Welche Messungen machen an Brunnen und Quellen Sinn?

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Welche Messungen machen an Brunnen und Quellen Sinn? Hinweise zum zielorientierten Messen und Auswertung von „Wasserdaten“ an Brunnen und Quellen - Prof. Dr. habil. Christoph Treskatis apl. Prof. am Institut Wasser Abwasser Raumplanung der TU Darmstadt 24.09.2019 1

Transcript of Welche Messungen machen an Brunnen und Quellen Sinn?

Welche Messungen machen an Brunnen und Quellen Sinn?

– Hinweise zum zielorientierten Messen und Auswertung von „Wasserdaten“ an Brunnen und Quellen -

Prof. Dr. habil. Christoph Treskatis

apl. Prof. am Institut Wasser Abwasser Raumplanung

der TU Darmstadt

24.09.2019 1

Einleitung

• Datensammeln ist die Leidenschaft des 21. Jahrhunderts; Daten

„überschwemmen“ uns; sie sind der „Rohstoff“ der Zukunft.

• Big Data, Wasserversorgung 4.0, smart metering und smart nets

sind die „modernen“ Stichworte in der Wasserwirtschaft.

• Dabei bezieht die Definition von Big Data das „Big“ auf die drei

Dimensionen eines Wertschöpfungszyklus:

1. volume (Umfang, Datenvolumen),

2. velocity (Geschwindigkeit, mit der die Datenmengen generiert

und übertragen werden) sowie

3. variety (Bandbreite der Datentypen und -quellen).

Folge: Immer schneller wachsende Datenmengen und das Erfordernis, diese strukturiert zu

verarbeiten und zu interpretieren.

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Was fangen wir mit all den Daten an?

Daten sind ein Schatz, der heute in fast jeder Organisation zur Verfügung steht.

Doch um ihn zu bergen, muss man aus den unendlichen Mengen die relevanten Informationen herausfiltern und daraus Handlungsempfehlungen ableiten.

Viele Wasserversorger stehen vor der Frage, was für Daten sie überhaupt für die Zukunft benötigen und wie sie aus all den denkbaren und von Beratern avisierten Big-Data-Projekten einen wirklichen Mehrwert auch für die WGAs schöpfen können.

Infos dazu z. B. unter www.computerwoche.de/a/goldgraeberstimmung-wer-hebt-den-datenschatz-zuerst

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Problemstellung vieler Daten in der Wassergewinnung:ungenaue Daten führen alle Vernetzungen und Interpretationsversuche ad absurdum

Entscheiden

Prüfen und Auswerten

Messungen und Datenerfassung

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Jeder weiß:

Das Fundament muss

passen und tragfähig

sein!

Datentypen und Messinhalte an Brunnen und Quellfassungen

• Einmalige Messungen und Daten („Startwerte“ für ein

Bauwerk der Wassergewinnung, für ein genutztes

Vorkommen oder Wasserschutzgebiet)

• Periodische Messdurchführungen und Daten

(Kontrollwerte für den aktuellen Bauwerkszustand, für

hydrologische Situationen im Wasserschutz-gebiet oder

bei besonderen Anlässen, wie z. B. Qualitätsproblemen)

• Kontinuierlich durchgeführte Messungen mit

Datenaufzeichnung (Erfassung von Trends und

Entwicklungen, Grundlagen für Prognose-rechnungen

etc.)

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Einmalige Messungen und Daten für WGAs

• Bestimmung der Neubauleistung

eines Brunnens (Pumptests,

Leistungsdiagramm)

• Tracergastest zur Dichtheitsprüfung

der oberflächennahen Abschlüsse

• Geophysik als Status des Neubaus

(Ausbaukontrolle, Flowmetermessung

etc.)

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Früher…

heute…

Ziel: erste Statuserfassung!

Periodische Messdurchführungen und Daten

• Kamerabefahrungen

• Geophysikalische

Kontrollmessungen

• Stichtagsmessungen

(Wasserstände)

• Kontrollpumptests zur

Leistungsüberprüfung

• Qualitätserfassungen

(Rohwasseruntersuchungen,

chemische und mikrobiolo-

gische Analysen)

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Ziel: aktuelle Statuserfassung!

Kontinuierlich durchgeführte Messungen mit Datenaufzeichnung

• Wassermengen

• Regenmengen

• Spezifische Qualitätsdaten

(Leitfähigkeit, Temperatur, Nitrat,

Chlorid…)

• Wasserstände im Brunnen und

Quellbecken sowie in GWM

• Vorfluterabfluss

• Piezometer zum ökologischen

Monitoring von effluenten und

influenten Randbedingungen

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Ziel: Trenderfassung!

