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Rechtswissenschaftliches Institut

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Weiterbildungskurs: Gesetzesartikel formulieren Textlinguistische Methoden in der Erlassredaktion

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Organisatorisches

Trägerschaft

Zürcher Kompetenzzentrum Linguistik Universität Zürich

Dozent

Dr. Stefan Höfler

Zentrum für Rechtsetzungslehre Rechtswissenschaftliches Institut Universität Zürich

E-Mail: [email protected]

Unterlagen

Die Kurs-Unterlagen können im Internet heruntergeladen werden unter: http://www.rwi.uzh.ch/zfr > Weiterbildung > Archiv > Kurse

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Ziel und Inhalte

Ziel

Die Teilnehmenden sollen textlinguistische Methoden kennenlernen, die sie befähigen, die Verständlichkeit von Erlassentwürfen zu verbessern.

Inhalte

–  Einführung in ausgewählte Methoden der linguistischen Textanalyse

–  Anwendung der Methoden auf typische Probleme der Erlassredaktion

–  Formulierungstechniken für redaktionelle Einzelfragen

–  Diskussion von Redaktionsbeispielen aus der Praxis

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Programm

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09:15 – 09:45 Einführung

09:45 – 10:30 Makrostrukturen der Erlassredaktion: Text-Aufbau

Kaffeepause

11:00 – 12:30 Mikrostrukturen der Erlassredaktion: Artikel-Aufbau

Mittagessen

13:45 – 15:15 Satz-Aufbau

Kaffeepause

15:45 – 16:30 Verweise und Bezüge 16:30 – 17:00 Zusammenfassung

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Einführung: Verständlichkeit

1.  Motivation

Wer profitiert von verständlich(er)en Erlasstexten?

2.  Faktoren

Welche Faktoren beeinflussen die Textverständlichkeit?

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Motivation: Demokratieprinzip

Wer über Gesetze zu entscheiden hat, muss sie verstehen, um sinnvoll entscheiden zu können.

«Mündige Rechtssubjekte» sollten zumindest am Wortlaut (kritisch) kontrollierend nachvollziehen können, was eine bestimmte Passage rechtlich implizieren könnte.

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Quellen Lötscher, Andreas (1995): Der Stellenwert der Verständlichkeit in einer Hierarchie der kommunikativen Werte von Gesetzen,

Bulletin suisse de linguistique appliquée 62, S. 110. Eichhoff-Cryus, Karin M. / Antos, Gerd, Hrsg. (2008): Verständlichkeit als Bürgerrecht? Die Rechts- und Verwaltungssprache in

der öffentlichen Diskussion, Mannheim: Duden, S. 7.

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Motivation: Legalitätsprinzip

Staatliches Handeln muss gesetzmässig sein, und das kann es nur, wenn die Gesetze hinlänglich klar und bestimmt sind.

Klarheit des Gesetzes erleichtert den Verwaltungs- oder Justizbehörden eine rechtsgleiche und willkürfreie Handhabung des Rechts.

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Quellen Nussbaumer, Markus (2008): Der Verständlichkeit eine Anwältin! Die Redaktionskommission der schweizerischen

Bundesverwaltung und ihre Arbeit an der Gesetzessprache, in: Eichhoff-Cyrus/Antos, S. 305. Müller, Jörg Paul (2014): Gute Gesetzgebung in der Demokratie – Chancen und Klippen, in: Griffel, Alain (Hrsg.), Vom Wert

einer guten Gesetzgebung, Bern: Stämpfli 2014, S. 81.

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Motivation: Ökonomieprinzip

Klarheit des Gesetzes [...] verhindert eine unnötige Beschwerdelast bei den Rechtsmittelinstanzen. Diesem Aspekt kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz des Verwaltungshandelns bzw. der Justiz Bedeutung zu.

Das Problem liegt darin, dass unverständliches Gesetzesdeutsch hohen Aufwand und damit hohe Kosten verursacht [...]. Bürger und Unternehmen, aber auch Verwaltungen müssen unnötig Zeit investieren, um Gesetzestexte zu verstehen.

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Quellen Müller, Jörg Paul (2014): Gute Gesetzgebung in der Demokratie – Chancen und Klippen, in: Griffel, Alain (Hrsg.), Vom Wert

einer guten Gesetzgebung, Bern: Stämpfli 2014, S. 81. Schröder, Ole / Würdemann, Christian (2008): Rechtstexte verständlich formulieren: Implementierung einer Sprachanalyse im

Gesetzgebungsverfahren, in: Eichhoff-Cyrus/Antos, S. 326 f.

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Wer profitiert von verständlich(er)en Erlassen?

1.  Demokratieprinzip: → die Entscheidungsträger

2.  Legalitätsprinzip: → die Rechtsunterworfenen

3.  Ökonomieprinzip: → die Rechtsanwender

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→ die Autoren

Verständlichkeit ist das Schmieröl im Getriebe des Rechts.

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Faktoren: text-extern

Art. 7 SpG Verständlichkeit 1 Die Bundesbehörden bemühen sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache […].

Verständlichkeit heisst…

… einen Text so zu gestalten, dass die Adressaten die Sache möglichst leicht erkennen können:

keine Vereinfachung der Sache, aber eine klare Darstellung!

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Text Sache Adressat

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Faktoren: text-intern

Beispiel (SMS)

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Deine Cousine hat gestern ein Mädchen zur Welt gebracht. Das Rauschen in der Telefonleitung hat aufgehört.

Die Tochter des Bruders deiner Mutter (deine Base) hat am Tag vor dem heutigen einem weiblichen Kind das Leben geschenkt. Die Interferenzen in der Leitung, die zu meinem Telefon führt, sind zu einem Ende gekommen.

Ich muss dir zwei Dinge berichten: 1. Deine Cousine hat gestern ein Mädchen zur Welt gebracht. 2. Das Rauschen in der Telefonleitung, von dem ich dir

neulich erzählt habe, hat aufgehört.

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Faktoren: text-intern

1.  Lexikalische Ebene → geläufige, anschauliche Wörter

2. Syntaktische Ebene → einfacher, übersichtlicher Satzbau

3. Textuelle Ebene → kohärente und transparente Inhaltsorganisation

4. Situationelle Ebene → adressatengerechte Vorwissensaktivierung

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Literatur Christmann, Ursula (2008): Rhetorisch-stilistische Aspekte moderner Verstehens- und Verständlichkeitsforschung, in: Fix, Ulla / Gardt, Andreas / Knape, Joachim (Hrsg.): Rhetorik und Stilistik. (HSK 16.1). Berlin: de Gruyter, 1092–1106.

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TEXT-AUFBAU Makrostrukturen der Erlassredaktion:

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Inhalt

1.  Inhaltsorganisation

Wie organisiere ich die Inhalte des Textes?

→ Thema-Entfaltung und Sequenzierung

2.  Leserführung

Wie mache ich die inhaltliche Organisation sichtbar?

→ Titel, Advance Organizers, Überschriften, Marginalien

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Thema-Entfaltung

Unter dem Begriff «Thema-Entfaltung» versteht man die Art und Weise, wie ein Text ein Thema einführt und schrittweise weiterentwickelt.

Es geht darum:

1.  das Thema in sinnvolle Teilthemen zu unterteilen

2.  die Teilthemen in eine sinnvolle Abfolge zu bringen (Sequenzierung)

Inkrementalität

Dabei soll jeder Schritt nur das voraussetzen, was bereits bekannt ist.

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Vorwärts-Verweise sind ein Signal dafür, dass dieses Prinzip verletzt wurde.

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Sequenzierung

Natürlichkeitsprinzip

Die Text-Gliederung soll die tatsächliche Beschaffenheit des Gegenstands abbilden und keine künstlichen Kategorien schaffen.

Was in der Realität zusammengehört, soll auch im Text zusammen sein.

Beispiele

–  Chronologische Anordnung Frühere Vorgänge vor späteren Vorgängen

–  Kausale Anordnung Voraussetzungen vor Folgen

–  Hierarchische Anordnung Übergeordnetes vor Untergeordnetem

–  Logische Anordnung Grundsatz vor Detail, Allgemeines vor Besonderem

Konventionen der Textsorte einhalten!

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Beispiel (vorher)

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

2. Kapitel: Zusammensetzung

1. Abschnitt: Kommission 2. Abschnitt: Kammern 3. Abschnitt: Präsidium

3. Kapitel: Aufgaben

1. Abschnitt: Kommission 2. Abschnitt: Kammern 3. Abschnitt: Präsidium

4. Kapitel: Sitzungen

1. Abschnitt: Kommission 2. Abschnitt: Kammern 3. Abschnitt: Präsidium

5. Kapitel: Schlussbestimmungen

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Beispiel (nachher)

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

2. Kapitel: Kommission

1. Abschnitt: Zusammensetzung 2. Abschnitt: Aufgaben 3. Abschnitt: Sitzungen

3. Kapitel: Kammern

1. Abschnitt: Zusammensetzung 2. Abschnitt: Aufgaben 3. Abschnitt: Sitzungen

4. Kapitel: Präsidium

1. Abschnitt: Zusammensetzung 2. Abschnitt: Aufgaben 3. Abschnitt: Sitzungen

5. Kapitel: Schlussbestimmungen

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Sequenzierung: Klammertechnik

Grundsatz

Bestimmungen, die für mehrere Gliederungseinheiten gelten, können in einem allgemeinen Teil zusammengefasst werden («Klammertechnik»).

