White paper hybrides patientenverhalten

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WHITE PAPER JOCHEN SCHWENK JUNI 2013 WWW.SCHWENKCONSULTING.BIZ SEITE 1 Schließen Sie Ihre Augen und denken zurück an die frühen 1990er Jahre. Sie stehen an der Kasse beim Lebensmitteldiscounter. Welche Menschen stehen vor und hinter Ihnen in der Warteschlange? Eher nicht Ihr Arzt oder Rechtsanwalt. In den letzten Jahren hat ohne Zweifel ein Wandel stattgefunden, auf dem Parkplatz beim Lebensmitteldiscounter stehen durchaus Autos der Premiummarken. Ande- res Beispiel: kennen Sie Konsumenten, die sich im Fachhandel ausführlich beraten lassen, das Laden- lokal unter verschiedenen Ausreden verlassen („Ich überlege nochmal und komme wieder...“) und da- nach skrupellos im Internet bestellen? Dieses Phänomen umschreibt der Begrides „hy- brides Konsumentenverhalten“. Das Verhaltensmuster „der Fahrer eines Luxusautos kauft Lebensmittel im Feinkostladen“ gilt schon lange nicht mehr. Hybrides Konsumentenverhalten Hybride Konsumenten verfolgen zwei gegensätzliche Konsummuster: auf der einen Seite steht das Preis - bewusstsein, auf der anderen Seite achten diese Konsumenten beim Kauf auf Markenartikel. Dieses bipolare Konsumenten- verhalten wird durch volatile Märkte gefördert, Konsumenten verhalten sich zunehmend sprunghafter. Konsumenten können nicht mehr in untere, mittlere und obere Preiskategorien klassifiziert werden. Mit der Billig -Airline in den Urlaub zum Luxus-Ressort oder mit dem Porsche zu Aldi - Beispiele gibt es viele. Erklärungsversuche für die Gründe beruhen u.a. auf der Individualisierungsthese. Nicht nur im Handel, auch und gerade in der Medizin ist ebenfalls ein Tr e n d festzustellen: Hybrides Patientenverhalten. Patienten lassen sich mit Standard - leistungen beim Hausarzt oder langjährig bewährten Zahnarzt behandeln, gehen jedoch für hochwertige und häufig auch für den Anbieter rentable Leistungen zu einem anderen Arzt, der sich beispielsweise vorteilhafter am Markt positioniert hat. Dieser Umsatzverlust für den Hausarzt oder Zahnarzt ist in vielen Fällen vermeidbar. Im schlechtesten Fall kann sogar ein vollständiger Kundenverlust an den anderen Anbieter die Folge sein. HYBRIDES PATIENTENVERHALTEN Hybride Patienten neue Trends für niedergelassene Ärzte und Zahnärzte

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Nicht nur im Handel, auch und gerade in der Medizin ist ebenfalls ein Trend festzustellen: Hybrides Patientenverhalten. Patienten lassen sich mit Standard- leistungen beim Hausarzt oder langjährig bewährten Zahnarzt behandeln, gehen jedoch für hochwertige und häufig auch für den Anbieter rentable Leistungen zu einem anderen Arzt, der sich beispielsweise vorteilhafter am Markt positioniert hat. Dieser Umsatzverlust für den Hausarzt oder Zahnarzt ist in vielen Fällen vermeidbar. Im schlechtesten Fall kann sogar ein vollständiger Kundenverlust an den anderen Anbieter die Folge sein.

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Schließen Sie Ihre Augen und denken zurück an die frühen 1990er Jahre. Sie stehen an der Kasse beim Lebensmitteldiscounter. Welche Menschen stehen vor und hinter Ihnen in der Warteschlange? Eher nicht Ihr Arzt oder Rechtsanwalt. In den letzten Jahren hat ohne Zweifel ein Wandel stattgefunden, auf dem Parkplatz beim Lebensmitteldiscounter stehen durchaus Autos der Premiummarken. Ande-res Beispiel: kennen Sie Konsumenten, die sich im Fachhandel ausführlich beraten lassen, das Laden-

lokal unter verschiedenen Ausreden verlassen („Ich überlege nochmal und komme wieder...“) und da-nach skrupellos im Internet bestellen? Dieses Phänomen umschreibt der Begriff des „hy-brides Konsumentenverhalten“.

