Weltnaturerbe Serengeti

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6 WOCHENPOST 14. August 2011 AUS ALLER WELT Längst hat Uwe Skrzypczak sich als Wildlife-Fotograf und Buchautor einen Namen gemacht. Momentan arbeitet er an einem neuen und umfangreichen Buchpro- jekt über die Serengeti. Wochenpost-Redakteurin Silke Sandkötter hatte die Möglichkeit, mit Uwe Skrzypczak (Foto) ein Interview zu führen Ich habe mir Ihr aktuelles Buchprojekt „Weltnaturerbe Serengeti – Aus Feuer und Asche geboren“ – angeschaut. Warum liegt Ihnen das Ökosystem der Serengeti so sehr am Herzen? Skrzypczak: Die als „Wiege der Mensch- heit“ bekannte Olduvai-Schlucht liegt im Serengeti-Ökosystem – somit ist die Se- rengeti Teil unserer menschlichen Identität. Die Entwicklung der großen, fast baumlosen und somit schutzlosen Savannen, in denen die Nahrung „erwandert“ werden musste, fällt etwa zeitgleich mit unserer eigenen Entwicklung vom affenähnlichen Hominiden zum ersten aufrecht gehenden, modernen Menschen, dem Homo erectus. Die Seren- geti ist der einzig erhaltene Naturraum auf unsere Erde, in dem wir auf über zwei Mil- lionen Jahre unserer eigenen Entwicklung zurück schauen können. Es soll eine zweiteilige Buchreihe über das Serengeti-Ökosystem werden. Teil eins han- delt von der Kälber-Geburtenphase in der südöstlichen Serengeti. Welcher Teil sind noch in Planung? Skrzypczak: Teil eins handelt von der ei- gentlichen Serengeti, die Naturfilmer wie Grzimek und andere in uns geprägt haben. Es sind die riesigen Kurzgrassavannen im südöstlichen Teil des Serengeti-Mara-Öko- systems. Hier findet jedes Frühjahr zur klei- nen Regenzeit eine Wiedergeburt des Lebens statt. Die fast halbwüstenartige Trockensa- vanne ergrünt dann zu neuem Leben mit sehr nahrhaften Gras, ideal zur Milchpro- duktion für die trächtigen Gnukühe. Über ei- nen Zeitraum von wenigen Wochen werden hier Hundertausende von Gnukälbern gebo- ren. Zum Ende der kleinen Regenzeit startet hier der jährliche Zyklus der großen Huf- tiermigration. Weit über eine Million Gnus, Zebras und Gazellen ziehen dabei mehr als 2000 Kilometer im Uhrzeigersinn durch das Ökosystem bis hinauf nach Kenia, bevor sie im nächsten Frühjahr wieder auf die Kurz- grassavannen zurückkehren. Diese große Wanderung mit all ihrer Dramatik werde ich in meinem nächsten Buch mit entsprechend imposanten Bildern beschreiben. Die Regierung Tansanias wollte jüngst eine Straße durch den Serengeti-Nationalpark bauen. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat die Regierung Tansanias – so einige Pressemeldungen – angeblich über- zeugt, keine Straße zu bauen. Ist das Thema damit wirklich vom Tisch? Skrzypczak: Diese Pressemeldung ist falsch. Die tansanische Regierung zeigte sich bisher völlig verhärtet in dieser Frage. Minister Nie- bel hatte als erster westlicher Politiker die Durchsetzungsfähigkeit, Tansania überhaupt wieder an den Verhandlungstisch zurück zu bringen, um mögliche Alternativrouten zur geplanten Nordroute durch die Serengeti in Betracht zu ziehen. Die dazu erforderlichen Studien und Planungen werden jetzt vom deutschen Entwicklungsministerium durch- geführt. Zur Zeit ist der