Wenn sich Mathematiker mit verknoteten Haaren beschäftigen€¦ · John Paul Stapp hatte jedoch...

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40 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 4. März 2010 Wissen «Für Murphys Gesetz gab es einen Ig-Nobelpreis für Ingenieure» rum angebracht, sodass die Messung nach einem Testlauf nichts anzeigte. Da- raufhin sagte Murphy verärgert: «Wenn es eine Möglichkeit gibt, etwas falsch zu machen, machen sie es falsch.» Und das war dann Murphys Gesetz? Es ist nicht ganz klar, wer es dann ver- breitet hat. Vermutlich hat Stapp an ei- ner Pressekonferenz auf eine Journalis- tenfrage hin gesagt: «Das ist so, wegen Murphys Gesetz.» Stapps Versuchen ha- ben wir übrigens die Sicherheitsgurte in Flugzeugen und Autos zu verdanken. Ist das Ihr Hauptberuf, die «Annals of Improbable Research» heraus- zugeben? Ja, ich hatte früher eine kleine Software- firma. Doch dann boten die Vorgänger mir an, das Journal zu übernehmen. Ich habe es dann 1994 völlig neu gestaltet. Können Sie davon leben? Es geht. Reich wird man davon nicht. Ich schreibe auch Kolumnen für ver- schiedene Zeitungen und mache Shows, zum Beispiel einmal jährlich in Gross- britannien oder hier auf der Jahresta- gung der amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissenschaften. Ich würde übrigens auch gerne einmal in die Schweiz kommen. hen, woher Murphys Gesetz kommt, also die Aussage: «Alles, was schiefge- hen kann, geht schief.» Der Ausspruch stammt aus den 1940er-Jahren. Das müssen Sie genauer erklären. Was haben Ingenieure damit zu tun? Ed Murphy war ein Ingenieur. Er kam damals für einige Tage zur Edwards Air Force Base nach Kalifornien. Dort tes- tete ein Team, wie viel G, also wie viel Schwerkraft ein Mensch aushalten kann (1 G entspricht dem Körperge- wicht, Anm. d. Red.). Bis zum Zweiten Weltkrieg nahmen die Experten an, dass Piloten höchstens 18 G ertragen können. Der Mediziner und Ingenieur John Paul Stapp hatte jedoch berech- net, dass der Mensch weit mehr G ertra- gen könnte. Nach zahlreichen Versu- chen mit einer Testpuppe setzte er sich selber auf einen Schlitten mit Raketen- antrieb, um am eigenen Leib die Ge- schwindigkeit zu erfahren. Er wurde berühmt als der schnellste Mensch der Welt. Und was war Murphys Rolle dabei? Murphy brachte spezielle Messgeräte mit, die am Helm von Stapp die Ge- schwindigkeit erfassen sollten. Seine Mitarbeiter hatten sie aber verkehrt he- Warum? Die Preisverleihung garantiert den Wis- senschaftlern und ihren Teams eine grosse Aufmerksamkeit. Im letzten Jahr bekamen beispielsweise Schweizer For- scher den Friedens-Ig-Nobelpreis. Sie hatten den Grad der Kopfverletzung un- tersucht nach einem Schlag mit einer vollen oder leeren Bierflasche. Darüber haben wir berichtet. Wer wählt die Preisträger aus? Daran sind über 100 Leute beteiligt. Aber im Prinzip kann jeder mitstim- men. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Forschung neu ist. Wie alt dürfen denn die Forschungs- ergebnisse sein? Wir haben 2003 einen Ig-Nobelpreis für Ingenieurswissenschaften dafür verlie- Marc Abrahams sagt, dass die Wissenschaftler nicht beleidigt seien, wenn sie den Nobelpreis für unehrenhafte Forschung bekämen. Mit Marc Abrahams sprach Anke Fossgreen In diesem Jahr wird die Ig-Nobel- preis-Verleihung zum 20. Mal stattfinden. Wird das, wenn man so lange im Geschäft ist wie Sie, nicht langweilig? Nein, das wird überhaupt nicht langwei- lig. Und wir werden uns zum Jubiläum etwas ganz Besonderes ausdenken. Letztes Jahr war das Motto «Risiko». Dieses Jahr wird es etwas mit «Bakte- rien» werden. Der Ig-Nobelpreis ist ja eine zweifel- hafte Auszeichnung. Sind die For- scher beleidigt, die ihn bekommen? Nein, überhaupt nicht. Aber wir verlei- hen den Preis auch nur an Wissen- schaftler, die zustimmen. Wer ihn nicht will, bekommt ihn auch nicht. Es ist aber eher