Mobile und stationäre „Messeinrichtungen“ für Brunnen und Quellfassungen

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Messgeräte für die Datenerfassung:Mobile Leitfähigkeits- und Temperatursonden

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Mobile Mengenmessung an Quellen

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Stationäre Mengenmessungen an Brunnen und Quellen (fest installiert mit und ohne Datensammler)

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Stationäre Qualitätsmessungen (z. B. Trübung, Leitfähigkeit, Nitrat, Chlorid)

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Kontinuierliche Messwertaufzeichnung früher…

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Heute: Stationäre Datenlogger zur kontinuierlichenMesswertespeicherung in Brunnen und GWM

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Einbau von Datenloggern in Quellfassungen

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Jeder Zulauf separat!

Im Kontrollschacht den Logger (Messeinheit)

in den Wasserzulauf legen

Nach Einbau der Datenlogger: regelmäßige Verifizierung der Null-Messung und MP-Höhe

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Problem für die Messgenauigkeit der Logger: „Verockerung“ und Versandung in Brunnenpeilrohren

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Wichtige Schlussfolgerung zum „Messumfang“

• Die heutigen Messgeräte können Daten in

unterschiedlichen Zeit-schritten erfassen

(von Sekun-denwerten über Minuten-

und Stundenwerten bis zu Monats-

werten…)

• Je größer die Datenmenge, desto mehr

ist man auf spezielle Auswertesysteme

bzw. Software angewiesen

Daher einige Fragen zur Entscheidungshilfe

zum Festlegen des Messumfangs

1. Was möchte ich überhaupt von meiner

WGA wissen (Zielstellung)?

2. Welche Messungen brauche ich für Ent-

scheidungen im Betrieb, bei Wartung und

Instandhaltung (Handlungserfordernis)?

3. Wie kann ich die Daten für mein Tages-

geschäft ohne größeren Aufwand auswer-

ten (Trenderfassung – Abweichungen

und Extrema erkennen)?

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Beispiel Betriebsüberwachung eines Brunnens

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Überwachung des Absenkungsverhaltens

und der Ergiebigkeit

Zunahme

Eintrittswiderstand

Fremdwasserzuflüsse bei

Wiederanstieg

Beispiel Betriebspumpversuch

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Erfassung des Einflusses

von Nachbarbrunnen

Beispiel: Stichtagsmessung (Wasserstände)

• In Bayern gilt z. B. das LfU-Merkblatt 2.1/1 von 2000

(Die Stichtagsmessung - ein Hilfsmittel für die

Grundwasserhydrologie)

• Mit einer Stichtagmessung wird die Grundwasserober-

fläche bzw. die Grundwasserdruckfläche zu einem

bestimmten Zeitpunkt an Messstellen erfasst.

• Die Auswertung dieser Messung erfolgt in Form eines

Grundwassergleichenplans.

• Aus den Grundwassergleichen lassen sich das örtlich

vorherrschende Grundwassergefälle sowie die

Fließrichtungen ermitteln.

• Ferner ergeben sich Aussagen zum Einfluss von

Altablagerungen auf ein Schutzgebiet etc.

• Die Aussagekraft beschränkt sich auf einen

bestimmten Zeitpunkt!

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„Prüfung“ und „Aufbereitung“ der Messdaten

• Die Daten sind vor der Aufbereitung und Auswertung formal und sachlich zu

prüfen.

• Bei der formalen Prüfung der Messwerte ist die Vollständigkeit festzustellen.

• Durch Vergleich mit Messreihen des vorausgehenden Zeitraums ist die Richtig-

keit zu überprüfen. Die Prüfung aller Messwerte sollte möglichst zeitnah erfolgen,

um evtl. Ablesefehler noch rekonstruieren bzw. korrigieren zu können.

• Die Aufbereitung der Messergebnisse umfasst im Wesentlichen die Zusammen-

stellung der geprüften Messwerte in einer Liste für weitergehende Auswertungen

(z. B. als Ganglinie zur Trenderfassung oder Grundwassergleichenplan zur

aktuellen Statuserfassung).

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Beispiel: Auswertung einer Stichtagsmessung zur Schutzgebietsüberprüfung

Die Erstellung eines Grundwassergleichen-

plans für einen gewünschten Zeitpunkt stößt

meist auf folgende Schwierigkeiten:

- Zum gewählten Zeitpunkt liegen keine oder

zeitverschobene Messwerte vor.

- Die Messwerte sind beeinflusst durch

Brunnenentnahmen, Grundwasseraufstau,

Wasserhaltungen u. a. Die Auswirkungen

dieser Einflüsse sind oft nicht bekannt bzw.

nicht rekonstruierbar.

