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Atlas der Zivilgesellschaft Report zur weltweiten Lage 2019 Begleittext zur PowerPoint- Präsentation

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Atlas der Zivilgesellschaft Report zur weltweiten Lage 2019Begleittext zur PowerPoint-Präsentation

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EinführungBrot für die Welt arbeitet weltweit mit über tausend zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen zusammen. Diese konnten in den vergangenen sechs Jahrzehnten gewaltige Fortschritte erzielen, indem sich die Lebensbedingungen und die rechtliche Situation der Bevölkerung verbessert haben oder ökologische Schutzmaßnahmen erfolgreich umgesetzt wurden.

Die Lage hat sich jedoch zugespitzt. Viele Partner berichten heute über massive Einschränkungen ihrer Arbeit. Teilweise richten sich diese systematisch gegen ganze Organisationen, teilweise gegen einzelne Personen. Es geht um Überwachung, bürokratische Überregulierung und Schikanen, eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten, Arbeitsverbote oder sehr häufig auch um persönliche Gefährdung.

Im Rahmen des Schwerpunktthemas der 60. Aktion „Hunger nach Gerechtigkeit“ bietet Brot für die Welt diese Präsentation an. Sie basiert auf dem Atlas der Zivilgesellschaft 2019.

Didaktische HinweiseDie 54-seitige Foliensammlung und der vorliegende Begleittext richten sich an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die über die weltweit angespannte Situation der Zivilgesellschaft informieren wollen. Die vorhergehende Lektüre des Atlas der Zivilgesellschaft 2019 ist wichtige Voraussetzung für das Gesamtverständnis und ermöglicht einen vertieften Hintergrund. Download: https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/atlas-der-zivilge-sellschaft/www.brot-fuer-die-welt.de/themen/atlas-der-zivilgesellschaft/

Länderbeispiele auswählenDie aktuelle Situation der Zivilgesellschaft wird anhand von vier ausgewählten Ländern (Kirgisistan, Mexiko, Simbabwe, Ungarn) vorgestellt. Es empfiehlt sich, ein bis zwei Länderbeispiele auszuwählen und die Präsentation entsprechend anzupassen

Lese-Tipp Hintergrundinfo zur Definition und zum Verständnis des Begriffs Zivilgesellschaft https://www.zze-freiburg.de/assets/pdf/Unser-Verstaendnis-von-Zivilgesellschaft-zze.pdf (Letzter Aufruf am 23.04.2019)

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FolienübersichtNr. Abschnitt Titel1 Startfolie2 Einführung Einschränkung der Zivilgesellschaft3 Übergangsfolie Inhaltsübersicht4 Zivilgesellschaft Eine Erklärung5 Übergangsfolie Inhaltsübersicht6 CIVICUS Monitor7 CIVICUS Einstufungen8 CIVICUS Ergebnisse nach Weltbevölkerung9 CIVICUS Ergebnisse nach Staaten10 Übergangsfolie Inhaltsübersicht11 Arten der Einschränkung Verhaftungen

Tötung von Landrechtsverteidigern12 Arten der Einschränkung Gewalt gegen Demonstranten

Unterdrückung der Vereinigungsfreiheit

13 Arten der Einschränkung Meinungs- und Pressefreiheit in GefahrBedrohung durch Diffamierung

14 Einschränkungen Dokumentierte Vorfälle 2016 - 201815 Die Rolle von

UnternehmenKonflikte um Land und Bodenschätze

16 Übergangsfolie Inhaltsübersicht17 Einschränkungen

nach RegionenAmerika

18 Einschränkungennach Regionen

Afrika

19 Einschränkungennach Regionen

Europa

20 Einschränkungennach Regionen

Asien

21 Einschränkungennach Regionen

Ozeanien

22 Übergangsfolie Inhaltsübersicht23 Kirgisistan Russisch Roulette24 Kirgisistan Druck auf Zivilgesellschaft nimmt zu25 Kirgisistan Wenig Vertrauen in die Regierung26 Kirgisistan Mangelnde Unabhängigkeit der

Justiz27 Mexiko Simulation eines Rechtsstaats28 Mexiko Ermordungen und

Verschwindenlassen29 Mexiko Drogenbosse morden für Politiker30 Mexiko Journalisten im Visier31 Simbabwe Unsichere Zukunft32 Simbabwe Präsident aus altem Macht-Apparat33 Simbabwe Chance zur politischen Erneuerung

3Brot für die Welt | Atlas der Zivilgesellschaft 2019 | Begleittext zur PowerPoint-Präsentation

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34 Simbabwe Stimmung nach den Wahlen35 Simbabwe Repressionen schlecht für

Entwicklung36 Ungarn Feindbild Flüchtlinge37 Ungarn Die politische Lage38 Ungarn Gefängnisstrafe für humanitäre

Hilfe39 Ungarn Aktivisten verlassen das Land40 Übergangsfolie Inhaltsübersicht41 Zivilgesellschaft Basis für nachhaltige Entwicklung42 Zivilgesellschaft Krise der weltweiten Demokratie43 Zivilgesellschaft Aktiv und auch erfolgreich44 Zivilgesellschaft Wichtig für nachhaltige Entwicklung45 Übergangsfolie Inhaltsübersicht46 Zivilgesellschaft Was tut Brot für die Welt (1)47 Zivilgesellschaft Was tut Brot für die Welt (2)48 Übergangsfolie Inhaltsübersicht49 Zivilgesellschaft Forderungen an die Politik (1)50 Zivilgesellschaft Forderungen an die Politik (2)51 Übergangsfolie Inhaltsübersicht52 Zivilgesellschaft Was können Sie tun?53 Schlussfolie Vielen Dank!54 Schlussfolie Impressum

Atlas der Zivilgesellschaft 2019 – Report zur weltweiten Lage

1. Startfolie2. Einschränkung der Zivilgesellschaft

Die Bedeutung des Themas für Brot für die WeltBrot für die Welt arbeitet weltweit mit über tausend zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen zusammen. Diese konnten in den vergangenen – bald sechs – Jahrzehnten gewaltige Fortschritte erzielen, indem sich die Lebensbedingungen und die rechtliche Situation der Bevölkerung verbessert haben oder ökologische Schutzmaßnahmen erfolgreich umgesetzt wurden.

Die Lage hat sich jedoch zugespitzt. Viele Partner berichten heute über massive Einschränkungen ihrer Arbeit. Teilweise richten sich diese systematisch gegen ganze Organisationen, teilweise gegen einzelne Personen. Es geht um Überwachung, bürokratische Überregulierung und Schikanen, eingeschränkte Finanzierungsmöglichkeiten, Arbeitsverbote oder sehr häufig auch um persönliche Gefährdung.

Wen trifft es dabei besonders? Massiv behindert werden gerade diejenigen Menschen und Organisationen, die sich für gerechte Verhältnisse und für die Rechte der Schwachen und Ausgegrenzten einsetzen. Besonders gefährdet sind

4Brot für die Welt | Atlas der Zivilgesellschaft 2019 | Begleittext zur PowerPoint-Präsentation

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Menschenrechtsverteidiger*innen – besonders auch Frauenrechtsaktivistinnen, obwohl viele von ihnen international anerkannt und mit renommierten Preisen ausgezeichnet sind.

Diese angespannte Situation hat auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Brot für die Welt mit seinen Partnerorganisationen. Projektpartner verlieren zum Beispiel ihre Arbeitsregistrierung oder können keine Gelder von Brot für die Welt aus dem Ausland erhalten, weil Projektkonten gesperrt sind. Oder Mitarbeitende von Brot für die Welt haben Schwierigkeiten, Visa für Projektbesuche zu erhalten.