umgekehrt, dass einige For- scher sehr erpicht darauf sind, den Preis zu erhalten. Marc Abrahams Der 54-Jährige gibt die amerikanische Zeit- schrift «Annals of Im- probable Research» heraus und verleiht jedes Jahr den Nobel- preis für unehrenhafte Forschung. Nachrichten Gentech-Pflanzen EU erlaubt Anbau der Stärkekartoffel Amflora Die EU hat nach jahrelangem Ringen dem Chemiekonzern BASF den Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora erlaubt. Die Industriekartoffel zur Stärkeproduktion darf bei Einver- ständnis der EU-Staaten heuer in Europa auf den Acker kommen. Die be- sonders viel Stärke produzierende Am- flora ist für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Sie soll in der Papier-, Garn- und Klebstoffindustrie eingesetzt werden. Die Kartoffel enthält ein Mar- ker-Gen, das Antibiotikaresistenz an- zeigt. Mehrfach untersuchte die EU-Be- hörde für Lebensmittelsicherheit ihre Auswirkungen und kam zum Ergebnis, dass keine Schäden für die Umwelt oder die Gesundheit zu befürchten seien. Greenpeace sprach von einer schockie- renden Entscheidung. Die Kommission ignoriere die ökologischen und gesund- heitlichen Risiken von Amflora. (SDA) Das Besondere an dem Atemschutz ist, dass er in wenigen Sekunden aus einem Büstenhalter gebastelt wird. Das Spiel mit den Tageslängen Die Geschwindigkeit der Erdrotation variiert ständig, nicht nur nach Erdbeben wie jenem in Chile. Von Martin Läubli Es ist eine Zahlenspielerei, die faszi- niert: Das Erdbeben in Chile soll die Erdachse um 8 Zentimeter verschoben haben. Das berechneten Wissenschaft- ler der Nasa aus Positionsdaten, gemes- sen auf der Erde und aus dem Weltall. Sie schätzten, dass die Tage künftig 1,26 Mikrosekunden kürzer sind, gut ein Millionstel einer Sekunde. Es ist nicht dieser unbedeutende Bruchteil ei- nes Momentes, der uns etwas Tageszeit kosten soll. Beeindruckend ist die Kraft des kurzen regionalen Zitterns, das den Körper der ganzen Erde bewegt hat. Jedes Beben verändert Rotation Und es ist das Phänomen, dass grosse Beben nicht gesetzmässig einen stärke- ren Ruck auf die Erdachse ausüben müssen. Das chilenische Beben war schwächer als jenes auf Sumatra 2004. Trotzdem verschob die Naturkatastro- phe in Indonesien die Erdachse einen Zentimeter weniger, nach den Modell- rechnungen der Forscher. Das ist er- klärbar: Jedes Erdbeben verändert die Erdrotation, weil jedes Mal Erdkruste, also Masse verschoben wird. Da in Chile in den mittleren Breiten die Erde bebte, war der Effekt auf die Erdachse stärker. Hier schiebt sich die Pazifische Platte unter die Südamerikanische – diese Massenverschiebung in Richtung Erd- mittelpunkt bringt die Erdachse aus der Ruhe. Das Epizentrum auf Sumatra lag hingegen am Äquator, also weiter weg vom Erdmittelpunkt, weil die Erde eine abgeflachte «Kugel» ist. Hinzu kommt, so die amerikanischen Forscher, dass der Bruch zwischen den Platten in Chile steiler verläuft als auf Sumatra, also mehr Masse in Richtung Erdmittelpunkt verschoben wird. Erd- platten gleiten allerdings nicht immer Richtung Erdmittelpunkt hinunter, sie können sich auch erheben. Dann wird die Erdrotation verlangsamt, und die Tage werden länger. Deshalb sagt sich der deutsche Seismologe Winfried Hanka: «In der Summe dürfte sich nichts verändern.» Wind spielt grössere Rolle Doch grundsätzlich ist es nicht ausser- gewöhnlich, wenn sich die Erdachse verschiebt. Die Tageslängen würden sich ständig ändern, so der Nasa-For- scher Richard Gross. Und der Wind spielt dabei eine weit grössere Rolle als Erdbeben. Der Effekt könne bis zu 300-mal stärker sein. In einem Jahr, in dem das Wetterphänomen El Niño wirkt, dreht sich die Erde wesentlich langsamer, weil die Verteilung der Luft- massen und die Meeresströmungen sich merklich verändern, wie Nasa-Wissen- schaftler vor wenigen Jahren feststell- ten. Die Tagesdauer variiert um Tau- sendstelsekunden. Es