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Wertorientiertes Supply Chain Management

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Wertorientiertes Supply Chain Management

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Andreas Sennheiser ∙ Matthias Schnetzler † Editors

Wertorientiertes Supply Chain Management

Strategien zur Mehrung und Messung des Unternehmenswertes durch SCM

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Paul Schönsleben und Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl

Mit 133 Abbildungen und 16 Tabellen

123

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Dr. Andreas Sennheiser Hilti Corporation Feldkirchstraße 100 9494 Schaan Liechtenstein [email protected]

Dr. Matthias Schnetzler †

ISBN 978-3-540-74530-3 e-ISBN 978-3-540-74531-0 DOI 10.1007/978-3-540-74531-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über-setzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung,der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenver-arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berech-tigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Waren-zeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 9 8 7 6 5 4 3 2 1 springer.com

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Jene, die die Praxis ohne Wissenschaft vorziehen, sind wie Schiffer, die ohne Steuerruder

und ohne Kompass zu Schiffe gehen, sie sind nie sicher, wohin sie gelangen.

Die Praxis soll stets auf gute Theorie aufgebaut sein.

Leonardo da Vinci

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Lieber Matthias,

in unzähligen, spannenden und lustigen Stunden haben wir zu-sammen dieses Buch geschrieben. Dein Herzblut steckt in jeder Zeile dieses Werks und dein Wissen sowie deine Persönlichkeit haben mich maßgeblich in den letzten sieben Jahren geprägt. Deine Gedanken sind unsterblich, auch wenn du dieses Buch niemals selber in den Händen halten kannst. Du warst ein Freund, ein Vorbild, ein wundervoller Mensch. Ich danke dir dafür, denn in meinem Herzen lebst du weiter.

Dein Andreas

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Geleitwort

Die dramatischen Veränderungen in der produzierenden Industrie sind seit Beginn der 1990er Jahre nicht zum Stillstand gekommen. Die Globali-sierung der Wirtschaft ist mittlerweile Realität. Junge aggressive Indust-rienationen streben mit Billigimporten in scheinbar unangreifbare Märk-te. Immer drängender stellt sich die Frage nach den Überlebensstrategien für die Produktionsunternehmen, die in Hochlohnländern beheimatet sind. Neben einer überlegenen Funktionalität ihrer Produkte, der techno-logischen Exzellenz und einem produktintegrierten Service ist eine Erfolg versprechende Strategie die zuverlässige Beherrschung der Lieferketten.

Die Autoren greifen den letztgenannten Ansatz unter dem Begriff Supply Chain Management (SCM) auf, erweitern ihn aber unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung für das Unternehmen. Damit heben sie SCM deutlich über die noch vielfach zu beobachtende Auffassung als eine reine Dienstleistungsfunktion hinaus. Sie machen deutlich, dass erhebliche kundenseitige Potenziale in der Lieferzuverlässigkeit, Liefer-durchlaufzeit und Flexibilität liegen, während die unternehmensseitigen Potenziale aus dem Umlaufvermögen, dem Kostenmanagement, den Materialflusskosten und den Informationsflusskosten zu schöpfen sind.

Aus diesem Grundverständnis entfalten die Autoren einen Bezugs-rahmen des SCM mit einer normativen, strategischen und operationellen Ebene, die zueinander durch Rückschleifen im Sinne eines ständigen Lernprozesses zueinander in Beziehung stehen. Als Ziel des SCM gilt die Wertsteigerung, Leistungssteigerung und Strategieorientierung im Sinne der Potenzialerschließung.

Die Autoren beschränken sich aber nicht auf die zunächst allgemeinen strukturellen Überlegungen, sondern konkretisieren jeden der Teilaspek-te in erfreulicher Detaillierung. Ausgehend vom Begriff des Unterneh-menswertes zeigen sie auf, wie durch die Logistik-Werttreiber hoher Umsatz, tiefer Kapitaleinsatz und tiefe operationelle Kosten dessen Steigerung bewirkt wird. Als logische Reihenfolge ergeben sich daraus

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X Geleitwort

die Zielbereiche der SCM mit den Begriffen Qualität, Lieferzuverlässig-keit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Investitionen und operationelle Kosten. Jeder dieser Begriffe wird auf die Grundprozesse Beschaffung, Produktion und Distribution projiziert und anschließend nach den Pro-duktionsfaktoren Material, Information und Kapazitäten weiter unter-gliedert. Im Sinne eines Performance Management entwickeln die Auto-ren dann widerspruchsfreie Leistungsgrößen für die Einzelprozesse und stellen ihnen jeweils Lösungsansätze gegenüber. Die damit definierten Kennzahlen werden dann in den Regelkreis des operationellen Perfor-mance Managements eingebunden.

Bei der Anwendung dieser Kennzahlen stellt sich immer die Frage, in-wieweit sie denn „gut“ oder „schlecht“ im Sinne der Wertsteigerung und der Wettbewerbsposition sind. Hierzu hat sich vielfach das Benchmar-king bewährt, mit dessen Hilfe sich ähnliche Unternehmen vergleichen. Das Problem besteht in der Definition der Ähnlichkeit. Hier schlagen die Autoren einen Merkmalskatalog vor, der nach Auftragstypen gegliedert ist und durch umfangreiche Befragungen abgesichert wurde. Jedem der Auftragstypen ordnen sie eine Kennzahlenempfehlung zu und geben damit wertvolle Hinweise nicht nur für die Auswahl von Benchmarking-Partnern, sondern auch für eine sinnvolle Anzahl von Spitzenkennzahlen für das eigene Unternehmen.

Abschließend beschreiben die Autoren die Entwicklung und Umset-zung einer Supply Chain Strategie und verknüpfen diese einerseits mit der Unternehmensstrategie, der Unternehmenssituation sowie der Stel-lung im Wertschöpfungsnetzwerk und andererseits mit dem zuvor ent-falteten normativen und operationellen SCM. Ein gut strukturierter Vor-gehensplan unterstützt diesen Prozess in vorbildlicher Weise. Seine Ergänzung findet er in zwei sorgfältig dokumentierten Fallstudien.

Hervorzuheben ist schließlich die als Anhang gestaltete Sammlung von Best Practices, die den Leser in konzentrierter Form mit den Grund-gedanken der jeweiligen Methode vertraut macht und die Beziehung zu den vorher entwickelten Leistungskennzahlen herstellt.

Insgesamt stellt das Buch eine systematische und praxisnahe Einfüh-rung in das Thema Logistikmanagement dar, gibt konkrete Anregungen für ein logistisches Kennzahlensystem und enthält eine ausführliche Lite-raturübersicht der jeweiligen Teilthemen. Damit wird es zu einem Leitfa-den und einer Fundgrube für alle an der Logistik Interessierten, seien es Praktiker, Studierende oder in der Forschung Tätige. Wir wünschen dem Buch weite Verbreitung und eine interessierte Leserschaft.

Zürich und Hannover, im Juli 2007 Prof. Dr. Paul Schönsleben und Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl

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Vorwort

1.1 Für wen ist dieses Buch gedacht?

Welches ist der Wertbeitrag von Logistik und Supply Chain Management (SCM) im Unternehmen? Wie kann die Logistik-/SCM-Leistung ge-messen, verglichen und verbessert werden? Wie können Supply Chain-Strategien entwickelt und mittels strategischer SCM-Projekte und Ver-besserungsmaßnahmen operationalisiert werden, so dass diese die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie optimal unterstützen? Welche Konzepte, Best Practices, Methoden und Techniken des SCM und der Logistik sollen eingesetzt werden, um die Potenziale des SCM zu heben?

