Wenn die Wunde verheilt ist, schmerzt die Narbe · Adrenalin Bindung Oxytocin Kampf Noradrenalin...

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Bad Blankenburg 1/5/2017 1 Wenn die Wunde verheilt ist, schmerzt die Narbe Das Trauma der häuslichen Gewalt und die Auswirkungen auf Kinder Alexander Korittko Dipl. Sozialarbeiter Systemischer Lehrtherapeut Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen (zptn)

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  • Bad Blankenburg

    1/5/2017 1

    Wenn die Wunde

    verheilt ist,

    schmerzt die Narbe

    Das Trauma der

    häuslichen Gewalt und die Auswirkungen auf Kinder

    Alexander Korittko

    Dipl. Sozialarbeiter

    Systemischer Lehrtherapeut

    Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen (zptn)

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    1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 4

    Die Traumatische Zange

    Traumatischer Schock,

    existentielle Bedrohung

    Entsetzen !!!!!

    Flucht Adrenalin

    Bindung Oxytocin

    Kampf Noradrenalin

    Sympathikus

    Keine Fluchtmöglichkeit, keine Kampfmöglichkeit

    Hilflosigkeit, Ohnmacht

    Verzweiflung

    Erstarren

    Fragmentierte

    Speicherung

    von

    Bildern,

    Geräuschen,

    Gerüchen,

    Körperempfindungen,

    Emotionen,

    Kontexten

    Unterwerfung

    Tot-stell-Reflex

    Parasympathikus

    Abgeschalteter

    Hippocampus

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    1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 6

    Nach Hüther, mod. Korittko

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    „Cells that fire together, survive together.“ Alan Schore

    Die Nervenzellen

    bilden ein

    gleichmäßiges

    dichtes Netz, das

    Impulse in alle

    Richtungen

    weiterleitet.

    Durch Lernen verstärken sich einige

    Bahnen, andere verkümmern.

    Vielfältige Anregungen führen zu komplexen Strukturen.

    Zum Lernen steht

    weitgehend das bis

    dahin gebildete Netz

    zur Verfügung. Neue

    Verbindungen

    entstehen schwerer.

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    Selbst- und Fremdregulierung „Window of Tolerance“

    Übererregung

    Untererregung

    Panik Todesangst

    Dissoziation Erschöpfungsschlaf

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    Fehlregulierte Stressverarbeitung

    Eingeschränkte Stress-Regulation kann transgenerational weitergegeben werden (Binder 2012)

    Der Rauchmelder des Gehirns (Amygdala) ist ab dem 6. Schwangerschaftsmonat aktiv (Schore 2012)

    Der Körper speichert Erinnerungen an frühe Traumata (van der Kolk 2015)

    Emotionale Gewalt hat die gleichen Folgen wie sexuelle Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung (Vachon & Cicchetti 2015, Brisch 2016)

    Emotionale Gewalt: Verleugnung von basalen kindlichen Bedürfnissen durch Bindungspersonen führt zu psychischem Schmerz (wird wie körperlicher Schmerz erlebt)

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    Ohrfeigen für die Seele Vachon & Cicchetti 2015

    Unter emotionaler Misshandlung/ psychischer Gewalt versteht man: Zeugenschaft von elterlicher Gewalt Ständig beschimpft und gedemütigt werden Überfordert werden (z.B. sich um psychisch

    kranke Eltern kümmern müssen)

    Permanent überkontrolliert werden

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    Emotionale Gewalt in Bindungsbeziehungen

    Emotionale Gewalt unterscheidet sich von imperfekter Versorgung (poor parenting)

    Sie produziert Angst, geht mit extremer Zurückweisung und feindlichem Verhalten einher

    Diese Eltern haben geringe Fähigkeiten der emotionalen Regulierung (chronische Erregung, Kampf, Flucht)

    Kinder reagieren mit wütender Unruhe, stummem Rückzug, übermäßiger Abhängigkeit oder kontrollierender Fürsorge.

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    Trauma-Folgestörungen

    Im Gegensatz zu Erwachsenen können sequenziell traumatisierte Kinder Probleme damit haben, eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln (Hüther 2003)

    Neben Intrusionen, Vermeidung und Hyperarousal können Kinder Verhaltensdisregulationen entwickeln, mangelnde Selbstfürsorge, negative Selbsteinschätzung und Misstrauen anderen gegenüber (Entwicklungstraumatisierung, van der Kolk 2005)

    Nach den Ergebnissen der ACE-Studie wirken sich schädliche Kindeserfahrungen nicht nur auf die seelische Gesundheit von Erwachsenen aus, sondern auch auf die körperliche Gesundheit:

    Dauerhafte Schädigung des Immunsystems und erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankung, chronisch beeinträchtigte Lungenfunktion, Diabetes oder Schlaganfall (Felitti 2002, 2014)

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    Safety first !!

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    Nach Traumatisierungen

    Das Kind oder ein Elternteil ist in Anwesenheit des Kindes traumatisiert worden

    Kontakte zu misshandelnden Elternteilen oder die Gegenwart von beiden Elternteilen, führen zu Panik, Angst und Verwirrung, da das Kind die neue Situation nicht von der früheren Situation trennen kann (Trigger).

    Alexander Korittko 17

  • Bad Blankenburg 1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 18

    Was benötigen die Kinder?

    Schutz vor weiterer Gewalt Sicherheit bietende Bezugspersonen Trauma-sensible Begleitung im Alltag Trauma-orientierte Therapie Verantwortungsübernahme der ehemals

    gewalttätigen Erwachsenen

    Verantwortungsübernahme der ehemals nicht-schützenden Erwachsenen

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    Gewalt in der Trennungsphase (Baumeister 2001, Kindler 2011, Schirrmacher 2015)

    Eine überhöhte Meinung des eigenen Wertes stellt eine erhebliche Gewaltgefahr dar, vor allem wenn diese Eigenliebe instabil ist oder bedroht wird.

    Die Trennungsphase ist die von Gewalt betroffenen Frauen die gefährlichste.

    Der Täter reguliert durch Gewalt den Verlust an Liebe, Macht und Ansehen.

    In ca. 40% der Fälle wenden die Täter auch nach einer Trennung Gewalt an – sei es bei der Übergabe der Kinder oder bei anderen Gelegenheiten des Zusammentreffens.

    Ein Streben nach Konsens nach § 156, 1 FamFG ist auszuschließen.

  • Bad Blankenburg 1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 20

    Was sagt die Rechtssprechung?

    Bundesverfassungsgericht: Wenn die körperliche Unversehrtheit und das

    Leben der Mutter im Falle der Aufrechterhaltung des Umgangsrechts in unmittelbarer Gefahr ist, bedeutet dies auch eine konkrete Kindeswohlgefährdung, die der Durchführung von Umgangskontakten entgegensteht.

    (BVerfG 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12)

  • Bad Blankenburg 1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 21

    Wir denken,

    dass wir Erfahrungen machen, aber die Erfahrungen machen uns.

    Eugene Ionesco

  • Bad Blankenburg 1/5/2017 Das Trauma der häuslichen Gewalt 22

    287 Seiten mit Vorworten von Gerald Hüther und Dorothea Weinberg März 2016, € 35

    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit !

    5. Auflage 2016