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Stellensammlung zum Begriff Entfremdung I. Unvollständige Stellensammlung zum Begriff "Entfremdung" bei Marx außerhalb der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte". Stellen zur Entfremdung in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" haben wir nicht aufgenommen. Wir haben des Weiteren darauf verzichtet, alle Stellen aufzuführen, an denen Marx explizit von "Entfremdung", "entfremdet" o.ä. spricht. Zum Teil haben wir auch Stellen in den Reader aufgenommen, an denen zwar nicht explizit von "Entfremdung" die Rede ist, Marx aber unserer Meinung nach sich klärend zu Fragen äußert, die mittelbar oder unmittelbar mit Entfremdung in Zusammenhang stehen. Leider sind durch das Kopieren der Textstellen oft die kursiv gedruckten Hervorhebungen von Marx verlorengegangen. 1. Kritik des Hegelschen Staatsrechts Geschrieben: März - August 1843. Veröffentlicht: Erstmals 1927. MEW Band 1 S. 233 "Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört. Die Abstraktion des politischen Staats ist ein modernes Produkt. Im Mittelalter gab es Leibeigene, Feudal gut, Gewerbekorporation, Gelehrtenkorporation etc., d.h., im Mittelalter ist Eigentum, Handel, Sozietät, Mensch politisch; der materielle Inhalt des Staates ist durch seine Form gesetzt; jede Privatsphäre hat einen politischen Charakter oder ist eine politische Sphäre, oder die Politik ist auch der Charakter der Privatsphären. Im Mittelalter ist die politische Verfassung die Verfassung des Privateigentums, aber nur, weil die Verfassung des Privateigentums politische Verfassung ist. Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der Mensch ist das wirkliche Prinzip des Staats, aber der unfreie Mensch. Er ist also die Demokratie der Unfreiheit, die durchgeführte Entfremdung. Der abstrakte reflektierte Gegensatz gehört erst der modernen Welt. Das Mittelalter ist der wirkliche, die moderne Zeit ist abstrakter Dualismus." 1

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Stellensammlung zum Begriff Entfremdung

I. Unvollständige Stellensammlung zum Begriff "Entfremdung" bei Marx außerhalb der "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte".

Stellen zur Entfremdung in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" haben wir nicht aufgenommen. Wir haben des Weiteren darauf verzichtet, alle Stellen aufzuführen, an denen Marx explizit von "Entfremdung", "entfremdet" o.ä. spricht. Zum Teil haben wir auch Stellen in den Reader aufgenommen, an denen zwar nicht explizit von "Entfremdung" die Rede ist, Marx aber unserer Meinung nach sich klärend zu Fragen äußert, die mittelbar oder unmittelbar mit Entfremdung in Zusammenhang stehen. Leider sind durch das Kopieren der Textstellen oft die kursiv gedruckten Hervorhebungen von Marx verlorengegangen.

1. Kritik des Hegelschen StaatsrechtsGeschrieben: März - August 1843. Veröffentlicht: Erstmals 1927.MEW Band 1

S. 233"Die Abstraktion des Staats als solchen gehört erst der modernen Zeit, weil die Abstraktion des Privatlebens erst der modernen Zeit gehört. Die Abstraktion des politischen Staats ist ein modernes Produkt. Im Mittelalter gab es Leibeigene, Feudal gut, Gewerbekorporation, Gelehrtenkorporation etc., d.h., im Mittelalter ist Eigentum, Handel, Sozietät, Mensch politisch; der materielle Inhalt des Staates ist durch seine Form gesetzt; jede Privatsphäre hat einen politischen Charakter oder ist eine politische Sphäre, oder die Politik ist auch der Charakter der Privatsphären. Im Mittelalter ist die politische Verfassung die Verfassung des Privateigentums, aber nur, weil die Verfassung des Privateigentums politische Verfassung ist. Im Mittelalter ist Volksleben und Staatsleben identisch. Der Mensch ist das wirkliche Prinzip des Staats, aber der unfreie Mensch. Er ist also die Demokratie der Unfreiheit, die durchgeführte Entfremdung. Der abstrakte reflektierte Gegensatz gehört erst der modernen Welt. Das Mittelalter ist der wirkliche, die moderne Zeit ist abstrakter Dualismus."

2. „Zur Judenfrage“Geschrieben: Oktober - Dezember 1843. Veröffentlicht: 1844.MEW Band 1

S. 354f"Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materiellen Leben. Alle Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, führt der Mensch nicht nur im Gedanken, im Bewußtsein, sondern in der Wirklichkeit, im Leben ein doppeltes, ein himmlisches und ein irdisches Leben, das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist, die andern Menschen als Mittel betrachtet, sich selbst zum Mittel herabwürdigt und zum Spielball fremder Mächte wird. Der politische Staat verhält sich ebenso spiritualistisch zur bürgerlichen Gesellschaft wie der Himmel zur Erde. Er steht in demselben Gegensatz zu ihr, er überwindet sie in derselben Weise wie die Religion die Beschränktheit der profanen Welt, d. h., indem er sie

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ebenfalls wieder anerkennen, herstellen, sich selbst von ihr beherrschen lassen muß. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt."

S. 370„Alle Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst.Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person.

Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine »forces propres« als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht.“

S. 374f

"Das Geld erniedrigt alle Götter des Menschen - und verwandelt sie in eine Ware. Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an."

Weitere Stellen: u.a. S. 372, S. 376f

3. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.

Geschrieben: Ende 1843 - Januar 1844. Erschienen: 1844.In: MEW Band 2

S. 378

„Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind.“

S. 379

"Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik."

S. 384f

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„War nur in Deutschland die spekulative Rechtsphilosophie möglich, dies abstrakte überschwengliche Denken des modernen Staats, dessen Wirklichkeit ein Jenseits bleibt, mag dieses Jenseits auch nur jenseits des Rheins liegen: so war ebensosehr umgekehrt das deutsche, vom wirklichen Menschen abstrahierte Gedankenbild des modernen Staats nur möglich, weil und insofern der moderne Staat selbst vom wirklichen Menschen abstrahiert oder den ganzen Menschen auf eine nur imaginäre Weise befriedigt.“

S. 390

„ Wo also die positive Möglichkeit der Deutschen Emanzipation?

Antwort: In der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten, einer Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist, eines Standes, welcher die Auflösung aller Stände ist, einer Sphäre, welche einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt und kein besondres Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird, welche nicht mehr auf einen historischen, sondern nur noch auf den menschlichen Titel provozieren kann, welche in keinem einseitigen Gegensatz zu den Konsequenzen, sondern in einem allseitigen Gegensatz zu den Voraussetzungen des deutschen Staatswesens steht, einer Sphäre endlich, welche sich nicht emanzipieren kann, ohne sich von allen übrigen Sphären der Gesellschaft und damit alle übrigen Sphären der Gesellschaft zu emanzipieren, welche mit einem Wort der völlige Verlust des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat.“

4. Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten

Geschrieben: September - November 1844. Erstmals veröffentlicht: Februar 1845.Etliche Passagen der „Manuskripte“ wurden in diese spätere Schrift von Marx übernommen.MEW Band 2

S. 37f„Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihre eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz; die zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz. Sie ist, um einen Aus-druck von Hegel zu gebrauchen, in der Verworfenheit die Empörung über diese Verworfen-heit, eine Empörung, zu der sie notwendig durch den Widerspruch ihrer menschlichen Natur mit ihrer Lebenssituation, welche die offenherzige, entschiedene, umfassende Verneinung dieser Natur ist, getrieben wird.

Innerhalb des Gegensatzes ist der Privateigentümer also die konservative, der Proletarier die destruktive Partei. Von jenem geht die Aktion des Erhaltens des Gegensatzes, von diesem die Aktion seiner Vernichtung aus.Das Privateigentum treibt allerdings sich selbst in seiner nationalökonomischen Bewegung zu seiner eignen Auflösung fort, aber nur durch eine von ihm unabhängige, bewußtlose, wider seinen Willen stattfindende, durch die Natur der Sache bedingte Entwicklung, nur indem es das Proletariat als Proletariat erzeugt, das seines geistigen und physischen Elends bewußte Elend, die ihrer Entmenschung bewußte und darum sich selbst aufhebende Ent-menschung. Das Proletariat vollzieht das Urteil, welches das Privateigentum durch die Erzeugung des Proletariats über sich selbst verhängt, wie es das Urteil vollzieht, welches die Lohnarbeit über sich selbst verhängt, indem sie den fremden, Reichtum und das eigne Elend erzeugt. Wenn das Proletariat siegt, so ist es dadurch

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keineswegs zur absoluten Seite der Gesellschaft geworden, denn es siegt nur, indem es sich selbst und sein Gegenteil aufhebt. Alsdann ist ebensowohl das Proletariat wie sein bedingender Gegensatz, das Privateigentum, verschwunden.

Wenn die sozialistischen Schriftsteller dem Proletariat diese weltgeschichtliche Rolle zuschreiben, so geschieht dies keineswegs, wie die kritische Kritik zu glauben vorgibt, weil sie die Proletarier für Götter halten. Vielmehr umgekehrt. Weil die Abstraktion von aller Menschlichkeit, selbst von dem Schein der Menschlichkeit, im ausgebildeten Proletariat praktisch vollendet ist, weil in den Lebensbedingungen des Proletariats alle Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft in ihrer unmenschlichsten Spitze zusammengefaßt sind, weil der Mensch in ihm sich selbst verloren, aber zugleich nicht nur das theoretische Bewußtsein dieses Verlustes gewonnen hat, sondern auch unmittelbar durch die nicht mehr abzuweisende, nicht mehr zu beschönigende, absolut gebieterische Not - den praktischen Ausdruck der Notwendigkeit - zur Empörung gegen diese Unmenschlichkeit gezwungen ist, darum kann und muß das Proletariat sich selbst befreien. Es kann sich aber nicht selbst befreien, ohne seine eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Es kann seine eigenen Lebensbedingungen nicht aufheben, ohne alle unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner Situation zusammenfassen, aufzuheben. Es macht nicht vergebens die harte, aber stählende Schule der Arbeit durch. Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird. Sein Ziel und seine geschichtliche Aktion ist in seiner eignen Lebenssituation wie in der ganzen Organisation der heutigen bürgerlichen Gesellschaft sinnfällig, unwiderruflich vorgezeichnet. Es bedarf hier nicht der Ausführung, daß ein großer Teil des englischen und französischen Proletariats sich seiner geschichtlichen Aufgabe schon bewußt ist und beständig daran arbeitet, dies Bewußtsein zur vollständigen Klarheit herauszubilden.“

S. 44

„Daß Proudhon das Nichthaben und die alte Weise des Habens aufheben will, ist ganz identisch damit, daß er das praktisch entfremdete Verhältnis des Menschen zu seinem gegenständlichen Wesen, daß er den nationalökonomischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung aufheben will. Weil aber seine Kritik der Nationalökonomie noch in den Voraussetzungen der Nationalökonomie befangen ist, so wird die Wiederaneignung der gegenständlichen Welt selbst noch unter der nationalökonomischen Form des Besitzes gefaßt.

Proudhon stellt nämlich nicht, wie die kritische Kritik ihn tun läßt, dem Nichthaben das Haben, sondern der alten Weise des Habens, dem Privateigentum, den Besitz gegenüber. Den Besitz erklärt er für eine "gesellschaftliche Funktion". In einer Funktion aber ist es nicht das "Interessante", den andern "auszuschließen", sondern meine eignen Wesenskräfte zu betätigen und zu verwirklichen.

Es ist Proudhon nicht gelungen, diesem Gedanken eine entsprechende Ausführung zu geben. Die Vorstellung des "gleichen Besitzes" ist der nationalökonomische, also selbst noch entfremdete Ausdruck dafür, daß der Gegenstand als Sein für den Menschen, als gegenständliches Sein des Menschen, zugleich das Dasein des Menschen für den andern Menschen, seine menschliche Beziehung zum andern Menschen, das gesellschaftliche Verhalten des Menschen zum Menschen ist. Proudhon hebt die nationalökonomische Entfremdung innerhalb der nationalökonomischen Entfremdung auf.“

S. 52

„Die Kritik der Nationalökonomie auf nationalökonomischem Standpunkte erkennt alle Wesensbestimmungen der menschlichen Tätigkeit an, aber nur in entfremdeter, entäußerter Form, wie sie hier z.B. die Bedeutung der Zeit für die menschliche Arbeit in ihre Bedeutung

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für den Arbeitslohn, für die Lohnarbeit verwandelt.“

S. 54

„In der Bestimmung des Kaufens ist es schon enthalten, daß er (Anmerkung: gemeint ist der Arbeiter) sich zu seinem Produkt als einem ihm abhanden gekommenen, entfremdeten Gegenstand verhält.“

S. 86f

„Die Feinde des Fortschritts außer der Masse sind eben die verselbständigten, mit eignem Leben begabten Produkte der Selbsterniedrigung, der Selbstverwerfung, der Selbstentäußerung der Masse. Die Masse richtet sich daher gegen ihren eignen Mangel, indem sie sich gegen die selbständig existierenden Produkte ihrer Selbsterniedrigung richtet, wie der Mensch, indem er sich gegen das Dasein Gottes kehrt, sich gegen seine eigne Religiosität kehrt. Weil aber jene praktischen Selbstentäußerungen der Masse in der wirklichen Welt auf eine äußerliche Weise existieren, so muß sie dieselben zugleich auf eine äußerliche Weise bekämpfen. Sie darf diese Produkte ihrer Selbst- entäußerung keineswegs für nur ideale Phantasmagorien, für bloße Entäußerungen des Selbstbewußtseins halten und die materielle Entfremdung durch eine rein innerliche spiritualistische Aktion vernichten wollen. Schon die Zeitschrift Loustalots vom Jahre 1789 führte das Motto:

les grandes ne nous praissent grandsQue parce que nous sommes à genoux--- Levons nous! --

<Die Großen erscheinen uns nur groß,weil wir auf den Knien liegen.Erheben wir uns!>

Aber um sich zu heben, genügt es nicht, sich in Gedanken zu heben und über dem wirklichen, sinnlichen Kopf das wirkliche, sinnliche Joch, das nicht mit Ideen wegzuspintisieren ist, schweben zu lassen. Die absolute Kritik jedoch hat von der Hegelschen Phänomenologie wenigstens die Kunst erlernt, reale, objektive, außer mir existierende Ketten in bloß ideelle, bloß subjektive, bloß in mir existierende Ketten und daher alle äußerlichen, sinnlichen Kampfe in reine Gedankenkämpfe zu verwandeln.“

S. 123

„Der moderne "öffentliche Zustand", das ausgebildete moderne Staatswesen, hat nicht, wie die Kritik meint, die Gesellschaft der Privilegien, sondern die Gesellschaft der aufgehobnen und aufgelösten Privilegien, die entwickelte bürgerliche Gesellschaft, worin die in den Privilegien noch politisch gebundenen Lebenselemente freigelassen sind, zugrunde liegen. Keine "privilegierte Abgeschlossenheit" steht hier weder der andern noch dem öffentlichen Zustande gegenüber. Wie die freie Industrie und der freie Handel die privilegierte Abgeschlossenheit und damit den Kampf der privilegierten Abgeschlossenheiten untereinander aufheben, dagegen an ihre Stelle den vom Privilegium - welches von der allgemeinen Gesamtheit abschließt, aber zugleich zu einer kleineren exklusiven Gesamtheit zusammenschließt - losgebundenen, selbst nicht mehr durch den Schein eines allgemeinen Bandes an den andern Menschen geknüpften Menschen setzen und den allgemeinen Kampf von Mann wider Mann, Individuum wider Individuum erzeugen, so ist die ganze bürgerliche Gesellschaft dieser Krieg aller nur mehr durch ihre Individualität voneinander abgeschlossenen Individuen gegeneinander und die allgemeine zügellose Bewegung der aus den Fesseln der Privilegien befreiten elementarischen Lebensmächte. Der Gegensatz von demokratischem Repräsentativstaat und bürgerlicher Gesellschaft ist die Vollendung des

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klassischen Gegensatzes von öffentlichem Gemeinwesen und Sklaventum. In der modernen Welt ist jeder zugleich Mitglied des Sklaventums und des Gemeinwesens. Eben das Sklaventum der bürgerlichen Gesellschaft ist dem Schein nach die größte Freiheit, weil die scheinbar vollendete Unabhängigkeit des Individuums, welches die zügellose, nicht mehr von allgemeinen Banden und nicht mehr vom Menschen gebundne Bewegung seiner entfremdeten Lebenselemente, wie z.B. des Eigentums, der Industrie, der Religion etc., für seine eigne Freiheit nimmt, während sie vielmehr seine vollendete Knechtschaft und Unmenschlichkeit ist. An die Stelle des Privilegiums ist hier das Recht getreten.“

S. 127f

„Genau und im prosaischen Sinne zu reden, sind die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft keine Atome. Die charakteristische Eigenschaft des Atoms besteht darin, keine Eigenschaften und darum keine durch seine eigne Naturnotwendigkeit bedingte Beziehung zu andern Wesen außer ihm zu haben. Das Atom ist bedürfnislos, selbstgenügsam; die Welt außer ihm ist die absolute Leere, d.h. sie ist inhaltslos, sinnlos, nichtssagend, eben weil es alle Fülle in sich selbst besitzt. Das egoistische Individuum der bürgerlichen Gesellschaft mag sich in seiner unsinnlichen Vorstellung und unlebendigen Abstraktion zum Atom aufblähen, d.h. zu einem beziehungslosen, selbstgenügsamen, bedürfnislosen, absolut vollen, seligen Wesen. Die unselige sinnliche Wirklichkeit kümmert sich nicht um seine Einbildung, jeder seiner Sinne zwingt es, an den Sinn <soll wahrscheinlich heißen: an das Sein> der Welt und der Individuen außer ihm zu glauben, und selbst sein profaner Magen erinnert es täglich daran, daß die Welt außer ihm nicht leer, sondern das eigentlich Erfüllende ist. Jede seiner Wesenstätigkeiten und Eigenschaften, jeder seiner Lebenstriebe wird zum Bedürfnis, zur Not, die seine Selbstsucht zur Sucht nach andern Dingen und Menschen außer ihm macht. Da aber das Bedürfnis des einen Individuums keinen sich von selbst verstehenden Sinn für das andere egoistische Individuum, das die Mittel, jenes Bedürfnis zu befriedigen, besitzt, also keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Befriedigung hat, so muß jedes Individuum diesen Zusammenhang schaffen, indem es gleichfalls zum Kuppler zwischen dem fremden Bedürfnis und den Gegenständen dieses Bedürfnisses wird. Die Naturnotwendigkeit also, die menschlichen Wesenseigenschaften, so entfremdet sie auch erscheinen mögen, das Interesse halten die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, das bürgerliche und nicht das politische Leben ist ihr reales Band. Nicht also der Staat hält die Atome der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, sondern dies, daß sie Atome nur in der Vorstellung sind, im Himmel ihrer Einbildung - in der Wirklichkeit aber gewaltig von den Atomen unterschiedene Wesen, nämlich keine göttliche Egoisten, sondern egoistische Menschen. Nur der politische Aberglaube bildet sich noch heutzutage ein, daß das bürgerliche Leben vom Staat zusammengehalten werden müsse, während umgekehrt in der Wirklichkeit der Staat von dem bürgerlichen Leben zusammengehalten wird.“

S. 203f

"Das Geheimnis dieser Bauerschen Kühnheit ist die Heglische „Phänomenologie". Weil Hegel hier das Selbstbewußtsein an die Stelle des Menschen setzt, so erscheint die verschiedenartigste menschliche Wirklichkeit nur als eine bestimmte Form, als eine Bestimmtheit des Selbstbewußtseins. Eine bloße Bestimmtheit des Selbstbewußtseins ist aber eine „reine Kategorie", ein bloßer „Gedanke", den ich daher auch im „reinen" Denken aufheben und durch reines Denken überwinden kann. In Hegels „Phänomenologie" werden die materiellen, sinnlichen, gegenständlichen Grundlagen der verschiedenen entfremdeten Gestalten des menschlichen Selbstbewußtseins stehengelassen, und das ganze destruktive Werk hatte die konservativste Philosophie zum Resultat, weil es die gegenständliche Welt, die sinnlich wirkliche Welt überwunden zu haben meint, sobald es sie in ein

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„Gedankending", in eine bloße Bestimmtheit des Selbstbewußtseins verwandelt hat und den ätherisch gewordenen Gegner nun auch im „Äther des reinen Gedankens" auflösen kann. Die „Phänomenologie" endet daher konsequent damit, an die Stelle aller menschlichen Wirklichkeit das „absolute Wissen" zu setzen - Wissen, weil dies die einzige Daseinsweise des Selbstbewußtseins ist und weil das Selbstbewußtsein für die einzige Daseinsweise des Menschen gilt - absolutes Wissen, eben weil das Selbstbewußtsein nur sich selbst weiß und von keiner gegenständlichen Welt mehr geniert wird. Hegel macht den Menschen zum Menschen des Selbstbewußtseins, statt das Selbstbewußtsein zum Selbstbewußtsein des Menschen, des wirklichen, daher auch in einer wirklichen, gegenständlichen Welt lebenden und von ihr bedingten Menschen zu machen. Er stellt die Welt auf den Kopf und kann daher auch im Kopf alle Schranken auflösen, wodurch sie natürlich für die schlechte Sinnlichkeit, für den wirklichen Menschen bestehenbleiben. Überdem gilt ihm notwendigerweise alles das als Schranke, was die Beschränktheit des allgemeinen Selbstbewußtseins verrät, alle Sinnlichkeit, Wirklichkeit, Individualität der Menschen wie ihrer Welt. Die ganze „Phänomenologie" will beweisen, daß das Selbstbewußtsein die einzige und alle Realität ist."

Weitere Stellen: S. 42 (Kritik der (linkshegelianischen) philosophischen Aufhebung von Entfremdung), S. 42f (Kritik an Produhon und Entfremdung), S. 129 (Historische Täuschung von Robespierre, Saint-Just und ihrer historischen Partei in Bezug auf die von der Französischen Revolution herbeigeführten Entfremdungen)

5. Thesen ad Feuerbach

Geschrieben: Frühjahr 1845. Erstmals veröffentlicht nach Marx' Tod von Engels 1888.

MEW Band 3

S. 534

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Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Feuerbach, der auf die Kritik dieses wirklichen Wesens nicht eingeht, ist daher gezwungen:

1. von dem geschichtlichen Verlauf zu abstrahieren und das religiöse Gemüt für sich zu fixieren und ein abstrakt - isoliert - menschliches Individuum vorauszusetzen;

2. kann bei ihm daher das menschliche Wesen nur als "Gattung", als innere, stumme, die vielen Individuen bloß natürlich verbindende Allgemeinheit gefaßt werden.“

6. "Die deutsche Ideologie"

Geschrieben: Zwischen 1845 - 1847. Zu Lebzeiten von Marx und Engels wurde 1847 nur ein Artikel von Marx über Karl Grün veröffentlicht. Komplizierte Veröffentlichungsgeschichte der weiteren Teile der "Deutschen Ideologie".

MEW Band 3

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S. 33f

„Und endlich bietet uns die Teilung der Arbeit gleich das erste Beispiel davon dar, daß, solange die Menschen sich in der naturwüchsigen Gesellschaft befinden, solange also die Spaltung zwischen dem besondern und gemeinsamen Interesse existiert, solange die Tätigkeit also nicht freiwillig, sondern naturwüchsig geteilt ist, die eigne Tat des Menschen ihm zu einer fremden, gegenüberstehenden Macht wird, die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht. Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. Dieses Sichfestsetzen der sozialen Tätigkeit, diese Konsolidation unsres eignen Produkts zu einer sachlichen Gewalt über uns, die unsrer Kontrolle entwächst, unsre Erwartungen durchkreuzt, unsre Berechnungen zunichte macht, ist eines der Hauptmomente in der bisherigen geschichtlichen Entwicklung, und eben aus diesem Widerspruch des besondern und gemeinschaftlichen Interesses nimmt das gemeinschaftliche Interesse als Staat eine selbständige Gestaltung, getrennt von den wirklichen Einzel- und Gesamtinteressen, an, und zugleich als illusorische Gemeinschaftlichkeit, aber stets auf der realen Basis der in jedem Familien- und Stamm-Konglomerat vorhandenen Bänder, wie Fleisch und Blut, Sprache, Teilung der Arbeit im größeren Maßstabe und sonstigen Interessen - und besonders, wie wir später entwickeln werden, der durch die Teilung der Arbeit bereits bedingten Klassen, die in jedem derartigen Menschenhaufen sich absondern und von denen eine alle andern beherrscht. Hieraus folgt, daß alle Kämpfe innerhalb des Staats, der Kampf zwischen Demokratie, Aristokratie und Monarchie, der Kampf um das Wahlrecht etc. etc., nichts als die illusorischen Formen sind, in denen die wirklichen Kämpfe der verschiednen Klassen untereinander geführt werden (wovon die deutschen Theoretiker nicht eine Silbe ahnen, trotzdem daß man ihnen in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" und der "Heiligen Familie" dazu Anleitung genug gegeben hatte), und ferner, daß jede nach der Herrschaft strebende Klasse, wenn ihre Herrschaft auch, wie dies beim Proletariat der Fall ist, die Aufhebung der ganzen alten Gesellschaftsform und der Herrschaft überhaupt bedingt, sich zuerst die politische Macht erobern muß, um ihr Interesse wieder als das Allgemeine, wozu sie im ersten Augenblick gezwungen ist, darzustellen. Eben weil die Individuen nur ihr besondres, für sie nicht mit ihrem gemeinschaftlichen Interesse zusammenfallendes suchen, überhaupt das Allgemeine illusorische Form der Gemeinschaftlichkeit, wird dies als ein ihnen "fremdes" und von ihnen "unabhängiges", als ein selbst wieder besonderes und eigentümliches "Allgemein "-Interesse geltend gemacht, oder sie selbst müssen sich in diesem Zwiespalt bewegen" wie in der Demokratie.“

S. 34

„Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft.“

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S. 37

„ In der bisherigen Geschichte ist es allerdings ebensosehr eine empirische Tatsache, daß die einzelnen Individuen mit der Ausdehnung der Tätigkeit zur Weltgeschichtlichen immer mehr unter einer ihnen fremden Macht geknechtet worden sind (welchen Druck sie sich denn auch als Schikane des sogenannten Weltgeistes etc. vorstellten), einer Macht, die immer massenhafter geworden ist und sich in letzter Instanz als Weltmarkt ausweist.“

S. 37

„Die allseitige Abhängigkeit, diese naturwüchsige Form des weltgeschichtlichen Zusammenwirkens der Individuen, wird durch diese kommunistische Revolution verwandelt in die Kontrolle und bewußte Beherrschung dieser Mächte, die, aus dem Aufeinander-Wirken der Menschen erzeugt, ihnen bisher als durchaus fremde Mächte imponiert und sie beherrscht haben. Diese Anschauung kann nun wieder spekulativ-idealistisch, d.h. phantastisch als "Selbsterzeugung der Gattung" (die "Gesellschaft als Subjekt") gefaßt und dadurch die aufeinanderfolgende Reihe von im Zusammenhange stehenden Individuen als ein einziges Individuum vorgestellt werden, das das Mysterium vollzieht, sich selbst zu erzeugen.“

S. 212

"Das Privateigentum entfremdet nicht nur die Individualität der Menschen, sondern auch die der Dinge. Der Grund und Boden hat Nichts mit der Grundrente, die Maschine Nichts mit dem Profit zu tun. Für den Grundbesitzer hat der Grund und Boden nur die Bedeutung der Grundrente, er verpachtet seine Grundstücke und zieht die Rente ein; eine Eigenschaft, die der Boden verlieren kann, ohne irgendeine seiner inhärenten Eigenschaften, ohne z.B. einen Teil seiner Fruchtbarkeit zu verlieren, eine Eigenschaft, deren Maß, ja deren Existenz; von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängt, die ohne Zutun des einzelnen Grundbesitzers gemacht und aufgehoben werden. Ebenso mit der Maschine. Wie wenig das Geld, die allgemeinste Form des Eigentums, mit der persönlichen Eigentümlichkeit zu tun hat, wie sehr es ihr geradezu entgegengesetzt ist, wußte bereits Shakespeare besser als unser theoretisierender Kleinbürger (Anmerkung: gemeint ist Max Stirner):

Soviel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön,Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel, Ja dieser rote Sklave — Er macht den Aussatz lieblich —

— dieser führtDer über jähr'gen Witwe Freier zu;Die, von Spital und Wunden giftig eiternd,Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamischZu Maienjugend dies —— sichtbare Gottheit,Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst,Zum Kuß sie zwingst!