Das Buch möchte Ihnen helfen, diese Fragen zu beantworten, denn SCM spielt eine bedeutende Rolle für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Daher soll das „M“ im Wort „SCM“, also das Management, entsprechend konsequent wahrgenommen und „SC“, die Supply Chain, als wertvolle Ressource betrachtet werden.

Das vorliegende Werk ist ein Versuch, das zum Teil recht abstrakt be-handelte Thema des SCM von einer praxisorientierten Sichtweise her zu beleuchten, ohne die angebrachte theoretische Tiefe zu verlieren. Wir möchten daher Leserinnen und Leser ansprechen, die nicht ganz uner-fahren im Bereich der Logistik sind, in ihrem Unternehmen aber eine wachsende Bedeutung der Logistik erkennen und Ideen zur optimalen Ausrichtung des SCM suchen. Das Buch richtet sich daher an Verant-wortliche, Projektleiter und -mitarbeiter aus den Bereichen SCM, Logis-tik, Beschaffung und Operations, aber auch an Wissenschafter, Berater und Studierende.

Wir möchten mit diesem Buch Ideen und Anstöße geben, wie SCM einen entscheidenden Mehrwert zu generieren vermag und wie das Po-tenzial von SCM auch fachfremden Personen im Unternehmen veran-schaulicht werden kann. Dafür ist tiefes Fachwissen ebenso wichtig wie

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XII Vorwort

eine managementorientierte Sprache in der Vermittlung der Zusam-menhänge. Die Beispiele und theoretischen Ausführungen in diesem Buch können helfen, diesen Spagat erfolgreich zu meistern und SCM als Wert mehrende Tätigkeit im Unternehmen zu verankern.

1.2 Was enthält dieses Buch?

Es gibt theoretische Abschnitte, praxisorientierte Theorie und auch Pra-xisbeispiele über die verschiedenen Kapitel verteilt. Um Ihnen das Lesen zu erleichtern sind im Kurzinhaltsverzeichnis jene Abschnitte, welche das jeweilige Thema theoretisch behandeln mit „Theorie“ markiert. Pra-xisorientierte Theorie ist in den Kapiteln mit der Markierung „Pra-xis/Theorie“ gekennzeichnet. Die Fallstudien im letzten Teil dieses Bu-ches markieren den Praxisteil und sind mit „Praxis“ gekennzeichnet. Die folgende Tabelle soll Ihnen einen Überblick geben.

Kurzinhaltsverzeichnis

Kapitel Fragestellung und Stichworte Theorie/ Praxis

1. Supply Chain Management – eine Einleitung

Was ist SCM? Welche Ziele werden verfolgt? Welches sind die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit? SCM, Logistik, Wettbewerbsvorteile, integ-riertes SCM

Theorie

2. Wertorientie-rung: Generierung von Unterneh-menswert durch SCM

Welches ist der Wertbeitrag von Logistik und Supply Chain Management (SCM) im Unternehmen? Economic Value Added (EVA) Ursache und Wirkungen, Axiomatic Design

Praxis/ Theorie Theorie

3. Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Wie können systematisch Ziele und Mittel von SCM miteinander in Beziehung gesetzt und operationalisiert werden? Ziel-Mittel-System von SCM, Best Practices, Konzepte, Methoden, Techniken des SCM

Praxis/ Theorie

4. Leistungsorien-tierung: Supply Chain Performan-ce Management

Wie kann die Logistik-/SCM-Leistung ge-messen, verglichen und verbessert werden? Kennzahlen, Benchmarking, Best Practices

Praxis/ Theorie

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Vorwort XIII

5. Strategieorien-tierung: Strategi-sches SCM

Wie können Supply Chain-Strategien entwi-ckelt werden, welche die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie optimal unterstützen? Supply Chain-Strategien, Erfolgspotenziale, Entwicklung und Operationalisierung von Supply Chain-Strategien Methodik zur Entwicklung und Implemen-tierung von Supply Chain-Strategien, An-wendungsmöglichkeiten der Methodik

Theorie Praxis/ Theorie

6. Fallstudien Wie kann die Anwendung der Methodik exemplarisch veranschaulicht werden? Fallstudien zum Benchmarking und zur Anwendung der SCVD

Praxis

1.3 Wie ist dieses Buch entstanden?

Dieses Buch ist das Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit beider Autoren am ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI). Die Basis dieses Werkes waren zwei Dissertationen, in deren Ausarbeitung Beratungsmandate, Forschungsprojekte und Diplomarbeiten eingegan-gen sind. Zusätzlich ist die Erfahrung von einigen Jahren Beratungs- und Praxistätigkeit mit eingeflossen. Die vorliegende Arbeit entstand im Zu-sammenhang mit dem Forschungsprojekt ProdChain „Development of a decision support methodology to improve logistics performance of glob-ally acting production networks“. ProdChain ist ein EU-gefördertes, in-ternationales Forschungsprojekt im „Information, Technology and Socie-ty (IST)“-Programm (IST-2000-61205) mit einer Laufzeit von März 2002 bis September 2004 unter Beteiligung von acht Industriepartnern aus der Schweiz, aus Deutschland, Italien, Spanien und Holland, sowie drei For-schungsinstituten (BWI ETH Zürich, FIR RWTH Aachen und ITIA-CNR Milano) bei einem Projektvolumen von 5.81 Mio. Euro. Zudem wurde mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) eine Kooperation durchgeführt. Das Ziel von ProdChain war die Entwick-lung einer Entscheidungsunterstützung („Toolbox“) zur Verbesserung der Logistikleistung in Wertschöpfungsnetzwerken.

Wer hat zu diesem Buch beigetragen? Die Arbeit war nur dank der Unterstützung vieler Menschen möglich. Bei ihnen möchten wir uns bedanken. Unser herzlicher Dank gilt unserem

Kurzinhaltsverzeichnis Fortsetzung

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XIV Vorwort

Doktorvater Prof. Dr. Paul Schönsleben vom Zentrum für Unterneh-menswissenschaften (BWI) der ETH Zürich sowie Prof. Dr.-Ing. E.h. mult. Dr. sc. h.c. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl, Institutsleiter a.D. des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik IFA der Universität Hannover, für Ihre Unterstützung der Dissertationen und des Buchprojekts. Wir danken Prof. Dr. Roman Boutellier, ETH Zürich, für das eine Korreferat. Großer Dank gebührt auch allen Partnern und Unterstützern des Prod-Chain-Projekts für die wertvolle Zusammenarbeit, den Fallstudienpart-nern Sennheiser electonic und Sigpack Systems sowie Dipl.-Ing. Uwe Vogt (Lehrstuhl für Fertigungstechnologie, Friedrich-Alexander-Uni-versität Erlangen-Nürnberg) für die Grundlagen, die er im Rahmen sei-ner Diplomarbeit geschaffen hat. Unseren Kollegen vom BWI der ETH Zürich danken wir für die zahlreichen interessanten Gespräche und die freundschaftliche Zusammenarbeit. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn Thomas Lehnert und Frau Ulrike Butz, danken wir vielmals für die Ermöglichung der Publikation.

Zu ganz besonderem Dank sind wir unseren Angehörigen für ihre Un-terstützung verpflichtet.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Buches und hof-fen, dass es Sie zu noch besseren Ideen inspiriert!

Chur und Zürich, Juli 2007

Dr. Andreas Sennheiser und Dr. Matthias J. Schnetzler

PS: Ist dieses Buch wissenschaftlich? Ein Hinweis in Sachen „Wissenschaftlichkeit“: Da sich das Buch in erster Linie an interessierte Praktiker richtet, wurde für eine bessere Lesbarkeit auf Fußnoten und Quellenangaben im Text verzichtet. Am Ende der Ka-pitel sind jedoch die Quellen und weiterführende Literatur angegeben. Weiter sei hier auf die beiden Dissertationen verwiesen: Sennheiser, A. (2004): Determinant-based selection of benchmarking partners and per-formance indicators. Dissertation ETH Zürich. Schnetzler, M. (2005): Kohärente Strategien im Supply Chain Management – eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien. Disser-tation ETH Zürich.