sei wie bei einem Pneu, der wobbelt, wenn er nicht genü- gend gepumpt sei, sagt Nasa-Wissen- schaftler Richard Gross. Wenn sich Mathematiker mit verknoteten Haaren beschäftigen Büstenhalter als Gesichtsmaske, Selbstversuch mit knackenden Fingerknöcheln. Es gibt nichts, was man nicht erforschen könnte. Marc Abrahams sammelt solche skurrilen Fälle. Ozeanografie, auch er ein Gast von Abrahams. Raymer hat mathematisch bewiesen, was jeder aus dem Alltag kennt: Schnüre, Bänder oder Haare ver- knoten sich irgendwann immer. Bodnar legte dem jungen Forscher das Körbchen über Mund und Nase und fixierte die kleidsame Maske mit dem Schulterträger hinter seinem Kopf. Die witzige Idee hat einen ernsten Hintergrund. «Bodnar stammt aus der Ukraine. Sie hat nach dem Reaktor- unfall von Tschernobyl Strahlungsopfer behandelt», sagt Abrahams. «Heute wis- sen wir, dass die radioaktive Strahlung kaum über die Haut eingedrungen ist, sondern die Menschen gefährliche Par- tikel einatmeten.» Hätten die Betroffe- nen 1986 schnell verfügbare Gesichts- masken gehabt, wären sie nicht so schwer erkrankt. 44 000-mal Knöchel geknackt Donald Unger aus Thousand Oaks in Kalifornien ging es mit seinem ausser- gewöhnlichen Langzeitversuch um ein persönliches Anliegen. Er widerlegte in einem mehr als 60 Jahre andauernden Experiment seine Mutter. Sie habe zu ihm stets gesagt: «Wenn du mit den Knöcheln knackst, bekommst du Arthri- tis.» Daraufhin knackte Unger zweimal täglich mit den Knöcheln seiner linken Hand, indem er die einzelnen Finger lang zog, insgesamt knapp 44 000-mal. Die Finger der rechten Hand verschonte er. Erfreulicherweise sind nach wie vor die Gelenke sämtlicher Finger des Im- munologen gesund. «Du hattest Un- recht», rief Unger bei der Pressekonfe- renz pathetisch mit einem Blick in den Himmel zu seiner bereits verstorbenen Mutter. www.improbable.com Von Anke Fossgreen Wenn Marc Abrahams zu einer Presse- konferenz einlädt oder Vorträge mode- riert, strömen Journalisten und Wissen- schaftler gleichermassen in Scharen zu ihm. Der Grund: Es gibt etwas zu la- chen. So geschah es auch kürzlich bei der Jahrestagung der amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissen- schaften in San Diego. Abrahams gibt die sehr spezielle Zeitschrift «Annals of Improbable Re- search» heraus. Darin sammelt der studierte Mathematiker obskure For- schungsergebnisse, die auf den ersten Blick lustig, skurril oder aber völlig überflüssig klingen. Sein analytisch- ironischer Blick auf die Wissenschaft ist inzwischen Kult. Weltbekannt ist der 54-Jährige zudem durch seine jährliche Show, bei der er an der Harvard Univer- sity in Cambridge bei Boston zehn «Ig- Nobelpreise» verleiht. Nobelpreise für die Forschung, die «ignoble», also «un- ehrenhaft» ist. «Ich möchte, dass die Leute erst lachen und dann denken», erklärt Abrahams sein Erfolgsrezept. Das beste Beispiel dafür ist die letztjährige Ig-Nobelpreis- Trägerin für «Gesundheit», Elena Bod- nar von der Universität in Chicago. Die Medizinerin stellte in San Diego eine von ihr entwickelte aussergewöhnliche Gesichtsmaske vor. «Sie schützt davor, bei Feuer, Explosionen oder bestimm- ten Bomben giftige Stoffe einzuatmen», so Bodnar. Körbchengrösse ist egal Der Vorteil ist, jede Frau kann diese Ge- sichtsmaske immer dabei haben und zu- sätzlich einen anderen Menschen schüt- zen. Das Besondere: Der Atemschutz wird in wenigen Sekunden aus einem Büstenhalter gebastelt. Die Körbchen- grösse sei dabei egal, Hauptsache der Stoff bedecke gleichzeitig Mund- und Nase. Das rote Satin-Dessous, das die at- traktive Ärztin – nachdem sie geschickt einige Haken und Ösen gelöst hatte – aus ihrem Pullover zog, erfüllte alle Bedin- gungen. Testperson war Dorian Ray- mer, Student am Scripps-Institut für Frau mit verknoteter modischer Frisur. Doch Haare verknoten sich irgendwann immer, auch ohne Beihilfe. Foto: Fotex