Mit einem Wort, Grundrente, Profit etc., die wirklichen Daseinsweisen des Privateigentums, sind gesellschaftliche, einer bestimmten Produktionsstufe entsprechende Verhältnisse und „individuelle" nur so lange, als sie noch nicht zur Fessel der vorhandenen Produktivkräfte geworden sind. Nach Destutt de Tracy muß die Majorität der Menschen, die Proletarier, längst alle Individualität verloren haben, obgleich es heutzutage so aussieht, als entwickle sich unter ihnen noch gerade am meisten Individualität."

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Weitere Stelle: S. 75 (Entfremdung und persönliche Freiheit als Recht, sich innerhalb gewisser Bedingungen ungestört der Zufälligkeit erfreuen zu dürfen).

Zusatz

Die Wiedergabe der Manuskripte der "Deutsche Ideologien", wie sie in der MEW erfolgte, ist, wegen erheblicher Eingriffe der Herausgeber in den Originaltext, umstritten. Eine neue Fassung findet sich hier: Karl Marx, Friedrich Engels, Joseph Weydemeyer: Die Deutsche Ideologie. Artikel, Druckvorlagen, Entwürfe, Reinschriftenfragmente und Notizen zu I. Feuerbach und II. Sankt Bruno. In: Marx-Engels Jahrbuch 2003. Hrsg: Internationale Marx-Engels-Stiftung Amsterdam. Berlin 2004.

S. 88-93

"Es zeigen sich hier also zwei Fakta. Erstens erscheinen die Produktivkräfte als ganz unabhängig & losgerissen von den Individuen, als eine eigne Welt neben den Individuen, was darin seinen Grund hat, daß die Individuen, deren Kräfte sie sind, zersplittert & im Gegensatz gegeneinander existiren, während diese Kräfte andererseits nur im Verkehr & Zusammenhang dieser Individuen wirkliche Kräfte sind. Also auf der einen Seite einen Totalität von Produktivkräften, die gleichsam eine sachliche Gestalt angenommen haben & für die Individuen selbst nicht mehr die Kräfte der Individuen, sondern des Privateigenthums, & daher der Individuen nur insofern sie Privateigenthümer sind. In keiner früheren Periode hatten die Produktivkräfte diese gleichgülthige Gestalt für den Verkehr der Individuen als Individuen angenommen, weil ihr Verkehr selbst nich ein bornirter war. Auf der andern Seite steht diesen Produktivkräften die Majorität der Individuen gegenüber, von denen diese Kräfte losgerissen sind & die daher alles wirklichen Lebensinhalts beraubt, abstrakte Individuen geworden sind, die aber dadurch erst in den Stand gesetzt werden, als Individuen mit einander in Verbindung zu treten. Der einzige Zusammenhang, in dem sie noch mit den Produktivkräften & mit ihrer eignen Existenz stehen, die Arbeit, hat bei ihnen allen Schein der Selbstbethätigung verloren & erhält ihr Leben nur, indem es sie verkümmert. Während in den früheren Perioden Selbstbethätigung & Erzeugung des materiellen Lebens dadurch getrennt waren, daß sie an verschiedene Personen fielen & die Erzeugung des materiellen Lebens wegen der Bornirtheit der Individuen selbst noch als eine untergeordnete Art der Selbstbethätigung galt, fallen sie jetzt so aus einander, daß überhaupt das materielle Leben als Zweck, die Erzeugung dieses materiellen Lebens, die Arbeit (welche die jetzt einzig mögliche aber wie wir sahen, negative Form der Selbstbethätigung ist), als Mittel erscheint.

Es ist also jetzt soweit gekommen, daß die Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur um zu ihrer Selbstbethätigung zu kommen, sondern schon überhaupt, um ihre Existenz sicher zu stellen. Diese Aneignung ist zuerst bedingt durch den anzueignenden Gegenstand - die zu einer Totalität entwickelten & nur innerhalb eines universellen Verkehrs existirenden Produktivkräfte. Diese Aneignung muß also schon von dieser Seite her einen den Produktivkräften & dem Verkehr entsprechenden universellen Charakter haben. Die Aneignung dieser Kräfte ist selbst weiter nichts als die Entwicklung der den materiellen Produktionsinstrumenten entsprechenden individuellen Fähigkeiten. Die Aneignung einer Totalität von Produktionsinstrumenten ist schon deshalb die Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten in den Individuen selbst. Diese Aneignung ist ferner bedingt durch die aneignenden Individuen. Nur die von aller Selbstbethätigung vollständig ausgeschlossenen Proletarier der Gegenwart sind im Stande, ihre vollständige, nicht mehr bornirte Selbstbethätigung, die in der Aneignung einer Totalität von Produktivkräften & der damit gesetzten Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten besteht, durchzusetzen. Alle früheren revolutionären Aneignungen waren bornirt, Individuen, deren Selbstbethätigung durch ein beschränktes Produktionsinstrument & einen beschränkten Verkehr bornirt war, eigneten sich dies beschränkte Produktionsinstrument an, & brachten

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es daher nur zu einer neuen Beschränktheit. Ihr Produktionsinstrument wurde ihr Eigenthum, aber sie selbst blieben unter die Theilung der Arbeit & unter ihr eignes Produktionsinstrument subsumirt. Bei allen bisherigen Aneignungen blieben eine Masse von Individuen unter ein einziges Produktionsinstrument subsumirt; bei der Aneignung der Proletarier müssen eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum & das Eigenthum unter Alle subsumirt werden. Der moderne universelle Verkehr kann nicht anders unter die Individuen subsumirt werden, als dadurch, daß er unter alle subsumirt wird. - Die Aneignung ist ferner bedingt durch die Art & Weise wie sie vollzogen werden muß. Sie kann nur vollzogen werden durch eine Vereinigung, die durch den Charakter des Proletariats selbst wieder nur eine universelle sein kann, & durch eine Revolution, in der einerseits die Macht der bisherigen Produktions & Verkehrsweise & gesellschaftlichen Gliederung gestürzt wird & andererseits der universelle Charakter & die zur Durchführung der Aneignung nöthige Energie des Proletariats sich entwickelt, ferner das Proletariat alles abstreift was ihm noch aus seiner bisherigen Gesellschaftsstellung geblieben ist.

Erst auf dieser Stufe fällt die Selbstbethätigung mit dem materiellen Leben zusammen, was der Entwicklung zu totalen Individuen & der Abstreifung aller Naturwüchsigkeit entspricht; & dann entspricht sich die Verwandlung der Arbeit in Selbstbethätigung & die Verwandlung des bisherigen bedingten Verkehrs in den Verkehr der Individuen als solcher."

Vgl. MEW 3, S. 67-68

S. 93"Die Individuen, die nicht mehr unter die Theilung der Arbeit subsumirt werden, haben die Philosophen sich als Ideal unter dem Namen: "der Mensch" vorgestellt, & den ganzen, von uns entwickelten Prozeß, als den Entwicklungsprozeß "des Menschen" gefaßt, sodaß den bisherigen Individuen auf jeder geschichtlichen Stufe "der Mensch" untergeschoben & als die treibende Kraft der Geschichte dargestellt wurde. Der ganze Prozeß wurde so als Selbstentfremdungsprozeß "des Menschen" gefaßt & dies kommt wessentlich daher, daß das Durchschnittsindividuum der späteren Stufe immer der früheren & das spätere Bewußtsein den früheren Individuen untergeschoben. Durch diese Umkehrung, die von vorn herein von den wirklichen Bedingungen abstrahirt, war es möglich die ganze Geschichte in einen Entwicklungsprozeß des Bewußtseins zu verwandeln. - -" (Randbemerkung: Selbstentfremdung)

7. Manifest der Kommunistischen Partei

Geschrieben: Jahreswende 1847/1848. Erstmals erschienen: Februar 1848 in London.

MEW Band 4

S. 482

"Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und. Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines

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jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist."

8. Lohnarbeit und Kapital

Geschrieben: unklar. Engels spricht davon, dass dem Text Vorträge von Marx im Deutschen Arbeiterverein in Brüssel im Jahr 1847 zugrunde lagen. Der Text wurde im April 1849 erstmals als Leitartikelserie in der Neuen Rheinischen Zeitung veröffentlicht.

MEW Band 6

S. 400f

„Die Arbeitskraft ist also eine Ware, die ihr Besitzer, der Lohnarbeiter, an das Kapital verkauft. Warum verkauft er sie? Um zu leben.

Die Betätigung der Arbeitskraft, die Arbeit, ist aber die eigne Lebenstätigkeit des Arbeiters, seine eigne Lebensäußerung. Und diese Lebenstätigkeit verkauft er an einen Dritten, um sich die nötigen Lebensmittel zu sichern. Seine Lebenstätigkeit ist für ihn also nur ein Mittel, um existieren zu können. Er arbeitet, um zu leben. Er rechnet die Arbeit nicht selbst in sein Leben ein, sie ist vielmehr ein Opfer seines Lebens. Sie ist eine Ware, die er an einen Dritten zugeschlagen hat. Das Produkt seiner Tätigkeit ist daher auch nicht der Zweck seiner Tätigkeit. Was er für sich selbst produziert, ist nicht die Seide, die er webt, nicht das Gold, das er aus dem Bergschacht zieht, nicht der Palast, den er baut. Was er für sich selbst produziert, ist der Arbeitslohn, und Seide, Gold, Palast lösen sich für ihn auf in ein bestimmtes Quantum von Lebensmitteln, vielleicht in eine Baumwollenjacke, in Kupfermünze und in eine Kellerwohnung. Und der Arbeiter, der zwölf Stunden webt, spinnt, bohrt, dreht, baut, schaufelt, Steine klopft, trägt usw. - gilt ihm dies zwölfstündige Weben, Spinnen, Bohren, Drehen, Bauen, Schaufeln, Steinklopfen als Äußerung seines Lebens, als Leben? Umgekehrt. Das Leben fängt da für ihn an, wo diese Tätigkeit aufhört, am Tisch, auf der Wirtshausbank, im Bett. Die zwölfstündige Arbeit dagegen hat ihm keinen Sinn als Weben, Spinnen, Bohren usw., sondern als Verdienen, das ihn an den Tisch, auf die Wirtshausbank, ins Bett bringt. Wenn der Seidenwurm spänne, um seine Existenz als Raupe zu fristen, so wäre er ein vollständiger Lohnarbeiter.“

S. 411

„Wenn die Lohnarbeit den sie beherrschenden fremden Reichtum, die ihr feindselige Macht, das Kapital, produziert, strömen ihr Beschäftigungs-, d.h. Lebensmittel von derselben zurück, unter der Bedingung, daß sie sich von neuem zu einem Teil des Kapitals macht, zum Hebel, der von neuem dasselbe in eine beschleunigte Bewegung des Anwachsens schleudert.“

S. 416

„Günstigste Bedingung für die Lohnarbeit ist möglichst rasches Wachstum des produktiven Kapitals, heißt nur: Je rascher die Arbeiterklasse die ihr feindliche Macht, den fremden, über sie gebietenden Reichtum vermehrt und vergrößert, unter desto günstigern Bedingungen wird ihr erlaubt, von neuem an der Vermehrung des bürgerlichen Reichtums, an der Vergrößerung der Macht des Kapitals zu arbeiten, zufrieden, sich selbst die goldnen Ketten zu schmieden, woran die Bourgeoisie sie hinter sich herschleift.“

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9. Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie

Geschrieben: August 1857 - November 1858. Veröffentlicht: Die "Einleitung" wurde 1903 erstmals in "Die Neue Zeit" veröffentlicht. Der Rohentwurf des Manuskripts, eine korrigierte Einleitung und weitere im Zusammenhang stehende Schriften wurden 1939-1941 vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in Moskau veröffentlicht.

MEW Band 42

S. 74 Gegen Proudhons Stundenzettel als Bekämpfung der Entfremdung mit entfremdeten Mitteln

"Die beständige Depreziation der Waren — in längren Perioden — gegen die Stundenzettel, von der wir früher sprachen, ging aus dem Gesetz der steigenden Produktivität der Arbeitszeit, aus den Störungen im relativen Wert selbst hervor, die durch sein eignes inhärentes Prinzip, die Arbeitszeit, geschaffen werden. Die Inkonvertibilität der Stundenzettel, von der wir jetzt sprechen, ist nichts als ein andrer Ausdruck für die Inkonvertibilität zwischen Realwert und Marktwert, Tauschwert und Preis. Der Stundenzettel repräsentierte im Gegensatz zu allen Waren eine ideale Arbeitszeit, die sich bald gegen mehr, bald gegen weniger der wirklichen austauschte und in dem Zettel eine abgesonderte, eigne Existenz erhielte, die dieser wirklichen Ungleichheit entspräche. Das allgemeine Äquivalent, Zirkulationsmittel und Maß der Waren träte ihnen wieder gegenüber individualisiert, eignen Gesetzen folgend, entfremdet, d. h. mit allen Eigenschaften des jetzigen Geldes, ohne seine Dienste zu leisten. Aber die Konfusion würde dadurch eine ganz andre Höhe erhalten, daß das Medium, worin die Waren, diese vergegenständlichten Quanta von Arbeitszeit, verglichen werden, nicht eine dritte Ware, sondern ihr eignes Wertmaß, die Arbeitszeit, selbst wäre."

S. 84

"Das Geld ist ursprünglich der Repräsentant aller Werte; in der Praxis dreht sich die Sache um, und alle realen Produkte und Arbeiten werden die Repräsentanten des Geldes. Im unmittelbaren Tauschhandel kann nicht jeder Artikel gegen jeden Artikel und eine bestimmte Tätigkeit kann nur gegen bestimmte Produkte ausgetauscht werden. Die Schwierigkeiten, die im Tauschhandel liegen, kann das Geld nur aufheben, indem es sie verallgemeinert, universell macht. Es ist absolut nötig, daß die gewaltsam getrennten Elemente, die wesentlich zusammengehören, durch gewaltsame Eruption sich als Trennung eines wesentlich Zusammengehörigen ausweisen. Die Einheit stellt sich gewaltsam her. Sobald die feindliche Spaltung zu Eruptionen führt, weisen die Ökonomen auf die wesentliche Einheit hin und abstrahieren von der Entfremdung. Ihre apologetische Weisheit besteht darin, in allen entscheidenden Momenten ihre eignen Bestimmungen zu vergessen."

S. 93f

"(In einer Form des Geldes — soweit es Tauschmittel (nicht Maß des Tauschwerts) — ist den Ökonomen klar, daß die Existenz des Geldes die Versachlichung des gesellschaftlichen Zusammenhangs voraussetzt; soweit nämlich das Geld als Pfand erscheint, was der eine in der Hand des andren zurücklassen muß, um eine Ware von ihm zu erhalten. Hier sagen die Ökonomen selbst, daß die Menschen der Sache (dem Geld) das Vertrauen schenken, was sie sich nicht als Personen schenken. Aber warum schenken sie der Sache das Vertrauen? Doch offenbar nur als versachlichtem Verhältnis der Personen untereinander; als versachlichtem Tauschwert, und Tauschwert ist nichts als eine Beziehung der produktiven Tätigkeit der Personen untereinander. Jedes andre Pfand mag direkt dem Pfandinhaber als solches nützen; Geld nützt ihm nur als „Faustpfand der Gesellschaft", aber solches Faustpfand ist es nur wegen seiner gesellschaftlichen (symbolischen) Eigenschaft; und gesellschaftliche

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Eigenschaft kann es nur besitzen, weil die Individuen ihre eigne gesellschaftliche Beziehung als Gegenstand sich entfremdet haben.)"

S. 94

"In den Preiscourantlisten, worin alle Werte gemessen sind im Geld, scheint zugleich die Unabhängigkeit des gesellschaftlichen Charakters der Sachen von den Personen, wie zugleich die Tätigkeit des Handels auf dieser Basis der Fremdartigkeit, worin die Gesamtproduktions- und -verkehrsverhältnisse dem einzelnen, allen einzelnen gegenüber, erscheinen, sie wieder den einzelnen zu unterwerfen. Da die Verselbständigung des Weltmarkts, if you please, (worin die Tätigkeit jedes einzelnen eingeschlossen) wächst mit der Entwicklung der Geldverhältnisse (Tauschwerts) und vice versa, der allgemeine Zusammenhang und die allseitige Abhängigkeit in Produktion und Konsumtion zugleich mit der Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit der Konsumierenden und Produzierenden zueinander; da dieser Widerspruch zu Krisen führt etc., so wird gleichzeitig mit der Entwicklung dieser Entfremdung, auf ihrem eignen Boden, versucht, sie aufzuheben; Preiscourantlisten, Wechselkurse, Verbindungen der Handelstreibenden untereinander durch Briefe, Telegraphen etc. (die Kommunikationsmittel wachsen natürlich gleichzeitig), worin jeder einzelne sich Auskunft über die Tätigkeit aller andren verschafft und seine eigne danach auszugleichen sucht. (D. h., obgleich die Nachfrage und Zufuhr aller von allen unabhängig vor sich geht, so sucht sich jeder über den Stand der allgemeinen Nachfrage und Zufuhr zu unterrichten; und dies Wissen wirkt dann wieder praktisch auf sie ein. Obgleich alles dies auf dem gegebnen Standpunkt die Fremdartigkeit nicht aufhebt, so führt es Verhältnisse und Verbindungen herbei, die die Möglichkeit, den alten Standpunkt aufzuheben, in sich einschließen.) (Die Möglichkeit allgemeiner Statistik etc.)"

S. 95f

"(Es ist gesagt worden und mag gesagt werden, daß das Schöne und Große eben in diesem naturwüchsigen, vom Wissen und Wollen der Individuen unabhängigen, und grade ihre wechselseitige Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit gegeneinander voraussetzenden Zusammenhang, materiellen und geistigen Stoffwechsel, beruht. Und sicher ist dieser sachliche Zusammenhang ihrer Zusammenhangslosigkeit vorzuziehn oder einem auf Bluturenge Natur und Herrschafts- und Knechtschafts[verhältnisse] gegründet[en] nur lokalen Zusammenhang. Es ist ebenso sicher, daß die Individuen sich ihre eignen gesellschaftlichen Zusammenhänge nicht unterordnen können, bevor sie dieselben geschaffen haben. Aber es ist abgeschmackt, jenen nur sachlichen Zusammenhang als den naturwüchsigen, von der Natur der Individualität (im Gegensatz zum reflektierten Wissen und Wollen) unzertrennlichen und ihr immanenten, aufzufassen. Er ist ihr Produkt. Er ist ein historisches Produkt. Er gehört einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung an. Die Fremdartigkeit und Selbständigkeit, worin er noch gegen sie existiert, beweist nur, daß sie noch in der Schöpfung der Bedingungen ihres sozialen Lebens begriffen sind, statt von diesen Bedingungen aus es begonnen zu haben. Es ist der Zusammenhang, der naturwüchsige, von Individuen innerhalb bestimmter, bornierter Produktionsverhältnisse. Die universal entwickelten Individuen, deren gesellschaftliche Verhältnisse als ihre eignen, gemeinschaftlichen Beziehungen auch ihrer eignen gemeinschaftlichen Kontrolle unterworfen sind, sind kein Produkt der Natur, sondern der Geschichte. Der Grad und die Universalität der Entwicklung der Vermögen, worin diese Individualität möglich wird, setzt eben die Produktion auf der Basis der Tauschwerte voraus, die mit der Allgemeinheit der Entfremdung des Individuums von sich und von andren, aber auch die Allgemeinheit und Allseitigkeit seiner Beziehungen und Fähigkeiten erst produziert. Auf frühren Stufen der Entwicklung erscheint das einzelne Individuum voller, weil es eben die Fülle seiner Beziehungen noch nicht herausgearbeitet und als von ihm unabhängige gesellschaftliche

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Mächte und Verhältnisse sich gegenübergestellt hat. So lächerlich es ist, sich nach jener ursprünglichen Fülle zurückzusehnen, so lächerlich ist der Glaube, bei jener vollen Entleerung stehnbleiben zu müssen. Über den Gegensatz gegen jene romantische Ansicht ist die bürgerliche nie herausgekommen, und darum wird jene als berechtigter Gegensatz sie bis an ihr seliges Ende begleiten.)"

S. 103ff

"Um unmittelbar das allgemeine Geld zu sein, müßte sie von vornherein nicht besondre Arbeit, sondern allgemeine sein, d. h. von vornherein als Glied der allgemeinen Produktion gesetzt sein. In dieser Voraussetzung aber würde nicht erst der Austausch ihr den allgemeinen Charakter geben, sondern Produkten bestimmen. Der gemeinschaftliche Charakter der Produktion würde von vornherein das Produkt zu einem gemeinschaftlichen, allgemeinen machen. Der ursprünglich in der Produktion stattfindende Austausch — der kein Austausch von Tauschwerten wäre, sondern von Tätigkeiten, die durch gemeinschaftliche Bedürfnisse bestimmt wären, durch gemeinschaftliche Zwecke — würde von vornherein die Teilnahme des einzelnen an der gemeinschaftlichen Produktenwelt einschließen. Auf der Grundlage der Tauschwerte wird die Arbeit erst durch den Austausch als allgemein gesetzt. Auf dieser Grundlage wäre sie als solche gesetzt vor dem Austausch; d. h., der Austausch der Produkte wäre überhaupt nicht das Medium, wodurch die Teilnahme des einzelnen an der allgemeinen Produktion vermittelt würde. Vermittlung muß natürlich stattfinden. ausgeht — sosehr diese selbständigen Produktionen durch ihre Beziehungen zueinander sich post festum bestimmen, modifizieren —, findet die Vermittlung statt durch den Austausch der Waren, den Tauschwert, das Geld, die alle Ausdrücke eines und desselben Verhältnisses sind. Im zweiten Fall ist die Voraussetzung selbst vermittelt; d.h., eine gemeinschaftliche Produktion, die Gemeinschaftlichkeit als Grundlage der Produktion, ist vorausgesetzt. Die Arbeit des einzelnen ist von vornherein als gesellschaftliche Arbeit gesetzt. Welches daher auch immer die besondre materielle Gestalt des Produkts sei, das er schafft oder schaffen hilft, was er mit seiner Arbeit gekauft hat, ist nicht ein bestimmtes besondres Produkt, sondern ein bestimmter Anteil an der gemeinschaftlichen Produktion. Er hat darum auch kein besondres Produkt auszutauschen. Sein Produkt ist kein Tauschwert. Das Produkt hat nicht erst in eine besondre Form umgesetzt zu werden, um einen allgemeinen Charakter für den einzelnen zu erhalten. Statt einer Teilung der Arbeit, die in dem Austausch von Tauschwerten sich notwendig erzeugt, fände eine Organisation der Arbeit statt, die den Anteil des einzelnen an der gemeinschaftlichen Konsumtion zur Folge hat. durch die Erhebung der Produkte zu Tauschwerten und den Tausch dieser Tauschwerte post festum gesetzt. Im zweiten Fall ist der gesellschaftliche Charakter der Produktion vorausgesetzt, und die Teilnahme an der Produktenwelt, an der Konsumtion, ist nicht durch den Austausch voneinander unabhängiger Arbeiten oder Arbeitsprodukte vermittelt. Er ist vermittelt durch die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, innerhalb deren das Individuum tätig ist. Die Arbeit des einzelnen also unmittelbar zum Geld machen wollen (d. h. auch sein Produkt), zum realisierten Tauschwert, heißt, sie unmittelbar als allgemeine Arbeit bestimmen, d.h. eben die Bedingungen negieren, unter denen sie zu Geld und Tauschwerten gemacht werden muß und vom Privataustausch abhängt. Die Forderung kann bloß befriedigt werden unter Bedingungen, worin sie nicht mehr gestellt werden kann. Die Arbeit auf Grundlage der Tauschwerte setzt eben voraus, daß weder die Arbeit des einzelnen noch sein Produkt unmittelbar allgemein ist; daß es diese Form erst durch eine gegenständliche Vermittlung erlangt, durch ein von ihm verschiedenes Geld.

Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu andrer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparung ab.

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Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf. Ebenso muß die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie der einzelne seine Zeit richtig einteilen muß, um sich Kenntnisse in angemeßnen Proportionen zu erwerben oder um den verschiednen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiednen Zweige der Produktion bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz. Dies ist jedoch wesentlich verschieden vom Messen der Tauschwerte (Arbeiten oder Arbeitsprodukte) durch die Arbeitszeit."

S. 126f

"Zur Zirkulation gehört wesentlich, daß der Austausch als ein Prozeß, ein flüssiges Ganze von Käufen und Verläufen erscheint. Ihre erste Voraussetzung ist die Zirkulation der Waren selbst, die beständig von vielen Seiten ausgehnde Zirkulation derselben. Die Bedingung der Warenzirkulation ist, daß sie als Tauschwerte produziert werden, nicht als unmittelbare Gebrauchswerte, sondern als durch den Tauschwert vermittelte. Die Aneignung durch und vermittelst der Ent- und Veräußerung ist Grundvoraussetzung. In der Zirkulation als der Realisierung der Tauschwerte ist enthalten: 1. daß mein Produkt nur Produkt ist, sofern es für andre ist; also aufgehobnes Einzelnes, Allgemeines; 2. daß es nur für mich Produkt ist, soweit es entäußert worden, für andre geworden ist; 3. daß es nur für den andren ist, soweit er selbst sein Produkt entäußert; worin schon 4. liegt, daß die Produktion nicht als Selbstzweck für mich erscheint, sondern als Mittel. Die Zirkulation ist die Bewegung, worin die allgemeine Entäußrung als allgemeine Aneignung und die allgemeine Aneignung als allgemeine Entäußrung erscheint. Sosehr nun das Ganze dieser Bewegung als gesellschaftlicher Prozeß erscheint und sosehr die einzelnen Momente dieser Bewegung vom bewußten Willen und besondern Zwecken der Individuen ausgehn, sosehr erscheint die Totalität des Prozesses als ein objektiver Zusammenhang, der naturwüchsig entsteht; zwar aus dem Aufeinanderwirken der bewußten Individuen hervorgeht, aber weder in ihrem Bewußtsein liegt noch als Ganzes unter sie subsumiert wird. Ihr eignes Aufeinanderstoßen produziert ihnen eine über ihnen stehende, fremde gesellschaftliche Macht; ihre Wechselwirkung als von ihnen unabhängigen Prozeß und Gewalt. Die Zirkulation, weil eine Totalität des gesellschaftlichen Prozesses, ist auch die erste Form, worin nicht nur wie etwa in einem Geldstück oder im Tauschwert das gesellschaftliche Verhältnis als etwas von den Individuen Unabhängiges erscheint, sondern das Ganze der gesellschaftlichen Bewegung selbst. Die gesellschaftliche Beziehung der Individuen aufeinander als verselbständigte Macht über den Individuen, werde sie nun vorgestellt als Naturmacht, Zufall oder in sonst beliebiger Form, ist notwendiges Resultat dessen, daß der Ausgangspunkt nicht das freie gesellschaftliche Individuum ist. Die Zirkulation als erste Totalität unter den ökonomischen Kategorien gut, um dies zur Anschauung zu bringen."

S. 168f

"Daß das Bedürfnis des einen durch das Produkt des andren und vice versa befriedigt werden kann und der eine fähig ist, den Gegenstand dem Bedürfnis des andren zu produzieren und jeder dem andren als Eigentümer des Objekts des Bedürfnisses des andren gegenübersteht, zeigt, daß jeder als Mensch über sein eignes besondres Bedürfnis etc. übergreift und daß sie sich als Menschen zueinander verhalten; daß ihr gemeinschaftliches Gattungswesen von allen gewußt ist. Es kömmt sonst nicht vor, daß Elefanten für Tiger oder Tiere für andre Tiere produzieren. Z. B.: Ein Bienenschwarm bildet au fond nur eine Biene, und sie produzieren alle dasselbe."