Der allgemeine Teil kann vor oder nach den anderen Teilen stehen.

Vorbehalt

Das Ausklammern macht nur Sinn, wenn dadurch das Natürlichkeitsprinzip nicht zu stark verletzt wird:

d.h. wenn Zusammengehöriges nicht auseinandergerissen wird.

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Beispiel

Bereich A

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Allgemeines

Verfahren *

Bereich A

Voraussetzungen

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Strafbestimmungen

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Beispiel

Bereich A

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Bereich A

Voraussetzungen

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Strafbestimmungen

Verfahren

Verfahren *

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 21

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Beispiel

Bereich A

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Verfahren *

Strafbestimmungen

Voraussetzungen

Bereich A

Bereich B

Verfahren

Verfahren *

Strafbestimmungen

Bereich A

Bereich B

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Beispiel

Allgemeines

Voraussetzungen

Verfahren

Bereich A

Voraussetzungen

Verfahren

Strafbestimmungen

Bereich B

Voraussetzungen

Verfahren

Strafbestimmungen

Voraussetzungen

Allgemeines

Bereich A

Bereich B

Verfahren

Allgemeines

Bereich A

Bereich B

Strafbestimmungen

Bereich A

Bereich B

⟷ ?

?

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Inhalt

1.  Inhaltsorganisation

Wie organisiere ich die Inhalte des Textes?

→ Thema-Entfaltung und Sequenzierung

2.  Leserführung

Wie mache ich die inhaltliche Organisation sichtbar?

→ Titel, Advance Organizers, Überschriften, Marginalien

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Erlasstitel

Funktion

Der Erlasstitel gibt dem Leser einen ersten Hinweis darauf, um was für einen Text es sich handelt und worum es darin geht.

Regeln

Der Erlasstitel soll erkennbar machen:

–  die Form des Erlasses (d. h. seine Stellung in der Normenhierarchie)

–  den Gegenstand des Erlasses (d. h. das «Thema»)

Um das Zitieren des Erlasses zu erleichtern:

–  soll der Gegenstand möglichst knapp und prägnant benannt werden

–  kann wenn nötig ein Kurztitel oder eine Abkürzung eingeführt werden.

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Metatextuelle Elemente

Text-Elemente, die nicht über den Gegenstand sprechen, sondern über den Text als Text:

Am Anfang eines Erlasses:

–  Zweck

–  Gegenstand

–  Geltungsbereich

–  Begriffe

Am Ende eines Erlasses:

–  Änderungen anderer Erlasse

–  Übergangsbestimmungen

–  Inkrafttreten

sog. «Advance Organizers»: → Vorwissens-Aktivierung

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Zweck, Gegenstand, Geltungsbereich

Funktionen

Zweck

–  unterstützt die Auslegung des Textes (ratio legis)

Gegenstand

–  führt im Sinne der Leserführung in den Aufbau des Textes ein

Geltungsbereich

–  grenzt den Anwendungsbereich des Erlasses ein

Regel

Zweck-, Gegenstands- und Geltungsbereichsbestimmungen müssen sprachlich eindeutig als solche identifizierbar sein.

indirekt normativ

nicht normativ

direkt normativ

Nicht für versteckte materielle Regelungen zweckentfremden!

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Beispiel

Art. 1 Zweck, Gegenstand und Geltungsbereich 1 Mit dieser Verordnung soll eine Verschleppung der infektiösen Anämie von Equiden verhindert werden. 2 Die Verordnung regelt die Einfuhr und die Wiedereinfuhr von Equiden und deren Produkten aus Rumänien. 3 Sie gilt nicht für Equiden, die aus Betrieben ausserhalb Rumäniens stammen und die durch Rumänien ohne Unterbrechung auf Hauptverkehrs-strassen oder Autobahnen durchgeführt werden.

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Begriffsdefinitionen (Legaldefinitionen)

Funktionen

Begriffsdefinitionen dienen der:

–  Vereinfachung (Kurzschreibweisen für längere Ausdrücke)

–  Erklärung (bei unbekannten Fachtermini)

–  Bedeutungseinschränkung (bei mehrdeutigen oder vagen Begriffen)

Regeln

–  Nur Begriffe definieren, die im Erlass mehrmals vorkommen.

–  Nur Begriffe definieren, die sonst unklar oder missverständlich sind.

–  Keine materiellen Elemente in Begriffsdefinitionen «verstecken».

–  Keine Begriffsdefinitionen, die dem allgemeinen Sprachgebrauch zuwiderlaufen.

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Beispiel

Art. 2 Begriffe

In dieser Verordnung bedeutet:

a.  «Projektbeitrag»: eine Finanzhilfe an die Kosten für ein einmaliges, zeitlich und örtlich begrenztes Vorhaben;

b.  «Strukturbeitrag»: eine Finanzhilfe an die laufenden Betriebskosten eines Unternehmens, das regelmässig öffentliche Aufgaben erfüllt.

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Beispiel

Der Zutritt zum Damenbad ist nur Frauen gestattet.

Frau im Sinne dieser Badeordnung ist auch der Bademeister.

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Überschriften und Marginalien

1.  Leserführung

–  Überschriften und Marginalien dienen der Leserführung.

–  Sie sollen keine normative Funktion übernehmen.

–  Geltungsbereiche müssen (auch) direkt im Text genannt werden.

2.  Bezüge

–  Überschriften und Marginalien sollen die Frage angeben, die im Textteil beantwortet wird (sog. «Quaestio»).

–  Sie sind zueinander in Bezug zu setzen.

–  Sie sollen zeigen, was die Textteile verbindet und trennt.

–  Was inhaltlich gleich ist, soll auch sprachlich gleich formuliert sein.

Das gilt nicht nur für Überschriften!

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Beispiel (vorher)

2. Abschnitt: Kontrollen bei der Ein- und Durchfuhr Art. 36 Umfang der grenztierärztlichen Kontrollen bei der Einfuhr Die grenztierärztliche Kontrolle umfasst für jede Sendung:

[...]

Art. 37 Durchfuhrsendungen

Die grenztierärztliche Kontrolle umfasst für jede Sendung:

[...]

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Beispiel (nachher)

2. Abschnitt: Umfang der Kontrollen Art. 36 Einfuhr Bei der Einfuhr umfasst die grenztierärztliche Kontrolle für jede Sendung:

[...]

Art. 37 Durchfuhr

Bei der Durchfuhr umfasst die grenztierärztliche Kontrolle für jede Sendung:

[...]

Quaestio: Was ist der Umfang der Kontrollen...?

... bei der Einfuhr?

... bei der Durchfuhr?

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Zusammenfassung

1.  Inhaltsorganisation

Wie organisiere ich die Inhalte des Textes?

→ Thema-Entfaltung und Sequenzierung

2.  Leserführung

Wie mache ich die inhaltliche Organisation sichtbar?

→ Titel, Advance Organizers, Überschriften, Marginalien

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Auffindbarkeit von Normen (Beispiel)

1.  Allgemeine Bestimmungen 2.  Eidgenössisch Technische Hochschulen 3.  Forschungsanstalten

4. Kapitel: Organisation

2. Abschnitt: Eidgenössisch Technische Hochschulen

Art. 28 Schulleitung 1–6 ... 7 Die Absätze 1–6 gelten sinngemäss für die Mitglieder der Direktionen der Forschungsanstalten.

3. Abschnitt: Forschungsanstalten

Art. 32a Direktion

Für die Mitglieder der Direktion gilt Artikel 28 Absätze 1–6 über die Schulleitungen sinngemäss.

Besser

Versteckte Norm!

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ARTIKEL-AUFBAU Mikrostrukturen der Erlassredaktion:

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Iris Murdoch (1919–1999)

irische Philosophin und Schriftstellerin

The paragraph is a great form of art. I’m very interested in paragraphs and I write paragraphs very, very carefully.

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Stellung des Artikels (bzw. Paragrafen)

Artikel (bzw. Paragrafen) sind die zentralen Textbausteine von Erlassen.

Formal

–  Sie sind als einzige Gliederungseinheit durchgehend nummeriert.

–  Jeder Erlass hat mindestens einen Artikel.

Funktional

–  Der Artikel ist das textuelle Gefäss für die einzelne Norm.

–  Ein Artikel soll nicht mehr als eine Norm umfassen.