Das Verhaltensmuster „der Fahrer eines Luxusautos kauft Lebensmittel im Feinkostladen“ gilt schon lange nicht mehr.

Hybrides Konsumentenverhalten

Hybr ide Konsumenten verfolgen zwei gegensätzliche Konsummuster: auf der einen Se i te s teht da s Pre i s -bewusstsein, auf der anderen Se i te achten d iese Konsumenten beim Kauf auf Markenartikel. Dieses bipolare Konsumenten-verhalten wird durch volatile Märkte ge förder t , Konsumenten verhalten sich zunehmend spr unghaf ter. Konsumenten können nicht mehr in untere, mittlere und obere Pre i skategor ien klassifiziert werden. Mit der Billig-Airline in den Urlaub zum Luxus-Ressort oder mit dem Porsche zu Aldi - Be i sp ie le g ibt e s v ie l e . Erklärungsversuche für die Gründe beruhen u.a. auf der Individualisierungsthese.

Nicht nur im Handel, auch und gerade in der Medizin ist ebenfa l l s e in Trend fe s tzus te l l en : Hybr ides Patientenverhalten. Patienten la ssen s ich mit Standard -leistungen beim Hausarzt oder langjährig bewährten Zahnarzt behandeln, gehen jedoch für hochwertige und häufig auch für den Anbieter rentable Leistungen zu einem anderen

Arzt, der sich beispielsweise vor te i lhaf te r am Markt pos i t ion ie r t hat . Dieser Umsatzverlust für den Hausarzt oder Zahnarzt ist in vielen Fällen vermeidbar. Im schlechtesten Fall kann sogar e in vo l l s tänd iger Kundenverlust an den anderen Anbieter die Folge sein.

HYBRIDES PATIENTENVERHALTEN

Hybride Patienten neue Trends für niedergelassene Ärzte und Zahnärzte

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Der Fahrer des Luxusautos kauft die Lebensmittel im Discounter, f ähr t ansch l i eßend zum Feinkostladen und kauft dort den Wein. Dieses „hybride Konsumentenverhalten“ bereitet dem Handel schweres Kopfzerbrechen. Schon wegen geringster Differenzbeträge wechseln hybride Kunden die Einkaufsquelle und werden dem Stammhändler untreu. Nicht immer spielen finanzielle Aspekte die herausragende Rolle, manchmal sind die Motive irrationaler Natur. Die Studie „Retail Revolution“ wurde auf der Digital-Konferenz „Next11“ in Berlin von der Agentur Interone vorges te l l t . 27 Prozent der Lebensmittel-, 24 Prozent der Kleidungs-, 62 Prozent der Elektronik- , 41 Prozent der Baumarkt-Käufer sowie 40 Prozent der Befragten, die Telekommunikations-Dienstleistungen online abgeschlossen haben, waren zuvor im Geschäft. Bereits jetzt zeichnen sich ähnliche Trends auch bei niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten ab, der „hybride Patient“ wird in den nächsten Jahren zweifellos ein Thema im Praxismanagement sein. Schon seit einigen Jahren kann eine ansteigende Wechselbereitschaft beobachtet werden, bei sub-jektiv empfundener Unzufriedenheit mit einem Arzt oder Zahnarzt wird vergleichsweise schnell ein Wechsel zu einem anderen Arzt vollzogen – insbesondere in Ballungszentren mit entsprechen-der Arztdichte. Der hybride Patient jedoch bleibt seinem Arzt treu, wird allerdings bestimmte Leis-tungen bei einem anderen Arzt nachfragen.So „darf“ der Hausarzt auch weiterhin behandeln und beispielsweise im Krankheitsfall therapieren oder bestimmte Vorsorgeuntersuchungen erbrin-gen, vergleichsweise hoch vergütete IGeL werden jedoch bei einem „Spezialist“ nachgefragt – ob-wohl der eigene Hausarzt die selbe Leistung mit gleicher Qualität und gleichem Preis erbringen könnte. Die Gründe für diese selektive Arztwahl sind häufig irrational: Marktauftritt spricht Pati-enten besser an, 1a-Lage in der Stadtmitte usw. Das Motiv ist in diesem Fall also die gefühlte Kompetenz des anderen Arztes, die für diese kon-krete Indikation höher bewertet wird als beim eigenen Hausarzt oder Zahnarzt.