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Inhaltsverzeichnis

1 Supply Chain Management – eine Einleitung ............................. 1 1.1 Einleitung ............................................................................... 1 1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik? ... 2 1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?............... 7 1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource:

Integriertes SCM und Controlling ....................................... 12 1.5 Ausblick auf die folgenden Kapitel ...................................... 18

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM ........................................................................................ 23 2.1 Der Wert von SCM ................................................................ 23

2.1.1 EVA ............................................................................. 29 2.1.2 Logistikleistung und EVA ......................................... 32 2.1.3 Warum Ursachen von Wirkungen

unterscheiden? ........................................................... 37 2.1.4 Methoden und Modelle zur Ursachen-

und Wirkungs-Analyse ............................................. 40 2.1.5 Zusammenfassung..................................................... 46

2.2 Axiomatic Design .................................................................. 46 2.2.1 Axiome und Design-Matrizen .................................. 46 2.2.2 Dekomposition und Designprozess ......................... 54 2.2.3 Zusammenfassung und Ausblick ............................. 56

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) ................... 61 3.1 Aufbau der SCVD .................................................................. 61

3.1.1 Einleitung: Zweck der SCVD und Überblick........... 61 3.1.2 Strategisches SCM...................................................... 65 3.1.3 Qualität ....................................................................... 71

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XVI Inhaltsverzeichnis

3.1.4 Lieferzuverlässigkeit.................................................. 73 3.1.5 Lieferdurchlaufzeit .................................................... 76 3.1.6 Flexibilität................................................................... 78 3.1.7 Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen) ...... 79 3.1.8 Operationelle Kosten................................................. 81

3.2 Die SCVD im Detail............................................................... 83 3.2.1 Strategisches SCM (FR-1) ......................................... 83 3.2.2 Qualität (FR-Q) .......................................................... 86 3.2.3 Lieferzuverlässigkeit (FR-R)..................................... 95 3.2.4 Lieferdurchlaufzeit (FR-L)........................................ 117 3.2.5 Flexibilität (FR-F) ...................................................... 135 3.2.6 Investitionen (FR-A) ................................................. 142 3.2.7 Operationelle Kosten (FR-C).................................... 155

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management..................................................................................... 181 4.1 Einführung ............................................................................. 182 4.2 Kennzahlen im operationellen Performance

Management .......................................................................... 188 4.2.1 Auswahl von Kennzahlen im Unternehmen........... 195 4.2.2 Erweiterung der SCVD.............................................. 196 4.2.3 Kennzahlwerte und deren Interpretation ............... 218 4.2.4 Benchmarking als Prozess zur kontinuierlichen

Verbesserung ............................................................. 222 4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen

und Benchmarkingpartnern................................................. 251 4.3.1 Determinanten basiertes Benchmarking................. 251 4.3.2 Identifizierung von Benchmarkingpartnern

und Kennzahlen......................................................... 266 4.3.3 Kritische Beurteilung der Zuordnung

Kennzahlen zu den Typen ........................................ 276 4.3.4 Anwendung von Best Practices mit der SCVD ....... 277

4.4 Differenzierung zum strategischen Performance Management .......................................................................... 283

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM................................... 287 5.1 Supply Chain-Strategien und logistische

Erfolgspotenziale ................................................................... 287 5.1.1 Strategien in Unternehmen ...................................... 288 5.1.2 Supply Chain-Strategie ............................................. 289

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Inhaltsverzeichnis XVII

5.1.3 Logistische Erfolgspotenziale und SCM-Fähigkeiten................................................ 292

5.1.4 Effizienz, Effektivität und strategische Prioritäten .................................................................. 295

5.1.5 Eingangsgrößen einer Supply Chain-Strategie ....... 297 5.1.6 Strategien entwickeln ................................................ 298

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung von Supply Chain-Strategien ............ 300 5.2.1 Strategieentwicklung als Operationalisierung

von Zielen und Mitteln.............................................. 301 5.2.2 Beeinflussungen: potenzielle Zielkonflikte

und Synergieeffekte ................................................... 303 5.2.3 Implementierung ....................................................... 306 5.2.4 Fallbeispiel Dell.......................................................... 308

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien................................................ 312 5.3.1 Bausteine der Methodik ............................................ 312 5.3.2 „Intelligence“-Phase .................................................. 315 5.3.3 „Design“-Phase .......................................................... 323 5.3.4 „Choice“-Phase .......................................................... 330 5.3.5 „Implementation/Review“-Phase............................. 333

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik.......................... 338 5.4.1 Strategische SCM-Projekte initiieren

und umsetzen............................................................. 340 5.4.2 Verbesserungspotenziale erschließen...................... 341 5.4.3 Supply Chain Due Dilligence .................................... 342 5.4.4 Supply Chain-Segmentierung................................... 343 5.4.5 Erfolgreich IT einsetzen ............................................ 345 5.4.6 Ausblick: Nachhaltige

Unternehmensentwicklung ...................................... 347

6 Fallstudien........................................................................................ 351 6.1 Einleitung ............................................................................... 351 6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic....... 353 6.3 Fallstudie II: Benchmarking bei Sigpack Systems .............. 360 6.4 Vergleich der Fallstudien I und II zum Benchmarking ..... 365 6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD

bei Sennheiser electronic ...................................................... 367 6.5.1 Handlungsbedarf ....................................................... 367 6.5.2 Entwicklung und Implementierung

der Supply Chain-Strategie ....................................... 368

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XVIII Inhaltsverzeichnis

6.5.3 Ergebnisse und Erfahrungen .................................... 376 6.5.4 Zusammenfassung..................................................... 379

6.6 Schlussbetrachtung zu den Fallstudien............................... 380

Anhang ...................................................................................................... 383

Index .......................................................................................................... 445

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.

Chinesisches Sprichwort

1.1 Einleitung

Dieses Kapitel hat zum Ziel, das Thema Supply Chain Management (SCM) einzuleiten und einen kurzen Überblick über die weiteren Kapitel zu geben. In Abs. 1.2 wird auf den Begriff SCM und dessen Abgrenzung zu Logistik eingegangen. Was möchten wir in diesem Buch unter dem begriff „SCM“ verstehen? Wie hat sich SCM aus der unternehmensinter-nen Logistik entwickelt? Welche Trends stehen hinter dieser Entwick-lung? Im Zentrum von Abs. 1.3 steht die Frage, warum SCM ein Wettbe-werbsvorteil sein kann. Es werden die Zielbereiche von SCM erläutert und wie diese mit Markt- und Kundenanforderungen im Zusammenhang stehen. Hinzu kommen auch Zielbereiche der Kooperation. Einige inte-ressante Ergebnisse aus Unternehmensbefragungen unterstreichen die Bedeutung von SCM für den Unternehmenserfolg. Wenn die Wertschöp-fungskette eine wertvolle Ressource darstellt, muss das Management konsequent wahrgenommen werden. Dies ist Thema in Abs. 1.4, wo ein integriertes SCM-Modell vorgestellt wird, das Aktivitäten auf normativer, strategischer und operationeller Ebene einordnet und auf diese Weise einen Bezugsrahmen schafft. Damit ein Unternehmen einen Teil seines Erfolgs aus dem SCM schöpfen kann, muss es sicherstellen, dass die rich-tigen Werte verankert, die richtige Strategie und die richtigen Maßnah-men umgesetzt werden. In Abs. 1.5 werden im Überblick einige aktuelle Entwicklungen und Trends diskutiert. Die daraus resultierenden Heraus-forderungen werden in den folgenden Kapiteln aufgegriffen und lei- ten durch das Buch: Die SCM-Aktivitäten müssen danach ausgerichtet

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2 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

werden, dass sie zum Unternehmenswert beitragen (Wertorientierung), die SCM-Leistung muss gemessen und systematisch verbessert werden (Leistungsorientierung) und Supply Chain-Strategien müssen konse-quent entwickelt und umgesetzt werden (Strategieorientierung). Durch die Befolgung dieser Schritte kann sichergestellt werden, dass die Poten-ziale von SCM ausgeschöpft werden und es zum Unternehmenserfolg beiträgt.