→ In seiner Grundform besteht der Artikel aus einem einzelnen Rechtssatz.

8. März 2016 Seite 38 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiele

Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen

Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.

Art. 190 Massgebendes Recht

Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwenden Behörden massgebend.

8. März 2016 Seite 39 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

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Beispiel

Art. 9 Waisen 1 Die Kinder verstorbener Magistratspersonen haben Anspruch auf eine Waisenrente. 2 Als Kinder gelten auch Pflege- und Stiefkinder, für deren Unterhalt die verstorbene Magistratsperson vorwiegend aufgekommen ist.

8. März 2016 Seite 40 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Verordnung der Bundesversammlung vom 6. Oktober 1989 über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen (SR 172.121.1)

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Beispiel

Art. 19 Versammlungsfreiheit 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.

Art. 19 Versammlungsfreiheit 1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat insbesondere das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben

8. März 2016 Seite 41 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

?

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Beispiel

Art. 19 1 Vorsätzliche oder fahrlässige Amtspflichtverletzungen der auf den Zivilstandsämtern tätigen Personen werden von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Disziplinarmassnahmen geahndet. 2 Die Disziplinarmassnahme besteht in einem Verweis, in Busse bis zu 1000 Franken oder, in schweren Fällen, in Amtsenthebung. 3 Vorbehalten bleibt die strafrechtliche Verfolgung.

8. März 2016 Seite 42 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)

III. Disziplinar- massnahmen

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Rhetorische Relationen

Die Textlinguistik bezeichnet als «rhetorische Relation»:

die inhaltliche Beziehung (z.B. Präzisierung, Vorbehalt, Ausnahme) zwischen zwei aufeinanderfolgenden Aussagen (oder Aussage-Gruppen).

Rhetorische Relationen können

–  implizit vorhanden sein oder

–  explizit signalisiert werden durch sog. Relationshinweise (z.B. deshalb, aber).

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Rhetorische Relationen in Erlasstexten

In Erlasstexten besonders häufige Relationen:

–  Einschränkung (Ausnahme, Vorbehalt)

–  Präzisierung (Begriffsdefinition)

–  Ausführung (Konkretisierung)

–  Beispiel

–  Spezialfall

–  Auffangregel

In Erlasstexten unerwünschte Relationen:

–  Begründung

–  Erklärung

–  Hintergrundinformation

–  ...

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Beispiel (Einschränkung)

Art. 118 Herkunft der Versuchstiere 1 Tiere, die für Tierversuche bestimmt sind, müssen aus einer bewilligten Versuchstierhaltung oder einer gleichwertigen ausländischen Versuchstierhaltung stammen. 2 Haustiere dürfen in Tierversuchen eingesetzt werden, auch wenn sie nicht aus bewilligten Versuchstierhaltungen oder gleichwertigen ausländischen Versuchstierhaltungen stammen. Ausgenommen sind Hunde, Katzen und Kaninchen.

[...]

8. März 2016 Seite 45 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (SR 455.1)

Relationshinweise auch wenn nicht, ausgenommen sind, ...

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Beispiel (Einschränkung)

1 Ein Produkt gilt als wirtschaftlich, wenn seine Herstellungskosten höchstens 90 Prozent des voraussichtlichen Verkaufspreises ausmachen. 2 Ausgenommen sind Produkte, deren voraussichtlicher Verkaufspreis nicht bestimmbar ist.

Frage

Gelten Produkte nach Absatz 2 als wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich?

8. März 2016 Seite 46 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (Einschränkung)

Art. 12 Inkrafttreten 1 Dieses Reglement tritt mit Ausnahme von Absatz 2 am 1. Dezember 2004 in Kraft. 2 Artikel 4 tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.

Richtig: 1 Dieses Reglement tritt unter Vorbehalt von Absatz 2 am 1. Dezember 2004 in Kraft. 2 Artikel 4 Absatz 1 tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.

oder: 1 Dieses Reglement tritt mit Ausnahme von Artikel 4 am 1. Dezember 2004 in Kraft. 2 Artikel 4 tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.

8. März 2016 Seite 47 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (Präzisierung)

Art. 9 Waisen 1 Die Kinder verstorbener Magistratspersonen haben Anspruch auf eine Waisenrente. 2 Als Kinder gelten auch Pflege- und Stiefkinder, für deren Unterhalt die verstorbene Magistratsperson vorwiegend aufgekommen ist.

8. März 2016 Seite 48 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Verordnung der Bundesversammlung vom 6. Oktober 1989 über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen (SR 172.121.1)

Relationshinweise als X gilt (auch) ..., X umfasst ..., X ist ...

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Beispiel (Konkretisierung)

8. März 2016 Seite 49 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (SR 321.0)

Art. 189

[...] 5 Bei Nichtbezahlung werden Disziplinarbussen in Arrest umgewandelt. Dabei werden 100 Franken einem Tag Arrest gleichgesetzt.

Vollzug von Disziplinar- bussen

Relationshinweise dabei

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Beispiel (Konkretisierung)

Art. 3 Abgrenzung der Objekte 1 Die Kantone legen den genauen Grenzverlauf der Objekte fest und scheiden ökologisch ausreichende Pufferzonen aus. Sie hören dabei die Grundeigentümer und Bewirtschafter, wie Land- und Forstwirte sowie Inhaber von Konzessionen und Bewilligungen für Bauten und Anlagen, an.

[...]

8. März 2016 Seite 50 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Flachmoorverordnung vom 7. September 1994 (SR 451.33)

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Beispiel (Beispiel)

Art. 25 Vermögensvertrag 1 Die beiden Partnerinnen oder Partner können in einem Vermögensvertrag eine besondere Regelung vereinbaren für den Fall, dass die eingetragene Partnerschaft aufgelöst wird. Namentlich können sie vereinbaren, dass das Vermögen gemäss den Bestimmungen über die Errungenschaftsbeteiligung (Art. 196–219 Zivilgesetzbuch, ZGB) geteilt wird.

[...]

8. März 2016 Seite 51 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 2004 (SR 211.231)

Relationshinweise namentlich, insbesondere, ...

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Beispiel (Spezialfall)

8. März 2016 Seite 52 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 (SR 172.021)

Art. 21a 1 Eingaben können der Behörde elektronisch, unter Benützung des vom Bundesrat vorgeschriebenen Formats, übermittelt werden. 2 Die ganze Sendung ist von der Partei oder ihrem Vertreter mit einer anerkannten Signatur zu versehen; wo das Bundesrecht es verlangt, sind zudem einzelne Dokumente auf die gleiche Art zu unterzeichnen.

[...]

2. Bei elektronischer Zustellung

Relationshinweise ausserdem, zudem, zusätzlich, ...

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Beispiel (Auffangregel)

Art. 168 Wahlen 1 Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler, die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie den General. 2 Das Gesetz kann die Bundesversammlung ermächtigen, weitere Wahlen vorzunehmen oder zu bestätigen.

8. März 2016 Seite 53 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

Relationshinweise weitere, übrige ...

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Artikel-Aufbau: rhetorische Struktur

1.  Der Artikel ist das textuelle Gefäss für die einzelne Norm.

2.  Der erste Satz ist zentral: Er enthält den Grundsatz der Norm.

3.  Die weiteren Sätze enthalten dazu:

Konkretisierungen, Präzisierungen, Beispiele, Spezialfälle, Ausnahmen, Vorbehalte...

4.  Der letzte Satz enthält oft eine Auffangregel, eine Delegationsnorm oder einen Vorbehalt.

8. März 2016 Seite 54 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

sog. Themasatz

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Artikel-Aufbau: formale Struktur

5.  Die formale Gliederung des Artikels in Absätze und Sätze soll die inhaltlichen Zusammenhänge sichtbar machen («Transparenz»).

6.  Wenn die inhaltliche Beziehung zwischen zwei Sätzen nicht klar ist, diese mit einem Konnektor sichtbar machen!

7.  Keine grammatikalischen Bezüge über den Artikel hinaus!

8.  Faustregeln nach Eugen Huber:

–  Pro Artikel höchstens drei Absätze.

–  Pro Absatz nur ein Satz.

–  Pro Satz nur eine Aussage.

8. März 2016 Seite 55 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Eugen Huber (1849–1923) Autor des Zivilgesetzbuches

→ bessere Leserführung, Änderungen

einfacher

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Beispiel (vorher)

Art. 1 Oberste Recht sprechende Behörde 1 Das Bundesgericht ist die oberste Recht sprechende Behörde des Bundes. 2 Es übt die Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts aus. 3 Es besteht aus 35–45 ordentlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen. 4 Es besteht ausserdem aus nebenamtlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen; deren Zahl beträgt höchstens zwei Drittel der Zahl der ordentlichen Richter und Richterinnen. 5 Die Bundesversammlung legt die Zahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung fest.