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Page 1: Wenn sich Mathematiker mit verknoteten Haaren beschäftigen€¦ · John Paul Stapp hatte jedoch berech-net, dass der Mensch weit mehr G ertra-gen könnte. Nach zahlreichen Versu-chen

40 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 4. März 2010

Wissen

«Für Murphys Gesetz gab es einen Ig-Nobelpreis für Ingenieure»

rum angebracht, sodass die Messungnach einem Testlauf nichts anzeigte. Da-raufhin sagte Murphy verärgert: «Wennes eine Möglichkeit gibt, etwas falsch zumachen, machen sie es falsch.»

Und das war dann Murphys Gesetz?Es ist nicht ganz klar, wer es dann ver-breitet hat. Vermutlich hat Stapp an ei-ner Pressekonferenz auf eine Journalis-tenfrage hin gesagt: «Das ist so, wegenMurphys Gesetz.» Stapps Versuchen ha-ben wir übrigens die Sicherheitsgurte inFlugzeugen und Autos zu verdanken.

Ist das Ihr Hauptberuf, die «Annalsof Improbable Research» heraus-zugeben?Ja, ich hatte früher eine kleine Software-firma. Doch dann boten die Vorgängermir an, das Journal zu übernehmen. Ichhabe es dann 1994 völlig neu gestaltet.

Können Sie davon leben?Es geht. Reich wird man davon nicht.Ich schreibe auch Kolumnen für ver-schiedene Zeitungen und mache Shows,zum Beispiel einmal jährlich in Gross-britannien oder hier auf der Jahresta-gung der amerikanischen Vereinigungzur Förderung der Wissenschaften. Ichwürde übrigens auch gerne einmal indie Schweiz kommen.

hen, woher Murphys Gesetz kommt,also die Aussage: «Alles, was schiefge-hen kann, geht schief.» Der Ausspruchstammt aus den 1940er-Jahren.