Gleichzeitig ist zu beobachten, dass auch Demokratie und Menschenrechte weltweit unter Druck geraten. Nachdem die Zahl der Demokratien seit den 70er Jahren bis 2012 kontinuierlich gestiegen war, ist die Zahl in den letzten Jahren wieder zurückgegangen.Das alles lässt Brot für die Welt als Entwicklungswerk, das mit zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen in mehr als 90 Ländern zusammenarbeitet, nicht unberührt. Denn die Stärkung der globalen Zivilgesellschaft ist ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit. Starke und unabhängige zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen sind das kritische Gegenüber von Politik. Sie sind Motor von sozialer und nachhaltiger Entwicklung.

3. Übergangsfolie – Inhaltsübersicht4. Zivilgesellschaft – eine Erklärung

Die Zivilgesellschaft ist der Bereich jenseits von Staat, Wirtschaft und Privatem. Hier sind Vereinigungen und Vereine, Initiativen und Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen (NRO; engl. NGOs) und Nonprofit-Organisationen im öffentlichen Raum für das Gemeinwohl aktiv. Neben verfassten Organisationen gehören auch informelle Zirkel oder soziale Bewegungen zur Zivilgesellschaft. Voraussetzung für die Aktivitäten von Zivilgesellschaft sind individuelle und kollektive Freiheiten, wie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Sie müssen vom Staat eingeräumt werden und der Staat sollte das Engagement aktiv ermöglichen. Zivilgesellschaft definiert sich auch dadurch, dass sie gesellschaftliche Werte wie Gewaltfreiheit, Menschenwürde, Rechtstaatlichkeit oder demokratische Partizipation teilt. So sieht es das Zentrum für Zivilgesellschaftliche Entwicklung (ZZE) – Brot für die Welt schließt sich diesem Verständnis an.

5. Übergangsfolie – Zur weltweiten Lage der Zivilgesellschaft6. Der CIVICUS-Monitor

Der Atlas der Zivilgesellschaft beleuchtet die Aktionsräume (engl. Civic Space) und die Einengung (engl. Shrinking Space) der

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Zivilgesellschaft weltweit und bewertet sie. Er stützt sich auf Daten von CIVICUS, der Weltallianz zur Bürgerbeteiligung mit Sitz in Südafrika. CIVICUS veröffentlicht laufend Informationen und Analysen zum Grad der Freiheit der Zivilgesellschaft in 195 Ländern. Rund zwei Dutzend Analysten werten kontinuierlich Berichte von hunderten lokalen NGOs und zahlreichen internationalen Partnerorganisationen sowie öffentliche Quellen aus. Die Quellen werden in einem standardisierten Verfahren evaluiert und die Ergebnisse von externen Experten und Expertinnen geprüft.

7. CIVICUS-EinstufungenCIVICUS teilt den Grad der Freiheit in fünf Stufen ein: offen, beeinträchtigt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen.Offen Der Staat ermöglicht und sichert allen Menschen zivilgesellschaftliche Freiheiten. Es ist ihnen ohne rechtliche oder praktische Hürden möglich, Vereinigungen zu bilden, im öffentlichen Raum Demonstrationen abzuhalten und Informationen zu erhalten und zu verbreiten.Beeinträchtigt Einzelpersonen und zivilgesellschaftlichen Organisationen ist es überwiegend gestattet, ihre Rechte zur Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit auszuüben. Trotzdem kommen Verletzungen dieser Rechte vor.Beschränkt Eine freie Grundrechtsentfaltung wird von den Regierenden durch eine Kombination aus rechtlichen und praktischen Einschränkungen behindert. Zivilgesellschaftliche Organisationen existieren zwar, staatliche Stellen versuchen aber, sie zu zersetzen.Unterdrückt Der zivilgesellschaftliche Raum ist stark eingeschränkt. Aktivisten und Aktivistinnen, die diejenigen an der Macht kritisieren, riskieren es, überwacht, drangsaliert, eingeschüchtert, inhaftiert, verletzt oder sogar getötet zu werden.Geschlossen Der zivilgesellschaftliche Raum ist – in rechtlicher und praktischer Hinsicht – komplett geschlossen. Es herrscht eine Atmosphäre der Furcht, in der staatliche und mächtige nichtstaatliche Akteure ungestraft davonkommen, wenn sie Menschen für die Wahrnehmung ihrer Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheiten inhaftieren, körperlich misshandeln oder töten. Jegliche Kritik am herrschenden Regime wird schwer bestraft.

Hintergrund: Neue BerechnungsmethodeCIVICUS hat im März 2018 die Berechnungsmethode minimal modifiziert. Die mathematische Berechnungsformel der Grunddaten des Monitors, die auf weltweiten Berichten sowie Recherchen von CIVICUS basieren, wurde geändert. Damit wurden Ungenauigkeiten bei anfallendem Auf- bzw. Abrunden behoben. Besonders betroffen sind Staaten, die sehr knapp zwischen zwei Kategorien lagen. Die deutlichsten Veränderungen

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gab es zwischen den Kategorien „offen“, „beeinträchtigt“ und „beschränkt“. 2018 wurden 44,6 Prozent aller Staaten weltweit in die Kategorien „offen“ und „beeinträchtigt“ eingruppiert. Nach der neuen Berechnungsmethode liegt der Anteil der Staaten in den Kategorien „offen“ und „beeinträchtigt“ nur noch bei 43,9 Prozent.

8. Ergebnisse der CIVICUS-Analyse nach WeltbevölkerungNur vier Prozent der Weltbevölkerung genießen heute uneingeschränkte zivilgesellschaftliche Freiheiten, das sind 282 Millionen Menschen. Sie leben in den 45 Staaten, die die Menschenrechte voll respektieren und schützen. In ihnen wird der sogenannte Civic Space, der Raum für zivilgesellschaftliches Handeln, deshalb als „offen“ eingestuft.

In weiteren 40 Staaten sind Grundfreiheiten ebenfalls grundsätzlich gegeben, wenn auch „beeinträchtigt“. Hier leben rund 1.043 Millionen Menschen.

Rund 2,7 Milliarden Menschen leben in 53 Staaten in einer Zivilgesellschaft,die „beschränkt“ ist.

In 35 Staaten leben 1,4 Milliarden Menschen, die der CIVICUS-Monitor als „unterdrückt“ einstuft.

Vollständig „geschlossen“ ist der Civic Space in 23 von 196 Staaten mit rund 2 Milliarden Menschen. Ein alarmierender Befund: Für ein knappes Drittel der Weltbevölkerung wird zivilgesellschaftliches Handeln durch Gewalt vollständig unterbunden.

9. Ergebnisse der CIVICUS-Analyse nach StaatenDiese Folie zeigt die Ergebnisse noch einmal bezogen auf Staaten. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Überall auf der Welt wird es schwieriger, die Regierenden infrage zu stellen oder zu kritisieren. Nie zuvor in den letzten 25 Jahren wurde die weltweite Zivilgesellschaft so bedrängt und unterdrückt wie heute.

10. Übergangsfolie – Wie wird die Zivilgesellschaft eingeschränkt?

11. Arten der EinschränkungVerhaftungenBesonders häufig sperren Regierungen diejenigen einfach weg, die widersprechen. Das ist zugleich ein Signal an alle anderen: Wer es wagt, weiter politisch aktiv zu sein, muss mit demselben Schicksal rechnen. Umweltschützer*innen sind davon genauso betroffen wie NGO-Mitarbeitende, Aktivisten, Oppositionelle oder

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Journalisten. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsverteidiger*innen, die auf staatliche Gewalt wie das Verschwindenlassen von Menschen oder Kriegsverbrechen aufmerksam machen.