für 2012 geplante Straßenbau durch die Serengeti zumindest als Schotterpiste – die aber unter afrika- nischen Verhältnissen einer vollwertigen Straße entspricht – nicht gestoppt. Sie soll nur vorübergehend nicht vom freien Verkehr genutzt werden dürfen. Was würde solch eine Straße durch den Se- rengeti-Nationalpark bedeuten? Skrzypczak: Die als „Serengeti-road“ welt- weit bekannte und bekämpfte Straßenfüh- rung quer durch die nördliche Serengeti schneidet zukünftig die große Migration mit weit mehr als einer Million Huftiere von der Massai-Mara in Kenia, dem nördlichsten Zipfel des Serengeti-Mara-Ökosystems, ab. Die Massai-Mara ist während der dreim- onatigen Trockenzeit in Tansania das Fut- terreservoir für die Huftierherden. Wenn sie davon abgeschnitten werden – was passiert mit uns über ein Vierteljahr ohne Nahrung? Wir verhungern! Dieser Aderlass bei den Huftieren wird zum Totalkollaps des Ökosys- tems führen. Ohne Jagdbeute werden dort zwangsläufig auch die Löwen, Leoparden, Hyänen und Geparde aussterben. Die Fotos in dem Buch sind faszinierend. Wie oft und wie lange waren Sie dafür in der Serengeti unterwegs? Skrzypczak: Fünf Wochen – dazu muss man erst einmal wissen, dass die natürlichen Ab- läufe in der Serengeti nur zyklisch und in ganz bestimmten Gebieten während eines Jahres ablaufen. Schafft man die fotogra- fischen Ziele nicht, muss man halt im nächs- ten oder auch im übernächsten Jahr wieder dort hin. Allerdings verfüge ich über mehr als zehnjährige Erfahrung und ein immenses Wissen über die Abläufe und das Tierverhal- tens in der Serengeti. Ich kann somit auch die benötigte Technologie planen. Wenn Sie beispielsweise eine Gnugeburt ohne Gefähr- dung von Mutter und Kalb fotografieren wollen, benötigen Sie optische Ofenrohre von 800 - 1200 mm Brennweite. Wenn Sie wiederum tolle Fotoperspektiven haben wollen, müssen Sie gelegentlich riskieren, dass Ihnen die Sonnenblende von einem Normal- oder Weitwinkelobjektiv abgebis- sen wird. Ich verstehe mich überhaupt mehr als Grafiker und Autor, dabei mit sehr hohem Sachverstand über die Digitalfotografie und die druckfähige Weiterverarbeitung. Mag sein, dass ich dabei auch ganz ordentlich Fotografiere. Wenn ich losfahre, habe ich meine Idee und ein imaginäres Buchlayout im Kopf. Bekomme ich alle wesentlichen Szenen für ein geplantes Buchprojekt in den Kasten, freue ich mich. Meine Notizen setze ich in Texte um und produziere meine Bü- cher komplett druckfertig und biete sie dann Verlagen an. Schaffe ich meine Ziele nicht in einer Fotosaison, beiße ich mir in den Hin- tern und fahre halt das nächste Jahr wieder dort hin. Dies ist mir auch schon häufiger passiert, Afrika ist kein Zoo. Fortsetzung nächste Seite. Imposante Bilder eines einmaligen Lebensraumes: Der Fotograf Uwe Skrzypczak arbeitet momentan an einem großen Buchprojekt über die Serengeti. Foto: Uwe Skrzypczak Wochenpost-Interview mit dem Buchautor und Fotografen Uwe Skrzypczak Der Buchautor verfügt über eine mehr als zehnjährige Erfahrung und ein immenses Wis- sen über die Abläufe und das Tierverhaltens in der Serengeti. Foto: Uwe Skrzypczak Die Serengeti: Ein einzigartiger Lebensraum