1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik?

Verehrte Leserin, verehrter Leser, wo steht Ihr Unternehmen hinsichtlich SCM? Dieses Kapitel soll Ihnen dabei helfen, eine grobe Selbsteinschät-zung über den Entwicklungsstand des Logistikmanagements in Ihrem Unternehmen vorzunehmen. Ebenso möchten wir Ihnen die Frage stel-len, wo mittel- und langfristig die Bedeutung von SCM in Ihrem Unter-nehmen stehen soll? Überlegen Sie sich, welchen Schwerpunkt die be-triebliche Realität in Ihrem Unternehmen und Supply Chain hat und welcher Verständnisgrad zum Thema SCM in Ihrem Unternehmen vor-handen ist!

Die Frage, was SCM von der klassischen Logistik unterscheidet, ist si-cherlich ebenso oft gestellt wie unterschiedlich beantwortet worden. Dies zeigte sich eindrücklich in einem Gespräch unter Unternehmensvertre-tern im Rahmen einer Schulung des Supply Chain Council in Berlin im Jahr 2001. Obgleich alle Teilnehmer in ihrem Geschäftsalltag mit Logis-tik, bzw. SCM zu tun hatten gab es eine intensive Diskussion darüber, ob Logistik ein Teil von SCM sei oder andersherum, oder gar etwas ganz anderes. Nach ungefähr einer Stunde kristallisierte sich dabei heraus, dass die Frage falsch gestellt worden war. Sie hätte vielmehr lauten müs-sen: Was wollen wir gemeinsam unter SCM verstehen und was bedeutet dieses Verständnis für die einzelnen Funktionen in unseren Unterneh-men? Die vielfältigen in der Literatur anzutreffenden Definitionen sind somit nicht falsch oder richtig, sie passen einfach besser oder schlechter für einen bestimmten Anwendungskontext und für eine bestimmte Art zu denken. So beleuchten sie oft bestimmte Aspekte von SCM: Eine Supply Chain ist eine Kette von funktionalen Bereichen (Beschaffung, Produktion, Vertrieb), die über einen durchgängigen Materialfluss vom Lieferanten zum Endkunden miteinander verknüpft sind. Parallel dazu kommt der Informationsfluss. Die Supply Chain kann weiter als Kette miteinander verknüpfter Prozesse oder als System betrachtet werden.

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1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik? 3

Darüber hinaus geht der Netzwerkgedanke, der den Kooperationsaspekt einbezieht und anstelle einer linearen Kette ein Netzwerk betrachtet. Letztlich ist die Art, wie Menschen aufgrund ihres Verständnisses han-deln, bedeutend wichtiger als die definitorische Grundlage.

Wenn SCM bezüglich der angestrebten Wirkung hinterfragt wird, ist das Bild, welches sich ergibt, schon weitaus uniformer als wenn nach der Definition gefragt wird. Häufige Antworten sind: SCM schafft Vertrauen zu den Geschäftspartnern, verkürzt Lieferzeiten, erhöht die Flexibilität, macht Partnerschaften langfristiger und so weiter. Strenge Zeitgenossen beschränken SCM auf den eigentlichen Wortlaut und lassen nur das „Management“ einer Lieferkette gelten. Sämtliche ausführenden Prozes-se wären somit der „Logistik“ vorbehalten. Nichtsdestoweniger werden sehr operationelle Konzepte wie das Vendor Managed Inventory (VMI) als Errungenschaften des SCM bezeichnet. Und warum ist Kanban neu-erdings auch SCM, obgleich Toyota das Konzept schon in den 70er Jah-ren erfand, wo noch zwanzig Jahre lang niemand von SCM sprach? Es scheint vermessen, eine knappe Definition für ein Konzept mit derart vielfältigen Zielen zu verlangen. Hier liegt auch die Ursache für die Ver-wirrung bei der Beantwortung der Frage: Was ist SCM? Für den Einen steht der Kooperationsgedanke im Vordergrund, für den Anderen ist die elektronische Abwicklung von Transaktionen die bedeutendste Errun-genschaft von SCM. Letztendlich scheint eine Definition, welche gestützt auf Ziele und dazugehörigen Maßnahmen ist, viel adäquater.

Eine der am stärksten sichtbaren Neuerungen durch SCM ist die in-tensive Nutzung von Informationen zur Optimierung von operationellen Funktionen. Dies reicht von der Sammlung von Point of Sales Daten an den Kassen, über gemeinsame Vorhersageverfahren mit Lieferanten bis hin zur vollautomatischen Konfiguration von Bestellungen durch Kun-den und deren direkte Auftragsauslösung im Produktionsbetrieb. Diese Neuerungen wurden durch sind veränderte Kundenanforderungen not-wendig, aber erst mit neuen technischen Lösungsmöglichkeiten er-möglicht. Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre wurden vermehrt Wünsche von Endkonsumenten geäußert, welche vorher bestenfalls von institutionellen Käufern genannt worden waren. Der Kunde verlangte nach mehr Serviceleistung rund um das Produkt! Es musste individueller auf seine Wünsche zugeschnitten sein, schneller verfügbar sein und gleichzeitig den Preis eines Standardproduktes auf-weisen. Grundlage für die sehr schnelle Verbreitung diese Forderung in alle Bereiche hinein waren Unternehmen, welche diese Bedürfnisse schon früh zu befriedigen wussten, wie dies beispielsweise bei Dell der Fall ist. Die natürliche Reaktion der Unternehmen waren zunächst Fusi-onen und Allianzen. Seit einigen Jahren ist auch von der dynamischen

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4 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Kombination von Kompetenzträgern für einzelne Projekte die Rede. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen ihre Fähigkeiten zur Verfü-gung stellen und dass je nach aktueller Anforderung in eine Lieferkette integriert werden.

Somit muss SCM als Antwort auf die gestiegenen Anforderungen der Serviceleistung um das physikalische Produkt herum verstanden werden. Somit ist die vielfältige definitorische Verwirrung recht einfach erklärt. Durch unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Branchen ha-ben sich unterschiedliche Schwerpunkte und somit auch ein divergie-rendes Verständnis entwickelt. Die Eingangs gemachte Aussage, dass SCM über die damit verfolgten Ziele definiert werden müsse, wird damit klar bekräftigt.

Wir möchten in diesem Buch darauf verzichten einen weiteren Ver-such einer eigenen SCM-Definition zu machen. Nichtsdestoweniger scheinen uns einige Definitionen besonders zutreffend zu sein, indem sie mehrere Aspekte des SCM erfassen. Die erste stammt aus den Kinderta-gen des Begriffs SCM und wurde von Ellram (1991) formuliert:

“Supply Chain Management is an integrative approach to using infor-mation to manage the materials flow from suppliers to end-users to achieve improved customer service at reduced overall costs. SCM repre-sents a network of firms interacting to deliver a product or service to the end customer.”