Häufig gehen Angriffe gegen die Zivilgesellschaft von staatlichen Stellen aus. Ebenso sehr kann aber fehlende Staatlichkeit die Zivilgesellschaft bedrohen oder völlig ausschalten. Ein gescheiterter Staat (Failed State) besitzt keine funktionierenden Institutionen, deshalb ist dort eine handlungsfähige Zivilgesellschaft besonders gefährdet: Jemen oder Libyen fallen im CIVICUS-Monitor bspw. in diese Kategorie, in der der Handlungsraum „geschlossen“ ist.

12. Arten der EinschränkungGewalt gegen DemonstrantenDie Geschichte zeigt, dass es fast immer der Druck von der Straße ist, der staatliches Unrecht beendet oder Abhilfe bei Missständen schafft. Das wissen autoritäre oder korrupte Regime genau – und betrachten die Versammlungsfreiheit deshalb als Gefahr.

Die Entwicklungen der Technik machen es in der jüngsten Vergangenheit jedoch leichter, Angriffe gegen friedliche Versammlungen zu dokumentieren: Weil immer mehr Demonstranten und Demonstrantinnen Handys mit Foto und Videokamera haben, können sie entsprechende Vorfälle filmen. So fällt es Regierungen schwerer, ihr Vorgehen im Nachhinein abzustreiten.

Unterdrückte VereinigungsfreiheitImmer häufiger versuchen Regierungen, die Arbeit von NGOs durch neue Gesetze zu behindern. Sie sollen eine Förderung der Arbeit aus dem Ausland unmöglich machen. Solche Gesetze bedeuten für die betroffenen Organisationen in der Regel den Verlust der finanziellen Grundlage ihrer Arbeit.

Selbst wenn in einzelnen Schwellenländern langsam eine lokale Spendenkultur entsteht, ist es meist unmöglich, den plötzlichen Wegfall von Zuwendungen aus dem Ausland auszugleichen. In vielen Ländern müssen sich NGOs registrieren lassen, um weiterhin Mittel aus dem Ausland erhalten zu können. Wenn diese Registrierung verweigert wird, kann dies zur Beendigung von wichtigen Projekten führen. Schlimmstenfalls müssen die betroffenen NGOs ihr Büro ganz schließen.

Der Zugang zu finanziellen Ressourcen wird deshalb als Bestandteil der Vereinigungsfreiheit angesehen. Zwölf Staaten haben 2017 Gesetze eingebracht oder beschlossen, um die Finanzierung von NGOs zu regulieren. Unter ihnen sind

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demokratische Staaten wie Kolumbien ebenso wie autoritäre Regime, etwa Ägypten.

Dies ist ein direkter Angriff auf moderne, zivilgesellschaftliche Entwicklungszusammenarbeit. Denn sie setzt – anders als häufig in der Vergangenheit – auf die Stärkung von Partnerorganisationen im globalen Süden.

Weitere Methoden, mit denen Staaten gegen die Vereinigungsfreiheit vorgehen und die Arbeit von NGOs gezielt behindern, sind höhere Steuern, übertriebene Kontrollen, aufwendige und langwierige Genehmigungsverfahren, verstärkte Berichtspflichten sowie die missbräuchliche Anwendung von Verordnungen.

13. Arten der EinschränkungMeinungs- und Pressefreiheit in GefahrJournalisten und Journalistinnen haben für die Zivilgesellschaft eine besondere Funktion. Sie sind es, die Öffentlichkeit herstellen, wenn zivilgesellschaftliche Gruppen Missstände aufdecken. Deshalb stehen sie besonders im Fokus von autoritären und korrupten Regimen.

Mit welcher Brutalität manche Herrscher gegen Kritikerinnen und Kritiker vorgehen, hat die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Generalkonsulat von Saudi-Arabien im Jahr 2018 gezeigt.

Zunehmend geraten auch das Internet und die sozialen Medien ins Visier. Inhalte werden gefiltert, blockiert, gehackt, Server geschlossen, Seiten gesperrt, Dienste verboten. Teils wird gleich das gesamte Internet heruntergefahren, der Zugang begrenzt oder Äußerungen protokolliert. Neun Staaten weltweit haben 2017 Gesetze eingebracht oder beschlossen, um das Internet zu kontrollieren, darunter Kanada, Frankreich und Mexiko.

Bedrohung durch DiffamierungDie Strategie, internationale NGOs als äußere Feinde des Staates zu bekämpfen, hat sich in letzter Zeit weltweit verbreitet.Die Diffamierung zielt auch darauf ab, zivilgesellschaftlichen Organisationen die Legitimation und Anerkennung für ihre Arbeit abzusprechen. Da meist auch die staatsgelenkten oder andere von der Regierung beeinflusste Medien diese Kampagnen mit ihrer Berichterstattung unterstützen, nimmt der Rückhalt in der Bevölkerung oft dramatisch ab.

14. Überblick: Dokumentierte Vorfälle von 10/2016 – 10/2018Staatliche Zensur - 360Übermäßige Gewalt staatlicher Sicherheitskräfte - 320

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Auflösung von Protestaktion – 296Verbot von Protestaktion - 190Internierung von Aktivisten - 563Angriffe auf Journalisten - 368Schikanierung von Aktivisten - 321Einschüchterung von Aktivisten - 305

15. Die Rolle von Unternehmen - Konflikte um Land und BodenschätzeVon den 100 größten Wirtschaftsakteuren der Welt waren im Jahr 2016 nur noch 31 Staaten. 69 von ihnen sind transnationale Unternehmen. Entsprechend stärker wird deren Einfluss auf die Zivilgesellschaft. Diese Entwicklung fällt zusammen mit einer zunehmend neoliberal ausgerichteten Politik. Typisch für diese Politik ist der Abbau staatlicher Infrastruktur zugunsten des privaten Sektors. Wasserwerke, Müllabfuhr, Altersversorgung, Bildung oder öffentlicher Nahverkehr werden beispielsweise in die Hände von Unternehmen gelegt. Proteste gegen die Folgen neoliberaler Politik werden staatlicherseits oft unterdrückt. Im Fokus stehen dabei häufig Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen.

Besonders im Agrar- und Bergbausektor kollidieren Menschenrechte oft mit Geschäftsinteressen. Hier sind oft die Rechte von Minderheiten, armen oder marginalisierten Bevölkerungsgruppen oder die Rechte traditioneller Gemeinschaften in Gefahr. Ihre Gebiete werden zum Abbau von Bodenschätzen oder als industrielle Anbauflächen freigegeben. Häufig geschieht dies ohne eine vorher eingeholte qualifizierte Zustimmung der Menschen, die dort leben. Unternehmen profitieren dabei von einer geringen Alphabetisierungsrate und informieren die betroffenen Gemeinden oft nur unzureichend.

Zwar wehren sich traditionelle Gemeinschaften bisweilen gegen den Ausverkauf ihres Landes. Dann aber bestehe laut CIVICUS die Gefahr, dass sie mit Gewalt konfrontiert würden, die von „mächtigen Unternehmen finanziert und durch staatliche Akteure unterstützt“ würde. CIVICUS kritisiert die oft enge, teils korrupte Verflochtenheit großer Unternehmen mit politischen Entscheidungsträgern. Dies führe häufig dazu, dass selbst Fälle von extremer Gewalt strafrechtlich nicht verfolgt werden.

