Wechselwirkungen zwischen heteroplastischem Transplantat und Wirt

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Roux' Archiv fiir Entwicklungsmechanik 153,664--668 (1962) Aus dem Zoologisch-vergleichendanatomischen Institu~ der Universit~it Zfirich (I)irektor: Prof. Dr. E. tIADoXx) WECHSELWII~KUNGEN ZWISCHEN HETEI~OPLASTISCtIEM TRANSPLANTAT UND WII%T Von CtIIr ZELLER Mit 2 Textabbildungen (7 Einzelbilder) (Eingegangen am 1. Mgrz 1962) Einleitung Nach heteroplastiseher Transplantation entwickeln sieh Vorderbeine und andere Organe bei Amblystoma Jm wesentlichen arttypisch (TwITTY und SCHwI~I) 1931). Aus den Abbildungen dieser Autoren geht ]edoch hervor, dab ein an sieh unbedeutender, ~ber doch offensichtlich stati- stisch gesicherter EinfluB des Wirtes auf die GrSge imp]antierter Augen sich bemerkbar macht. TwITTY und SCHWI~D diskutieren Unter- suehungen anderer Autoren, welehe bei arttypisch autonomer Entwick- lung yon Organen ebenfalls einen Einflug des Wirtes auf das Implantat feststellen konnten. Man kann sieh nun fragen, ob auch das Implantat auf den Wirt wirken kann. Dieses Problem stellt sieh besonders, weft wir fanden (ZELLEtr 1962), dab die Amputation yon Zehen bei jungen Froschlarven das Wachstum der entsprechenden, gegeniiberliegenden Zehe hemmen kann. Es wird deshMb in der vor]iegenden Arbeit gepriift, ob ein heteroplastisches Transplantat der Vorderbeinanlage bei Triton die Wirtsextremitat beeinfluBt. Ira Amputationsversuch wurde die Wachstumshemmung auf friihen Stadien der FuBentwieklung beobach- tot. Aus diesem Grund beschr~nken sieh diese Untersuchungen ebenfalls auf friihe Stadien. Material und Hethode Zwischen Schwanzknospenstadien (Stadium 20--21 nach GLA~S~R 1925) yon Triton alpestris einersei~s und Triton taeniatus andererseits wurden die vorderen, rechtsseitigen Extremitgtenregionen reziprok vertauseht. Die Transplantationen wurden in I-Ioltfreter-LSsung mit Elkosinzusatz (1:500) ausgeffihrt, nachdem die alpestris-Keime mit Nilblausulfat angefgrbt worden waren, so dab eine spgtere Kontrolle der Tr~nsplantate mSglich ist. Die Keime wurden dann in frischer Itol~freter-L6sung (mit Elkosin und Penicillinzusatz) bei 18~ C aufgezogen. Gleich- alterige Kontrollkeime beider Arten wurden in Gruppen yon etw~ zehn Keimen bei gleicher Tempera~ur in Brunnenwasser aufgezogen. Da nur junge Larven zur Untersuchung kamen, wurde, um m6glichst uniforme Bedingungen zu schaffen, nicht gefiittert.

Transcript of Wechselwirkungen zwischen heteroplastischem Transplantat und Wirt

Roux' Archiv fiir Entwicklungsmechanik 153,664--668 (1962)

Aus dem Zoologisch-vergleichendanatomischen Institu~ der Universit~it Zfirich (I)irektor: Prof. Dr. E. tIADoXx)

W E C H S E L W I I ~ K U N G E N Z W I S C H E N HETEI~OPLASTISCt IEM TRANSPLANTAT UND WII%T

Von CtIIr ZELLER

Mit 2 Textabbildungen (7 Einzelbilder)

(Eingegangen am 1. Mgrz 1962)

Einleitung Nach heteroplastiseher Transplantat ion entwickeln sieh Vorderbeine

und andere Organe bei Amblystoma Jm wesentlichen art typisch (TwITTY und SCHwI~I) 1931). Aus den Abbildungen dieser Autoren geht ]edoch hervor, dab ein an sieh unbedeutender, ~ber doch offensichtlich stati- stisch gesicherter EinfluB des Wirtes auf die GrSge imp]antierter Augen sich bemerkbar macht . TwITTY und SCHWI~D diskutieren Unter- suehungen anderer Autoren, welehe bei art typisch autonomer Entwick- lung yon Organen ebenfalls einen Einflug des Wirtes auf das Implan ta t feststellen konnten. Man kann sieh nun fragen, ob auch das Implan ta t auf den Wirt wirken kann. Dieses Problem stellt sieh besonders, weft wir fanden (ZELLEtr 1962), dab die Amputat ion yon Zehen bei jungen Froschlarven das Wachstum der entsprechenden, gegeniiberliegenden Zehe hemmen kann. Es wird deshMb in der vor]iegenden Arbeit gepriift, ob ein heteroplastisches Transplantat der Vorderbeinanlage bei Triton die Wirtsextremitat beeinfluBt. Ira Amputationsversuch wurde die Wachstumshemmung auf friihen Stadien der FuBentwieklung beobach- tot. Aus diesem Grund beschr~nken sieh diese Untersuchungen ebenfalls auf friihe Stadien.