8. März 2016 Seite 56 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (SR 173.110)

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Beispiel (nachher)

Art. 1 Stellung 1 Das Bundesgericht ist die oberste Recht sprechende Behörde des Bundes. 2 Es übt die Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts aus.

Art. 2 Zusammensetzung 1 Das Bundesgericht besteht aus 35–45 ordentlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen. 2 Es besteht ausserdem aus nebenamtlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen; deren Zahl beträgt höchstens zwei Drittel der Zahl der ordentlichen Richter und Richterinnen. 3 Die Bundesversammlung legt die Zahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung fest.

8. März 2016 Seite 57 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (vorher)

Art. 71 Beratungsgegenstände

Beratungsgegenstände der Bundesversammlung sind namentlich:

a.  Entwürfe ihrer Kommissionen oder des Bundesrates zu Erlassen;

b.  parlamentarische Initiativen und Vorstösse ihrer Mitglieder, Fraktionen und Kommissionen sowie Standesinitiativen;

c.  Berichte ihrer Kommissionen oder des Bundesrates;

d.  Vorschläge für Wahlen und für die Bestätigung von Wahlen;

e.  Anträge ihrer Mitglieder, Fraktionen, Kommissionen oder des Bundesrates zum Verfahren;

f.  Erklärungen der Räte oder des Bundesrates;

g.  Petitionen und Eingaben;

h.  Beschwerden, Gesuche und Einsprachen.

8. März 2016 Seite 58 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10)

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Beispiel (nachher)

Art. 71 Beratungsgegenstände 1 Beratungsgegenstände der Bundesversammlung sind:

a.  Entwürfe ihrer Kommissionen oder des Bundesrates zu Erlassen;

b.  parlamentarische Initiativen und Vorstösse ihrer Mitglieder, Fraktionen und Kommissionen sowie Standesinitiativen;

c.  Berichte ihrer Kommissionen oder des Bundesrates;

d.  Vorschläge für Wahlen und für die Bestätigung von Wahlen;

e.  Anträge ihrer Mitglieder, Fraktionen, Kommissionen oder des Bundesrates zum Verfahren;

f.  Erklärungen der Räte oder des Bundesrates;

g.  Petitionen und Eingaben;

h.  Beschwerden, Gesuche und Einsprachen. 2 Die Geschäftsreglemente können weitere Beratungsgegenstände vorsehen.

8. März 2016 Seite 59 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (vorher)

8. März 2016 Seite 60 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Art. 23

Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.

Art. 24 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:

a.  wenn der Irrende einen anderen Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;

[...]

F. Mängel des Vertrags- abschlusses I. Irrtum 1. Wirkung

Quelle Obligationenrecht vom 30. März 1911 (SR 220)

2. Fälle des Irrtums

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Beispiel (nachher)

8. März 2016 Seite 61 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Art. 23 1 Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. 2 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:

a.  wenn der Irrende einen anderen Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;

[...]

F. Mängel des Vertrags- abschlusses I. Irrtum

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Beispiel (vorher)

Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. 2 Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. 3 Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten.

8. März 2016 Seite 62 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

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Beispiel (nachher)

Art. 10 Recht auf Leben 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. 2 Die Todesstrafe ist verboten.

Art. 11 Recht auf persönliche Freiheit 1 Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. 2 Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten.

8. März 2016 Seite 63 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (vorher)

Art. 112b Förderung der Eingliederung Invalider 1 Der Bund fördert die Eingliederung Invalider durch die Ausrichtung von Geld- und Sachleistungen. Zu diesem Zweck kann er Mittel der Invalidenversicherung verwenden. 2 Die Kantone fördern die Eingliederung Invalider, insbesondere durch Beiträge an den Bau und den Betrieb von Institutionen, die dem Wohnen und dem Arbeiten dienen. 3 Das Gesetz legt die Ziele der Eingliederung und die Grundsätze und Kriterien fest.

8. März 2016 Seite 64 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

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Beispiel (nachher)

Art. 112b Förderung der Eingliederung Invalider

[ 1 Bund und Kantone fördern die Eingliederung Invalider. ] 2 Der Bund fördert die Eingliederung Invalider durch die Ausrichtung von Geld- und Sachleistungen. Zu diesem Zweck kann er Mittel der Invalidenversicherung verwenden. 3 Die Kantone fördern die Eingliederung Invalider insbesondere durch Beiträge an den Bau und den Betrieb von Institutionen, die dem Wohnen und dem Arbeiten dienen. 4 Das Gesetz legt die Ziele der Eingliederung und die Grundsätze und Kriterien fest.

8. März 2016 Seite 65 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (vorher)

Art. 6 Unvereinbarkeit 1 Die Richter und Richterinnen dürfen weder der Bundesversammlung noch dem Bundesrat angehören und in keinem anderen Arbeitsverhältnis mit dem Bund stehen. 2 Sie dürfen weder eine Tätigkeit ausüben, welche die Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit oder das Ansehen des Gerichts beeinträchtigt, noch berufsmässig Dritte vor dem Bundesgericht vertreten. 3 Sie dürfen keine amtliche Funktion für einen ausländischen Staat ausüben und keine Titel oder Orden ausländischer Behörden annehmen. 4 Die ordentlichen Richter und Richterinnen dürfen kein Amt eines Kantons bekleiden und keine andere Erwerbstätigkeit ausüben. Sie dürfen auch nicht als Mitglied der Geschäftsleitung, der Verwaltung, der Aufsichtsstelle oder der Revisionsstelle eines wirtschaftlichen Unternehmens tätig sein.

8. März 2016 Seite 66 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (SR 173.110)

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Beispiel (nachher)

Art. 6 Unvereinbarkeit 1 Die Richter und Richterinnen dürfen nicht:

a.  der Bundesversammlung oder dem Bundesrat angehören oder in einem anderen Arbeitsverhältnis mit dem Bund stehen;

b.  eine Tätigkeit ausüben, welche die Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit oder das Ansehen des Gerichts beeinträchtigt, oder berufsmässig Dritte vor dem Bundesgericht vertreten;

c.  eine amtliche Funktion für einen ausländischen Staat ausüben oder Titel oder Orden ausländischer Behörden annehmen.

2 Die ordentlichen Richter und Richterinnen dürfen zudem nicht:

a.  ein Amt eines Kantons bekleiden oder eine andere Erwerbstätigkeit ausüben;

b.  als Mitglied der Geschäftsleitung, der Verwaltung, der Aufsichtsstelle oder der Revisionsstelle eines wirtschaftlichen Unternehmens tätig sein.

8. März 2016 Seite 67 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Zusammenfassung (1)

1.  Der Artikel ist das textuelle Gefäss für die einzelne Norm.

2.  Der erste Satz ist zentral: Er enthält den Grundsatz der Norm.

3.  Die weiteren Sätze enthalten dazu:

Konkretisierungen, Präzisierungen, Beispiele, Spezialfälle, Ausnahmen, Vorbehalte...

4.  Der letzte Satz enthält oft eine Auffangregel, eine Delegationsnorm oder einen Vorbehalt.

8. März 2016 Seite 68 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

sog. Themasatz

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Zusammenfassung (2)

5.  Die formale Gliederung des Artikels in Absätze und Sätze soll die inhaltlichen Zusammenhänge sichtbar machen («Transparenz»).

6.  Wenn die inhaltliche Beziehung zwischen zwei Sätzen nicht klar ist, diese mit einem Konnektor sichtbar machen!

7.  Keine grammatikalischen Bezüge über den Artikel hinaus!

8.  Faustregeln nach Eugen Huber:

–  Pro Artikel höchstens drei Absätze.

–  Pro Absatz nur ein Satz.

–  Pro Satz nur eine Aussage.

8. März 2016 Seite 69 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Eugen Huber (1849–1923) Autor des Zivilgesetzbuches

→ bessere Leserführung, Änderungen

einfacher

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SATZ-AUFBAU Mikrostrukturen der Erlassredaktion (Forts.):

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 70

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Inhalt

Aspekte der Satz-Verständlichkeit:

1.  Informationsdichte → nur eine Aussage pro Satz

2.  Transparenz → Normstruktur am Satzbau erkennbar

3.  Komplexität → einfacher, übersichtlicher Satzbau

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 71

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Informationsdichte

Ein Satz soll nur eine Aussage enthalten.

Sätze mit mehreren Aussagen können entstehen durch:

–  Satzreihen, zusammengezogene Sätze z. B. Der Rat tagt monatlich und [er] entscheidet über die Gesuche.

–  Schaltsätze z. B. Der Rat – seine Mitglieder werden gewählt – tagt monatlich.

–  weiterführende Nebensätze z. B. Der Rat tagt monatlich, wobei der Präsident die Sitzung leitet.

–  adverbiale Angaben z. B. Mit Ausnahme des Dezembers tagt der Rat monatlich.

–  nicht restriktive Attribute z. B. Der Rat, der monatlich tagt, entscheidet über die Gesuche.