Das müssen Sie genauer erklären.Was haben Ingenieure damit zutun?Ed Murphy war ein Ingenieur. Er kamdamals für einige Tage zur Edwards AirForce Base nach Kalifornien. Dort tes-tete ein Team, wie viel G, also wie vielSchwerkraft ein Mensch aushaltenkann (1 G entspricht dem Körperge-wicht, Anm. d. Red.). Bis zum ZweitenWeltkrieg nahmen die Experten an,dass Piloten höchstens 18 G ertragenkönnen. Der Mediziner und IngenieurJohn Paul Stapp hatte jedoch berech-net, dass der Mensch weit mehr G ertra-gen könnte. Nach zahlreichen Versu-chen mit einer Testpuppe setzte er sichselber auf einen Schlitten mit Raketen-antrieb, um am eigenen Leib die Ge-schwindigkeit zu erfahren. Er wurdeberühmt als der schnellste Mensch derWelt.

Und was war Murphys Rolle dabei?Murphy brachte spezielle Messgerätemit, die am Helm von Stapp die Ge-schwindigkeit erfassen sollten. SeineMitarbeiter hatten sie aber verkehrt he-

Warum?Die Preisverleihung garantiert den Wis-senschaftlern und ihren Teams einegrosse Aufmerksamkeit. Im letzten Jahrbekamen beispielsweise Schweizer For-scher den Friedens-Ig-Nobelpreis. Siehatten den Grad der Kopfverletzung un-tersucht nach einem Schlag mit einervollen oder leeren Bierflasche.

Darüber haben wir berichtet. Werwählt die Preisträger aus?Daran sind über 100 Leute beteiligt.Aber im Prinzip kann jeder mitstim-men. Es kommt auch nicht darauf an,ob die Forschung neu ist.

Wie alt dürfen denn die Forschungs-ergebnisse sein?Wir haben 2003 einen Ig-Nobelpreis fürIngenieurswissenschaften dafür verlie-

Marc Abrahams sagt, dassdie Wissenschaftler nichtbeleidigt seien, wenn sie denNobelpreis für unehrenhafteForschung bekämen.

Mit Marc Abrahams sprachAnke Fossgreen

In diesem Jahr wird die Ig-Nobel-preis-Verleihung zum 20. Malstattfinden. Wird das, wenn man solange im Geschäft ist wie Sie, nichtlangweilig?Nein, das wird überhaupt nicht langwei-lig. Und wir werden uns zum Jubiläumetwas ganz Besonderes ausdenken.Letztes Jahr war das Motto «Risiko».Dieses Jahr wird es etwas mit «Bakte-rien» werden.

Der Ig-Nobelpreis ist ja eine zweifel-hafte Auszeichnung. Sind die For-scher beleidigt, die ihn bekommen?Nein, überhaupt nicht. Aber wir verlei-hen den Preis auch nur an Wissen-schaftler, die zustimmen. Wer ihn nichtwill, bekommt ihn auch nicht. Es istaber eher umgekehrt, dass einige For-scher sehr erpicht darauf sind, denPreis zu erhalten.

Marc AbrahamsDer 54-Jährige gibt dieamerikanische Zeit-schrift «Annals of Im-probable Research»heraus und verleihtjedes Jahr den Nobel-preis für unehrenhafteForschung.

Nachrichten

Gentech-Pflanzen

EU erlaubt Anbau der

Stärkekartoffel Amflora

Die EU hat nach jahrelangem Ringendem Chemiekonzern BASF den Anbauder gentechnisch veränderten KartoffelAmflora erlaubt. Die Industriekartoffelzur Stärkeproduktion darf bei Einver-ständnis der EU-Staaten heuer inEuropa auf den Acker kommen. Die be-sonders viel Stärke produzierende Am-flora ist für den menschlichen Verzehrnicht geeignet. Sie soll in der Papier-,Garn- und Klebstoffindustrie eingesetztwerden. Die Kartoffel enthält ein Mar-ker-Gen, das Antibiotikaresistenz an-zeigt. Mehrfach untersuchte die EU-Be-hörde für Lebensmittelsicherheit ihreAuswirkungen und kam zum Ergebnis,dass keine Schäden für die Umwelt oderdie Gesundheit zu befürchten seien.Greenpeace sprach von einer schockie-renden Entscheidung. Die Kommissionignoriere die ökologischen und gesund-heitlichen Risiken von Amflora. (SDA)

Das Besondere an demAtemschutz ist, dass erin wenigen Sekundenaus einem Büstenhaltergebastelt wird.