Material und Hethode

Zwischen Schwanzknospenstadien (Stadium 20--21 nach GLA~S~R 1925) yon Triton alpestris einersei~s und Triton taeniatus andererseits wurden die vorderen, rechtsseitigen Extremitgtenregionen reziprok vertauseht. Die Transplantationen wurden in I-Ioltfreter-LSsung mit Elkosinzusatz (1:500) ausgeffihrt, nachdem die alpestris-Keime mit Nilblausulfat angefgrbt worden waren, so dab eine spgtere Kontrolle der Tr~nsplantate mSglich ist. Die Keime wurden dann in frischer Itol~freter-L6sung (mit Elkosin und Penicillinzusatz) bei 18 ~ C aufgezogen. Gleich- alterige Kontrollkeime beider Arten wurden in Gruppen yon etw~ zehn Keimen bei gleicher Tempera~ur in Brunnenwasser aufgezogen. Da nur junge Larven zur Untersuchung kamen, wurde, um m6glichst uniforme Bedingungen zu schaffen, nicht gefiittert.

I-Ieteroplastisches Transplantat und Wirt 665

Kurz vor und wghrend des Auswaehsens des IV. Fingers (Stadium 42--75 naeh GLAESNEt~ 1925) wurden die Larven in Bouin fixiert. Als Grundlage ffir den Vergleieh der verschiedenen Extremitgten dienen die Fh~gerlgngen. Sie

wurden an I-Iand yon Zeiehnungen T~belle 1. Regressionskoe//izienten der

relativen Liingen des I I . Fingers

a-Kontrolle -- 0,41501 =L0,01982 }

a [~] -- 0,17087 :k 0,01336* ] t [~] -- 0,12947 ~ 0,04656 a It] -- 0,12189 -~:0,04665 t It] -- 0,08336 ~= 0,05188 t-Kontro]le -- 0,07721 ~= 0,03640*

a = Tr i ton alpestris; t = Tr i ton taeni- atus; a [a] = alpestr is-H~nd des alpestris- Wirtes; a It] = alpestr is- t Iand am taeni- a tus-Wir t .

Die Klammern hinter den Regressions- koeffizienten fassen die untereinander statistisch nieht verschiedenen Koeffi- zienten zusammen.

* a [a]- und t-Kontrollen sind bei einer Sieherheitsgrenze yon 5% knapp gesiehert versehieden.

nach Projektionen fixierter Extremi- tgten gemessen. Die 5Iel3streeken sind in Abb. 1 eingezeiehnet.

Y

2r

Abb. 1. Umrisse einer Extremi~it mit eingezeichneten 5~eBstreckcn.

Ergebnisse In Abb. 2 sind die Resultate der Messungen graphisch zusammen-

gestellt. Auf der Abszisse ist die Summe der Lgngen aller vier Finger (Tot~lfingerlgnge) aufgetragen, auf der Ordinate die entspreehenden prozentuMen Anteile der drei Finger I, II und III. Es zeigt sich, dug im untersuchten Ent~dcklungsabschnitt die prozentuMen Fingerlgngen linear yon der Totalfingerlgnge abhgngen, und zwar streuen die Einzel- werte recht wenig um die aus ihnen ermittelten l~egressionsgeraden. Diese Streuung ist erstaunlich gering, wenn man die Kleinheit der Objekte und die sich daraus ergebende MeBungen~uigkeit bedenkt. Die geringe Variabilitgt lgSt auf eine, in bezug auf die Totalfingerlgnge, fixierte Digerenzierungstendenz des Musters der Fingerproportionen sehliegen. Die Vergnderungen der Fingerproportionen bei den taeniatus- Kontrollen stimmen sehr gut mit den Messungen yon GLi2CKSO~N (1931) iiberein, obwohl diese Larven unter ganz anderen Bedingungen auf- gezogen wurden. Diese Tatsaehen lassen die Regressionen der relativen Fingerlgngen als ein stabiles Merkmal ffir Vergleiehe als sehr geeignet erscheinen.