Foto: Umweltverschmutzung und Abraumhalden prägen das Gesicht der Bergstadt La Oroya in den Zentralanden Perus. Ausländische Firmen haben nach der Privatisierung der staatlichen Bergbaubetriebe alles aufgekauft. Sie leiten jetzt alle Schadstoffe in den Mantaro-Fluss, in dem früher Forellen gediehen. Heute fischt man dort nichts mehr.Foto: Thomas Lohnes

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16. Übergangsfolie – Einschränkung der Zivilgesellschaft nach Regionen

17. AmerikaDie Vereinigten Staaten von Amerika gelten als Land, in dem die Zivilgesellschaft beeinträchtigt wird.In Amerika (Nord-, Zentral- und Südamerika) ist die Situation wie folgt:11 Länder offen10 Länder beeinträchtigt8 Länder beschränkt5 Länder unterdrückt1 Land geschlossen

18. AfrikaIn Afrika ist die Situation wie folgt:2 Länder offen7 Länder beeinträchtigt21 Länder beschränkt15 Länder unterdrückt9 Länder geschlossen

19. EuropaIn Europa ist die Situation wie folgt:22 Länder offen19 Länder beeinträchtigt4 Länder beschränkt3 Länder unterdrückt1 Land geschlossen

In den Mitgliedsländern der Europäischen Union sind:15 Länder offen12 Länder beeinträchtigt1 Land beschränkt

20. AsienIn Asien ist die Situation wie folgt:1 Land offen2 Länder beeinträchtigt17 Länder beschränkt12 Länder unterdrückt12 Länder geschlossen

21. OzeanienIn Ozeanien ist die Situation wie folgt:9 Länder offen2 Länder beeinträchtigt3 Länder beschränktKein Land unterdrückt oder geschlossen

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22. Zivilgesellschaft aktuell – LänderbeispieleBrot für die Welt hört von seinen Partnerorganisationen in Afrika, Asien, dem Nahen Osten, Lateinamerika und Osteuropa immer häufiger, dass ihre Arbeit massiv beeinträchtigt wird. Die Verfolgung hat unterschiedliche Formen. Betroffen sind Partnerorganisationen in allen Regionen der Welt. Viele dieser Organisationen trifft es inzwischen so stark, dass sie hier nicht einzeln genannt werden, um ihre Sicherheit nicht zu gefährden. Umso beeindruckender ist es, dass sich viele Partnerorganisationen von solchen Umständen nicht unterkriegen lassen und weiter für zivilgesellschaftliche Anliegen und den Erhalt von Handlungsräumen eintreten.

Die Situation in Kirgisistan*, Mexiko*, Simbabwe* und Ungarn* steht exemplarisch für den weltweiten Trend einer zunehmenden Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsräume.

*Hinweis: Es empfiehlt sich, nur ein bis zwei der Länderbeispiele vorzustellen und die Folien entsprechend anzupassen.

23. Kirgisistan: Russisch RouletteCIVICUS-Einstufung: beschränktPressefreiheit: Platz 98 von 180 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne GrenzenDas sechs Millionen Einwohner zählende zentralasiatische Kirgisistan erlebte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 eine Phase der politischen Öffnung, während der sich zahlreiche NGOs und Basisorganisationen formieren konnten.

24. Kirgisistan: Druck auf die Zivilgesellschaft nimmt zuDoch obwohl ein geplantes Gesetz zu „ausländischen Agenten“, das sich nach russischem Vorbild gegen NGOs richtete, 2016 gestoppt werden konnte, nahm der Druck auf die Zivilgesellschaft im gleichen Jahr zu. Hintergrund waren die anstehenden Wahlen und das umstrittene Verfassungs-Referendum, das der damalige Präsident Atambajew durchbringen wollte. NGOs und Menschenrechtsverteidiger, die ihn oder das Referendum kritisierten, wurden eingeschüchtert und verfolgt, regierungskritische Demonstrationen verboten oder aufgelöst, die Wortführer festgenommen und teils misshandelt.

Nach Angaben der kirgisischen Koalition gegen Folter, einem Zusammenschluss aus 16 NGOs, ist Straflosigkeit bei Folter die Norm. Ermittlungen zu Vorwürfen von Folter und Misshandlung in staatlichem Gewahrsam seien äußerst selten und ineffektiv: Von 435 Vorfällen, die die Staatsanwaltschaft 2016 registriert habe, seien nur bei 35 Ermittlungen eingeleitet worden, so die Koalition. Besonders häufig von Gewalt betroffen sind Aktivist*innen für die Rechte Homosexueller und Intersexueller

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sowie Angehörige der usbekischen Minderheit.

Foto: Protestierende beten vor dem Porträt des Journalisten Alisher Saipov, der am 24. Oktober 2017 in Osch getötet wurde.Foto: Vladimir Pirogov/Reuters

25. Kirgisistan: Wenig Vertrauen in die RegierungAls Reaktion auf Anschläge zentralasiatischer Terror-Gruppen verstärkte die Regierung die Terrorabwehr und verfolgt seitdem Menschen wegen der Aufbewahrung von vage definierten „extremistischen“ Materialien – ein Delikt, das mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft ist. Allein in den acht Monaten von Januar bis August 2017 wurden unter diesem Vorwand 191 Menschen verhaftet – viele von ihnen Angehörige der usbekischen Minderheit. Immer wieder werden Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen wegen Verleumdung verurteilt, wenn sie Menschenrechtsverletzungen anprangern oder die Regierung kritisieren.

Anfang 2017 strengte die Generalstaatsanwaltschaft fünf Verfahren an. Diese richteten sich gegen die unabhängige Nachrichtenplattform Zanoza.kg sowie ihre Gründer Narnynbek Idinov und Dina Maslova. Die Justiz ermittelte auch gegen den kirgisischen Ableger von Radio Free Europe, Radio Azattyk, und gegen Cholpon Dzhakupova, die Direktorin von Adilet, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Der Vorwurf lautete: Sie hätten die Ehre des Präsidenten verletzt und Falschmeldungen verbreitet. Bislang steht vor allem die Generalstaatsanwaltschaft einseitig dem Präsidenten zur Seite und geht in seinem Interesse gegen Medienschaffende und Menschenrechtler*innen vor.

Grafik: Einer Studie der Soros-Stiftung zufolge glauben in Kirgisistan nur 38 Prozent der Menschen, dass die Regierung etwas zur sozialen Entwicklung des Landes beiträgt. Den rund 15.000 NGOs des Landes trauen dies dagegen 77 Prozent der Befragten zu.

26. Kirgisistan: Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz„Das Gesetz zu ,ausländischen Agenten‘ kann jederzeit wieder ins Parlament eingebracht werden“, sagt Ainura Osmonalieva von der Rechtsberatung Adilet. „2017 wurde unsere Direktorin, Cholpon Dzhakupova, zu einer Geldstrafe von 3,5 Millionen Som (umgerechnet 45.000 Euro) wegen Verletzung der Ehre des Präsidenten verurteilt.“ In einer Rede hatte sie auf dramatische Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit seit 2016 aufmerksam gemacht. „Eine der größten Herausforderungen für die kirgisische Zivilgesellschaft ist die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz“, sagt Osmonalieva.

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Kirgisistan hat seit November 2017 einen neuen Präsidenten, den ehemaligen Premierminister Sooronbai Dscheenbekow. Er will die Wirtschaftslage verbessern und Fortschritte in Sachen Rechtsstaatlichkeit erreichen. Doch Kritiker werden immer noch wegen Präsidenten-Beleidigung verurteilt und NGOs leiden unter der Willkür der Justiz.

Illustration: Das Bild zeigt Ainura Osmonalieva von der Rechtsberatung Adilet.

27. Mexiko: Simulation eines RechtsstaatsCIVICUS-Einstufung: unterdrückt90 Prozent der Verbrechen werden den Behörden nicht gemeldet.

Mexiko ist mit seinen 127 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Doch während die Wirtschaft boomt, leidet das Land unter massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Drogenkartelle und seit 2006 auch durch die Armee. Zwischen 2006 und 2017 sind bei Mexikos Nationaler Menschenrechtskommission 10.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen durch Militärkräfte eingegangen.