Von Bedeutung erscheint uns, dass der Autor den Kundenfokus und die Nutzung von Informationen für das Erreichen besserer Leistung bei tieferen Kosten berücksichtigt. Des Weiteren wird in dieser Definition er-sichtlich, dass es sich nicht um eine lokale Maßnahme handelt, sondern immer um Konzepte, an denen zwei oder mehr Partner beteiligt sind.

Der Managementaspekt von SCM steht im Zentrum der folgenden De-finition:

SCM ist die langfristige und kooperative Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken.

Die Gestaltung der Wertschöpfungsketten und -netzwerke umfasst die Konfiguration, d. h. das Festlegen der Breite und Tiefe des Netzwerks (An-zahl der Partner u. a.) sowie des Zeithorizonts der Zusammenarbeit, die geographische Ausdehnung, die Art der Beziehungen sowie die rechtli-chen Verhältnisse. Neben der Konfiguration beinhaltet die Gestaltungs-aufgabe auch die Ausgestaltung der Kooperation hinsichtlich des Grades und der Art der Partnerschaft, der Ausrichtung auf Netzwerkstrategie und -interessen sowie Fragen des Vertrauens, der Offenheit der Kultur. Hier spielen auch Machtverhältnisse und allfällige Abhängigkeiten eine Rolle.

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1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik? 5

Die Koordination der Zusammenarbeit ist ein weiterer Aspekt der Gestal-tung: Sie bezieht sich auf die operationelle Abwicklung und Integration unternehmensübergreifender Prozesse, auf den Informationsaustausch zwischen den Partnern und die Kommunikation. Dazu kann beispielswei-se Informationstechnologie eingesetzt werden. Die Lenkung dient der Ausrichtung aller Aktivitäten im Zusammenhang mit SCM auf definierte Ziele. Dazu werden Supply Chain-Strategien erarbeitet und umgesetzt sowie Verbesserungspotenziale identifiziert und ausgeschöpft. Die Ent-wicklungsaufgabe bedeutet, das Wertschöpfungsnetzwerk längerfristig an veränderte Bedingungen (Kundenbedürfnisse, Marktumfeld, Konkurrent etc.) anzupassen, indem die Gestaltung und Lenkung entsprechend ver-ändert werden, beispielsweise durch Veränderungen bei der Partnern selbst (z. B. neue Lieferanten), aber auch bei den Zielen und Strategien.

Streng genommen haben Unternehmen früher auch schon auf verän-derte Kundenanforderungen reagiert. Es wurden schon in den 50er und 60er Jahren Arbeitsschritte an Spezialisten vergeben, natürlich ohne die-sem Vorgang den wohlklingenden Namen Outsourcing zu geben. Es wä-re daher auch möglich gewesen, den Begriff Logistik beizubehalten und die neuen, mit den gestiegenen Herausforderungen verbundenen Kon-zepte darunter abzuhandeln. Obgleich wir in diesem Buch meist von SCM sprechen, unterscheiden wir bewusst nicht zwischen Logistik und SCM, lediglich wenn von traditioneller Logistik (Spedition, Lagerung etc.) die Rede ist, werden bewusst die Kooperationskonzepte, welche in der jüngeren Vergangenheit entstanden sind, ausgeklammert.

SCM hat sich in mehreren Phasen aus der unternehmensinternen, tra-ditionellen Logistik heraus entwickelt (vgl. Abb. 1):

Abb. 1 Entwicklung des Logistikmanagements zum SCM

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6 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

In der Phase der Funktionalen Integration wurden zuerst die einzel-nen segmentierten Funktionen der Logistik (wie Beschaffung, Lagerhal-tung und Transport, Vertrieb) unabhängig voneinander konzipiert und optimiert. Verfahren zur Planung, Steuerung und Koordination unter-stützten dabei die Ausführung der einzelnen Funktionen. In einem wei-teren Schritt wurde man der Bedeutung der Verknüpfung dieser Funkti-onen miteinander durch den Material- und Informationsfluss gewahr. Die Logistikfunktionen wurden in der Folge zu umfassenderen Aufgaben integriert (beispielsweise zum Material-, Produktions- und Distributi-onsmanagement) und teilweise auch organisatorisch zu einem eigen-ständigen Subsystem der Unternehmen neben Forschung und Entwick-lung, Einkauf, Produktion und Vertrieb zentralisiert. Zielbereiche waren in erster Linie Durchlaufzeiten und Bestände. Später kam die Kosten-orientierung im Sinne einer Betrachtung der Gesamtkosten hinzu (Total Cost Management). Der Fokus dieser Phase lag auf der isolierten Opti-mierung von jedem Bereich.

Im Zuge der internen Integration wurden die verschiedenen Logistik-aufgaben ausgeweitet (beispielsweise Auftragsabwicklung, Beschaffung) und unternehmensweit miteinander verknüpft, so dass der Logistik eine Querschnittsfunktion zukam. Planung und Steuerung der Logistik wurde integriert durchgeführt. So entstand dann das integrierte Logistikmana-gement als ganzheitliche Managementaufgabe der Führung und Gestal-tung der betrieblichen Leistungserstellung. Später kam das sogenannte Performance Management zur Kontrolle und Steuerung der Leistungs-erstellung hinzu. Die zentrale Fragestellung ist der Aufbau von Prozess-ketten und die ganzheitliche Optimierung des Material- und Informati-onsflusses. Als Zielbereich stand die Lieferung (Lieferbereitschaft bzw. -treue) im Zentrum. Indem man sich der Bedeutung des Logistikma-nagements für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg eines Unter-nehmens bewusst wurde, traten strategische Gestaltungsaspekte in den Vordergrund. Dadurch erlangte die Logistik eine über die Querschnitts-funktion hinausreichende Bedeutung für die Koordination der Wert-schöpfungsaktivitäten bzw. der betrieblichen Leistungserstellung.

In der externen Integration wird nun die Logistik unternehmensüber-greifend mit Kunden und Lieferanten im Rahmen von Kooperationen zu Wertschöpfungsketten verbunden: dies ist der Kerngedanke und Inhalt von SCM. Das Logistikmanagement wurde somit unternehmensübergrei-fend. Das verbindende Element ist der unternehmensübergreifende Ma-terial- und Informationsfluss. Dabei gewinnen Aspekte der Kooperatio-nen stark an Bedeutung (und damit Fragen der Partnerschaft, der Kultur und des Vertrauens etc.). Im Zuge der Netzwerkorientierung fließt der Netzwerkgedanke ein: komplexe Wertschöpfungsnetzwerke treten an die

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1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein? 7

Stelle linearer Wertschöpfungsketten. In dieser Phase stehen Aufbau und Optimierung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken im Zentrum.

Reflektierend auf Ihr Unternehmen und Ihre Supply Chain, sind Sie nun sicherlich in der Lage, die Frage nach dem Entwicklungsstands der SCM in Ihrem Unternehmen zu beantworten.

Eine Studie von PRTM aus dem Jahr 2003, der eine vergleichbare Un-terscheidung von SCM-Entwicklungsphasen zugrunde liegt, zeigt, dass eine klare Mehrheit der Unternehmen sich in den ersten beiden Phasen befindet. Mit anderen Worten: Das Potenzial der externen Integration und damit des SCM ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Welche Trends stehen hinter dieser Entwicklung? Erstens verstärkt sich die Markt- bzw. Kundenorientierung fortlaufend, zusammen mit dem Trend zu System- und Modulbildung, kundenspezifischen Produk-ten und Serviceorientierung. Zweitens haben sich zahlreiche Verkäufer-märkte zu Käufermärkten entwickelt, womit ein intensivierender Wett-bewerb sowie eine Globalisierung der Beschaffungs- und Absatzmärkte einhergeht. Drittens nimmt die Komplexität und Dynamik der Märkte und Anforderungen zu (Beispiele: wirtschaftliche Entwicklungen in Ost-europa und Asien, insbesondere China; Produkte werden immer kom-plexer, individueller und mit Dienstleistungen gebündelt). Zudem wer-den aufgrund der technologischen Entwicklung Produktlebenszyklen immer kürzer. Dies führt zu einer Beschleunigung der Unternehmens-prozesse. Viertens haben rasante Fortschritte im Bereich der Informati-onstechnologie, insbesondere durch die Möglichkeiten des Internets, dazu geführt, dass der Informationsfluss entlang der Wertschöpfungs-kette auf effiziente Art unterstützt werden kann. Fünftens ist als Konse-quenz der Konzentration auf Kernkompetenzen und zunehmender Spe-zialisierung ein genereller Trend zu Kooperationen und Netzwerken zu beobachten.

