
BB.1A A A A A A B.1 A A A A A A A A A A A A A A A
7 7
3,26
42
Fassadensystematik Ost 1:100
Fassadensystematik Nord 1:100 Fassadensystematik Süd 1:100
40
60 8
60
Horizontalschnitt 3-3 1:5Gebäudeecke
40 40
958
TYP A TYP C
TYP B TYP A
TYP D TYP E
95
40
40
Anschluss anSichtmauerwerk
35
Horizontalschnitt 1:5Anschluss Südfassade an Turm
Profil D
40
Vertikalschnitt 4-4 1:5
Hohlraum fürELT-Leitung
Leuchte:abbauen, einlagern, wieder montieren
95
40
40
Anschluss anSichtbeton
10
Horizontalschnitt 5-5 1:5Anschluss an Stütze
95
4040
Profil D
Vertikalschnitt 6-6 1:5
Sicht-mauerwerk
Sicht-beton
40
Horizontalschnitt 7-7 1:5Nordseite
KONSTRUKTIONP-R-Konstruktion, Stahl,Profile gem. Vermaßung bzw.nach Angaben Fassadenstatik
Verglasung: 2-fach,Ug-Wert= 1,06 W/m Kg-Wert= 0,59Stahlprofile + Abdeckung Pulver-beschichtung RAL nachAngaben Auftraggeber
2
Grundriss Leuchte 1:5 Ansicht Leuchte Bestand 1:5
Horizontalschnitt Profil A Horizontalschnitt Profil A.1 Horizontalschnitt Profil B Horizontalschnitt Profil B.1 Horizontalschnitt Profil C Vertikalschnitt Profil D
Flansch- und Stegdicke überall 5 mm, bzw. nach statischer Erfordernis
Dazu auf Bauwelt.de | Bildstrecke:1955 – Ernst Neuferts Wasserbau
halle entsteht
Bauwelt 33 | 201226 Bauwelt 33 | 2012 27Thema Industriebauten, neu genutzt