28. Mexiko: Ermordungen und VerschwindenlassenDurch organisierte Kriminalität kamen allein 2017 etwa 41.000 Menschen gewaltsam ums Leben. Hinzu kommt noch die Zahl Ermordeter, die offiziell als verschwunden gelten, da ihre Leichen nicht gefunden werden. Mexiko zählt die enorme Zahl von mehr als 37.000 vermuteten Opfern dieser besonderen Form des Terrors. Das sind mehr als in allen südamerikanischen Diktaturen zusammen, die das Mittel des Verschwindenlassens in den 1970er Jahren maßlos nutzten.

29. Mexiko: Drogenbosse morden für PolitikerEntgegen der offiziellen Darstellung, nach der die Gewalt vor allem von den Drogen-Kartellen ausgeht und auch nur deren Mitglieder betrifft, stammen die meisten Opfer aus der normalen Bevölkerung. Aufgeklärt werden die Verbrechen so gut wie nie: Die Aufklärungsrate bei Mord liegt bei unter zwei Prozent, obwohl Mexiko über ausgeprägte staatliche Institutionen verfügt. Im Präsidentschaftswahljahr 2018 schmiedeten Kartelle Allianzen mit einzelnen Kandidaten und ließen deren Rivalen ermorden. Vor den Wahlen im 1. Juli 2018 wurden fast 120 Bewerber um öffentliche Ämter ermordet, viele weitere wurden massiv bedroht oder angegriffen.

Die mexikanische Zivilgesellschaft leidet unter der Kombination 14

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aus Gewalt und Straflosigkeit. Einschüchterungsversuche, Todesdrohungen, öffentliche Anfeindungen, willkürliche Festnahmen, Entführungen, Folter und Morde durch staatliche und nichtstaatliche Akteure sind weit verbreitet und bleiben in der Regel ungesühnt. Besonders betroffen sind Journalist*innen und Aktivist*innen, die sich für die Rechte von Indigenen, Frauen, Homo- und Transsexuellen einsetzen oder die Aufklärung von Verbrechen fordern.

Foto: Angehörige demonstrieren 40 Monate nach dem Verschwinden von 43 Studenten am 26. Januar 2018 in Mexiko-Stadt.Foto: Daniel Becerril/Reuters

30. Mexiko: Journalisten im VisierDie NGO Global Witness hat zwischen Juni 2016 und Mai 2017 mehr als 1.440 Anschläge auf Menschenrechtsverteidiger*innen dokumentiert. Alle 16 Stunden wird in Mexiko zum Beispiel ein Journalist oder eine Journalistin attackiert: 2017 gab es 507 gewalttätige Übergriffe auf diese Berufsgruppe, neun davon endeten tödlich.

Für 53 Prozent der Vorfälle sind nach Angaben der NGO staatliche Stellen verantwortlich. Die Zeitung Norte de Ciudad Juárez stellte nach der Ermordung einer ihrer Journalistinnen ihren Betrieb ein, weil sie die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden nicht mehr gewährleisten konnte. Viele andere Medien betreiben Selbstzensur, um nicht in Konflikt mit dem organisierten Verbrechen oder der Regierung zu geraten.

Nur wenige Verbrechen werden den Behörden überhaupt zur Anzeige gebracht, weil kaum noch jemand Vertrauen in die Justiz hat. „Dreh- und Angelpunkt ist das Thema Straflosigkeit“, sagt María Luisa Aguilar Rodríguez von der Menschenrechts-Organisation Centro Prodh, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Die Regierung müsse zeigen, dass sie gewillt ist zu ermitteln, wer innerhalb des Staatsapparats für Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen verantwortlich ist. „Solange es bei solchen Fällen keine ernstgemeinten Ermittlungen gibt, werden die Angriffe auch nicht abnehmen, weil die Täter*innen sich in Sicherheit wiegen können.“

Illustration: Das Bild zeigt María Luisa Aguilar Rodríguez von der Menschenrechts-Organisation Centro Prodh.

31. Simbabwe: Unsichere ZukunftCIVICUS-Einstufung: unterdrücktZwischen 2000 und 2010 sank die Wirtschaftsleistung um mehr

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als ein Drittel. Fast 90 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung sind im informellen Sektor tätig.

Im November 2017 erzwang das Militär den Rücktritt Robert Mugabes, den mit 93 Jahren ältesten Staatschef Afrikas. Auslöser war ein innerparteilicher Konflikt über seine Erbfolge, der eskaliert war. Mugabe hatte Simbabwe 1980 in die Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren geführt und das Land in den Jahren danach wirtschaftlich ruiniert. Teile der Zivilgesellschaft feierten den Sturz Mugabes 2017 als zweite Befreiung.

32. Simbabwe: Neuer Präsident aus altem Macht-ApparatDas Militär setzte den ehemaligen Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa an die Spitze der Regierungspartei ZANU-PF und machte ihn zum Interimspräsidenten. Der 75-jährige Mnangagwa war in den 1980er Jahren Minister für Nationale Sicherheit, als Teile der simbabwischen Armee mehr als 20.000 angebliche Dissidenten und Angehörige des Volksstamms der Ndebele töteten.

Foto: Melwa Ngwenya am 15. Feburar 2018 an Gräbern von Rebellen in Tsholotsho. Sie wurden während einer Razzia Mitte der 1980er-Jahre getötet, weil sie loyal zu Robert Mugabes Rivalen Joshua Nkomo standen.Foto: Philimon Bulaway/Reuters

33. Simbabwe: Chance zur politischen ErneuerungObwohl die Folgen des Mugabe-Regimes noch zu spüren sind, sehen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in dem Machtwechsel eine Möglichkeit für politische Erneuerung. Sie forderten den neuen Präsidenten in einem offenen Brief auf, einen Versöhnungsprozess einzuleiten, Militär-Massaker aufzuarbeiten, die Korruption zu bekämpfen sowie die Zivilgesellschaft an Dialogen zu Friedens- und Sicherheitspolitik zu beteiligen.

Die Wahl im August 2018 entschied Mnangagwa mit knapper Mehrheit für sich. Dabei brachen gesellschaftliche Konflikte wieder auf. Wahlbeobachter*innen sprachen von einem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch Soldaten.

Nelson Chamisa, der Anführer des Oppositionsbündnisses Movement for Democratic Change (MDC) nannte das Wahlergebnis „betrügerisch, illegal und durch schwerwiegende Glaubwürdigkeitslücken gekennzeichnet“. Die Opposition focht den Wahlsieg Mnangagwas vor Gericht an, unterlag jedoch.

Eine MDC-Pressekonferenz wurde von Einsatzkräften in Kampfmontur gestürmt, die mit ihren Schildern und

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Schlagstöcken drohten, um die anwesenden Journalist*innen einzuschüchtern und zu vertreiben. Viele Mitglieder des Oppositionsbündnisses sind untergetaucht oder vorübergehend ins Ausland geflohen.