Das Spiel mit denTageslängen

Die Geschwindigkeit derErdrotation variiert ständig,nicht nur nach Erdbebenwie jenem in Chile.

Von Martin LäubliEs ist eine Zahlenspielerei, die faszi-niert: Das Erdbeben in Chile soll dieErdachse um 8 Zentimeter verschobenhaben. Das berechneten Wissenschaft-ler der Nasa aus Positionsdaten, gemes-sen auf der Erde und aus dem Weltall.Sie schätzten, dass die Tage künftig1,26 Mikrosekunden kürzer sind, gutein Millionstel einer Sekunde. Es istnicht dieser unbedeutende Bruchteil ei-nes Momentes, der uns etwas Tageszeitkosten soll. Beeindruckend ist die Kraftdes kurzen regionalen Zitterns, das denKörper der ganzen Erde bewegt hat.

Jedes Beben verändert RotationUnd es ist das Phänomen, dass grosseBeben nicht gesetzmässig einen stärke-ren Ruck auf die Erdachse ausübenmüssen. Das chilenische Beben warschwächer als jenes auf Sumatra 2004.Trotzdem verschob die Naturkatastro-phe in Indonesien die Erdachse einenZentimeter weniger, nach den Modell-rechnungen der Forscher. Das ist er-klärbar: Jedes Erdbeben verändert dieErdrotation, weil jedes Mal Erdkruste,also Masse verschoben wird. Da in Chilein den mittleren Breiten die Erde bebte,war der Effekt auf die Erdachse stärker.Hier schiebt sich die Pazifische Platteunter die Südamerikanische – dieseMassenverschiebung in Richtung Erd-mittelpunkt bringt die Erdachse aus derRuhe. Das Epizentrum auf Sumatra laghingegen am Äquator, also weiter wegvom Erdmittelpunkt, weil die Erde eineabgeflachte «Kugel» ist.

Hinzu kommt, so die amerikanischenForscher, dass der Bruch zwischen denPlatten in Chile steiler verläuft als aufSumatra, also mehr Masse in RichtungErdmittelpunkt verschoben wird. Erd-platten gleiten allerdings nicht immerRichtung Erdmittelpunkt hinunter, siekönnen sich auch erheben. Dann wirddie Erdrotation verlangsamt, und dieTage werden länger. Deshalb sagt sichder deutsche Seismologe WinfriedHanka: «In der Summe dürfte sichnichts verändern.»

Wind spielt grössere RolleDoch grundsätzlich ist es nicht ausser-gewöhnlich, wenn sich die Erdachseverschiebt. Die Tageslängen würdensich ständig ändern, so der Nasa-For-scher Richard Gross. Und der Windspielt dabei eine weit grössere Rolle alsErdbeben. Der Effekt könne bis zu300-mal stärker sein. In einem Jahr, indem das Wetterphänomen El Niñowirkt, dreht sich die Erde wesentlichlangsamer, weil die Verteilung der Luft-massen und die Meeresströmungen sichmerklich verändern, wie Nasa-Wissen-schaftler vor wenigen Jahren feststell-ten. Die Tagesdauer variiert um Tau-sendstelsekunden. Es sei wie bei einemPneu, der wobbelt, wenn er nicht genü-gend gepumpt sei, sagt Nasa-Wissen-schaftler Richard Gross.

Wenn sich Mathematiker mitverknoteten Haaren beschäftigenBüstenhalter als Gesichtsmaske, Selbstversuch mit knackenden Fingerknöcheln. Es gibt nichts,

was man nicht erforschen könnte. Marc Abrahams sammelt solche skurrilen Fälle.

Ozeanografie, auch er ein Gast vonAbrahams. Raymer hat mathematischbewiesen, was jeder aus dem Alltagkennt: Schnüre, Bänder oder Haare ver-knoten sich irgendwann immer.