1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?

SCM, wie oben eingeführt, ist also eine Antwort auf gestiegene Kunden-anforderungen. Von jeher waren und sind Unternehmen, welche entwe-der schneller auf ändernde Kundenbedürfnisse eingehen konnten oder diese sogar kreierten, erfolgreicher als träge oder rein reaktive Unter-nehmen. Wettbewerbsvorteile sind somit immer eng mit Kundenbedürf-nissen verknüpft. Während nach 1950 in Deutschland jedes Unterneh-men, das überhaupt irgendetwas liefern konnte, im Vorteil war, traten in den siebziger Jahren gestalterische Elemente in den Vordergrund. In den

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8 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

80er Jahren verkauften sich insbesondere Produkte mit technischer Über-legenheit. Heute stehen jene Produkte im Vordergrund, bei denen ein physisches Produkt mit Dienstleistungen bzw. Logistikleistungen, er-gänzt wird. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass in den 90er Jah-ren Unternehmen wie General Motors oder SIG bewusst die Logistik als neue, zum Teil noch zu schaffende, Kernkompetenz definiert haben. Ein Auto verkauft sich nicht mehr allein dadurch, dass es funktioniert und in ca. zehn Monaten geliefert wird. Ein Kunde fordert Individualität zu den Kosten und Lieferfristen eines Massenproduktes. Die Frage nach Basisan-forderungen und Begeisterungsmerkmalen musste mit Einbezug der logistischen Leistung neu beantwortet werden. Im englischsprachigen Raum werden die so genannten Order Qualifyers und Order Winners un-terschieden. Order Qualifiers (Auftrags-Qualifikationskriterien) stellen Basisanforderungen dar, die alle Unternehmen erfüllen müssen, um im entsprechenden Markt überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Sie lassen sich daher aus den Marktanforderungen ableiten. Beispielweise erwarten alle Kunden des Lebensmittel-Detailhandels ein gewisses Mindestmaß an Qualität, denn verdorbene Lebensmittel lassen sich nicht verkaufen. Zu-dem muss das gewünschte Produkt verfügbar sein, niemand akzeptiert Lieferfristen für Standard-Lebensmittel wie Milch oder Brot. Deshalb stellen hier Qualität und Verfügbarkeit, bzw. „Lieferzeit null“, Auftrags-Qualifikationskriterien dar. Lebensmittelhändler können sich beispiels-weise über die Preise, überlegene Qualität oder Dienstleistungen rund um das Produkt (Frischegarantie, Lieferservice etc.) voneinander abheben. Diese stellen dann Order Winners (Auftrags-Zuschlagskriterien) dar. Sie geben den Ausschlag, dass ein Kunde die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens denen der Konkurrenz vorzieht. Unterschiedliche Kundengruppen haben in der Regel unterschiedliche Bedürfnisse, so dass sich die Order Winners von Unternehmen, die verschiedene Marktseg-mente anpeilen, voneinander unterscheiden. Wenn ein Unternehmen die Order Winners eines Marktsegments sehr gut erfüllt, kann es daraus Wettbewerbsvorteile schöpfen. In der Regel sind es ein oder zwei Order Winners, auf die sich ein Unternehmen fokussiert.

In Bezug auf Logistik und SCM sind es im Kern folgende fünf Zielbe-reiche, die den Kriterien der Order Qualifiers und Order Winners zugrunde liegen:

• Qualität: Erreichen erhöhter Anforderungen an die Produkt-, Prozess- und Organisationsqualität;

• Lieferzuverlässigkeit: Pünktlichkeit der Lieferung, d. h. Lieferzuverläs-sigkeit bzw. -treue;

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1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein? 9

• Lieferdurchlaufzeit: Lieferfrist bzw. Lieferbereitschaft (Verfügbarkeit); • Flexibilität: qualitative und quantitative Flexibilität im Erreichen des

Kundennutzens und im Ressourceneinsatz, um auf Termin- und Men-genänderungen effizient reagieren zu können;

• operationelle Kosten (als Hebel für den Preis): Kosten für das operati-onelle Logistikmanagement, d. h. für die Bereiche Informations- und Materialfluss, Bevorratung etc.

Order Winners können zu Order Qualifiers werden, wenn es einem Wettbewerber gelingt, die Marktanforderung zu erhöhen, beispielsweise durch das Einführen von höheren Standards. So gibt es zahlreiche Märk-te, in denen sich der Preis zum Order Qualifier entwickelt hat, beispiels-weise durch Discounter. Empirische Untersuchungen untermauern, dass Lieferzuverlässigkeit, Lieferzeit, Flexibilität und Kosten mögliche Order Winner darstellen, welche die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Dies unterstreicht, dass SCM die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beeinflusst und so zu einem Wettbewerbsvorteil werden kann.

Die fünf Zielbereiche Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlauf-zeit bzw. Verfügbarkeit, Flexibilität und operationelle Kosten, die Kun-den durch Order Qualifiers und Order Winners wahrnehmen, können durch den Zielbereich „Investitionen“ ergänzt werden, der in erster Linie eine unternehmensinterne Sicht widerspiegelt. Dieser Zielbereich bezieht sich auf das gebundene Kapital im Umlaufvermögen wie Bestände, Li-quidität und Verbindlichkeiten und im Anlagevermögen wie Infrastruk-tur und Kapazitäten. Dieses gebundene Kapital muss angemessen ver-zinst werden. Das Ziel ist, die damit verbundenen Kosten möglichst gering zu halten. Hier zeigen sich unterschiedliche Lösungsansätze im SCM: Beispielsweise kann ein Unternehmen eine hohe Verfügbarkeit entweder dank hoher Bestände erzielen, oder tiefe Bestände durch zuver-lässige, schnelle und flexible Prozesse und Kapazitäten ausgleichen. Das Ziel ist nicht per se, das Kapital zu reduzieren, sondern Investitionen ohne Mehrwert zu vermeiden. Unternehmensübergreifende Aspekte von SCM können in drei weiteren Zielbereichen, den Zielbereichen der Ko-operation, die weiter oben bei der Gestaltungsaufgabe von SCM ange-sprochen wurden, berücksichtigt werden:

• Zusammenarbeit: Kooperationsart, Kooperationsfähigkeit; • Koordination: Organisation der Partnerschaft, Kommunikation, In-

tegration, Infrastruktur; • Veränderbarkeit: Anpassung an geänderte Bedingungen, Flexibilität.