Foto: Die Polizei geht am 17. August 2016 mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Harare vor, die gegen die Einführung von neuen, an den US-Dollar gekoppelten Banknoten protestieren.Foto: Tsvangirayi Mukwazhi/Picture Alliance/AP Photo

34. Simbabwe: Stimmung nach den WahlenDouglas Tigere von der Brot für die Welt-Partnerorganisation Student Christian Movement of Zimbabwe berichtet über die Stimmung nach den Wahlen:„Die Stimmung ist immer noch sehr angespannt. Viele Menschen sind wütend. Sie wollen einen politischen Wandel. Durch Mugabes Sturz hat sich nur die Erscheinung geändert, das System dahinter ist dasselbe geblieben. Die Opposition fühlt sich marginalisiert, ihre Forderungen und Anliegen werden ignoriert. Die neue Regierung hat bislang nichts dafür getan, dass sich der Lebensstandard der simbabwischen Bevölkerung verbessert; er ist eher schlechter geworden. Eine Elite mit guten Kontakten zur Regierungspartei genießt aber ihren enormen Reichtum. Gegen solche Ungerechtigkeiten richtet sich der Ärger der Bevölkerung.“

Illustration: Das Bild zeigt Douglas Tigere vom Student Christian Movement of Zimbabwe

35. Simbabwe: Repressionen sind schlecht für EntwicklungWegen der Zerstörung der Wirtschaft und des öffentlichen Dienstleistungssektors, verbunden mit erhöhter staatlicher Repression, wird die Zeit zwischen 2000 und 2010 als Simbabwes „verlorene Dekade“ beschrieben. Simbabwe verwandelte sich in einen Unsicherheitsstaat, der das Wohlergehen seiner Bürger aktiv unterminierte und im HDI-Ranking um 80 Plätze fiel. Davon hat sich das Land bis heute nicht erholt.

Der Human Development Index (HDI) ist ein Vergleichsmaßstab der UN für menschliche Entwicklung. Eine niedrigere Zahl im Rang bedeutet höhere Entwicklung. Deutschland liegt auf Rang fünf, Simbabwe belegt heute Platz 154.

36. Ungarn: Flüchtlinge als FeindbildCIVICUS-Einstufung: beschränktUngarn stand 2015 und 2016 im Zentrum der Flucht über die Balkan-Route. Die Regierung von Victor Orbán reagierte darauf mit dem Bau eines Grenzzauns und einer extrem rigiden Einwanderungspolitik. NGOs, die das kritisieren und sich für

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Flüchtlinge einsetzen, werden seitdem kriminalisiert.

37. Ungarn: Die politische LageBei der Parlamentswahl am 8. April 2018 wurde die nationalkonservative Partei Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) von Premier Victor Orbán wieder stärkste Kraft und errang zwei Drittel der Parlamentssitze. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichnete den Ablauf der Wahlen als unfair: „Einschüchternde und fremdenfeindliche Rhetorik, voreingenommene Medien und undurchsichtige Wahlkampffinanzierung“ hätten einen Wettbewerb auf Augenhöhe ausgeschlossen.In dem EU-Mitgliedsland Ungarn gehören fast alle großen Zeitungen, Radio- und Fernsehsender Oligarchen, die der Regierung nahestehen. Die Medien unterstützten Orbán im Wahlkampf dabei, seine Vision einer „illiberalen Demokratie“ zu verbreiten, die sich auf eine homogene Gesellschaft stützt. Offene Grenzen und Einwanderung lassen sich mit dieser Ideologie nicht vereinen.

Foto: Syrische und afghanische Flüchtlinge an der Bahnstrecke nach Budapest nahe der ungarischen Grenzstadt RoeszkeFoto: Christoph Püschner

38. Ungarn: Gefängnisstrafe für humanitäre HilfeNur zwei Monate nach seiner Wiederwahl gelang es Orbán, das umstrittene „Stop-Soros-Gesetz“ durchzubringen. Das vom ungarischen Parlament am 20. Juni 2018, dem Weltflüchtlingstag, verabschiedete Gesetz ist ein offener Angriff gegen alle, die in Ungarn in der Flüchtlingshilfe tätig sind oder solche Arbeit finanziell fördern. Mit dem erklärten Ziel „zu verhindern, dass Ungarn ein Migrationsland wird“, wurde als neues Delikt die „Unterstützung illegaler Einwanderung“ in das Strafgesetzbuch eingeführt.

Es kriminalisiert Anwält*innen und NGO-Mitarbeitende, die Flüchtlinge bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Asylverfahren beraten oder Informationsmaterial dazu herstellen und verbreiten. Solche legalen Tätigkeiten, die nach internationalem Recht sogar geboten sind, werden in Ungarn künftig mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft. Schon im Juni 2017 hatte das ungarische Parlament ein so genanntes Transparenz-Gesetz verabschiedet, das NGOs die Finanzierung erschwert und sie stigmatisiert.

39. Ungarn: Aktivisten verlassen das LandMit rund 60.000 NGOs hat Ungarn eine sehr lebendige und robuste Zivilgesellschaft, deren Handlungsspielraum aber aufgrund der zunehmenden Repressionen schrumpft. Die

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Gesetzesverschärfungen werden begleitet von öffentlichen Diffamierungen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen durch Vertreter*innen der Regierungspartei.

Einige Akteur*innen der kritischen Zivilgesellschaft in Ungarn haben inzwischen entschieden, dass sie dem nicht länger standhalten wollen. Open Society Foundation schloss im Jahr 2018 ihr Büro in Budapest und zog nach Berlin um. Die letzte Ausgabe der Magyar Nemzet, einer der letzten kritischen Tageszeitungen, erschien drei Tage nach der Wiederwahl Orbáns im April 2018.

„Der ungarische Staat hat erst selbst die Förderung gestoppt und dann untersagt, dass sich NGOs für EU-Zuschüsse bewerben“, sagt Tibor Hajdú von der ungarischen evangelisch-lutherischen Diakonie. „Private Spender*innen aus Ungarn müssen Angst haben, sich strafbar zu machen, wenn sie Geld für die Unterstützung von Flüchtlingen spenden.“ Er erwarte, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Forderungen der ungarischen Zivilgesellschaft unterstützen und Druck auf Ungarn ausüben, sich an internationales und EU-Recht zu halten.

Illustration: Das Bild zeigt Tibor Hajdú von der ungarischen evangelisch-lutherischen Diakonie.

40. Übergangsfolie – Zivilgesellschaft für nachhaltige Entwicklung

41. Freie Zivilgesellschaft – Basis für nachhaltige EntwicklungIn der Einführung zu diesem Vortrag wurde gesagt: Starke und unabhängige zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen sind das kritische Gegenüber von Politik. Sie sind Motor von sozialer und nachhaltiger Entwicklung. Wie kann ein solcher Zusammenhang belegt werden? Werfen wir einen kurzen Blick auf unsere eigene Geschichte: Wer erinnert sich noch daran, dass bis 1958 der Ehemann das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder innehatte? Erst ab 1969 wurden verheiratete Frauen als voll geschäftsfähig angesehen. Bis 1977 brauchten sie die Erlaubnis ihres Ehemanns, um arbeiten zu gehen. Wie sind solche Änderungen auf den Weg gebracht worden? Ohne die zivilgesellschaftlichen Kämpfe früherer Generationen, wären viele Errungenschaften in Deutschland nicht erreicht worden.

Ähnlich verhält sich dies auch auf globaler Ebene. Keine der Kernfragen für die Entwicklung von Gesellschaften wurde ohne zivilgesellschaftlichen Druck vorangetrieben, weder die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern, die Rechte von Frauen und Mädchen, der Schutz von Umwelt und Natur, der Ausbau sozialer Grundsicherungssysteme noch der Zugang zu Bildung. Fortschritte hier sind immer auch das Ergebnis gesellschaftlicher

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Auseinandersetzungen.

42. Einschränkung der ZivilgesellschaftSymptom für die weltweite Krise der DemokratieAttacken auf Initiativen, Vereine, soziale Bewegungen und einzelne Aktivistinnen und Aktivisten sind das Symptom einer breiteren Entwicklung. Viele Errungenschaften, die wir in den letzten Jahren als garantiert sahen, werden im Moment hinterfragt oder erodieren. Das Verständnis darüber, dass eine gute Gesellschaftsordnung Demokratie, Menschenrechte und internationale Kooperation beinhaltet, wird nicht mehr von allen geteilt.