S. 366f

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"Es ist hier der Schein fortgefallen, der noch bei der ersten Betrachtung des Produktionsprozesses existierte, als ob das Kapital irgendeinen Wert von seiner Seite, aus der Zirkulation, her beibrächte. Die objektiven Bedingungen der Arbeit erscheinen jetzt vielmehr als ihr Produkt — sowohl soweit sie Wert überhaupt als Gebrauchswerte für die Produktion sind. Wenn aber so das Kapital als Produkt der Arbeit erscheint, so erscheint ebenso das Produkt der Arbeit als Kapital — nicht mehr als einfaches Produkt noch als austauschbare Ware, sondern als Kapital; vergegenständlichte Arbeit als Herrschaft, Kommando über lebendige. Es erscheint ebenso als Produkt der Arbeit, daß ihr Produkt als fremdes Eigentum, selbständig der lebendigen Arbeit gegenübertretende Existenzweise, ebenso als für sich seiender Wert erscheint; daß das Produkt der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit mit einer eignen Seele von der lebendigen Arbeit selbst begabt ist und sich ihr gegenüber als fremde Macht festsetzt. Vom Standpunkt der Arbeit aus betrachtet, erscheint sie also so in dem Produktionsprozeß tätig, daß sie ihre Verwirklichung in objektiven Bedingungen zugleich als fremde Realität von sich abstößt und daher sich selbst als substanzloses, bloß bedürftiges Arbeitsvermögen gegenüber dieser ihr entfremdeten, nicht ihr, sondern andern gehörigen Realität setzt; daß sie ihre eigne Wirklichkeit nicht als Sein für sich, sondern als bloßes Sein für andres und daher auch als bloßes Anderssein oder Sein des andren gegen sie selbst setzt. Dieser Verwirklichungsprozeß ist ebenso der Entwirklichungsprozeß der Arbeit. Sie setzt sich objektiv, aber sie setzt diese ihre Objektivität als ihr eignes Nichtsein oder als das Sein ihres Nichtseins — des Kapitals. Sie kehrt in sich zurück als bloße Möglichkeit der Wertsetzung oder Verwertung; weil der ganze wirkliche Reichtum, die Welt des wirklichen Werts und ebenso die realen Bedingungen ihrer eignen Verwirklichung als selbständige Existenzen ihr gegenüber gesetzt sind. Es sind die in dem eignen Schoß der lebendigen Arbeit ruhenden Möglichkeiten, die infolge des Produktionsprozesses als Wirklichkeiten außer ihr existieren — aber als ihr fremde Wirklichkeiten, die den Reichtum im Gegensatz zu ihr bilden."

S. 395f

"In allen diesen Formen ist die Reproduktion vorausgesetzter — mehr oder minder naturwüchsiger oder auch historisch gewordner, aber traditionell gewordner — Verhältnisse des einzelnen zu seiner Gemeinde und ein bestimmtes, ihm vorherbestimmtes objektives Dasein, sowohl im Verhalten zu den Bedingungen der Arbeit wie zu seinen Mitarbeitern, Stammesgenossen etc. — Grundlage der Entwicklung, die von vornherein daher eine beschränkte ist, aber mit Aufhebung der Schranke Verfall und Untergang darstellt. Die Entwicklung der Sklaverei, die Konzentration des Grundbesitzes, Austausch, Geldwesen, Eroberung etc. so bei den Römern, obgleich alle diese Elemente bis zu einem gewissen Punkt verträglich scheinen mit der Grundlage und sie teils nur unschuldig zu erweitern scheinen, teils als bloße Mißbräuche aus ihr hervorzuwachsen. Es können hier große Entwicklungen stattfinden innerhalb eines bestimmten Kreises. Die Individuen können groß erscheinen. Aber an freie und volle Entwicklung, weder des Individuums, noch der Gesellschaft nicht hier zu denken, da solche Entwicklung mit dem ursprünglichen Verhältnis im Widerspruch steht.

Wir finden bei den Alten nie eine Untersuchung, welche Form des Grundeigentums etc. die produktivste, den größten Reichtum schafft? Der Reichtum erscheint nicht als Zweck der Produktion, obgleich sehr wohl Cato untersuchen kann, welche Bestellung des Feldes die einträglichste, oder gar Brutus sein Geld zu den besten Zinsen ausborgen kann. Die Untersuchung ist immer, welche Weise des Eigentums die besten Staatsbürger schafft. Als Selbstzweck erscheint der Reichtum nur bei den wenigen Handelsvölkern — Monopolisten des carrying trade —, die in den Poren der alten Welt leben, wie die Juden in der mittelaltrigen Gesellschaft. Nun ist der Reichtum einerseits Sache, verwirklicht in Sachen, materiellen Produkten, denen der Mensch als Subjekt gegenübersteht; andrerseits als Wert ist er bloßes Kommando über fremde Arbeit nicht zum Zweck der Herrschaft, sondern des Privatgenusses etc. In allen Formen erscheint er in dinglicher

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Gestalt, sei es Sache, sei es Verhältnis vermittelst der Sache, die außer und zufällig neben dem Individuum liegt. So erscheint die alte Anschauung, wo der Mensch, in welcher bornierten nationalen, religiösen, politischen Bestimmung auch immer als Zweck der Produktion erscheint, sehr erhaben zu sein gegen die moderne Welt, wo die Produktion als Zweck des Menschen und der Reichtum als Zweck der Produktion erscheint. In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen? Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der sog. Natur sowohl wie seiner eignen Natur? Das absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andre Voraussetzung als die vorhergegangne historische Entwicklung, die diese Totalität der Entwicklung, d. h. der Entwicklung aller menschlichen Kräfte als solcher, nicht gemessen an einem vorhergegebnen Maßstab, zum Selbstzweck macht? Wo er sich nicht reproduziert in einer Bestimmtheit, sondern seine Totalität produziert? Nicht irgend etwas Gewordnes zu bleiben sucht, sondern in der absoluten Bewegung des Werdens ist? In der bürgerlichen Ökonomie — und der Produktionsepoche, der sie entspricht — erscheint diese völlige Herausarbeitung des menschlichen Innern als völlige Entleerung; diese universelle Vergegenständlichung als totale Entfremdung und die Niederreißung aller bestimmten einseitigen Zwecke als Aufopferung des Selbstzwecks unter einen ganz äußeren Zweck. Daher erscheint einerseits die kindische alte Welt als das Höhere. Andrerseits ist sie es in alledem, wo geschloßne Gestalt, Form und gegebne Begrenzung gesucht wird. Sie ist Befriedigung auf einem bornierten Standpunkt; während das Moderne unbefriedigt läßt oder, wo es in sich befriedigt erscheint, gemein ist."

S. 422

"Der Austausch von Arbeit gegen Arbeit — scheinbar die Bedingung des Eigentums des Arbeiters — beruht auf der Eigentumslosigkeit des Arbeiters als ihrer Basis.} (Daß die äußerste Form der Entfremdung, worin im Verhältnis des Kapitals zur Lohnarbeit die Arbeit, die produktive Tätigkeit zu ihren eignen Bedingungen und ihrem eignen Produkt erscheint, ein notwendiger Durchgangspunkt ist — und daher an sich, nur noch in verkehrter, auf den Kopf gestellter Form schon enthält die Auflösung aller bornierten Voraussetzungen der Produktion und vielmehr die unbedingten Voraussetzungen der Produktion schafft und herstellt, daher die vollen materiellen Bedingungen für die totale, universelle Entwicklung der Produktivkräfte des Individuums, wird später betrachtet werden.)"

S. 403f

"Eigentum meint also ursprünglich — und so in seiner asiatischen, slawischen, antiken, germanischen Form — Verhalten des arbeitenden (produzierenden) Subjekts (oder sich reproduzierenden) zu den Bedingungen seiner Produktion oder Reproduktion als den seinen. Es wird daher auch verschiedne Formen haben nach den Bedingungen dieser Produktion. Die Produktion selbst bezweckt die Reproduktion des Produzenten in und mit diesen seinen objektiven Daseinsbedingungen. Dieses Verhalten als Eigentümer — nicht als Resultat, sondern Voraussetzung der Arbeit, i. e. der Produktion — setzt voraus ein bestimmtes Dasein des Individuums als Glied eines Stamm- oder Gemeinwesens (dessen Eigentum es selbst ist bis zu einem gewissen Punkt). Sklaverei, Leibeigenschaft etc., wo der Arbeiter selbst unter den Naturbedingungen der Produktion für ein drittes Individuum oder Gemeinwesen erscheint (dies ist z.B. bei der allgemeinen Sklaverei des Orients nicht der Fall, nur vom europäischen point of view aus) — also Eigentum nicht mehr das Verhalten des selbstarbeitenden Individuums zu den objektiven Bedingungen der Arbeit —, ist immer sekundär, nie ursprüngüch, obgleich notwendiges und konsequentes Resultat des auf dem Gemeinwesen und Arbeit im Gemeinwesen gegründeten Eigentums. Es ist zwar sehr einfach, sich vorzustellen, daß ein Gewaltiger, physisch Überlegner, nachdem er erst das Tier gefangen, dann Menschen fängt, um durch ihn Tiere fangen zu lassen; mit einem Worte

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sich ebenso des Menschen als einer natürlich vorgefundnen Bedingung für seine Reproduktion bedient (wobei seine eigne Arbeit in Herrschen sich auflöst etc.) wie irgendeines andren Naturwesens. Aber solche Ansicht ist abgeschmackt — sosehr richtig vom Standpunkt gegebner Stammoder Gemeinwesen —, da sie von der Entwicklung vereinzelter Menschen ausgeht. Der Mensch vereinzelt sich erst durch den historischen Prozeß. Er erscheint ursprünglich als ein Gattungswesen, Stammwesen, Herdentier— wenn auch keineswegs als ein zoon politikon im politischen Sinn. Der Austausch selbst ist ein Hauptmittel dieser Vereinzelung. Er macht das Herdenwesen überflüssig und löst es auf. Sobald die Sache sich so gedreht, daß er als Vereinzelter nur mehr sich auf sich bezieht, die Mittel aber, um sich als Vereinzelter zu setzen, sein sich Allgemein- und Gemeinmachen geworden sind. In diesem Gemeinwesen ist das objektive Dasein des einzelnen als Eigentümer, sage z.B. Grundeigentümer, vorausgesetzt, und zwar unter gewissen Bedingungen, die ihn an das Gemeinwesen ketten oder vielmehr einen Ring in seiner Kette machen. In der bürgerlichen Gesellschaft steht der Arbeiter z. B. rein objektivlos, subjektiv da; aber die Sache, die ihm gegenübersteht, ist das wahre Gemeinwesen nun geworden, das er zu verspeisen sucht und von dem er verspeist wird. Alle Formen (mehr oder minder naturwüchsig, alle zugleich aber auch Resultate historischen Prozesses), worin das Gemeinwesen die Subjekte in bestimmter objektiver Einheit mit ihren Produktionsbedingungen oder ein bestimmtes subjektives Dasein die Gemeinwesen selbst als Produktionsbedingungen unterstellt, entsprechen notwendig nur limitierter und prinzipiell limitierter Entwicklung der Produktivkräfte. Die Entwicklung der Produktivkräfte löst sie auf, und ihre Auflösung selbst ist eine Entwicklung der menschlichen Produktivkräfte. Es wird erst gearbeitet von gewisser Grundlage aus — erst naturwüchsig — dann historische Voraussetzung. Dann aber wird diese Grundlage oder Voraussetzung selbst aufgehoben oder gesetzt als eine verschwindende Voraussetzung, die zu eng geworden für die Entfaltung des progressiven Menschenpacks."

S. 512f

"Du sollst arbeiten im Schweiß deines Angesichts! war Jehovas Fluch, den er Adam mitgab. Und so als Fluch nimmt A. Smith die Arbeit. Die „Ruhe" erscheint als der adäquate Zustand, als identisch mit „Freiheit" und „Glück". Daß das Individuum „in seinem normalen Zustand von Gesundheit, Kraft, Tätigkeit, Geschicklichkeit, Gewandtheit" auch das Bedürfnis einer normalen Portion von Arbeit hat und von Aufhebung der Ruhe, scheint A. Smith ganz fernzuliegen. Allerdings erscheint das Maß der Arbeit selbst äußerlich gegeben, durch den zu erreichenden Zweck und die Hindernisse, die zu seiner Erreichung durch die Arbeit zu überwinden. Daß aber diese Überwindung von Hindernissen an sich Betätigung der Freiheit — und daß ferner die äußren Zwecke den Schein bloß äußrer Naturnotwendigkeit abgestreift erhalten und als Zwecke, die das Individuum selbst erst setzt, gesetzt werden — also als Selbstverwirklichung, Vergegenständlichung des Subjekts, daher reale Freiheit, deren Aktion eben die Arbeit, ahnt A. Smith ebensowenig. Allerdings hat er recht, daß in den historischen Formen der Arbeit als Sklaven-, Fronde-, Lohnarbeit die Arbeit stets repulsiv, stets als äußre Zwangsarbeit erscheint und ihr gegenüber die Nichtarbeit als „Freiheit und Glück". Es gilt doppelt: von dieser gegensätzlichen Arbeit und, was damit zusammenhängt, der Arbeit, die sich noch nicht die Bedingungen, subjektive und objektive, geschaffen hat (oder auch gegen den Hirten- etc. Zustand, der sie verloren hat), damit die Arbeit travail attractif, Selbstverwirklichung des Individuums sei, was keineswegs meint, daß sie bloßer Spaß sei, bloßes amusement, wie Fourier [, p. 245—252] es sehr grisettenmäßig naiv auffaßt. Wirklich freie Arbeiten, z. B. Komponieren, ist grade zugleich verdammtester Ernst, intensivste Anstrengung. Die Arbeit der materiellen Produktion kann diesen Charakter nur erhalten, dadurch, daß 1. ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt ist, 2. daß sie wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit ist, nicht Anstrengung des Menschen als bestimmt dressierter Naturkraft, sondern als Subjekt, das in dem

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Produktionsprozeß nicht in bloß natürlicher, naturwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit erscheint. Übrigens denkt A.Smith nur an die Sklaven des Kapitals. Z.B. selbst der halbkünstlerische Arbeiter des Mittelalters ist nicht zu rangieren unter seine Definition. Was wir aber hier zunächst wollen, ist nicht auf seine Ansicht von der Arbeit eingehn, seine philosophische, sondern das ökonomische Moment. Die Arbeit, bloß als Opfer betrachtet und darum wertsetzend, als Preis, der für die Dinge bezahlt wird und ihnen daher Preis gibt, je nachdem sie mehr oder weniger Arbeit kosten, ist rein negative Bestimmung. Daher konnte denn Herr Senior z.B. das Kapital zu einer Produktionsquelle im selben Sinn wie die Arbeit, sui generis machen, eine Produktionsquelle von Wert, weil auch der Kapitalist ein Opfer bringe, das Opfer der abstinence, indem er sich bereichert, statt sein Produkt direkt aufzuessen. Ein bloß Negatives schafft nichts. Wenn die Arbeit dem Arbeiter z.B. Vergnügen macht — wie sicher dem geizigen Seniors abstinence —, so verliert das Produkt nichts an seinem Wert. Die Arbeit allein produziert; sie ist die einzige Substanz der Produkte als Werte. {Wie wenig Proudhon die Sache verstanden hat, geht aus seinem Axiom hervor, daß jede Arbeit ein Surpilus läßt. Was er bei dem Kapital verneint, verwandelt er in natürliche Eigenschaft der Arbeit. Der Witz ist vielmehr, daß die zur Fristung der absoluten Bedürfnisse notwendige Arbeitszeit freie Zeit läßt (verschieden auf den verschiednen Stufen der Entwicklung der Produktivkräfte) und daher Surplusproduce geschaffen werden kann, wenn Surplusarbeit gearbeitet wird. Das Verhältnis selbst aufzuheben ist der Zweck; so daß das Surplusproduce selbst als notwendiges erscheint. Schließlich die materielle Produktion jedem Menschen Surpluszeit zu andrer Tätigkeit läßt. Darin nun nichts Mystisches mehr. Ursprünglich die freiwilligen Gaben der Natur reich, oder wenigstens nur anzueignen. Von vornherein naturwüchsig Assoziation (Familie) und ihr entsprechende Teilung der Arbeit und Kooperation. Denn ebenso ursprünglich die Bedürfnisse arm. Sie entwickeln sich selbst erst mit den Produktivkräften.}"

S. 601f

"Der wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr — und dies enthüllt die große Industrie — im ungeheuren Mißverhältnis zwischen der angewandten Arbeitszeit und ihrem Produkt wie ebenso im qualitativen Mißverhältnis zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie bewacht. Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr als in den Produktionsprozeß eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozeß selbst verhält. (Was von der Maschinerie gilt ebenso von der Kombination der menschlichen Tätigkeit und der Entwicklung des menschlichen Verkehrs.) Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt; sondern den Naturprozeß, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper — in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint. Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die große Industrie selbst geschaffne. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß aufhören, die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört, Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozeß erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift. Die freie Entwicklung der Individualitäten und daher nicht das

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Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit, um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht. Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der notwendigen, um sie zu vermehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maß als Bedingung — question de vie et de mort — für die notwendige. Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite wie es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten. Die Produktivkräfte und gesellschaftlichen Beziehungen — beides verschiedne Seiten der Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums — erscheinen dem Kapital nur als Mittel und sind für es nur Mittel, um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren. In fact aber sind sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen."

S. 603f

{Die Schöpfung von viel disposable time außer der notwendigen Arbeitszeit für die Gesellschaft überhaupt und jedes Glied derselben (d. h. Raum für die Entwicklung der vollen Produktivkräfte der einzelnen, daher auch der Gesellschaft), diese Schöpfung von Nicht-Arbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Kapitals, wie aller frühren Stufen, als Nicht-Arbeitszeit, freie Zeit für einige. Das Kapital fügt hinzu, daß es die Surplusarbeitszeit der Masse durch alle Mittel der Kunst und Wissenschaft vermehrt, weil sein Reichtum direkt in der Aneignung von Surplusarbeitszeit besteht; da sein Zweck direkt der Wert, nicht der Gebrauchswert. Es ist so, malgre lui, instrumental in creating the means of social disposable time, um die Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft auf ein fallendes Minimum zu reduzieren und so die Zeit aller frei für ihre eigne Entwicklung zu machen. Seine Tendenz aber immer, einerseits disposable time zu schaffen, andrerseits to convert it into surplus labour. Gelingt ihm das erstre zu gut, so leidet es an Surplusproduktion, und dann wird die notwendige Arbeit unterbrochen, weil keine surplus labour vom Kapital verwertet werden kann. Je mehr dieser Widerspruch sich entwickelt, um so mehr stellt sich heraus, daß das Wachstum der Produktivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder surplus labour, sondern die Arbeitermasse selbst ihre Surplusarbeit sich aneignen muß. Hat sie das getan — und hört damit die disposable time auf, gegensätzliche Existenz zu haben—, so wird einerseits die notwendige Arbeitszeit ihr Maß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andrerseits die Entwicklung der gesellschaftichen Produktivkraft so rasch wachsen, daß, obgleich nun auf den Reichtum aller die Produktion berechnet ist, die disposable time aller wächst. Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maß des Reichtums. Die Arbeitszeit als Maß des Reichtums setzt den Reichtum selbst als auf der Armut begründet und die disposable time nur existierend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit oder Setzen der ganzen Zeit des Individuums als Arbeitszeit und Degradation desselben daher zum bloßen Arbeiter, Subsumtion unter die Arbeit. Die entwickeltste Maschinerie zwingt den Arbeiter daher, jetzt länger zu arbeiten, als der Wilde tut oder als er selbst mit den einfachsten, rohsten Werkzeugen tat.}"

S. 604f

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{Wie mit der Entwicklung der großen Industrie die Basis, auf der sie ruht, Aneignung fremder Arbeitszeit, aufhört, den Reichtum auszumachen oder zu schaffen, so hört mit ihr die unmittelbare Arbeit auf, als solche Basis der Produktion zu sein, indem sie nach der einen Seite hin in mehr überwachende und regulierende Tätigkeit verwandelt wird; dann aber auch, weil das Produkt aufhört, Produkt der vereinzelten unmittelbaren Arbeit zu sein, und vielmehr die Kombination der gesellschaftlichen Tätigkeit als der Produzent erscheint."

S. 607

"{Die wirkliche Ökonomie — Ersparung — besteht in Ersparung von Arbeitszeit; (Minimum (und Reduktion zum Minimum) der Produktionskosten); diese Ersparung aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuß, sondern Entwickeln von power, von Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für denselben, also erstes Mittel desselben, und diese Fähigkeit ist Entwicklung einer individuellen Anlage, Produktivkraft. Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d. h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit. Sie kann vom Standpunkt des unmittelbaren Produktionsprozesses aus betrachtet werden als Produktion von capital fixe; dies capital fixe being man himself. Daß übrigens die unmittelbare Arbeitszeit selbst nicht in dem abstrakten Gegensatz zu der freien Zeit bleiben kann — wie sie vom Standpunkt der bürgerlichen Ökonomie aus erscheint —, versteht sich von selbst. Die Arbeit kann nicht Spiel werden, wie Fourier [, p. 245-252] will, dem das große Verdienst bleibt, die Aufhebung nicht der Distribution, sondern der Produktionsweise selbst in höhre Form als ultimate object ausgesprochen zu haben. Die freie Zeit, die sowohl Mußezeit als Zeit für höhre Tätigkeit ist — hat ihren Besitzer natürlich in ein andres Subjekt verwandelt, und als dies andre Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozeß. Es ist dieser zugleich Disziplin, mit Bezug auf den werdenden Menschen betrachtet, wie Ausübung, Experimentalwissenschaft, materiell schöpferische und sich vergegenständlichende Wissenschaft mit Bezug auf den gewordnen Menschen, in dessen Kopf das akkumulierte Wissen der Gesellschaft existiert. Für beide, soweit die Arbeit praktisches Handanlegen erfordert und freie Bewegung, wie in der Agrikultur, zugleich exercise."

S. 721-723

"Der fact, daß mit der Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit die gegenständlichen Bedingungen der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit wachsen muß im Verhältnis zur lebendigen Arbeit — es ist dies eigentlich ein selbstverständlich tautologischer Satz, denn was heißt wachsende Produktivkraft der Arbeit anders, als daß weniger unmittelbare Arbeit erheischt ist, um ein größres Produkt zu schaffen, und daß also der gesellschaftliche Reichtum sich mehr und mehr ausdrückt in den von der Arbeit selbst geschaffnen Bedingungen der Arbeit — erscheint vom Standpunkt des Kapitals so, nicht daß das eine Moment der gesellschaftlichen Tätigkeit — die gegenständliche Arbeit — zum immer gewaltigem Leib des andren Moments, der subjektiven, lebendigen Arbeit wird, sondern daß — und dies ist wichtig für die Lohnarbeit — die objektiven Bedingungen der Arbeit eine immer kolossalere Selbständigkeit, die sich durch ihren very extent darstellt, gegen die lebendige Arbeit annehmen und der gesellschaftliche Reichtum in gewaltigem Portionen als fremde und beherrschende Macht der Arbeit gegenübertritt. Der Ton wird gelegt nicht auf das Vergegenständlichtsein, sondern das Entfremdet-, Entäußert-, Veräußertsein — das Nicht-dem-Arbeiter-, sondern den personifizierten Produktionsbedingungen-, i. e. dem-Kapital-Zugehören, der ungeheuren [ver]gegenständlichten Macht, die die gesellschaftliche Arbeit selbst sich als eins ihrer Momente gegenübergestellt hat. Soweit auf dem Standpunkt

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des Kapitals und der Lohnarbeit die Erzeugung dieses gegenständlichen Leibes der Tätigkeit im Gegensatz zum unmittelbaren Arbeitsvermögen geschieht — dieser Prozeß der Vergegenständlichung in fact als Prozeß der Entäußerung vom Standpunkt der Arbeit aus oder der Aneignung fremder Arbeit vom Standpunkt des Kapitals aus erscheint —, ist diese Verdrehung und Verkehrung eine wirkliche, keine bloß gemeinte, bloß in der Vorstellung der Arbeiter und Kapitalisten existierende. Aber offenbar ist dieser Verkehrungsprozeß bloß historische Notwendigkeit, bloß Notwendigkeit für die Entwicklung der Produktivkräfte von einem bestimmten historischen Ausgangspunkt aus, oder Basis aus, aber keineswegs eine absolute Notwendigkeit der Produktion; vielmehr eine verschwindende, und das Resultat und der Zweck (immanente) dieses Prozesses ist, diese Basis selbst aufzuheben, wie diese Form des Prozesses. Die bürgerlichen Ökonomen sind so eingepfercht in den Vorstellungen einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe der Gesellschaft, daß die Notwendigkeit der Vergegenständlichung der gesellschaftlichen Mächte der Arbeit ihnen unzertrennbar erscheint von der Notwendigkeit der Entfremdung derselben gegenüber der lebendigen Arbeit. Mit der Aufhebung aber des unmittelbaren Charakters der lebendigen Arbeit als bloß einzelner oder als bloß innerlich oder bloß äußerlich allgemeiner, mit dem Setzen der Tätigkeit der Individuen als unmittelbar allgemeiner oder gesellschaftlicher, wird den gegenständlichen Momenten der Produktion diese Form der Entfremdung abgestreift; sie werden damit gesetzt als Eigentum, als der organische gesellschaftliche Leib, worin die Individuen sich reproduzieren als Einzelne, aber als gesellschaftliche Einzelne. Die Bedingungen, so zu sein in der Reproduktion ihres Lebens, in ihrem produktiven Lebensprozeß, sind erst gesetzt worden durch den historischen ökonomischen Prozeß selbst; sowohl die objektiven wie die subjektiven Bedingungen, die nur die zwei unterschiednen Formen derselben Bedingungen sind.

Die Eigentumslosigkeit des Arbeiters und das Eigentum der vergegenständlichten Arbeit an der lebendigen oder die Aneignung fremder Arbeit durch das Kapital — beides nur auf zwei entgegengesetzten Polen dasselbe Verhältnis ausdrückend — sind Grundbedingungen der bürgerlichen Produktionsweise, keineswegs ihr gleichgültige Zufälle. Diese Distributionsweisen sind die Produktionsverhältnisse selbst, nur sub specie distributionis."

Weitere Stelle: S. 538 (objektivierte Arbeit, die sich im Wert verselbständigt, erscheint als entfremdetes Produkt der Arbeit)

10. "Lohn, Preis, Profit"

Geschrieben: 1865. Veröffentlicht: Erstmals 1898 von Eleanor Marx.

MEW Band 16

S. 144f

"Zeit ist der Raum zu menschlicher Entwicklung. Ein Mensch, der nicht über freie Zeit verfügt, dessen ganze Lebenszeit - abgesehn von rein physischen Unterbrechungen durch Schlaf, Mahlzeiten usw. — von seiner Arbeit für den Kapitalisten verschlungen wird, ist weniger als ein Lasttier. Er ist eine bloße Maschine zur Produktion von fremdem Reichtum, körperlich gebrochen und geistig verroht. Dennoch zeigt die ganze Geschichte der modernen Industrie, daß das Kapital, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird, ohne Gnade und Barmherzigkeit darauf aus ist, die ganze Arbeiterklasse in diesen Zustand äußerster Degradation zu stürzen."

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11. "Das Kapital", Erster Band

Geschrieben: 1863-1865. Veröffentlicht: 1867 (Erste Auflage). Zweite, inhaltlich veränderte Auflage: 1872/1873. Dritte, wieder inhaltlich veränderte Auflage nach Marx' Tod durch Engels 1883. Erneute Veränderungen (Einarbeitung der von Marx autorisierten französischen Ausgabe) in der vierten Auflage von 1890. Die vierte Auflage wird in MEW Band 23 wiedergegeben.

MEW Band 23

S. 93

"Verwandlung des Produkts in Ware, und daher das Dasein der Menschen als Warenproduzenten, eine untergeordnete Rolle, die jedoch um so bedeutender wird, je mehr die Gemeinwesen in das Stadium ihres Untergangs treten. Eigentliche Handelsvölker existieren nur in den Intermundien der alten Welt, wie Epikurs Götter oder wie Juden in den Poren der polnischen Gesellschaft. Jene alten gesellschaftlichen Produktionsorganismen sind außerordentlich viel einfacher und durchsichtiger als der bürgerliche, aber sie beruhen entweder auf der Unreife des individuellen Menschen, der sich von der Nabelschnur des natürlichen Gattungszusammenhangs mit andren noch nicht losgerissen hat, oder auf unmittelbaren Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen. Sie sind bedingt durch eine niedrige Entwicklungsstufe der Produktivkräfte der Arbeit und entsprechend befangene Verhältnisse der Menschen innerhalb ihres materiellen Lebenserzeugungsprozesses, daher zueinander und zur Natur. Diese wirkliche Befangenheit spiegelt sich ideell wider in den alten Natur- und Volksreligionen. Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen. Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d.h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewußter planmäßiger Kontrolle steht. Dazu ist jedoch eine materielle Grundlage der Gesellschaft erheischt oder eine Reihe materieller Existenzbedingungen, welche selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qualvollen Entwicklungsgeschichte sind."

S. 123

"Wir kennen bisher kein ökonomisches Verhältnis der Menschen außer dem von Warenbesitzern, ein Verhältnis, worin sie fremdes Arbeitsprodukt nur aneignen, indem sie eignes entfremden."