A b b . 2 ze ig t die U n t e r s e h i e d e de r D i f f e r e n z i e r u n g der F i n g e r p r o - p o r t i o n e n der K o n t r o l l e n . Be i a l p e s t r i s n i m m t die r e l a t i v e F i n g e r l g n g e

des I I I . F inge r s , v o r a l l em au f K o s t e n des I I . , v ie l sehne l /e r zu als bei

t a e n i a t u s . Die d e u t l i e h e A b n a h m e de r r e l a t i v e n L g n g e des I I . F i n g e r s

666 Cm~s~oP~ Z n ~ :

ist bei den a l p e s t r i s - K o n t r o l l e n grSBer als bei allen anderen untersuchten Handen. Sie alle verhalten sich wie t a e n i a t u s , auch die wirtseigene a l p e s t r i s - t t a n d . In der Tabelle 1 sind die statistisehen Daten zusammen- gestellt. Damit manifestiert sieh eine deutliche Wirkung der t a e n i a t u s -

Hand auf die an derselben Larve waehsende a l p e s t r i s - H a n d .

czW(ontrollem

%

ol q I I I r I E8 go 7,2 l,q Z6 7,8~m 20

o o o o

b L I I I I I ~8 1,o Z2 Zq ZG' ,7# nz~ ~O

6"0 - g ~ ~ [t] 601

% - ~ %

gO - gO

- - ~ o o

gO - - ~O

o [ I q I I I I I 0,4 0,6 0,8 7,0 ~ l,q 7,g /on/ 7,3

- t(ontro/lem

_.LT o

I I I I I 1 g,# g,,8 7,o 7,2 7, ~ mfz 7,6

~ D D m o

_ h AO 0

0

I , I I I F 7,o 1,2 7,g 7,8 7,8 z~ ~,g

t [d

n u

.... I I I I I t go ZZ gz/ 7,6 7,8 mm 2,0

A b b . 2. R e g r e s s i o n e n t ier r e l a t i v e n F i n g e r l R n g e n d e s I . , I I . n n d I I I . F i n g e r s ( O r d i n a t e ) , b e z o g e n a u f d ie T o t a l f i n g e r l R n g e n = S u m m e d e r L ~ n g e n a l le r b e r e i t s e n t w i c k e l t e n F i n g e r (Absz i s se ) . a = Triton alpestris; t ~ Triton taeniatus; a [a] = aZpestris-ttand des alpestris- W i r t e s ; t [a] = taeniatus-Han4 des alpestris-Wirtes; a I t ] ~ alpestris-tIand des taeniatus-

~Vir tes ; t [ t] = taeniatus-Hand des taeniatus-Wirtes; A I . F i n g e r ; [] I I . F i n g e r ; o I I I . F i n g e r

Neben der Neigung der l~egressionsgeraden, die ein MaB fiir die relative Differenziernngsgesehwindigkeit des Fingermusters angibt, kann auch die relative L~nge der einzelnen Finger Ms Vergleiehsmag ver- wendet werden (vgl. Tabelle 2). Die Differenz der entspreehenden rela- tiven Fingerlgngen beider Seiten sind beim a l p e s t r i s - W i r t sehr klein und yon Null nieht signifikant versehieden. Beim t a e n i a t u s - W i r t ist

Heteroplastisches Transplantat und Wirt 667

Tabelle 2. Streuungszerlegung der relativen Li~ngen des III. Fingers

Summe der Abweichungs -

Art der Streuung quadrate [a] ] [t]

8,60 46,02

1157,91 132,69 167,55 61,13

[a] ~ alpestris-Wirt; [t] = taeniatus-Wirt.

Zwischen Implantats- und Wirts- finger . . . . . . . . . . .

Zwischen Fingern der verschiede- nen Larven . . . . . . . .

Rest . . . . . . . . . . . .

Freiheits- grade

[a]15151 I [t]551

Yarianz

[a] I [~]

8,6 46,0

77,2 26,5 ll,1 12,2

die relative Lgnge des III. taeniatus-Fingers signifikant grSl3er als jene des alpestris-Implantates, obwohl sieh die Totalfingerlgngen nicht unterscheiden.

Zusammenfassend ergibt sieh folgendes I~esultat: Eine taeniatus- Hand, gleichgiiltig ob sic implantiert wurde, oder ob sic zum Wirt gehSrt, prggt den Differenzierungsmodus der gegeniiberliegenden alpe- stris-Hand. A m taeniatua-Wirt ist die Differenzierungsgesehwindigkeit des alpestris-Implantats verzSgert.

Diskussion Kausale Zusammenh~nge zwisehen der Entwicklung yon Implantat

und Wirt werden dureh die beschriebenen Experimente nut aufgezeigt, nieht aber erkls So kann hier nur die Folge der gegenseitigen Beein- flussung der Extremits diskutiert werden und nicht ihre Ursachen.