Demokratie ist nicht erst dann in Gefahr, wenn autoritäre Regierungen die Macht übernehmen. Die Erosion demokratischer Strukturen und der Verbindlichkeit der Menschenrechte beginnt durch Tabubrüche: Zum Beispiel, wenn Radikale die Deutungshoheit bei gesellschaftlichen Debatten im Umgang mit Minderheiten wie Geflüchteten gewinnen.

Auch in Europa, einst Bollwerk für Demokratie und internationale Zusammenarbeit, schrumpft der Raum für die Zivilgesellschaft. Rechtsnationale Parteien schüren mit ihrem Populismus Ängste und diffamieren Minderheiten und zivilgesellschaftliches Engagement. Multilateralismus, d. h. die Koordination nationaler Politik zwischen mehreren Staaten, und internationale Menschenrechtsarbeit geraten zunehmend unter Druck.

Grafik: Nach einem Anstieg Ende der 1980er-Jahre ist die Anzahl der Demokratien laut Deliberative Democracy Index seit 2012 weltweit wieder rückläufig.

43. Weltweite Zivilgesellschaft: aktiv und auch erfolgreichTrotz alldem ist die Zivilgesellschaft weltweit nicht auf dem Rückzug – im Gegenteil. Überall auf der Welt bewegen gebrochene Versprechen, institutionalisierte Korruption, Straffreiheit für die Mächtigen, soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und ausbleibender Klimaschutz Menschen zu Demonstrationen. Sie tragen ihre Anliegen auf die Straße und stehen ein für eine gerechte, integrative und nachhaltige Welt. Die jüngste Vergangenheit hat die besten Seiten der globalen Zivilgesellschaft zum Vorschein gebracht, trotz vieler Widrigkeiten.

In Südkorea etwa demonstrierten Hunderttausende für den Rucktritt der Präsidentin Park Geun-hye. Schließlich wurde sie vom Amt suspendiert und in mehreren Gerichtsverfahren zu hohen Haftstrafen wegen Korruption verurteilt.

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Auch in Äthiopien gab es bahnbrechende politische Erweiterungen des Handlungsraumes, das zeigt auch die Verbesserung der Einstufung Äthiopiens von Kategorie „geschlossen“ auf „unterdrückt“. Die politischen Veränderungen sind auch Ergebnis der mutigen Proteste der Zivilgesellschaft in den letzten Jahren.

Die Kampagne #metoo ermutigt seit Oktober 2017 Millionen Frauen weltweit, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren. Mit der von Hollywood-Schauspielerinnen initiierten Internet-Kampagne solidarisierte sich auch die Landarbeiterinnen-Organisation Alianza Nacional de Campesinas. Diese motivierte die Schauspielerinnen, Millionen von Dollar für Anwälte zu sammeln, damit sich auch arme Frauen gegen Belästigung juristisch wehren können.

In Rumänien gingen Hunderttausend Menschen auf die Straße, nachdem die Regierung per Dekret die Korruptionsbekämpfung erschwert hatte.

Als erstes Land der Welt hat El Salvador offiziell den Abbau von Schwermetallen auf seinem Territorium untersagt. Im Gesetzestext wird darauf verwiesen, dass der Bergbau die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner gefährdet und erhebliche Risiken für Umwelt und Wasservorkommen birgt.

Nachdem die US-Regierung 2017 aus dem Pariser Klimavertrag ausgestiegen war, spendeten Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Unternehmerinnen und Unternehmer aus den USA Millionensummen für das UN-Klimasekretariat in Bonn.

In Deutschland sammelten Menschen Hunderttausende Euro, damit die Seenotrettungs-NGOs, die im Mittelmeer von Italien und Malta an die Kette gelegt worden waren, sich neue Schiffe leasen können.

Foto: Rund 242.000 Demonstrierende protestierten am 13. Oktober 2018 bei #unteilbar in Berlin für Menschenrechte und gegen Rassismus – ein wichtiges Zeichen unserer Zivilgesellschaft.Foto: Andreas Schoelzel

44. Zivilgesellschaft wichtig für nachhaltige EntwicklungAuch die Agenda 2030 der Vereinten Nationen betont die besondere Rolle der Zivilgesellschaft für das Erreichen der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs).

Mit ihren unabhängigen Analysen der Blockaden und Probleme

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wendet sich die Zivilgesellschaft an Regierungen und UN-Gremien: Sogenannte Schattenberichte helfen der Völkergemeinschaft, einen unzensierten Eindruck der Situation eines Landes im Hinblick auf Entwicklung und Menschenrechte zu gewinnen und damit gerechte, nachhaltige und inklusive Entwicklung voranzubringen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen haben eine zentrale politische Kontrollfunktion, dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und bekämpfen Korruption. Sie klagen Transparenz und Rechenschaftspflichten ein, bringen neue Initiativen und Ideen, aber auch Reformen voran.

Sie sind Anwälte besonders ausgegrenzter Gruppen wie indigener Gemeinschaften, ethnischer und religiöser Minderheiten, Menschen mit Behinderungen und Migrantinnen und Migranten. Ihre Partizipation an Entscheidungen über Entwicklung und Budgets würde dazu beitragen, dass – wie in der Agenda 2030 gefordert – „niemand zurückgelassen wird“.

45. Übergangsfolie – Was tut Brot für die Welt46. Was tut Brot für die Welt?

Aus all den hier genannten Gründen ist der Schutz der Zivilgesellschaft eine Schlüsselaufgabe der Entwicklungszusammenarbeit und damit auch für Brot für die Welt.

Brot für die Welt dokumentiert und analysiert die Einschränkungen seiner Partnerorganisationen. Mit Studien wird versucht für das Thema zu sensibilisieren und faktenbasiert zu überzeugen.

Der Erfahrungsaustausch von betroffenen Organisationen ist besonders wichtig. Hier werden Analysen geteilt, aber auch gute Beispiele. „Was hat geholfen gegen einen problematischen Gesetzesentwurf?“ „Wie können wir die Erfolge unserer Arbeit für die ganze Gesellschaft besser präsentieren?“ „Wie reagieren wir auf Schmierkampagnen?“ Dies sind wichtige Punkte, die den Partnern helfen können, Situationen besser zu meistern.

Foto: Das Foto entstand 2018 bei einer Regionalkonsultation mit russischsprachigen Partnern von Brot für die Welt, bei der genau diese Fragen diskutiert wurden.Foto: Brot für die Welt, Menschenrechtsreferat

47. Was tut Brot für die Welt?Brot für die Welt unterstützt die Beteiligung seiner Partnerorganisationen, gerade auch bei internationalen Foren oder bei den Vereinten Nationen zum Beispiel mit der

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Finanzierung von Reisekosten oder bei Registrierungsprozessen.

Brot für die Welt fördert die Zusammenarbeit von betroffenen Organisationen in Netzwerken und Bündnissen. Denn nur gemeinsam kann gegen den Trend erfolgreich gearbeitet werden.

Durch Eilaktionen mit internationalen Menschenrechtsorganisationen, aber auch mit dem Auswärtigen Amt und der Europäischen Union, versucht Brot für die Welt bedrohten Partnern zu helfen. Außerdem gibt es einen Nothilfefonds, durch den bedrohte Personen oder Organisationen sehr schnell finanzielle Unterstützung bekommen können. Diese kann zum Beispiel beantragt werden für juristische Begleitung, medizinische oder psychosoziale Unterstützung oder für Reisekosten – wenn Personen aus Schutzgründen dringend für eine Zeit das Land verlassen müssen.