S. 192f

"Der Arbeitsprozeß ist daher zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form zu betrachten. Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit. Wir haben es hier nicht mit den ersten tierartig instinktmäßigen Formen der Arbeit zu tun. Dem Zustand, worin der Arbeiter als Verkäufer seiner eignen Arbeitskraft auf dem Warenmarkt auftritt, ist in urzeitlichen Hintergrund der Zustand entrückt, worin die menschliche Arbeit ihre erste instinktartige Form noch nicht abgestreift hatte. Wir

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unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckmäßige Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert, für die ganze Dauer der Arbeit erheischt, und um so mehr, je weniger sie durch den eignen Inhalt und die Art und Weise ihrer Ausführung den Arbeiter mit sich fortreißt, je weniger er sie daher als Spiel seiner eignen körperlichen und geistigen Kräfte genießt. Die einfachen Momente des Arbeitsprozesses sind die zweckmäßige Tätigkeit oder die Arbeit selbst, ihr Gegenstand und ihr Mittel."

S. 329

"Die Produktionsmittel verwandelten sich sofort in Mittel Zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet, sondern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter anwenden. Statt von ihm als stoffliche Elemente seiner produktiven Tätigkeit verzehrt zu werden, verzehren sie ihn als Ferment ihres eignen Lebensprozesses, und der Lebensprozeß des Kapitals besteht nur in seiner Bewegung als sich selbst verwertender Wert. Schmelzöfen und Arbeitsgebäude, die des Nachts ruhn und keine lebendige Arbeit einsaugen, sind „reiner Verlust" („mere loss") für den Kapitalisten. Darum konstituieren Schmelzöfen und Arbeitsgebäude einen „Anspruch auf die Nachtarbeit" der Arbeitskräfte. Die bloße Verwandlung des Geldes in gegenständliche Faktoren des Produktionsprozesses, in Produktionsmittel, verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf fremde Arbeit und Mehrarbeit. Wie diese der kapitalistischen Produktion eigentümliche und sie charakterisierende Verkehrung, ja Verrückung des Verhältnisses von toter und lebendiger Arbeit, von Wert und wertschöpferischer Kraft, sich im Bewußtsein der Kapitalistenköpfe abspiegelt, zeige schließlich noch ein Beispiel."

S. 345f

"Abgesehn von der neuen Kraftpotenz, die aus der Verschmelzung vieler Kräfte in eine Gesamtkraft entspringt, erzeugt bei den meisten produktiven Arbeiten der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer und eine eigne Erregung der Lebensgeister (animal spirits), welche die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen erhöhen, so daß ein Dutzend Personen zusammen in einem gleichzeitigen Arbeitstag von 144 Stunden ein viel größres Gesamtprodukt liefern als zwölf vereinzelte Arbeiter, von denen jeder 12 Stunden, oder als ein Arbeiter, der 12 Tage nacheinander arbeitet. Dies rührt daher, daß der Mensch von Natur, wenn nicht, wie Aristoteles meint, ein politisches, jedenfalls ein gesellschaftliches Tier ist."

S. 348f

"Verglichen mit einer gleich großen Summe vereinzelter individueller Arbeitstage, produziert der kombinierte Arbeitstag größre Massen von Gebrauchswert und vermindert daher die zur Produktion eines bestimmten Nutzeffekts nötige Arbeitszeit. Ob er im gegebnen Fall diese gesteigerte Produktivkraft erhält, weil er die mechanische Kraftpotenz der Arbeit erhöht oder ihre räumliche Wirkungssphäre ausdehnt oder das räumliche

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Produktionsfeld im Verhältnis zur Stufenleiter der Produktion verengt oder im kritischen Moment viel Arbeit in wenig Zeit flüssig macht oder den Wetteifer der einzelnen erregt und ihre Lebensgeister spannt oder den gleichartigen Verrichtungen vieler den Stempel der Kontinuität und Vielseitigkeit aufdrückt, oder verschiedne Operationen gleichzeitig verrichtet oder die Produktionsmittel durch ihren gemeinschaftlichen Gebrauch öko- nomisiert oder der individuellen Arbeit den Charakter gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit verleiht, unter allen Umständen ist die spezifische Produktivkraft des kombinierten Arbeitstags gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit oder Produktivkraft gesellschaftlicher Arbeit. Sie entspringt aus der Kooperation selbst. Im planmäßigen Zusammenwirken mit andern streift der Arbeiter seine individuellen Schranken ab und entwickelt sein Gattungsvermögen."

S. 350f

"Zunächst ist das treibende Motiv und der bestimmende Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses möglichst große Selbstverwertung des Kapitals, d.h. möglichst große Produktion von Mehrwert, also möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten. Mit der Masse der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter wächst ihr Widerstand und damit notwendig der Druck des Kapitals zur Bewältigung dieses Widerstands. Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondre Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung. Ebenso wächst mit dem Umfang der Produktionsmittel, die dem Lohnarbeiter als fremdes Eigentum gegenüberstehn, die Notwendigkeit der Kontrolle über deren sachgemäße Verwendung. Die Kooperation der Lohnarbeiter ist ferner bloße Wirkung des Kapitals, das sie gleichzeitig anwendet. Der Zusammenhang ihrer Funktionen und ihre Einheit als produktiver Gesamtkörper liegen außer ihnen, im Kapital, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Der Zusammenhang ihrer Arbeiten tritt ihnen daher ideell als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft."

S. 455

"Die verselbständigte und entfremdete Gestalt, welche die kapitalistische Produktionsweise überhaupt den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitsprodukt gegenüber dem Arbeiter gibt, entwickelt sich also mit der Maschinerie zum vollständigen Gegensatz. Daher mit ihr zum erstenmal die brutale Revolte des Arbeiters gegen das Arbeitsmittel. Das Arbeitsmittel erschlägt den Arbeiter. Dieser direkte Gegensatz erscheint allerdings am handgreiflichsten, sooft neu eingeführte Maschinerie konkurriert mit überliefertem Handwerks- oder Manufakturbetrieb. Aber innerhalb der großen Industrie selbst wirkt fortwährende Verbeßrung der Maschinerie und Entwicklung des automatischen Systems analog."

S. 595f

"Was aber anfangs nur Ausgangspunkt war, wird vermittelst der bloßen Kontinuität des Prozesses, der einfachen Reproduktion, stets aufs neue produziert und verewigt als eignes Resultat der kapitalistischen Produktion. Einerseits verwandelt der Produktionsprozeß fortwährend den stofflichen Reichtum in Kapital, in Verwertungs- und Genußmittel für den Kapitalisten. Andrerseits kommt der Arbeiter beständig aus dem Prozeß heraus, wie er in ihn eintrat - persönliche Quelle des Reichtums, aber entblößt von allen Mitteln, diesen Reichtum für sich zu verwirklichen. Da vor seinem Eintritt in den Prozeß seine eigne Arbeit ihm selbst entfremdet, dem Kapitalisten angeeignet und dem Kapital einverleibt ist, vergegenständlicht

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sie sich während des Prozesses beständig in fremdem Produkt. Da der Produktionsprozeß zugleich der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten, verwandelt sich das Produkt des Arbeiters nicht nur fortwährend in Ware, sondern in Kapital, Wert, der die wertschöpfende Kraft aussaugt, Lebensmittel, die Personen kaufen, Produktionsmittel, die den Produzenten anwenden. Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion."

S. 635

"Da die vergangne Arbeit sich stets in Kapital verkleidet, d.h. das Passivum der Arbeit von A, B, C usw. in das Aktivum des Nichtarbeiters X, sind Bürger und politische Ökonomen voll des Lobes für die Verdienste der vergangnen Arbeit, welche nach dem schottischen Genie MacCulloch sogar einen eignen Sold (Zins, Profit usw.) beziehn muß. Das stets wachsende Gewicht der im lebendigen Arbeitsprozeß unter der Form von Produktionsmitteln mitwirkenden vergangnen Arbeit wird also ihrer dem Arbeiter selbst, dessen vergangne und unbezahlte Arbeit sie ist, entfremdeten Gestalt zugeschrieben, ihrer Kapitalgestalt. Die praktischen Agenten der kapitalistischen Produktion und ihre ideologischen Zungendrescher sind ebenso unfähig, das Produktionsmittel von der antagonistischen gesellschaftlichen Charaktermaske, die ihm heutzutag anklebt, getrennt zu denken, als ein Sklavenhalter den Arbeiter selbst von seinem Charakter als Sklave."

S. 645f

"Unter den bisher unterstellten, den Arbeitern günstigsten Akkumulationsbedingungen kleidet sich ihr Abhängigkeitsverhältnis vom Kapital in erträgliche oder, wie Eden sagt, „bequeme und liberale" Formen. Statt intensiver zu werden mit dem Wachstum des Kapitals, wird es nur extensiver, d.h. die Exploitations- und Herrschaftssphäre des Kapitals dehnt sich nur aus mit seiner eigenen Dimension und der Anzahl seiner Untertanen. Von ihrem eignen anschwellenden und schwellend in Zusatzkapital verwandelten Mehrprodukt strömt ihnen ein größerer Teil in der Form von Zahlungsmitteln zurück, so daß sie den Kreis ihrer Genüsse erweitern, ihren Konsumtionsfonds von Kleidern, Möbeln usw. besser ausstatten und kleine Reservefonds von Geld bilden können. So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung, Behandlung und ein größeres Peculium das Abhängigkeitsverhältnis und die Exploitation des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters. Steigender Preis der Arbeit infolge der Akkumulation des Kapitals besagt in der Tat nur, daß der Umfang und die Wucht der goldnen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben."

S. 674f

"Wir sahen im vierten Abschnitt bei Analyse der Produktion des relativen Mehrwerts: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehn sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Beherrschungs- und Exploitationsmittel des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses im selben Maße, worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Potenz einverleibt wird; sie verunstalten die

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Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit, schleudern sein Weib und Kind unter das Juggernaut-Rad des Kapitals. Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, daß im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muß. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seite der Klasse, die ihr eignes Produkt als Kapital produziert."

Weitere Stelle: S. 598.

12. "Resultate des unmittelbaren Productionsprocesses" (ursprünglich als 6. Kapitel des ersten Bandes des "Kapital" gedacht

Geschrieben: 1863-1865. Veröffentlicht: Erstmals 1933 im Marx-Engels-Archiv Moskau.

Ausgabe: Verlag Neue Kritik, 1969.

S. 20f

"Die Funktionen, die der Kapitalist ausübt, sind nur die mit Bewusstsein und Willen ausgeübten Funktionen des Kapitals - des sich verwertenden Werts durch Einsaugung der lebendigen Arbeit - selbst. Der Kapitalist funktioniert nur als personifiziertes Kapital, das Kapital als Person, wie der Arbeiter nur als die personifizierte Arbeit, die ihm als Qual, als Anstrengung, die aber dem Kapitalisten als Reichtum schaffende und vermehrende Substanz gehört, wie sie als solche in der Tat als dem Kapital im Produktionsprozess einverleibtes Element, sein lebendiger, variabler Faktor erscheint. Die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter ist daher die Herrschaft der Sache über den Menschen, der toten Arbeit über die lebendige, des Produkts über den Produzenten, da ja in der Tat die Waren, die zu Herrschaftsmitteln (aber bloss als Mittel der Herrschaft des Kapitals selbst) über die Arbeiter werden, blosse Resultate des Produktionsprozesses, die Produkte desselben sind. Es ist dies ganz dasselbe Verhältnis in der materiellen Produktion, im wirklichen Gesellschaftlichen Lebensprozess - denn dies ist der Produktionsprozess - welches sich auf dem ideologischen Gebiet in der Religion darstellt, die Verkehrung des Subjekts in das Objekt und umgekehrt. Historisch betrachtet erscheint diese Verkehrung als der notwendige Durchgangspunkt, um die Schöpfung des Reichtums als solchen, d.h. der rücksichtslosen Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit, welche allein die materielle Basis einer freien menschlichen Gesellschaft bilden können, auf Kosten der Mehrzahl zu erzwingen. Es muss durch diese gegensätzliche Form durchgangen werden, ganz wie der Mensch seine Geisteskräfte zunächst sich als unabhängige Mächte gegenüber religiös gestalten muss. Es ist der Entfremdungsprozess seiner eigenen Arbeit. Insofern steht hier der Arbeiter von vornherein höher als der Kapitalist, als der letztere in jenem Entfremdungsprozess wurzelt und in ihm seine absolute Befriedigung findet, während der Arbeiter als sein Opfer von vorn herein dagegen in einem rebellischen Verhältnis steht und ihn als Knechtungsprozess empfindet. Soweit der Produktionsprozess zugleich wirklicher Arbeitsprozess ist und der

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Kapitalist als Aufseher und Leiter desselben eine Funktion in der wirklichen Produktion zu verrichten hat, bekömmt seine Tätigkeit in der Tat einen spezifischen, mannigfaltigen Inhalt. Aber der Arbeitsprozess selbst erscheint nur als Mittel des Verwertungsprozesses, ganz wie der Gebrauchswert des Produkts nur als Träger seines Tauschwerts. Die Selbstverwertung des Kapitals - die Schöpfung von Mehrwert - ist also der bestimmende, beherrschende und übergreifende Zweck des Kapitalisten, der absolute Trieb und Inhalt seines Tuns, in der Tat nur der rationalisierte Trieb und Zweck des Schatzbildners, - ein durchaus armseliger und abstrakter Inhalt, der den Kapitalisten von einer andern Seite ganz ebenso sehr unter der Knechtschaft des Kapitalverhältnisses erscheinen lässt, wenn auch von anderer Seite her, auf dem entgegengesetzten Pol, als den Arbeiter."

S. 31

"Der Mensch kann nur leben, soweit er seine Lebensmittel produziert und er kann nur Lebensmittel produzieren, sofern er sich im Besitz von Produktionsmitteln, im Besitz der gegenständlichen Bedingungen der Arbeit befindet. Es versteht sieh also von vorn herein, dass der Arbeiter, der von Produktionsmitteln. entblösst ist, von Lebensmitteln entblösst ist, wie umgekehrt ein Mensch, der von Lebensmitteln entblösst ist, kein Produktionsmittel schaffen kann. Was also selbst im ersten Prozess, bevor sich Geld oder Ware wirklich in Kapital verwandelt haben, ihnen von vorn herein den Charakter von Kapital aufdrückt, ist weder ihre Natur als Geld, noch ihre Natur als Ware noch der stoffliche Gebrauchswert dieser Waren als Lebensmittel und Produktionsmittel zu dienen, sondern der Umstand, dass dies Geld und diese Ware, diese Produktionsmittel und Lebensmittel als selbständige Mächte, personifiziert in ihren Besitzern, dem von allem gegenständlichen Reichtum entblössten Arbeitsvermögen gegenübertreten, dass also die zur Verwirklichung der Arbeit notwendigen sachlichen Bedingungen dem Arbeiter selbst entfremdet sind, vielmehr als mit eigenem Willen und eigener Seele begabte Fetische erscheinen, dass Waren als Käufer von Personen figurieren. Der Käufer des Arbeitsvermögens ist nur die Personifikation von vergegenständlichter Arbeit, die einen Teil ihrer selbst in der Form von Lebensmitteln an den Arbeiter abgibt, um das lebendige Arbeitsvermögen ihrem andern Teil einzuverleiben und durch diese Einverleibung sich ganz zu erhalten und über ihr ursprüngliches Mass hinaus zu wachsen. Es ist nicht der Arbeiter, der Lebensmittel und Produktionsmittel kauft, sondern die Lebensmittel kaufen den Arbeiter, um ihn den Produktionsmitteln einzuverleiben."

S. 79

"So sehr ist in der Vorstellung die Transposition der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit in dingliche Eigenschaften des Kapitals eingebürgert, dass die Vorteile der Maschinerie, Anwendung der Wissenschaft, Erfindung usw. in dieser ihrer entfremdeten Form als die notwendige Form, und daher dies alles als Eigenschaften des Kapitals vorgestellt wird. Was hier als Basis dient, ist 1) die Form, worin sich auf Basis der kapitalistischen Produktion, also auch im Bewusstsein der in dieser Produktionsweise Befangenen, die Sache darstellt; 2) das historische Faktum, dass zuerst und im Unterschied zu frühern Produktionsweisen in der kapitalistischen Produktionsweise diese Entwicklung stattfindet, der gegensätzliche Charakter dieser Entwicklung also ihr immanent scheint."

13. "Das Kapital", Zweiter Band.

Geschrieben: Diverse nachgelassene Manuskripte von 1863-65, 1865-67, 1868-70, 1877-80. Erstmals veröffentlicht: 1885. Herausgeber: Engels.

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MEW 24

S. 37

"Mit andern Worten: diese Produktionsmittel treten dem Besitzer der Arbeitskraft gegenüber als fremdes Eigentum. Andrerseits steht der Verkäufer der Arbeit ihrem Käufer gegenüber als fremde Arbeitskraft, die in seine Botmäßigkeit übergehn, seinem Kapital einverleibt werden muß, damit dies wirklich als produktives Kapital sich betätige. Das Klassenverhältnis zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter ist also schon vorhanden, schon vorausgesetzt, in dem Augenblick, wo beide in dem Akt G - A (A - G von Seiten des Arbeiters) sich gegenübertreten. Es ist Kauf und Verkauf, Geldverhältnis, aber ein Kauf und Verkauf, wo der Käufer als Kapitalist und der Verkäufer als Lohnarbeiter vorausgesetzt wird, und dies Verhältnis ist damit gegeben, daß die Bedingungen zur Verwirklichung der Arbeitskraft - Lebensmittel und Produktionsmittel - getrennt sind als fremdes Eigentum von dem Besitzer der Arbeitskraft. Wie diese Trennung entsteht, beschäftigt uns hier nicht. Sie existiert, sobald G - A vollzogen wird."

Weitere Stellen: S. 64, S. 228.

14. Kritik des Gothaer Programms

Geschrieben: 1875. Veröffentlicht: Erstmals 1891.

MEW Band 19

S. 21

"In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"

15. "Das Kapital", dritter Band

Geschrieben: Diverse hinterlassene Manuskripte von 1863-65 und 1871-79. Veröffentlicht: Erstmals durch Engels 1894.

MEW Band 25

S. 95

"Dennoch aber erscheint die Ökonomie des konstanten Kapitals dem Kapitalisten als eine dem Arbeiter gänzlich fremde und ihn absolut nichts angehende Bedingung, mit der der Arbeiter gar nichts zu tun hat; während es dem Kapitalisten immer sehr klar bleibt, daß der

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Arbeiter wohl etwas damit zu tun hat, ob der Kapitalist viel oder wenig Arbeit für dasselbe Geld kauft (denn so erscheint in seinem Bewußtsein die Transaktion zwischen Kapitalist und Arbeiter). In einem noch viel höhern Grad als bei den andern der Arbeit innewohnenden Kräften erscheint diese Ökonomie in Anwendung der Produktionsmittel, diese Methode, ein bestimmtes Resultat mit den geringsten Ausgaben zu erreichen, als eine dem Kapital inhärente Kraft und als eine der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliche und sie charakterisierende Methode. Diese Vorstellungsweise ist um so weniger befremdlich, als ihr der Schein der Tatsachen entspricht, und als das Kapitalverhältnis in der Tat den innern Zusammenhang verbirgt in der vollständigen Gleichgültigkeit, Äußerlichkeit und Entfremdung, worin es den Arbeiter versetzt gegenüber den Bedingungen der Verwirklichung seiner eignen Arbeit."

S. 96f

"Wie die kapitalistische Produktionsweise auf der einen Seite zur Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit, treibt sie auf der andern zur Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals. Es bleibt jedoch nicht bei der Entfremdung und Gleichgültigkeit zwischen dem Arbeiter, dem Träger der lebendigen Arbeit hier, und der ökonomischen, d. h. rationellen und sparsamen Anwendung seiner Arbeitsbedingungen dort. Ihrer widersprechenden, gegensätzlichen Natur nach geht die kapitalistische Produktionsweise dazu fort, die Verschwendung am Leben und der Gesundheit des Arbeiters, die Herabdrückung seiner Existenzbedingungen selbst zur Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals zu zählen, und damit zu Mitteln zur Erhöhung der Profitrate. Da der Arbeiter den größten Teil seines Lebens im Produktionsprozeß zubringt, so sind die Bedingungen des Produktionsprozesses zum großen Teil Bedingungen seines aktiven Lebensprozesses, seine Lebensbedingungen, und die Ökonomie in diesen Lebensbedingungen ist eine Methode, die Profitrate zu erhöhen; ganz wie wir früher schon sahen, daß die Überarbeitung, die Verwandlung des Arbeiters in ein Arbeitsvieh, eine Methode ist, die Selbstverwertung des Kapitals, die Produktion des Mehrwerts zu beschleunigen. Diese Ökonomie erstreckt sich auf Überfüllung enger, ungesunder Räume mit Arbeitern, was auf kapitalistisch Ersparung an Baulichkeiten heißt; Zusammendrängung gefährlicher Maschinerie in denselben Räumen und Versäumnis von Schutzmitteln gegen die Gefahr; Unterlassung von Vorsichtsmaßregeln in Produktionsprozessen, die ihrer Natur nach gesundheitswidrig oder wie in Bergwerken mit Gefahr verbunden sind usw. Gar nicht zu sprechen von der Abwesenheit aller Anstalten, um dem Arbeiter den Produktionsprozeß zu vermenschlichen, angenehm oder nur erträglich zu machen. Es würde dies vom kapitalistischen Standpunkt eine ganz zweck- und sinnlose Verschwendung sein. Die kapitalistische Produktion ist überhaupt, bei aller Knauserei, durchaus verschwenderisch mit dem Menschenmaterial, ganz wie sie andrerseits, dank der Methode der Verteilung ihrer Produkte durch den Handel und ihrer Manier der Konkurrenz, sehr verschwenderisch mit den materiellen Mitteln umgeht und auf der einen Seite für die Gesellschaft verliert, was sie auf der andern für den einzelnen Kapitalisten gewinnt."

S. 274f

"Man hat gesehn, daß die wachsende Akkumulation des Kapitals eine wachsende Konzentration desselben einschließt. So wächst die Macht des Kapitals, die im Kapitalisten personifizierte Verselbständigung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen gegenüber den wirklichen Produzenten. Das Kapital zeigt sich immer mehr als gesellschaftliche Macht, deren Funktionär der Kapitalist ist, und die in gar keinem möglichen Verhältnisse mehr zu dem steht, was die Arbeit eines einzelnen Individuums schaffen kann - aber als entfremdete, verselbständigte gesellschaftliche Macht, die als Sache, und als Macht des Kapitalisten durch diese Sache, der Gesellschaft gegenübertritt. Der Widerspruch zwischen der

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allgemeinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet, und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schreiender und schließt die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem sie zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu allgemeinen, gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbedingungen einschließt. Diese Herausarbeitung ist gegeben durch die Entwicklung der Produktivkräfte unter der kapitalistischen Produktion und durch die Art und Weise, worin sich diese Entwicklung vollzieht."

S. 392

"Der Zins ist also nur der Ausdruck davon, daß Wert überhaupt - die vergegenständlichte Arbeit in ihrer allgemein gesellschaftlichen Form - Wert, der im wirklichen Produktionsprozeß die Gestalt der Produktionsmittel annimmt, als selbständige Macht der lebendigen Arbeitskraft gegenübersteht, und das Mittel ist, sich unbezahlte Arbeit anzueignen; und daß er diese Macht ist, indem er als fremdes Eigentum dem Arbeiter gegenübersteht. Andrerseits jedoch ist in der Form des Zinses dieser Gegensatz gegen die Lohnarbeit ausgelöscht; denn das zinstragende Kapital hat als solches nicht die Lohnarbeit, sondern das fungierende Kapital zu seinem Gegensatz; der verleihende Kapitalist steht als solcher direkt dem im Reproduktionsprozeß wirklich fungierenden Kapitalisten gegenüber, nicht aber dem Lohnarbeiter, der gerade auf Grundlage der kapitalistischen Produktion von den Produktionsmitteln expropriiert ist, Das zinstragende Kapital ist das Kapital als Eigentum gegenüber dem Kapital als Funktion. Aber soweit das Kapital nicht fungiert, exploitiert es nicht die Arbeiter und tritt in keinen Gegensatz zur Arbeit."

S. 396

"Die besondren Funktionen, die der Kapitalist als solcher zu verrichten hat, und die ihm gerade im Unterschied von, und Gegensatz zu den Arbeitern zukommen, werden als bloße Arbeitsfunktionen dargestellt. Er schafft Mehrwert, nicht weil er als Kapitalist arbeitet, sondern weil er, abgesehn von seiner Eigenschaft als Kapitalist, auch arbeitet. Dieser Teil des Mehrwerts ist also gar nicht mehr Mehrwert, sondern sein Gegenteil, Äquivalent für vollbrachte Arbeit. Da der entfremdete Charakter des Kapitals, sein Gegensatz zur Arbeit, jenseits des wirklichen Exploitationsprozesses verlegt wird, nämlich ins zinstragende Kapital, so erscheint dieser Exploitationsprozeß selbst als ein bloßer Arbeitsprozeß, wo der fungierende Kapitalist nur andre Arbeit verrichtet als der Arbeiter. So daß die Arbeit des Exploitierens und die exploitierte Arbeit, beide als Arbeit, identisch sind. Die Arbeit des Exploitierens ist ebensogut Arbeit, wie die Arbeit, die exploitiert wird. Auf den Zins fällt die gesellschaftliche Form des Kapitals, aber in einer neutralen und indifferenten Form ausgedrückt; auf den Unternehmergewinn fällt die ökonomische Funktion des Kapitals, aber von dem bestimmten, kapitalistischen Charakter dieser Funktion abstrahiert."

S. 453

"Der Profit stellt sich so dar (nicht mehr nur der eine Teil desselben, der Zins, der seine Rechtfertigung aus dem Profit des Borgers zieht) als bloße Aneignung fremder Mehrarbeit, entspringend aus der Verwandlung der Produktionsmittel in Kapital, d.h. aus ihrer Entfremdung gegenüber den wirklichen Produzenten, aus ihrem Gegensatz als fremdes Eigentum gegenüber allen wirklich in der Produktion tätigen Individuen, vom Dirigenten bis herab zum letzten Taglöhner. In den Aktiengesellschaften ist die Funktion getrennt vom Kapitaleigentum, also auch die Arbeit gänzlich getrennt vom Eigentum an den Produktionsmitteln und an der Mehrarbeit. Es ist dies Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion ein notwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwandlung des

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Kapitals in Eigentum der Produzenten, aber nicht mehr als das Privateigentum vereinzelter Produzenten, sondern als das Eigentum ihrer als assoziierter, als unmittelbares Gesellschaftseigentum. Es ist andrerseits Durchgangspunkt zur Verwandlung aller mit dem Kapitaleigentum bisher noch verknüpften Funktionen im Reproduktionsprozeß in bloße Funktionen der assoziierten Produzenten, in gesellschaftliche Funktionen."

S. 787

"Die Vermittlungen der irrationellen Formen, worin bestimmte ökonomische Verhältnisse erscheinen und sich praktisch zusammenfassen, gehn die praktischen Träger dieser Verhältnisse in ihrem Handel und Wandel jedoch nichts an; und da sie gewohnt sind, sich darin zu bewegen, findet ihr Verstand nicht im geringsten Anstoß daran. Ein vollkommner Widerspruch hat durchaus nichts Geheimnisvolles für sie. In den dem innern Zusammenhang entfremdeten und, für sich isoliert genommen, abgeschmackten Erscheinungsformen fühlen sie sich ebenfalls so zu Haus wie ein Fisch im Wasser. Es gilt hier, was Hegel mit Bezug auf gewisse mathematische Formeln sagt, daß, was der gemeine Menschenverstand irrationell findet, das Rationelle, und sein Rationelles die Irrationalität selbst ist."

S. 825

"Die Vulgärökonomie tut in der Tat nichts, als die Vorstellungen der in den bürgerlichen Produktionsverhältnissen befangenen Agenten dieser Produktion doktrinär zu verdolmetschen, zu systematisieren und zu apologetisieren. Es darf uns also nicht wundernehmen, daß sie gerade in der entfremdeten Erscheinungsform der ökonomischen Verhältnisse, worin diese prima facie abgeschmackt und vollkommene Widersprüche sind - und alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen - , wenn gerade hier die Vulgärökonomie sich vollkommen bei sich selbst fühlt, und ihr diese Verhältnisse um so selbstverständlicher erscheinen, je mehr der innere Zusammenhang an ihnen verborgen ist, sie aber der ordinären Vorstellung geläufig sind. Daher hat sie nicht die geringste Ahnung darüber, daß die Trinität, von der sie ausgeht: Grund und Boden - Rente, Kapital - Zins, Arbeit - Arbeitslohn oder Preis der Arbeit drei prima facie unmögliche Kompositionen sind."