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10 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Da in den meisten Branchen heute eher eine Abnahme als eine Zu-nahme der Wertschöpfungstiefe in Unternehmen zu beobachten ist, werden die Kooperation und Koordination mit Zulieferern und Kunden immer wichtiger. So zeigt eine Umfrage zum Thema „SCM und Unter-nehmenserfolg“ des ETH-Zentrums für Unternehmenswissenschaften (BWI) aus dem Jahr 2006 im deutschsprachigen Raum, dass in der pro-duzierenden Industrie die Mehrheit (mehr als ein Drittel) der befragten Unternehmen eine Wertschöpfungstiefe zwischen 30% und 50% aufweist und dass bei der Hälfte der Unternehmen die Wertschöpfung weniger als 50% beträgt. Damit nimmt die Bedeutung der Lieferanten für die Leis-tung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu. Deshalb sind in der gleichen Umfrage auch ein Drittel bzw. 46% der befragten Unter-nehmen der Meinung, dass Kooperationen für das SCM wichtig bzw. sehr wichtig sind.

Welche Bedeutung hat jedoch SCM für den Unternehmenserfolg? Hier setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zunehmend von SCM mitbestimmt wird: Eine Umfrage des ETH-Zentrums für Unternehmenswissenschaften (BWI) aus dem Jahr 2003 bei mehr als 200 Unternehmen verschiedener Branchen aus der Schweiz und Deutschland ergab, dass SCM einen sehr großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg aufweist und einen maßgeblichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens leistet. Als ein großes Hindernis für die Umsetzung von SCM wurde bemängelt, dass den Un-ternehmen ein ausreichend strukturiertes Vorgehen zur Umsetzung von SCM fehlt. Eine Studie von ELA/Bearingpoint aus dem Jahr 2002 unter-suchte unter anderem, welche Bedeutung SCM im Top-Management (CEO, COO, CFO) hat und wie SCM Unternehmensziele und -strategie beeinflusst. Das Ergebnis war, dass SCM eine wichtige Bedeutung in der Unternehmensführung genießt: Das Top-Management leitet Ziele für das SCM ab, gleicht sie mit den Unternehmenszielen und der Unterneh-mensstrategie ab und bricht diese Ziele auf tiefere Ebenen herunter. Es erwies sich weiter, dass SCM maßgeblich zur Erreichung strategischer Zielsetzungen auf Unternehmensebene, beispielsweise Kundenservice, Kosten und Durchlaufzeiten, beiträgt. Eine Herausforderung ist dabei, dass Zielsetzungen im SCM und Unternehmensziele aufeinander abge-stimmt werden müssen. Nicht mehr nur die unmittelbaren Kunden und Lieferanten eines Unternehmens stehen im Zentrum des SCM, sondern auch weitere Stufen entlang der Wertschöpfungskette, die Kunden des Kunden und Lieferanten des Lieferanten usw. Damit drängen sich der Integrationsaspekt des SCM entlang der ganzen Wertschöpfungskette und der Netzwerkgedanke zunehmend in den Vordergrund.

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1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein? 11

Diese Resultate werden von einer Studie von Baumgarten und Thoms aus dem Jahr 2002 gestützt, die zeigt, dass die Wettbewerbsrelevanz des SCM heute als hoch und zukünftig weiter zunehmend bewertet wird, und die SCM-Verantwortung in der Unternehmensführung aufgrund der Bedeutung des SCM für den Unternehmenserfolg eine Konsolidierung im Top-Management erfährt. Damit findet SCM – früher primär eher auf der operationellen Ebene angesiedelt – aufgrund des Einflusses auf die Wettbewerbsfähigkeit zunehmend Eingang in das Management eines Unternehmens. Weiter kann bestätigt werden, dass der unternehmens-übergreifende und Integrationsaspekt weiter an Bedeutung gewinnen: Ausweitung des funktionalen bzw. internen Fokus zur externen Integra-tion und Kooperation.

Welche Potenziale ergeben sich durch SCM? Zahlreiche kürzlich ver-fasste Studien gehen dieser Frage nach und bieten leicht unterschiedliche Antworten, die meist die größten Verbesserungspotenziale bei den Ziel-bereichen Kosten und Umlaufvermögen, insbesondere bei den Bestän-den, lokalisieren. Dies wird auch durch die oben erwähnte Studie des BWI aus dem Jahr 2006 unterstützt. Diese untersuchte drei Fragestellun-gen in diesem Zusammenhang: In welchen Zielbereichen wurden bisher die größten Erfolge erzielt? Wo liegen heute die Prioritäten? Wo sind die größten Verbesserungspotenziale zu orten? Die Ergebnisse zeigen, dass bisher die größten Erfolge bei der Lieferzuverlässigkeit erzielt wurden, gefolgt von Flexibilität und Lieferdurchlaufzeit (vgl. Abb. 2).

Abb. 2 Erfolge, Prioritäten und Verbesserungspotenziale im SCM (Schnetzler et al. (2006))

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12 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Es zeigt sich, dass die Anstrengungen für Bestandssenkungen (Um-laufvermögen) nicht sehr erfolgreich waren. Die höchsten Prioritäten kommen der Lieferzuverlässigkeit und der Lieferdurchlaufzeit zu. Bei den Kosten, die insgesamt ebenfalls eine hohe Priorität aufweisen, liegt der Fokus klar auf dem Materialfluss. Bedingt durch die zunehmende Dynamisierung der Märkte (Konkurrenz, Internationalisierung, Globali-sierung etc.) müssen momentan die größten Verbesserungspotenziale bei der Flexibilität und bei den Kosten insgesamt gesehen werden. Eine Herausforderung in näherer Zukunft ist deshalb die Flexibilisierung des SCM, z. B. flexiblere SCM-Ressourcen (Kapazitäten, Prozesse, Organisa-tion). Dies soll helfen, auf geänderte Rahmenbedingungen schnell und kostengünstig reagieren zu können. Auch bei den Lagerbeständen (Um-laufvermögen) können noch Potenziale erschlossen werden. Insgesamt zeigt sich, dass die erhofften Potenziale noch nicht ausgeschöpft sind.

1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource: Integriertes SCM und Controlling

Wenn SCM eine bedeutende Rolle für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens spielt, müssen das „M“ im Wort „SCM“, also das Management, entsprechend konsequent wahrge-nommen und „SC“, die Supply Chain, als wertvolle Ressource betrachtet werden − eine Ressource im Sinne von etwas, das zu einem bestimmten Zweck, für die wirtschaftliche Produktion benötigt wird. Dem Manage-mentaspekt wurde bereits in der eingangs erwähnten Definition von SCM als Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Wertschöpfungsket-ten und -netzwerken Rechnung getragen (vgl. Abs. 1.2). Die verschiede-nen Aufgaben und Aktivitäten von SCM können drei Ebenen zugeordnet werden: der normativen, der strategischen und der operationellen Ebene des SCM. So ergibt sich in Anlehnung an das St. Galler Managementmo-dell ein integriertes SCM-Modell.

Das normative SCM setzt sich mit grundsätzlichen Fragen auseinander. Es dient der Sicherung der Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unter-nehmens im Hinblick auf seine Befähigung, sich als Partner in Wertschöp-fungsnetzwerke einbringen zu können. Es beinhaltet eine SCM-Vision, die als Zukunftsbild eine Vorstellung über die angestrebten unternehmens-übergreifenden logistischen Strukturen und Prozesse (Netzwerkdesign) gibt und damit eine grundsätzliche Richtung weist. Beispielsweise kön-nen in der SCM-Vision Aussagen darüber gemacht werden, welche Posi-tion das Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk einnehmen möchte,

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1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource 13

mit wie vielen und welchen Partnern es auf welche Weise zusammenar-beiten möchte und wie das Wertschöpfungsnetzwerk geografisch verteilt sein soll. Ein global tätiger Konzern hat eine andere SCM-Vision als ein mittelständisches, national verankertes Unternehmen. Im ersten Fall könnte die SCM-Vision festschreiben, dass der Konzern als Systemin-tegrator und Modullieferant für eine breite Palette von global tätigen OEMs (Original Equipment Manufacturer: Hersteller, dessen Produkte unter einem Markennamen als Einheit den Endkunden verkauft werden, z. B. Automobilhersteller) agieren möchte. Das mittelständische Unter-nehmen hingegen möchte sich als flexibler Partner in das Wertschöp-fungsnetzwerk einbringen.