–  Präsuppositionen (implizit vorausgesetzte Normen)

Zweck: –  Lesbarkeit –  Auffindbarkeit –  Zitierbarkeit –  Revidierbarkeit

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Beispiel (zusammengezogener Satz)

Das Grundstudium dient der Vermittlung der Grundlagen der Studienfächer und bildet die Voraussetzung für das Hauptstudium.

Besser: 1 Das Grundstudium dient der Vermittlung der Grundlagen der Studienfächer. 2 Es bildet die Voraussetzung für das Hauptstudium.

Quelle § 36 Abs. 1 der Universitätsordnung der Universität Zürich vom 4. Dezember 1998 (LS 415.111)

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Beispiel (Schaltsatz)

Das Amt:

a.  prüft Gesuche; diese sind zu begründen und schriftlich einzureichen;

b.  erteilt die Bewilligung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Besser: 1 Das Amt:

a.  prüft Gesuche;

b.  erteilt die Bewilligung, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. 2 Die Gesuche sind zu begründen und schriftlich einzureichen.

Quelle Regierungsrat des Kantons Zürich, Hrsg. (2005): Richtlinien der Rechtsetzung des Kantons Zürich. Zürich, Rz. 190.

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Beispiel (weiterführender Nebensatz)

Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.

Besser: 1 Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert. 2 Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bezahlen [dabei] mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Quelle Art. 113 Abs. 3 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101)

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Beispiel (adverbiale Angabe)

Vorbehältlich einer anderen Abmachung werden für die ausgezeichneten Filme die Preise je zur Hälfte an die Produktion und an die Regie ausbezahlt.

Besser: 1 Für die ausgezeichneten Filme werden die Preise je zur Hälfte an die Produktion und an die Regie ausbezahlt. 2 Anderslautende Abmachungen bleiben vorbehalten.

Quelle Art. 11 der Verordnung des EDI vom 10. Juni 1985 über den Schweizer Filmpreis (SR 443.116)

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 76

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Beispiel (adverbiale Angabe)

Der Bundesrat kann auf der Grundlage der voraussichtlichen Aufwendungen eine Pauschale festlegen.

Besser: 1 Der Bundesrat kann eine Pauschale festlegen. 2 Er stützt sich dabei auf die voraussichtlichen Aufwendungen.

Zum Vergleich (adverbiale Ergänzung):

Die Beiträge werden auf der Grundlage der anrechenbaren Gesamtprojektkosten bemessen.

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Beispiel (nicht restriktiver Relativsatz)

Auf Antrag des Fakultätsvorstands setzt die Universitätsleitung eine Berufungskommission ein, der mindestens zwei externe Expertinnen oder Experten angehören.

Besser: 1 Auf Antrag des Fakultätsvorstands setzt die Universitätsleitung eine Berufungskommission ein. 2 Der Berufungskommission müssen mindestens zwei externe Expertinnen oder Experten angehören.

Zum Vergleich (restriktiver Relativsatz):

In das Berufungsverfahren können auch Personen einbezogen werden, die sich nicht beworben haben.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 78

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Beispiel (nicht restriktives Attribut)

Gegen Schülerinnen und Schüler, deren Verhalten zu Beanstandungen Anlass gibt, können Lehrpersonen, die Schulleitung oder der Schulrat erzieherisch sinnvolle Disziplinarmassnahmen anordnen.

Besser: 1 Gegen Schülerinnen und Schüler, deren Verhalten zu Beanstandungen Anlass gibt, können Lehrpersonen, die Schulleitung oder der Schulrat Disziplinarmassnahmen anordnen. 2 Die Disziplinarmassnahmen müssen erzieherisch sinnvoll sein.

Quelle Art. 55 Abs. 1 Schulgesetz vom 21.03.2012 des Kantons Graubünden (BR 421.000)

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Präsuppositionen

Als Präsupposition bezeichnet man eine Aussage, die von einer anderen Aussage implizit vorausgesetzt wird.

Beispiel

Der König von Frankreich hat eine Glatze.

→ Setzt implizit voraus, dass es überhaupt einen König von Frankreich gibt.

Präsuppositions-Auslöser

–  der bestimmte Artikel, z. B. das Gesuch

–  Adverbien, z. B. insbesondere, nur, ...

–  Verben des Prüfens, z. B. prüfen, beurteilen, ...

–  das Partizip Perfekt, z. B. der beantragte Betrag ...

–  adverbiale Angaben der Art und Weise, z. B. schriftlich einzureichen

Eine implizite Norm liegt vor, wenn die vorausgesetzte Aussage nicht: –  explizit vorkommt oder –  selbstverständlich ist.

Problematisch sind implizite Normen, wenn sie Rechte oder Pflichten begründen!

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Beispiel

Die Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur erfolgt im Rahmen des Entwicklungsprogrammes des Bundes und gemäss den folgenden Zielen: [...].

Besser: 1 Die Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur hat folgende Ziele: [...]. 2 Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung in regelmässigen Abständen Programme zur Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur (Entwicklungsprogramme). 3 In den Entwicklungsprogrammen zeigt er auf, wie er die Ziele erreichen will.

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Beispiel

Die KTI beurteilt, ob eine Forschungsstätte nicht kommerziell ausgerichtet ist und ob sie beitragsberechtigt ist, nach den folgenden Kriterien: [...].

Besser: 1 Beitragsberechtigt sind Forschungsstätten, die nicht kommerziell ausgerichtet sind. 2 Dabei gelten die folgenden Kriterien: [...]. 3 Die KTI beurteilt, ob die Kriterien erfüllt sind.

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Inhalt

Aspekte der Satz-Verständlichkeit:

1.  Informationsdichte → nur eine Aussage pro Satz

2.  Transparenz → Normstruktur am Satzbau erkennbar

3.  Komplexität → einfacher, übersichtlicher Satzbau

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 83

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Transparenz

Der Satzbau soll die inhaltliche Struktur der Norm sichtbar machen (z. B. Tatbestand und Rechtsfolge, Geltungsbereich und Pflicht).

1.  Gruppierung Hat eine Norm mehrere Tatbestands- oder Rechtsfolge-Elemente, so sollen diese in einer Aufzählung gruppiert werden.

2.  Sprachlogik Persönliche/sachliche und situative Geltungsbereiche sollen sprachlogisch richtig dargestellt sein: mit Relativ- bzw. Konditionalsatz.

3.  Fokussierung Der Satzbau soll verdeutlichen, was bekannt und was neu ist:

Die neue Information (Fokus) gehört ans Satzende.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 84

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Beispiel (vorher)

Art. 37 Vorschüsse

Ist eine ausreichende Unterstützung von dritter Seite nicht rechtzeitig erhältlich, so können gegen Rückerstattungsverpflichtung oder Abtretung von Ansprüchen Vorschüsse auf wiederkehrende Leistungen gewährt werden.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 85

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Beispiel (nachher)

Art. 37 Vorschüsse

Vorschüsse auf wiederkehrende Leistungen können gewährt werden, wenn:

a.  eine ausreichende Unterstützung von dritter Seite nicht rechtzeitig erhältlich ist; und

b.  die betreffende Person sich verpflichtet, die Vorschüsse zurückzu-erstatten, oder Ansprüche an den Bund abtritt.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 86

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Transparenz

Der Satzbau soll die inhaltliche Struktur der Norm sichtbar machen (z. B. Tatbestand und Rechtsfolge, Geltungsbereich und Pflicht).

1.  Gruppierung Hat eine Norm mehrere Tatbestands- oder Rechtsfolge-Elemente, so sollen diese in einer Aufzählung gruppiert werden.

2.  Sprachlogik Persönliche/sachliche und situative Geltungsbereiche sollen sprachlogisch richtig dargestellt sein: mit Relativ- bzw. Konditionalsatz.

3.  Fokussierung Der Satzbau soll verdeutlichen, was bekannt und was neu ist:

Die neue Information (Fokus) gehört ans Satzende.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 87

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Beispiel

Vorgesetzte von Betrieben oder Unternehmen, in denen sich im Verkehr mit Sprengmitteln oder pyrotechnischen Gegenständen eine Explosion mit Personen- oder erheblichem Sachschaden ereignet, haben davon unverzüglich der Polizei Kenntnis zu geben.

Besser:

Ereignet sich in einem Betrieb oder Unternehmen im Verkehr mit Sprengmitteln oder pyrotechnischen Gegenständen eine Explosion mit Personen- oder erheblichem Sachschaden, so haben die Vorgesetzten unverzüglich die Polizei zu informieren.

Quelle Art. 30 Abs. 2 des Sprengstoffgesetzes vom 25. März 1977 (SR 941.41)

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 88

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Transparenz

Der Satzbau soll die inhaltliche Struktur der Norm sichtbar machen (z. B. Tatbestand und Rechtsfolge, Geltungsbereich und Pflicht).