Bodnar legte dem jungen Forscherdas Körbchen über Mund und Nase undfixierte die kleidsame Maske mit demSchulterträger hinter seinem Kopf.

Die witzige Idee hat einen ernstenHintergrund. «Bodnar stammt aus derUkraine. Sie hat nach dem Reaktor-unfall von Tschernobyl Strahlungsopferbehandelt», sagt Abrahams. «Heute wis-sen wir, dass die radioaktive Strahlung

kaum über die Haut eingedrungen ist,sondern die Menschen gefährliche Par-tikel einatmeten.» Hätten die Betroffe-nen 1986 schnell verfügbare Gesichts-masken gehabt, wären sie nicht soschwer erkrankt.

44000-mal Knöchel geknacktDonald Unger aus Thousand Oaks inKalifornien ging es mit seinem ausser-gewöhnlichen Langzeitversuch um einpersönliches Anliegen. Er widerlegte ineinem mehr als 60 Jahre andauerndenExperiment seine Mutter. Sie habe zuihm stets gesagt: «Wenn du mit den

Knöcheln knackst, bekommst du Arthri-tis.» Daraufhin knackte Unger zweimaltäglich mit den Knöcheln seiner linkenHand, indem er die einzelnen Fingerlang zog, insgesamt knapp 44 000-mal.Die Finger der rechten Hand verschonteer. Erfreulicherweise sind nach wie vordie Gelenke sämtlicher Finger des Im-munologen gesund. «Du hattest Un-recht», rief Unger bei der Pressekonfe-renz pathetisch mit einem Blick in denHimmel zu seiner bereits verstorbenenMutter.

www.improbable.com

Von Anke FossgreenWenn Marc Abrahams zu einer Presse-konferenz einlädt oder Vorträge mode-riert, strömen Journalisten und Wissen-schaftler gleichermassen in Scharen zuihm. Der Grund: Es gibt etwas zu la-chen. So geschah es auch kürzlich beider Jahrestagung der amerikanischenVereinigung zur Förderung der Wissen-schaften in San Diego.

Abrahams gibt die sehr spezielleZeitschrift «Annals of Improbable Re-search» heraus. Darin sammelt derstudierte Mathematiker obskure For-schungsergebnisse, die auf den erstenBlick lustig, skurril oder aber völligüberflüssig klingen. Sein analytisch-ironischer Blick auf die Wissenschaft istinzwischen Kult. Weltbekannt ist der54-Jährige zudem durch seine jährlicheShow, bei der er an der Harvard Univer-sity in Cambridge bei Boston zehn «Ig-Nobelpreise» verleiht. Nobelpreise fürdie Forschung, die «ignoble», also «un-ehrenhaft» ist.

«Ich möchte, dass die Leute erst lachenund dann denken», erklärt Abrahamssein Erfolgsrezept. Das beste Beispieldafür ist die letztjährige Ig-Nobelpreis-Trägerin für «Gesundheit», Elena Bod-nar von der Universität in Chicago. DieMedizinerin stellte in San Diego einevon ihr entwickelte aussergewöhnlicheGesichtsmaske vor. «Sie schützt davor,bei Feuer, Explosionen oder bestimm-ten Bomben giftige Stoffe einzuatmen»,so Bodnar.

Körbchengrösse ist egalDer Vorteil ist, jede Frau kann diese Ge-sichtsmaske immer dabei haben und zu-sätzlich einen anderen Menschen schüt-zen. Das Besondere: Der Atemschutzwird in wenigen Sekunden aus einemBüstenhalter gebastelt. Die Körbchen-grösse sei dabei egal, Hauptsache derStoff bedecke gleichzeitig Mund- undNase.

Das rote Satin-Dessous, das die at-traktive Ärztin – nachdem sie geschickteinige Haken und Ösen gelöst hatte – ausihrem Pullover zog, erfüllte alle Bedin-gungen. Testperson war Dorian Ray-mer, Student am Scripps-Institut für

Frau mit verknoteter modischer Frisur. Doch Haare verknoten sich irgendwann immer, auch ohne Beihilfe. Foto: Fotex