S. 828

"Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt also nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht. Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich

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als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung."

S. 832f

"Die der Arbeit entfremdete, ihr gegenüber verselbständigte, und somit verwandelte Gestalt der Arbeitsbedingungen, worin also die produzierten Produktionsmittel sich in Kapital verwandeln, und die Erde in monopolisierte Erde, in Grundeigentum, diese einer bestimmten Geschichtsperiode angehörige Gestalt fällt daher zusammen mit dem Dasein und der Funktion der produzierten Produktionsmittel und der Erde im Produktionsprozeß überhaupt. Jene Produktionsmittel sind an und für sich, von Natur, Kapital; Kapital ist nichts als ein bloßer „ökonomischer Name" für jene Produktionsmittel; und so ist die Erde an und für sich, von Natur, die von einer gewissen Zahl Grundeigentümer monopolisierte Erde. Wie im Kapital und Kapitalisten - der in der Tat nichts ist als das personifizierte Kapital - die Produkte eine selbständige Macht werden gegenüber den Produzenten, so wird im Grundeigentümer der Grund und Boden personifiziert, der sich ebenfalls auf die Hinterfüße stellt, und als selbständige Macht seinen Anteil fordert von dem mit seiner Hilfe erzeugten Produkt; so daß nicht der Boden den ihm gehörigen Teil des Produkts zu Ersatz und Steigerung seiner Produktivität erhält, sondern statt seiner der Grundeigentümer einen Anteil dieses Produkts zur Verschacherung und Verschwendung. Es ist klar, daß das Kapital die Arbeit als Lohnarbeit voraussetzt. Es ist aber ebenso klar, daß, wenn von der Arbeit als Lohnarbeit ausgegangen wird, so daß das Zusammenfallen der Arbeit überhaupt mit der Lohnarbeit selbstverständlich scheint, dann auch als natürliche Form der Arbeitsbedingungen, gegenüber der Arbeit überhaupt, das Kapital und die monopolisierte Erde erscheinen müssen. Kapital zu sein, erscheint nun als natürliche Form der Arbeitsmittel, und daher als rein dinglicher und aus ihrer Funktion im Arbeitsprozeß überhaupt entspringender Charakter. Kapital und produziertes Produktionsmittel werden so identische Ausdrücke. Ebenso werden Erdboden und durch Privateigentum monopolisierter Erdboden identische Ausdrücke. Die Arbeitsmittel als solche, die von Natur Kapital sind, werden daher zur Quelle des Profits, wie die Erde als solche zur Quelle der Rente."

S. 837

"Die Spaltung des Profits in Unternehmergewinn und Zins (gar nicht zu sprechen von der Dazwischenkunft des kommerziellen Profits und des Geldhandlungsprofits, die auf der Zirkulation gegründet sind und ganz und gar aus ihr, und nicht aus dem Produktionsprozeß selbst zu entspringen scheinen) vollendet die Verselbständigung der Form des Mehrwerts, die Verknöcherung seiner Form gegen seine Substanz, sein Wesen. Ein Teil des Profits, im Gegensatz zu dem andren, löst sich ganz von dem Kapitalverhältnis als solchem los, und stellt sich dar als entspringend, nicht aus der Funktion der Ausbeutung der Lohnarbeit, sondern aus der Lohnarbeit des Kapitalisten selbst. Im Gegensatz dazu scheint dann der Zins als unabhängig, sei es von der Lohnarbeit des Arbeiters, sei es von der eignen Arbeit des Kapitalisten, aus dem Kapital als seiner eignen unabhängigen Quelle zu entspringen. Wenn das Kapital ursprünglich, auf der Oberfläche der Zirkulation, erschien als Kapitalfetisch, werterzeugender Wert, so stellt es sich jetzt wieder in der Gestalt des zinstragenden Kapitals als in seiner entfremdetsten und eigentümlichsten Form dar. Weshalb auch die Form: „Kapital — Zins" als drittes zu „Erde - Rente" und „Arbeit - Arbeitslohn" viel konsequenter ist als „Kapital - Profit", indem im Profit immer noch eine Erinnerung an seinen Ursprung bleibt, die im Zins nicht nur ausgelöscht, sondern in feste gegensätzliche Form zu diesem Ursprung gestellt ist."

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S. 837f

"Endlich tritt neben das Kapital als selbständige Quelle von Mehrwert das Grundeigentum, als Schranke des Durchschnittsprofits und als einen Teil des Mehrwerts an eine Klasse übertragend, die weder selbst arbeitet, noch Arbeiter direkt exploitiert, noch sich wie das zinstragende Kapital in moralisch erbaulichen Trostgründen, z.B. dem Risiko und dem Opfer im Wegleihen des Kapitals, ergehn kann. Indem hier ein Teil des Mehrwerts direkt nicht an Gesellschaftsverhältnisse, sondern an ein Naturelement, die Erde, gebunden scheint, ist die Form der Entfremdung und Verknöcherung der verschiednen Teile des Mehrwerts gegeneinander vollendet, der innere Zusammenhang endgültig zerrissen und seine Quelle vollständig verschüttet, eben durch die Verselbständigung der, an die verschiednen stofflichen Elemente des Produktionsprozesses gebundnen, Produktionsverhältnisse gegeneinander."

S. 838f

"Im Kapital - Profit, oder noch besser Kapital - Zins, Boden - Grundrente, Arbeit - Arbeitslohn, in dieser ökonomischen Trinität als dem Zusammenhang der Bestandteile des Werts und des Reichtums überhaupt mit seinen Quellen ist die Mystifikation der kapitalistischen Produktionsweise, die Verdinglichung der gesellschaftlichen Verhältnisse, das unmittelbare Zusammenwachsen der stofflichen Produktionsverhältnisse mit ihrer geschichtlich- sozialen Bestimmtheit vollendet: die verzauberte, verkehrte und auf den Kopf gestellte Welt, wo Monsieur le Capital und Madame Ia Terre als soziale Charaktere, und zugleich unmittelbar als bloße Dinge ihren Spuk treiben. Es ist das große Verdienst der klassischen Ökonomie, diesen falschen Schein und Trug, diese Verselbständigung und Verknöcherung der verschiednen gesellschaftlichen Elemente des Reichtums gegeneinander, diese Personifizierung der Sachen und Versachlichung der Produktionsverhältnisse, diese Religion des Alltagslebens aufgelöst zu haben, indem sie den Zins auf einen Teil des Profits und die Rente auf den Überschuß über den Durchschnittsprofit reduziert, so daß beide im Mehrwert zusammenfallen; indem sie den Zirkulationsprozeß als bloße Metamorphose der Formen darstellt, und endlich im unmittelbaren Produktionsprozeß Wert und Mehrwert der Waren auf die Arbeit reduziert. Dennoch bleiben selbst die besten ihrer Wortführer, wie es vom bürgerlichen Standpunkt nicht anders möglich ist, mehr oder weniger in der von ihnen kritisch aufgelösten Welt des Scheins befangen, und fallen daher alle mehr oder weniger in Inkonsequenzen, Halbheiten und ungelöste Widersprüche. Es ist dagegen andrerseits ebenso natürlich, daß die wirklichen Produktionsagenten in diesen entfremdeten und irrationellen Formen von Kapital - Zins, Boden - Rente, Arbeit - Arbeitslohn, sich völlig zu Hause fühlen, denn es sind eben die Gestaltungen des Scheins, in welchem sie sich bewegen und womit sie täglich zu tun haben. Es ist daher ebenso natürlich, daß die Vulgärökonomie, die nichts als eine didaktische, mehr oder minder doktrinäre Übersetzung der Alltagsvorstellungen der wirklichen Produktionsagenten ist, und eine gewisse verständige Ordnung unter sie bringt, grade in dieser Trinität, worin der ganze innere Zusammenhang ausgelöscht ist, die naturgemäße und über allen Zweifel erhabene Basis ihrer seichten Wichtigtuerei findet. Diese Formel entspricht zugleich dem Interesse der herrschenden Klassen, indem sie die Naturnotwendigkeit und ewige Berechtigung ihrer Einnahmequellen proklamiert und zu einem Dogma erhebt. In der Darstellung der Versachlichung der Produktionsverhältnisse und ihrer Verselbständigung gegenüber den Produktionsagenten gehn wir nicht ein auf die Art und Weise, wie die Zusammenhänge durch den Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung der Marktpreise, die Perioden des Kredits, die Zyklen der Industrie und des Handels, die Abwechslung der Prosperität und Krise, ihnen als übermächtige, sie willenlos beherrschende Naturgesetze erscheinen und sich ihnen gegenüber als blinde Notwendigkeit geltend machen. Deswegen nicht, weil die wirkliche Bewegung der Konkurrenz außerhalb unsers Plans liegt, und wir nur die innere Organisation der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt,

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darzustellen haben."

Weitere Stellen: S. 95f, S. 368, S. 610.

16. "Theorien über den Mehrwert" (auch als 4. Band des "Kapital" bezeichnet)

Geschrieben: 1861-63. Veröffentlicht: Erstmals 1905-1910 durch Karl Kautsky.

1. Band: MEW Band 26.1

S. 21f

"Andrerseits ist es als selbstverständlich vorausgesetzt, daß der Grundeigentümer als Kapitalist dem Arbeiter gegenübertritt. Er zahlt ihm sein Arbeitsvermögen, das der Arbeiter ihm als Ware anbietet, und im Ersatz dafür erhält er nicht nur ein Äquivalent, sondern eignet sich die Verwertung dieses Arbeitsvermögens an. Die Entfremdung der gegenständlichen Bedingung der Arbeit und des Arbeitsvermögens selbst sind bei diesem Austausch vorausgesetzt. Vom feudalen Grundeigentümer wird ausgegangen, aber er tritt als Kapitalist auf, als bloßer Warenbesitzer, der die von ihm gegen Arbeit ausgetauschten Waren verwertet, nicht nur ihr Äquivalent, sondern ein Surplus über dieses Äquivalent zurückerhält, weil er das Arbeitsvermögen nur als Ware zahlt. Als Warenbesitzer tritt er dem freien Arbeiter gegenüber. Oder dieser Grundeigentümer ist wesentlich Kapitalist. Auch in dieser Hinsicht die Wahrheit des physiokratischen Systems, als die Loslösung des Arbeiters von der Erde und vom Grundeigentum Grundbedingung für die kapitalistische Produktion und die Produktion des Kapitals ist."

S. 64

"Insofern der Wert des Kapitals im Produkt wiedererscheint, kann man es nicht „source de richesse" nennen. Es ist hier nur als accumulated labour, als bestimmtes Quantum materialisierter Arbeit, daß es dem Produkt seinen eignen Wert hinzusetzt. Produktiv von Wert ist das Kapital nur als Verhältnis, sofern es als Zwang über die Lohnarbeit sie zwingt, Surplusarbeit zu arbeiten, oder die Produktivkraft der Arbeit anstachelt, um relativen Mehrwert zu schaffen. In beiden Fällen produziert es nur Wert als die der Arbeit entfremdete Macht ihrer eignen gegenständlichen Bedingungen über sie, überhaupt nur als eine der Formen der Lohnarbeit selbst, als Bedingung der Lohnarbeit."

Weitere Stelle: S. 53.

Band 2, MEW 26.2

S. 110-112

"Ricardo betrachtet mit Recht, für seine Zeit, die kapitalistische Produktionsweise als die vorteilhafteste für die Produktion überhaupt, als die vorteilhafteste zur Erzeugung des Reichtums. Er will die Produktion der Produktion halber, und dies ist recht. Wollte man behaupten, wie es sentimentale Gegner Ricardos getan haben, daß die Produktion nicht als solche der Zweck sei, so vergißt man, daß Produktion um der Produktion halber nichts heißt, als Entwicklung der menschlichen Produktivkräfte, also Entwicklung des Reichtums der menschlichen Natur als Selbstzweck. Stellt man, wie Sismondi, das Wohl der einzelnen diesem Zweck gegenüber, so behauptet man, daß die Entwicklung der Gattung aufgehalten

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werden muß, um das Wohl der einzelnen zu sichern, daß also z.B. kein Krieg geführt werden dürfe, worin einzelne jedenfalls kaputtgehn. (Sismondi hat nur recht gegen die Ökonomen, die diesen Gegensatz vertuschen, leugnen.) Daß diese Entwicklung der Fähigkeiten der Gattung Mensch, obgleich sie sich zunächst auf Kosten der Mehrzahl der Menschenindividuen und ganzer Menschenklassen macht, schließlich diesen Antagonismus durchbricht und zusammenfällt mit der Entwicklung des einzelnen Individuums, daß also die höhere Entwicklung der Individualität nur durch einen historischen Prozeß erkauft wird, worin die Individuen geopfert werden, wird nicht verstanden, abgesehn von der Unfruchtbarkeit solcher erbaulichen Betrachtungen, da die Vorteile der Gattung im Menschenreich wie im Tier- und Pflanzenreich sich stets durchsetzen auf Kosten der Vorteile von Individuen, weil diese Gattungsvorteile zusammenfallen mit den Vorteilen besondrer Individuen, die zugleich die Kraft dieser Bevorzugten bilden. Die Rücksichtslosigkeit Ricardos war also nicht nur wissenschaftlich ehrlich, sondern wissenschaftlich geboten für seinen Standpunkt. Es ist ihm aber deshalb auch ganz gleichgültig, ob die Fortentwicklung der Produktivkräfte Grundeigentum totschlägt oder Arbeiter. Wenn dieser Fortschritt das Kapital der industriellen Bourgeoisie entwertet, so ist es ihm ebenso willkommen. Wenn die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit das vorhandne capital fixe um die Hälfte entwertet, was liegt dran, sagt Ricardo. Die Produktivität der menschlichen Arbeit hat sich verdoppelt. Hier ist also wissenschaftliche Ehrlichkeit. Wenn die Auffassung Ric[ardos] im ganzen im Interesse der industriellen Bourgeoisie ist, so nur, weil und soweit deren Interesse koinzidiert mit dem der Produktion oder der produktiven Entwicklung der menschlichen Arbeit. Wo sie in Gegensatz dazu tritt, ist er ebenso rücksichtslos gegen die Bourgeoisie, als er es sonst gegen das Proletariat und die Aristokratie ist."

S.417f

"Mit dem Fortschritt in der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, begleitet, wie er ist, vom Anwachsen des konstanten Kapitals, wird daher auch ein relativ stets größrer Teil des jährlichen Produkts der Arbeit dem Kapital als solchem zufallen und somit das Kapitaleigentum (abgesehn von der Revenue) sich beständig vergrößern und die Proportion des Wertteils, den der einzelne Arbeiter und selbst die Arbeiterklasse schafft, immer mehr sinken gegen das ihnen als Kapital gegenübertretende Produkt ihrer vergangnen Arbeit. Die Entfremdung und der Gegensatz zwischen dem Arbeitsvermögen und den objektiven, im Kapital verselbständigten Bedingungen der Arbeit wachsen damit beständig. (Abgesehn vom variablen Kapital, dem Teil des Produkts der jährlichen Arbeit, der zur Reproduktion der Arbeiterklasse erforderlich; diese ihre Subsistenzmittel selbst aber ihr als Kapital gegenübertreten.)"

3. Band, MEW 26.3

S. 254f

"Bei dem Gegensatz, den die Ric[ardo]sche Theorie hervorrief - auf [Basis] ihrer eignen Voraussetzungen - , dies das Charakteristische: Im selben Maß, wie sich die politische Ökonomie entwickelte - und diese Entwicklung, soweit es die Grundprinzipien betrifft, erhielt den Besitzer des Mehrprodukts schärfsten Ausdruck in Ricardo - , stellte sie Arbeit dar als das einzige Element des Werts und den einzigen Schöpfer des Gebrauchswerts, und Entwicklung der Produktivkräfte als das einzige Mittel zur wirklichen Vermehrung des Reichtums; möglichste Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit als die ökonomische Basis der Gesellschaft. Dies in der Tat die Basis der kapitalistischen Produktion. Ric[ardo]s Schrift namentlich, indem sie das Gesetz des Werts als weder durch Grundeigentum, kapitalistische Akkumulation etc. gebrochen darstellt, ist eigentlich nur damit beschäftigt, alle Widersprüche oder Phänomene, die dieser Auffassung zu widersprechen scheinen, zu

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beseitigen. Aber in demselben Maß, wie Arbeit als einzige Quelle des Tauschwerts begriffen und als die aktive Quelle des Gebrauchswerts, in demselben Maß wird „Kapital" von denselben Ökonomen, und namentlich auch von Ricardo (noch mehr von Torrens, Malthus, Bailey etc. nach ihm) als der Regulator der Produktion, Quelle des Reichtums und Zweck der Produktion aufgefaßt, Arbeit dagegen als Lohnarbeit, deren Träger [und] wirkliches Instrument notwendiger Pauper (wozu außerdem noch Malthus' Populationstheorie hinzukam) - bloße Produktionskost und Produktionsinstrument - auf das Minimum des Salairs eingewiesen, unter das er fallen muß, sobald er in einer für das Kapital „überflüssigen" Masse existiert. In diesem Widerspruch sprach die politische Ökonomie bloß das Wesen der kapitalistischen Produktion aus oder, wenn man will, der Lohnarbeit aus; der sich selbst entfremdeten Arbeit, der der von ihr geschaffne Reichtum als fremder Reichtum, ihre eigne Produktivkraft als Produktivkraft ihres Produkts, ihre Bereicherung als Selbstverarmung, ihre gesellschaftliche Macht als Macht der Gesellschaft über sie gegenübertritt. Aber diese bestimmte spezifische, historische Form der gesellschaftlichen Arbeit, wie sie in der kapitalistischen Produktion erscheint, sprechen diese Ökonomen als allgemeine, ewige Form, Naturwahrheiten aus, und diese Produktionsverhältnisse als die absolut (nicht historisch) notwendigen, naturgemäßen und vernünftigen Verhältnisse der gesellschaftlichen Arbeit. Durchaus befangen in dem Horizont der kapitalistischen Produktion, erklären sie die gegensätzliche Form, worin die gesellschaftliche Arbeit hier erscheint, für ebenso notwendig als diese Form selbst, befreit von diesem Gegensatz. Indem sie so auf der einen Seite die Arbeit absolut (weil ihnen Lohnarbeit mit Arbeit identisch) und auf der andren Seite ebenso absolut das Kapital, die Armut des Arbeiters und den Reichtum des Nichtarbeiters in demselben Atem als einzige Quelle des Reichtums aussprechen, bewegen sie sich beständig in absoluten Widersprüchen, ohne die geringste Ahnung darüber."

S. 260f

"Was nun die Produktivität des Kapitals mit Bezug auf den Gebrauchswert betrifft, so heißt sie bei Smith, Ricardo etc. nichts, überhaupt bei den Ökonomen nichts, als daß Produkte frührer nützlicher Arbeiten von neuem als Produktionsmittel dienen; als Arbeitsgegenstand, Arbeitsinstrument und Lebensmittel des Arbeiters. Die objektiven Bedingungen der Arbeit treten nicht wie im rohen Zustand als bloße Naturdinge entgegen (als solche sind sie nie Kapital), sondern als durch die menschliche Tätigkeit schon umgemodelte Naturdinge. Aber in diesem Sinn das Wort Kapital ganz überflüssig und nichtssagend. Der Weizen nährt nicht, weil er Kapital, sondern Weizen ist. Der Gebrauchswert der Wolle kommt ihr als Wolle und nicht als Kapital zu. Ditto hat die Operation der Dampfmaschine mit ihrem Dasein als Kapital nichts gemein. Sie würde ganz denselben Dienst leisten, wenn sie nicht „Kapital" wäre und statt dem Fabrikmaster den Fabrikmen gehörte. In dem wirklichen Arbeitsprozeß dienen alle diese Dinge durch das Verhältnis, das sie als Gebrauchswerte zu der sich in ihnen betätigenden Arbeit haben, nicht als Tauschwerte und noch weniger als Kapital. Es ist ihre Eigenschaft als objektive Bedingungen der wirklichen Arbeit, nicht ihr gesellschaftliches Dasein als dem Arbeiter selbständig gegenübertretende, entfremdete Bedingungen, als im Kapitalisten verkörperter master über die lebendige Arbeit, daß sie hier produktiv sind oder vielmehr die Produktivität der Arbeit in ihnen als ihrem Stoff sich verwirklicht. Es ist als wealth, wie Hopkins (nicht unser Hodgskin) richtig sagt, und nicht als „net" wealth, als produce und nicht als „net" produce, daß sie hier verbraucht und gebraucht werden. Allerdings geht im Kopf des Ökonomen die bestimmte gesellschaftliche Form dieser Dinge gegenüber der Arbeit und ihre reale Bestimmtheit als Momente des Arbeitsprozesses so durcheinander und ist so unlöslich ineinander verwachsen, wie im Kopf des Kapitalisten. Nichtsdestoweniger, sobald sie den Arbeitsprozeß analysieren, sind sie gezwungen, die Phrase Kapital ganz fahrenzulassen und von Arbeitsmaterial, Arbeitsmitteln und Lebensmitteln zu sprechen. In dieser Bestimmtheit des Produkts als Material,

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Instrument und Lebensmittel des Arbeiters ist aber nichts ausgesprochen als ihr Verhältnis als gegenständliche Bedingungen zur Arbeit; die Arbeit selbst erscheint als die sie beherrschende Tätigkeit. Es liegt darin absolut nichts von Arbeit und Kapital; sondern von dem Verhältnis der menschlichen zweckmäßigen Tätigkeit zu ihren eignen Produkten im Reproduktionsprozeß. Weder hören sie auf, Produkte der Arbeit zu sein, noch bloße Gegenstände, über [die] und mit denen sie schaltet. Sie sprechen nur das Verhältnis aus, worin die Arbeit sich die gegenständliche und von ihr selbst geschaffne, in dieser Form wenigstens geschaffne, gegenständliche Welt eineignet; keineswegs aber von einer andren Herrschaft dieser Dinge über die Arbeit, außer insofern die Tätigkeit ihrem Stoff angemessen sein muß, otherwise, it would not be zweckmäßige Tätigkeit, Arbeit."

S. 290f

"H[odgskin] sagt also mit andren Worten: Die Wirkungen einer bestimmten gesellschaftlichen Form der Arbeit werden der Sache, den Produkten dieser Arbeit zugeschrieben; das Verhältnis selbst wird in dinglicher Gestalt vorphantasiert. Wir haben gesehn, daß dies ein spezifisches Charakteristikum der auf Warenproduktion, auf Tauschwert beruhenden Arbeit, und daß dies Quidproquo in der Ware, dem Geld (was H[odgskin] nicht sieht), noch potenzierter im Kapital sich zeigt. Die Wirkungen, die die Dinge haben als gegenständliche Momente des Arbeitsprozesses, werden ihnen im Kapital zugeschrieben, als von ihnen besessen in ihrer Personifizierung, Selbständigkeit gegen die Arbeit. Sie würden aufhören, diese Wirkungen zu haben, wenn sie aufhörten, in dieser entfremdeten Form sich der Arbeit gegenüber zu verhalten. Der Kapitalist als Kapitalist ist bloß die Personifikation des Kapitals, die mit eignem Willen, Persönlichkeit begabte Schöpfung der Arbeit im Gegensatz zur Arbeit. H[odgskin] faßt dies als rein subjektive Täuschung auf, hinter der sich der Betrug und das Interesse der ausbeutenden Klassen versteckt. Er sieht nicht, wie die Vorstellungsweise entspringt aus dem realen Verhältnis selbst, das letztre nicht Ausdruck der erstren, sondern umgekehrt. In demselben Sinn sagen englische Sozialisten: „Wir brauchen das Kapital, nicht den Kapitalisten." Aber wenn sie den Kapitalisten fortnehmen, nehmen sie den Arbeitsbedingungen den Charakter, Kapital zu sein."

S. 309

"Konzentration des Kapitals. Akkumulation der großen Kapitalien durch Vernichtung der kleinen. Attraktion. Entkapitalisierung der Mittelverbindungen von Kapital und Arbeit. Es ist dies nur die letzte Potenz und Form des Prozesses, der die Arbeitsbedingungen in Kapital verwandelt, dann das Kapital und die Kapitalien reproduziert auf weitrer Stufenleiter, endlich die auf den vielen Punkten der Gesellschaft gebildeten Kapitalien von ihren Besitzern trennt und in den Händen großer Kapitalisten zentralisiert. Mit dieser äußersten Form des Gegensatzes und Widerspruchs, die Produktion, wenn auch in entfremdeter Form, in gesellschaftliche verwandelt. Gesellschaftliche Arbeit und im wirklichen Arbeitsprozeß Gemeinsamkeit der Produktionsinstrumente. Die Kapitalisten werden als Funktionäre des Prozesses, der zugleich diese gesellschaftliche Produktion und damit die Entwicklung der Produktivkräfte beschleunigt, in demselben Maß überflüssig, als sie [per] procura der Gesellschaft die Nutznießung eingehn und als Eigentümer dieses gesellschaftlichen Reichtums und Kommandeure der gesellschaftlichen Arbeit aufgebläht werden. Es geht ihnen wie den Feudalen, deren Ansprüche in demselben Maß als ihre Dienste überflüssig wurden mit dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft, sich in bloße zeitwidrige und zweckwidrige Privilegien verwandelten und damit ihrem Untergang entgegeneilten."

S. 458f

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"Wir finden jetzt G - G' als Subjekt. Wie das Wachsen dem Baum, so das Geldzeugen dem Kapital in dieser seiner reinen Form als Geld eigen. Die unbegreifliche Form, die wir an der Oberfläche vorfinden und von der wir in der Analyse daher ausgingen, finden wir wieder als das Resultat des Prozesses, worin nach und nach die Gestalt des Kapitals immer entfremdeter und beziehungsloser auf sein innres Wesen wird. Geld als die verwandelte Form der Ware war das, wovon wir ausgingen. Geld als die verwandelte Form des Kapitals ist das, wozu wir kommen, ganz wie wir die Ware als Voraussetzung und Resultat des Produktionsprozesses des Kapitals erkannt haben. In dieser seiner wunderlichsten und zugleich der populärsten Vorstellung nächsten Gestalt ist das Kapital sowohl die „Grundform" der Vulgärökonomen als der nächste Angriffspunkt einer oberflächlichen Kritik; das erstere, teils weil der innre Zusammenhang hier am wenigsten erscheint und das Kapital in einer Form auftritt, worin es als selbständige Quelle von Wert scheint; teils weil in dieser Form sein gegensätzlicher Charakter total vertuscht und ausgelöscht ist, kein Gegensatz zur Arbeit. Anderseits Angriff, weil es die Form ist, worin es am irrationellsten auftritt, den leichtesten Angriffspunkt für die Vulgärsozialisten bietet."

S. 474

"Und in dieser ganz entfremdeten Form des Profits, und in demselben Grade, wie die Gestalt des Profits seinen innren Kern versteckt, erhält das Kapital mehr und mehr eine sachliche Gestalt, wird aus Verhältnis immer mehr Ding, aber Ding, das das gesellschaftliche Verhältnis im Leib hat, in sich verschluckt hat, mit fiktivem Leben und Selbständigkeit sich zu sich selbst verhaltendes Ding, sinnlich-übersinnliches Wesen; und in dieser Form von Kapital und Profit erscheint es als fertige Voraussetzung auf der Oberfläche. Es ist die Form seiner Wirklichkeit oder vielmehr seine wirkliche Existenzform. Und es ist die Form, worin es im Bewußtsein seiner Träger, der Kapitalisten, lebt, sich in ihren Vorstellungen abspiegelt."

S. 480f

"Im zinstragenden Kapital ist nicht, wie im Profit, die Gestalt des Mehrwerts entfremdet, fremdartig geworden, ohne unmittelbar seine einfache Gestalt und damit seine Substanz und seinen Entstehungsgrund erkennen zu lassen; im Zins ist vielmehr ausdrücklich diese entfremdete Form als das Wesentliche gesetzt, vorhanden, ausgesprochen. Sie ist als gegensätzlich gegen die wirkliche Natur des Mehrwerts verselbständigt, fixiert. Im zinstragenden Kapital ist das Verhältnis des Kapitells zur Arbeit ausgelöscht. In der Tat unterstellt der Zins den Profit, von dem er nur ein Teil ist und wie der Mehrwert sich teilt zwischen Zins und Profit, zwischen verschiednen Sorten Kapitalisten, ist in der Tat für den Lohnarbeiter ganz gleichgültig.