1.  Gruppierung Hat eine Norm mehrere Tatbestands- oder Rechtsfolge-Elemente, so sollen diese in einer Aufzählung gruppiert werden.

2.  Sprachlogik Persönliche/sachliche und situative Geltungsbereiche sollen sprachlogisch richtig dargestellt sein: mit Relativ- bzw. Konditionalsatz.

3.  Fokussierung Der Satzbau soll verdeutlichen, was bekannt und was neu ist:

Die neue Information (Fokus) gehört ans Satzende. So wird klar, was der Satz überhaupt regeln will.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 89

Immer explizit an bereits Bekanntes anknüpfen!

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Beispiel (vorher)

Art. 19 Eintragung und Streichung im Stimmregister 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte ausüben wollen, melden dies ihrer Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung. [...]

Art. 5 Anmeldung für die Ausübung der politischen Rechte (Art. 19 Abs. 1 erster Satz ASG)

1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte ausüben wollen, melden dies entweder schriftlich oder durch persönliche Vorsprache der zuständigen Vertretung.

Quelle Art. 19 Abs. 1 des Auslandschweizergesetzes vom 26. September 2014 (SR 195.1) Art. 5 Abs. 1 der Auslandschweizerverordnung vom 7. Oktober 2015 (SR 195.11)

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 90

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Beispiel (nachher)

Art. 19 Eintragung und Streichung im Stimmregister 1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte ausüben wollen, melden dies ihrer Stimmgemeinde über die zuständige Vertretung. [...]

Art. 5 Anmeldung für die Ausübung der politischen Rechte (Art. 19 Abs. 1 erster Satz ASG)

1 Auslandschweizerinnen und -schweizer, die ihre politischen Rechte ausüben wollen, melden dies der zuständigen Vertretung entweder schriftlich oder durch persönliche Vorsprache.

Quelle Art. 19 Abs. 1 des Auslandschweizergesetzes vom 26. September 2014 (SR 195.1) Art. 5 Abs. 1 der Auslandschweizerverordnung vom 7. Oktober 2015 (SR 195.11)

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 91

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Inhalt

Aspekte der Satz-Verständlichkeit:

1.  Informationsdichte → nur eine Aussage pro Satz

2.  Transparenz → Normstruktur am Satzbau erkennbar

3.  Komplexität → einfacher, übersichtlicher Satzbau

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 92

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Komplexität: syntaktische Operationen (1)

Die Vollzugstelle legt die im Dienstbüchlein einzutragenden Daten fest.

1. Partizipialkonstruktion → Relativsatz:

Die Vollzugstelle legt die Daten, die im Dienstbüchlein einzutragen sind, fest.

2. Relativsatz auslagern:

Die Vollzugstelle legt die Daten fest, die im Dienstbüchlein einzutragen sind.

3. Nominalgruppe → Nebensatz:

Die Vollzugsstelle legt fest, welche Daten im Dienstbüchlein einzutragen sind.

Quelle Art. 58 Abs. 1 der Zivildienstverordnung vom 11. September 1996 (SR 824.01)

Je nach Kontext kann es auch angezeigt sein, die Operationen in der Gegen-richtung auszuführen!

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 93

So kann man der Satz Schritt für Schritt lesen.

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Komplexität: syntaktische Operationen (2)

Die syntaktische Komplexität eines Satzes lässt sich zudem mit den folgenden beiden Operationen verringern:

1.  Funktionsverbgefüge → einfaches Verb

z. B. in Abrede stellen → abstreiten

2.  Doppelte Negation → positive Formulierung

z. B. nicht verboten → erlaubt

Aber:

z. B. einen Anspruch geltend machen ≠ beanspruchen

z. B. nicht abstreiten ≠ zugeben

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 94

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Zusammenfassung

Aspekte der Satz-Verständlichkeit:

1.  Informationsdichte → nur eine Aussage pro Satz

2.  Transparenz → Normstruktur am Satzbau erkennbar

3.  Komplexität → einfacher, übersichtlicher Satzbau

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 95

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VERWEISE UND BEZÜGE Mikrostrukturen der Erlassredaktion (Forts.):

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 96

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Verweise

Beispiel

Die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 AuG müssen während des gesamten bewilligungsfreien Aufenthalts erfüllt sein.

Vorteile

–  fördern Einheitlichkeit der Regelungen

–  ersparen umfangreiche Wiederholungen

Nachteile

–  unterbrechen den Lesefluss

–  schaffen u. U. Verständnisprobleme, evtl. sogar Rechtsunsicherheiten

–  können bei Revisionen zu Fehlern führen

8. März 2016 Seite 97 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Leser müssen auf die metasprachliche Ebene wechseln und den Verweis «nachschlagen».

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Inhalt

Was ist aus Sicht der Verständlichkeit bei der Redaktion von Verweisen zu beachten?

1.  Zweckmässigkeit eines Verweises → Braucht es überhaupt einen Verweis?

2.  Erkennbarkeit des Bezugsobjekts → Ist erkennbar, worauf verwiesen wird?

3.  Verständlichkeit der Verweisnorm → Ist die Norm mit dem Verweis verständlich?

8. März 2016 Seite 98 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Zweckmässigkeit eines Verweises (1)

Verweistypen (aus redaktioneller Sicht)

–  normative vs. informative Verweise (rechtsetzungstechnische Sicht)

–  restriktive vs. nicht restriktive Verweise (linguistische Sicht)

Problem

Wie lassen sich restriktive von nicht restriktiven Verweisen unterscheiden?

Weglassprobe

–  Lässt man einen restriktiven Verweises weg: → Normgehalt verändert sich

–  Lässt man einen nicht restriktiven Verweises weg: → Normgehalt bleibt gleich

8. März 2016 Seite 99 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiele

Bei Entscheiden, die in einem Verfahren nach den Artikeln 7–129 getroffen werden, ist Stimmenthaltung nicht zulässig.

Die Entschädigung richtet sich nach Artikel 135 StPO.

Das Recht öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Vertreter in den Verwaltungsrat abzuordnen oder abzuberufen (Art. 762 OR), bleibt bestehen.

8. März 2016 Seite 100 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Zweckmässigkeit eines Verweises (2)

Grundsatz

Auf nicht restriktive, d. h. rein informative Verweise ist zu verzichten.

Ausnahmen

–  Kontextualisierungs-Verweise in Ausführungsverordnungen

–  Zitat-Nachweise bei Gesetzes-Wiederholungen in Verordnungen

Erstere sind erforderlich für eine richtige Auslegung der Norm,

Letztere schaffen Transparenz über die Stufe der Norm.

8. März 2016 Seite 101 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

sog. «Komfortverweise»

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Beispiel

Art. 23 Vorbeugende Massnahmen

Der Bund kann in besonderen Fällen Massnahmen treffen oder unterstützen, die geeignet sind, Auslandschweizerinnen und -schweizer vor drohender Bedürftigkeit zu schützen.

Art. 17 Vorbeugende Massnahmen (Art. 23 ASG)

1 Als vorbeugende Massnahmen gelten insbesondere:

a.  Aufklärung über besondere gesundheitliche oder andere Gefahren;

b.  Massnahmen zum Schutz von Familie und Kind;

c.  Hilfe zur Ausbildung Jugendlicher in einem geeigneten Beruf;

...

8. März 2016 Seite 102 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Der Verweis klärt, welche Gesetzesbestimmung konkretisiert wird. Er steuert so die Auslegung.

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Beispiel

Art. 4 Sitzungsteilnehmende 1 Neben den Mitgliedern der Kommission nehmen der Direktor oder die Direktorin sowie von ihm oder ihr bestimmtes Personal an den Sitzungen teil. 2 Der Preisüberwacher oder die Preisüberwacherin kann mit beratender Stimme teilnehmen (Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz PüG). Er oder sie kann sich auch schriftlich vernehmen oder vertreten lassen.

8. März 2016 Seite 103 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Der Verweis kennzeichnet den ersten Satz als blosses Zitat einer anderswo konstituierten Norm. Er schafft so Transparenz über die Normstufe der Bestimmung.

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Zweckmässigkeit eines Verweises (3)

Alternative

Auf bereits eingeführte Gegenstände kann man auch «ganz normal» mit sprachlichen Mitteln Bezug nehmen:

z. B. indem man einen bereits eingeführten Begriff wiederaufnimmt.

Regel

Eine Bezugnahme mittels Verweis ist nur erforderlich, wenn eine Bezugnahme mit rein sprachlichen Mitteln:

1.  nicht eindeutig wäre, oder

2.  umfangreiche Wiederholungen nötig machen würde.

8. März 2016 Seite 104 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel

Art. 16

Urteilsfähig im Sinne des Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu entscheiden.

Art. 94 1 Um die Ehe eingehen zu können, müssen die Brautleute das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und urteilsfähig sein.

...