Zum normativen SCM gehören weiter Wertvorstellungen und grund-legende Zielsetzungen und -ausrichtungen: Es legt die Grundsteine zur Kooperationskultur und bestimmt den angestrebten Grad an Kooperati-onsbereitschaft mit Partnern im Wertschöpfungsnetzwerk. Auch kann die Grundhaltung gegenüber „Make-or-Buy“-Fragen festgelegt werden: Welche Wertschöpfungsschritte sollen oder können grundsätzlich ausge-lagert werden, welche nicht? Dies betrifft insbesondere solche Wertschöp-fungsschritte, die eine Kernkompetenz bzw. einen Wettbewerbsvorteil des Unternehmens ausmachen. Beispielsweise kann hier festgeschrieben werden, dass eine bestimmte Komponente eines Produkts, welche für den Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten entscheidend ist und in der das ganze Know-how steckt, nicht fremd vergeben werden sollte, wäh-rend Standardkomponenten beim günstigsten Anbieter, der die Kriterien erfüllt, beschafft werden sollen. Das normative SCM gibt auf diese Weise einen allgemeinen und langfristigen Rahmen für das strategische SCM vor. Der Zeithorizont ist langfristig (mehrere Jahre, in der Regel fünf bis zehn Jahre).

Das strategische SCM befasst sich mit der Verwirklichung der SCM-Vision mithilfe von Supply Chain-Strategien. Diese stellen Leitplanken dar und zielen auf die Realisierung der SCM-Ziele (vgl. Abs. 1.3) durch den Aufbau logistischer Erfolgspotenziale ab. Als logistisches Erfolgspotenzi-al können die spezifischen Fähigkeiten und Ressourcen im Bereich der Logistik bzw. des SCM verstanden werden. Ein Unternehmen kann diese über längere Zeit aufbauen und sie erfolgsrelevant im Hinblick auf SCM-Zielsetzungen nutzen. Logistische Erfolgspotenziale sind damit wettbe-werbswirksam. Ebenfalls sind im strategischen SCM die entsprechenden langfristigen Zielsetzungen anzusiedeln (strategische Prioritäten), die aussagen, in welchen Zielbereichen überdurchschnittliche Leistungen erbracht werden müssen, um die Erfüllung der Kundenbedürfnisse zu unterstützen (vgl. Abs. 1.3). Das strategische SCM befasst sich zudem mit der Konfiguration und Organisation von Wertschöpfungsketten und

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14 1 Supply Chain Management – eine Einleitung

-netzwerken, indem es Maßnahmen einleitet, um die entsprechenden Vorgaben aus der SCM-Vision umzusetzen, beispielsweise durch den Aufbau der Lieferantenbasis und der Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten sowie durch die Auswahl und den Aufbau von Standorten. Zudem sind auf der strategischen Ebene Maßnahmen zur Entwicklung der Kooperationsbereitschaft anzusiedeln. Im oben erwähnten Beispiel des OEM könnte festgelegt werden, dass das Unternehmen mit einigen wenigen Schlüssellieferanten eng und mit den übrigen Lieferanten eher lose zusammenarbeiten will. Weiter soll das Unternehmen global an den Standorten der wichtigsten Kunden vertreten sein und, wenn erforder-lich, eine lokale Lieferantenbasis aufbauen. Das erwähnte mittelständi-sche Unternehmen hingegen könnte seine SCM-Vision umsetzen, indem es eng mit Schlüsselkunden zusammenarbeitet und zur Verstärkung seiner Wettbewerbsposition gewisse Produktionsschritte in Länder mit tiefen Lohnkosten verlagert.

Auch die grobe Auslegung von Kapazitäten (auf einer aggregierten Ebene) und Ressourcen, die Grobkonzeption von Wertschöpfungspro-zessen und das Ausschöpfen von Verbesserungspotenzialen beispielswei-se im Rahmen von Restrukturierungs- und Rationalisierungsprojekten sind hier einzuordnen. Das strategische SCM unterstützt die Unterneh-mens- und Wettbewerbsstrategie und weist einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont auf (ein Jahr bis mehrere Jahre).

Das operationelle SCM stellt die Ausführungsebene des SCM dar und ist somit die inhaltliche Konkretisierung und Umsetzung der Supply Chain-Strategien mittels Planzielen und Maßnahmen in Projekten inner-halb eines in der Regel kurz- bis mittelfristigen Zeithorizonts (Wochen bis Monate) sowie im Tagesgeschäft. Es tangiert direkt die Aktivitäten und Prozesse der Wertschöpfung und der Organisation der Logistik bzw. des SCM. Im Kern umfasst das operationelle SCM die Planung und Steu-erung des täglichen inner- und zwischenbetrieblichen Geschehens zur Leistungserstellung mit dem Ziel eines effizienten Betreibens der Wert-schöpfungsprozesse (Operations Management). Material- und Informa-tionsflüsse in Beschaffung, Produktion und Vertrieb sowie zu Kunden und Lieferanten werden ausgestaltet und die Verfügbarkeit der Produk-tionsfaktoren Kapazitäten (Arbeit), Material und Informationen wird sichergestellt. Auf dieser Ebene findet auch die konkrete Zusammenar-beit mit Lieferanten und Kunden statt, indem Aufträge gemeinsam ge-plant und durchgeführt werden. Deshalb ist hier das Verhalten in Koope-rationen und bezüglich der Leistung einzuordnen.

Abbildung 3 stellt den Bezugsrahmen für das integrierte SCM dar, in welchem die normative, strategische und operationelle Ebene jeweils in Strukturen, Aktivitäten und Verhalten gegliedert ist.

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1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource 15

Abb. 3 Integriertes SCM-Modell als Bezugsrahmen

Die drei Ebenen des integrierten SCM können nicht mit ihren jeweili-gen Zeithorizonten gleichgesetzt werden. Beispielsweise können Aufga-ben im Rahmen des operationellen SCM lang-, mittel- und kurzfristigen Charakter haben: z. B. langfristige Planung (Programm- bzw. Hauptpla-nung), mittelfristige Planung (Detail- und Terminplanung) sowie kurz-fristige Planung und Steuerung (Durchführung und Arbeitssteuerung). Wohl können diese drei Ebenen in Unternehmen in der Regel einer Füh-rungsebene zugeordnet werden. Die Fragen des normativen SCM werden normalerweise auf der Ebene Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates und auf Geschäftsleitungsebene behandelt und entschieden, während das strate-gische SCM Sache der Geschäftsleitung und insbesondere der SCM-Leitung ist. Für das operationelle trägt auch die SCM- bzw. Logistik-Leitung die Verantwortung, während die konkrete Durchführung auf der operationellen Ebene der Beschaffung, Einkauf, Produktionsplanung, Vertrieb etc. angesiedelt werden kann.

Verehrte Leserin, verehrter Leser: Unterscheiden Sie in Ihrem Unter-nehmen die normative, strategische und operationelle Ebene des SCM?

Mit dem hier diskutierten Ordnungsrahmen soll nochmals kurz auf die Diskussion des Unterschieds zwischen SCM und Logistik aus Abs. 1.2 zurückgekommen werden. Nach verbreitetem Verständnis bedeutet der Begriff SCM bzw. Logistikmanagement in erster Linie operationelles SCM bzw. Logistikmanagement im Sinne obiger Ausführungen (Opera-tions Management). Durch die Unterscheidung der drei Ebenen erfährt er somit eine Erweiterung in Bezug auf die normative und strategische