Der Zins ist ausdrücklich gesetzt als offspring of capital, getrennt, unabhängig, und außerhalb des kapitalistischen Prozesses selbst. Er kommt dem Kapital als Kapital zu. Er geht ein in den Produktionsprozeß und kommt daher aus ihm heraus. Das Kapital ist mit ihm geschwängert. Es bringt den Zins nicht aus dem Produktionsprozeß heraus, sondern bringt ihn in denselben hinein. Der Überschuß des Profits über den Zins, das Quantum Mehrwert, das das Kapital erst dem Produktionsprozeß verdankt, erst als funktionierendes Kapital erzeugt, erhält daher, gegenüber dem Zins, als der dem Kapital an sich, dem Kapital für sich, dem Kapital als Kapital zukommenden Wertschöpfung, eine besondre Gestalt als industrieller Profit (Unternehmungsprofit, industriell oder kommerziell, je nachdem der Produktionsprozeß oder der Zirkulationsprozeß betont wird). Damit wird auch noch die letzte Form des Mehrwerts, die einigermaßen an seinen Ursprung erinnert, nicht nur in einer entfremdeten, sondern in direktem Gegensatz dazu gefaßten Form gesondert und aufgefaßt, und damit schließlich die Natur des Kapitals und des Mehrwerts, wie der kapitalistischen Produktion überhaupt, gänzlich mystifiziert."

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S. 482f

"Die kapitalistische Produktion arbeitet auf der Lohnarbeit als ihrer vorhandnen, aber zugleich beständig von ihr reproduzierten Basis. Sie arbeitet daher auch auf dem Kapital, als der Gestalt der Arbeitsbedingungen, als ihrer gegebnen Voraussetzung, eine Voraussetzung, die aber ebenso wie die Lohnarbeit ihr beständiges Setzen, ihr beständiges Produkt ist.

Auf dieser Basis ist das Geld z.B. an sich Kapital, weil an sich die Produktionsbedingungen die entfremdete Form der Arbeit gegenüber haben, als fremdes Eigentum ihr gegenüber erscheinen und sie als solches beherrschen. Das Kapital kann dann auch als Ware, die diese Eigenschaft hat, verkauft, d. h. Kapital kann als Kapital verkauft werden, wie es im Ausleihn des Kapitals auf Zinsen geschieht."

S. 484

"Aus der bloß quantitativen Teilung wird daher eine qualitative Spaltung. Das Kapital selbst wird gespalten. Soweit es Voraussetzung der kapitalistischen Produktion ist, soweit es also die entfremdete Form der Arbeitsbedingungen, ein spezifisch gesellschaftliches Verhältnis ausdrückt, realisiert es sich im Zins. Seinen Charakter als Kapital realisiert es im Zins. Anderseits, soweit es funktioniert im Prozeß, erscheint dieser Prozeß als getrennt von seinem spezifisch kapitalistischen Charakter, von seiner spezifisch gesellschaftlichen Bestimmtheit - als bloßer Arbeitsprozeß überhaupt."

S. 484f

"In diesen zwei Formen des Mehrwerts ist also die Natur desselben, das Wesen des Kapitals und der Charakter der kapitalistischen Produktion vollständig nicht nur ausgelöscht, sondern ins Gegenteil verkehrt. Aber, insofern auch der Charakter und die Gestalt des Kapitals vollendet, als die Versubjektivierung der Sachen, die Versachlichung der Subjekte, die Verkehrung von Ursache und Wirkung, das religiöse Quidproquo, die reine Form des Kapitals G - G', sinnlos, ohne alle Vermittlung dargestellt und ausgedrückt wird. Ebenso die Verknöcherung der Verhältnisse, ihre Darstellung als Verhältnis der Menschen zu Sachen von bestimmtem sozialen Charakter, ganz anders herausgearbeitet als in der einfachen Mystifikation der Ware und der schon komplizierteren des Geldes. Die Transsubstantiation, der Fetischismus ist vollendet. Der Zins an sich drückt also grade dies Dasein der Arbeitsbedingungen als Kapital in ihrem gesellschaftlichen Gegensatz und ihrer Metamorphose als persönliche Mächte gegenüber der Arbeit und über die Arbeit aus. Er resümiert den entfremdeten Charakter der Arbeitsbedingungen im Verhältnis zur Tätigkeit des Subjekts. Er stellt das Eigentum des Kapitals oder das bloße Kapitaleigentum als Mittel dar, die Produkte fremder Arbeit sich anzueignen als Herrschaft über fremde Arbeit. Aber er stellt diesen Charakter des Kapitals dar als etwas, was ihm außer dem Produktionsprozeß selbst zukommt und keineswegs das Resultat der spezifischen Bestimmtheit dieses Produktionsprozesses selbst ist. Er stellt es dar nicht im Gegensatz zur Arbeit, sondern umgekehrt, ohne Verhältnis zur Arbeit und als bloßes Verhältnis eines Kapitalisten zum andren. Also als eine dem Verhältnis des Kapitals zur Arbeit selbst äußerliche und gleichgültige Bestimmung. Die Verteilung des Profits unter den Kapitalisten ist dem Arbeiter als solchem gleichgültig."

S. 488

"Es ist durchaus nutzlos geworden, daß diese labour of direction von Kapitalisten ausgeübt werde. Sie ist realiter vorhanden, getrennt vom Kapital, nicht in der sham Separation von industrial capitalist und moneyed capitalist, sondern von industrial managers etc., von jeder Sorte Kapitalist. Bester Beweis: Die von den Arbeitern selbst errichteten

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Kooperativfabriken. Sie liefern den Beweis, daß der Kapitalist als Funktionär der Produktion ebenso überflüssig für die Arbeiter geworden, als ihm selbst die Funktion des landlords als der bürgerlichen Produktion überflüssig erscheint. Zweitens: Soweit die Arbeit des Kapitalisten nicht aus dem Prozeß als kapitalistischem hervorgeht, also mit dem Kapital von selbst aufhört, soweit sie nicht Name für die Funktion, fremde Arbeit zu exploitieren; soweit sie aus der gesellschaftlichen Form der Arbeit hervorgeht, der Kooperation, Teilung der Arbeit etc., ist sie ganz ebenso vom Kapital unabhängig, wie diese Form selbst, sobald sie die kapitalistische Hülle abgestreift. Zu sagen, daß diese Arbeit als kapitalistische Arbeit, als Funktion des Kapitalisten notwendig sei, heißt weiter nichts, als daß der vulgarian sich die im Schoße des Kapitals entwickelte gesellschaftliche Produktivkraft und gesellschaftlichen Charakter der Arbeit sich nicht losgetrennt von dieser kapitalistischen Form, von der Form der Entfremdung, des Gegensatzes und des Widerspruchs ihrer Momente, nicht getrennt von ihrer Verkehrung und ihrem Quidproquo vorstellen kann. Et c'est justement ce que nous affirmons."

S. 493f

"Während den klassischen und daher kritischen Ökonomen die Form der Entfremdung Arbeit macht und sie dieselbe durch Analyse abzustreifen versuchen, fühlt sich dagegen die Vulgärökonomie grade in der Fremdheit, worin sich die verschiednen Anteile am Wert gegenübertreten, erst vollständig zu Hause, ganz so wie ein Scholastiker in Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiligen Geist, so der Vulgärökonom in der Erde-Rente, dem Kapital-Zins, der Arbeit-Arbeitslohn. Es ist dies ja die Form, worin diese Verhältnisse in der Erscheinung unmittelbar zusammenzuhängen scheinen, also auch in den Vorstellungen und dem Bewußtsein der in der kapitalistischen Produktion befangnen Agenten derselben leben. Die Vulgärökonomie kömmt sich um so einfacher, naturgemäßer und gemeinnützlicher, um so entfernter von aller theoretischen Spitzfindigkeit vor, je mehr sie in der Tat nichts tut, als die ordinären Vorstellungen in eine doktrinäre Sprache übersetzen. In je mehr entfremdeter Form sie daher die Formationen der kapitalistischen Produktion auffaßt, um so näher ist sie dem Element der gewöhnlichen Vorstellung, also um so mehr schwimmt sie in ihrem Naturelement. Außerdem tut das sehr gute Dienste für die Apologetik. Denn z.B. [in] Erde-Rente, Kapital-Zins, Arbeit-Arbeitslohn stehn sich die verschiednen Formen des Mehrwerts und Gestalten der kapitalistischen Produktion nicht entfremdet, sondern fremd und gleichgültig, als bloß verschieden, ohne Gegensatz gegenüber. Die verschiednen Revenues fließen aus ganz verschiednen Quellen, die eine aus der Erde, die andre aus dem Kapited, die andre aus der Arbeit. Sie stehn also in keinem feindlichen, weil überhaupt in keinem innren Zuseimmenhang. Wirken sie nun doch in der Produktion zusammen, so ist das ein harmonisches Wirken, der Ausdruck von Harmonie, wie ja z. B. der Bauer, der Ochse, der Pflug und die Erde in der Agrikultur, dem wirklichen Arbeitsprozesse, trotz ihrer Verschiedenheit, harmonisch zusammenarbeiten. Soweit ein Gegensatz zwischen ihnen stattfindet, entspringt er bloß aus der Konkurrenz, welcher der Agenten mehr vom Produkt sich aneignen soll, vom Wert, den sie zusammen schufen, und kommt es dabei gelegentlich zur Keilerei, so zeigt sich dann doch schließlich als Endresultat dieser Konkurrenz zwischen Erde, Kapital und Arbeit, daß, indem sie sich untereinander stritten über die Teilung, sie durch ihren Wetteifer den Wert des Produkts so vermehrt haben, daß jeder einen größren Fetzen bekommt, so daß ihre Konkurrenz selbst nur als der stachelnde Ausdruck ihrer Harmonie erscheint."

Weitere Stellen: S. 267f, S. 288, S. 486 und S. 519.

II. Auswahl von Autoren, die behaupten, dass Marx den Entfremdungsbegriff aufgegeben habe, sowie Autoren, die den Begriff "Entfremdung" bei Marx grundsätzlich kritisieren.

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1. Louis Althusser

a) "Marxismus und Humanismus"(1964)Zitiert nach: http://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1964/marxism-humanism.htm

„We would not observe the temptation of this ideological recourse if it were not in its own way the index of a necessity which cannot nevertheless take shelter in the protection of other, better established, forms of necessity. There can be no doubt that Communists are correct in opposing the economic, social, political and cultural reality of socialism to the ‘inhumanity’ of Imperialism in general; that this contrast is a part of the confrontation and struggle between socialism and imperialism. But it might be equally dangerous to use an ideological concept like humanism, with neither discrimination nor reserve, as if it were a theoretical concept, when it is inevitably charged with associations from the ideological unconsciousness and only too easily blends into themes of petty-bourgeois inspiration (we know that the petty bourgeoisie and its ideology, for which Lenin predicted a fine future, have not yet been buried by History).“

b) „Für Marx“ (1965). Einleitung.Zitiert nach: http://www.marxists.org/reference/archive/althusser/1965/introduction.htm

„The German Ideology presents the spectacle of a re-enlisted conceptual reserve standing in for new concepts still in training ... and as we usually judge these old concepts by their bearing, taking them at their word, it is easy to stray into a positivist conception (the end of all philosophy) or an individualist-humanist conception (the subjects of history are ‘real, concrete men’). Or again, it is possible to be taken in by the ambiguous role of the division of labour, which, in this book, plays the principal part taken by alienation in the writings of his youth, and commands the whole theory of ideology and the whole theory of science. This all arises from its proximity to the break, and that is why The German Ideology alone demands a major critical effort to distinguish the suppletory theoretical function of particular concepts from the concepts themselves. I shall return to this."

"(6) Locating the break in 1845 is not without important theoretical consequences as regards not only the relation between Marx and Feuerbach, but also the relation between Marx and Hegel. Indeed, Marx did not first develop a systematic critique of Hegel after 1845; he had been doing so since the beginning of the second moment of his Youthful period, in the Critique of Hegel’s Philosophy of Right (1843 Manuscript), the Introduction to a Critique of Hegel’s Philosophy of Right (1843), the 1844 Manuscripts and The Holy Family. But the theoretical principles on which this critique of Hegel was based are merely a reprise, a commentary or a development and extension of the admirable critique of Hegel repeatedly formulated by Feuerbach. It is a critique of Hegelian philosophy as speculative and abstract, a critique appealing to the concrete-materialist against the abstract-speculative, i.e. a critique which remains a prisoner of the idealist problematic it hoped to free itself from, and therefore a critique which belongs by right to the theoretical problematic with which Marx broke in 1845.“

2. Michael Heinrich

a) Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung. 2. Auflage, Stuttgart, 2004.

S. 19f

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"Unter dem Einfluß der radikalen Hegel-Kritik Ludwig Feuerbachs (1804-1872) versuchte Marx nun statt von den Hegelschen Abstraktionen vom "wirklichen Menschen" auszuge-hen. Dabei entstanden 1844 die zu seinen Lebzeiten nie veröffentlichten "Ökonomisch-philosophischen Manuskripte". Hier entwickelt er seine im 20. Jahrhundert außerordentlich bekannt gewordene "Entfremdungstheorie". Marx versuchte aufzuzeigen, dass die wirk-lichen Menschen unter kapitalistischen Verhältnissen von ihrem "Gattungswesen" - also von dem, was sie vom Tier unterscheidet, dass sie nämlich in ihrer Arbeit ihre Fähigkeiten und Kräfte entwickeln - "entfremdet" seien: Als Lohnarbeiter verfügen sie weder über die Produkte ihrer Arbeit, noch kontrollieren sie ihren Arbeitsprozess, beides unterliegt viel-mehr der Herrschaft der Kapitalisten. Kommunismus, die Beseitigung des Kapitalismus, wird von Marx daher als Aufhebung der Entfremdung, als Wiederaneignung des mensch-lichen Gattungswesens durch die wirklichen Menschen aufgefasst."

S. 20"Kritisiert wurde hier (Anmerkung: gemeint ist die "Deutsche Ideologie"), ebenso in den kurz zuvor von Marx niedergeschriebenen "Thesen über Feuerbach", insbesondere die philosophische Auffassung eines "menschlichen Wesens" und der "Entfremdung". Stattdessen sollen die wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen die Menschen leben und arbeiten, untersucht werden. In der Folge taucht der Begriff eines menschlichen (Gattungs-)Wesens bei Marx überhaupt nicht mehr auf, und von Entfremdung ist nur noch ganz selten und unbestimmt die Rede. In der Diskussion über Marx ist allerdings heftig umstritten, ob er die Entfremdungstheorie tatsächlich aufgegeben hat oder bloß nicht mehr in den Vordergrund stellte. Beim Streit, ob es einen konzeptionellen Bruch zwischen den Schriften des "jungen" und denen des "alten" Marx gibt, geht es vor allem um diese Frage."

S. 70, Fußnote 19

"In Kapitel 1.3 wurde erwähnt, dass der junge Marx den Kapitalismus als "Entfremdung" vom "menschlichen Wesen" auffasste. Die Analyse des Warenfetischs wurde von manchen Autoren als Fortsetzung der Entfremdungstheorie verstanden. Allerdings wird man bei einer genauen Lektüre feststellen, dass sich Marx beim Warenfetisch an keiner Stelle auf irgendein "menschliches Wesen" bezieht."

b) Michael Heinrich: Weltanschauungsmarxismus oder Kritik der politischen Ökonomie?

http://www.grundrisse.net/grundrisse03/3heinrich.htmIn diesem Text bezieht sich Heinrich auf eine Kritik an ihm durch Werner Birker.

„In den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 operiert Marx extensiv mit der Vorstellung eines „menschlichen Gattungswesens“ und der „Entfremdung“ von diesem Gattungswesen im Laufe der Geschichte, eine Entfremdung, die ihren Höhepunkt im Kapitalismus erreicht; Kommunismus ist dann die Aufhebung dieser Entfremdung. In der Debatte um Marx ist nun einerseits umstritten, ob dies eine philosophisch-spekulative Konstruktion ist, die er später aufgegeben hat, oder ob es sich bereits um ein erstes Ergebnis wissenschaftlicher Kapitalismuskritik handelt, das auch noch für die späteren Schriften zur Kritik der politischen Ökonomie (den Grundrissen von 1857/58, den ab 1863/64 entstandenen Manuskripten zum Kapital etc.) Gültigkeit besitzt.Die Frage, ob die Entfremdungskonzeption auch noch im Kapital eine Rolle spielt, konnte allerdings nur deshalb aufgeworfen werden, weil sie dort explizit nicht mehr auftaucht: Hätte Marx den Entfremdungsbegriff im Kapital ähnlich emphatisch benutzt wie in den Frühschriften, wäre die Antwort klar. Doch ist im Kapital von einer Entfremdung des Menschen von seinem Gattungswesen an keiner einzigen Stelle die Rede. Beiläufig verwendet Marx an wenigen Stellen den Ausdruck „entfremdet“, aber nur in einem ganz

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allgemeinen Sinn und ohne jeden Bezug auf ein „menschliches Gattungswesen“. Bevor die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte zu Beginn der 30er Jahre veröffentlicht wurden (also fast 70 Jahre nach dem ersten Band des Kapital) kam niemand auf die Idee im Kapital nach einer Theorie des menschlichen Wesens und der Entfremdung zu suchen. Dies geschah erst nach dieser Veröffentlichung - und zwar in einem ganz bestimmten Kontext: durch die Bezugnahme auf die Entfremdungskonzeption wurde versucht, die vorherrschende ökonomistische Interpretation des Kapital zu kritisieren. So ehrenwert dieses Ziel auch war (und ist), so fragwürdig war auf der anderen Seite das Mittel.

In meinem Buch versuchte ich deutlich zu machen, dass die Vorstellungen vom „Wesen des Menschen“ und der Entfremdung, wie sie von Marx 1844 formuliert werden, genau dem theoretischen Feld verhaftet bleiben, dessen Kritik konstitutiv für sein späteres Unternehmen einer „Kritik der Politischen Ökonomie“ ist. Birkner will diese Wesensphilosophie retten, indem er einerseits betont, Marx habe das menschliche Wesen sowohl als gesellschaftliches als auch als historisch gewordenes und veränderbares verstanden, und andererseits das Fortleben der Entfremdungskonzeption in der Analyse des Warenfetischismus behauptet.

Dass Marx das menschliche Wesen als historisch veränderbares aufgefasst habe, wird zwar immer mal wieder behauptet, doch ist dies anhand von Marxschen Äußerungen nur schwer plausibel zu machen. Auch Birkner verzichtet auf die Angabe solcher Äußerungen. Aber unabhängig davon, ob man eine Marxsche Aussage in diesem Sinne interpretieren kann oder nicht, wäre es interessant zu erfahren, worin das menschliche Wesen früher bestanden hat und worin es heute besteht - spätestens beim Versuch diese Frage zu beantworten, wird sich wohl die Unhaltbarkeit dieser Vorstellung zeigen.

Dass Marx das menschliche Wesen als gesellschaftliches bestimmt, ist zwar richtig, aber weder überraschend noch besonders originell. Auch Adam Smith hatte, indem er den „Hang zum Tausch“ als die entscheidende Eigenschaft des Menschen auffasste, das menschliche Wesen bereits als ein gesellschaftliches bestimmt. Was ich als „Individualismus“ des theoretischen Feldes, auf dem die Wesensphilosophie steht, bezeichnet habe (und was Birkner kritisiert), bezieht sich nicht darauf, dass die Wesensvorstellung ungesellschaftlich sei, sondern darauf, dass die reale Gesellschaftlichkeit als Ausfluss dieses Wesens, bzw. der Entfremdung davon aufgefasst wird. D.h. es geht bei der Kritik nicht um den jeweiligen Inhalt des menschlichen Wesens, sondern um die Struktur der auf ihr fußenden Gesellschaftstheorie: aus einem dem Menschen eigenen, inneren Wesen soll Gesellschaft erklärt werden.

In der Deutschen Ideologie (1845) kritisiert Marx die Vorstellung eines „menschlichen Wesens“ in diesem Sinne ganz grundsätzlich: „Diese Summe von Produktionskräften, Kapitalien und sozialen Verkehrsformen, die jedes Individuum und jede Generation als etwas Gegebenes vorfindet, ist der reale Grund dessen, was sich die Philosophen als ‚Substanz’ und ‚Wesen des Menschen’ vorgestellt, was sie apotheosiert und bekämpft haben“ (MEW 3, S.38, vgl. auch S.69, 75, 167). Marx kritisiert hier nicht eine bestimmte Konzeption vom menschlichen Wesen, sondern diese Konzeption selbst, unabhängig von ihrem konkreten Inhalt: Was die Philosophen als „Wesens des Menschen“ auffassen, ist nur die (unbegriffene) Verallgemeinerung und Überhöhung von Vorstellungen, die auf einer bestimmten gesellschaftlichen Grundlage erzeugt werden und die auf dieser Grundlage auch ganz plausibel erscheinen: historisch spezifische gesellschaftliche Beziehungen werden zu „Wesenseigenschaften“ des Menschen hypostasiert, um anschließend aus diesem Wesen Gesellschaft zu erklären. Dass mit den kritisierten Vorstellungen der „Philosophen“ auch die eigenen früheren Ansichten gemeint sein dürften, geht aus dem Vorwort von Zur Kritik der politischen Ökonomie (1859) hervor, wo Marx über die (gemeinsam mit Engels verfasste) Deutsche Ideologie schreibt, es sei darum gegangen „mit unserm ehemaligen philosophischen Gewissen abzurechnen“ (MEW 13, S.10).

Die explizite Kritik an der Wesensphilosophie wie auch der Verzicht auf Aussagen über „menschliches Gattungswesen“ und „Entfremdung“ im Kapital ist kaum zu bestreiten. Wer trotzdem der Meinung ist, dass solche Vorstellungen auch noch im Kapital von Bedeutung sind, lädt sich daher eine erhebliche Beweislast auf. Birkner deutet an, dass er eine solche Bedeutung bei

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Marx’ Analyse des Warenfetischs sieht (32), ohne dies allerdings weiter auszuführen. Beim Warenfetisch geht es aber kurz gesagt darum, dass (bestimmte) gesellschaftliche Beziehungen der Menschen in einer Waren produzierenden Gesellschaft als sachliche Eigenschaften der Waren erscheinen und dass dies ein von der Art und Weise des gesellschaftlichen Zusammenhangs notwendig hervorgebrachter Schein ist (also weder subjektiver Irrtum noch gewollte Manipulation). Diese ganze Analyse des Fetischismus kommt jedoch ohne irgendeinen Bezug auf ein menschliches Wesen oder die Entfremdung davon aus.

Warum wird aber so vehement (nicht nur von Birkner) für die Wesensphilosophie gestritten? Anscheinend weil angenommen wird, nur so könne die Marxsche Theorie vor Objektivismus und Positivismus bewahrt und „den Menschen“ oder „der Subjektivität“ ein Platz in der Theorie gesichert werden. Dementsprechend harsch fällt dann auch Birkners Reaktion auf den bekannten (und von mir zustimmend zitierten) Satz Althussers aus, Geschichte sei ein „Prozess ohne Subjekt“. Für Birkner sind damit die „wirklichen Menschen aus dem geschichtlichen Prozess“ (36) ausgeschlossen.

Was das Verhältnis von Menschen und Geschichte angeht, konstatiert Birkner bei mir zunächst nur eine „ambivalente Herangehensweise“, um nach der Zusammenstellung von vier kurzen Zitaten, in denen u. a. davon die Rede ist, dass Menschen die wirkliche Geschichte machen, dass aber die Geschichte kein Subjekt hat, zum Ergebnis zu kommen: „Mensch, Subjekt, Individuum“ ein einziges „Durcheinander“ (33). Dass mit „Mensch“ und „Subjekt“ verschiedenes gemeint sein könnte, über das dann auch unterschiedliche Aussagen gemacht werden müssen, kommt Birkner anscheinend nicht in den Sinn. Genauso wenig wird, wenn die strukturalistische Verabschiedung des „Subjekts“ kritisiert wird, die Frage gestellt, um welches „Subjekt“ es sich dabei eigentlich handelt. 

Kritisiert wird (von Althusser, aber auch von Foucault - und nicht zuletzt auch von Marx) die philosophische Apotheose des freien Warenbesitzers: der selbstbestimmte, freie Mensch, der die Welt aus sich heraus erschafft - dies alles ist im Begriff des „Subjekts“ eingeschlossen. Diese überhöhte Vorstellung eines autonomen, nur in sich selbst gründenden Subjektes, findet sich seit dem 17. und 18. Jahrhundert in unterschiedlichen Ausprägungen in philosophischen, politischen und ökonomischen Diskursen. Von dieser Vorstellung war auch die von Marx 1844 vertretene Konzeption des „Wesens des Menschen“ nicht frei, in gewisser Weise könnte man sie sogar als Höhepunkt der Vergötterung des „Subjekts“ auffassen. Marx löst sich von dieser Subjektvorstellung nur schrittweise. Das berühmte Zitat aus dem 18. Brumaire, auf das auch Birkner in seinem Artikel abhebt, stellt dabei nur den ersten Schritt dar: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (MEW 8, S.115). Demnach könnte man sich immer noch vorstellen, die Menschen seien in ihrem Innern (in ihrem „Wesen“) voll von Freiheit und Autonomie, nur außen gibt es leider ein paar Hindernisse. Der Witz ist aber, dass eine solche Trennung von „innen“ und „außen“ gar nicht zu machen ist. Dies wird deutlicher in den Grundrissen, wo die historische Herausbildung von Individualität (die gerade nichts unmittelbar Gegebenes, den Menschen inne wohnendes ist) ein immer wieder auftauchendes Thema ist und wo Marx in einer Auseinandersetzung mit Proudhon erklärt: „Die Gesellschaft besteht nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen, Verhältnisse aus, worin diese Individuen zueinander stehn“ (MEW 42, S.189). Im Kapital hält Marx bereits im Vorwort fest, dass ihm bei der Analyse der kapitalistischen Produktionsverhältnisse die Personen nur als „Personifikation ökonomischer Kategorien“ gelten, später benutzt er dann den berühmt gewordenen Ausdruck von der „Charaktermaske“ - implizit enthalten diese (und eine ganze Reihe weiterer) Äußerungen eine fundamentale Kritik des „Subjekts“, ohne dass sie von Marx unter einen solchen plakativen Titel gestellt worden sind. Dieser Kritik des Subjekts folgt auch der Aufbau der Darstellung im Kapital: stets werden zunächst Formbestimmungen ökonomischer Kategorien analysiert und erst danach, auf dieser

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Grundlage das Handeln und zum Teil auch die Bewusstseinsformen der Personen. Besonders deutlich wird dies in der Abfolge von Kapitel eins und zwei des ersten Bandes: zunächst geht es um die Formbestimmungen der Ware und erst im zweiten Kapitel um das „freie“ Handeln der Warenbesitzer, das genau diesen Formbestimmungen folgt.

Es geht also keineswegs darum, dass „die Menschen“ aus der Marxschen Theorie eliminiert werden, sondern darum, in welcher Weise sie darin enthalten sind: als innerlich freies, autonomes Subjekt, das von den Umständen gefesselt wird oder auch als von seinen Gattungswesen entfremdetes Subjekt, oder aber als Menschen, bei denen eine solche Trennung zwischen einem inneren Wesen und der äußeren einschränkenden Bestimmung gar nicht zu machen ist, also um Menschen, die nicht nur in ihrer „Unfreiheit“, sondern gerade auch in ihrer „Freiheit“ von den gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgebracht werden, so dass sich die Frage, ob die Menschen denn (innerlich) frei seien, oder ob sie gänzlich von den äußeren Verhältnissen bestimmt werden, als Scheinfrage entlarvt, da sie auf einer falschen Voraussetzung beruht. Wie nun die bei Marx angelegte Kritik des Subjekts weiter zu entwickeln ist, ist eine ganz andere Frage. Jedenfalls ist die von Birkner angeführte und kritisierte Althussersche Ideologietheorie (auf die ich mich in meinem Buch an keiner einzigen Stelle beziehe) bestimmt nicht die einzige Möglichkeit dazu.

Mit dem Satz von der Geschichte als „Prozess ohne Subjekt“ wird aber noch ein anderer Subjektbegriff kritisiert: die Übertragung des Subjektbegriffs auf ein Kollektiv wie etwa eine Klasse, so dass, wenn schon nicht der einzelne Proletarier, dann wenigstens „das Proletariat“ Subjekt sein soll. Wie der zustimmende Verweis auf Georg Lukács (das klassenbewusste Proletariat als ein zur Wahrheit fähiges Erkenntnissubjekt, 36) andeutet, scheint Birkner mit dieser Konstruktion keine Probleme zu haben. Lukács selbst war sich über die Probleme dieser Konstruktion schon eher klar, er wusste immerhin, dass sich das Proletariat als Subjekt vom empirischen Proletariat erheblich unterschied, die reale Existenz von dessen Subjekthaftigkeit sah er deshalb in der Partei des Proletariats verkörpert - eine „Subjektivität“, die historisch noch erhebliche Probleme mit sich brachte.“

3. Theodor W. Adorno

a) Negative DialektikTheodor W. Adorno: Negative Dialektik. Frankfurt am Main 2003.