8. März 2016 Seite 105 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

d. Urteils- fähigkeit

A. Ehefähigkeit

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Zitat

[Es] wurde angestrebt, dass jeder Artikel für sich allein verständlich oder doch lesbar sei. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Verweisungen so viel als möglich zu vermeiden. Und wo sie unumgänglich waren, sollten sie nicht durch Hinweis auf eine andere Artikelnummer erfolgen, sondern in einem deutlichen, den Inhalt der Verweisung angebenden Satze.

8. März 2016 Seite 106 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

Quelle Huber, Eugen (1914): Schweizerisches Zivilgesetzbuch: Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, 2. Aufl., Bern, S. 14 f.

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Beispiel (vorher)

Art. 26 Prüfungskommission 1 Die Prüfungskommission besteht aus: ...

Art. 28 Beurteilung der Doktorarbeit 1 Der Referent oder die Referentin sowie jeder Korreferent und jede Korreferentin erstellen je ein schriftliches Gutachten über die Doktorarbeit ...

Art. 28a Vertraulichkeit der Gutachten 1 Die Gutachten nach Artikel 28 Absatz 1 sind vertraulich. 2 Einsicht in die Gutachten haben:

a.  die Mitglieder der Prüfungskommission nach Artikel 26; ...

8. März 2016 Seite 107 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (nachher)

Art. 26 Prüfungskommission 1 Die Prüfungskommission besteht aus: ...

Art. 28 Beurteilung der Doktorarbeit 1 Der Referent oder die Referentin sowie jeder Korreferent und jede Korreferentin erstellen je ein schriftliches Gutachten über die Doktorarbeit ...

Art. 28a Vertraulichkeit der Gutachten 1 Die Gutachten über die Doktorarbeit sind vertraulich. 2 Einsicht in die Gutachten haben:

a.  die Mitglieder der Prüfungskommission; ...

8. März 2016 Seite 108 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Inhalt

Was ist aus Sicht der Verständlichkeit bei der Redaktion von Verweisen zu beachten?

1.  Zweckmässigkeit eines Verweises → Braucht es überhaupt einen Verweis?

2.  Erkennbarkeit des Bezugsobjekts → Ist erkennbar, worauf verwiesen wird?

3.  Verständlichkeit der Verweisnorm → Ist die Norm mit dem Verweis verständlich?

8. März 2016 Seite 109 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Erkennbarkeit des Bezugsobjekts Problem

Verweise, bei denen nicht klar ist, worauf verwiesen wird, führen zu Verständnisschwierigkeiten und evtl. sogar zu Rechtsunsicherheiten.

Regeln

1.  Möglichst normgenau («eng») verweisen.

2.  Das Bezugsobjekt im Verweis explizit wiederaufnehmen

(keine impliziten Zwischenschritte!).

3.  Keine Verweisketten bilden.

8. März 2016 Seite 110 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (vorher)

Hilfeleistungen nach Artikel 52 V-ASG sind von der Gebührenpflicht befreit.

Art. 52 Vermisste Personen 1 Die Hilfeleistungen für vermisste Personen können insbesondere umfassen:

a.  Beratung der Angehörigen;

b.  Aufklärung der Angehörigen darüber, dass [...];

c.  Abklärung, ob der Aufenthalt der gesuchten Person bekannt ist. 2 Das EDA leitet keine Ermittlungen. 3 Das Durchführen von Such- und Rettungsaktionen im Ausland liegt in der Kompetenz des Empfangsstaates. Der Bund beteiligt sich nur, wenn er vom Empfangsstaat angefragt wird oder dessen Einverständnis hat.

8. März 2016 Seite 111 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Beispiel (nachher)

Hilfeleistungen nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstaben a–c V-ASG sind von der Gebührenpflicht befreit.

Art. 52 Vermisste Personen 1 Die Hilfeleistungen für vermisste Personen können insbesondere umfassen:

a.  Beratung der Angehörigen;

b.  Aufklärung der Angehörigen darüber, dass [...];

c.  Abklärung, ob der Aufenthalt der gesuchten Person bekannt ist. 2 Das EDA leitet keine Ermittlungen. 3 Das Durchführen von Such- und Rettungsaktionen im Ausland liegt in der Kompetenz des Empfangsstaates. Der Bund beteiligt sich nur, wenn er vom Empfangsstaat angefragt wird oder dessen Einverständnis hat.

8. März 2016 Seite 112 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Wiederaufnahme

Explizite Wiederaufnahme

Referenzidentität (beide Ausdrücke bezeichnen dasselbe Objekt):

–  Repetition: das Bundesgericht ... das Bundesgericht

–  Hyperonym: das Bundesgericht ... das Gericht

–  Synonym: das Gericht ... das Tribunal

–  Paraphrase: das Bundesgericht ... die oberste rechtsprechende Behörde

–  ...

Implizite Wiederaufnahme

Kontiguität (zwischen den Ausdrücken besteht bloss eine inhaltliche Nähe):

–  logisch: der Anfang ... das Ende

–  ontologisch: der See ... das Ufer

–  kulturell: der Präsident ... die Wahl

–  ...

8. März 2016 Seite 113 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

In Erlasstexten gilt: Gleiches immer gleich bezeichnen!

Kognitiver Mehraufwand: Die Herstellung des Bezugs erfordert Hintergrundwissen!

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Beispiel (vorher)

Art. 18

Das BFE kann auf Antrag der Unternehmungen für genau bezeichnete Gebiete Projektierungszonen festlegen, um Grundstücke für künftige Starkstromanlagen freizuhalten.

Art. 19

Die Genehmigungsbehörde kann auf Antrag der Unternehmung Baulinien zur Sicherung von Starkstromanlagen oder zur Sicherstellung eines allfälligen Ausbaus oder einer Erneuerung festlegen.

Art. 20

Kommen Eigentumsbeschränkungen nach den Artikeln 18 und 19 einer Enteignung gleich, so sind sie voll zu entschädigen.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 114

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Beispiel (nachher)

Art. 18

Das BFE kann auf Antrag der Unternehmungen für genau bezeichnete Gebiete Projektierungszonen festlegen, um Grundstücke für künftige Starkstromanlagen freizuhalten.

Art. 19

Die Genehmigungsbehörde kann auf Antrag der Unternehmung Baulinien zur Sicherung von Starkstromanlagen oder zur Sicherstellung eines allfälligen Ausbaus oder einer Erneuerung festlegen.

Art. 20

Führt die Festlegung von Projektierungszonen oder Baulinien zu einer Eigentumsbeschränkung, die einer Enteignung gleichkommt, so ist diese voll zu entschädigen.

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 115

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Verweisketten

Grundsatz

Ein Verweis sollte in einem Schritt aufgelöst werden können.

Regel

Verweisketten (Verweise auf Bestimmungen, die ihrerseits wieder auf andere Bestimmungen weiterverweisen) sind zu vermeiden.

Grund

–  Verweisketten erschweren das Erschliessen des Bezugsobjekts.

–  Verweisketten können bei Revisionen leicht zu Fehlern führen.

8. März 2016 Seite 116 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Inhalt

Was ist aus Sicht der Verständlichkeit bei der Redaktion von Verweisen zu beachten?

1.  Zweckmässigkeit eines Verweises → Braucht es überhaupt einen Verweis?

2.  Erkennbarkeit des Bezugsobjekts → Ist erkennbar, worauf verwiesen wird?

3.  Verständlichkeit der Verweisnorm → Ist die Norm mit dem Verweis verständlich?

8. März 2016 Seite 117 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler

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Verständlichkeit der Verweisnorm

Die Norm, die den Verweis enthält, ist insbesondere dann verständlich, wenn auch ohne Konsultation der Bezugsnorm:

1.  der Gegenstand der Norm ersichtlich ist

(keine «nackten» Verweise!)

2.  die Anbindung des Verweises im Satz klar ist

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Beispiel (vorher)

Art. 93 Verfall 1 Die Gültigkeitsdauer der Gutschriften wird befristet. Artikel 48 Absätze 3 und 4 ist sinngemäss anwendbar.

Art. 48 Absichtserklärung

... 3 Die berechtigte Person kann vor Fristablauf schriftlich und begründet um Verlängerung der Frist ersuchen. Das Gesuch hat den Stand des Vorhabens zu beschreiben und nachzuweisen, dass das Projekt oder die Aufgabe innert der erstreckten Frist realisiert werden können. 4 Ist die Realisierung unwahrscheinlich oder können die Förderungsmittel nicht länger gebunden bleiben, so verweigert das BAK die Fristerstreckung.

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Beispiel (nachher)

Art. 93 Verfall 1 Die Gültigkeitsdauer der Gutschriften wird befristet. Artikel 48 Absätze 3 und 4 über Verlängerungen ist sinngemäss anwendbar.