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Fortsetzung: Ich habe über Google Plus Kontakt zu Uwe Skrzypczak bekommen. Er ist ein bekannter Wildlife-Fotograf und Buchautor. Momentan arbeitet er an einem neuen und umfangreichen Buchprojekt über die Serengeti. Ich hatte die Möglichkeit, mit Uwe Skrzypczak ein Interview zu führen, was am Sonntag, 14. August, in der Wochenpost erschienen ist.

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6 WOCHENPOST 14. August 2011A U S A L L E R W E LT

Längst hat Uwe Skrzypczak sich als Wildlife-Fotograf und Buchautor einen Namen gemacht. Momentan arbeitet

er an einem neuen und umfangreichen Buchpro-jekt über die Serengeti. Wochenpost-Redakteurin Silke Sandkötter hatte die Möglichkeit, mit Uwe Skrzypczak (Foto) ein Interview zu führen

Ich habe mir Ihr aktuelles Buchprojekt „Weltnaturerbe Serengeti – Aus Feuer und Asche geboren“ – angeschaut. Warum liegt Ihnen das Ökosystem der Serengeti so sehr am Herzen?

Skrzypczak: Die als „Wiege der Mensch-heit“ bekannte Olduvai-Schlucht liegt im Serengeti-Ökosystem – somit ist die Se-rengeti Teil unserer menschlichen Identität. Die Entwicklung der großen, fast baumlosen und somit schutzlosen Savannen, in denen die Nahrung „erwandert“ werden musste, fällt etwa zeitgleich mit unserer eigenen Entwicklung vom affenähnlichen Hominiden zum ersten aufrecht gehenden, modernen Menschen, dem Homo erectus. Die Seren-geti ist der einzig erhaltene Naturraum auf unsere Erde, in dem wir auf über zwei Mil-lionen Jahre unserer eigenen Entwicklung zurück schauen können.

Es soll eine zweiteilige Buchreihe über das Serengeti-Ökosystem werden. Teil eins han-delt von der Kälber-Geburtenphase in der südöstlichen Serengeti. Welcher Teil sind noch in Planung?

Skrzypczak: Teil eins handelt von der ei-gentlichen Serengeti, die Naturfilmer wie Grzimek und andere in uns geprägt haben. Es sind die riesigen Kurzgrassavannen im südöstlichen Teil des Serengeti-Mara-Öko-systems. Hier findet jedes Frühjahr zur klei-nen Regenzeit eine Wiedergeburt des Lebens statt. Die fast halbwüstenartige Trockensa-vanne ergrünt dann zu neuem Leben mit

sehr nahrhaften Gras, ideal zur Milchpro-duktion für die trächtigen Gnukühe. Über ei-nen Zeitraum von wenigen Wochen werden hier Hundertausende von Gnukälbern gebo-ren. Zum Ende der kleinen Regenzeit startet hier der jährliche Zyklus der großen Huf-tiermigration. Weit über eine Million Gnus, Zebras und Gazellen ziehen dabei mehr als 2000 Kilometer im Uhrzeigersinn durch das Ökosystem bis hinauf nach Kenia, bevor sie im nächsten Frühjahr wieder auf die Kurz-grassavannen zurückkehren. Diese große Wanderung mit all ihrer Dramatik werde ich in meinem nächsten Buch mit entsprechend imposanten Bildern beschreiben.

Die Regierung Tansanias wollte jüngst eine Straße durch den Serengeti-Nationalpark bauen. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat die Regierung Tansanias – so einige Pressemeldungen – angeblich über-zeugt, keine Straße zu bauen. Ist das Thema damit wirklich vom Tisch?

Skrzypczak: Diese Pressemeldung ist falsch. Die tansanische Regierung zeigte sich bisher völlig verhärtet in dieser Frage. Minister Nie-bel hatte als erster westlicher Politiker die Durchsetzungsfähigkeit, Tansania überhaupt

wieder an den Verhandlungstisch zurück zu bringen, um mögliche Alternativrouten zur geplanten Nordroute durch die Serengeti in Betracht zu ziehen. Die dazu erforderlichen Studien und Planungen werden jetzt vom deutschen Entwicklungsministerium durch-geführt. Zur Zeit ist der für 2012 geplante Straßenbau durch die Serengeti zumindest als Schotterpiste – die aber unter afrika-nischen Verhältnissen einer vollwertigen Straße entspricht – nicht gestoppt. Sie soll nur vorübergehend nicht vom freien Verkehr genutzt werden dürfen.