- Wasserwirtschaftliche Messgrößen wie

Niederschlagshöhe, Wasserstände an

Seen und Fließgewässern sind nicht

bekannt oder müssen erst erhoben werden.

- Messfehler zurückliegender Messungen sind

möglich.

Quelle: LfU-MB 2.1/124.09.2019 24

Beispiel „Auswertung“ und „Interpretation“ von kontinuierlichen Datenreihen

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Reaktion auf Niederschläge

nach langer Trockenheit

Unterstützt werden diese Wasserstands-Stichtagsmessungen durch flächige Beprobungen z. B. auf Nitrat…

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Beispiel: Stichtagsmessung zur Feststellung der Nitratverteilung im Schutzgebiet = aktuelle Statusfeststellung

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Vergleichsmessungen: Grundlage für Prognosen zu Veränderungen in der Nitratverteilung(2 Stichtage im Vergleich sind aber noch keine Trendaussage!)

11/201503 bis

06/02/2002

2824.09.2019

Grenzwert TrinkwV

Bisheriges Maximum: 48 mg/L

2924.09.2019

Nur mit Ganglinien und Daten in einheitlichen

Zeitreihen sind Trends erkennbar

y = 1E-13x4 - 2E-08x3 + 0,0009x2 - 22,032x + 194019R² = 0,4509

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Beispiel Trendumkehr beim Nitratgehalt im Brunnen

y = 6E-10x3 - 6E-05x2 + 2,3068x - 28347R² = 0,5643

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NitratSulfatPoly. (Nitrat)

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Beispiel Stopp des weiteren Nitratanstieges

Einbeziehung historischer Daten bei der PrognoseNitratentwicklung 1984 bis 2015

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Mannsgrab Br. I Mannsgrab Br. II Mannsgrab Br. III Mannsgrab Br. V

Brunnen III war mit Br. II schon

deutlich belastet

Heute ist Brunnen I am stärksten belastet;

steigender Trend mit Br. V seit 2008

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Leitfähigkeitsprofile: Erfassung des aktuellen Status z. B. eines Salzwassereinbruchs

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Erkennen von förderbedingten Salzwasseraufstiegen

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Stichtagsmessungen Mikrobiologie:Vereinzelte Messungen können Trends nicht sicher detektieren

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Einordnung von Einflüssen durch Extremwetter in einer möglichst lückenlosen Vergleichs-Ganglinie

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Sandmessungen im Brunnenbetrieb und Maßnahmen

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Bei dauerhafter Sandführung:

Spülung vor Förderung in das Netz

Messung der Sandführung von Quellen als Grundlage zur Einleitung von Gegenmaßnahmen

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Klimawandel - Extremwetter:Begehen und Überwachung von Quellen und Brunnen zur Vermeidung und Ursachenermittlung von Schäden

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Überflutete Quellkammer aufgrund

verstopfter Überläufe und hohem

Wasserandrang nach der Schneeschmelze

Überlauf der Quellbecken: Unterbemessung für HQ

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Fazit: Wer viel misst….misst (oft) Mist!

• Der Trend geht zu immer mehr

Daten

• Die Sinnhaftigkeit wird vielfach

nicht in Frage gestellt

• Daten müssen immer die Einflüsse

auf die Anlage widerspiegeln, die

schlüssig und prüfbar sind, so dass

man nicht zum „Narren des Zufalls“

wird

• Daten müssen zusammenfassen,

was auf sie wirkt.

• Die eigentlich wichtigen Datenpunkte einer Ganglinie

sind die Extrema; diese sind per definitionem selten,

helfen aber, eine ziemlich genaue Vorstellung vom

Ganzen zu erhalten!

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Zusammenfassung

• Die Wasserversorger benötigen heute Daten, die das „System“ Wassergewinnung im Normalfall und bei Extremereignissen realistisch abbilden können.

• Sie müssen regelmäßig ausgewertet werden und in Prognosen(z. B. vergleichende Gangliniendarstellungen, numerische Modelle) einfließen.

• Dabei sind Daten aus anderen Fachgebieten (Meteorologie, Hydrologie) einzubeziehen, so dass eine ganzheitliche Betrachtung und damit nachhaltige Entscheidung für zukünftige Maßnahmen an den Wasserfassungen ermöglicht wird.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

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© Prof. Dr. habil. Christoph Treskatis

apl. Professor am IWAR der TU Darmstadt

c/o Bieske und Partner Beratende Ingenieure GmbH

Im Pesch 79

D-53797 Lohmar

E-Mail: [email protected]