Art. 48 Absichtserklärung

... 3 Die berechtigte Person kann vor Fristablauf schriftlich und begründet um Verlängerung der Frist ersuchen. Das Gesuch hat den Stand des Vorhabens zu beschreiben und nachzuweisen, dass das Projekt oder die Aufgabe innert der erstreckten Frist realisiert werden können. 4 Ist die Realisierung unwahrscheinlich oder können die Förderungsmittel nicht länger gebunden bleiben, so verweigert das BAK die Fristerstreckung.

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Beispiel

Lehnt die konsularische Direktion das Gesuch ab, weil der Verbleib im Empfangsstaat nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c nicht gerechtfertigt ist, so weist die Vertretung die gesuchstellende Person auf die Möglichkeit der Übernahme der Reisekosten für die Rückkehr in die Schweiz hin.

Besser:

Lehnt die konsularische Direktion das Gesuch ab, weil nach Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c der Verbleib im Empfangsstaat nicht gerechtfertigt ist, so weist die Vertretung die gesuchstellende Person auf die Möglichkeit der Übernahme der Reisekosten für die Rückkehr in die Schweiz hin.

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Beispiel

Mit Busse bis zu 250 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:

a.  die Sorgfaltspflichten betreffend die Überprüfung der Konten und die Identifizierung der meldepflichtigen Personen nach den Artikeln 9–12 verletzt;

Besser:

Mit Busse bis zu 250 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:

a.  die in den Artikeln 9–12 genannten Sorgfaltspflichten betreffend die Überprüfung der Konten und die Identifizierung der meldepflichtigen Personen verletzt;

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Zusammenfassung

Die Redaktion von Verweisen unter dem Aspekt der Verständlichkeit:

1.  Zweckmässigkeit eines Verweises

–  Normativität / Restriktivität

–  Fehlen adäquater sprachlicher Alternativen

2.  Erkennbarkeit des Bezugsobjekts

–  normgenaues Verweisen

–  explizite Wiederaufnahme des Bezugsobjekts

–  keine Verweisketten

3.  Verständlichkeit der Verweisnorm

–  Erkennbarkeit des Gegenstands der Norm

–  eindeutige Anbindung des Verweises im Satz

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ZUSAMMENFASSUNG

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Transparenz DON’T MAKE ME THINK !

Grundsatz

Im Gesagten (Form) soll sich das Gemeinte (Bedeutung) möglichst direkt zeigen.

1.  Text Die formale Gliederung des Erlasstextes und der Artikel soll den inhaltlichen Aufbau des Regelungsmaterie möglichst direkt abbilden.

2.  Satz Die sprachliche Form eines Rechtssatzes soll den Typ und die relevanten Elemente der Norm möglichst direkt zeigen.

3.  Ausdruck Die verwendeten Wörter und Verweise sollen die gemeinten Dinge möglichst direkt bezeichnen.

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Intransparente Erlasse

... entstehen, wenn die Autoren/innen:

1.  die Denkarbeit nicht selber machen, sondern sie dem Leser überlassen,

2.  das Vorwissen der Leser (und ihre Fähigkeit zu raten) überschätzen,

3.  versuchen, ein intellektuelles «Kunstwerk» zu schaffen,

4.  vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen,

5.  versuchen, eine Sprache zu verwenden, die nach Gesetz «riecht»,

6.  redaktionelle «Tricks» anwenden,

7.  sprachlogisch unsorgfältig formulieren,

8.  den eigentlichen Inhalt erst in den Erläuterungen «regeln»,

9.  zu wenig Zeit für das Überarbeiten des ersten, zweiten, dritten und vierten usw. Entwurfs haben,

10. redaktionelle Regeln «blind» anwenden.

DON’T MAKE ME THINK !

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Weiterbildungsveranstaltungen zur Rechtsetzung

Murtner Gesetzgebungsseminare

Grundlagenseminar I: «Rechtsetzungsmethodik» (Murten, 19.–21. Okt. 2016) Grundlagenseminar II: «Erlassredaktion» (Murten, 23.–25. Nov. 2016)

http://www.federalism.ch > Weiterbildung > Murtner Gesetzgebungsseminare

Jahrestagung des Zentrums für Rechtsetzungslehre

«Das Legalitätsprinzip in Verwaltungsrecht und Rechtsetzungslehre» Universität Zürich, 9. September 2016

http://www.rwi.uzh.ch/zfr > Weiterbildung > Tagungen

Vor-Ort-Seminare des Zentrums für Rechtsetzungslehre

Themen und Termine nach Absprache

http://www.rwi.uzh.ch/zfr > Weiterbildung > Vor-Ort-Seminare

8. März 2016 Weiterbildungskurs UZH: Gesetzesartikel formulieren | Dr. Stefan Höfler Seite 127

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Literaturhinweise

Verständlichkeitsforschung Christmann, Ursula (2008): Rhetorisch-stilistische Aspekte moderner Verstehens- und

Verständlichkeitsforschung, in: Fix, U. / Gardt, A. / Knape, J. (Hrsg.): Rhetorik und Stilistik. Ein internationales Handbuch historischer und systematischer Forschung, Berlin und New York: de Gruyter, S.1092–1106.

Langer, Inghard / Schulz von Thun, Friedemann / Tausch, Reinhard (2011): Sich verständlich ausdrücken, 9. Aufl., München/Basel: Reinhardt.

Verständlichkeit und Rechtsetzung Eichhoff-Cryus, Karin M. / Antos, Gerd, Hrsg. (2008): Verständlichkeit als Bürgerrecht? Die Rechts- und

Verwaltungssprache in der öffentlichen Diskussion, Mannheim: Duden. Müller, Jörg Paul (2014): Gute Gesetzgebung in der Demokratie – Chancen und Klippen, in: Griffel, Alain

(Hrsg.), Vom Wert einer guten Gesetzgebung, Bern: Stämpfli 2014, S. 75–96. Nussbaumer, Markus (2007): Gesetze verständlicher machen – dass ich nicht lache! in: Lötscher/

Nussbaumer (Hrsg.), Denken wie ein Philosoph und schreiben wie ein Bauer, Zürich: Schulthess, S. 43–66.

Nussbaumer, Markus (2008): Der Verständlichkeit eine Anwältin! Die Redaktionskommission der schweizerischen Bundesverwaltung und ihre Arbeit an der Gesetzessprache, in: Eichhoff-Cyrus/Antos, S. 301–323.

Schröder, Ole / Würdemann, Christian (2008): Rechtstexte verständlich formulieren: Implementierung einer Sprachanalyse im Gesetzgebungsverfahren, in: Eichhoff-Cyrus/Antos, S. 324–335.

Schweizer, Rainer J. / Baumann, Jérôme / Scheffler, Jan (2011): Der Anspruch der Verständlichkeit von Erlassen in der Schweiz, in: Schweizer, Rainer J. / Borghi, Marco (Hrsg.): Mehrsprachige Gesetzgebung in der Schweiz, Zürich/St. Gallen: Dike, S. 335–388.

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Literaturhinweise

Redaktionelle Einzelfragen Bratschi, Rebekka (2009): „Frau im Sinne dieser Badeordnung ist auch der Bademeister“. Legaldefinitionen

aus redaktioneller Sicht, LeGes 20/2, S. 191–213. Eisenberg, Peter (2007): Die Grammatik der Gesetzessprache: Was ist eine Verbesserung? in: Lötscher/

Nussbaumer, Denken wie ein Philosoph und schreiben wie ein Bauer, Zürich: Schulthess, S. 105–122. Höfler, Stefan (2011): „Ein Satz – eine Aussage“. Multipropositionale Rechtssätze an der Sprache erkennen,

LeGes 22/2, S. 259–279.

Höfler, Stefan (2012): „Ein Artikel – eine Norm“. Redaktionelle Überlegungen zur Diskursstruktur von Gesetzesartikeln, LeGes 23/3, S. 311–335.

Höfler, Stefan (2014): Between conciseness and transparency: Presuppositions in legislative texts, International Journal for the Semiotics of Law 27/4, S. 627–644.

Höfler, Stefan (2015): Die Redaktion von Verweisen unter dem Aspekt der Verständlichkeit, LeGes 26/2, S. 325–349.

Hug, Elisabeth (2008): Vereinheitlichung des Prozessrechts – Bericht aus der Redaktionsstube19/1, LeGes S. 9–30.

Lötscher, Andreas (1994): Struktur und Adressat – Gesetzesredaktionelle Überlegungen zur Gestaltung von Artikel 9 des Umweltschutzgesetzes (Umweltverträglichkeitsprüfung), LeGes 5/3, S. 69–80.

Lötscher, Andreas (1995): Der Stellenwert der Verständlichkeit in einer Hierarchie der kommunikativen Werte von Gesetzen, Bulletin suisse de linguistique appliquée 62, S. 109–127.

Werlen, Iwar (1994): Verweisen und Verstehen. – Zum Problem des inneren Beziehungsgeflechts in Gesetzestexten, LeGes 5/2, S. 49–78.

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