Mit politischer Lobby- und Advocacyarbeit, Publikationen und Veranstaltungen setzt sich Brot für die Welt auch dafür ein, dass repressive Gesetze gar nicht erst verabschiedet oder wieder zurückgenommen werden.

48. Übergangsfolie – Forderungen an die Politik49. Forderungen an die Politik

Bei Regierungsverhandlungen oder -konsultationen soll die Einschränkung zivilgesellschaftlicher Freiheiten und die Verfolgung von Aktivisten thematisiert werden.

Zivilgesellschaftliche Akteure sollen an nationalen und internationalen Politik- und Verhandlungsprozessen beteiligt werden, damit ihre Anliegen Gehör finden.

50. Forderungen an die Politik Eine wiederkehrende Forderung an die Bundesregierung

ist, dass Politikfelder wie Handel, Außenwirtschaftsförderung, Entwicklung, Migration oder Sicherheit Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement nicht beeinträchtigen dürfen.

Hintergrund:Handlungsräume für Zivilgesellschaft im Ausland schützenDie menschenrechtsorientierte Verantwortung sollte bei der Gestaltung der Politik der Bundesregierung anfangen. Durch Politikfelder wie Außenwirtschaftsförderung oder Sicherheit nimmt Deutschland direkten und indirekten Einfluss auf die Achtung, die Gewährleistung und den Schutz von Menschenrechten und auf das zivilgesellschaftliche Engagement in anderen Ländern. Besonders deutlich wird dieser Einfluss bei Exportkreditversicherungen und Investitionsgarantien für große

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Infrastrukturvorhaben wie dem Bau von Staudämmen, Bergbau, Erdöl- und Erdgasprojekte. Bei solchen Großprojekten kommt es immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber Teilen der Zivilgesellschaft, die sich für mehr Beteiligung der betroffenen Bevölkerung einsetzen.

Menschenrechte nicht durch politische Entscheidungen beeinträchtigenBrot für die Welt fordert die Bundesregierung deshalb zu einer kohärenten menschenrechtsorientierten Politik auf: Außenwirtschaftsförderung oder Sicherheitspolitik dürfen Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement nicht beeinträchtigen oder gar schaden. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben schaffen muss, damit deutsche Unternehmen den menschenrechtlichen Risiken ihrer Geschäfte im Ausland entgegenwirken. Menschenrechtliche Risikoabschätzungen und Sorgfaltspflichten durch Unternehmen müssen verpflichtend werden.

Potenziale für Zivilgesellschaft erkennen, entwickeln und nutzenVertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung, deutsche Botschaften und auch Abgeordnete genießen im Ausland ein hohes Ansehen und können einen wichtigen Beitrag zum Schutz zivilgesellschaftlicher Handlungsräume leisten. Sind die Interventionen deutscher und europäischer Akteure koordiniert und kohärent, haben sie oft eine große Wirkung und können die Situation der Zivilgesellschaft und deren Freiheiten bewahren oder entscheidend verbessern.

Einsatz für zivilgesellschaftliche Freiräume und Schutz von MenschenrechtsverteidigernDie Bundesregierung muss Verhandlungen mit Drittländern nutzen, um wirkungsvoll gegen die Einschränkung von gesellschaftlichen Freiheiten einzutreten. Öffentliche Stellungnahmen zeigen die Solidarität mit der bedrohten Zivilgesellschaft. Dies kann durch diskrete Maßnahmen begleitet, aber nicht ersetzt werden.

Multilateralismus, internationale Menschenrechtsforen und Gerichte stärkenDurch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, aber auch durch die regionalen Menschenrechtssysteme werden der Schutz und die Gewährung der Menschenrechte kontrolliert und einklagbar. Die Sitzungen des Menschenrechtsrats verschaffen Menschenrechtsverletzungen und Menschenrechtsverteidigern eine Öffentlichkeit, die sie sonst nicht bekommen. Damit internationale Menschenrechtsarbeit und internationale Gerichte auch in Zukunft für mehr Menschenrechtsschutz sorgen können,

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muss sich die Bundesregierung entschieden für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, aber auch für das interamerikanische und afrikanische Menschenrechtssystem stark machen.

Gesellschaftliche Freiräume in Deutschland verteidigen und ausbauenAuch das zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland steht vor Herausforderungen, wenngleich auf einem anderen Niveau als in den meisten Ländern dieser Welt. Personen und Organisationen, die sich für Flüchtlinge engagieren, werden angefeindet und bedroht. Die Arbeit der Seenotrettung ist inzwischen massiv eingeschränkt. Ihre Helferinnen und Helfer werden in anderen EU-Ländern juristisch für die Rettung von Menschenleben verfolgt. Brot für die Welt fordert, dass die Bundesregierung der Diffamierung von zivilgesellschaftlichen Initiativen entgegentritt und sich dafür einsetzt, dass private Seenotrettung weiter möglich bleibt.

51. Übergangsfolie – Was können Sie tun?52. Aktiv werden für Menschenrechte – Was können Sie tun?

Auch in Deutschland ändert sich der Diskurs über zivilgesellschaftliches Engagement. Zum Beispiel werden Organisationen, die sich für Flüchtlingsschutz und das Asylrecht einsetzen, beschuldigt, Teil einer „Anti-Abschiebungsindustrie“ zu sein.

Die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Nationalität, sexuellen Orientierung oder Religion begegnet uns überall, im Beruf, in der U-Bahn oder auf der Straße. Sie können etwas dagegen tun und Stellung beziehen, wenn Flüchtlingshelfer beschuldigt oder andere Menschen diskriminiert werden. Jede Stimme ist wichtig, um fremdenfeindliche Bewegungen und die Diffamierung von Engagement für die Menschenrechte aufzuhalten. Schützen Sie auf diese Weise unsere Demokratie.

Beteiligen Sie sich an Eilaktionen für bedrohte Menschenrechtsverteidiger und Menschenrechtsverteidigerinnen.

Unser Konsum geht leider oft auf Kosten von Menschen und Umwelt im globalen Süden. Kaufen Sie nur so viel ein, wie Sie brauchen. Nutzen Sie elektronische Geräte, solange sie funktionieren. Kaufen Sie Kleidung, die durch Siegel als fair und ökologisch ausgewiesen ist, oder auch einmal Secondhand-Ware. Informieren Sie sich und fragen Sie beim Kauf kritisch nach, woher die Produkte stammen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.

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Damit sich wirklich in der Breite etwas verändert, muss die Politik regulierend eingreifen. Fordern Sie daher klare Vorgaben von der Politik an die Unternehmen zur Achtung von Arbeitsstandards, Menschenrechten und Umwelt, auch bei Auslandsgeschäften.

53. Schlussfolie54. Impressum

HerausgeberBrot für die Welt Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.Postfach 40 1 6410061 BerlinTelefon: +49 30 65211 4711E-Mail: [email protected]: www.brot-fuer-die-welt.de

Autoren Christian Jacob, Maren Leifker, Christine MeisslerRedaktion Regina Seitz, Jürgen Hammelehle (V. i. S. d. P.)Karten, Illustrationen, Infografiken Nina EggemannFotos Christof Krackhardt (Folie 12), Thomas Lohnes (Folie 15), Vladimir Pirogov/Reuters (Folie 24), Daniel Becerril/Reuters (Folie 29), Edgard Garrido/Reuters (Folie 30), Philimon Bulaway/Reuters (Folie 32), Tsangirayi Mukwazhi/Picture Alliance/AP Photo (Folie 33) Christoph Püschner (Folie 37), Andreas Schoelzel (Folie 43) Brot für die Welt/Menschenrechtsreferat (Folie 46)

Berlin, Juli 2019

SpendenkontoBank für Kirche und DiakonieIBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00BIC: GENODED1KDB

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