Was würde solch eine Straße durch den Se-rengeti-Nationalpark bedeuten?

Skrzypczak: Die als „Serengeti-road“ welt-weit bekannte und bekämpfte Straßenfüh-rung quer durch die nördliche Serengeti schneidet zukünftig die große Migration mit weit mehr als einer Million Huftiere von der Massai-Mara in Kenia, dem nördlichsten Zipfel des Serengeti-Mara-Ökosystems, ab. Die Massai-Mara ist während der dreim-onatigen Trockenzeit in Tansania das Fut-terreservoir für die Huftierherden. Wenn sie davon abgeschnitten werden – was passiert mit uns über ein Vierteljahr ohne Nahrung?

Wir verhungern! Dieser Aderlass bei den Huftieren wird zum Totalkollaps des Ökosys-tems führen. Ohne Jagdbeute werden dort zwangsläufig auch die Löwen, Leoparden, Hyänen und Geparde aussterben.

Die Fotos in dem Buch sind faszinierend. Wie oft und wie lange waren Sie dafür in der Serengeti unterwegs?

Skrzypczak: Fünf Wochen – dazu muss man erst einmal wissen, dass die natürlichen Ab-läufe in der Serengeti nur zyklisch und in ganz bestimmten Gebieten während eines Jahres ablaufen. Schafft man die fotogra-fischen Ziele nicht, muss man halt im nächs-ten oder auch im übernächsten Jahr wieder dort hin. Allerdings verfüge ich über mehr als zehnjährige Erfahrung und ein immenses Wissen über die Abläufe und das Tierverhal-tens in der Serengeti. Ich kann somit auch die benötigte Technologie planen. Wenn Sie beispielsweise eine Gnugeburt ohne Gefähr-dung von Mutter und Kalb fotografieren wollen, benötigen Sie optische Ofenrohre von 800 - 1200 mm Brennweite. Wenn Sie wiederum tolle Fotoperspektiven haben wollen, müssen Sie gelegentlich riskieren, dass Ihnen die Sonnenblende von einem Normal- oder Weitwinkelobjektiv abgebis-sen wird. Ich verstehe mich überhaupt mehr als Grafiker und Autor, dabei mit sehr hohem Sachverstand über die Digitalfotografie und die druckfähige Weiterverarbeitung. Mag sein, dass ich dabei auch ganz ordentlich Fotografiere. Wenn ich losfahre, habe ich meine Idee und ein imaginäres Buchlayout im Kopf. Bekomme ich alle wesentlichen Szenen für ein geplantes Buchprojekt in den Kasten, freue ich mich. Meine Notizen setze ich in Texte um und produziere meine Bü-cher komplett druckfertig und biete sie dann Verlagen an. Schaffe ich meine Ziele nicht in einer Fotosaison, beiße ich mir in den Hin-tern und fahre halt das nächste Jahr wieder dort hin. Dies ist mir auch schon häufiger passiert, Afrika ist kein Zoo. • Fortsetzung nächste Seite.

Imposante Bilder eines einmaligen Lebensraumes: Der Fotograf Uwe Skrzypczak arbeitet momentan an einem großen Buchprojekt über die Serengeti. Foto: Uwe Skrzypczak

Wochenpost-Interview mit dem Buchautor und Fotografen Uwe Skrzypczak

Der Buchautor verfügt über eine mehr als zehnjährige Erfahrung und ein immenses Wis-sen über die Abläufe und das Tierverhaltens in der Serengeti. Foto: Uwe Skrzypczak

Die Serengeti: Ein einzigartiger Lebensraum