Bei Zahnärzten wird der langjährig bewährte Zahnarzt weiterhin die Vorsorgeuntersuchungen und „Standard-Behandlungen“ erbringen, für teure Implantate oder andere komplexe Behandlungen wird kurzfristig zu einem anderen Zahnarzt ge-wechselt. Dieser Zahnarzt hat möglicherweise

seine Spezialisierung als Implantologe besser am lokalen oder regionalen Markt positioniert.In der Gynäkologie ist insbesondere bei den re-gelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft hybrides Patientenverhalten be-kannt. Die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen werden vom Gynäkologen durchgeführt, für die bildgebende Darstellung und andere Frühdiag-nostikverfahren suchen Schwangere häufig Präna-talzentren auf. Häufig ist das Motiv eine vermeint-lich bessere Geräteausstattung im Pränatalzen-trum - im Zweifel kann sich jedoch ein niederge-lassener Gynäkologie mit dieser Ausstattung durchaus messen.Bereits seit einigen Jahren erleben Zahnärzten hybride Patienten, dafür sorgt der Gesundheits-tourismus. Geführte Pauschalreisen, z.B. nach Un-garn, kombinieren Urlaub mit einer komplexen Zahnbehandlung. Patienten können so signifikan-te Einsparungen erzielen. Nach der Behandlung im Ausland kommt der Patient wieder zu „seinem“ heimischen Zahnarzt zurück. Bei Augenlaser-Ope-rationen findet sich eine ähnliche Situation, Pau-schalreisen in die Türkei mit Laserbehandlung vor Ort können problemlos gebucht werden. Nach der Reise kehrt der Patient zur Nachsorge wieder zum eigenen Augenarzt in Deutschland zurück. Diese Beispiele aus dem Gesundheitstourismus werden sicher noch verschärft. Als Prognose kann gesagt werden, dass innerhalb der eigenen Region für Ärzte der „hybride Patient“ an Relevanz ge-winnen wird. Ärzte werden Patienten selektiv an andere Ärzte verlieren, die nach der Therapie oderUntersuchung zurückkehren. Betriebswirtschaftlich betrachtet handelt es sich dabei natürlich um einen nicht unerheblichen Umsatz, der aufgrund dieses hybriden Patienten-verhaltens für viele Ärzte und Zahnärzte entsteht. Auf der anderen Seite profitieren natürlich die Ärzte und Zahnärzte, bei denen sich der Patient einmalig behandeln oder untersuchen lässt. Welche Möglichkeiten haben niedergelassene Ärzte und Zahnärzte, um gegen dieses Phänomen betriebswirtschaftlich anzugehen? Im ersten Schritt muss eine Analyse der eigenen Praxis erfolgen, eine SWOT-Analyse zeigt Chan-cen und Risiken sowie Möglichkeiten und Gefah-ren auf. Wann immer möglich sollten die Motive für das hybride Patientenverhalten identifiziert werden. Der einfachste Weg ist, hybride Patienten zu befragen.

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Wie bereits erwähnt sind die Motive für das hy-bride Patientenverhalten häufig irrationaler Natur und können in vielen Fällen schlicht nicht beant-wortet werden. Der goldene Weg führt über gezielte und vorteil-hafte Positionierung der eigenen Praxis am Markt. Die Lösung lautet also „Marketing“. Leider wird dieser Begriff häufig mit „Werbung“ gleichgesetzt. Marketing ist in diesem Kontext jedoch als ganz-heitliche unternehmerische Denkrichtung zu ver-stehen, die eine Organisation am Kundennutzen ausrichtet. Nur Praxen, die gelebtes Marketing für sich nutzen, können dem Trend des hybriden Patientenverhaltens gelassen entgegen sehen und diesen Effekt sogar für sich nutzen.

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