S. 61"Ideologisch ist die heute bis in den Marxismus Lukács'scher Provenienz hinein populäre Frage nach dem Menschen darum, weil sie der puren Form nach das Invariante der möglichen Antwort, und wäre es Geschichtlichkeit selber, diktiert. Was der Mensch an sich sein soll, ist immer nur, was er war: er wird an den Felsen seiner Vergangenheit festgeschmiedet. Er ist aber nicht nur, was er war und ist, sondern ebenso, was er werden kann; keine Bestimmung reicht hin, das zu antezipieren."

S. 274"Das Subjekt ist die Lüge, weil es um der Unbedingtheit der eigenen Herrschaft willen die objektiven Bestimmungen seiner selbst verleugnet; Subjekt wäre erst, was solcher Lüge sich entschlagen, was aus der eigenen Kraft, die der Identität sich verdankt, deren Verschalung von sich abgeworfen hätte. Das ideologische Unwesen der Person ist im-manent kritisierbar. Das Substantielle, das nach jener Ideologie der Person ihre Würde verleiht, existiert nicht. Die Menschen, keiner ausgenommen, sind überhaupt noch nicht sie selbst. Mit Fug dürfte

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unter dem Begriff des Selbst ihre Möglichkeit gedacht werden, und sie steht polemisch gegen die Wirklichkeit des Selbst. Nicht zuletzt darum ist die Rede von der Selbstentfremdung unhaltbar. Sie ist, trotz ihrer besseren Hegelschen und Marxischen * Tage, oder um ihretwillen, der Apologetik anheimgefallen, weil sie mit Vatermiene zu verstehen gibt, der Mensch wäre von einem Ansichseienden, das er immer schon war, abgefallen, während er es nie gewesen ist und darum von Rückgriffen auf seine nichts zu hoffen hat als Unterwerfung unter Autorität, gerade das ihm Fremde. Daß jener Begriff im Marxischen Kapital nicht mehr figuriert, ist nicht nur von der ökonomischen Thematik des Werkes bedingt sondern philosophischen Sinnes. — Negative Dia-lektik hält ebensowenig inne vor der Geschlossenheit der Exi-stenz, der festen Selbstheit des Ichs, wie vor ihrer nicht minder verhärteten Antithesis, der Rolle, die von der zeitgenössischen sub-jektiven Soziologie als universales Heilmittel benützt wird, als letzte Bestimmung der Vergesellschaftung, analog zur Existenz der Selbstheit bei manchen Ontologen."

Die mit * markierte Fußnote: "* "Diese >Entfremdung<, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden."(Karl Marx / Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, Berlin 1960, S. 31.)"

b) Adorno / Horkheimer: Dialektik der AufklärungDer Begriff Entfremdung taucht an etlichen Stellen auf. In der Regel als Entfremdung von der Natur, diese dann aber auch gefasst als Entfremdung des Menschen vom Menschen und Selbstentfremdung.

S. 15

"Der Mythos geht in die Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität. Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie die Macht ausüben. Die Aufklärung verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen. Er kennt sie, insofern er sie manipulieren kann. Der Mann der Wissenschaft kennt die Dinge, insofern er sie machen kann. Dadurch wird ihr An sich Für ihn."

S. 69

"Radikale Vergesellschaftung heißt radikale Entfremdung. Odysseus und Robinson haben es beide mit der Totalität zu tun: jener durchmißt, dieser erschafft sie. Beide vollbringen es nur vollkommen abgetrennt von allen anderen Menschen. Diese begegnen beiden bloß in entfremdeter Gestalt, als Feinde oder als Stützpunkte, stets als Instrumente, Dinge."

S. 81

"Dirne und Ehefrau sind die Komplemente der weiblichen Selbstentfremdung in der patriarchalen Welt: die Ehefrau verrät Lust an die feste Ordnung von Leben und Besitz, während die Dirne, was die Besitzrechte der Gattin unbesetzt lassen, als deren geheime Bundesgenossin nochmals dem Besitzverhältnis unterstellt und Lust verkauft."

S. 85

"Wenn die feste Ordnung des Eigentums, die mit der Seßhaftigkeit gegeben ist, die Entfremdung der Menschen begründet, in der alles Heimweh und alle Sehnsucht nach dem verlorenen Urzustand entspringt, dann ist es doch zugleich Seßhaftigkeit und festes Eigentum, an dem allein der Begriff von Heimat sich bildet, auf den alle Sehnsucht und alles Heimweh sich richtet."

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Wolfgang Fritz Haug, Frigga Haug, Peter Jehle (Hg.)Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus 3, 1997, Spalten 460-469

„ Der Begriff lässt sich bis auf Aristoteles (ἀλλαγή Tausch), Seneca, Cicero und Augustinus (alienatio) zurückverfolgen, bei denen mit E entweder ökonomisch-juristische Vorgänge der Übertragung bzw. Veräußerung von Eigentum oder Zustände geistiger Entrückung und Verwirrung sowie Geisteskrankheit bezeichnet werden. Seit der Aufklärung (Rousseau: E als Veräußerung von Rechten an die Gemeinschaft im Gesellschaftsvertrag) spielt der Begriff der E nicht nur in der Philosophie (Hegel: E als notwendige Selbstentäußerung des Geistes) sondern auch in der Ökonomie (Smith: E als Ergebnis des Tausches von Gütern) eine wichtige Rolle. Marx entwickelt seine E-Konzeption vor allem in Auseinandersetzung mit der deutschen klassischen Philosophie (Hegel, Feuerbach, Hess), in der Kritik der englischen bürgerlichen Nationalökonomie (James Mill) und in der Analyse des französischen utopischen Sozialismus (Proudhon), wobei »drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus« (Lenin) deutlich werden.

Die Entwicklung der marxschen E-Konzeption korrespondiert mit der Ausarbeitung des historischen Materialismus historischen Materialismus historischen Materialismus historischen Materialismus und der E ntfaltung der KrpÖ; der E-Begriff wird im Laufe der Zeit differenziert und vor allem sozioökonomisch konkretisiert. Auch wenn anstelle des Begriffs E im Spätwerk vielfach andere Begriffe wie Verdinglichung, Vergegenständlichung oder Verselbständigung o.ä. gebraucht werden und auch wenn Marx und Engels verschiedentlich gegen idealistisch vorgeprägte Begriffe polemisieren (»›E‹, um den Philosophen verständlich zu bleiben«; DI), kann keineswegs gefolgert werden, dass die E-Konzeption in der Entwicklung vom ›jungen‹ zum ›alten‹ bzw. ›reifen‹ Marx einen Bruch aufweist oder etwa an Bedeutung verliert (vgl. dagegen Althusser, FM). Mit der Entfaltung der historisch-materialistischen Theorie wird auch die E-Konzeption weiterentwickelt. […] »E« ist wie kaum ein anderer Begriff über den Marxismus hinaus von den unterschiedlichsten Positionen in Philosophie, Anthropologie, Soziologie und Psychologie rezipiert und adaptiert worden, wobei sich um diese Kategorie Kategorie Kategorie Kategorie vi ele nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische Kontroversen entwickelten.”

4. Aus dem Vorwort des Instituts für Marxismus-Leninismus am ZK der SED zur Ausgabe der Ökonomisch-philosophischen Manuskripte in den Marx-Engels-Werken (MEW 40 bzw. Ergänzungsband 1), 1973(Es ging selbigem Institut u.a. darum, „den Weg, den diese beiden großen Deutschen in ihren jungen Jahren gegangen sind“ zu veranschaulichen.)

S.VI:„Das Studium ihrer frühen Arbeiten erleichtert das Verständnis für die politischen und theoretischen Probleme jener Zeit sowie für die objektiven Bedingungen, die gesetzmäßig zur Entstehung des wissenschaftlichen Kommunismus geführt haben. Dieser Entstehungsprozeß, der sich als eine konkret historische Erscheinung offenbart, führte zur organischen Verbindung des Marxismus mit der Arbeiterbewegung.“

S. XVIII-XXI:„Eine weitere Etappe bei der Herausbildung von Marx‘ neuer Weltanschauung sind die in der Zeit von April bis August 1844 entstandenen Manuskripte zu ökonomisch-philosophischen Fragen. […] Die Manuskripte von 1844, in denen Marx‘ ökonomische Studien ihren ersten Niederschlag fanden, sind nur unvollständig erhalten geblieben und in ihrem Charakter sehr unterschiedlich. Dennoch lassen sie seine damalige aus der Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie und der bürgerlichen Gesellschaftsordnung gewonnenen

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neuen Erkenntnisse deutlich werden. In diesen Manuskripten hebt Marx im Gegensatz zu Hegel wie zu Feuerbach die aktive Rolle des Menschen in der Natur und in der Gesellschaft hervor. Er gibt eine umfassende Kritik der bürgerlichen Nationalökonomie und enthüllt im Zusammenhang damit das antihumanistische Wesen, die entmenschlichenden Wirkungen der kapitalistischen Ordnung. Er betont hierbei, daß Hegel die Arbeit als das Wesen des Menschen anerkennt, setzt aber an die Stelle der abstrakt geistigen Arbeit, die dieser allein kennt, die materielle, gegenständliche Tätigkeit des Menschen. Von diesem Gesichtspunkt aus untersucht Marx die Arbeit im kapitalistischen Industriebetrieb und das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung, indem er das wahre Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, d.h. zwischen den Privateigentümern der Produktionsmittel und den Lohnarbeitern, aufdeckt. Analoge Gedanken entwickelte Marx auch in zwei längeren Darlegungen zu den wahrscheinlich kurz vorher angefertigten Auszügen aus James Mills Schrift „Éléments d’économie politique“ (1823).

Sowohl in diesen Ausführungen wie auch in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten, in denen es Marx um das Problem der Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums geht, benutzte er die Kategorie Entfremdung.Der Ursprung dieser Kategorie geht auf die bürgerliche Aufklärung des 18.Jahrhunderts zurück und spielte in der Philosophie Hegels und Feuerbachs eine wesentliche Rolle. Hegel entwickelte diese Kategorie vor allem bei seinem Versuch, eine idealistisch-dialektische Gesamtdarstellung des Geschichtsprozesses zu geben; bei Feuerbach steht die Kategorie der Entfremdung im Zusammenhang mit der Kritik der Religion.Auch Marx hatte in seinen vorhergehenden Arbeiten gelegentlich diesen Begriff benutzt. In der Dissertation wandte er ihn noch im Sinne Hegels an. In dem Manuskript „Aus der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“ erklärte er unter anderem damit die durch das kapitalistische Privateigentum bedingten Erscheinungen des Gegensatzes zwischen dem Staat und der bürgerlichen Gesellschaft.Jetzt [in den Ö.-ph.-M.] analysiert er mit Hilfe dieses Begriffes von der Position des Kommunismus aus vor allem die kapitalistischen Verhältnisse und die Lage der Arbeiter unter den Bedingungen des kapitalistischen Privateigentums. Dies führt ihn zur Erkenntnis der Entfremdung der Arbeit (entfremdete, entäußerte Arbeit), die die Selbstentfremdung des Arbeiters sowie die Entfremdung des Menschen vom Menschen zur Folge hat. Mit der Kategorie der Entfremdung der Arbeit, die sich weder bei Hegel noch bei Feuerbach findet und nichts gemein hat mit dem abstrakten allgemeinen Entfremdungsbegriff der bürgerlichen Philosophie, untersucht Marx den ökonomischen Inhalt und weist den historischen Charakter dieser Entfremdung nach. Die Entfremdung der Arbeit widerspiegelt in der Auffassung von Marx ein materielles gesellschaftliches Verhältnis sowie die Tatsache, daß in der bürgerlichen Welt die Produktionsmittel und die vom Arbeiter geschaffenen Produkte ihm als fremde und feindliche Mächte gegenüberstehen. Marx sieht in der Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums und damit der aus der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erwachsenden Entfremdung der Arbeit und aller damit verbundenen Erscheinungen den Ausgangspunkt und die Grundbedingung der menschlichen Emanzipation.

[…]Diese Manuskripte lassen ein Fortschreiten Marx‘ auf dem Wege zum dialektischen und historischen Materialismus sowie die nunmehr begonnene Ausarbeitung des wissenschaftlichen Kommunismus klar erkennen. Viele der hier dargelegten Gedanken finden sich in späteren Arbeiten – weiterentwickelt und präzisiert – wieder. Dennoch offenbaren sowohl ihr Inhalt als auch ihr Charakter, daß Marx mit der Untersuchung und dem Durchdenken mancher darin aufgeworfenen Frage noch nicht zu Ende gekommen war. Die Arbeit zeigt, daß Marx, trotz aller Vorbehalte, die er dem anthropologischen Materialismus Feuerbachs entgegengebrachte, diesen noch nicht völlig überwunden hatte. Diese Manuskripte tragen einen Übergangscharakter. […] Dieser Charakter der Manuskripte erklärt auch, warum seit ihrer Erstveröffentlichung im

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Jahre 1932 die bürgerlichen Ideologen eben diesen Texten ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, ohne sich die Mühe zu geben, den ganzen Marxismus kennenzulernen und zu verstehen. Gerade das hier noch Unvollkommene, noch Unfertige, das noch von alten Ansichten Geprägte und insbesondere der noch vorhandene Widerspruch zwischen den vom philosophischen Idealismus und Anthropologismus übernommenen Begriffen oder Ausdrucksformen und dem ihnen von Marx gegebenen prinzipiell neuen Inhalt benutzen die „Marx-Kritiker“ der verschiedenen Richtungen, um Marx‘ Lehre zu verfälschen. […]Von dieser Basis aus bemühen sie sich, Marx‘ spätere Schriften zu manipulieren, sie abzuwerten, indem sie deren qualitativen Unterschied und somit den Prozeß der Herausbildung und Weiterentwicklung der Lehre von Marx negieren oder zwischen den Manuskripten und den späteren Arbeiten eine unüberbrückbare Grenze ziehen. Dabei klammern sich die bürgerlichen „Marx-Kritiker“ vor allem an den Begriff Entfremdung. Sie unterschlagen, daß die Entfremdung in erster Linie ein materielles, durch das kapitalistische Privateigentum bedingtes Verhältnis ist und dieser Begriff in diesem Sinne von Marx auch in seinen späteren Arbeiten, z.B. in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ benutzt wurde. Sie reduzieren die von Marx entwickelten Gedanken auf die Hegelsche und Feuerbachsche Auffassung von der Entfremdung und machen diesen Begriff zu einer unhistorischen, ewigen Kategorie. Durch eine den wirklichen Inhalt der Ökonomisch-philosophischen Manuskripte verfälschende Interpretation sollen die politische Zielstellung und der Klassencharakter der Marxschen Lehre verneint oder ausgeklammert und die Theorie von Marx in den Gegensatz zur revolutionären Arbeiterklasse und zum Sozialismus gebracht werden. Mit Marx sollen der Marxismus-Leninismus und die sozialistische Gesellschaftsordnung bekämpft werden.“

S. XXII:“[…] gemeinsam mit Engels die in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten enthaltene Elemente der revolutionären materialistischen Weltanschauung zu einer geschlossenen Lehre auszuarbeiten und diese Lehre wissenschaftlich zu begründen.“

5. Aus dem Vorwort zur 2. Marx-Engels-Gesamtausgabe (DDR-MEGA)fehlt

III. Autoren, die an der Kritik der Entfremdungen durch Marx festgehalten haben

1. Georg Lukács

a) Das abschließende Kapitel "Entfremdung" aus Band II von "Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins". Sowie zahlreiche Stellen im III. Teil der Prolegomena (I. Halbband).

S. 505„Dementsprechend können auch die Entfremdungen auf verschiedenen Stufen höchst verschiedene Formen wie Inhalte erhalten. Es kommt nur darauf an, daß der fundamentale Gegensatz von Fähigkeitsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung ihren unterschiedlichen Erscheinungsweisen

zugrunde liegt. Das ist nun bei allen Entfremdungserscheinungen, besonders bei entwickelterer Produktion der Fall.“

b) Auszug aus den Interviews mit Holz, Kofler und Abendroth von 1967

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Georg Lukács: Autobiographische Texte und Gespräche. Werke Band 18. Bielefeld 2009.

S. 267f"Das hat aber eine andere und weitere Konsequenz, daß nämlich die Ausbeutung der Arbeiterklasse sich immer stärker von der Ausbeutung durch den absoluten Mehrwert in Richtung auf die Ausbeutung durch den relativen Mehrwert verschiebt, was soviel bedeutet, daß eine Steigerung der Ausbeutung bei einer Erhöhung des Lebensniveaus der Arbeiter möglich ist. Zur Zeit von Marx hat so etwas nur in seinen Anfängen existiert, ich sage nicht, daß es nicht vorhanden war. Marx hat den relativen Mehrwert, ich glaube als erster, ökonomisch erkannt, aber Marx sagt einmal in einem nicht veröffentlichten Teil des 'Kapital' sehr interessanterweise, daß beim absoluten Mehrwert die Produktion dem Kapital nur formal subsumiert ist und erst beim relativen Mehrwert die Subsumtion der Produktion unter die Kategorien des Kapitalismus entsteht, was eigentlich die Signatur der heutigen Zeit ist. Alle Probleme, von denen Sie jetzt sprechen, tauchen im Zusammenhang damit auf. Das ganze Problem der Entfremdung bekommt eine vollkommen neue Physiognomie. Zur Zeit als Marx die ökonomisch-philosophischen Manuskripte schrieb, bedeutete die Entfremdung der Arbeiterklasse unmittelbar eine herabdrückende Arbeit auf ein fast tierisches Niveau, und die Entfremdung ist in bestimmten Sinn mit Entmenschung identisch gewesen, weshalb dann die Richtung des Klassenkampfes jahrzehntelang darauf eingestellt war, durch entsprechende Forderungen in bezug auf Lohn und Arbeitszeit das Minimum eines menschlichen Lebens für den Arbeiter zu garantieren. Die berühmten drei Achter der zweiten Internationale sind ein Symptom des Klassenkampfes. Jetzt hat sich die Frage in einem bestimmten Sinn verschoben, ich würde allerdings sagen, nur in einem bestimmten Sinn.

Erinnern Sie sich nur, als Herr Erhard die ersten Versuche einer Reform gemacht hat, war der erste Schritt dazu, die Erhöhung der Arbeitszeit wöchentlich um eine Stunde zu fordern, was doch eine klare Maßnahme auf Grundlage des absoluten Mehrwerts ist. Wenn Sie übrigens die Wilsonsche Politik in England nehmen, haben Sie dieselbe Geschichte, der absolute Mehrwert ist nicht tot, er nimmt nur nicht mehr die dominierende Rolle ein, die er eingenommen hat, als Marx die ökonomisch-philosophischen Manuskripte schrieb. Was folgt nun daraus? Daß ein neues Problem sich am Horizont der Werktätigen zeigt, nämlich das Problem eines sinnvollen Lebens. Der Klassenkampf zur Zeit des absoluten Mehrwerts richtete sich darauf, die objektiven Bedingungen eines sinnvollen Lebens zu schaffen. Heute, bei einer Fünf-Tage-Woche und einem entsprechenden Lohn können bereits die Bedingungen eines sinnvollen Lebens auftauchen, wobei jetzt das Problem entsteht, daß jene Manipulation, die vom Zigarettenverkauf bis zur Präsidentenwahl geht, eine innere Trennungsmauer zwischen den existierenden Menschen und einem sinnvollen Leben errichtet."

S. 270f"Dazu ist eine große prinzipielle Darstellung der Entfremdung auf dem heutigen Niveau notwendig. Ich begrüße es sehr, daß die Menschen heute anfangen, den jungen Marx in dieser Beziehung zu studieren. Freilich, wenn damit der junge Marx gegen den reifen Marx ausgespielt wird, so ist das eine historische Dummheit. Die 'ökonomisch-philosophischen Manuskripte' können uns das Phänomen der Entfremdung in einer sehr plastischen und philosophischen Weise zeigen. Aber das aktuelle Problem der Entfremdung hat heute eine andere Physiognomie als zu Marx' Zeiten vor 120 Jahren, und die Aufgabe besteht darin, diese neue Form der Entfremdung herauszuarbeiten, wozu die ganze historische Dialektik dieses Problemkomplexes notwendig ist, denn es gibt heute außerordentlich kluge, tapfere, gute Leute, für die ich die größte menschliche und intellektuelle Wertschätzung habe, die in den Fetischismus verfallen, als ob die technische Entwicklung ein Moloch wäre, der in einer unwiderstehlichen Weise alles verschlingt. Das ist wiederum falsch, was auf der Grundlage des Marxismus nachgewiesen werden kann. Ich habe vor 40 Jahren gegen die Bucharinsche Auffassung von der Technik als entscheidender Produktivkraft polemisiert; heute ist dieser

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Irrtum noch stärker ausgebildet, jetzt im Zusammenhang mit solchen großen neuen Erfindungen wie der Nutzung der Atomenergie. Unsere, also die marxistische Aufgabe wäre hier, den fetischisierten Fatalismus aus dem Kopf der Menschen zu bringen und zu zeigen, daß Technik immer nur ein Mittel in der Entwicklung der Produktivkräfte war und daß die Produktivkräfte letzten Endes immer die Menschen und ihre Fähigkeiten sind, und daß es eine neue Phase des Marxismus bedeuten würde, wenn man eine Reform des Menschen zur zentralen Aufgabe setzt. Ich meine, daß ist gar nicht antimarxistisch gesagt, denn vergessen Sie nicht, in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie sagt noch der junge Marx, daß die Wurzel für den Menschen der Mensch selber ist. Diese Seite des Marxismus muß jetzt nicht in einer leer propagandistischen Weise, sondern auf der Grundlage der Analyse des heutigen Kapitalismus in den Vordergrund gestellt werden, und damit kann dann eine Basis für einen Kampf gegen die heutige Entfremdung gefunden werden."

2. István MészárosIstván Mészáros: Der Entfremdungsbegriff bei Marx. München 1973.

S. 275„ Seit der Veröffentlichung der Ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844 behaupten viele Philosophen, der junge Marx sei gesondert zu behandeln, da ein Bruch zwischen dem Denker, der sich mit dem Entfremdungsproblemen beschäftigt, und dem „reifen Marx“ vorliege, der einen wissenschaftlichen Sozialismus anstrebe.“ Und seltsamerweise gehören die Vertreter dieser Auffassung politisch entgegengesetzten Lagern an. Ihre Differenzen laufen darauf hinaus, daß das eine Lager den jungen Marx idealisiert und seine Frühschriften den späteren Werken entgegenhält, während das andere nur diese gelten läßt und jene als idealistisch abtut.“

S. 277ff„Doch die einfache, undramatische Wahrheit ist, daß es weder eine „Schlußabrechnung“ in der Deutschen Ideologie noch irgendein „Abmühen“ in den Manuskripten gibt, das sich als hinter der angeblich reifen Abrechnung herhinkend interpretieren ließe. Ja, die kritische Position gegenüber den idealistischen Philosophen – unser erstes Zitat – und den Bezug der Entfremdungsfrage zur Praxis hatte Marx längst vor den Manuskripten von 1844 erreicht (man vergleiche zumal seine Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie). In den Manuskripten von 1844 legte Marx mehr als einmal dar, daß er von der Sprache der Nationalökonomie ausgehe, um ihre Errungenschaften zu bergen, die den Nationalökonomen selber verborgen geblieben waren, und um sie außerdem unter ihren eigenen Bedingungen zu kritisieren. Genau die gleiche Haltung nahm er gegenüber der idealistischen Philosophie ein.

Deshalb konnte er den Begriff der Entfremdung nie „fallenlassen“: er hätte sich um eine wirkliche Errungenschaft (nämlich den „rationalen Kern“ der Hegelschen Philosophie) gebracht, unerachtet ihrer mystifizierenden Einkleidung. In der besprochenen Passage will Marx einfach herausstellen – wie er es überhaupt bei zahlreichen Gelegenheiten in den Manuskripten tut -, daß die Sprache der „Entfremdung“ ohne den notwendigen Bezug zur gesellschaftlichen Praxis mystifizierend ist.

Was das zweite Zitat betrifft, so wird eine sorgfältigere Lektüre deutlich machen, daß es nichts mit der Ablehnung des Ausdrucks „Selbstentfremdung“ zu tun hat. Die betreffende Stelle lautet so: „Die Individuen, die nicht mehr unter die Teilung der Arbeit subsumiert werden, haben die Philosophen sich als das Ideal unter dem Namen: „der Mensch“ vorgestellt und den ganzen, von uns entwickelten Prozeß als den Entwicklungsprozeß „des Menschen“ gefaßt, so daß den bisherigen Individuen auf jeder geschichtlichen Stufe „der Mensch“ untergeschoben und als treibende Kraft der Geschichte dargestellt wurde. Der ganze Prozeß wurde so als Selbstentfremdungsprozeß „des Menschen“ gefaßt, und dies

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kommt wesentlich daher, daß das Durchschnittsindividuum der späteren Stufe immer der früheren, und das spätere Bewußtsein den früheren Individuen untergeschoben wurde. Durch diese Umkehrung, die von vornherein von den wirklichen Bedingungen abstrahiert, war es möglich, die ganze Geschichte in einen Entwicklungsprozeß des Bewußtseins zu verwandeln.“ Man sieht, es gibt hier nichts, das auch nur von fern an eine Schlußabrechnung erinnerte, sondern nur einen aus den Manuskripten ganz vertrauten Gedankengang. Ironisch behandelt Marx nicht den Begriff der Selbstentfremdung, sondern den philosophischen Abstraktionismus, der für das wirkliche (geschichtlich und gesellschaftlich konkrete) Individuum das idealistische Bild des abstrakten Menschen setzt und damit die tatsächliche Entfremdung des wirklichen Menschen (des gesellschaftlichen Individuums) dadurch mystifiziert, daß er sie als Entfremdung des Bewußtseins darstellt. Anders gesagt: er wendet sich dagegen, den Begriff des Menschen mit abstraktem, allgemeinem Bewußtsein zu identifizieren. Dieser Einwand, der uns aus seinen früheren Schriften gut bekannt ist, macht den Begriff der „Selbstentfremdung des wirklichen Menschen“ keineswegs ungültig.

Der Hinweis auf das Kommunistische Manifest ist nicht überzeugender. Dies ist die fragliche Stelle: „Es ist bekannt, wie die Mönche Manuskripte, worauf die klassischen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeschmackten katholischen Heiligengeschichten überschrieben. Die deutschen Literaten gingen umgekehrt mit der profanen französischen Literatur um. Sie schrieben ihren philosophischen Unsinn hinter das französische Original. Z.B. hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie "Entäußerung des menschlichen Wesens", hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie "Aufhebung der Herrschaft des abstrakten Allgemeinen" usw.

Die Unterschiebung dieser philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften sie "Philosophie der Tat", "wahrer Sozialismus", "deutsche Wissenschaft des Sozialismus", usw.Die französische sozialistisch-kommunistische Literatur wurde so förmlich entmannt. Und da sie in der Hand des Deutschen aufhörte, den Kampf einer Klasse gegen die andre auszudrücken, so war der Deutsche sich bewußt, die "französische Einseitigkeit" überwunden, statt wahrer Bedürfnisse das Bedürfnis der Wahrheit und statt der Interessen des Proletariers die Interessen des menschlichen Wesens, des Menschen überhaupt vertreten zu haben, des Menschen, der keiner Klasse, der überhaupt nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunsthimmel der philosophischen Phantasie angehört.“(Anmerkung: Marx / Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. MEW 4, S. 486)

Wir sehen abermals, daß sich die Kritik nicht gegen den Begriff der Entfremdung richtet, sondern gegen seine idealistische Verwendung, da sie ihn „förmlich entmannt“, ihn seines konkreten gesellschaftlichen Gehalts und seiner praktisch kritischen Kraft beraubt. Gleicherweise wird hier nicht der Begriff des Menschen angegriffen, wie ihn Marx 1844 als gesellschaftliches Individuum definiert hatte, sondern die Abstraktion des „menschlichen Wesens“, des „Menschen überhaupt“, wie sie seine Gegner verwenden, weil sie nur „im Dunsthimmel der philosophischen Phantasie“ existiert. Das ist alles andere als ein Bruch: die bemerkenswerteste Kontinuität.“

Anmerkung: Mit dem ersten Zitat meint Mészáros folgende Stelle, die als Beweis für die Aufgabe des Entfremdungsbegriffs durch Marx herangezogen wird: „Diese „Entfremdung“, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden.“(Marx / Engels: Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 34) Das zweite Zitat findet sich ebd., auf S. 69.