In den beiden reziproken Transplantationen differenzieren sich Wirts- und Implantatsfinger naeh demselben (taeniatus-) Muster. In dem Fall, we das Imp]antat den Wirt beeinflussen kann (alpestris-Wirt), ergibt sieh eine enge Korrelation der relativen Differenzierungsgesehwin- digkeiten beider Seiten. Offenbar kommen hier Wechselwirkungen ins Spiel mit einer gegenseitigen Differenzierungsregulation als Folge. Im Falle des taeniatus-Wirtes liiftt sich nur die bekannte und erwartete Wirkung des Wirtes auf das Implantat feststellen, und die Differenzie- rungsregulation bleibt aus. Daft Wechselwirkungen im Sinne eines ,,Feedback" regulierend wirken k6nnen, ist eine bekannte Erscheinung in der Physiologic (vgl. z.B. WAGNE~ 1954).

Die sp/itere Entwicklung heteroplastischer Transplantate zeigt, daft die Extremits ihrer artspezifisehen Morphogenese weitgehend folgen (TwlTTu und Sc~wIxD 1931). Starker werdende artspezifisehe Ten- denzen werden dann woh] das Gleiehgewieht der frtiheren Weehsel- wirkungen zerstSren.

Es scheint durchaus denkbar, daft der Wechselwirkung sich dif- ferenzierender Organe grSftte Bedeutung ffir die harmonische Entwiek-

Wilhelm Roux' Arch. Entwickl.-Mech. Org., ]3d. 153 44

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lung des ganzen Organismus zukommt. Trotzdem, oder gerade well determinierte Organe sich selbstiindig di//erenzieren, kann eine gegenseitige Beein/lussung zur Regulation des ganzen Systems notwendig sein.

Unsere Experimente haben gezeigt, dab eine regulative Weehsel- wirkung nieht etwa auf direktem Kontak t der Organe beruhen muB, son- dern fiber eine weitere Distanz wirksam sein kann. Damit taucht wieder die Frage naeh den kausalen Zusammenhgngen auf. Wie bereits erw/~hnt, lassen sich diese Zusammenh/~nge hier nieht weiter analysieren. Immer- hin kSnnte die Vermutung ge/~uBert werden, da~ das sich entwiekelnde I~ervensystem als Vermittler dienen kSnnte (ZELL]~ 1962). Von diesem System erwartet man eine genaue Korrelation mit der Peripherie, die w~hrend der Entwieklung einreguliert werden mull. Die Einregulierung dureh eine Weehselwirkung zwischen Extremit/iten und I~ervensystem k6nnte gleichzeitig auch die Entwicklung der Extremit/~ten unterein- ander korrelieren. Wie das geschehen kSnnte, bleibe dahingestellt. Der Zweek unserer Experimente war lediglieh, nach gegenseitiger Beein- flussung der Extremit/itendifferenzierung zu suchen.

Zusammenfassung 1. Vorderbeinanlagen yon Triton alpestris und Triton taeniatus

wurden gegenseitig ausgetauscht und die Fingerls bei Wirt und Implantat w/ihrend der Ausdifferenzierung der Hand gemessen.

2. Es konnten Wechselwirkungen zwischen Wirt und Implantat in bezug auf Differenzierungsmodus und relative Differenzierungsgeschwin- digkeit naehgewiesen werden.

3. Die Bedeutung der Weehselwirkung zwischen den Extremitiiten fiir die Regulation der Differenzierung wird diskutiert.

Literatur GLAESNER, L.: Normentafel zur Entwicklungsgeschiehte des gemeinen Wasser-

molches (Molge vulgaris). Jena: Gustav Fischer 1925. GL/)CKSO~N, S. : Aul]ere Entwieklung der Extremit~ten und Stadieneinteilung der

Larvenperiode yon Triton taeniatus LEYD. und Triton cristatus LAv~. Arch. Entwiekl.-Mech. Org. 125, 341--405 (1931).

TWIT~u V. C., and J. L. ScurrieD: The growth of eyes and limbs transplanted heteroplastically between two species of Amblystoma. J. exp. Zool. 59, 61--86 (1931).

WAG~E~, R. : Probleme und Beispiele biologischer Regelung. Stuttgart: Georg Thieme 1954.

ZELL~, C~. : Ph~l~ngenwachstum in intakten Extremit~ten nach Amputation auf der Gegenseite. Arch. Entwickl.-Meeh. Org. 158~ 486--491 (1962).

Dr. CtIRISTOPH ZELLER, Zoologisch-vergleichend anatomisches Institut der Universit~t Ziirich (Schweiz)