3. Herbert Marcuse

„ Die kapitalistische Einrichtung der Arbeit wird in den frühen Aufsätzen von Marx als 'Entfremdung', das heißt, als eine 'unnatürliche', entartete Form von Arbeit bezeichnet. Es erhebt sich die Frage: wie ist eine solche Entartung möglich geworden? Hier liegt mehr als eine quaestio facti vor, da die entfremdete Arbeit nur im Licht

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ihrer Abschaffung als Tatsache erscheint. Die Analyse der herrschenden Form von Arbeit ist gleichzeitig eine Analyse der Voraussetzungen ihrer Abschaffung. Mit anderen Worten, Marx untersucht die bestehenden Arbeitsbedingungen im Hinblick auf ihre Negation in einer wirklich freien Gesellschaft. Seine Kategorien sind negativ und zur gleichen Zeit positiv: sie schildern einen negativen Zustand im Licht seiner positiven Aufhebung, wobei sie die wahre Situation der gegenwärtigen Gesellschaft als ein Vorspiel ihres Übergangs in eine neue Form enthüllen. Alle Marxschen Begriffe spannen sich sozusagen in diese beiden Dimensionen aus, von denen die erste in dem Komplex der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse besteht und die zweite in dem Komplex der Elemente, die der gesellschaftlichen Wirklichkeit innewohnen und deren Transformation in eine freie Gesellschaftsordnung den Weg bereiten. Dieser doppelschlächtige Inhalt bestimmt die gesamte Marxsche Analyse des Arbeitsprozesses.“ (Marcuse: Vernunft und Revolution. S. 260f.)

4. Raya Dunayewskaya

5. S.I.Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels. Hamburg 1978

S. 7„In seiner Totalität begriffen, ist das Spektakel zugleich das Ergebnis und die Zielsetzung der bestehenden Produktionsweise. Es ist kein Zusatz zur wirklichen Welt, kein aufgesetzter Zierat. Es ist das Herz des Irrealismus der realen Gesellschaft. In allen seinen besonderen Formen: Information oder Propaganda, Werbung oder unmittelbarer Konsum von Zerstreuungen ist das Spektakel das gegenwärtige Modell des gesellschaftlich herrschenden Lebens. Es ist die allgegenwärtige Behauptung der in der Produktion und ihrem korollären Konsum bereits getroffenen Wahl. Form und Inhalt des Spektakels sind identisch die vollständige Rechtfertigung der Bedingungen und der Ziele des bestehenden Systems. Das Spektakel ist auch die ständige Gegenwart dieser Rechtfertigung, als Beschlagnahme des hauptsächlichen Teils der außerhalb der modernen Produktion erlebten Zeit.“

S. 7f.„Das Spektakel und die wirkliche gesellschaftliche Tätigkeit lassen sich nicht abstrakt einander entgegensetzen; diese Verdoppelung ist selbst doppelt. Das Spektakel, das das Wirkliche verkehrt, wird wirklich erzeugt. Zugleich wird die erlebte Wirklichkeit durch die Kontemplation des Spektakels materiell überschwemmt und nimmt in sich selbst die spektakuläre Ordnung wieder auf, indem sie ihr eine positive Zustimmung gibt. Die objektive Realität ist auf beiden Seiten vorhanden. Jeder so festgesetzte Begriff gründet sich nur auf seinen Übergang in die Gegenseite. Ins Spektakel tritt die Wirklichkeit ein, und das Spektakel ist wirklich. Diese gegenseitige Entfremdung ist das Wesen und die Stütze der bestehenden Gesellschaft.“

S. 9f.„Die erste Phase der Herrschaft der Wirtschaft über das gesellschaftliche Leben hatte in der Definition jeder menschlichen Realisierung eine offensichtliche Degradierung des Seins zum Haben mit sich gebracht. Die gegenwärtige Phase der völligen Beschlagnahme des gesellschaftlichen Lebens durch die akkumulierten Ergebnisse der Wirtschaft führt zu einer verallgemeinerten Verschiebung vom Haben zum Scheinen, aus welchem jedes tatsächliche »Haben« sein unmittelbares Prestige und seinen letzten Zweck beziehen muß. Zugleich ist jede individuelle Wirklichkeit gesellschaftlich geworden, direkt von der gesellschaftlichen Macht abhängig und von ihr geformt. Nur sofern sie nicht ist, darf sie erscheinen.„

S. 10„Da, wo sich die wirkliche Welt in bloße Bilder verwandelt, werden die bloßen Bilder zu

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wirklichen Wesen und zu den wirkenden Motivierungen eines hypnotischen Verhaltens. Das Spektakel als Tendenz, durch verschiedene spezialisierte Vermittlungen die nicht mehr unmittelbar greifbare Welt zur Schau zu stellen, findet normalerweise im Sehen den bevorzugten menschlichen Sinn, der zu anderen Zeiten der Tastsinn war; der abstrakteste und mystifizierbarste Sinn entspricht der verallgemeinerten Abstraktion der heutigen Gesellschaft. Das Spektakel läßt sich jedoch nicht mit dem bloßen Zusehen identifizieren, wenn dieses auch mit dem Zuhören kombiniert wäre. Das Spektakel ist das, was der Tätigkeit der Menschen, der Wiedererwägung und der Berichtigung ihres Werkes entgeht. Es ist das Gegenteil des Dialogs. Überall, wo es unabhängige Vorstellung gibt, baut sich das Spektakel wieder auf.“

S. 11„Als Gewalt des getrennten Gedankens und als Gedanke der getrennten Gewalt, ist es der Philosophie nie durch eigene Kraft gelungen, die Theologie aufzuheben. Das Spektakel ist der materielle Wiederaufbau der religiösen Illusion. Die spektakuläre Technik hat die religiösen Wolken nicht aufgelöst, in die die Menschen ihre von ihnen losgerissenen, eigenen Kräfte gesetzt hatten: sie hat sie nur mit einer weltlichen Grundlage verbunden. So ist es das irdischste Leben, welches undurchsichtig und erstickend wird. Es verweist nicht mehr auf den Himmel, sondern beherbergt bei sich seine absolute Verwerfung, sein trügerisches Paradies. Das Spektakel ist die technische Verwirklichung der Verbannung der menschlichen Kräfte in ein Jenseits; die vollendete Entzweiung im Innern des Menschen.“

S. 11„Die Tatsache, daß die praktische Macht der modernen Gesellschaft sich von selbst abgehoben und sich ein selbständiges Reich im Spektakel fixiert hat, ist nur aus dieser anderen Tatsache, daß diese mächtige Praxis immer noch selbstzerrissen und sichselbstwidersprechend geblieben war, zu erklären.“

S. 12f„Die Trennung ist das Alpha und Omega des Spektakels. Die Institutionalisierung der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit und die Herausbildung der Klassen hatten eine erste heilige Kontemplation gebaut, die mythische Ordnung, mit der sich jede Macht schon von Urbeginn an umhüllt. Das Heilige hat die kosmische und ontologische Anordnung gerechtfertigt, die den Interessen der Herren entsprach und es hat das erklärt und beschönigt, was die Gesellschaft nicht tun konnte. Also war jede getrennte Macht spektakulär, aber die Zustimmung aller zu einem solchen feststehenden Bild bedeutete nur die gemeinsame Anerkennung einer imaginären Verlängerung für die Armut der wirklichen gesellschaftlichen Tätigkeit, die noch sehr viel als einheitliche Bedingung empfunden wurde. Im Gegenteil drückt das moderne Spektakel das aus, was die Gesellschaft tun kann, aber in dieser Äußerung stellt sich das Erlaubte absolut dem Möglichen entgegen. Das Spektakel ist die Erhaltung der Bewußtlosigkeit in der praktischen Veränderung der Existenzbedingungen. Das Spektakel ist sein eigenes Produkt, es selbst ist es, das seine Regeln aufgestellt hat: es ist ein Pseudo-Heiliges. Es zeigt was es ist: die getrennte Macht, welche – bei dem Produktivitätswachstum durch die unaufhörliche Verfeinerung der Teilung der Arbeit zur Zerstückelung der zugleich von der unabhängigen Maschinenbewegung beherrschten Gesten – sich in sich selbst entwickelt und für einen stets weiteren Markt arbeitet. Jedes Gemeinwesen und jeder kritische Sinn haben sich während dieser ganzen Bewegung aufgelöst, in der sich die Kräfte, die bei ihrer Trennung wachsen konnten, noch nicht wiedergefunden haben.“

S. 13„Bei der verallgemeinerten Trennung des Arbeiters von seinem Produkt geht jeder einheitliche Überblick über die ausgeführte Tätigkeit, jede persönliche, direkte Mitteilung zwischen den Produzenten verloren. Im Laufe des Fortschritts der Akkumulation der getrennten Produkte und der Konzentration des Produktionsprozesses werden die Einheit und die Mitteilung zum ausschließenden Attribut der Systemleitung. Das Gelingen des

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wirtschaftlichen Systems der Trennung ist die Proletarisierung der Welt.“

S. 14„Der Ursprung des Spektakels ist der Verlust der Einheit der Welt, und die riesengroße Ausbreitung des modernen Spektakels drückt die Vollständigkeit dieses Verlustes aus: die Abstraktion jeder besonderen Arbeit und die allgemeine Abstraktion der Gesamtproduktion äußern sich vollkommen im Spektakel, dessen konkrete Seinsweise gerade die Abstraktion ist. Im Spektakel stellt sich ein Teil der Welt vor der Welt dar, und ist über sie erhaben. Das Spektakel ist nur die gemeinschaftliche Sprache dieser Trennung. Was die Zuschauer miteinander verbindet, ist nur ein irreversibles Verhältnis zum Zentrum selbst, das ihre Vereinzelung aufrechterhält. Das Spektakel vereinigt das Getrennte, aber nur als Getrenntes.“

S. 15„Die Entfremdung des Zuschauers zugunsten des angeschauten Objekts (das das Ergebnis seiner eigenen bewußtlosen Tätigkeit ist) drückt sich so aus: je mehr er zuschaut, um so weniger lebt er; je mehr er sich in den herrschenden Bildern des Bedürfnisses wiederzuerkennen akzeptiert, um so weniger versteht er seine eigene Existenz und seine eigene Begierde. Die Äußerlichkeit des Spektakels im Verhältnis zum tätigen Menschen erscheint darin, daß seine eigenen Gesten nicht mehr ihm gehören, sondern einem anderen, der sie ihm vorführt. Der Zuschauer fühlt sich daher nirgends zu Hause, denn das Spektakel ist überall.“

S. 15„Der Arbeiter produziert nicht sich selbst, sondern eine unabhängige Macht. Der Erfolg dieser Produktion, ihr Überfluß, kehrt zum Produzenten als Überfluß der Enteignung zurück. Die ganze Zeit und der ganze Raum seiner Welt werden ihm bei der Akkumulation seiner entfremdeten Produkte fremd. Das Spektakel ist die Landkarte dieser neuen Welt, eine Landkarte, die genau ihr Territorium deckt. Eben die Kräfte, die uns entgangen sind, zeigen sich uns in ihrer ganzen Macht.“

S. 15„Das Spektakel in der Gesellschaft entspricht einer konkreten Herstellung der Entfremdung. Die wirtschaftliche Expansion ist hauptsächlich die Expansion dieser bestimmten industriellen Produktion. Was mit der sich für sich selbst bewegenden Wirtschaft anwächst, kann nur die Entfremdung sein, die gerade in ihrem ursprünglichen Kern enthalten war.“

S. 15„Der von seinem Produkt getrennte Mensch produziert immer machtvoller alle Einzelheiten seiner Welt und findet dadurch immer mehr von seiner Welt getrennt. Je mehr sein Leben jetzt sein Produkt ist, um so mehr ist er von seinem Leben getrennt.“

S. 19f.„Die Entwicklung der Produktivkräfte war die bewußtlose wirkliche Geschichte, die die Existenzbedingungen der Menschengruppen als Überlebensbedingungen und als deren Erweiterung aufgebaut und verändert hat; die ökonomische Basis all ihrer Unternehmungen. Innerhalb einer Naturalwirtschaft bestand der Bereich der Ware in der Schaffung eines Überschusses an Überleben. Die Warenproduktion, die den Austausch verschiedenartiger Produkte zwischen unabhängigen Produzenten voraussetzt, konnte lange handwerkmäßig, in einer wirtschaftlichen Randfunktion beschränkt bleiben, worin ihre quantitative Wahrheit noch verdeckt ist. Da jedoch, wo sie die gesellschaftlichen Bedingungen des Großhandels und der Kapitalakkumulation antraf, bemächtigte sie sich der gesamten Wirtschaft. Die ganze Wirtschaft ist also zu dem geworden, als was sich die Ware bei dieser Eroberung erwiesen hatte: zu einem Prozeß quantitativer Entwicklung. Diese unaufhörliche Entfaltung der wirtschaftlichen Macht in der Form der Ware, die die menschliche Arbeit zur Ware Arbeit,

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zur Lohnarbeit, umgebildet hat, führte kumulativ zu einem Überfluß, in dem die Grundfrage des Überlebens zweifelsohne gelöst wird, aber so daß sie immer wiederkehren muß; sie wird jedesmal wieder auf einer höheren Stufe gestellt. Das Wirtschaftswachstum befreit die Gesellschaften vom natürlichen Druck, der ihren unmittelbaren Überlebenskampf erforderte, nun aber sind sie von ihrem Befreier nicht befreit. Die Unabhängigkeit der Ware hat sich auf das Ganze der von ihr beherrschten Wirtschaft ausgedehnt. Die Wirtschaft verwandelt die Welt, aber nur in eine Welt der Wirtschaft. Die Pseudonatur, in der sich die menschliche Arbeit entfremdet hat, erfordert, daß ihr Dienst endlos fortgesetzt wird, und da dieser Dienst nur von sich selbst beurteilt und freigesprochen wird, erlangt er in der Tat die Gesamtheit der gesellschaftlich zulässigen Bemühungen und Vorhaben als seine Diener. Der Überfluß der Waren, d.h. des Warenverhältnisses, kann nicht mehr als das vermehrte Überleben sein.“

S. 20f„Das Spektakel ist der Moment, in welchem die Ware zur völligen Beschlagnahme des gesellschaftlichen Lebens gelangt ist. Das Verhältnis zur Ware ist nicht nur sichtbar; sondern man sieht nichts anderes mehr: die Welt, die man sieht, ist seine Welt. Die moderne Wirtschaftsproduktion dehnt ihre Diktatur extensiv aus. An den am wenigsten industrialisierten Orten ist ihr Reich schon durch einige Star-Waren und als imperialistische Herrschaft der an der Spitze der Produktivitätsentwicklung stehenden Zonen vorhanden. In diesen fortgeschrittenen Zonen wird der gesellschaftliche Raum durch eine ununterbrochene Übereinanderlagerung geologischer Warenschichten überschwemmt. An diesem Punkt der »zweiten industriellen Revolution« wird neben der entfremdeten Produktion der entfremdete Konsum zu einer zusätzlichen Pflicht für die Massen. Die ganze verkaufte Arbeit einer Gesellschaft wird völlig zur Gesamtware, deren Kreislauf sich fortsetzen muß. Dazu muß diese Gesamtware dem fragmentarischen Individuum, das von den als ein Ganzes wirkenden Produktivkräften absolut getrennt ist, fragmentarisch zurückkehren. Hier muß sich gerade die spezialisierte Wissenschaft der Herrschaft ihrerseits spezialisieren: sie zerbröckelt in Soziologie Psychotechnik, Kybernetik, Semiologie usw., und wacht über die Selbstregulierung aller Stufen des Prozesses.“

S. 21„Während in der ursprünglichen Phase der kapitalistischen Akkumulation »die Nationalökonomie den Proletarier nur als Arbeiter betrachtet«, der das zur Erhaltung seiner Arbeitskraft unentbehrliche Minimum bekommen muß, ohne ihn jemals »in seiner arbeitslosen Zeit, als Mensch« zu betrachten, kehrt sich diese Denkweise der herrschenden Klasse um, sobald der in der Warenproduktion erreichte Überflußgrad vom Arbeiter einen Überschuß von Kollaboration erfordert. Dieser Arbeiter, von der vollständigen Verachtung plötzlich reingewaschen, die ihm durch alle Organisations- und Überwachungsbedingungen der Produktion deutlich gezeigt wird, findet sich jeden Tag außerhalb dieser Produktion, in der Verkleidung des Konsumenten, mit überaus zuvorkommender Höflichkeit scheinbar wie ein Erwachsener behandelt. Da nimmt der Humanismus der Ware den Arbeiter »in seiner arbeitslosen Zeit und als Mensch« in die Hand ganz einfach deswegen, weil die politische Ökonomie diese Sphären beherrschen kann und muß. So hat »die konsequente Durchführung der Verleugnung des Menschen« die Ganzheit der menschlichen Existenz in die Hand genommen.“

S. 21„Das Spektakel ist ein ständiger Opiumkrieg, um die Identifizierung der Güter mit den Waren und auch die der Zufriedenheit mit dem sich nach seinen eigenen Gesetzen vermehrenden Überleben aufzuzwingen. Wenn aber das konsumierbare Überleben etwas ist, das sich ständig vermehren muß, so deshalb, weil es die Entbehrung immer noch enthält. Wenn es kein Jenseits des vermehrten Überlebens gibt, keinen Punkt, an dem dieses Überleben sein Wachstum beenden könnte, so deshalb, weil es selbst nicht jenseits der Entbehrung liegt, sondern die reicher gewordene Entbehrung ist.“

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S. 22f„Jene Konstante der kapitalistischen Wirtschaft, die in dem tendenziellen Fall des Gebrauchswerts besteht, entwickelt eine neue Form der Entbehrung innerhalb des vermehrten Überlebens; dieses ist ebensowenig von der alten Not befreit, da es die Mitwirkung der großen Mehrheit der Menschen als Lohnarbeiter zur endlosen Fortsetzung seines Strebens fordert und da jeder weiß, daß er sich entweder unterwerfen oder sterben muß. Die Wirklichkeit dieser Erpressung, d.h. die Tatsache, daß der Gebrauch in seiner ärmsten Form (Essen, Wohnen) nur noch besteht, soweit er im Scheinreichtum des vermehrten Überlebens eingeschlossen bleibt, ist die wirkliche Grundlage dafür, daß die Täuschung überhaupt beim Konsum der modernen Waren hingenommen wird. Der wirkliche Konsument wird zu einem Konsumenten von Illusionen; Die Ware ist diese wirkliche Illusion und das Spektakel ihre allgemeine Äußerung.“

6. Erich Fromm Erich Fromm: „Marx‘s concept of man“ - With a translation from Marx ECONOMIC AND PHILOSOPHICAL MANUSCRIPTS by T. B. Bottomore, London School of Economics and Political Science, 1961; 1963 auch auf Deutsch erschienen; die nachfolgenden Zitate sind aus der Einleitung Fromms entnommen (http://seatonsnet.com/documents/fromm-erich-marxs-concept-of-man-090626163548-phpapp01.pdf).

S. V:“Marx's philosophy is one of protest; it is a protest imbued (erfüllt) with faith in man, in his capacity to liberate himself, and to realize his potentialities. This faith is a trait of Marx's thinking that was characteristic of the Western mood from the late Middle Ages to the nineteenth century, and which is so rare today.For this very reason, to many readers who are infected with the contemporary spirit of resignation and the revival of the concept of original sin (in Niebuhrian1 or Freudian terms), Marx's philosophy will sound dated, old-fashioned, utopian -and for this reason, if not for others, they will reject the voice of faith in man's possibilities, and of hope in his capacity to become what he potentially is. To others, however, Marx's philosophy will be a source of new insight and hope.”

S.VI:“The West has much to offer as a leader of such a development for the former colonial nations; not only capital and technical advice, but also the Western humanist tradition of which Marxist socialism is the upshot (Fazit, Ergebnis); the tradition of man's freedom, not only from, but his freedom to -- to develop his own human potentialities, the tradition of human dignity and brotherhood.”; “[…] the spiritual elements of justice, equality and universality which are inherent in Marxist socialism (rooted in the Western spiritual tradition).”

Tomonaga Tairako:Versachlichung und Verdinglichung in der Phänomenologie des Geistes Hegels(http://eprints.lib.hokudai.ac.jp/dspace/bitstream/2115/30716/1/14_P93-110.pdf)

“Man legt in der Theorie der Versachlichung einen Schwerpunkt auf die Entstehung und Formung des sachlichen gesellschaftlichen Systems selbst, wahrend in der Theorie der Entfremdung das subjektive Verhalten innerhalb dieser versachlichten Welt untersucht wird. Die Theorie der Verdinglichung verfolgt den Prozess, wie die Sache selbst, deren Entstehung

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Voraussetzung zur Verdinglichung ist, als eine den Subjekten fremde Macht diese überwältigt und niederschlagt. 1m Hinblick auf das Subjekt heisst Entfremdung, dass sich Subjekte innerhalb der Sache selbst verlieren; im Hinblick auf das Objekt heisst Verdinglichung, dass diese Subjekte die sachlichen Verhältnisse zur Dingheit stempeln.“

Materialismus und Dialektik bei Marx(http://de.scribd.com/doc/44817090/Tomonaga-Tairako-Materialismus-und-Dialektik-Bei-Marx)

“Die Hauptaufgabe der Entfremdungslehre von Marx besteht nicht bloß darin, zu erklären, wie die menschlichen Subjekte sich selbst in den versachlichten Verhältnissen verlieren, sondern die Prozesse aufzufassen, wie sich die zunächst und zumeist unter die Herrschaft des Kapitals als versachlichten Subjekts subsumierten arbeitenden Individuen innerhalb der entfremdeten Verhältnisse zu den aktiv-kritischen Subjekten ausbilden, die in der Lage sind, die kapitalistische Produktionsweise praktisch zu überwinden. Das Hauptthema der Entfremdungslehre besteht nämlich, kurz gesagt, nicht in der Analyse des Selbstverlusts des Subjekts, sondern in der einer spezifischen Form der Bildung des Subjekts. Man erinnere sich an das sechste Kapitel in Hegels Phänomenologie des Geistes: “Der Geist---B. Der sichentfremdete Geist. Die Bildung”, wo es sich bei Entfremdung um eine durch die ihm selbst fremde Macht erzwungene Bildung des Subjekts handelt. Obwohl Feuerbach diesen Begriff von Hegel übernimmt, läßt er die für Hegel entscheidende geschichtsphilosophische Implikation weg und entwickelt die Entfremdungstheorie in einer ahistorischen Dimension des menschlichen Wesens, in der es sich um denVerlust des Menschen als Gattungswesens durch die Religion handelt. Es ist zwar eine Tatsache, daß Marx unter dem Einfluß von Feuerbach zum Materialismus gelangt. Daraus entstand eine immer noch verbreitete Interpretation des Marxschen Entfremdungsbegriffs, daß Marx die Feuerbachsche Auffassung der Entfremdung, d.h. deren Vereinseitigung zum bloßen Verlust des menschlichen Wesens, übernommen und sie einfach auf die gesellschaftlich-geschichtlichen Phänomene angewandt hätte, sogar nachdem er die Feuerbachsche Entfremdung in ihrer Abstraktheit kritisiert hatte. Aber, wie schon gezeigt, wächst Marx’ Wiederannäherung an Hegel im gleichen Schritt mit der Kritik an Feuerbach. Die Wende von Feuerbach zu Hegel fand bei der Niederschrift der >>Ökonomisch-philosophischenManuskripte<< im Jahre 1844 statt. Wir finden die bewußte Aufnahme der Hegelschen Entfremdungslehre bei Marx im dritten Heft, wo er sich die Aufgabe stellt, "das positive Wesen des Privateigentums zu erfassen"(Marx, 1844-a, S.263), oder "die Notwendigkeit davon, daß in der Bewegung des Privateigentums, eben der Ökonomie, die ganze revolutionäre Bewegung sowohl ihre empirische, als theoretische Basis findet, einzusehen” (ebenda). Aufgrund dieser Erkenntnis stellt er eine sowohl für seine weiteren Gedankenentwicklungen als für die ganze Geschichte des Marxismus entscheidende These auf: "Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg, wie die Selbstentfremdung"(ibid., S.261). Alle sozialistischen Bewegungen setzen irgendeine kritische Auffassung vom kapitalistischen Wirtschaftssystem voraus. Die sozialistischen Theorien haben sich darauf konzentriert, die diesem System immanenten Widersprüche oder seine inhumanen Aspekte ans Licht zu bringen, um die Arbeiter zum Sozialismus zu motivieren. Aber Marx kommt es bei Entfremdung zuerst darauf an, nach der Qualität und dem Niveau der subjektiven Fähigkeit der Menschen zu fragen, die mit dem Kapitalismus praktisch konfrontiert sind: mit welcher politischen, kulturellen oder sozialen Bildung sind sie ausgerüstet? Die Hauptidee in den >>Thesen über Feuerbach<<, den Gegenstand als die praktische Tätigkeit subjektiv aufzufassen, findet hier ihre weitere Konkretisierung in der Methode, die Subjekte der politischen Veränderung in den zu verändernden Gegenstand zurückzuschicken und nach der Art und Weise der Bildung der politischen aktiven Subjekte innerhalb der praktisch zu überwindenden Verhältnisse zu fragen. Wir als diejenigen, die das Scheitern aller marxistischen Bewegungen und Experimente im zwanzigsten Jahrhundert als Zeitgenossen erlebt haben, müssen jetzt die Marxsche Kritik am "rohen Kommunismus" für richtig halten, und zwar in dem Sinn, daß seine Kritik ebenfalls für die bisherigen Theorien und Bewegungen des Marxismus nach Marx gilt."Wie wenig diese Aufhebung des Privateigentums [durch den rohen Kommunismus] eine wirkliche Aneignung ist, beweist eben

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die abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Zivilisation; die Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist"(ibid., S.262).Die Interessen und die Energie, die sich gegen den Kapitalismus richten, sind allgemein in den relativ von der zivilisierenden Wirkung des Kapitals ausgeschlossenen sozialen Gruppen zu finden. Ihr Sichtfeld ist zumeist viel mehr von dem bestimmt, was ihnen der Kapitalismus weggenommen hat, als von dem, was er ihnen geschaffen hat. Sie sind im Gegensatz zu ihm auf das, was er mit Ausrottung bedroht, angewiesen. Die sozialistischen Bewegungen, soweit sie naturwüchsig waren, mußten von den Menschen, die noch nicht auf einer von der bestimmten Entwicklung des zeitgenössischen Kapitalismus ermöglichten Höhe "der Bildung und der Zivilisation" "angelangt" waren, getragen werden. Dies ist der Grund, (1) warum die bisherigen sozialistischen Bewegungen scheitern mußten, oder, (2) warum sie eine von der Masse gesonderte, die Bildung und die Zivilisation repräsentierende Elite hervorbringen und damit die Herrschaft dieser Elite über die Masse herstellen mußten, um sich selbst zu erhalten, oder endlich, (3) warum sie nach ihrer Machtergreifung ihre Herrschaft mit repressiven Mitteln erhalten mußten, weil sie nicht in der Lage waren, verschiedenartige vom Kapitalismus entwickelte politische und kulturelle Bedürfnisse pluralistisch in ein von ihnen selbst eingesetztes politisches System zu integrieren. In diesem Sinn ist es wichtig zu bemerken, daß Marx den sozialistischen Bewegungen zum erstenmal dieFrage nach der kulturellen Deprivation der Arbeiterklasse und deren Überwindung vor der Machtergreifung dieser Klasse gestellt hat. In Bezug auf die Entfremdung geht es daher um die Methode, die Entwicklung der versachlichten Ordnung der modernen bürgerlichen Gesellschaft, wo das Kapital als Subjekt erscheint, alsBildungsprozesse der Arbeiter, die in der kapitalistischen Produktionsweise zunächst nur als bloßePersonifikation der ökonomischen Kategorien fungieren, zu selbständigen kulturellen und politischen Subjekten zu rekonstruieren. So entspricht die Analyse der Entwicklung der Versachlichung phasenweise der der Entwicklung der Entfremdung (2).Man sollte sich hier daran erinnern, daß das >>Kapital<< ein unvollendetes Werk ist. Dieser unvollendete Charakter fällt bei den Problemen der Praxis der im Alltag lebenden Individuen auf. Marx kann die Logik der Versachlichung im >>Kapital<< nicht ausführlich zur Logik der Entfremdung entwickeln, um diese Logik der sich innerhalb der Entfremdung zu Subjekten bildenden Individuen mit der Logik der Ausbildung derselben zu den politischen revolutionären Subjekten weiter zu vermitteln.”

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